"Musterkolonie Kiautschou": Die Expansion des Deutschen Reiches in China. Deutsch-chinesische Beziehungen 1897 bis 1914. Eine Quellensammlung 9783050072715, 9783050029849


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German Pages 568 Year 1997

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Table of contents :
Vorwort zur Quellensammlung „Deutsch-chinesische Beziehungen“
Vorbemerkungen zur Edition
Danksagung
Dokumentenverzeichnis
Einführung. Die Geschichte des deutschen Pachtgebietes Kiautschou
Kapitel 1. Ursprünge und Voraussetzungen der deutschen Expansion in Shandong
Dokumente 1-15
Kapitel 2. Besetzung und Pacht der Jiaozhou-Bucht durch das Deutsche Reich
Dokumente 16-40
Kapitel 3. Aufbau und Administration des deutschen Pachtgebietes
Dokumente 41-63
Kapitel 4. Chinesischer Widerstand gegen deutsche Expansion und Militäraktionen
Dokumente 64-84
Kapitel 5. Das Verhältnis zwischen Jinan und Qingdao
Dokumente 85-96
Kapitel 6. Kiautschou als Handelskolonie und Wirtschaftszentrum
Dokumente 97-109
Kapitel 7. Die deutschen Eisenbahn- und Bergbauunternehmen in Shandong
Dokumente 110-125
Kapitel 8. Kultur und Mission in Qingdao
Dokumente 126-138
Kapitel 9. Die Stellung der Kolonie im Geflecht der deutsch-chinesischen Beziehungen
Dokumente 139-147
Abkürzungsverzeichnis
Quellen und Literatur
Index der Personen und Institutionen
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"Musterkolonie Kiautschou": Die Expansion des Deutschen Reiches in China. Deutsch-chinesische Beziehungen 1897 bis 1914. Eine Quellensammlung
 9783050072715, 9783050029849

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„Musterkolonie Kiautschou": Die Expansion des Deutschen Reiches in China

Quellen zur Geschichte der deutsch-chinesischen Beziehungen 1897 bis 1995 Herausgegeben von Mechthild Leutner

„Musterkolonie Kiautschou": Die Expansion des Deutschen Reiches in China Deutsch-chinesische Beziehungen 1897 bis 1914 Eine Quellensammlung Herausgegeben von Mechthild Leutner Bearbeitet von Klaus Mühlhahn

Akademie Verlag

Kalligraphie: Chen Ning

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Quellen zur Geschichte der deutsch-chinesischen Beziehungen 1897 bis 1995 / hrsg. von Mechthild Leutner. - Berlin : Akad. Verl. Literaturangaben „Musterkolonie Kiautschou". - 1 9 9 7 „Musterkolonie Kiautschou" : Die Expansion des Deutschen Reiches in China ; deutsch-chinesische Beziehungen 1897 bis 1914 ; eine Quellensammlung / hrsg. von Mechthild Leutner. Bearb. von Klaus Mühlhahn. - Berlin : Akad. Verl., 1997 (Quellen zur Geschichte der deutsch-chinesischen Beziehungen 1897 bis 1995) ISBN 3-05-002984-6

© Akademie Verlag GmbH, Berlin 1997 Der Akademie Verlag ist ein Unternehmen von WILEY-VCH. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier. Das eingesetzte Papier entspricht der amerikanischen Norm ANSI Z.39.48 - 1984 bzw. der europäischen Norm ISO TC 46. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Druck und Bindung: Druckhaus „Thomas Müntzer" GmbH, Bad Langensalza Einbandgestaltung: Hans Herschelmann, Berlin Printed in the Federal Republic of Germany

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort zur Quellensammlung „Deutsch-chinesische Beziehungen"...

9

Vorbemerkungen zur Edition

11

Danksagung

15

Dokumentenverzeichnis

17

Einführung

Die Geschichte des deutschen Pachtgebietes Kiautschou

35

- Strukturelle Voraussetzungen: China und der Westen im 19. Jahrhundert 37 - Das Symbol der Musterkolonie und die koloniale Wirklichkeit in Kiautschou 43 - Kolonialismus und Imperialismus in der Geschichte des modernen China 48

Kapitel 1

Ursprünge und Voraussetzungen der deutschen Expansion in Shandong - Herausbildung des kolonialen Interesses 1840-1890: Die Beziehungen mischen Deutschland und China im 19. Jahrhundert 54 - Der „Neue Kurs" und die Präzisierung des deutschen Stützpunktgedankens 1890-1895 59 - Die deutsche Beteiligung am Einspruch gegen den Friedensvertrag von Shimonoseki 1895: Beginn der deutschen Weltpolitik 61 - Die Entscheidungfür die gewaltsame Besetzung der Jiaozhou-Bucht 1896 63 - Die Jiaozhou-Bucht: Geschichte und Bedeutung 67

- Dokumente 1-15

53

69

Kapitel 2

Besetzung und Pacht der Jiaozhou-Bucht durch das Deutsche Reich . . .

105

- Die deutsche Suche nach einem Vorwand: Die Vorfälle in Wuchang und Juye 106 - Die Besetzung der Jiaozhou-Bucht 108 - Reaktionen auf die Besetzung in China 109 - Die diplomatischen Verhandlungen um die Pacht Jiaozhous und die deutsche Interessensphäre in Shandong 111 - Die Reaktionen in Deutschland 114

-Dokumente 16-40

H5

Kapitel 3

Aufbau und Administration des deutschen Pachtgebietes

169

- Die Unterstellung der Verwaltung Kiautschous unter das Reichsmarineamt1897/1898: Hintergründe, Bedeutung, Folgen 170 - Aufbau der Kolonialverwaltung 1898-1900 172 - Bodenpolitik und Landordnung 173 - Die bauliche Gestaltung Oingdaos, 1900-1910 176-Mitwirkungsrechte und Rechtsverhältnisse der chinesischen Bevölkerung, 1910-1914 178

-Dokumente 41-63

181

Kapitel 4

Chinesischer Widerstand gegen deutsche Expansion und Militäraktionen

241

- Der Rizhao-Missionszwischenfall und die Zerstörung von Hanjiacun durch deutsche Truppen 242 - Die Erhebung gegen den Eisenbahnbau in Gaomi im Sommer 1899 247 - Die Besetzung Jiaozhous und Gaomis durch deutsche Truppen 248

- Dokumente 64-84

252

Kapitel 5

Das Verhältnis zwischen Jinan und Qingdao - Die Verhandlungen über den Verlauf der Pachtgebietsgrenze und der 100-Li-Zone 1898 306 - Yuan Shikai und die Verkehrsregeln 1900 309 - Besuchsdiplomatie: Der Auflau informeller Beziehungen zwischen Jinan und Oingdao 310

- Dokumente 85-96

305

312

Kapitel 6

Kiautschou als Handelskolonie und Wirtschaftszentrum - Die Planungen für Kiautschou als Freihafen und Wirtschaftszentrum 1898/1899 346 - Die Errichtung eines chinesischen Seezollamtes in Qingdao 1899 347 - Die Revision des Zollabkommens 1904/1905 348 - Die „Sinisierung" der Wirtschaft in Kiautschou 349

- Dokumente 97-109

345

352

Kapitel 7

Die deutschen Eisenbahn- und Bergbauunternehmen in Shandong . . . .

381

- Die Bildung der Shandong- Bergbaugesellschaft und der Shandong-Eisenbahngesellschaft 382 - Der Abschluß der Eisenbahn- und Bergbauregulativen 383 - Bau und Betrieb der Jinan-Oingdao-Eisenbahn 385 - Der Konkurrenzkampf zwischen deutschen und chinesischen Bergwerksunternehmen 387 - Die Liquidierung der deutschen Sonderrechte in Shandong 389

392

- D o k u m e n t e 110-125

Kapitel 8

Kultur und Mission in Qingdao

429

- Die Tätigkeiten der Missionen in Kiautschou und Shandong im Bereich des Schulwesens 430 - Die staatliche auswärtige Kulturpolitik und die Gründung der deutsch-chinesischen Fachhochschule 432 - Chinabilder und das imperiale Programm: Konzeptionen zur deutschen Kulturmission in China 436 - Sinologie und Kolonialismus 438 - Chinesische Perspektiven auf die Kulturmission 439

- Dokumente 126-13 8

441

Kapitel 9

Die Stellung der Kolonie im Geflecht der deutsch-chinesischen Beziehungen

489

- Die Mitwirkung deutscher Einheiten an der Niederschlagung der Boxerbewegung 490 - Die neue China-Politik des Deutschen Reiches und die politischen Reformen in den letzten Jahren der Qing-Dynastie 493 - Die Anerkennung der Republik China durch das Deutsche Reich 495 - Sun Yatsen in Qingdao 496 - Die Übergabe Kiautschous an Japan 498

- Dokumente 139-147

499

Abkürzungsverzeichnis

519

Quellen und Literatur

521

Index der Personen und Institutionen

555

Vorwort zur Quellensammlung „Deutsch-chinesische Beziehungen"

Deutschland und China gelten gemeinhin als Länder, die sehr unterschiedlichen Kulturkreisen zugehören. Dennoch sind sie im Verlauf der vergangenen hundert Jahre immer wieder in vielfältige Beziehungen zueinander getreten. Wie sich diese gestaltet haben und welche weltund landesgeschichtlichen Wirkungen davon ausgingen, soll in einer acht Bände umfassenden Quellensammlung für den Zeitraum 1897 bis 1995 dargestellt werden. Sechs Bände dieser Reihe „Deutsch-chinesische Beziehungen" sind chronologisch, zwei thematisch-biographisch angelegt. Die Aufteilung der chronologischen Bände folgt den von der Geschichte vorgegebenen Zäsuren, aber auch sachlichen Gesichtspunkten. Der Rückblick erfaßt die direkte kriegerische Auseinandersetzung auf chinesischem Boden zur Jahrhundertwende ebenso wie Perioden raschen Aufschwungs beiderseits gesuchter enger Zusammenarbeit. Auch die Zeit des Zweiten Weltkrieges wird thematisiert und die unterschiedlichen Phasen der Unentschiedenheit und des gegenseitigen Abtastens nach 1949, wie sie fiir die Beziehungen Chinas sowohl zur DDR als auch zur Bundesrepublik Deutschland zu beobachten sind. So wird die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg entsprechend der Teilung Deutschlands in zwei Bänden erfaßt. Die beiden thematisch-biographischen Bände der Reihe sind der Deutschlandrezeption durch chinesische Intellektuelle und Politiker und dem Chinabild der im Fernen Osten tätigen deutschen Wissenschaftler und Politiker gewidmet. Dem wechselvollen Verlauf der Geschichte der deutsch-chinesischen Beziehungen entsprechend sind die Schwerpunkte in den einzelnen Bänden unterschiedlich gesetzt. Gemeinsam aber ist allen der Versuch, den deutschen Blick auf China und den chinesischen Blick auf Deutschland, die politischen, wirtschaftlichen, militärischen und kulturellen Beziehungen als interkulturelles Geschehen - will heißen: als Auseinandersetzung mit der vom jeweils anderen Land ausgehenden politisch-wirtschaftlichen und kulturellen Herausforderung - zu dokumentieren. Die zwischenstaatlichen Beziehungen geraten so - vor dem Hintergrund der jeweiligen innenpolitischen Entwicklungen und eingeordnet in das Gesamtgeflecht der internationalen Beziehungen - zu einer Art Spiegel dieser Auseinandersetzung mit dem Anderen, dem Fremden, bei der sich klischeebeladene Wunschbilder, rationale Planungen und machtpolitisches Kalkül oft miteinander vermischt haben.

10 Um dies in aller Breite aufzeigen zu können, mußte einer diplomatiegeschichtlichen Verengung der Darstellung so weit wie möglich vorgebeugt werden. So bilden die diplomatischen Akten zwar schon allein wegen ihrer Geschlossenheit und guten Überlieferung die Grundlage der Veröffentlichung, aber es sind auch Quellen anderer Herkunft einbezogen worden. Kultur- und Wirtschaftsorganisationen wurden dabei ebenso berücksichtigt wie die Publizistik beider Länder, und auch die individuelle Erfahrung der Begegnung mit dem anderen Land - nicht selten ganz außerhalb der politischen bilateralen Beziehungen stehend wurde nicht ausgespart. Der Vollständigkeit halber gelangten einige Standardquellen in den Bänden zu einem erneuten Abdruck. Doch die Mehrzahl des präsentierten Quellenmaterials deutscher und chinesischer Herkunft wird hier erstmals publiziert. Und: Nahezu alle chinesischen Dokumente werden zum ersten Mal in einer deutschen Übersetzung vorgelegt. Entsprechend der einheitlichen inhaltlichen Konzeption der Reihe gliedert sich jeder Band in mehrere Kapitel, denen eine jeweilige thematische Einfuhrung vorangestellt ist. Jedes einzelne Dokument ist mit quellenkritischen Angaben und - wo erforderlich - mit knappen zusätzlichen Personen- und Sachinformationen versehen. Eine Gesamteinleitung, ein Verzeichnis der Quellennachweise und bibliographische Angaben sowie ein Personen- und Institutionenindex runden die Bände jeweils ab. Die in Umfang und Form in dieser Größenordnung bislang einmalige Dokumentation Vergleichbares liegt weder fur das Verhältnis Deutschlands zu anderen Ländern noch für Chinas Kontakte zu anderen westlichen Ländern vor - richtet sich an eine Leserschaft, die weit über den Kreis der Chinaspezialisten hinausreicht. Sollte das Quellenwerk zudem beitragen können zu einer Überwindung der Kluft, die in Deutschland zwischen einer oft zu stark philologisch ausgerichteten Sinologie einerseits und einer zu sehr nationalgeschichtlich geprägten Historiographie andererseits besteht, wäre ein weiteres mit der Edition verknüpftes Anliegen erfüllt. Herzlicher Dank zu sagen ist der Stiftung Volkswagenwerk, Hannover, die die mehrjährige Arbeit am Projekt „Quellensammlung zu den deutsch-chinesischen Beziehungen" mit ihrer finanziellen Förderung erst ermöglicht hat. Mechthild Leutner

Vorbemerkungen zur Edition

Die Gliederung des vorliegenden Dokumentenbandes folgt systematischen Gesichtspunkten. Die einzelnen Kapitel behandeln jeweils spezifische Dimensionen der deutsch-chinesischen Beziehungen wie Außenpolitik (Kapitel 1, 5 u. 9), Kolonialpolitik (Kapitel 2 u. 3), Wirtschaft (Kapitel 6 u. 7), kolonialer Widerstand (Kapitel 4) und Kultur (Kapitel 8). Innerhalb der einzelnen Kapitel wurden die Dokumente chronologisch entsprechend dem Ausfertigungs- bzw. Veröffentlichungsdatum angeordnet. Jedem Kapitel steht eine ausfuhrliche Einleitung voran, die unter Hinzuziehung der Sekundärliteratur und weiterer, im Dokumententeil nicht abgedruckter Materialien einen historiographischen Abriß des jeweiligen Themenbereichs eines Kapitels gibt. Die Kapiteleinleitungen sind dabei so abgefaßt worden, daß sie ohne Kenntnis des Dokumententeils als selbständige Texte gelesen werden können. In ihrer Gesamtheit und zusammen mit der Einfuhrung geben sie einen Überblick über die Geschichte Kiautschous und die deutsch-chinesischen Beziehungen im Zeitraum von ca. 1890 bis 1914. Bei der überwiegenden Zahl der hier abgedruckten Dokumente handelt es sich um bislang unveröffentlichte Archivmaterialien, die darüber hinaus meist erstmals fur dieses Thema gesichtet und erschlossen wurden. Das gilt z.B. fur einen Großteil der Bestände des Militärarchivs Freiburg, die von der Forschung bislang nicht berücksichtigt worden sind. Es gilt aber insbesondere fur die Materialien aus dem Ersten Historischen Archiv in Peking, dem Archiv des Instituts für Moderne Geschichte der Academia Sinica, Taibei, und dem Archiv des Palastmuseums, Taibei, mit denen bisher gar nicht oder nur partiell gearbeitet worden ist. Als Ergänzung zu den - meist ausschließlich die amtlichen Sichtweisen und Interessen widerspiegelnden - Akten wurden auch andere zeitgenössische Quellen wie Zeitungsmeldungen, Essays, Vorträge, Tagebucheintragungen, Reden usw. aufgenommen. Durch sie soll eine ausschließliche Beschränkung auf die zwischenstaatliche diplomatische Ebene der deutschchinesischen Beziehungen vermieden und auch die Wahrnehmungen, Strategien und Kontakte anderer gesellschaftlicher Gruppen auf beiden Seiten berücksichtigt werden. Die Auswahl der Dokumente fiel bei dem außerordentlichen Umfang der zur Verfugung stehenden oder eigens erschlossenen Materialien nicht immer leicht. Vier Kriterien lagen der Auswahl zu Grunde: Erstens wurden in erster Linie solche Quellen berücksichtigt, die einen Einblick bieten in Motive, Methoden und Zielsetzungen der verschiedenen Verhaltensweisen und Entscheidungen auf deutscher und chinesischer Seite. Darunter fallen hauptsächlich Schriftstücke aus dem Geschäftsgang der mit der jeweils anderen Seite befaßten Behörden

12 und Entscheidungsgremien. Auf deutscher Seite waren dies hauptsächlich die verschiedenen Stellen des Gouvernements Kiautschou, die deutsche Gesandtschaft in Peking, das Reichsmarineamt und das Auswärtige Amt. Auf chinesischer Seite waren vor allem das Außenministerium (Zongli Yamen, nach 1901 Waiwubu) und das Gouverneursamt von Shandong mit Deutschland befaßt. Zweitens wurden solche Dokumente aufgenommen, in denen explizit oder implizit Hinweise auf Ursachen und Hintergründe für bestimmte längerfristige Prozesse gegeben werden. Es sind dies vor allem reflektierende Berichte, Memoranden oder Vorträge verschiedener Privatleute, die aus ihrer Sicht den Gang der Ereignisse kommentieren. Drittens wurde solche Dokumente aufgenommen, die Rechtskraft besaßen, wie Urkunden, Verordnungen, Erlasse, Abkommen und Verträge. Viertens wurden Texte ausgewählt, die sozial oder kulturell stimulierte Wahrnehmungsweisen des jeweiligen Gegenübers verdeutlichen (sog. Chinabilder bzw. Deutschlandbilder). In diesem Zusammenhang wurden ein Romanausschnitt sowie Zeitungs- und Zeitschriftenausschnitte abgedruckt. In jedem Fall wurde Wert darauf gelegt, Texte mit exemplarischem Charakter, d.h. hohem Aussage- oder Erklärungswert abzudrucken, während der ereignisgeschichtliche Verlauf eher in den Einleitungen zusammengefaßt wird. Die Dokumente selbst sind mit Anmerkungen versehen, die notwendige Informationen zum besseren Verständnis der Texte enthalten. Insbesondere werden explizite Bezüge und erwähnte Sachverhalte erläutert. Informationen zu Personen und Institutionen hingegen können, soweit sie ermittelt werden konnten, im Index aufgefunden werden. Hier finden sich dann neben den wesentlichen biographischen Informationen auch Hinweise auf den Bezug der Einzelpersonen zu China und ihre Rolle in den deutsch-chinesischen Beziehungen. Der Einfuhrung folgt ein Dokumentenverzeichnis mit den Dokumentenüberschriften, in denen Art des Schriftstücks, Absender und ggf. Adressat genannt werden. Außerdem werden alle Dokumente zur schnellen Information und der besseren Übersichtlichkeit halber kurz zusammengefaßt. Die Nachweise der Fundorte der Quellen finden sich am Ende eines jeden Dokuments sowie im Quellen- und Literaturverzeichnis. Die Dokumententexte selbst wurden nur geringfügig redaktionell überarbeitet. Schreibfehler in den Dokumenten sowie veraltete Schreibweisen und nicht mehr geläufige Transkriptionen wurden stillschweigend berichtigt. Auch die Interpunktion wurde den gegenwärtigen Regeln (vor der Rechtschreibreform von 1996) angepaßt. Einige wenige Dokumente mußten aus Platzgründen gekürzt werden. Kürzungen in den Dokumenten werden durch eckige Klammern kenntlich gemacht und in Anmerkungen näher begründet. Für die Transkription von chinesischen Orts- und Personennamen wurde die Hanyu-Pinyin-Umschrift verwandt. Ausnahmen wurden lediglich bei zwei eingebürgerten Schreibweisen gemacht, nämlich bei Peking (statt Beijing) und Sun Yatsen (statt Sun Yixian). Bei den Ortsnamen wurden ansonsten die qing-zeitlichen, historischen Namen beibehalten, die sowohl in den deutschen als auch in den chinesischen Quellen verwendet wurden. Die historischen Ortsnamen sind durch ein Suffix zu erkennen, das jeweils einen Ort als Sitz der kaiserlichen Verwaltung kenntlich macht. Das Suffix "-xian" bezeichnet dabei Orte mit Sitz eines Kreismagistrats, "zhou" eine Präfektur, "fu" eine überregionale Verwaltung. Nach dem Sturz der Qing-Dynastie 1911

13 wurden diese Suffixe gestrichen oder durch andere Silben ersetzt, z.B aus Jiaozhou wurde Jiaodong, aus Weixian Weifang usw. Die veraltete deutsche Transkription für Jiaozhou, „Kiautschou", ist dann beibehalten worden, wenn damit das vom Deutschen Reich beherrschte Territorium oder die entsprechenden Verwaltungsorgane bezeichnet werden. Dagegen wird .Jiaozhou" in der Hanyu-Pinyin-Umschrift als Name für die große chinesische Handelsstadt benutzt, die nicht Teil der deutschen Kolonie war. Mit dieser Unterscheidung wird überdies der Tatsache Rechnung getragen, daß die Kolonie nicht einfach an vorhandene Siedlungsstrukturen und Traditionen anschloß, sondern eigentlich eine künstliche Neuschöpfung darstellte. Beibehalten wurden ebenfalls die traditionellen chinesischen Maßeinheiten und Geldwährungen. Zur Orientierung kann folgende Umrechnungstabelle dienen: l Li

500m

1 Mu

666,6mJ

1 picul (chin. Shi)

60,453kg

1 tael (chin. Liang)

1 chinesische Unze Silber (=37,783gr), im Schnitt schwankend um ca. 3 Mark (damalige Währung)

1 $ (mex. Silberdollar)

Im Schnitt schwankend um ca. 2 Mark (damalige Währung)

Danksagung

Während der Arbeit an diesem Band, der im Rahmen des Forschungsprojektes „Dokumente zur Geschichte der deutsch-chinesischen Beziehungen" entstanden ist, haben wir von vielen Seiten Unterstützung erfahren, fur die wir an dieser Stelle danken wollen. Besonderer Dank gilt der Stiftung Volkswagen fur die geduldige finanzielle Förderung des Projektes. Bei der Materialsuche haben uns folgende Institutionen unterstützt: das Militärarchiv Freiburg, das Bundesarchiv in Koblenz und Potsdam, das Erste Historische Archiv in Peking, Archiv und Bibliothek des Instituts fur Moderne Geschichte der Academia Sinica in Taibei, das Archiv des Palastmuseums in Taibei, die Fakultät fur Geschichte an der Peking Universität, die Universitätsbibliothek der Peking Universität, die Bibliothek des Instituts fur Moderne Geschichte an der Akademie fur Sozialwissenschaften in Peking, die Nationalbibliothek Peking, das Institut fur Weltwirtschaft in Kiel, das Institut fur Auslandsbeziehungen in Stuttgart, die Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz in Berlin und die Bayerische Staatsbibliothek in München. Unser besonderer Dank gilt den folgenden Personen, die uns auf vielfaltige Weise mit Rat und Hilfe unterstützt haben: Bernd Martin (Universität Freiburg), Xu Yipu (Erstes Historisches Archiv, Peking), Zang Jian, Chen Changnian und Zhang Jiqian (alle Peking Universität), Chen Sanjing, Zhang Yufa und Xiong Bingchen (alle Academia Sinica, Taibei), Zhang Qifa (Palastmuseum Taibei), Zhu Maoduo (Shandong Universität, Jinan), Roland Felber (Humboldt Universität zu Berlin), Hans-Christian Stichler (z. Zt. Peking), John E. Schrecker (Brandeis University, Waltham), Paul Cohen (Wellesley College, Wellesley), William C. Kirby (Harvard University, Cambridge) und Kong Xiangji (Fairbank Center for East Asian Research, Harvard University, Cambridge). Für die große Mühe bei der Erstellung des Typoskriptes auf der Grundlage handschriftlicher Archivalien in Sütterlin sowie für die Endfonnatierung und Erstellung der Druckvorlage danken wir besonders Ingrid Kirst, fiir die Mitarbeit an der Erstellung des Indexes Monika Gertner. Für die Anfertigung der Übersetzungen danken wir Peter Merker (FU Berlin), fur die Durchsicht der Druckfahnen Tim Trampedach (FU Berlin).

DOKUMENTENVERZEICHNIS KAPITEL 1 1. Ausführungen der Lokalchronik von Jiaozhou (1926)

69

Die Jiaozhou-Bucht ist seit dem 10. Jahrhundert ein wichtiger und wohlhabender Verkehrsknotenpunkt zwischen Nordchina und Südost-Asien.

2. Bericht des Generalgouverneurs von Zhili, Li Hongzhang (16.7.1886)

74

Li Hongzhang betont die militärische Bedeutung der Jiaozhou-Bucht für die Seeverteidigung Chinas und fordert die Stationierung von Truppen.

3. Untersuchungen des Geographen Ferdinand Freiherr von Richthofen (1888)

76

Die geographischen Untersuchungen von Richthofen belegen die künftigen Entwicklungsmöglichkeiten der Jiaozhou-Bucht als Hafen für die Provinz Shandong.

4. Telegramm des Reichskanzlers Hohenlohe an den Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Marschall (17.11.1894)

80

Wilhelm II. fordert, daß Deutschland bei der Aufteilung des Orients nicht zu kurz kommen dürfe. China wird als Zielgebiet der neuen deutschen Weltpolitik der „freien Hand" anvisiert.

5. Schreiben des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes, Marschall, an den Staatssekretär des Reichsmarineamts, Hollmann (11.3.1895)

81

Marschall zeigt die Möglichkeit einer Intervention im chinesisch-japanischen Konflikt zum Zweck deutscher territorialer Erwerbungen in China auf.

6. Aufzeichnung des Vortragenden Rats im Auswärtigen Amt, Klehmet (18.3.1896)

83

Klehmet legt dar, daß die deutsche öffentliche Meinung sich fur die Erwerbung eines Stützpunktes an der chinesischen Küste ausspreche. Auch im Ausland sei kein ernster Widerstand zu erwarten.

7. Schreiben des Staatssekretärs des Reichsmarineamts, Hollmann, an den Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Marschall (17.4.1895)

84

In dem Schreiben entwickelt Hollmann eine explizite und systematische Formulierung des deutschen kolonialen Interesses. Es werden verschiedene wirtschaftliche, politische und militärische Aspekte thematisiert, die bei der Auswahl eines kolonialen Stützpunktes in China zu beachten seien.

8. Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes, Rotenhan (9.9.1895)

88

Rotenhan zählt die für eine auf friedlichem Wege zu erwerbende Flotten- und Kohlestationen in China in Betracht kommenden Orte auf. Davon sei allein Jiaozhou politisch durchsetzbar.

9. Schreiben des chinesischen Gesandten Xu Jingcheng an die Prinzen und Minister des Zongli Yamen (30.12.1895) Xu berichtet, daß Staatssekretär Marschall den Wunsch der deutschen Regierung nach Pachtung eines chinesischen Territoriums zum Ausdruck gebracht habe. Er habe es jedoch abgelehnt, darüber zu verhandeln.

89

18 10.

Schreiben des Unternehmers Wahl an den Reichskanzler Hohenlohe (26.5.1896)

90

Der deutsche Reeder legt dar, daß stärkere staatliche Unterstützung fur die deutsche SchifFahrt und den deutschen Handel an der chinesischen Küste nötig seien, um mit den englischen Schiffahrtgesellschaften konkurrieren zu können. Die Erwerbung eines deutschen Stützpunktes in Südchina sei das geeignetste Mittel staatlicher Hilfe für den deutschen Chinahandel. 11.

Schreiben des deutschen Gesandten Heyking an den Reichskanzler Hohenlohe ( 2 2 . 8 . 1 8 9 6 )

93

Heyking berichtet, daß der russische Gesandte Cassini Ansprüche seiner Regierung auf die Jiaozhou-Bucht angemeldet hat. Rußland betrachte Jiaozhou als Teil seiner Interessensphäre in Nordchina. 12.

Memorandum des deutschen Seezolldirektors Detring ( 1 2 . 1 0 . 1 8 9 6 ) Deutschland solle sich für Erhöhung des Zolltarifs einsetzen und als Gegenleistung eine Flotten- und Kohlestation in China verlangen. Deutschland müsse auf dem Verhandlungsweg eine Möglichkeit zum Erwerb eines Stützpunktes finden, der die Erhaltung der Einheit Chinas garantiere.

13.

Schreiben des Chefs des Marinekabinetts, Senden-Bibran, an den Oberkommandierenden der Marine, Knorr ( 2 8 . 1 . 1 8 9 7 )

95

100

Das Oberkommando der Marine wird darüber informiert, daß Kaiser Wilhelm II. die Bildung einer Kolonialtruppe für die Jiaozhou-Bucht angeordnet habe. Die Kolonialtruppe werde von der Marine gebildet. 14.

Memorandum der Prinzen und Minister des Zongli Yamen ( 1 3 . 2 . 1 8 9 7 )

100

Das Zongli Yamen skizziert einen eigenen chinesischen Modernisierungsplan: Jiaozhou soll als Marine-Basis entwickelt werden. Damit solle den Absichten der westlichen Mächte zuvorgekommen werden. 15.

Telegramm des Reichskanzlers Hohenlohe an Kaiser Wilhelm II.

102

(11.11.1897) Hohenlohe berichtet, daß Zar Nikolaus gegenüber Kaiser Wilhelm II. der Besetzung Jiaozhous zugestimmt habe. Der Protest des russischen Staatssekretärs des Auswärtigen Amts Murawiew gegen die Besetzung sei daher ungerechtfertigt.

KAPITEL 2 16.

Schreiben des Oberkommandierenden der Marine, Koester, an den Staatssekretär des Reichsmarineamts, Tirpitz ( 2 . 1 1 . 1 8 9 7 )

115

Der Angriff auf deutsche Soldaten in Wuchang soll zur Förderung deutscher Interessen in China benutzt werden. 17.

T a g e b u c h a u f z e i c h n u n g d e s M i s s i o n a r s Stenz ( 2 . 1 1 . 1 8 9 7 ) Der deutsche Pater berichtet darüber, wie er die Ermordung zweier deutscher Missionare miterlebt hat.

115

19 18.

N o t e des deutschen Gesandten Heyking an die Prinzen und Minister des Zongli Yamen ( 7 . 1 1 . 1 8 9 7 )

118

Heying beschuldigt die chinesische Regierung, in vollem Umfang fur die Ermordung deutscher Missionare verantwortlich zu sein. 19.

Telegramm von Kaiser Wilhelm II. an den Chef des Kreuzergeschwaders in

119

Ostasien, Diederichs ( 7 . 1 1 . 1 8 9 7 ) Das Kreuzergeschwader erhält den Befehl zur Besetzung der Jiaozhou-Bucht. 20.

Telegramm des Reichskanzlers Hohenlohe an den deutschen Gesandten Heyking ( 7 . 1 1 . 1 8 9 7 )

119

Heyking wird angewiesen, hohe Entschädigungsforderungen an die chinesische Regierung zu stellen, damit die Ermordung deutscher Missionare als Vorwand für die Besetzung eines Ortes in China benutzt werden könne. 21.

Telegramm der Minister des Staatsrats an den Gouverneur von Shandong, Li Bingheng ( 1 0 . 1 1 . 1 8 9 7 )

120

In dem Telegramm wird gerügt, daß Li Bingheng zu spät über die Ermordung zweier deutscher Missionare Bericht erstattet habe. Es wird die Befürchtung geäußert, Deutschland könne dies als Vorwand für Gebietsforderungen nutzen, daher müßten umgehend die Täter gefaßt werden. 22.

Proklamation des Chefs des Kreuzergeschwaders in Ostasien, Diederichs (14.11.1897)

120

Mit der Proklamation wird die Jiao'ao-Bucht durch das Ostasiatische Kreuzergeschwader für den Deutschen Kaiser in Besitz genommen. 23.

Telegramme des Ministers der Nördlichen Handelshäfen, W a n g Wenshao, an die Minister des Staatsrats ( 1 5 . 1 1 . 1 8 9 7 )

122

Wang erstattet Bericht über das Einlaufen dreier deutscher Schiffe am 13.11.1897 morgens in Jiaozhou. 24.

Aufzeichnung über die Verhandlungen mit China ( 1 5 . 1 1 . 1 8 9 7 ) Der Kronrat bei Kaiser Wilhelm II. kommt zu dem Ergebnis, daß eine vertragliche Abtretung der Jiaozhou-Bucht anzustreben sei. Außerdem sollen die Reaktionen der europäischen Mächte beachtet werden.

123

25.

Bericht des Chefs des Kreuzergeschwaders in Ostasien, Diederichs, an den Oberkommandierenden der Marine, Knorr ( 1 5 . 1 1 . 1 8 9 7 )

124

In seinem Bericht über die Besetzung der Jiaozhou-Bucht betont Diederichs, daß die chinesischen Truppen sich freiwillig aus der Bucht zurückgezogen hätten. 26.

Meldung im Berliner Tageblatt ( 1 6 . 1 1 . 1 8 9 7 )

128

Die Meldung informiert über eine Flottendemonstration an der chinesischen Küste, im Verlauf derer die Jiaozhou-Bucht von Truppen besetzt wurde. 27.

Telegramm der Minister des Staatsrats an den Gouverneur von Shandong, Li Bingheng ( 1 7 . 1 1 . 1 8 9 7 ) Der Staatsrat untersagt jeglichen militärischen Widerstand gegen das deutsche Vorgehen. Späteren Katastrophen müsse vorgebeugt werden.

129

20 28. Telegramm des Gouverneurs von Shandong, Li Bingheng, an die Prinzen und Minister des Zongli Yamen (19.11.1897)

130

Li Bingheng kritisiert die kampflose Preisgabe chinesischen Territoriums und erbittet die Erlaubnis zum bewaffneten Kampf gegen die deutschen Besatzungstruppen.

29. Note des deutschen Gesandten Heyking an die Prinzen und Minister des Zongli Yamen (20.11.1897)

131

Heyking stellt in der Note die Entschädigungsforderungen der deutschen Regierung für die Ermordung der deutschen Missionare. Er verlangt lediglich die Zusicherung von Sonderrechten in der Provinz Shandong.

30. Kommentar der Guowen Bao (20.11.1897)

134

Der Kommentar kritisiert die Politik des Gouverneurs Li Bingheng. Durch sein falsches Verhalten gegenüber dem Missionszwischenfall habe er den Konflikt mit dem Deutschen Reich erst ausgelöst und China in eine Krise gestürzt.

31.

Schreiben des deutschen Gesandten Heyking an das Auswärtige Amt (21.11.1897)

136

Heyking gibt über den Stand der Verhandlungen bezüglich der Abtretung der JiaozhouBucht an Deutschland Auskunft.

32.

Telegramm des Garnisonskommandanten der Präfektur Dengzhou, Zhang Gaoyuan, an die Minister und Gouverneure Li Hongzhang, Li Bingheng und Zhang Rumei (22.11.1897)

137

Zhang berichtet über seine Gefangennahme sowie das Verhalten seiner Truppen und der Bevölkerung gegenüber den Deutschen. Truppen und Volk seien zum äußersten Widerstand bereit.

33. Memorandum des Ministers des Zongli Yamen, Prinz Gong (1.12.1897)

138

Prinz Gong erstattet Bericht über den Juye-Missionszwischenfall. Es handele sich bei diesem Vorfall um einen gewöhnlichen Raubüberfall auf Missionare.

34. Protokoll über die Verhandlungen der Minister des Staatsrats, Weng Tonghe und Zhang Yinhuan, mit dem deutschen Gesandten Heyking (7.12.1897)

140

Der Missionszwischenfall von Juye sei im Prinzip beigelegt, lediglich die Entschädigungssummen müßten noch ausgehandelt werden. Heyking deutet erstmals die Intention der deutschen Regierung an, länger in Jiaozhou zu verweilen oder einen anderen Punkt in China in Besitz zu nehmen.

35. Tagebuchaufzeichnungen der Schriftstellerin Elisabeth von Heyking (3.12.1897 -31.12.1897)

142

Elisabeth von Heyking beschreibt die Verhandlungen des deutschen Gesandten mit den Ministern des Zongli Yamen.

36. Protokoll der Verhandlungen der Prinzen und Minister des Zongli Yamen mit dem deutschen Gesandten Heyking (4.1.1898) Heyking macht massive Drohungen, um die deutschen Forderungen durchzusetzen. Unter diesem Druck stimmt das Zongli Yamen einer Pacht der Jiaozhou-Bucht auf 55 Jahre

147

21

37.

N o t e der Prinzen und Minister d e s Zongli Y a m e n an den deutschen

149

Gesandten Heyking ( 1 5 . 1 . 1 8 9 8 ) Durch Notentausch wird der Juye-Missionszwischenfall offiziell beigelegt. 38.

Memorandum d e s Philosophen Kang Y o u w e i an den Thron (Januar 1898)

151

Kang Youwei bezeichnet in der "Fünften Eingabe an den Thron" die Besetzung der Jiaozhou-Bucht als eine dringende Mahnung an die Qing-Regierung, jetzt umfassende Reformen einzuleiten. Ohne diese Reformen werde China den imperialistischen Mächten zum Opfer fallen. 39.

R e d e n d e s Abgeordneten Richter, des Staatssekretärs d e s Auswärtigen A m t s , B ü l o w , und d e s Abgeordneten Bebel vor dem Reichstag ( 8 . 2 . 1 8 9 8 )

154

Der Abgeordnete der Freisinnigen Partei, Richter, äußert Zweifel am wirtschaftlichen und politischen Nutzen eines deutschen Stützpunktes in China. Für die Regierung verteidigt Bülow die Besetzung Jiaozhous. Mit dem Abschluß des Pachtvertrages und der Beilegung des Missionszwischenfalles seien weder die Beziehungen zu den anderen europäischen Mächten noch die deutsch-chinesischen Beziehungen in irgendeiner Weise belastet. Für die Sozialdemokraten übt Bebel scharfe Kritik an der Art und Weise der deutschen Erwerbung. 40.

A b k o m m e n z w i s c h e n dem Deutschen Reich und der Qing-Dynastie

164

(6.3.1898) Das Abkommen regelt die Pacht eines Territoriums an der Jiaozhou-Bucht durch das Deutsche Reichs und macht die Provinz Shandong faktisch zur Einflußsphäre Deutschlands.

KAPITEL 3 41.

Schreiben des Oberkommandierenden der Marine, Knorr, an den Staats-

181

Sekretär des Auswärtigen Amtes, B ü l o w ( 2 0 . 1 2 . 1 8 9 7 ) In dem Schreiben übt Knorr Kritik am Entwurf zum Pachtvertrag aus dem Auswärtigen Amt. Jiaozhou werde vorrangig militärischer Stützpunkt sein. Interessen des Militärs hätten daher Priorität vor allen anderen politischen oder wirtschaftlichen Erwägungen. Der Oberkommandierende fordert eine territoriale Vergrößerung des Pachtgebietes. 42.

Schreiben des Reichskanzlers Hohenlohe an den Oberkommandierenden

181

der Marine, Knorr ( 1 4 . 1 . 1 8 9 8 ) Hohenlohe weist das Oberkommando der Marine darauf hin, daß das Pachtgebiet der Reichskanzlei unterstellt werde, in dessen Vertretung der Staatssekretär des Reichsmarineamtes fungiere. 43.

Aufzeichnungen des Staatssekretärs d e s Reichsmarineamts, Tirpitz (16.1.1898) Anläßlich der Übertragung der Verwaltung an das Reichsmarineamt skizziert Tirpitz die Grundlinien der künftigen Verwaltung Kiautschous.

182

22 44. Bericht des Chefs des Kreuzergeschwaders in Ostasien, Diederichs (Ende Januar 1898)

184

Diederichs stellt seine grundlegenden Überlegungen zur künftigen Landordnung in Kiautschou vor.

45. Kaiserliche Ordre betreifend die Unterstellung des von Deutschland besetzten Gebietes unter das Reichsmarineamt (27.1.1898)

189

Mit der Ordre wird die Verwaltung von Kiautschou dem Reichsmarineamt übertragen.

46. Bericht des Chefs des Kreuzergeschwaders in Ostasien, Diederichs, an das Reichsmarineamt (15.2.1898)

190

Diederichs stellt die Lage im deutschen Kiautschou-Gebiet und seine bisherigen Erfahrungen bei Übergang der Verwaltung an das Reichsmarineamt dar.

47. Vorläufige Geschäftsordnung für das Gouvernement Kiautschou (15.3.1898)

198

Die Geschäftsordnung regelt die Zuständigkeiten und Aufgaben der einzelnen Verwaltungsorgane in Kiautschou.

48. Bestimmungen über die Organisation der Besatzung von Kiautschou (27.4.1898)

203

Die Bestimmungen dokumentieren Organisation, Stärke und Aufgaben der deutschen Truppen in Kiautschou.

49. Kaiserliche Ordre betreffend die Erklärung Kiautschous zum Schutzgebiete (27.4.1898)

205

Kiautschou wird Völker- und staatsrechtlich den deutschen Kolonien im südlichen Afrika gleichgestellt.

50. Verordnung des Gouverneurs von Kiautschou, Rosendahl, betreffend Landerwerb im Deutschen Kiautschou-Gebiete (2.9.1898)

206

Die sog. Landordnung regelt Fragen der Veräußerung und Besteuerung von Grund und Boden im Schutzgebiet.

51.

Verordnung des Gouverneurs von Kiautschou, Jaeschke, betreffend die Rechtsverhältnisse der Chinesen (15.4.1899)

208

Die Gouverneursverordnung regelt die rechtliche Stellung der chinesischen Bevölkerung, f u r die das deutsche Reichsrecht keine Geltung hat.

52. Verordnung des Gouverneurs von Kiautschou, Jaeschke, betreffend Chinesenordnung für das Stadtgebiet (14.6.1900)

213

Die "Chinesenordnung" bestimmt besondere Verhaltensregeln fur die chinesische Bevölkerung und verbietet ihr das Wohnen im Europäerviertel.

53.

Schreiben des Gouverneurs von Kiautschou, Truppel, an den Staatssekretär des Reichsmarineamts, Tirpitz (28.4.1902) Truppel berichtet über die Forderungen chinesischer Geschäftsleute nach Mitwirkung bei der Verwaltung. Dies sei im Prinzip zu begrüßen, j e d o c h solle das zu bildende chinesische Komitee keine Befugnisse erhalten.

218

23 54. Verordnung des Gouverneurs von Kiautschou, Truppel, betreffend die provisorische Errichtung eines chinesischen Komitees (15.4.1902)

219

Ein chinesisches Komitee zur beratenden Mitwirkung an den wirtschaftlichen Angelegenheiten wird zugelassen.

55. Schreiben des Gouverneurs von Kiautschou, Truppel, an den Staatssekretär des Reichsmarineamts, Tirpitz (12.12.1903)

220

Die Kontrolle der Prostitution in Qingdao soll durch eine polizeiliche Vorschrift geregelt werden. Diese darf nicht im Amtsblatt veröffentlicht werden. Eine Veröffentlichung würde nur unnötige Aufmerksamkeit in Deutschland hervorrufen.

56. Verordnung des Gouverneurs von Kiautschou, Truppel, betreffend Gouvernementsrat (14.3.1907)

222

Die Verordnung regelt die Vertretung der Zivilgemeinde bei wirtschaftlichen und administrativen Angelegenheiten.

57. Kommentar der Beijing Guanhua Bao (22.4.1907)

226

Der Zeitungsartikel schildert die diskriminierende Behandlung von Chinesen in Rechtsprozessen in Qingdao. Für Chinesen sei in Qingdao die Prügelstrafe erlaubt. Auch müssen Chinesen vor Gericht niederknien. In China würden diese Strafformen nach den Reformen im Strafrecht ebensowenig praktiziert wie in europäischen Ländern.

58. Überblick über das erste Jahrzehnt der Entwicklung des Kiautschou-Gebietes unter der deutschen Marineverwaltung (21.1.1908)

228

Der Überblick aus dem Reichsmarineamt schildert die deutschen Leistungen und Erfolge beim Aufbau einer modernen Stadt und einer modernen Infrastruktur.

59. Leitartikel des Chefredakteurs ZhuJi( 15.12.1908)

233

Der Journalist Zhu Ji, der viele Jahre in Kiautschou gelebt hat, charakterisiert die Geringschätzung,

mit der die Deutschen die Chinesen behandeln.

60. Bekanntmachung des Gouverneurs von Kiautschou, Truppel, betreffend Ernennung chinesischer Vertrauensleute (18.8.1910)

236

Zur Mitwirkung an allgemeinen Verwaltungsangelegenheiten des Gouvernements sollen vom Gouverneur künftig chinesische Vertrauensleute ernannt werden.

61.

Verordnung des Gouverneurs von Kiautschou, Meyer-Waldeck, betreffend Wohnen von Chinesen im Europäerviertel (23.1.1914)

236

Wohlhabende Chinesen können nun beim Gouverneursrat die Erlaubnis beantragen, im Europäerviertel zu wohnen.

62. Statistik über die Bevölkerungsentwicklung in Kiautschou (1897-1913)

238

63.

239

Statistik über Reichszuschüsse, Einnahmen und Ausgaben des Gouvernements Kiautschou (1897-1913)

24

KAPITEL 4 64. Aussagen des Missionars Stenz (19.11.1898)

252

Pater Stenz berichtet von den Ausschreitungen gegen chinesische Christen und die Gewalttätigkeiten gegenüber seiner Person in Jietou. Die anti-christliche Bewegung werde insgeheim von Beamten und gebildeten Kreisen gefördert.

65. Telegramm des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes, Bülow, an den deutschen Gesandten Heyking (12.12.1898)

254

Heyking wird instruiert, daß die Angriffe auf den Missionar Stenz und auf deutsche Ingenieure fur die deutschen Eisenbahninteressen ausgenutzt werden sollen.

66.

Schreiben des Gouverneurs von Kiautschou, Jaeschke, an den Staatssekretär des Reichsmarineamts, Tirpitz (15.3.1899)

255

Jaeschke teilt mit, daß in Süd-Shandong immer häufiger Übergriffe gegen Ausländer vorkämen. Er erbittet die Genehmigung des Reichsmarineamts fur eine militärische Strafexpedition ins Innere von Shandong.

67. Telegramm des Gouverneurs von Kiautschou, Jaeschke, an den Gouverneur von Shandong, Zhang Rumei (29.3.1899)

257

Jaeschke informiert Zhang über die bevorstehende Zerstörung von Dörfern im Kreis Lanshan und über die Besetzung von Rizhao.

68. Telegramm des Gouverneurs von Shandong, Zhang Rumei, an den Gouverneur von Kiautschou, Jaeschke (31.3.1899)

258

Zhang protestiert gegen die geplante deutsche Militäraktion in Shandong. Keiner der von Jaeschke genannten Fälle rechtfertige ein solches Vorgehen, das nur Unschuldige in Mitleidenschaft ziehe.

69. Telegramm der Minister des Staatsrats an den Gouverneur von Shandong, Zhang Rumei (6.4.1899)

260

Zhang Rumei wird angewiesen, Truppen nach Rizhao zu verlegen.

70.

Schreiben des Gouverneurs von Shandong, Zhang Rumei, an den Generalgouverneur von Zhili und Minister der Nördlichen Handelshäfen, Yu Lu (7.4.1899)

261

Zhang berichtet über die von ihm getroffenen diplomatischen Maßnahmen gegen die Besetzung von Rizhao durch deutsche Marine-Infanteristen.

71. Telegramm der Minister des Staatsrats an den Gouverneur von Shandong, YuXian (9.4.1899)

262

Yu Xian wird instruiert, daß die chinesischen Truppen ein weiteres Vordringen der deutschen Truppen verhindern sollen.

72.

Schreiben des Gouverneurs von Shandong, Zhang Rumei, an die Prinzen und Minister des Zongli Yamen (12.4.1899) Zhang Rumei beschreibt die Hintergründe des Rizhao-Zwischenfalles. Die ursächliche Schuld fur diesen Vorfall liege bei den chinesischen Christen und den ausländischen Missionaren.

263

25 73.

Bericht des Magistrats von Gaomi, G e Zhitan, an den Gouverneur von Shandong, Yu Xian ( 2 0 . 6 . 1 8 9 9 )

267

Der Beamte Ge Zhitan berichtet über den Ausbruch von Unruhen in Gaomi. Der Grund seien Streitigkeiten mit der Shandong-Eisenbahngesellschaft über Landkäufe sowie der Beginn der Bauarbeiten. 74.

Schreiben des Staatssekretärs des Reichsmarineamts, Tirpitz, an den Gouverneur von Kiautschou, Jaeschke ( 2 7 . 6 . 1 8 9 9 )

269

Tirpitz kritisiert die Rizhao-Aktion und verbietet dem Gouverneur weitere derartige Aktionen in Shandong. Militärische Konflikte schädigten die wirtschaftliche Entwicklung. Es falle nicht in die Aufgaben des deutschen Gouverneurs, die Mission in Shandong zu unterstützen. 75.

Bericht des stellvertretenden Garnisonskommandanten der Präfektur Laizhou, Peng Jinshan, an den Gouverneur von Shandong, Yu Xian (30.6.1899)

274

Der chinesische Kommandant Peng Jinshan beschreibt die blutige Niederschlagung der Unruhen bei Gaomi durch deutsches Militär. 76.

Schreiben des Magistrats von Gaomi, G e Zhitan, an den Gouverneur von

276

Shandong, Yu Xian ( 1 3 . 7 . 1 8 9 9 ) Der Beamte Ge Zhitan schildert die Besetzung Gaomis durch deutsche Truppen. 77.

Schreiben der Magistratsbeamten Ji Guifen und des Stellvertretenden Garnisonskommandanten von Laizhou, Peng Jinshan, an den Gouverneur von Shandong, Yu Xian ( 3 0 . 1 2 . 1 8 9 9 )

279

Die Beamten melden weitere Unruhen in Gaomi, da die Bauern die Verbauung ihrer Wasserzuflüsse durch die Eisenbahntrasse befürchteten. 78.

Denkschrift aus dem Allgemeinen Marinedepartement (Juni 1 9 0 0 ) Zusammenfassende Darstellung und Bewertung der Boxerunruhen in Gaomi und der deutschen Militäraktionen zu deren Unterdrückung.

279

79.

Schreiben der Betriebsdirektoren der Shandong-Eisenbahngesellschaft, Schmidt und Hildebrand, an den Gouverneur von Kiautschou, Jaeschke (9.8.1900)

281

Schmidt und Hildebrandt berichten über fortgesetzte Störungen des Eisenbahnbaus durch die chinesische Bevölkerung. Die deutsche Regierung sei durch die Vergabe der Konzessionen verpflichtet, der Shandong-Eisenbahngesellschaft Schutz zu gewähren. Daher sollten deutsche Truppen entlang der gesamten Strecke stationiert werden. 80.

Bericht des Missionars Richard Wilhelm ( 2 4 . 1 1 . 1 9 0 0 )

287

Richard Wilhelm beschreibt den Aufstand der chinesischen Bevölkerung in der Gegend von Gaomi. Die unaufgeklärte Dorfbevölkerung sei von Fanatikern und Boxermagiern aufgehetzt worden. 81.

Denkschrift des Leiters des Allgemeinen Marinedepartements, Büchsei (1.12.1900) Zusammenfassung der Berichte aus Qingdao über die Entscheidungen und Vorbereitungen zur Durchführung von Strafaktionen bei Gaomi.

290

26 82.

Denkschrift des Leiters des Allgemeinen Marinedepartements, Büchsei

295

(14.12.1900) Zusammenfassung der Berichte aus Qingdao über die Erstürmung und Beschießung aufständischer Dörfer im Distrikt Haoli. 83.

Bericht des Wasserbau-Inspektors Born an den Gouverneur v o n Kiau-

300

tschou, Truppel ( 4 . 9 . 1 9 0 2 ) Der Ingenieur berichtet über die Überschwemmungen bei Gaomi, die die Eisenbahntrasse stark beschädigt hätten. Die Überflutung, die zahlreiche Dörfer und Felder betreffen, seien zweifellos durch den Bau des Eisenbahndammes hervorgerufen, der viel zu wenig Wasserabläufe aufweise. 84.

Schreiben des deutschen Konsuls in Jinan, Betz, an den deutschen Gesandten M u m m ( 1 . 1 2 . 1 9 0 5 )

302

Betz übersendet eine Abschrift des Abkommens zwischen dem Gouverneur von Kiautschou und dem Gouverneur von Shandong über den Rückzug der deutschen Truppen aus Jiaozhou und Gaomi. Das Abkommen sieht den Rückkauf der von den Einheiten errichteten Gebäude durch die chinesische Regierung vor.

KAPITEL 5 85.

Telegramm des Magistrats von Pingdu, Pan Minbiao, an den Gouverneur von Shandong, Zhang Rumei ( 1 1 . 7 . 1 8 9 8 )

312

In dem Telegramm wird berichtet, daß die Deutschen in Pingdu mit dem vorübergehenden Aufstellen von Grenzsteinen begonnen hätten. Pingdu sei aber mehr als 200 Li von Qingdao entfernt. 86.

Schreiben des Gouverneurs von Kiautschou, Rosendahl, an den Staats-

313

Sekretär des Reichsmarineamts, Tirpitz ( 1 4 . 1 0 . 1 8 9 8 ) Der Bericht referiert die Ergebnisse der Grenzziehungsverhandlungen. 87.

Bericht der Beamten Peng Yusun und Li Xijie an den Gouverneur v o n

315

Shandong, Zhang Rumei ( 2 4 . 1 0 . 1 8 9 8 ) Bericht über die Tätigkeit der chinesischen Kommission zur Festlegung der Grenzen des deutschen Pachtgebietes. 88.

Memorandum des Chefs der kaiserlichen Leibgarde und Sekretär des Arbeitsministeriums, Yuan Shikai ( 4 . 7 . 1 8 9 9 )

317

Yuan Shikai macht Vorschläge zur Verhinderung weiterer Konflikte mit den Deutschen in Shandong: eine indirekte Kritik an der bisherigen Politik gegenüber Deutschland. 89.

D i e Verkehrsbestimmungen des Gouverneurs von Shandong, Yuan Shikai (21.3.1900) Der Vorschlag Yuan Shikais sieht regelmäßige Kontakte und Beratungen zwischen den deutschen Behörden in Qingdao und den chinesischen Behörden in Jinan vor. Damit sollen stabile und kooperative politische Beziehungen zwischen Deutschland und China ermöglicht werden.

321

27 90.

Schreiben des Gouverneurs von Kiautschou, Jaeschke, an den Staatssekretär des Reichsmarineamts, Tirpitz (25.5.1900)

322

Jaeschke hält die Verkehrsbestimmungen von Yuan Shikai fur notwendig und konstruktiv. Der deutsche Gesandte in Peking erhebe Bedenken formeller Art. Er hoffte daher auf die Unterstützung von Tirpitz in dieser Angelegenheit.

91.

Schreiben des Gouverneurs von Kiautschou, Jaeschke, an den Gouverneur von Shandong, Yuan Shikai (28.5.1900)

330

Jaeschke nimmt die Vorschläge von Yuan Shikai bezüglich der Bestimmungen des Verkehrs der beiden Behörden als ein Provisorium an.

92.

Schreiben des Gouverneurs von Kiautschou, Truppel, an das Reichsmarineamt (12.10.1901)

331

Truppel gibt den Inhalt seiner Gespräche mit dem deutschen Gesandten in Peking wieder. Differenzen gibt es hinsichtlich der Einrichtung eines Konsulats in Jinan. Truppel befurchtet, daß ein solches Konsulat seine Position gegenüber dem Gouverneur von Shandong schwäche. Die Gesandtschaft besteht jedoch darauf, daß es in die alleinige Zuständigkeit der diplomatischen Vertretung falle, den amtlichen Verkehr mit chinesischen Behörden zu fuhren.

93.

Schreiben des Gouverneurs von Kiautschou, Truppel, an das Reichsmarineamt (12.12.1902)

333

Truppel übersendet Abschriften der Reden, die bei dem ersten Besuch des Gouverneurs von Shandong, Zhou Fu, in Qingdao gehalten wurden. Zhou Fu betont, daß Kiautschou zwar von Deutschland verwaltet werde, aber weiterhin Teil von Shandong bleibe. Beide Seiten geben ihrem Interesse an guten und friedlichen Beziehungen Ausdruck.

94. Bericht des Gouverneurs von Shandong, Zhou Fu, an die Minister des Großen Staatsrats (31.12.1902)

335

Zhou Fu berichtet in positiver Weise über seinen Besuch in Qingdao. Die Deutschen machten enorme Fortschritte beim Aufbau der Kolonie.

95. Bericht des Gouverneurs von Kiautschou, Truppel, an das Reichsmarineamt (4.1.1903)

337

Bericht über den Verlauf des Besuches des Gouverneurs von Shandong, Zhou Fu, in Qingdao. Truppel charakterisiert den chinesischen Gouverneur und nimmt eine Einschätzung des Verhältnisses von Kiautschou und Jinan vor, das sich gut entwickele. Ohne Zusammenarbeit mit den Behörden in Jinan sei eine erfolgreiche Entwicklung der deutschen Kolonie unmöglich.

96. Schreiben des Gouverneurs von Kiautschou, Truppel, an den Staatssekretär des Reichsmarineamts, Tirpitz (15.3.1909) Truppel fuhrt aus, daß die in Kiautschou wohnenden Chinesen immer wieder versuchten, die Behörden in Jinan als Fürsprecher ihrer Interessen zu gewinnen.

343

28

KAPITEL 6 97.

Schreiben des Staatssekretärs des Reichsmarineamts, Tirpitz, an Kaiser Wilhelm II. (7.10.1898)

352

Tirpitz kritisiert, daß der erste Gouverneur Kiautschous die Priorität des wirtschaftlichen Aufbaus nicht beachte. Tirpitz bittet Wilhelm II., Rosendahl abzusetzen, und schlägt als neuen Gouverneur Kapitän zur See Jaeschke vor.

98.

Schreiben des Staatssekretärs des Reichsmarineamts, Tirpitz, an den Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Bülow (22.6.1898)

353

Tirpitz begründet, warum er die Zulassung einer chinesischen Zollstation im deutschen Schutzgebiet befürwortet. Die künftige wirtschaftliche Entwicklung Jiaozhous beruhe auf dem Handel mit dem Hinterland durch chinesische Kaufleute. Die Einrichtung einer chinesischen Zollstation solle die chinesischen Kaufleute nach Qingdao fuhren.

99.

Schreiben des Generalinspektors des chinesischen Seezollamtes, Hart, an die Prinzen und Minister des Zongli Yamen (10.10.1898)

357

Bericht über die Verhandlungen zur Errichtung eines chinesischen Seezollamtes in Kiautschou.

100.

Schreiben des Generalinspektors des chinesischen Seezollamtes, Hart, an die Prinzen und Minister des Zongli Yamen (17.4.1899)

358

Hart referiert die Ergebnisse der Verhandlungen und berichtet, daß Prinz Heinrich die Einrichtung des zentralen Amtes in Jiaozhou empfohlen habe. Bei Ablehnung der Verhandlungsergebnisse durch China könnten nur mehrere kleine Zollstationen um das Pachtgebiet herum aufgebaut werden.

101. Übereinkunft über die Errichtung eines Seezollamtes in Qingdao (17.4.1899)

359

Das Übereinkunft regelt die Einrichtung eines chinesischen Zollamtes in Kiautschou. Die Vereinbarung sieht vor, daß das Amt stets von einem deutschen Zollinspektor geleitet werden soll.

102. Schreiben der Prinzen und Minister des Zongli Yamen an den GeneralInspektor des chinesischen Seezollamtes, Hart (26.4.1899)

362

In diesem Schreiben erklärt sich das Zongli Yamen mit den Verhandlungsergebnissen bezüglich der Einrichtung eines Zollamts in Qingdao einverstanden. Es fordert den Austausch des Begriffes „Deutsches Schutzgebiet" im Vertragstext durch „Deutsches Pachtgebiet".

103. Brief des Zollinspektors des chinesischen Zollamts in Qingdao, Ohlmer, an den Geschäftsträger der deutschen Gesandtschaft, Goltz (5.5.1903) Ohlmer betont, daß nach der bevorstehenden Eröffnung des Hafens die Notwendigkeit bestünde, die Zollmodalitäten in Qingdao zu verändern. Das gegenwärtige System behindere und erschwere den chinesischen Kleinhandel mit dem Hinterland, hingegen bevorzuge es den Stapelhandel. Ohne eine Entwicklung des Handels mit dem Hinterland jedoch werde die Kolonie nicht den wirtschaftlichen Erwartungen in Deutschland gerecht werden können.

362

29

104.

Eingabe europäischer und chinesischer Kaufleute von Qingdao an das Gou-

364

vernement Kiautschou ( 7 . 2 . 1 9 0 5 ) Die Kaufleute treten fur eine Abänderung der Zollübereinkunft ein. Dadurch würde der Handel mit dem Hinterland einen bedeutenden Aufschwung nehmen können. 105.

Abänderung der Übereinkunft über die Errichtung eines Seezollamtes in Qingdao ( 1 . 1 2 . 1 9 0 5 )

368

Die Übereinkunft fuhrt de facto eine "Zollunion" des Schutzgebietes mit seinem Hinterland herbei. Zur Erhöhung der chinesischen Zolleinnahmen wird die Zollfreiheit von Handelsgütern weitgehend aufgehoben. Als Entschädigung für die Aufgabe seiner Privilegien erhält das Gouvernement zwanzig Prozent der Zolleinnahmen fur seinen Haushalt zugesprochen. 106.

Kommentar des Ostasiatischen Lloyd ( 1 8 . 6 . 1 9 0 9 ) Der Kommentar kritisiert die Administration des Pachtgebietes als bürokratisch und verschwenderisch. Die wirtschaftliche Entwicklung sei bislang weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben.

371

107.

Bericht des Gouverneurs von Kiautschou, Truppel, an das Verwaltungsdepartement des Reichsmarineamts ( 1 6 . 4 . 1 9 0 9 )

375

Der Monatsbericht belegt den wirtschaftlichen Aufschwung der Provinz Shandong, der sich in großen Zuwachsraten des Handels von Kiautschou mit dem Hinterland bemerkbar macht. Die Hauptausführartikel seien Erdnußprodukte und Strohborten. 108.

Satzungen für die Chinesische Handelskammer in Qingdao ( 1 7 . 8 . 1 9 1 0 ) Die Einrichtung der Chinesischen Handelskammer ist ein gemeinsames Forum zur Vertretung der Interessen der chinesischen Kaufleute. Die Beteiligung an Boykotten ist streng verboten.

376

109.

Handelsstatistik für das Gouvernement Kiautschou ( 1 8 9 7 - 1 9 1 3 )

379

KAPITEL 7 110.

Schreiben des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes, B ü l o w , an Kaiser Wilhelm 11.(27.1.1899)

392

Bülow berichtet, daß auf Bestreben des Auswärtigen Amtes Syndikate gebildet wurden, die sich um Erteilung der Konzessionen für Berg- und Eisenbahnbau in Shandong beworben hätten. 111.

Schreiben der Prinzen und Minister des Zongli Yamen an den deutschen Gesandten Heyking ( 2 1 . 3 . 1 8 9 9 ) Das Zongli Yamen weist daraufhin, daß die bereits in Angriff genommenen Arbeiten bei Eisenbahn und Bergbau in Shandong vertragswidrig seien und unterbunden werden müßten. Die Arbeiten dürften laut Vertrag nur auf der Grundlage einer gemeinsamen vertraglichen Vereinbarung und als deutsch-chinesisches Gemeinschaftsunternehmen durchgeführt werden.

393

30 112.

Bau- und Betriebskonzession für die Shandong-Eisenbahngesellschaft (1.6.1899)

395

Die Konzessionen der Deutschen Regierung regeln Rechte und Pflichten des Konzessionärs bei Bau und Betrieb der Eisenbahnlinie zwischen Jinan und Qingdao. 113.

Bergbau-Regulative zwischen der Shandong-Bergbaugesellschaft und dem Gouverneur von Shandong, Yuan Shikai ( 2 1 . 3 . 1 9 0 0 )

400

Die Bestimmungen regeln das Vorgehen bei der Eröffnung von Bergbaugruben entlang der Eisenbahnroute durch die Shandong-Bergbaugesellschaft. Sie legen außerdem die Beziehungen zwischen dem deutschen Unternehmen und den chinesischen Behörden fest. Die bestehenden Minen chinesischer Unternehmer dürfen innerhalb der Zone weiter bestehen. 114.

Schreiben d e s stellvertretenden Konsuls in Jinan, Wedel, an den deutschen Gesandten M u m m ( 6 . 2 . 1 9 0 4 )

405

Wedel berichtet über das Vorgehen der Shandong-Eisenbahngesellschaft beim Bau der Eisenbahnstrecke nach Jinan. Die brutalen Methoden und die betrügerischen Praktiken erzeugten erheblichen Unmut bei allen Kreisen der Bevölkerung. 115.

Schreiben der Direktion der Shandong-Bergbaugesellschaft an den Reichskanzler B ü l o w ( 5 . 7 . 1 9 0 4 )

407

Die Direktion beklagt den Aufschwung der chinesischen Bergbauunternehmen nach Fertigstellung der Eisenbahn. Weitere große Unternehmen mit moderner Technik seien geplant. Der Reichskanzler wird ersucht, das deutsche Unternehmen durch Verbot chinesischer Minen in der 30 Li-Zone entlang der Eisenbahntrasse zu schützen. 116.

Schreiben des chinesischen Außenministeriums an das Ministerium Landwirtschaft, Industrie und Handel ( 2 9 . 1 0 . 1 9 0 8 )

fiir

409

Die Zhongxin-Mine sei mittlerweile ein rein chinesisches Unternehmen, die Bezeichnung „deutsch-chinesisch" im Firmennamen könne daher gestrichen werden. 117.

Flugblatt der Gesellschaft zur Rückgewinnung der Bergwerksrechte in

410

Shandong(1908) Das Flugblatt beschreibt, wie Shandong wirtschaftlich immer mehr in die Hände Deutschlands gerät. Alle Shandong-Landsleute müßten zusammenarbeiten, um die Kontrolle über die Wirtschaft ihrer Heimat zurückzuerhalten. 118.

Schreiben des deutschen Gesandten Rex an das chinesische Außenministe-

414

rium ( 6 . 5 . 1 9 0 9 ) Deutschland werde auf Einforderung weiterer, ihm aus dem Vertrag von 1898 zustehender Rechte beim Eisenbahnbau verzichten, wenn China sich bereit erkläre, künftig Kapital, Materialien und Ingenieure aus Deutschland beim Bau von neuen Eisenbahnlinien in Shandong zu bevorzugen. 119.

Schreiben des deutschen Gesandten Rex an den Reichskanzler B ü l o w (25.6.1909) Rex legt dar, daß die politische Situation Chinas grundlegend gestärkt sei. Eine Politik der Interessensphäre sei in China nicht mehr praktikabel. Die Shandong-Eisenbahn und die anderen Rechte aus dem Vertrag vom 6.3.1898 müßten früher oder später an China zurückgegeben werden. Es sei daher zu überlegen, ob nicht jetzt der geeignete Zeitpunkt sei, mit den Verhandlungen zu beginnen.

415

31 120.

Schreiben des deutschen Gesandten Rex an das chinesische Außenministerium ( 5 . 2 . 1 9 1 0 )

418

Deutschland will an den bereits erhaltenen und genutzten Rechten bei Eisenbahn und Bergbau festhalten, ist aber in Hinblick auf die noch nicht genutzten Rechte zu Entgegenkommen bereit. 121.

Schreiben des Dolmetschers am deutschen Konsulat Jinan, Holzhauer, an den Reichskanzler Bethmann-Hollweg ( 7 . 1 1 . 1 9 1 0 )

419

Holzhauer gibt sein Gespräch mit dem Gouverneur von Shandong, Sun Baoqi, wieder. Sun habe konkrete Vorschläge in bezug auf die Liquidierung der deutschen Bergbaurechte in Shandong gemacht. 122.

Schreiben des deutschen Konsuls in Jinan, Betz, an den Reichskanzler Bethman-Hollweg ( 2 6 . 7 . 1 9 1 1 )

421

Betz gibt den Inhalt des am 24. Juli unterzeichneten Abkommens wieder, in dem Deutschland auf seine Rechte beim Bergbau in Shandong gegen eine Entschädigungszahlung verzichtet. 123.

Geschäftsbericht der Shandong-Bergbaugesellschaft ( 1 9 1 3 ) Der Bericht stellt fest, daß sich der Gesamtverlust der Gesellschaft nun auf 1,2 Millionen Mark belaufe. Von den zwei noch betriebenen Gruben könne nur die geförderte Kohle aus dem Schacht bei Hongshan abgesetzt werden. Die Förderungen aus dem Schacht bei Fangzi seien wegen der schlechten Qualität und der hohen Kosten nicht zu verkaufen. Die Gesellschaft werde im Februar 1913 von der Shandong-Eisenbahngesellschaft übernommen.

425

124.

Statistik über den Personen- und Frachtverkehr auf der Eisenbahnlinie Jinan-Qingdao ( 1 9 0 1 - 1 9 1 3 )

427

125.

N o t e des Staatssekretärs des Äußeren, Sun Baoqi, an den deutschen Gesandten Haxthausen ( 1 6 . 1 . 1 9 1 5 )

428

Sun Baoqi bestätigt, Schadenersatzforderung der Shandong-Eisenbahngesellschaft wegen der Beschlagnahme der Bahn durch japanische Truppen erhalten zu haben. Da die Bahn ein deutsch-chinesisches Gemeinschaftsunternehmen sei, sei China ebenso wie die deutsche Gesellschaft betroffen. China habe deshalb ebenfalls Forderungen auf Rückübertragung und Entschädigung an die japanische Regierung gestellt.

KAPITEL 8 126.

A u s z u g aus einem Jugendroman von Paul Lindenberg ( 1 8 9 9 ) Die Hauptperson kommt nach einer langen Odyssee durch das als fremd und unverständlich gezeichnete China nach Kiautschou und feiert in vertrauter Umgebung Weihnachten. Angesichts der im Roman gepriesenen unglaublichen Leistungen der deutschen Marine empfindet der Held Stolz darüber, ein Deutscher zu sein.

441

32 127. Denkschrift des stellvertretenden Gouverneurs von Kiautschou, Jacobson, an das Reichsmarineamt (21.1.1905)

444

In dem Bericht wird die Einrichtung von Schulen für die chinesische Bevölkerung befürwortet. Kulturellen Einfluß auf das Erziehungswesen in China zu gewinnen sei eine der wichtigsten Aufgaben für die Zukunft deutscher Politik in China.

128.

Schreiben des Staatssekretärs des Reichsmarineamts, Tirpitz, an das Auswärtige Amt (4.10.1907)

453

Tirpitz begrüßt die Anregung des deutschen Gesandten Rex, eine höhere Lehranstalt in Qingdao einzurichten. Die chinesischen Behörden sollten an diesem Projekt allerdings von Beginn an beteiligt werden. Tirpitz erklärt, das Projekt unterstützen zu wollen und Etatmittel dafür bereits im nächsten Haushalt bereitzustellen.

129.

Schreiben des Sonderbeauftragten Otto Franke an den Staatssekretär des Reichsmarineamts, Tirpitz (18.7.1908)

455

Otto Franke gibt den Verlauf der Verhandlungen mit dem chinesischen Erziehungsminister Zhang Zhidong bezüglich der Gründung einer höheren Schule in Kiautschou wieder. Die strittigen Punkte seien insbesondere die Stellung des chinesischen Schulleiters, die Frage der Auswahl der Schüler durch chinesische Behörden und die Frage der Gleichstellung der Schule mit einer Universität.

130. Ausführungen des Publizisten Paul Rohrbach (1909)

458

Der Autor fordert eine konzertierte Aktion von Politik, Mission, Presse und privater Wirtschaft zugunsten einer deutschen Kulturmission in China.

131. Bericht des Erziehungsministers Zhang Zhidong an die Minister des Staatsrats (14.8.1909)

461

Zhang Zhidong erläutert die chinesischen Interessen an der Gründung einer deutschchinesischen Hochschule in Qingdao. Die mit Deutschland abgeschlossenen Statuten seien diesen Interessen in jeder Hinsicht gerecht geworden. Es werde den Deutschen nicht zugestanden, daß die Schule einer Universität gleichgestellt sei. Nur der chinesische Staat habe das Recht, Universitäten innerhalb Chinas zu betreiben.

132.

Statut für die Hochschule in Qingdao, vereinbart zwischen der Kaiserlich Deutschen und der Kaiserlich Chinesischen Regierung (1909)

464

Die Statuten regeln Organisation und Lehrbetrieb der "Deutsch-chinesischen Hochschule".

133. Gründungsbericht der deutsch-chinesischen Mädchenschule zu Qingdao (1911)

467

Der Bericht betont die wichtige Rolle der Frau in China bei der Erziehung. Eine Mädchenschule sei daher eine besonders wirksame Möglichkeit, auf die chinesische Kultur Einfluß zu nehmen.

134. Erinnerungen des Lehrers Luan Baode an das deutsche Bildungswesen in Qingdao (1905-1914) Der Autor berichtet über die verschiedenen deutschen Schul- und Ausbildungsanstalten in Qingdao und betont ihre große Bedeutung.

470

33

135.

Bericht des Missionars Richard Wilhelm (August 1 9 1 4 )

474

Wilhelm berichtet über die von ihm gegründete Konfuziusgesellschaft zum Studium der konfuzianischen Klassiker. In zwangloser Reihenfolge fänden Vorträge und Diskussionen statt, in denen die Prinzipien und Errungenschaften der chinesischen Kultur erörtert würden. 136.

B e r i c h t d e s S c h u l b e i r a t s der d e u t s c h e n G e s a n d t s c h a f t , W i l h e l m S c h m i d t

477

(3.9.1914) Der Bericht beschreibt Organisation, Lehrpläne und Schülerzahl der Schulanstalten der Steyler Mission in Süd-Shandong. 137.

A u s f ü h r u n g e n d e s M i s s i o n a r s A u g u s t K i n d ü b e r die p r o t e s t a n t i s c h e M i s s i o n

480

in K i a u t s c h o u ( N o v e m b e r 1 9 1 4 ) Der Bericht gibt einen Überblick über die Aktivitäten der protestantischen Mission in Kiautschou. Durch die Konzentration auf die Bereiche Bildung und Erziehung habe sich die protestantische Mission bei allen chinesischen Bevölkerungsschichten ein positives Ansehen erworben und könne auf ein erfolgreiches Wirken zurückblicken. 138.

Vortrag des Sinologen Otto Franke ( 2 9 . 1 . 1 9 1 5 )

486

Franke skizziert die deutsch-chinesischen Beziehungen vor dem Ersten Weltkrieg. Deutschland habe eine große Vertrauensstellung in China errungen, die ganz auf der kulturellen Wirkung der Musterkolonie Kiautschou beruhe. Die Eroberung Qingdaos durch japanische Truppen sei der Versuch, die deutsche Stellung in China zu zerstören.

KAPITEL 9 139.

Schreiben des Staatssekretärs des Auswärtigen A m t s , B ü l o w , an Kaiser

499

W i l h e l m II. ( 2 9 . 5 . 1 9 0 0 ) Bülow bittet darum, die Entsendung von fünfzig Marinesoldaten aus Qingdao nach Peking zu bewilligen, wo sie zusammen mit den anderen alliierten Truppen unter General Seymour die Gesandtschaften gegen die Boxer schützen sollen. 140.

R e d e K a i s e r W i l h e l m s II. an d a s E x p e d i t i o n s k o r p s für C h i n a ( 2 7 . 7 . 1 9 0 0 )

500

Der deutsche Kaiser bezeichnet in der sog. "Hunnenrede" die Entsendung der Truppen nach China als die erste große überseeische Aufgabe des Deutschen Reiches. Wie die Hunnen sollen die deutschen Truppen Rache nehmen fur die Ermordung des deutschen Gesandten Ketteier und anderer Europäer durch die Boxer. 141.

T a g e b u c h a u f z e i c h u n g e n d e s O b e r b e f e h l s h a b e r s d e s E x p e d i t i o n s k o r p s für

501

China, Waldersee ( 1 2 . 1 1 . 1 9 0 0 ) Waldersee schildert die Plünderungen der alliierten Soldaten nach der Einnahme von Peking. 142.

T a g e b u c h a u f z e i c h n u n g e n d e s Prinzen C h u n ( S e p t e m b e r 1 9 0 1 ) Prinz Chun Zaifeng beschreibt die von ihm unternommene Sühnemission nach Deutschland, die China im Boxerprotokoll auferlegt wurde. In Potsdam trifft Chun mit Kaiser Wilhelm II. zusammen und drückt stellvertretend fur den Guangxu-Kaiser sein Bedauern über die Ermordung des deutschen Gesandten Ketteier während des Boxeraufstandes aus.

503

34 143. Ausführungen des Publizisten August Menge (Mai 1907)

507

Der Autor fordert, daß das Schutzgebiet Kiautschou an China zurückgegeben werden solle. Im Gegenzug könne Deutschland dafür bedeutende wirtschaftliche Konzessionen erhalten.

144. Bericht des Sonderbeauftragten zum Studium der Verfassungen anderer Länder, Yu Shimei (7.7.1908)

510

Yu Shimei berichtet über seine Audienz bei Kaiser Wilhelm II. Dieser habe davon abgeraten, eine ausländische Verfassung ohne Modifikation auf China zu übertragen. China müsse sorgfältig auswählen, welche Verfassungselemente es anwenden wolle.

145. Schreiben des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts, Kiderlen-Wächter, an den deutschen Gesandten Haxthausen (19.3.1912)

512

In dem Schreiben wird der deutsche Gesandte über die Bedingungen für die Anerkennung der chinesischen Republik informiert. Im Falle eines chinesischen Entgegenkommens bei Eisenbahnfragen in Shandong, der Medizinschule in Shanghai und der Gleichstellung der deutschen Sprache mit der englischen Sprache an chinesischen Schulen sei eine schnelle Anerkennung möglich.

146.

Schreiben des Gouverneurs von Kiautschou, Meyer-Waldeck, an den Staatssekretär des Reichsmarineamts, Tirpitz (14.10.1912)

513

Meyer-Waldeck erstattet Bericht über den Besuch von Sun Yatsen in Qingdao. Sun sei freundlich empfangen worden und habe sich positiv über das deutsche Pachtgebiet geäußert. Beim Besuch der deutsch-chinesischen Hochschule habe er den Schülern Deutschland als Vorbild für das neue China empfohlen.

147. Schreiben des kaiserlichen Festungskommandanten, Meyer-Waldeck, an den Oberkommandierenden der japanischen Belagerungsarmee, Kamio (7.11.1914) Der Gouverneur erbittet Verhandlungen Kiautschous an die japanische Armee.

über

die

Modalitäten

der

Übergabe

517

Einführung

Die Geschichte des deutschen Pachtgebietes Kiautschou

Die Beziehungen zwischen Deutschland und China vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 sind in grundlegender Weise geprägt von der Existenz des deutschen Pachtgebietes Kiautschou. Mit einem Gewaltstreich wurde im November 1897 das Territorium des späteren Gouvernements Kiautschou in der nordchinesischen Provinz Shandong ohne vorherige Verhandlungen und Warnungen besetzt. Und ebenso handstreichartig und überraschend wurde im Herbst 1914 „Deutschlands Platz an der Sonne" 1 von japanischen Truppen belagert und nach kurzen Kämpfen eingenommen. Unter großem finanziellen und personellen Einsatz war in den siebzehn Jahren unter der federführenden Leitung des Reichsmarineamts versucht worden, eine deutsche „Musterkolonie" 2 in China zu errichten. Auf chinesischer Seite wurde in derselben Zeit unter ebenso großen Anstrengungen nichts unversucht gelassen, um die koloniale Präsenz des Deutschen Reiches auf chinesischem Boden politisch und wirtschaftlich zu neutralisieren. Aber nicht nur Diplomaten und Behörden in China und Deutschland waren mit Kiautschou beschäftigt, auch die breite Öffentlichkeit in beiden Ländern nahm großen Anteil an der Entwicklung des Pachtgebietes. In Deutschland rückte China publizistisch in vielfältiger Form (Romane, Jugendliteratur, Memoiren, Reiseberichte, Reportagen) erstmals auch in das Bewußtsein nicht-gebildeter Schichten. In großem Ausmaße kam es daher in und um Kiautschou zu Kontakten zwischen Deutschland und China, nicht nur ausschließlich in Form diplomatischen oder wirtschaftlichen Verkehrs, sondern auch in Form kultureller Beziehungen und alltäglicher Begegnungen. Unterhalb der Ebene der kolonialen Gegensätze von Herrschaft und Widerstand entstanden allerdings auch Bemühungen um Kooperation und Verständigung. Die deutsch-chinesischen Beziehungen pendelten daher in den siebzehn Jahren stets zwischen Antagonismus und Kooperation. Insgesamt entwickelten sie sich zu einer erstaunlichen Breite und Bedeutung und mündeten gegen Ende des ersten Jahrzehnts des zwanzigsten Jahrhunderts in eine Art besonderer Beziehungen zwischen China und Deutschland.

1

So der damalige Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Bernhard von Bülow, am 6.12.1897 vor dem Deutschen Reichstag, siehe: SBRV 160:892ff.

2

Vgl. Leutner/Mühlhahn 1994.

36 Die Geschichte des Pachtgebiets Kiautschou verlief nicht voraussetzungslos. Sie ist vielmehr vor dem Hintergrund langfristiger historischer Strukturen in China, Deutschland und in der Weltgesellschaft zu sehen. Im China des neunzehnten Jahrhunderts sind dabei vor allem die Strukturen der Dominanz und Vorteilsnahme zu nennen, die die imperialistischen Staaten nach 1840 geschaffen haben. Mit diesen Strukturen mußte sich die deutsche Kolonie auch dann auseinandersetzen, wenn sie sie verändern wollte. Auf deutscher Seite sind es weiterhin innenpolitische (Integrationspolitik) und außenpolitische Strukturen (Weltpolitik), die bei der Konzeption des Aufbaus der Kolonie eine große Rolle spielen. Im internationalen Rahmen ist es die Voraussetzung der sich verstärkenden Rivalität der Mächte um Einflußsphären, Kolonien und Stützpunkte in den letzten noch unaufgeteilten Gebieten der Welt. Innerhalb dieser Strukturen gewann im Deutschen Reich schließlich die Idee eines Stützpunktes in China zur Erschließung der Bodenschätze im Hinterland und zum Absatz deutscher Produkte Schubkraft. Sie beeinflußten aber auch grundlegend die Pläne und Blaupausen für den Aufbau des Pachtgebietes. Der erste Teil der vorliegenden Einfuhrung beschäftigt sich daher mit diesen strukturellen Voraussetzungen, ohne die die Geschichte des Pachtgebietes Kiautschou nicht angemessen nachvollzogen werden kann. Die zweite Hälfte der Einführung faßt die Ergebnisse der vorliegenden Dokumentation zur Geschichte Kiautschous und den deutsch-chinesischen Beziehungen von 1897 bis 1914 zusammen. Ein besonderes Charakteristikum der Geschichte Kiautschous ist die Idee der „Musterkolonie" als Mittel der Darstellung und Propaganda - in Deutschland selbst und außenpolitisch. Die „Musterkolonie" sollte einen spezifisch deutschen Kolonialismus demonstrieren, in dem sorgfältige Planung, professionelle Ausführung und staatliche Überwachung ein Beispiel für „moderne" und „aufgeklärte" imperialistische Politik abgeben sollten im Unterschied zu dem hauptsächlich von privaten kommerziellen Interessen getragenen Imperialismus angelsächsischer Prägung. Der Idee der „Musterkolonie" steht jedoch die koloniale Realität gegenüber, die erheblich von den offiziellen Wunschbildern abwich. Diese koloniale Wirklichkeit wurde auch von der chinesischen Seite mitbestimmt. Die verschiedenen Einstellungen und Reaktionen auf chinesischer Seite hatten einen großen Einfluß auf die soziale, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung in Kiautschou und auf die Entwicklung der deutsch-chinesischen Beziehungen. Abschließend wird versucht, die konkreten Ergebnisse, die aus der Beschäftigung mit Kiautschou gewonnen werden konnten, zu verallgemeinern. Kiautschou stellt für China einen sehr wichtigen Teil einer historisch weitergehenden Erfahrung halbkolonialer und kolonialer Beherrschung dar. Wichtige Wendepunkte der neueren chinesischen Geschichte wie die Hundert-Tage-Reform 1898, der Boxeraufstand 1900 und die 4.-Mai-Bewegung 1919 stehen in engem Zusammenhang mit dem deutschen Pachtgebiet Kiautschou. An Kiautschou lassen sich daher mikrohistorisch genau Rolle und Wirkung des Imperialismus in China aufzeigen. Dabei gehen die einzelnen konkreten Faktoren über die von makrohistorischen oder politischen Großtheorien in Zusammenhang mit dem Imperialismus betonten Fragen wie Modernisierung, Selbstbestimmung oder Nationalismus hinaus. Aus der Perspektive der Anderen stellt sich das koloniale Projekt als zutiefst ambivalent dar: Die Gleichzeitigkeit von Moder-

37 nisierung und Pauperisierung, Stärkung und Destabilisierung, Kooperation und Widerstand kennzeichnet die Praxis deutsch-chinesischer Beziehungen im halbkolonialen und kolonialen Raum.

Strukturelle Voraussetzungen: China und der Westen im 19. Jahrhundert Das Zusammenwirken verschiedener historischer, machtpolitisch-strategischer, ökonomischer, ideologischer und innenpolitischer Faktoren hat im späten neunzehnten Jahrhundert zu einer neuen Phase expansiver Politik der industriellen Mächte geführt. 3 Angetrieben von rivalisierenden Expansionsbestrebungen der einzelnen Mächte entwickelte sich das europäische zu einem globalen Staatensystem.4 Weit entfernte Regionen fanden Eingang in das auf Gebietserwerb und ökonomische Expansion gerichtete Kalkül der europäischen Kabinette. Folgte im ersten Kolonialzeitalter "die Flagge dem Handel" bei der Etablierung von überseeischen Stützpunkten und Einflußsphären, so begann gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts sich dieses Prinzip allmählich umzukehren. Je näher die endgültige Aufteilung der Welt zu kommen schien, desto bereiter waren die imperialistischen Staaten Präventivannexionen zu tätigen: Wirtschaftlich „unerschlossene" und an Bodenschätzen arme Gebiete wurden besetzt, auch wenn wirtschaftliche Vorteile für den expandierenden Staat erst in Zukunft nach Investitionen zu erwarten waren. 5 Zunehmend wurde der Freihandelsimperialismus ersetzt durch einen Finanzimperialimus, der nach rentablen Anlagemöglichkeiten fur bedeutende europäische Kapitalien suchte.6 China wurde in diesem Prozeß zu einem der begehrtesten Zielgebiete der europäischen η

Expansion im neunzehnten Jahrhundert. Hier gab es nicht nur einen angenommenen enormen Absatzmarkt in bezug auf die Errichtung kapitalintensiver moderner Industrien wie Bergbau und Eisenherstellung und einer modernen Infrastruktur durch Eisenbahnen, Dampfschiffahrt usw. Darüber hinaus garantierte die Existenz einer Zentralregierung des chinesischen Reiches die Rückzahlung und Verzinsung der eingesetzten Mittel. In China trachteten die imperialistischen Staaten daher danach, über den Freihandel hinaus verläßliche Bedingungen zu schaffen fur die Investition und Amortisation von europäischem Kapital. Interessensphären, in denen einem bestimmten Staat Rechtstitel (Konzessionen) bezüglich Finanzie-

3

Die äußerst komplexe und kontroverse Diskussion zu den Ursachen, Hintergründen und Charakteristika des europäischen Imperialismus kann hier nicht wiedergegeben werden; Überblicke finden sich bei Schmidt 1989:1-30; Schöllgen 1991a:l-6; Geiss 1991a:148ff. Die inneren sozialen und ökonomischen Faktoren betont Hobsbawn 1989:79-98. Die Rolle von Kultur und Mentalität arbeitet Said 1994:13-33 heraus.

4

Vgl. Pommerin 1991.

5

Vgl. Robinson/Gallagher 1960.

6

Vgl. Osterhammel 1989:210ff.

7

Vgl. Geiss 1991b:23.

38 rung und Realisierung von Eisenbahn- und Bergwerksunternehmen vertraglich zugesprochen wurden, waren dafür ein geeignetes Mittel. Die außenpolitischen Beziehungen Chinas zur westlichen Welt sind unter der Voraussetzung des sich verstärkenden imperialistischen Zugriffs im neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhundert gekennzeichnet von einem stetigen chinesischen Verlust an territorialer Hoheit, an Souveränitätsrechten, an staatlicher und militärischer Sicherheit sowie wirtschaftliο

eher Selbstbestimmung. Die Politik der europäischen Staaten gegenüber China beabsichtigte, mit möglichst geringen Mitteln möglichst große Vorteile auf wirtschaftlichem, militärischem und politischem Gebiet zu erringen. Die wirtschaftlichen Ziele bestanden zunächst in der gewaltsamen Öffnung Chinas für westliche Produkte, wobei insbesondere England in Ermangelung anderer absetzbarer Güter indisches Opium nach China einführte. Wirkungsvoll unterstrichen und durchgesetzt wurden diese Intentionen durch die Anwesenheit ausländischer Flotten in chinesischen Gewässern. Die im Verlaufe des neunzehnten Jahrhunderts gegenüber China häufig praktizierte sog. Kanonenboot-Politik bedeutete Androhung von Intervention und Gewalt für den Fall, daß China sich nicht den Forderungen eines westlichen Staates beugen würde. Eine große ausländische Flotte kreuzte daher permanent in chinesischen Gewässern und Flüssen und lief regelmäßig wichtige chinesische Häfen an. Mit Hilfe diplomatischen Drucks und militärischer Drohung wurde ein Interventionsmechanismus geschaffen, der den Ausländern wesentliche Einflußmöglichkeiten auf China gewährte. Die informelle Interessensicherung ausländischer Mächte diente der Öffnung des chinesischen Marktes für das formal freie Spiel des westlichen Konkurrenzkapitalismus und stützte sich auf Diplomatie und militärische Drohung. 9 Institutionalisiert wurde der informelle Imperialismus durch ein System von Verträgen, das zwischen China und Großbritannien, den Vereinigten Staaten von Amerika und Frankreich nach dem Zweiten Opium-Krieg 1860 geschaffen wurde. Die Ungleichen, weil nur unter Gewaltanwendung zustande gekommenen Verträge waren britisch von ihrem Ursprung und ihrer Konzeption her, aber die Aufnahme der Meistbegünstigungsklausel ließ alle westlichen Mächte in China zu und gab ihnen die gleichen Rechte wie Großbritannien. 23 Länder standen auf diese Weise in vertraglicher Beziehung mit China. 10 Die wichtigste ökonomische Regelung des Vertragssystems, die den westlichen Mächten einen großen Eingriff in die wirtschaftlichen Verhältnisse Chinas erlaubte, war neben der Legalisierung der Opiumeinfuhr der Verlust der Tarifautonomie. Die

8

Siehe hierzu die klassischen Arbeiten der chinesischen Geschichtswissenschaft Ding Mingnan (u.a.) 1961:189-195; Ding Mingan (u.a.) 1986:9-90; Hu Sheng 1981; Hu Sheng 1991 Bd. 1:489-519, Bd. 11:1-45; H u Sheng 1990. Überblick über neuere Arbeiten, die insbesondere wirtschaftliche und kulturelle Fragen behandeln, bei Xia Liangcai 1991:56-96.

9

Zur Übertragung der Theorie des informellen Imperialismus auf China siehe Osterhammel 1986. Informeller Imperialismus meint die politische Sicherung von wirtschaftlichen Vorteilen und die Etablierung von institutionalisierten Einflußmöglichkeiten in innerchinesische Angelegenheiten ohne direkte koloniale Beherrschung Chinas.

10 Ein Überblick über die chinesischen Außenbeziehungen im neunzehnten Jahrhundert findet sich bei Osterhammel 1989:125-201; Hsü 1980; Hao/Wang 1980; Fang H a o 1955; Gu Mingyi 1987; Wang Shaofang 1988.

39 Zolltarife durften von China nicht mehr unabhängig festgelegt werden. Damit war der chinesischen Regierung die Möglichkeit genommen, erstens eigene Industrien durch Verhängung von Zöllen zu schützen und zweitens sich Einnahmen fiir den Staatshaushalt zu sichern. 11 Ein wichtiges anderes Ergebnis des Vertrages von Tianjin 1860 war die vertragliche Er12

laubnis der Missionsfreiheit im Landesinnern. Dort konnten die Missionen Eigentum und Grundbesitz erwerben, ein Recht, das sonst keinem ausländischen Staatsbürger eingeräumt wurde. Die Exterritorialitätsbestimmungen legten außerdem fest, daß Missionare als ausländische Staatsangehörige nicht von chinesischen Beamten vor Gericht gestellt werden konnten. Sie standen unter dem Schutz des französischen Gesandten, der ihre Interessen gegenüber dem chinesischen Staat offiziell vertrat. Die Missionare stießen in ihrer konkreten Missionierungsarbeit im Landesinnern jedoch auf erhebliche Widerstände der chinesischen Bevölkerung, die sich aus verschiedenen wirtschaftlichen, soziokulturellen und politischen Faktoren ergaben. 13 Insbesondere die katholischen Missionen verließen sich daher auf den weltlichen Schutz Frankreichs, um diese Widerstände gewaltsam zu überwinden. Die sog. Missionszwischenfälle (jiao'an), d.h. Vorfälle, in denen die christlichen Missionen gewaltsam angegriffen oder verfolgt wurden, stellten einen erheblichen Destabilisierungsfaktor für die chinesischen Außenbeziehungen dar. Immer wieder boten sie Anlaß für Drohungen oder Interventionen westlicher Staaten zum Zwecke chinesischer Zugeständnisse nicht nur im Bereich der Mission, sondern auch der Politik und des Handels. Gestützt auf den militärischen und diplomatischen Schutz der europäischen Mächte bildete die christliche Mission „einen Staat im Staate", der sich der Kontrolle der chinesischen Regierung weitgehend entzog. 14 Die Zeit vor dem chinesisch-japanischen Krieg 1895 ist auf der Seite der chinesischen Außenpolitik geprägt durch eine Periode des „gehegten Konflikts". 15 Die chinesische Diplomatie versuchte mit Erfolg, eine größere militärische Auseinandersetzung mit einer europäischen Macht zu verhindern. Zeitgleich sollte China mit einer weitgehend auf militärisches Gebiet beschränkten Modernisierung im Zuge der „Selbststärkungsbewegung" (ziqiang yundong) seit Ende der sechziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts in den Stand versetzt werden, militärisch und technologisch mit den westlichen Staaten gleichzuziehen. Die chine11 Das sog. Treaty-System entstand gewaltsam durch die beiden Opium-Kriege 1834-1840 und 18581860. Die weiteren wesentlichen Elemente waren: Exterritorialität der ausländischen Staatsbürger und ihres Eigentums; System offener Vertragshäfen mit ausländischen Niederlassungen (settlements), die der Kontrolle der chinesischen Behörden weitgehend entzogen waren; Missionsfreiheit auch außerhalb der Vertragshäfen; Meistbegünstigungsklausel; Schaffung einer von Ausländern geleiteten Zollbehörde. 1943 verzichteten die Vereinigten Staaten und Großbritannien auf die Exterritoralitätsrechte, die ihnen aus den Ungleichen Verträgen her zustanden. Zum Treaty-System siehe vor allem die Arbeiten von Fairbank, z.B. Fairbank 1980:262f; Fairbank 1992:201-205. 12 Diese Bestimmung war durch die Fälschung eines als Übersetzer füngierenden französischen Missionars in den Vertrag eingebracht worden, vgl. Gründer 1992:389. 13 Diese Faktoren werden ausführlich diskutiert bei Cohen 1978:559-573, vgl. hierzu auch die Arbeiten chinesischer Wissenschaftler wie Lü Shiqiang 1966:196-201; Lu Yao 1987. 14 Vgl. Gründer 1992:390. 15 Zu den chinesischen Perspektiven auf die Außenbeziehungen bis 1895 siehe Hao/Wang 1980.

40 sische Diplomatie unter der Führung von Prinz Gong vermied daher seit 1860 jeden direkten und offenen Widerstand gegen das westliche Vordringen, der gleichwohl von großen Teilen der Beamtenschaft immer wieder gefordert wurde: Eine neue staatliche Politik gegenüber dem Ausland wurde ins Leben gerufen. Durch geschickte diplomatische Bemühungen sollten Krisen bewältigt und eine Periode des friedlichen Auskommens mit dem Ausland aufrechterhalten werden. Das Motto dieser Außenpolitik war es, „die Barbaren gegeneinander auszuspielen" (yi yi zhi yi) und durch ein Ausbalancieren der ausländischen Interessen die notwendige politische Stabilität für die militärische Modernisierung zu erhalten. Dazu war auch Kooperation mit einzelnen ausländischen Mächten notwendig. Die formelle Anpassung Chinas an die diplomatischen Verkehrsformen der westlichen Welt durch die Gründung eines "Amtes zur Regelung der auswärtigen Angelegenheiten" (Zongli Yamen) 1861 erfolgte zu demselben Zweck. 16 Seit 1861/62 waren England, Frankreich, Rußland und die USA in Peking mit Gesandten vertreten, Preußen seit 1864. 1877 wurde Guo Songtao zum chinesischen Gesandten in England ernannt, Anfang der 80er Jahre hatte China Gesandte in Frankreich, Deutschland, Rußland, Japan, Italien, Spanien und den USA. Die letzten beiden Jahrzehnte des neunzehnten Jahrhunderts sahen eine sich beschleunigende Rivalität der westlichen Staaten an der chinesischen Küste um ökonomische und politische Vorrechte. Ein sichtbares Resultat dieses Prozesses war die beginnende Erosion der 17

traditionellen kontinentalen Tribut- und Puffersphäre des chinesischen Reiches. Zunehmend war auch Japan an der ausländischen Expansion in China beteiligt und bemühte sich seit 1874, seinen Einfluß in Ostasien auszudehnen: 1874 18 wurde eine militärische Expedition nach Taiwan entsandt, 1879 wurden die Ryukyu-Inseln besetzt. Um das offensichtliche japanische Vordringen abzuwehren, wurde Korea 19 1882 zu einem internationalen Protektorat erklärt, indem China auf seine formale Oberhoheit verzichtete. Zugleich aber sollte Korea weiterhin ein abhängiger Vasallenstaat des chinesischen Reiches bleiben. In den folgenden Jahren kam es zu wachsenden Spannungen zwischen China und Japan über den bestimmenden Einfluß in Korea. 1894 führte dies zwischen beiden Staaten zu einer militärischen Auseinandersetzung über die Hegemonie in Korea, die mit einem japanischen Sieg endete. China entsandte Li Hongzhang zu Friedensverhandlungen nach Japan. Im Vertrag von Shimonoseki, der am 17. April 1895 geschlossen wurde, wurden China folgende Bestimmungen auf16 Vgl. dazu das Standardwerk von Banno 1964; Liang Bohua 1991:107-112 betont die eigenständige und kreative Rolle Chinas im Umgang mit dem westlichen Imperialismus. 17 Diese Puffersphäre bestand vor allem aus der Unterwerfung von Staaten wie Annam (Vietnam), Korea, Burma sowie Gebiete in Xinjiang unter die chinesische Oberhoheit im Rahmen von Tributen an den chinesischen Thron oder in Form direkter Herrschaft, vgl. Fairbang/Teng 1960. Nach der Zerstörung der südchinesischen Flotte im Chinesisch-Französischen Krieg 1885 mußte China Frankreich die Kontrolle über Vietnam zugestehen. Danach erhielten Großbritannien das Protektorat über Burma und Portugal die Souveränität über Macao. In Zentralasien versuchte Rußland, während der Iii-Krise 18711881 mehrere Male Gebiete auf Kosten China zu annektieren. Hier gelang es China allerdings, die russische Expansion zurückzudrängen. Vgl. Hsü 1980:88-96. 18 Chin. Liuqiu-Inseln, Tributstaat des chinesischen Reiches. 19 Traditioneller Tributstaat des chinesischen Reiches.

41 erlegt: (1) Unabhängigkeit Koreas und Beendigung der Tribute, (2) die Zahlung einer hohen Kriegsentschädigung von 200 Millionen Taels, (3) die Abtretung von Taiwan, der Pescadoren-Inseln und der Liaodong-Halbinsel, (4) die Öffnung von Chongqing, Hangzhou und Suzhou für den ausländischen Handel, und (5) wurde japanischen Staatsangehörigen (über die Meistbegünstigungsklausel jedoch allen ausländischen Staatsangehörigen) das Recht zur Gründung von Unternehmen und Produktionsstätten zugestanden. Die Niederlage Chinas war in den westlichen Staaten als Zeichen der Schwäche und vorläufiges Scheitern der Selbststärkungsbewegung gesehen worden. Auch ein endgültiges Auseinanderbrechen Chinas wurde nun für möglich gehalten.20 Im des Ergebnis des chinesisch-japanischen Kriegs kam es zu einem regelrechten Wettlauf um weitere bzw. neue Einflußsphären in China („scramble for concessions") Frankreich betrachtete Indochina und Südchina als seine Interessensphäre. Großbritannien sah die Gebiete am unteren Yangzi als seine Einflußsphäre an. Auf die Mandschurei, die nun vorläufig Japan zugesprochen worden war, hegte auch die russische Expansion Absichten.21 In dieser Situation, in der die Aufteilung Chinas - jedenfalls in Interessensphären informeller Durchdringung - bald vollendet schien, wollte auch das Deutsche Reich seine Interessen gewahrt wissen. Die deutsche Besetzung der Jiaozhou-Bucht erfolgte unter diesen politischen und ökonomischen Strukturen des Imperialismus in China (Kapitel 1). Sie ist, wie die Dokumente zeigen, das Ergebnis einer längerfristigen Interessenartikulation und Herausbildung einer aktiven imperialistischen Politik des Deutschen Reiches im letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts.22 Forschungsreisende, Missionare, in den Chinahandel involvierte Unternehmen forderten zunehmend einen stärkeren Schutz der Regierung fur ihre sehr verschiedenen Vorhaben mit dem gemeinsamen Ziel der sog. Öffnung Chinas. Nach anfänglicher Zurückhaltung und nur punktueller Unterstützung durch die deutsche Regierung unter der Kanzlerschaft Bismarcks wurde 1890 nach dessen Rücktritt die Wende zu einer Politik der aktiven Förderung deutscher Interessengruppen (Politik des „Neuen Kurses") mit der Übernahme des Protektorats für die deutsche Mission vollzogen. Ein wesentlicher Faktor fur eine solche Änderung lag außerdem im Bereich der Wirtschaft: Die große Deflation von 1873 bis 1895 machte die Erschließung überseeischer Absatzmärkte zu einem wichtigen Faktor der Erhaltung wirtschaftlicher und politischer Stabilität im Deutschen Reich. Die Situation Deutschlands auch unter dem „Neuen Kurs" wurde von vielen Zeitgenossen zunächst jedoch als unbefriedigend empfunden. 1894 war - aus Protest gegen die Kolonialpolitik Caprivis - der Alldeutsche Verband gegründet worden, der seitdem immer wieder Deutschlands Stellung als Weltmacht anmahnte und konkrete Schritte zur deutschen Ausdehnung innerhalb und außerhalb Europas propagierte. 1897 kam der Flottenverein hinzu, der ebenfalls eine radikale politische Agitation populistischer Prägung zugunsten überseeischer Besitzungen betrieb. Ausgehend von den nationalistischen Verbänden wurden breite bürgerliche und kleinbürger-

20 Zum chinesisch-japanischen Krieg und seiner Wirkung siehe Hsü 1983:332-350. 21 Vgl. den Überblick bei Hsü 1980:114; Ratenhof 1987:134-137. 22 Siehe Kapitel 1.

42 liehe Schichten für die Idee der deutschen Weltpolitik gewonnen. Kaiser Wilhelm II. setzte sich sogleich an die Spitze solcher Bewegungen, während die traditionellen Führungseliten und der diplomatische Apparat einer Politik der überseeischen Expansion gegenüber zunächst eher skeptisch blieben. 23 Seit 1890 waren überdies der politische Einfluß und die internationale Position des Deutschen Reiches merklich geschwächt. Der „Neue Kurs" entpuppte sich vorläufig als gescheitertes Projekt. 24 25

Unter Reichskanzler Hohenlohe sollte dem „persönlichen Regiment" Wilhelms II. daher ein weiterer Spielraum eingeräumt werden. Die integrative Kraft des Kasiergedankens sowie außenpolitische Erfolge auf dem Gebiet der Welt- und Kolonialpolitik sollten helfen, die schwierigen innenpolitischen Konflikte, z.B. zwischen Regierung und Reichstag, zu lösen und die durch die Wirtschaftsdepression ausgelösten sozialen Krisen zu dämpfen. 26 Die Befürchtung, im Wettbewerb der Mächte um Konzessionen in China zu kurz zu kommen, sowie wirtschaftliche Interessen waren weitere wichtige Faktoren fiir den Beginn der deutschen Weltpolitik. Im Gefolge des chinesisch-japanischen Krieges nahmen die weltpolitischen Pläne, insbesondere auch in bezug auf die Notwendigkeit eines Stützpunktes in China, schließlich konkretere Züge an. Abgesehen von wirtschaftlichen Interessen und Gesichtspunkten des Prestiges, die eine Mitsprache Deutschlands an allen internationalen Fragen als unabdingbar erscheinen ließen, spielte die Hoffnung auf Erwerb eines Stützpunktes in China eine wichtige Rolle fiir die deutsche Bereitschaft, gemeinsam mit Rußland und Frankreich im sog. „Ostasiatischen Dreibund" zu kooperieren. Die deutsche Mitwirkung an dem Einspruch gegen den Friedensvertrag von Shimonoseki, der Japan ein machtpolitisches Übergewicht in China eingebracht hätte, stellt daher eine wichtige Phase in der deutschen Ostasienpolitik dar: Erstens suchte das Deutsche Reich aus strategischen Überlegungen heraus in der Chinaund Ostasienpolitik nun vor allem Übereinstimmung und Abstimmung mit Rußland und war bereit, dafür eine wachsende Entfremdung mit England in Kauf zu nehmen, was möglicher27 weise gar beabsichtigt war. Dies sollte - in Verbindung mit der deutschen Flottenrüstung eine erhebliche Rückwirkung auf die politische Situation in Europa haben. Die wechselseitige Beeinflussung von überseeischer Weltpolitik und Europapolitik wurde nun zu einem prägenden Charakteristikum der internationalen Beziehungen vor dem Ersten Weltkrieg. Zweitens: Endgültig steht nun China eindeutig im Mittelpunkt deutscher wirtschaftspoliti23 Vgl. Fröhlich 1994:83ff; Mommsen 1993:132-134; Hildebrand 1995:152-153. 24 Der Grund fur den relativen Positionsverlust Deutschlands liegt z.B in der Aufgabe des Bismarckschen Bündnissystems, welches dem Reich eine halbhegemoniale Stellung beschert hatte. Die Spannungen zwischen Deutschland und seinen Nachbarn nahmen bereits zu. Zunehmend sah Deutschland sich im Westen und Osten isoliert. Insbesondere das Ziel des „Neuen Kurses", die Annäherung an England, war verfehlt worden, vgl. Hildebrand 1995:184-189. 25 Reichskanzler Leo von Caprivi trat im November 1894 zurück. Seine Politik war in erster Linie noch Kontinentalpolitik. Daher waren jene Gruppen, die ein stärkeres überseeisches Engagement Deutschlands forderten, unzufrieden mit seiner Kanzlerschaft, vgl. Hildebrand 1995:153. 26 Vgl. Mommsen 1993:123-127. 27 Vgl. Mommsen 1993:132. Auch in Afrika kam es 1894-96 zu immer deutlicheren Interessenkonflikten zwischen England und Deutschland, vgl. die Übersicht bei Fröhlich 1994:57-72.

43 28

scher Interessen in Ostasien. Drittens, und in engem Zusammenhang damit, hatte die Idee eines Stützpunktes in China zur bestmöglichen Wahrung weiterer deutscher politischer und militärischer Interessen insbesondere auch bei der Marine und dem marinebegeisterten Kaiser Wilhelm II. neuen Auftrieb erhalten, sie rückte unter Einfluß dieser Kräfte allmählich in das Zentrum der deutschen China- und Ostasienpolitik. 29 Die erhoffte Festsetzung in China durch die Mitwirkung am Einspruch gegen den Vertrag von Shimonoseki wurde allerdings nicht erreicht. Die chinesische Regierung wies unter Hinweis auf die Rechte eines souveränen Staates alle Ende 1895 und im Laufe des Jahres 1896 diplomatisch an sie herangetragenen Wünsche des Deutschen Reiches zurück. Daraufhin entschloß sich die deutsche Regierung dazu, mit militärischen Mitteln einen Stützpunkt an der Chinaküste zu besetzen. Die Besetzung der Jiaozhou-Bucht im November war daher keine spontane Aktion, sondern das Ergebnis langfristiger Pläne und sorgfältiger Kalkulationen. Aus deutscher Sicht bestand der Pachtvertrag vom 6. März, mit dem die Bucht auf 99 Jahre an das Deutsche Reich verpachtet wurde, aus drei gleich wichtigen und bedeutsamen Teilen, die den konstanten Interessen des Deutschen Reiches entsprachen: 1. der Erwerb einer Kolonie unter voller deutscher Oberhoheit; 2. konkrete wirtschaftliche Sonderrechte im Bereich von Eisenbahn und Bergbau in der Provinz Shandong und 3. die Bildung einer neutralen Zone, in der dem Deutschen Reich ein „militärisches Durchgangsrecht" sowie verschiedene andere Mitspracherechte bei Verwaltungsangelegenheiten eingeräumt wurden (Kapitel 2). De facto aber ging die deutsche Interessenwahrnehmung über den formal-juristisch abgezirkelten Rahmen hinaus und erstreckte sich auf breite wirtschaftliche, politische und militärische Belange in der Provinz Shandong. Dabei sind nicht nur die deutschen Versuche der Einflußnahme auf Beamtenbesetzungen und die militärischen Verhältnisse, sondern auch die Aktivitäten der Mission mit einzubeziehen, die eine Zeitlang unter militärischem Schutz des Deutschen Reiches stand. Alle diese geschriebenen und ungeschriebenen Sonderrechte machten große Teile der Provinz Shandong zur allein dem Deutschen Reich vorbehaltenen Einflußsphäre. 30

Das Symbol der Musterkolonie und die koloniale Wirklichkeit in Kiautschou Das Jahr 1897 markiert in zweierlei Hinsicht den Beginn der aktiven deutschen „Weltpolitik". Zum einen vollzog sich mit der Besetzung der Jiaozhou-Bucht ausgehend von der Chinapolitik des Deutschen Reiches eine entscheidende Wende nicht nur in der deutschen

28 Vgl. Wippich 1990:118f. 29 Vgl. Wippich 1987:146f. Im Mai 1895 forderte Wilhelm II., daß ein deutscher Gebietserwerb in China unverzüglich anzuvisieren und rasch durchzuführen sei, Marschall an Hollmann, 4.5.1895, in: BA/MA, RM3/6692, Bl. 16. 30 Vgl. Zhang Yufa 1986.

44 Außenpolitik, sondern auch in der internationalen Politik.31 Zum andern beginnt 1897 auch die große Flottenrüstung des Deutschen Reiches. Beide Ereignisse stehen in einem engen Zusammenhang: Die gut organisierte Propaganda des Reichsmarineamtes stellte immer wieder die Verbindung zwischen der Kolonie Kiautschou und dem Flottenbau her. 32 Das von der Marine verwaltete Gebiet diente quasi als Beleg dafür, daß nur eine Flotte auf lange Sicht die Zukunft Deutschlands als globale Industrie- und Handelsmacht sichern könne, und nur mit diesem Machtmittel es möglich sein würde, überseeische Kolonien gegen den Widerstand der anderen Mächte (insbesondere England) zu erwerben und zu unterhalten.33 Das Symbol der von der Marine verwalteten „Musterkolonie Kiautschou" war ein konkretes Mittel der Flottenpropaganda.34 Tirpitz wollte, daß sich das „Auslandsdeutschtum" hinter einem solchen Symbol „versammelte" und gemeinsam fur das nationale Projekt der deutschen Weltmacht arbeitete.35 Das Deutsche Reich praktizierte damit einen eher „plebiszitären", „objektlosen Imperialismus" (Schumpeter), der erst in zweiter Linie auf tatsächliche Objekte und Ziele gerichtet war, primär jedoch die heimische Presse, das heimische Publikum und eine Veränderung der innenpolitischen Verhältnisse im Auge hatte 3 6 Im Verein mit der Flottenrüstung beginnt hier eine verhängnisvolle Mobilisierung, die siebzehn Jahre später in den Ersten Weltkrieg fuhrt. Aus der Weltpolitik sollte schließlich die Weltmachtpolitik hervorgehen. Den Bemühungen des Reichsmarineamtes zum Trotz waren die Reaktionen auf die Besetzung der Jiaozhou-Bucht geteilt. Die politischen oppositionellen Kräfte kritisierten die deutsche Aktion und warnten vor den langfristigen internationalen politischen Folgen. Unter der Verwaltung des Reichsmarineamtes und insbesondere unter der direkten, sich bis auf Details erstreckenden Aufsicht des Staatssekretärs Tirpitz wurde mit dem Aus- und Aufbau von Kiautschou begonnen (Kapitel 3). Das koloniale Projekt der „Musterkolonie" war ambitioniert: Es sollten großzügige Anlagen und Einrichtungen geschaffen werden, die dem modernsten Stand der Technik entsprachen. Der Aufbau einer modellhaften und vorbildlichen Stadtanlage mit sauberen Straßen, die Etablierung moderner Vorzeigeeinrichtungen mit neuester Technologie (Hafen, Werft), moderner Wissenschaft (Observatorium, deutsch-chinesische Hochschule, Lazarett mit bakteriologischen Laboren), moderner Infrastruktur (asphaltierte Straßen fur Automobile; Flugplatz) - nicht nur gegenüber dem deutschen Reich, auch gegenüber China wurde das Symbol der Musterkolonie evoziert. 37 Die

31 Die britischen amtlichen Dokumente über den Ursprung des Ersten Weltkriegs beginnen mit der Besetzung Jiaozhous, vgl. Gooch/Temperley 1926. England interpretierte dies als den Beginn aktiver Weltpolitik und eine gegen England gerichtete Rüstungspolitik. Vgl auch Berghahn 1991. 32 Vgl. Berghahn 1988:11. 33 Vgl. Fischer 1991:27. 34 Vgl. hierzu Mühlhahn 1996:468ff. 35 Vgl. die Memoiren von Tirpitz 1927:72; Winzen 1991. 36 Vgl. Mommsen 1993:140f. Dahinter standen konkrete innenpolitische Motive. Durch ein Sammeln der nationalen Kräfte sollte auch der Vormarsch der Opposition im Reichstag gestoppt werden, Berghahn 1991:182-186. 37 Vgl. Schrameier 1910:809.

45 geschaffenen Einrichtungen dienten nicht nur praktischen Zwecken, sondern auch als Nachweis und Demonstration von Fortschrittlichkeit und Modernität, als Säulen symbolischer Herrschaft. Das Symbol der „Musterkolonie" war somit auch ein Mittel der Legitimierung von Herrschaft in Kiautschou. Die stetige Demonstration von Modernität und Fortschritt, die als unaufhaltsame und unüberwindliche Kräfte gedeutet werden sollten, stand im Mittelpunkt deutscher Ideologie. Damit sollte eine andere, spezifisch deutsche Form des Kolonialismus entwickelt werden, die auf quasi wissenschaftlichen, aufgeklärten Grundlagen beruhte. Die Realität gestaltete sich allerdings schwieriger als die offizielle Propaganda wahrhaben wollte. Im Unterschied zu den afrikanischen Kolonien war Kiautschou keine Siedlungskolonie, nur Spezialisten mit besonderen Fertigkeiten oder Kaufleute durften sich in Kiautschou ansiedeln.38 Die koloniale Gesellschaft setzte sich daher fast ausschließlich aus Männern zusammen. Deutsche Soldaten und Geschäftsleute waren in den meisten Fällen ohne Familien in Kiautschou und dort nur zeitweilig tätig. Dasselbe gilt fur die chinesische Bevölkerung. Die angestammte bäuerliche Bevölkerung wurde verdrängt zugunsten der Ansiedlung einer Arbeiter- und Kaufmannschaft, die nur saisonal in Qingdao arbeitete, zur Ernte aber wieder in ihre Heimat zurückkehrte. Der künstliche Charakter der kolonialen „Männer"-Gesellschaft 39 führte zur Etablierung eines ausgeprägten Vergnügungsviertels in Dabaodao. Hier gab es Opiumschenken, Bordelle, Spielstätten usw. Jedoch achtete das Gouvernement darauf, daß dieser Aspekt des kolonialen Alltags nicht in Deutschland bekannt wurde. Ebenfalls nicht in offiziellen Verlautbarungen oder Berichten erwähnt werden durfte die Behandlung der chinesischen Bevölkerung. Während die Berichte des Gouvernements stets das Einvernehmen zwischen Deutschen und Chinesen betonten, sah die Realität anders aus. Die speziell für Chinesen erlassenen rechtlichen Vorschriften fungierten als Disziplinierungsinstrument, das die chinesische Bevölkerung in eine grundsätzliche Rechtsunsicherheit versetzte und vom Willen der Kolonialmacht abhängig machte. Außerdem war der chinesischen Bevölkerung das Wohnen im sog. Europäerviertel verboten. Sie sollte in dicht besiedelten eigenen Stadtvierteln wohnen. Das ganze wirtschaftliche, soziale und rechtliche System Kiautschous differenzierte strikt zwischen Europäern und Chinesen. Diese Segregation war in China sehr wohl bekannt und wurde dort heftig kritisiert. Ein wichtiger Bereich des kolonialen System in Kiautschou waren Kultur und Mission (Kapitel 8). Als Ziel der Entwicklung Kiautschous wurde nach 1905 von der Verwirklichung eines „deutschen Kulturzentrums"41 gesprochen. Die Verfolgung einer auswärtigen Kulturpolitik in China folgte der sich allmählich durchsetzenden Auffassung, daß die wirtschaftliche von der kulturellen (statt militärischen) Expansion begleitet werden müsse. Die Kulturpolitik sollte daher die Leistungen und Erfolge der deutschen Kultur und Wissenschaft de-

38 Vgl. Mühlhahn 1997. 39 Vgl. dazu allgemein Gouda 1993. 40 Vgl. Dok. 55. 41 Die Formulierung entstammt der Denkschrift von 1907, siehe Dok. 57. Vgl. auch Leutner/Mühlhahn 1994:412-416.

46 monstrieren und dazu beitragen, ein positives Bild von Deutschland in China zu vermitteln. 42 Damit in Verbindung stand ein imperiales Programm der Darstellung, 43 das eine bestimmte Auffassung über China und die Rolle der Deutschen in China beinhaltete. Die Rhetorik von der zivilisatorischen Mission Deutschlands im stagnierenden China stellt einen wichtigen Bestandteil des kolonialen Projekts dar. Ein anderer Aspekt kultureller Aktivitäten in Kiautschou ist der Aufbau einer gegenwartsbezogenen Sinologie, da die Kolonialmacht sowohl China-Spezialisten als auch Informationen über China benötigte. Der Aufbau einer solchen „Musterkolonie" war kostspielig. In Kiautschou wurde mehr Geld investiert als in jede andere deutsche Kolonie. Mehr als 160 Millionen Reichsmark wurden in siebzehn Jahren vom Reichstag als Zuschüsse fur den Etat von Kiautschou bewilligt. Demgegenüber standen nur 36 Millionen Mark aus eigenen Einnahmen. 44 Es ist jedoch festzuhalten, daß die investierten Gelder zu mindestens zwei Dritteln in Form von Bestellungen oder Aufträgen nach Deutschland zurückflössen. Fast alle Baumaterialien, Ersatzteile und Dinge des täglichen Bedarfs wurden aus Deutschland bezogen, selbst dann, wenn diese auf dem chinesischen Markt erhältlich waren. Ali den staatlichen Aufträgen der Kolonialadministration konnten die in Kiautschou ansässigen deutschen Firmen daher ohne Risiko gut verdienen. Nur ein geringer Anteil der Summe kam hingegen der chinesischen Wirtschaft zugute. Aber abgesehen vom beträchtlichen Profit einiger deutscher Firmen verlief die Entwicklung in volkswirtschaftlicher Hinsicht außerordentlich enttäuschend (Kapitel 6): Die deutschen Behörden hatten beabsichtigt, Kiautschou zu einem Zentrum des deutsch-chinesischen Handels zu machen, doch gerade der deutsch-chinesische Handel wurde durch die Existenz einer deutschen Kolonie nicht gefördert. Im Gegenteil, der deutsche Anteil am Chinahandel sank kontinuierlich. Auch die durch die Konzessionen ermöglichten und abgesicherten Bergbau- und Eisenbahn-Unternehmen waren wirtschaftlich eigentlich ein Mißerfolg (Kapitel 7). Die Shandong-Eisenbahngesellschaft zahlte nur geringe Dividenden. Die Shandong-Bergbaugesellschaft mußte 1913 aufgrund der Konkurrenz mit den billigen chinesischen Minen aufgelöst werden und wurde von der Shandong-Eisenbahngesellschaft übernommen. Aber auch hier gilt, daß die hinter den Unternehmen stehenden privaten deutschen Firmen durch Lieferaufträge und Kreditvergabe gute Geschäfte machten. Wie auch auf deutscher Seite gab es in China verschiedene Gruppen, die gegenüber der deutschen Kolonie unterschiedliche Ansichten vertraten. Es lassen sich im wesentlichen drei Gruppen unterscheiden: die ländliche Bevölkerung, die lokale Elite und die zentrale administrative Elite. Die ländliche Bevölkerung in und um Kiautschou war zunächst am direktesten von dem kolonialen Zugriff betroffen. In Kiautschou wurde sie umgesiedelt, um Platz zu schaffen für die kolonialen Maßnahmen. Ein entsprechendes System aus Verwaltungsvorschriften und Gesetzen stellte sicher, daß ihr jede Möglichkeit zum Widerstand genommen wurde. Außerhalb Kiautschous war das Leben der ländlichen Bevölkerung vor allem durch

4 2 Siehe dazu Klosterhuisl994:17ff; v o m Bruch 1982:26ff. 43 Vgl. allgemein hierzu Said 1994:13-33. 44 Vgl. Gründer 1991:191.

47 den Bau der Eisenbahn berührt, die die Felder durchschnitt und die Bewässerungsverhältnisse in Mitleidenschaft zog. Als die Bauern sich gewaltsam gegen den Bau der Eisenbahn zur Wehr setzten, wurden von Kiautschou aus blutige Strafaktionen durchgeführt, bei denen ganze Ortschaften vernichtet wurden (Kapitel 4). Diese Aktionen, die bei der Ausbreitung und Ausdehnung der Boxerbewegung eine große Rolle spielten, führten dazu, daß bei der ländlichen Bevölkerung große Verbitterung und Haß gegenüber der deutschen Herrschaft in Kiautschou aufkamen. Für die gesamte Dauer der deutschen Herrschaft läßt sich die Existenz anti-deutscher Geheimgesellschaften im Umfeld der Kolonie feststellen. Die chinesische Administration ihrerseits versuchte, Methoden zu entwickeln, um diese mit Besorgnis gesehene Destabilisierung der ländlichen Gesellschaft unter Kontrolle zu bekommen (Kapitel 5). Verträge zur Regelung des Verkehrs der beiden Verwaltungen sowie zum Bau der Eisenbahn und zur Anlage von Bergwerken sowie eine regelmäßige Besuchsdiplomatie waren die Strategien, mit denen eine gewaltsame Eskalation nach 1900 vermieden wurde. Die chinesischen Beamten versuchten, mit den Deutschen zu verhandeln und sie zu Kompromissen zu bewegen. Eine andere Politik bestand in der aktiven Förderung der chinesischen Wirtschaft, vor allem beim Bergbau, oder der Entwicklung der Infrastruktur, um ein deutsches Übergewicht in Shandong zu vermeiden. Zwischen der Qing-Elite in der Administration und der deutschen Kolonialmacht entwickelte sich auf diese Weise ein ausgesprochen gutes Verhältnis. Die lokale Elite (Literaten, Unternehmer, Händler) wiederum versuchte, ebenfalls gegen das Vordringen Deutschlands in Shandong ihre Kräfte zu mobilisieren und insbesondere auf dem Gebiet der Wirtschaft ihre Interessen zu wahren. Es entstand eine breite Bewegung zur Rückgewinnung der verlorenen Rechte bei Eisenbahn und Bergbau, deren Aktivitäten tatsächlich erfolgreich waren (Kapitel 7). Wirtschaftliche Konkurrenz und Widerstand führten dazu, daß fast alle deutschen Sonderrechte bis 1914 annulliert wurden. Auch in der Kolonie organisierten sich die chinesischen Händler und versuchten, ihre Interessen durchzusetzen (Kapitel 6). Das Ergebnis war eine weitgehende Sinisierung der Wirtschaft Kiautschous, die gegen den Willen der Kolonialmacht durchgesetzt wurde. Kiautschou entwickelte sich zu einem Zentrum und wichtigen Hafen fur den innerchinesischen Handel zwischen Nord- und Südchina. Der Eingriff der Kolonialmacht (Eisenbahnbau, Hafenbau, Minengründungen) sowie die chinesischen Gegenstrategien (Erneuerung traditioneller Verkehrswege, Modernisierung chinesischer Minen, Förderung der Ex- und Importe via Eisenbahn) veränderten die wirtschaftlichen und sozialen Strukturen in Shandong nachhaltig. Für viele traditionellen landwirtschaftlichen Produkte konnten neue Märkte in China und international (Bortenhandel) erschlossen werden. Die Wirtschaftsproduktion in Shandong stieg im frühen zwanzigsten Jahrhundert kontinuierlich an. Allerdings waren von dieser Entwicklung nur die Regionen an der Eisenbahn betroffen, während andere Regionen zurückfielen und aufgrund der Reallokation staatlicher Mittel sogar verloren. Entlang des Kaiserkanals z.B. zog der chinesische Staat seine Mittel zur Wasserkontrolle zurück, um sie in Ost-Shandong an der Küste zu verwen-

48 den. 45 Staatliche Investitionen und Zuschüsse an die Küstenregionen in Shandong und um Kiautschou sollten verhindern, daß die Wirtschaftspotentiale dieser Regionen vollständig unter deutsche Kontrolle gerieten. Aber nicht nur regional, sondern auch sozial verlief die Entwicklung ungleichgewichtig. In den Regionen entlang der Eisenbahn profitierte hauptsächlich die lokale Elite vom wirtschaftlichen Aufschwung. Nach dem negativen Höhepunkt der Entsendung des Ostasiatischen Expeditionskorps unter Feldmarschall Waldersee und den vom Expeditionskorps durchgeführten brutalen Strafund Racheaktionen gegenüber der chinesischen Bevölkerung, forderten die verschiedenen politischen Strömungen in Deutschland eine Neugestaltung der Beziehungen zu China (Kapitel 9). Seit 1905 bemühte sich das Deutsche Reich, eine mehr auf Kooperation angelegte Politik gegenüber China zu betreiben, z.B. durch Verzicht auf Sonderrechte in Shandong und eine die chinesischen Interessen mehr berücksichtigende Wirtschafts- und Kulturpolitik. Natürlich sollte die China-Politik weiterhin deutsche Interessen durchsetzen helfen, aber es gab eine allgemeine Übereinstimmung, daß dies nicht mehr mit Gewalt und gegen den Willen Chinas geschehen könne. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Isolierung in Europa suchte das Deutsche Reich außerdem einen politischen und wirtschaftlichen Partner an der Peripherie. Die Regierung ersetzte daher in der Folgezeit die offensive imperialistische Politik durch eine militärisch zurückhaltende, „friedliche" Kultur- und Wirtschaftspolitik. Für das Qing-China war das Deutsche Reich ein interessanter Partner: Als konstitutionelle Monarchie kam das politische System des Deutschen Reiches demjenigen sehr nahe, das auch die Qing-Dynastie anstrebte. Die deutsche Verfassung wurde daher ausfuhrlich studiert in dem Vorhaben, fur China eine Verfassung zu entwickeln. Auch die deutsche Kulturpolitik wurde positiv bewertet. Die Fachhochschule in Qingdao z.B. war die einzige ausländische Schule, die von China anerkannt wurde. Nach der Revolution von 1911 flüchteten viele hohe Beamte nach Qingdao, wo sie sich auf den Schutz der neutralen deutschen Regierung verlassen konnten. Aber auch die neue republikanische Regierung nach 1911 bemühte sich um ein gutes Verhältnis zu Deutschland. Für sie war Deutschland nicht mehr als konservative Großmacht interessant, sondern sie sah in der spät einsetzenden, aber schnellen Modernisierung in Deutschland ein Vorbild fxir eine eigene nachholende Entwicklung.

Kolonialismus und Imperialismus in der Geschichte des modernen China Die Dokumentation der Geschichte Kiautschous läßt auch Rückschlüsse auf die Wirkung des Imperialismus in der Geschichte des modernen China zu. Bezüglich der Interpretation des ausländischen Imperialismus allgemein lassen sich gegenwärtig fünf verschiedene Positionen in der chinabezogenen Geschichtsforschung unterscheiden.46 4 5 Vgl. Pomeranz 1993:1-25. 4 6 Zur Diskussion gängiger Imperialismustheorien allgemein siehe Wehler 1979; M o m m s e n 1987; Geiss 1991:12-20. Die Übertragung verschiedener Imperialismus-Theorien auf China wird besprochen bei Cohen 1984:97-147 und Osterhammel 1989:171-201.

49 1. Die klassische marxistische Geschichtsschreibung der VR China operierte auf der Grundlage der These Mao Zedongs, daß der ausländische Imperialismus die sozioökonomische Entwicklung der modernen chinesischen Geschichte tiefgreifend beeinflußt und verändert habe. In dem Aufsatz „Die Chinesische Revolution und die KP Chinas" von 1939 führte Mao aus: "(Es) ist ersichtlich, daß die Aggression der imperialistischen Mächte gegen China einerseits den Zerfall der chinesischen Feudalgesellschaft und die Entstehung von Elementen des Kapitalismus in China förderte und dadurch die feudale in eine halbfeudale Gesellschaft umwandelte; andererseits aber übten die imperialistischen Mächte hier eine grausame Herrschaft aus und verwandelten das unabhängige China in ein halbkoloniales und koloniales Land." 47 Maos Interpretation zufolge sind der Feudalismus (Grundherrensystem) und der Imperialismus die beiden prägenden Kräfte der chinesischen Geschichte seit dem OpiumKrieg. Der ausländische staatsmonopolistische Kapitalismus arbeitete mit den feudalen Kräften Chinas zusammen. Dadurch wurde zum einen die Entwicklung eines chinesischen Kapitalismus ermöglicht, der zum Entstehen einer nationalen Bourgeoisie und eines chinesischen Industrieproletariats führte. Zum andern aber war die nationale Bourgeoisie nach Mao stets vom westlichen Monopolkapitalismus abhängig. Die politische und ideologische Orientierung der chinesischen Kompradoren-Bourgeoisie war daher geprägt durch ihre Kollaboration mit dem Imperialismus. Sie war nicht in der Lage, eine nationale Revolution zur Wiederherstellung der vollen staatlichen Souveränität und damit der Unabhängigkeit des Landes zu führen. Die „halbfeudale und halbkoloniale Gesellschaftsformation Chinas" (Zhongguo ban zhimindi ban fengjian shehui xingtai) als Resultat der Expansion europäischer Mächte in China sei dafür verantwortlich, daß einheimische Industrien und Handwerksbetriebe durch westliche, industriell gefertigte Produkte der monopolistischen Großunternehmen gefährdet oder zerstört worden seien.48 Die chinesische Revolution sollte sich daher sowohl gegen den Imperialismus als auch gegen den chinesischen Feudalismus richten. 2. Die Marginalitätsthese geht in expliziter Auseinandersetzung mit der chinesischen marxistischen Geschichtswissenschaft davon aus, daß der Imperialismus historisch nur eine geringe Wirkung auf China ausgeübt hat. 49 Der Imperialismus sei vorrangig ein Phänomen weniger Enklaven gewesen, das kaum die Entwicklung oder die Verhältnisse im riesigen Um- oder Hinterland beeinflußt habe. Nach diesem Ansatz wurden die Wirkungen des Imperialismus auf China in den Ausführungen Mao Zedongs aus der politischen Absicht der historischen Legitimierung der von der KP Chinas angeführten Revolution heraus übertrieben oder von westlichen Imperialismuskritikern künstlich vergrößert. 47 Mao Tse-tung 1968, Bd.2:362. 48 Die Herausbildung des halbfeudalen und halbkolonialen Status vollzieht sich Ding Mingnan (u.a.) 1961:189ff. zufolge in den Jahren 1864-1895. Die klassische marxistische Geschichtsschreibung in China hat besonders die Zusammenarbeit der einheimischen sozialen und politischen Elite mit den ausländischen Mächten sowie die ökonomischen Wirkungen herausgearbeitet, siehe Hu Sheng 1981:58ff; Hu Sheng 1991:390-401. In bezug auf Kiautschou siehe Wang Shouzhong 1987. Nach marxistischer Geschichtsauffassung beruht die Hauptmotivation imperialistischer Politik auf einer Wirtschaftsexpansion mit staatsmonopolistischen Tendenzen, vgl. Gutsche 1991:74-76. 49 Vgl. aus ökonomischer Perspektive Feuerwerker 1990:240; aus politischer Perspektive Pye 1993.

50 3. Das Modernisierungsargument schreibt dem Imperialismus eine wichtige, allerdings positive Rolle zu. Es wird betont, daß der Imperialimus zwar politisch destabilisierend auf China gewirkt, aber technologisch und ökonomisch der chinesischen Gesellschaft wichtige Entwicklungs- und Innovationsimpulse vermittelt habe. 50 Bereits vor dem Eintreffen des Westens in China habe historisch eine Stagnation der chinesischen Gesellschaft eingesetzt. Die Aktivitäten des Westens hätten somit eine große Rolle für die Einfuhrung neuer Technologien, aber auch neuer Ideen und Strategien gespielt. Sie hätten das Entstehen reformerischer Projekte in Erziehung und Ausbildung, die Etablierung einer modernen Infrastruktur und den Aufbau einer modernen Industrie ermöglicht, die die Basis für die spätere Entwicklung legten. 4. Das Dependenzargument greift in modifizierter Form den marxistischen Ansatz auf. Es lautet, daß China durch die imperialistische Expansion als abhängiges Land in die kapitalistische Weltwirtschaft inkorporiert worden sei.51 In dem kapitalistischen Weltsystem sei China durch ungleichen Austausch in die Peripherie gedrängt worden. Dabei stimmen die Grenzen der kapitalistischen Weltwirtschaft mit denen des zwischenstaatlichen Systems formal souveräner Staaten überein. Eine einheimische und autarke Modernisierung in China sei durch die ökonomische und politische Marginalisierung als Resultat der imperialistischen Expansion verhindert worden. 5. In der westlichen chinabezogenen Geschichtsschreibung ist häufig eine Kombination des Marginalitäts- und Modernisierungsansatzes angewandt worden. Dominant ist eine kulturalistische Argumentation, die die kulturelle Herausforderung betont, die die Expansion des Westens für das traditionelle konfuzianische Weltbild darstelle, und die zugleich die öko52

nomischen Wirkungen des Imperialismus weitgehend negiert. Die hier skizzierten Ansätze können als Orientierungsmarken für die Beschäftigung mit dem Pachtgebiet Kiautschou dienen, gleichwohl vermag für sich allein kein Ansatz vollständig zu überzeugen. Sie arbeiten zu pauschal auf der Ebene großer Theorien politischer oder sozialwissenschaftlicher Provenienz. Neuere Studien betonen deshalb zunehmend die Notwendigkeit der räumlichen, zeitlichen und sachlichen Differenzierung des Phänomens des Imperialismus und Kolonialismus.53 Der gesamte imperialistische Prozeß mit seinen widersprüchlichen Wirkungen ist weniger einheitlich als die oben skizzierten Ansätze suggerieren. Neben den Diplomaten und Handelsunternehmen! sind auch andere soziale Gruppen wie Missionare, Wissenschaftler, Kolonialbeamte vor Ort zu berücksichtigen. Schließlich spielt 50 Vgl. die Diskussion von Osterhammel 1984. In bezug auf Kiautschou folgt die Arbeit von Seeleman 1982 einer solchen Argumentation. 51 Vgl. Moulder 1977, der den Weltsystem-Ansatz von Immanuel Wallerstein auf China überträgt. 52 In bezug auf Kiautschou vgl. Schrecker 1971. Für ihn ist eine der Hauptwirkungen der deutschen Expansion das Entstehen eines modernen chinesischen Nationalismus, der zu den notwendigen Reformmaßnahmen bereit war. Allgemein zu diesem Ansatz vgl. Cohen 1984:9-56; Farquar/Hevia 1993; Barlow 1993 spricht daher von einer Verdrängung des Kolonialismus aus der chinabezogenen Geschichtsschreibung. 53 Vgl. Reinhard 1991:1 Of.

51 in beiden Ländern auch die Öffentlichkeit bzw. spielen die betroffenen breiteren Bevölkerungsschichten mit ihren Erwartungen und Reaktionen eine Rolle. So zeigt sich bei Kiautschou, daß sozioökonomische Destabilisierung und Modernisierung, Kollaboration und Streben nach Unabhängigkeit, Widerstand und Anpassung zusammenfallen. 54 Die Folgen und Resultate der imperialistischen Expansion in China werden im folgenden in ihrer Komplexität und Widersprüchlichkeit diskutiert, ohne jedoch das übergreifende historische Problem der Einordnung und Deutung dieses Prozesses aus den Augen zu verlieren. Die Geschichte des deutschen Pachtgebietes Kiautschou wird daher nicht nur aus der Perspektive der Metropole oder der deutschen Akteure erörtert werden, in der China als Objekt begriffen wird, sondern vielmehr werden auch die Handlungsfähigkeit und aktive Teilnahme verschiedener sozialer Gruppen in China angemessen dargestellt und berücksichtigt. 55 Die folgende Dokumentation zum Pachtgebiet Kiautschou differenziert aus diesen Gründen zwischen den verschiedenen Aspekten der Diplomatiegeschichte, der Kolonialgeschichte und der chinesischen Regional- und Lokalgeschichte. Anhand amtlicher, privater und publizistischer Quellen soll das Gegen- und Miteinander von deutschen und chinesischen Akteuren nachvollzogen werden, wobei auch zu berücksichtigen ist, daß auf beiden Seiten verschiedene soziale Gruppen sich durchaus unterschiedlich verhalten haben. Darüber hinaus stellt sich die Frage nach den Wirkungen und Rückwirkungen der kolonialen Intervention sowohl auf China als auch auf Deutschland auf den verschiedenen Ebenen von Außenpolitik, Kolonialpolitik und der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung vor Ort. Das Verhältnis zwischen Deutschland und China auch in dieser Phase der kolonialen Expansion zeigt sich als Interaktion nicht allein in den bisher vor allem thematisierten politischen und ökonomischen, sondern auch in den kulturellen, ideologischen und sozialen Bereichen.

54 Vgl. Mühlhahn 1996. 55 Vgl. Leutner 1996. Auch in der allgemeinen Geschichtswissenschaft wird der Wechsel zur Perspektive der Peripherie inzwischen häufig gefordert, vgl. Reinhard 1991:8.

Kapitel 1

Ursprünge und Voraussetzungen der deutschen Expansion in Shandong

Die Besetzung und erzwungene Pacht der Jiaozhou-Bucht durch das Deutsche Reich im Jahre 1897 stellten den vorläufigen Endpunkt eines langfristigen Prozesses der Ausweitung von Handelskontakten, diplomatischen und kulturellen Beziehungen zwischen zunächst Preußen, später Deutschland und China im Zeitalter des Imperialismus dar. Die Forderung, einen Stützpunkt an der China-Küste zu erwerben, ist dabei in Deutschland seit der Preußischen Ostasienexpedition 1860 immer wieder erhoben, erörtert und untersucht worden. Wie das Beispiel des deutschen Vordringens nach China im neunzehnten Jahrhundert zeigt, war die europäische Expansion keineswegs nur ein Vorhaben des Staates oder amtlicher Stellen. Auch andere gesellschaftliche Gruppen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kirche, resp. Mission, beteiligten sich an dem großen „Projekt" der Erkundung, Erforschung und Öffnung Chinas im neunzehnten Jahrhundert. Auf deutscher Seite lassen sich in bezug auf diesen Prozeß drei Phasen unterscheiden. Von der Preußischen Ostasienexpedition 1860 bis zur Übernahme des Protektorats über die deutsche katholische Mission in Süd-Shandong 1890 wird die Idee eines deutschen Stützpunktes in China hauptsächlich von nicht-staatlichen Gruppen, namentlich Handels- und Schiffahrtskreisen, Wissenschaftlern, Reisenden sowie teilweise der Mission propagiert. Die Übernahme des Protektorats bedeutete einen entscheidenden Wendepunkt: In der Chinapolitik vollzog sich 1890/1891 als erstes die deutsche außenpolitische Wende von der traditionellen europazentrischen Gleichgewichtspolitik Bismarcks zur deutschen Weltpolitik unter Wilhelm II. Die zweite Phase zwischen 1890 und dem chinesisch-japanischen Krieg 1894/95 ist gekennzeichnet von einem immer stärkeren Vordringen militärischer und riistungsindustrieller Interessen in der deutschen Chinapolitik, die sich nun mehr und mehr des Stützpunktgedankens bemächtigte. 1 Die für den deutschen Chinahandel negativen Folgen des Krieges von 1894/95 sowie eine angesichts kolonialer Erfolge anderer Großmächte aufgeheizte öffentliche Stimmung in Deutschland veranlaßten daraufhin die deutsche Regierung im Jahre 1896, dem Beginn der dritten Phase, konkrete Planungen und Entscheidungen zur Gründung eines deutschen Stützpunktes in China einzuleiten.

1

Vgl. Ratenhof 1987:126.

54 Als Zielgebiet wurde nach längeren internen Überlegungen die Jiaozhou-Bucht an der Südküste der Provinz Shandong ausgewählt. Spätere deutsche Berichte über die wirtschaftliche und soziale Lage in der Bucht vor der deutschen Besetzung 1897 haben den Eindruck eines verarmten, unentwickelten Landstrichs erweckt, 2 der dann nach der Besetzung von der Kolonialmacht „entwickelt" und „modernisiert" worden sei. Tatsächlich aber zeigen die chinesischen Quellen, daß die Jiaozhou-Bucht seit Jahrhunderten ein wichtiger Hafen für die kommerzielle und militärische Seefahrt war. Die Bucht fungierte als wichtiger Knotenpunkt des interregionalen und internationalen Handels des chinesischen Reiches. Der chinesischen Regierung war überdies das Interesse des Auslands, insbesondere Deutschlands, an der Bucht bekannt. Aus diesem Grund unternahm China in den Jahren unmittelbar vor der deutschen Besetzung eigene Planungen und Anstrengungen, die Bucht als modernen Seehafen zu entwickeln; diese blieben jedoch aus finanziellen Gründen nur Stückwerk.

Herausbildung des kolonialen Interesses 1840-1890: Die Beziehungen zwischen Deutschland und China im 19. Jahrhundert Die deutsch-chinesischen Beziehungen im neunzehnten Jahrhundert sind grundlegend vom Prozeß der allmählichen Herausbildung eines kolonialen Interesses auf deutscher Seite geprägt. Dieser Prozeß war allerdings keineswegs einheitlich. Verschiedene Gruppen verfolgten sehr disparate Interessen. Entsprechend lassen sich in den Beziehungen zwischen Deutschland und China im neunzehnten Jahrhundert verschiedene Stränge und Traditionen ausmachen. Der Bereich der zwischenstaatlichen diplomatischen Beziehungen war dabei lange Zeit weniger wichtig als privates Engagement. Vor allem Kaufleute und Missionare sahen in China ein wichtiges Gebiet ihrer Interessen, in dem sie ihre Aktivitäten kontinuierlich ausweiteten. Der Opiumkrieg 1839-1841 sowie der Vertrag von Nanjing 1842 3 lösten in den deutschen Ländern ein starkes Echo aus. Die durch England erzwungene Öffnung des großen Landes machte China fur die deutschen Kaufleute und die Tagespresse interessant, die einen großen Absatzmarkt mit 350 Millionen Einwohnern vor sich sahen. Die Kölner Handelskammer forderte 1842 den preußischen Finanzminister auf, in China geeignete Schritte zu unternehmen,

2

Vgl. fur eine Reihe von ähnlichen Urteilen z.B. Schrameier 1915:30, der nicht nur Jiaozhou, sondern gleich ganz Shandong als „ödeste, ärmste und vernachlässigste Provinz Chinas" bezeichnet. Weicker 1908:176fr. kontrastiert eine gezeichnete ärmliche Hütte des Jahres 1897 mit einem Bild eines neuen Straßenzuges in Qingdao von 1907. Die Sekundärliteratur hat diese Urteile unverändert übernommen: Gründer 1991:191 z.B. spricht von dem „einstigen Fischerdorf', das die Konlonialverwaltung zur „gesündesten und saubersten Stadt Ostasiens" gemacht habe.

3

Der Vertrag von Nanjing 1842 beinhaltete neben Entschädigungszahlungen hauptsächlich die Abschaffung des chinesischen Handelsmonopols, die Einrichtung von fünf Offenen Häfen (treaty ports), Exterritorialität und Einfuhrung eines geregelten Zollsystems. Mit dem Vertrag wurde die Öffnung Chinas erzwungen.

55 um dem deutschen Handel seinen Anteil am allgemeinen Chinahandel zu sichern. 4 Wiederholt traten Kaufleute an die preußische Regierung heran mit der Bitte, sie solle den deutschen Chinahandel politisch und diplomatisch unterstützen. Die Vertreter der preußischen Regierung wie auch die Hansestädte standen diesen Ansinnen jedoch skeptisch und distanziert gegenüber.5 Man fürchtete einen Zusammenstoß mit den Interessen Englands an der chinesischen Küste. Da Preußen zudem über keine eigene Flotte verfugte, standen nach allgemeiner Überzeugung in Regierungskreisen dem Land keine Mittel zur Verfugung, seine Ansprüche wirkungsvoll abzusichern. 1847 wurde allerdings Richard von Carlowitz, der Inhaber eines der ältesten deutschen Chinahandelshäuser, zum ersten preußischen und sächsischen Konsul in Kanton ernannt.6 Da die Bestimmungen des Vertrages von Nanjing 1842 allen Mächten zugute kamen, sollte er fur deutsche Handelshäuser die handelspolitische Vertretung übernehmen. Von Kanton aus forderte Carlowitz in den fünfziger Jahren mehrmals die preußische Regierung auf, einen Handelskommissar auf einem Kriegsschiff nach China zu entsenden. 7 Es sollten allerdings noch rund zehn Jahre vergehen, bis der preußische Staat seine diplomatischen und sicherheitspolitischen Bedenken beiseite schob und diesen von Mission und Handel in den fünfziger Jahren vielfach geäußerten Wünschen nach einer offiziellen Handelsmission nach China entsprach. Auch Preußen wollte einen Handelsvertrag mit China abschließen, da aufgrund des Fehlens der Meistbegünstigungsklausel im Vertrag von Tianjin die Bestimmungen der mit den anderen Mächten geschlossenen Verträge nun nicht mehr automatisch den deutschen Kaufleuten zugute kamen. Die schließlich entsandte Ostasienexpedition (1860 bis 1862) unter Leitung von Fritz Graf zu Eulenburg hatte den Auftrag, die Länder China, Japan und Siam anzulaufen. Neben dem Handelsvertrag bezog sich eine weitere Vorgabe darauf, „das Terrain in wissenschaftlicher und kommerzieller Beziehung zu erforschen", wie es im Bericht der Regierung lautete. Kurz vor der Abreise erhielt Graf zu Eulenburg noch eine weitere Zielvorgabe: In der Allerhöchsten Ordre vom 11. Mai 1860 wurde er angewiesen, „einen Punkt zu finden, an welchem sich mit Aussicht auf Erfolg eine preußische Aussiedlung gründen ließe". 8 Für einen ersten Schritt in ein solches koloniales Unternehmen in China - gedacht war dabei in erster Linie an Taiwan - trat dabei besonders Prinz Adalbert von Preußen, der Oberkommandierende der Marine, ein. 9 Seit diesem Zeitpunkt war es besonders die Marine, die die Forderung nach einer Marine- und Kohlenstation für die Flotte in China erhob. Am 2. September 1861 schloß Preußen stellvertretend für die im Deutschen Zollverein vertretenen Länder im Zuge der Preußischen Ostasienexpedition eben4

Siehe „Stellungnahme der Handelskammer von Köln zum Handel mit China. Forderung nach Entsendung einer Handelsmission ( 1 8 4 2 ) " , abgedruckt bei Stoecker 1958:267f.

5

Siehe Yü 1981:37

6

Siehe Ratenhof 1985:30.

7

Siehe Martin 1991:212f.

8

Instruktion des Regenten Prinz Wilhelm an Graf Eulenburg, 11.5.1860, in: Stoecker 1958:269; vgl. auch Martin 1991:224.

9

Siehe Stoecker 1958:55.

56 falls „Ungleiche Verträge" mit China ab. 10 Der Erwerb einer Kolonie für Preußen wurde allerdings in den ohnehin sehr schwierigen Verhandlungen mit China um den Abschluß eines Handelsvertrages schließlich nicht mehr angesprochen. Ein konkretes Resultat der Ostasienexpedition war jedoch 1865 die Einrichtung einer preußischen Gesandtschaft in Peking. Zum ersten Gesandten wurde Guido von Rehfues ernannt. Der Gedanke eines deutschen Stützpunktes in China wurde zwar unter der Ministerpräsidentschaft Otto von Bismarcks von amtlichen Stellen gelegentlich erörtert.11 Da Bismarcks Politik jedoch ganz auf Europa und die deutsche Einigung konzentriert war, spielten China und die Frage eines deutschen Stützpunktes in der Außenpolitik keine primäre Rolle. Auch nach der Reichsgründung 1871 stand im Mittelpunkt der Bismarckschen Politik die Absicherung der Position des Reiches als Macht in der Mitte Europas, die keine weitergehenden expansionistischen Interessen auf Kosten der anderen Mächte verfolgen konnte, ohne den Bestand des Reiches zu gefährden. 12 Bismarcks Außenpolitik allgemein folgte dem Primat des Politischen; wirtschaftliche Ziele sollten der Außenpolitik nachgeordnet sein. Zugleich ging Bismarck davon aus, daß das Deutsche Reich in China nur ökonomische, aber keine politischen Interessen besitze. Mehrmals hatte er daher den politischen und ökonomischen Wert 13

von Kolonien bestritten und eine aktive Kolonialpolitik abgelehnt. Der Abschluß eines Handelsvertrages mit China durch die Preußische Ostasienexpedition führte zunächst zu einer deutlichen Belebung des deutsch-chinesischen Handels. Viele deutsche Unternehmen wollten mit ihren Produkten auf den chinesischen Markt, dessen Größe und strategische Bedeutung für die Zukunft häufig betont wurden. Die mit Abstand wichtigsten Handelswaren in den deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen waren Rüstungsgüter. Im Zusammenhang mit konkreten Vorhaben im Rahmen der Selbststärkungsbewegung bemühte sich China seit den siebziger Jahren verstärkt um Waffenkäufe im Ausland. An der Spitze der in China aktiven deutschen Firmen standen deshalb Unternehmen der Rüstungsindustrie wie die Essener Krupp AG, die seit den achtziger Jahren im Bereich der Ατι 0 Zur Vorgeschichte und Bedeutung der Preußischen Ostasienexpedition siehe Yü 1981:44-86; Martin 1991. 11 Vgl. Stoecker 1958:69-84; Lee 1966:114ff; Schrecker 1971:4ff; Wippich 1987:273f; Chen 1991:38-51. 12 Diese Politik der „Saturiertheit" beschrieb Bismarck in seiner Reichstagsrede vom 11. Januar 1887 mit den Worten: „Wir haben keine kriegerischen Bedürfnisse, wir gehören zu den - was der alte Fürst Metternich nannte: saturierten Staaten, wir haben keine Bedürfnisse, die wir durch das Schwert erkämpfen könnten", zitiert nach Hildebrand 1989:20. 13 Zur Außenpolitik Bismarcks vgl. Hildebrand 1995:13-146, hier: 81 u. 87. Zur Ostasienpolitik vgl. Wippich 1990:117-119. Ein solche Politik bedeutete allerdings keineswegs den vollständigen Verzicht auf koloniale Unternehmungen. Wenn es mit dem Gleichgewicht der Mächte in Europa vereinbar war, konnte Bismarck aus innenpolitischen und wirtschaftspolitischen Erwägungen heraus sehr wohl eine aktive Politik zugunsten der Errichtung von Kolonien gutheißen. So erwarb das Deutsche Reich 1884/1885 erhebliche koloniale Besitzungen in Afrika, vgl. Mommsen 1993:56ff. 14 1855 gab es in China sieben deutsche Unternehmen. 1877 hatte sich ihre Zahl auf 41 vergrößert. Bis zum Jahre 1890 erhöhte sich diese Zahl nochmals auf 80 und bis 1901 auf 122 Unternehmen, siehe Deutschland - Ostasien, Festschrift zum 60jährigen Bestehen des Ostasiatischen Vereins Hamburg/ Bremen 1960:88f.

57 tilleriewaffen unter deutschen Betrieben beinahe eine Monopolstellung innehatte. Krupp hatte mit Schmidt & Co eine eigene Vertretung in China. Handfeuerwaffen wurden von der „Waffenfabrik Gebr. Mauser und Co." in größerem Umfang geliefert. China wurde bis zum chinesisch-japanischen Krieg 1895 zum größten ausländischen Abnehmer deutschen Kriegsmaterials.15 Die Lieferung von Eisenbahnmaterial und Maschinen der Schwerindustrie stellte ein weiteres wichtiges Segment des deutsch-chinesischen Handels dar. Weiterhin waren die traditionellen Chinahandelshäuser wie Carlowitz und Co. in China präsent, die deutsche Unternehmen der Schwerindustrie wie Stahlherstellung, Werften und andere Industrien vertraten. Schiffahrtunternehmen und Reeder waren ebenfalls im deutsch-chinesischen Handel aktiv. 1886 nahm der Norddeutsche Lloyd einen regelmäßigen Reichspostdampferverkehr mit China auf. Auf dem Finanzsektor engagierte sich die Deutsch-Asiatische Bank, die 1889 auf Initiative der Reichsregierung von den maßgeblichen deutschen Finanzinstituten gegründet worden war. Ein Jahr darauf wurde von denselben Kreisen das „Konsortium für Asiatische Geschäfte" gegründet, das Anleihen an die chinesische Regierung fur Eisenbahnbauten vergeben sollte. Die großen Erwartungen der deutschen Unternehmen und Bankiers an den chinesischen Markt wurden jedoch weitgehend enttäuscht. Die Kapitalknappheit der chinesischen Seite sowie die starke Konkurrenz ausländischer Unternehmen auf dem chinesischen Markt verhinderten die erhofften Steigerungsraten. Der deutsche Anteil am chinesischen Außenhandel wuchs nur langsam von 2,5% Mitte der 80er Jahre auf 5,1% Mitte der 90er Jahre. Deutsche Importe beliefen sich auf ca. 9% der ausländischen Gesamteinfuhr nach China, damit rangierte das Deutsche Reich allerdings auf dem zweiten Platz, wenn auch mit weitem Abstand, hinter England. 16 Der Handel zwischen Deutschland und China entwickelte sich dabei langsamer als der Geschäftsumfang der deutschen China-Firmen, die Handel auch mit anderen Ländern trieben. Die bereits der Eulenburg-Mission aufgetragene Aufgabe, Informationen über China zu sammeln, setzte der Geograph Ferdinand Freiherr von Richthofen, der bereits ein Mitglied der Ostasienexpedition von 1860 gewesen war, in verschiedenen privaten, von der Bank of California und später von der Shanghai General Chamber of Commerce finanzierten Forschungsreisen zwischen 1868 und 1872 fort. 17 Die Reisen sollten vor allem Aufklärung über Vorkommen und Nutzbarkeit von Bodenschätzen in China erbringen. Die Ergebnisse seiner Forschungen stellte er in seinem mehrbändigen Werk „China: Ergebnisse eigener Reisen und darauf begründeter Studien" dar. Die Konzeption dieses Werkes war breit: Es enthält neben geologischen und geophysikalischen Analysen auch Ausführungen zur chinesischen Geschichte und Topographie, zu Siedlungsformen, Verkehrs,- und Wirtschaftsverhältnissen. Das naturwissenschaftliche Werk hatte einen großen Einfluß auf die allgemeinen Kenntnisse

15 Vgl. Ratenhof 1987:145. 16 Vgl. Ratenhof 1987:107-112; Schrecker 1971:9-11; am detailliertesten und ausfuhrlichsten, mit genauen Zahlenangaben Stoecker 1958:175-183 u. 190-238. 17 Zu Richthofens Werk über China vgl. Osterhammel 1987.

58 von China in der politischen Führung. Der deutschen Funktionselite diente es als wissenschaftlich fundierte Informationsbasis zu China. 18 Richthofen schildert China auch nicht als zerfallendes Land wie viele der populären Darstellungen jener Zeit, 19 sondern als eine vorindustrielle Gesellschaft mit einem enormen Entwicklungspotential. 20 In diesem Zusammenhang geht er ausführlich auf den Bergbau und die Glas- und Töpferindustrie der Provinz Shandong ein. 21 Gerade Shandong wird von Richthofen als eine entwickelte, proto-industrielle Provinz beschrieben. In seiner Beschreibung der Jiaozhou-Bucht kommt er zu dem Ergebnis, daß die Bucht ein idealer natürlicher Hafen für die noch verborgenen Handelsreichtümer der Provinz sei (Dok. 2). Zugleich entwirft Richthofen ein wirkungsvolles entwicklungsorientiertes Kolonialprogramm: Das Ziel einer „Öffnung der Jiaozhou-Bucht" könne nur in der Erschließung des wirtschaftlichen Potentials der Provinz zum Nutzen der ausländischen Industrie und des Handels liegen. Neben den Handelskreisen, Forschungsreisenden und den Reiseschriftstellern waren weiterhin auch deutsche Missionare in China engagiert. 1879 erreichten die ersten deutschen katholischen Missionare des Ordens „Societas verbi divini" (SVD), Johann Baptist Anzer aus Bayern und Josef Freinademetz aus Tirol, China. Nach längeren Verhandlungen mit dem Franziskanerorden, dem die Mission in der Provinz Shandong oblag, erhielt der SVD im Januar 1881 Süd-Shandong als Missionsgebiet zugeteilt. Am 2. Januar 1882 wurde Johann Baptist Anzer schließlich zum Provikar dieses Missionsgebietes ernannt, das fur eine Übergangszeit weiterhin der Jurisdiktion der italienischen Franziskaner unterlag. 24 In der Kleinstadt Poli im Kreis Yanggu errichteten die Missionare eine Missionsbasis und begannen mit der Missionierung der umliegenden Dörfer. Im Dezember 1885 wurde Süd-Shandong auf

18 Im Zusammenhang der Diskussion um die Auswahl eines geeigneten Punktes wurde Richthofen immer wieder zitiert, vgl. z.B. Dok. 11. 19 Die Reiseberichte über China im neunzehnten Jahrhundert z.B. von dem Missionar Gützlaff, dem Commerzienrath Friedrich Wilhelm Grube, dem Kaufmann Emst Oppert oder dem Reiseschriftsteller Ernst von Hesse-Wartegg - um hier nur einige zu nennen - sind charakterisiert von der Feststellung des Zerfalls und der Degeneration Chinas. Demgegenüber wird die Überlegenheit der europäischen Zivilisation konstatiert. Vgl. dazu Leutner/Yü-Dembski 1990; Heuer 1995. 20 Vgl. Osterhammel 1987:183. 21 Richthofen schreibt über das Zentrum des Bergbaus in Shandong, Boshan, sie sei „die industriellste Stadt, die ich bisher getoffen habe", Richthofen Bd. 2, 1882:201. 22 Richthofen (1869 und 1871) votierte in zwei Denkschriften für die Errichtung einer deutschen „Marineund Handelsstation" nicht in Jiaozhou, sondern in Zhoushan, einer Inselgruppe vor Shanghai, vgl. Stoecker 1958:71ff; Lee 1966:114ff; Schrecker 1971:5; Chen 1991:47. Richthofen als einer der in Deutschland anerkanntesten Chinafachleute trat in diesen Denkschriften vehement für die Etablierung eines deutschen Stützpunktes ein. Er betonte dabei allerdings, daß die Überlassung einer solchen Station durch China auf freiwilliger und freundschaftlicher Basis zu erfolgen habe, vgl. Chen 1991:47f. 23 Vgl. Gründer 1992:393. Die Missionsanstalt war mit Unterstützung mehrerer deutscher Bischöfe 1875 wegen des in Deutschland ausgetragenen Kulturkampfes in Steyl, Holland, gegründet worden. Zur Geschichte der SVD, vgl. Chen 1991:52-78; Gründer 1982:263ff. 24 1839 war Shandong durch Papst Gregor XVI. italienischen Missionaren des Franziskanerordens als Missionsgebiet übertragen worden, vgl. Gründer 1982:263.

59 25

Antrag der Rektors des SVD, Arnold Janssen, von der sog. „Propaganda" in Rom in den Rang eines selbständigen Apostolischen Vikariats erhoben. Der bisherige Provikar Anzer, der kurz darauf im Januar 1886 in Steyl zum Bischof geweiht wurde, wurde zum Vikar des ersten deutschen Missionsgebietes in China ernannt. Das Missionsgebiet Süd-Shandong umfaßte die drei Präfekturen Yanzhoufu, Caozhoufu und Yizhoufu sowie die am Kaiserkanal gelegene Stadt Jining mit ihrem Hinterland. Zu dem Missionsgebiet des SVD gehörten somit neben den agrarisch geprägten Gebieten und der großen und wohlhabenden Handelsstadt Jining auch die Zentren der Konfuziusüberlieferung und -Verehrung in China, Qufu und Yanzhou. 26 1895/1896 gab es insgesamt vierzig Steyler Missionare des SVD in Süd-Shandong.

Der „Neue Kurs" und die Präzisierung des deutschen Stützpunktgedankens 1890-1895 Mit dem Rücktritt Bismarcks änderte sich die Außenpolitik des deutschen Reiches. Die Politik des „Neuen Kurses" unter der Regentschaft von Wilhelm II. und der Regierung des Reichskanzlers Caprivi sollte dazu fuhren, daß das Deutsche Reich mit den anderen Großmächten insbesondere im Hinblick auf überseeische wirtschaftliche Aktivitäten gleichzog. Die seit 1873 herrschende „Große Deflation" hatte zu einem deutlichen Preisverfall gefuhrt, 28

der die privaten Haushalte und die Unternehmen stark belastete. Eine der wichtigsten Ursachen fur diese Depression waren Überkapazitäten im Bereich der Schwerindustrie. Die Schaffung und Erschließung überseeischer Absatzmärkte, z.B. durch den Eisenbahnbau in China, stellte einen Versuch dar, die Wirtschaftskrise wirksam zu bekämpfen. Amtliche Stellen begannen daher in den neunziger Jahren, ihre Aktivitäten in bezug auf China zu koordinieren und zu verstärken. Parallel dazu wurden rüstungspolitische und damit auch militä• - 30 rische Intentionen immer stärker in der deutschen Chinapolitik. Im Mittelpunkt der deutschen Chinapolitik nach Bismarck standen zunächst rein wirtschaftspolitische Überlegungen, insbesondere die Frage, wie der deutsche Chinahandel aktiv gefördert werden könne. Eine wichtige Maßnahme bestand in der Entsendung von Beratern 25 Gregor XV. rief 1622 eine ständige Kardinalskommission mit der Bezeichnung „Sacra Congregatio de Propaganda Fide" ins Leben. Sie sollte als eine Art „Ministerium" fur die Verbreitung des Glaubens zuständig sein. 26 Gegen die Ernennung Anzers zum Vikar äußerte der italienische Vikar des Missionsgebietes Shandong, Bischof Cosi, große Vorbehalte. Er warf Anzer vor, fur eine solche Stellung charakterlich ungeeignet zu sein und erwähnte außerdem zwielichtige finanzielle Spekulationen Anzers, vgl. Chen 1991:74. Person und Tätigkeit Anzers wurden immer wieder zum Gegenstand der Kritik, auch innerhalb des SVD. 27 Genaue Aufstellung mit Namen und Missionsdistrikten bei Hartwich 1983:279. 28 Vgl. Wehler 1995:550. Diese Phase war durchbrochen von bestimmten Konjunkturzyklen. Von 1890 bis 1895 herrschte eine starke Depression vor, vgl Wehler 1995:577-579. Caprivis Außenpolitik war besonders darauf konzentriert, wirtschaftliche Interessen des Deutschen Reiches zu fördern, vgl. Hildebrand 1995:166-168. 29 Vgl. Wehler 1995:104. 30

Vgl. Ratenhof 1987:126.

60 nach China. Der seit 1886 der Gesandtschaft attachierte Ingenieur Scheidtweiler wurde 1890 auf Bestreben der Gesandtschaft in die Dienste des Generalgouverneurs in Hankou, Zhang Zhidong, aufgenommen. Auch der Eisenbahningenieur Heinrich Hildebrand - wie Scheidtweiler zunächst an der Gesandtschaft tätig, um Chinesisch zu lernen - war seit 1892 bei Zhang Zhidong im Eisenbahnbau tätig. Den Beratern gelang es zur Zufriedenheit des Reichskanzlers Caprivi, erhebliche Bestellungen bei deutschen Stahlwerken zu vermitteln.31 Auch Militärinstrukteure wurden nach China entsandt und sollten durch ihre Tätigkeit der deutschen Rüstungsindustrie entgegenarbeiten. Bei dem Generalgouverneur von Zhili, Li Hongzhang, waren häufig auf Vermittlung staatlicher Stellen hin zahlreiche deutsche Offiziere tätig, darunter seit 1879 Constantin von Hanneken oder seit 1882 der Torpedospezialist Hasenclever. In Kanton arrangierte seit 1885 Ernst Kretzschmer Bestellungen für Torpedoboote, Torpedos und Seeminen in Höhe von mehreren Millionen Mark. Diese Aktivitäten wurden auf Veranlassung der Gesandtschaft in den neunziger Jahren verstärkt. Im chinesischen Zollinspektorat in Tianjin arbeitete Gustav Detring, der das Vertrauen von Li Hong32

zhang besaß. In der deutschen Mission sah die Außenpolitik ebenfalls eine Möglichkeit, deutsche politische Interessen in China zu fördern. Die deutschen Missionare standen zunächst wie alle anderen ausländischen Missionen unter französischem Schutz. Noch unter der Regierung Bismarck zeichnete sich jedoch seit 1886 im Auswärtigen Amt unter dem Einfluß entsprechender Berichte des Gesandten Max von Brandt ein deutliches Interesse daran ab, das Protektorat fur die Deutsche Mission zu übernehmen. Die unter Bismarck im Sommer 1888 unternommenen Vorstöße beim Zongli Yamen führten zu dem sog. Paßabkommen vom August 1888. Dieses bestimmte, daß die deutschen Missionare ab 1888 zwischen deutschen und französischen Pässen bei Reisen in China wählen konnten. Aufgrund des vehementen Protestes Frankreichs gab es jedoch vorläufig noch keine Änderung der bisherigen Praxis, nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil Bismarck aus Rücksicht auf die Situation in Europa vermei33 den wollte, in dieser Frage gegen Frankreich einseitig vorzugehen. Der kaiserliche Gesandte in Peking, von Brandt, verfolgte diese Angelegenheit jedoch hartnäckig weiter, indem er Bischof Anzer dazu ermutigte, sich unter deutschen Schutz zu begeben. Anzer, der sich dafür eine nachdrückliche deutsche Förderung seiner Mission erhoffte und auch zugesichert bekam, gab im Juni 1890 seine endgültige Bereitschaft zu erkennen, den Wechsel des Protektorats zu vollziehen. Die französische Gesandtschaft wurde davon in Kenntnis gesetzt. Auf einer Europareise erwirkte Anzer im Oktober dann in Rom die offizielle Erlaubnis des Papstes, seine Schutzmacht selbst zu wählen. Am 23.11.1890 stellte Bischof Johann Baptist 31 Vgl. Stoecker 1958:232-233. 32 Diese sind nur einige Beispiele aus einer großen Reihe von deutschen Militärberatern in China, vgl. Stoecker 1958:127 u. 225. Die Berater wurden in erheblichem Maße von der deutschen Gesandtschaft unterstützt; zu Detring siehe Lee 1966. 33 Vgl. Rivinius 1987:251-306. Die ausfuhrliche Darstellung von Rivinius tendiert indes dazu, vor allem die Rolle amtlicher Stellen, insbesondere des deutschen Gesandten Max von Brandt, bei dem Protektoratswechsel zu betonen.

61 Anzer in Berlin die Steyler Mission in China unter den Schutz des deutschen Reiches. 34 Mit diesem Schritt vollzog sich in der Ostasien- und insbesondere der Chinapolitik 1890/91 als erstes der ,.Durchbrach von der traditionellen europazentrischen Gleichgewichtspolitik Bismarcks zur deutschen Weltpolitik".35

Die deutsche Beteiligung am Einspruch gegen den Friedensvertrag von Shimonoseki 1895: Beginn der deutschen Weltpolitik Das Ergebnis des chinesisch-japanischen Krieges 1895 und die Intervention des „Ostasiatischen Dreibunds" fiihrten in Deutschland zur Konkretisierung und Präzisierung der Pläne, eine Kohlen- und Flottenstation in China zu erwerben. Die deutsche Regierung hatte gegenüber dem Konflikt zwischen Japan und China zunächst eine neutrale Haltung eingenommen. Verschiedene Berichte und Denkschriften des Gesandten Max von Brandt, in denen er die politische und wirtschaftliche Bedeutung Chinas betonte, lösten jedoch ein Überdenken der bisherigen, eher projapanischen Ostasienpolitik aus. 36 Bereits am 17. November 1894 betonte Wilhelm II., daß, falls es in China zu Gebietserwerbungen anderer Mächte käme, auch Deutschland entsprechend beteiligt werden müsse (Dok. 4). Einige Tage später äußerte sich der deutsche Gesandte in Peking, Schenck zu Schweinsberg, in ähnlicher Weise und schlug erstmals als in Frage kommenden Ort die Jiaozhou-Bucht vor. 37 Nach dem Bekanntwerden der Friedensbestimmungen deutete der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Marschall, im März 1895 in einem Schreiben an das Reichsmarineamt die Möglichkeit an, daß sich im Zuge einer gemeinsamen Intervention mehrerer europäischer Mächte zugunsten der Erhaltung der Einheit Chinas die Gelegenheit zu Gebietserwerbungen ergeben könne, und erbat eine genauere Darlegung der Wünsche der Marine bezüglich einer Station in China (Dok. 5). Nachdem der Inhalt des Vertrages von Shimonoseki im März 1895 inoffiziell bekannt geworden war, sah Rußland durch die Vertragsbestimmungen seine eigenen wirtschaftlichen Interessen in der Mandschurei bedroht. Ungeachtet der russischen Vorbehalte und der Ratschläge anderer Großmächte unterzeichneten Japan und China den ursprünglich ausgehandelten Vertrag am 17. April 1895. Während England, dessen Interessen sich auf Shanghai und den unteren Yangzi konzentrierten, am 8. April zu erkennen gab, 38 daß es keinen Grund 34 In einer persönlichen Audienz beim Kaiser wurde Anzer dafür mit dem preußischen Kronenorden II. Klasse dekoriert. Ausfuhrliche Darstellung bei Gründer 1982:266fif, Rivinius 1987:370-406; Chen 1991:90-105. 35 Gründer 1982:268. 36 Vgl. Wippich 1987:92-95. Der wichtigste ist eine Denkschrift, datierend vom 22.11.1894. 37 Schenck an Hohenlohe, 23.11.1894, in: GPEK IX:248 (Nr. 2221); vgl. auch Lee 1967:70ff. 38 Vgl. Wippich 1987:126. Ursprünglich war die Idee einer Intervention allerdings von England im Oktober 1894 unter dem Eindruck der überraschenden Kriegserfolge Japans angestoßen worden. Sie kam nicht zuletzt durch die deutsche Ablehnung einer Beteiligung daran nicht zustande. Die Gründe für die deutsche Haltung waren einmal die bis dahin verfolgte Neutralität gegenüber Japan, zum anderen der Gedanke, daß aus einer solchen Aktion unter der Führung Englands für Deutschland keine konkreten Gegenleistungen resultieren würden, vgl. Wippich 1987:74-78; Lee 1967:67-70.

62 zu einem Protest sähe, beschloß Deutschland gemeinsam mit Rußland und Frankreich, gegen den Vertrag Einspruch zu erheben und Japan zur Rückgabe der Halbinsel Liaodong zu zwingen. Am 23. April gaben die Gesandten der drei Mächte der japanischen Regierung in einer schriftlichen Erklärung den Protest ihrer Regierungen gegen die Abtretung der Liaodong-Halbinsel bekannt.40 Konfrontiert mit dem geeinten Vorgehen dreier europäischer Mächte und der insbesondere von Deutschland scharf formulierten Note, beschloß die japanische Regierung einen Rückzug. 41 Am 5. Mai teilte der japanische Gesandte der deutschen Regierung mit, daß Japan auf die dauernde Inbesitznahme der Liaodong-Halbinsel verzichte. Mit dem Einspruch der Großmächte wurden das Mächtegleichgewicht in Ostasien sowie die Einheit Chinas gewahrt. Insbesondere der letzte Punkt wurde von der Deutschen Regierung dazu benutzt, den Protest als eine vermittelnde Hilfeleistung für China darzustellen und dafür politische Gegenleistungen, namentlich die Überlassung eines Hafens, zu fordern.42 Gegen Ende des Jahres 1895 und im Jahr 1896 unternahm das Deutsche Reich daher mehrere entsprechende diplomatische Vorstöße beim Zongli Yamen in Peking und beim chinesischen Gesandten für Deutschland.43 Die chinesische Regierung lehnte es jedoch ab, über die Abtretung eines Hafens zu verhandeln mit dem Hinweis, daß ein solches Zugeständnis zweifellos gleichlautende Forderungen anderer Mächte nach sich ziehen würde (Dok. 9). 44 Während sowohl Rußland durch den Bau der Transsibirischen Eisenbahn durch die Mandschurei als

39 Vgl. Marschall an Gutschmid, 17.4.1895, in: GPEK IX:270 (Nr. 2245). Es war aus den genannten Gründen die russische Regierung, die auf den Einspruch drängte, vgl. Tschirschky an AA, 17.4.1895, in: GPEK IX:269 (Nr. 2243). 40 Vgl. Gutschmid an Hohenlohe, 24.4.1895, in: GPEK IX:275-278 (Nr. 2252), mit Abschrift der Erklärung, in der sich folgende Passage findet: „Die jetzigen japanischen Friedensbedingungen sind übertrieben; sie verletzen europäische, auch deutsche Interessen, wenn schon letztere in geringerem Maße. Die Regierung Seiner Majestät des Kaisers ist daher jetzt veranlaßt, mit zu protestieren und wird, falls erforderlich, ihrem Protest auch den nötigen Nachdruck zu geben wissen. Japan kann daher nachgeben, da Kampf gegen drei Großmächte aussichtslos." Die Diktion dieser Erklärung wich von der der anderen Mächte deutlich ab, die wesentlich zurückhaltender formuliert war. Sie belastete das spätere deutsch-japanische Verhältnis, vgl. Mumm an Bülow, 13.6.1907, in: GPEK IX:330-333 (Nr. 2307); siehe auch Wippich 1987:137. 41 Vgl. Marschall an Wilhelm II., 5.5.1895, in: GPEK IX:285-286 (Nr. 2262). 42 Vgl. Ratenhof 1987:140f; Leutner/Mühlhahn 1994:405. 43 Am 25. Oktober wurden der deutsche Gesandte in Peking, Schenck, und der deutsche Gesandte in St. Petersburg, Radolin, instruiert, beim ZLYM bzw. beim chinesischen Gesandten Xu Jingcheng in bezug auf eine deutsche Station vorzufühlen, vgl. Marschall an Radolin, 25.10.1895, in: GPEK XIV:17-18 (Nr. 3653). Im Juni 1896 wurde auch Li Hongzhang während seines Besuches in Deutschland vom Staatssekretär des AA wiederum von dem deutschen Wunsch informiert, vgl. Aufzeichnung Marschall, 19.6.1896, in: GPEK XIV:2734 (Nr. 3663). 44 Außerdem wurde daraufhingewiesen, daß China Rußland erlaubt habe, die Jiaozhou-Bucht als Winterhafen fiir die russische Flotte zu verwenden, vgl. auch Schenck an Hohenlohe, 15.12.1985, in: GPEK XIV:23 (Nr. 3659); Marschall an Schenck, 1.2.1896, in: GPEK XIV:24 (Nr. 3660). Li Hongzhang äußerte sich gegenüber Marschall in derselben Weise, vgl. Aufzeichnung Marschall, 19.6.1896, in: GPEK XIV:2734 (Nr. 3663). Letztmalig abgelehnt wurde das deutsche Ansinnen Ende Dezember 1896, vgl. Marschall an Kaiser Wilhelm II., 19.2.1897, in: GPEK XIV:49-50 (Nr. 3673).

63 auch Frankreich durch Eisenbahn- und Bergbaukonzessionen in Südchina konkrete Vorteile aus ihrer Intervention gegen den Vertrag von Shimonoseki gezogen hatten, schien allein Deutschland ohne greifbare Ergebnisse aus der Aktion hervorzugehen 45

Die Entscheidung für die gewaltsame Besetzung der Jiaozhou-Bucht

1896 Im Zusammenhang mit dem Einspruch gegen den Vertrag von Shimonoseki kam es schließlich auf deutscher Seite erstmals zu konkreten Planungen und Entscheidungen hinsichtlich eines deutschen Stützpunktes in China. Eine Anfrage des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes, Marschall, beim Reichsmarineamt im März 1895 führte dort zu grundlegenden Überlegungen über den Zweck eines Marinestützpunktes in China (Dok. 7). Maritime Stützpunkte in überseeischen Ländern bildeten einen wichtigen Bestandteil des KreuzerkriegsKonzepts, das in den leitenden Marinebehörden befürwortet wurde. Ein globales Netz von strategischen Seestützpunkten sollte die Flotte in die Lage versetzen, im Kriegsfalle die Handelslinien und Güterlieferungen des Gegners über See durch massive SchifFsversenkungen zu unterbinden und damit das wirtschaftliche Potential der gegnerischen Seite zu zerstören.46 Parallel zur steigenden Bedeutung des Ostasienhandels des möglichen Gegners England wurde daher die Einrichtung eines Stützpunktes in China fur notwendig befunden. Das Reichsmarineamt favorisierte - wie Richthofen - als möglichen Punkt an der chinesischen Küste zunächst die Zhousan-Inseln vor Shanghai, wo die englischen Wirtschaftsinteressen hauptsächlich konzentriert waren. An zweiter Stelle wurde die Jiaozhou-Bucht genannt. Das Auswärtige Amt betonte dagegen in seiner Antwort vom 9. September 1895 (Dok. 8), daß die Zhousan-Inseln aufgrund eines Vertrages von 1846 der englischen Interessensphäre angehörten und deren Erwerbung daher ausgeschlossen sei. Es kam zu dem Schluß, daß politisch nur die Jiaozhou-Bucht in Frage käme, wofür außerdem auch die Anwesenheit deutscher Missionsanstalten im Hinterland der Bucht spräche 4 7 Da allerdings das Oberkommando der Marine vehement fur die Zhousan-Inseln plädierte und Jiaozhou als un-

45 Zwar bemühte sich China, z.B. mit der Errichtung deutscher Niederlassungen in Tianjin und Hankou sowie eine Kriegskostenanleihe bei deutschen Banken das deutsche Eingreifen zu kompensieren, dies wurde von amtlichen Stellen jedoch als nicht ausreichend angesehen; zu den Kompensationsversuchen Chinas siehe Lee 1966:104-113. 46 Vgl. Berghahn 1971:129-134; Ganz 1977:117. 47 Während des gesamten Jahres 1895 gab es vielfältige Überlegungen zur Auswahl eines geeigneten Ortes. Im Verlaufe der zwischen dem RMA und dem AA geführten Diskussion wurden auch verschiedene andere Orte wie Taiwan, die Pescadoren-Inseln (chin. Penghu-Inseln), Weihaiwei, Amoy (Xiamen) usw. zur Sprache gebracht, vgl. die ausfuhrliche Darstellung bei Wippich 1987:271-285. Pläne zur Besetzung Weihaiweis waren schon sehr weit gediehen, vgl. Knorr an Senden-Bibran, 30.10.1895, in: BA/MA, R M 2/1835, Bl. 17-51. Auch Amoy wurde 1896 ernstlich in Erwägung gezogen, vgl. Aufzeichnung Klehmet 28.11.1896, in: GPEK XIV:43-46 (Nr. 3669).

64 brauchbar erachtete, konnte die Frage der Festsetzung an der chinesischen Küste kurzfristig aufgrund amtlicher Unstimmigkeiten nicht weiterverfolgt werden 4 8 Die Entwicklung des deutschen Chinahandels jedoch brachte das Thema des deutschen Stützpunktes wieder auf die Tagesordnung. Durch die hohen Entschädigungszahlungen, die der Vertrag von Shimonoseki China auferlegte, gingen die chinesischen Rüstungskäufe in Deutschland nach 1895 drastisch zurück (Dok. 13). Der deutsche Chinahandel war von diesem Rückgang in hohem Maße betroffen. Es mehrten sich daher die Stimmen in den fuhrenden Wirtschaftskreisen und in der ihnen nahestehenden Presse, die angesichts der einsetzenden Aufteilung Chinas in Interessensphären eine stärkere staatliche Förderung des Deutschen Reiches fur den Chinahandel in Form der Errichtung einer deutschen Interessensphäre möglichst in dem wirtschaftlich entwickelteren Süd-China - forderten (Dok. 10). Aber angesichts der sich erholenden weltwirtschaftlichen Konjunktur, die besonders in Deutschland zu einer langen Phase hohen wirtschaftlichen Wachstums bis zum Ersten Weltkrieg führte, wurde ein anderer, neuer Faktor viel wichtiger: In großem Maße drängten nun auch zunehmend imperialistisch orientierte gesellschaftliche Gruppen auf sichtbare Erfolge in der deutschen Weltpolitik (Dok. 6). Folgerichtig forderte Kaiser Wilhelm II. nun eine endgültige und zügige Entscheidung.49 Der Chef des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders, Alfred von Tirpitz, begann sogleich nach seiner Ernennung im Mai 1896 mit einer Sondierung der möglichen Punkte fur einen deutschen Stützpunkt. Nach eingehender persönlicher Inspektion im August 1896 schlug er im September 1896 die Jiaozhou-Bucht vor. Im Gegensatz zu den vorherigen Stellungnahmen der Marine betonte er nicht mehr die militärische, sondern vorrangig die wirtschaftliche Bedeutung eines künftigen Stützpunktes.50 Auch der Gesandte von Heyking trat vehement

48 Vgl. von Knorr, Denkschrift betreffend den Stützpunkt in Ostasien, 8.11.1895, in: BA/MA, RM3/6692, Bl. 115-128. Auch das vom Kaiser lange favorisierte Weihaiwei wird hier abgelehnt. Die Denkschrift beruht auf entsprechenden Meldungen des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders. Gegen Jiaozhou wurde angeführt, daß die Bucht im Winter nicht eisfrei sei, vgl. Hollmann an AA, 25.9.1895, in: BA/MA, RM3/6692, Bl. 21-22. Im Oktober lief auf Befehl des Oberkommandos „S.M.S. Irene" unter Kapitän von Dresky die Jiaozhou-Bucht an und bestätigte ihre Unbrauchbarkeit, vgl. von Dresky, Bericht über die Jiaozhou-Bucht und ihre Geeignetheit als Stützpunkt einer fremden Flotte, 15.10.1895, in: BA/MA, RM3/6692, Bl. 139-144. 49 Dafür sollte eine Reihe personeller Umbesetzungen sorgen. Im Mai 1896 wurde Alfred von Tirpitz, der spätere langjährige Staatssekretär des RMA, zum Chef des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders ernannt. Edmund Freiherr von Heyking sollte ab August 1896 als neu ernannter deutscher Gesandter in Peking der deutschen Chinapolitik neue Initiativen geben. Weitere wichtige personelle Veränderungen erfolgten im Sommer 1897: Otto von Diederichs wurde zum Chef des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders ernannt. Gleichzeitig wurde Tirpitz zum Staatssekretär des R M A befördert. Schließlich wurde im Oktober 1897 Bernhard von Bülow Staatssekretär im AA. Diese personellen Umbesetzungen gehen auf Wilhelm II. zurück, der sehr unzufrieden war mit dem in China Erreichten, vgl. Wippich 1987:288f. 50 Tirpitz meldete, daß die Jiaozhou-Bucht im Winter nicht vereise, vgl. Tirpitz an Knorr, 5.9.1896, in: BA/MA, Ν 253/45, Bl. 22-32. Tirpitz scheint für seinen Bericht die Ausführungen Richthofens benutzt zu haben. Die Argumentation wie auch die Beschreibung der Bucht ähneln sich sehr. Auch die Schlußfolgerungen sind identisch, bei Tirpitz heißt es: „Wie Euer Excellenz geneigtest entnehmen wollen, fehlt es demnach nicht an Gründen, welche der genannten Bucht von vorneherein eine geschäftliche

65 fur Jiaozhou als künftigen Stützpunkt ein und schlug vor, einen Zwischenfall mit deutschen Missionaren oder Instrukteuren als Vorwand für eine Besetzung der Bucht zu nutzen. 51 Aufgrund dieser Berichte und einer Rücksprache mit Gustav Detring gab das Oberkommando der Marine am 5. November 1896 seine bis dahin vorgebrachten Vorbehalte gegen die Jiaozhou-Bucht auf. 52 Am 28. November entschied sich das Oberkommando endgültig fur Jiaozhou und unterbreitete ein Szenarium fur eine gewaltsame Besetzung des Ortes durch das Ostasiatische Kreuzergeschwader. 53 Es gab allerdings Alternativen zu dieser Politik und auch Stimmen in Deutschland, die diese Alternativen befürworteten und sich gegen eine gewaltsame Aktion wandten. Der in chinesischen Diensten stehende Zollbeamte Detring riet zum Beispiel zu einem friedlichen Vorgehen in der Frage des Stützpunktes in China (Dok. 12). Jede Form der gewaltsamen Besetzung würde zu einer Aufteilung und Destabilisierung Chinas fuhren, die nicht im Interesse Deutschlands liegen könne. Weiterhin plädierte Detring fur eine Erhöhung der Zolltarife, damit China seine angespannte Haushaltslage verbessern könne. Im Gegenzug könne Deutschland wirtschaftliche Konzessionen erhalten, die wertvoller seien als Kolonialbesitz. Detring sprach sich somit für eine friedliche und informelle wirtschaftliche Expansion anstelle einer direkten kolonialen Ausdehnung aus. Während seines Aufenthaltes in Berlin im Juni 1896 hatte Li Hongzhang tatsächlich eine solche Lösung angedeutet. 54 Detrings Ideen fanden zeitweilig vor allem im Auswärtigen Amt Gehör. Berichte von Heyking und von Radolin aber widersprachen den Ausführungen Detrings, so daß von dessen Plänen schließlich Abstand genommen wurde. 55 Zu groß war das Interesse in Regierungskreisen an prestigeträchtigen imperialen Aktionen und kolonialen Besitzungen, die den Beginn der Weltpolitik markieren sollten. Nachdem somit eine prinzipielle Übereinstimmung zwischen Marinebehörden und dem Auswärtigen Amt erreicht worden war, wurden die endgültigen Entscheidungen zügig getroffen. Am 22. Dezember 1896 unterrichtet Senden-Bibran das Oberkommando, daß der Kaiser den Plan zur Besetzung Jiaozhous gebilligt habe. 56 Vorbereitungen fur die Besetzung sollten Bedeutung bei ihrer Eröffnung zusagen und ferner nicht an solchen, welche die Aussichten auf eine erhebliche Zukunft möglich erscheinen lassen." Tirpitz hat gegenüber Heyking Richhofens Arbeit als Informationsquelle zitiert, vgl. Dok. 11. 51 Heyking an Hohenlohe, 22.8.1896, in: BA/MA, RM3/6693, Bl. 27-29. 52 Barandon, Denkschrift zum Immediatvortrag betreffend die Jiaozhou-Bucht, 5.11.1896 in: BA/MA, RM3/6693, Bl. 66-71; vgl. auch Aufzeichnung Knorr, 9.11.1896, auch GPEK XIV:36-39, Nr. 3665. 53 Knorr an Wilhelm II., 28.11.1896, in: BA/MA, RM3/6693, Bl. 72-79. Die Angaben in GPEK XIV:47, Fußnote, sind unzutreffend. Der Plan zur Besetzung der Bucht wurde dem Kaiser nicht am 15.12.1896 vorgelegt, sondern am 28.11.1896. 54 Vgl. Aufzeichnung Marschall, 19.6.1896, in: GPEK XIV:2734 (Nr. 3663). Li Hongzhang bot chinesisches Entgegenkommen in der Stützpunktfrage für den Fall an, daß Deutschland sich für die Erhöhung der Tarife einsetzen würde. 55 Vgl. Hohenlohe an Wilhelm II., 23.11.1896, in: GPEK XIV:42 (Nr. 3667); Wilhelm II. an Hohenlohe 27.11.1896, in GPEK XIV:43 (Nr. 3668). Vgl. auch Lee 1966:125f. 56 Senden-Bibran an OK, 22.12.1896, in: BA/MA, RM3/6693, Bl. 45-46.

66 getroffen werden, wie z.B. die Bildung einer Kolonialtruppe unter der Leitung des Reichsmarineamtes oder das Zusammenziehen der Schiffe des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders in Wusung bei Shanghai (Dok. 13).57 Es wurde außerdem beschlossen, ein fachmännisches Urteil über die natürlichen Voraussetzungen an der Jiaozhou-Bucht zur Anlage eines Hafens und von Befestigungen einzuholen. Zu diesem Zweck wurde Marinebaurat Franzius im Frühjahr 1897 nach China entsandt, um detaillierte technische Untersuchungen vor Ort anzustellen und die geographischen Bedingungen für die Anlage eines Hafens und von Befestigungen überprüfen. 58 Mit dem Eingang des positiven Berichtes von Franzius über die JiaozhouBucht Mitte 1897 wurden letzte Zweifel an dieser Wahl beseitigt. Ein Hindernis auf der Ebene der internationalen Politik blieb noch. Auch in der deutschen Chinapolitik waren die Interessen und möglichen Reaktionen der anderen europäischen Mächte zu berücksichtigen. Der wichtigste Faktor war hier das Verhalten Rußlands. Der russische Gesandte Cassini hatte gegenüber Heyking bereits im August 1896 erwähnt, daß seiner Regierung konkrete Rechte auf die Jiaozhou-Bucht von China zugesichert worden seien (Dok. 11). Auch später sprachen immer wieder Berichte davon, daß die JiaozhouBucht bereits an Rußland verpachtet worden sei oder Rußland in anderer Form Anrechte auf die Bucht erworben habe. 59 Diese Informationen verunsicherten die politische Führung in Deutschland erheblich, da wegen der zu befürchtenden Rückwirkungen auf die politische Situation in Europa (Annäherung Frankreichs an Rußland) eine Konfrontation mit Rußland in China vermieden werden sollte. Während seines Moskau-Besuches wurde dem deutschen Kaiser Wilhelm II. auf seine direkte Erkundigung hin von Zar Nikolaus versichert, daß Rußland keinerlei Absichten und Interessen an der Jiaozhou-Bucht habe (Dok. 15). Damit waren auch auf außenpolitischer Ebene die Weichen für die Besetzung gestellt. Allerdings war die sog. „Petersburger Übereinkunft" nicht eindeutig. Sie machte das weitere Vorgehen

57 Knorr (an Wilhelm II., 6.1 1897, in: BA/MA, RM3/6693, Bl. 88-91) beschreibt das Zusammenziehen der Schiffe. Die Bildung der Kolonialtruppe kam wegen rechtlicher Bedenken aus dem AA nicht voran und wurde dann auf den Zeitpunkt nach der erfolgten Besetzung verschoben, vgl. Wippich 1987:327. 58 Der Bericht von Franzius traf im August in Berlin ein und bestätigte die Brauchbarkeit der JiaozhouBucht für Marinezwecke, vgl. Franzius, Bericht zur Untersuchung von Häfen an den ostasiatischen Küsten, in BA/MA, RM3/6693, Bl. 247-335. Mehr als die Hälfte des Berichtes beschäftigte sich mit der Jiaozhou-Bucht. Auch dieser Bericht zitiert Richthofens Ausführungen über Jiaozhou. Zugleich übersandte Franzius Kartenskizzen mit Vorschlägen zur Anlage eines Hafens, einer Werft, der Eisenbahnführung usw. Die Untersuchungen fanden im Mai 1896 statt. Dabei wurden auch die chinesischen Befestigungen und Truppenstärken eingehend erkundet, vgl. Bericht Zeye, 10.6.1897, in: BA/MA, RM 3/6693, Bl. 183-212. Bei der Gelegenheit des Aufenthaltes in der Bucht -wurde ebenfalls das Hinterland der Bucht kartographisch festgehalten, vgl. Bericht Müttling, 14.5.1897, in: BA/MA, RM3/6693, Bl. 236-234. Das ostasiatische Kreuzergeschwader war durch die Erkundung der Bucht in den Besitz detaillierter Karten der Jiaozhou-Bucht gelangt. 59 Dies ging durch die europäische Presse. Vgl. Newsclipping aus der Times vom 7.12.1896, in: BA/MA, RM3/6693, Bl. 10. Vgl. auch Tirpitz (an Knorr, 7.12.1896, in: BA/MA, RM3/6693, Bl. 95), der die Jiaozhou-Bucht ausschließt, falls Rußland bereits Anrechte daraufhabe. 60 Vgl. Wippich 1987:325-334.

67 Deutschlands von der russischen Zustimmung abhängig, die dann abermals nach der erfolgten Besetzung eingeholt wurde. 61

Die Jiaozhou-Bucht: Geschichte und Bedeutung Die Meeresbucht, auf die die Wahl der deutschen Reichsleitung gefallen war, befindet sich an der Südküste der Provinz Shandong. Shandong, mit der Stadt Qufu die Heimat von Konfuzius, fungierte im kaiserlichen China als Zentrum der Konfuziusverehrung und -Überlieferung. Traditionell gab es hier eine starke konfuzianisch orientierte Elite. Seit mehr als tausend Jahren wurde die Jiaozhou-Bucht als wichtiger Hafen fur die Provinz genutzt (Dok. I). 6 2 Die an der Bucht gelegene große Stadt Jiaozhou war eine alte wohlhabende Handelsstadt mit dem Sitz eines Magistrats. Sie lag inmitten einer fruchtbaren und landwirtschaftlich sehr produktiven Gegend. Als Hafen für die Stadt, die ca. fünf Kilometer von der Bucht entfernt lag, fungierte Tabutou, wo sich seit alters her auch eine Zollstation befand. Es wurden von hier verschiedene Erzeugnisse aus dem Norden der Provinz wie Glaswaren aus Boshan, Seide aus Weixian sowie Kohl und Obst der umliegenden Gebiete nach Südchina verschifft. Mit der Eröffnung von Yantai (Zhifu) 1863 als Hafen fur den ausländischen Handel ging die wirtschaftliche Bedeutung der Jiaozhou-Bucht fur die Provinz jedoch zurück, insofern der von ausländischen Gesellschaften betriebene schnellere Dampferverkehr an der Bucht vorbei nach Yantai gelenkt wurde. 63 Die von den Aktivitäten ausländischer Flotten in chinesischen Gewässern ausgehende Bedrohung machte die chinesische Zentralregierung im Zuge der Selbststärkungsbemühungen auf die Bucht aufmerksam. Mehrmals hatten westliche Mächte Schiffe in die Bucht einlaufen lassen, um sie kartographisch zu vermessen. 1886 schlug der chinesische Gesandte Xu Jingcheng, der von dem Interesse europäischer Mächte an der Bucht erfahren hatte, vor, die Jiaozhou-Bucht als Marinebasis auszubauen. 64 Im Jahre 1891 bereiste Li Hongzhang, dem der Aufbau der Nördliche Flotte übertragen worden war, die Bucht. In seiner Stellungnahme zog er jedoch den Ausbau der Dagu-Forts und von Lüshun vor, da die knappen finanziellen und personellen Mittel es nicht erlauben würden, alle Punkte in gleicher Weise auszubauen (Dok. 3). Als vorübergehende Maßnahme empfahl Li Hongzhang die Verlegung von Trup-

61 Nachdem der Beschluß gefaßt worden war, Jiaozhou zu besetzen, wurde noch einmal der russische Zar um seine definitive Zustimmung gebeten. Dieser antwortete: „Cannot approve nor disapprove Your sending German Squadron to Jiaozhou as I have lately learned that this harbor only had been temporarily ours in 1895-1896", vgl. Wilhelm II. an Hohenlohe, 7.11.1897, GPEK XIV:69 (Nr. 3689). Daraufhin wurde der Marschbefehl abgeschickt. Einige Tage später wurde vom russischen Außenministerium diese Zustimmung jedoch zurückgezogen und behauptet, Rußland hätte vertragliche Rechte auf Jiaozhou, was zu Spannungen zwischen Deutschland und Rußland führte, vgl. Irmer 1932:62-65; Wippich 335-346. Anfang Dezember gab Rußland seinen Widerstand gegen ein dauerndes Verbleiben deutscher Truppen in der Jiaozhou-Bucht auf. 62 Vgl. An Zuozhang 1994:616-619. 63 Vgl. Zhang Yufa 1987:29f; Schrecker 1971:15f. 64 Vgl. Wang Shouzhong 1987:69; Liu Shanzhang 1986:37f.

68 pen in das kleine Fischerdorf Qingdao. Der Bericht von Li Hongzhang demonstriert, daß nicht Ahnungslosigkeit oder Ignoranz, sondern hauptsächlich das durch den ausländischen Imperialismus (Kriegsentschädigungen, Verlust der Tarifautonomie) verursachte Haushaltsdefizit die Modernisierungsbemühungen der Selbststärkungsbewegung zunichte machte. Das weitere Vordringen der imperialistischen Mächte in den neunziger Jahren in China jedoch führte dazu, daß in den chinesischen Beamtenkreisen weiterhin Überlegungen und Planungen zur militärischen Aufrüstung entwickelt wurden. Im Februar 1897 gab es in diesem Zusammenhang auch einen erneuten Vorstoß zur militärisch-industriellen Modernisierung der Jiaozhou-Bucht (Dok. 14). Dem Zongli Yamen waren die Bemühungen der deutschen Regierung um die Erwerbung eines Stützpunktes nicht verborgen geblieben. Durch einen Ausbau der Bucht mit Werften, Docks und Hafenanlagen sollte deshalb eine aktive Strategie eingeschlagen werden und einer westlichen Besetzung zuvorgekommen werden. Bis November 1897 jedoch waren, wiederum aus Gründen der Finanzierbarkeit, keine entsprechenden Entscheidungen gefallen.

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Ausführungen der Lokalchronik von Jiaozhou (1926) 1 Durch die Entwicklung der Länder in Übersee wurde der Verkehr auf dem Meer zunehmend wichtiger. Die Halbinsel Shandong verbindet das Festland mit dem Meer und ist daher fur den Austauschverkehr von großer Bedeutung. Als es in der Han- und Tang-Zeit zu militärischen Operationen in Liaodong und Korea kam, wählte man bereits Shandong zur Ausgangsbasis. Zur Tang-Zeit nahmen die aus Indien kommenden buddhistischen Meister und die zu Studienzwecken aus Japan kommenden Mönche die Route über Shandong. In der Yuan-, Ming- und Qing-Zeit nahm der Seeverkehr an Bedeutung zu. In der frühen Song-Zeit wurde in Mizhou ein spezielles Amt für Handel eingerichtet, um den Verkehr mit Guangzhou, Quanzhou, Hangzhou, Mingzhou (heute Ningbo) und Südostasien abzuwickeln. In den Song-Annalen, im Kapitel „Shi huo zhi" , heißt es: „Unter der Regentschaft von Kaiser Shenzong im Jahre 1082 berichtete der Kreisvorsteher von Mizhou namens Fan Ε folgendes: 'Der Ort Banjiaozhen3 liegt am Meer. Östlich von ihm befinden sich die Provinzen Guangzhou, Guangxi, Fujian, Anhui, Zhejiang, westlich davon Jingdong, Hebei und Hedong. In Banjiaozhen haben sich viele Kaufleute und Händler angesiedelt. Die Seelage bietet günstige Bedingungen für den Verkehr. Deshalb sind die Leute recht wohlhabend. Für die Regelung der entsprechenden Belange sollte in Banjiaozhen ein Amt eingerichtet werden.' 1083 stellte der kaiserliche Beauftragte für die Belieferung des Hofes Wu Junhou dazu vor Ort gründliche Untersuchungen an. Im Jahre 1088 schrieben Fan Ε und andere Amtspersonen in einem weiteren Bericht: 'Die Händler von Guangdong, Fujian, Anhui und Zhejiang kaufen in Jingdong, Hebei und Hedong Seiden und Stoffe auf und organisieren den Überseehandel. Obwohl der Handel mit Luxusgütem wie Elfenbein etc. verboten ist, existiert er dennoch im stillen. Wenn wir Handelsbestimmungen erlassen, wird sich der Handel in Banjiaozhen konzentrieren. Auf diese Weise könnten Hangzhou und Mingzhou im Wettbewerb überflügelt werden. Die Schiffe, die Banjiaozhen anlaufen, können auch nicht länger die Gesetze umgehen. Außerdem wird so verhindert, daß die fur den Kaiserhof bestimmten Tribute auf dem Landweg Schaden erleiden. Aus all diesen Gründen sollte ein Amt fur den Schiflfahrtsverkehr eingerichtet werden. Die Händler müssen bei der Ausfuhr ihre Waren an einem vorgeschriebenen Ort lagern und nach Gattung und Menge registrieren lassen. Der Handel mit Waffen oder Utensilien, die zur Herstellung von Waffen benutzt werden könnten, wird strengstens untersagt. Die Händler bekommen offizielle Passierscheine ausgestellt. Jeder, der ohne einen

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Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker.

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Die Shi huo zhi (Aufzeichnungen über Nahrungsgüter und andere Erzeugnisse) stellen in den AnnaJen der offiziellen chinesischen Geschichtsschreibung jene Kapitel dar, in denen ökonomische Sachverhalte abgehandelt werden. Die Kapiteleinteilung geht auf das „Shiji" (Historische Annalen) von Sima Qian zurück und wurde in den späteren Dynastiegeschichten weitgehend beibehalten.

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Das spätere Jiaozhou.

70 gültigen Passierschein zwischen Korea und den einzelnen Plätzen von Shandong Handel betreibt, wird als Gesetzesbrecher behandelt." Im „Du shi fangyu jiyao" 4 heißt es, die Bucht von Jiaozhou betreffend: „Während der Sui-Zeit, im Jahre 597, wurde der Kreisstatus von Jiaoxi (dem späteren Jiaozhou) aufgegeben und der Präfektur Mizhou unterstellt. In der Tang-Zeit, im Jahre 623, kam Jiaoxi zu Gaomi und erhielt den Namen Banjiaozhen. In der Song-Zeit, seit 1087, gehörte es erneut zu Mizhou, wobei jedoch der Kreisstatus wiederhergestellt wurde." Die Song-Annalen vermerken außerdem: „Jiaoxi ist ein bedeutender Verkehrsknotenpunkt zwischen Dengzhou und Ninghai, dessen Markt floriert. Li Quan ließ seine Brüder sich dort aufs reichlichste einrichten und vom Marktgeschäft profitieren. So wurde Jiaoxi verwaltet." Zur Zeit der Song-Hauptstadt Bianzhou (heute Kaifeng) war der Seeverkehr über die Jiaozhou-Bucht am weitesten entwickelt, als aber die Nordvölker der Dschurdschen und Jin erstarkten, wurde sie nicht mehr genutzt. In der Yuan-, Ming- und Qing-Dynastie war Peking Hauptstadt. Heeresproviant und Verpflegung für die Bevölkerung kamen aus dem Süden. So wurde der Transport dieser Güter auf dem Seeweg zu einer äußerst wichtigen Staatsangelegenheit. Beim Güterverkehr mußte die Jiaozhou-Bucht unbedingt passiert werden. Die unzähligen kleinen Inseln ringsum dienten den Schiffen zum Schutz vor Unwettern. In der Yuan-Zeit stammten die meisten Transporte aus dem Jianghuai-Gebiet. Nachdem sie Jiaozhou passiert hatten, fuhren sie nach Tianjin weiter. In einem fruchtbaren Jahr wurden etwa 36 Millionen Dan Getreide transportiert. Die Tribute aus Südostasien gelangten ebenfalls auf diesem Weg an ihr Ziel. In der Ming-Zeit (während der Ära Hongwu) wurde die Hauptstadt nach Nanking verlegt. Danach wurden immerhin noch 700.000 Dan Getreide jährlich über Jiaozhou verschifft, um die Militärgarnisonen in Liaodong zu versorgen. Jiaozhou entwickelte sich als Handelszentrum und Verkehrsumschlagplatz weiter. Alteingesessene Einwohner Jiaozhous erzählen, daß es vor 30 Jahren fur Schiffe aus Fujian und Zhejiang unter Ausnutzung der Gezeiten kein Problem war, den Südhafen von Jiaozhou zu erreichen. Später aber versandete die Mündung des Lai-Flusses immer stärker, weshalb man ein Pier für die Schiffe baute. Die Entfernung der Anlegeplätze von der Stadt ist immer größer geworden, so daß der Ort Jiaozhou inzwischen nicht mehr direkt an der Jiaozhou-Bucht liegt. In der Mitte der Ming-Zeit5 wurden die Provinzen Jiangsu, Zhejiang, Fujian und Guangdong besonders häufig von japanischen Piraten heimgesucht. Auch die Präfekturen Deng und Lai der Provinz Shandong blieben von solchen Übergriffen nicht verschont. Um eine rechtzeitige Alarmierung zu gewährleisten, hatte man an wichtigen Plätzen Garnisonen und Leuchtfeuertürme eingerichtet. Seit Beginn der Ming-Dynastie existierte eine nennenswerte Küstenverteidigung. In den Ming-Annalen findet die Garnison Lingshan, etwa 90

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Geographisches Werk, das von Gu Zuyu nach einer langer Materialsammlung im Jahre 1692 fertiggestellt wurde. Das „Du shi fangyu jiyao" (Geographische Aufzeichnungen nach den historischen Werken) stützt sich auf die bis zu diesem Zeitpunkt kompilierten 21 offiziellen Annalen und weitere ca. 100 geographische Arbeiten. Es reflektiert somit den allgemeinen geographischen Erkenntnisstand zu Beginn der Qing-Zeit

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Die Ming-Dynastie herrschte von 1368 bis 1644.

71 Meilen südöstlich von Jiaozhou in der Näher der Xuejia-Inseln gelegen, Erwähnung. Die Garnison befand sich am Fuße der Berge und grenzte direkt ans Meer. Sie stellte eine strategisch besonders wichtige Festung dar. Daneben gab es noch die Garnison von Ao'shan. Diese unterstand drei Befehlshabern, die das Kommando über 30 Unterbeamte und mehr als 1.000 Soldaten ausübten. Die Garnison verfügte über diverse Schiffe 80 Meilen südlich bei Fushan befand sich ein Vorposten Außerdem gab es noch in Jimo eine Kaserne, die sich zuerst 70 Meilen von Jinjialing befand und 1433 nach Norden verlegt wurde. Dort waren 900 Soldaten unter dem Kommando eines Offiziers stationiert. Jimo war eine der drei Kasernen von Dengzhou. Im „Du shi fangyu jiyao" heißt es dazu: „Jiaozhou und Jimo liegen beide am Meer. Wenn man von Jimo in südliche Richtung blickt, so kann man die Garnisonen Huai'an, Andong und Donghai sehen, die wie Zähne aufgereiht den Küstenstreifen säumen. Falls die japanischen Piraten das Jiangnan-Gebiet attackieren, werden sie auch vor Shandong nicht haltmachen. Deshalb spielt die Einrichtung der Kaserne von Jimo fur Deng und Lai eine besonders wichtige Rolle." Des weiteren heißt es: „60 Meilen südöstlich von Jiaozhou liegt Huangdao, wo früher Menschen lebten. Heute ist der Ort wegen der Bedrohung durch die japanischen Piraten verlassen." Das ist ein Grund für den Niedergang des Handelsamtes von Mizhou, was den hohen Stellenwert, den die Lage der Jiaozhou-Bucht besitzt, beweist. In der Ming-Zeit mußte aufgrund der Verteidigungsmaßnahmen gegen die japanischen Piraten der Seeverkehr stark eingeschränkt werden. So konnte der Handel in der JiaozhouBucht nicht weiter prosperieren. In der Qing-Zeit existierten in der Jiaozhou-Bucht noch 4 Speicher, einer davon in Fushan. Diesem waren die anderen Speicher unterstellt. Außerdem stationierte man in Jimo eine Militäreinheit mit Kommandeur, von der aus Truppen zu Verteidigungszwecken nach Lingshanwei, Tangdaokou, Chaihudang, Guzhenkou, Xiahesuo, Touyingzi, Mawankou und Huihaikou entsandt wurden. Auf der Jiaozhou-Halbinsel wurde eine Gemeinde gegründet. Diese verlor später jedoch ihre Verwaltungsfunktion und wurde Dengzhou unterstellt. Als 1884 der Konflikt mit Frankreich um Vietnam ausbrach, kämpften die Flotten von Fujian und Guangdong gegen Frankreich.6 In diesem Zusammenhang wurde in Jiaozhou ein See-Yamen eingerichtet. Prinz Gong und Li Hongzhang befehligten das Unternehmen. Sie kauften Kriegsschiffe an, die bei der Seeverteidigung eingesetzt wurden. Der Sonderbeauftragte des Kaisers, Xu Jingcheng, war zu dieser Zeit mit der Untersuchung der Marineangelegenheiten betraut. Er unterstrich die zentrale Bedeutung der Jiaozhou-Bucht.7 Da die Ausländer mit gierigen Blicken auf diesen Platz schauten, schlug er vor, Jiaozhou selbst als 6

In den 80er Jahren dehnte Frankreich sein Kolonialreich in Indochina aus, indem es Hanoi und Haiphong in Annam (heute: Vietnam) okkupierte Dagegen protestierte China, weil Annam dem QingReich gegenüber tributpflichtig war und China daher über Annam eine Oberhoheit beanspruchte. Im August 1884 eröffneten französische Schiffe die Feindseligkeiten, nachdem China die diplomatischen Verhandlungen über eine friedliche Beilegung des Konfliktes abgebrochen hatte. Nach der Zerstörung seiner Flotte in diesem chinesisch-französischen Krieg 1884/1885 mußte China Frankreich die Kontrolle über Vietnam zugestehen, siehe Spence 1990:221.

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Am 13.3.1886 hatte der fur Berlin akkreditierte Gesandte Xu Jingcheng ein Memorandum verfaßt, in dem er fur den Bau eines Hafen in Jiaozhou plädierte, in: DQJSX 27-32.

72 Marinestützpunkt auszubauen. Der kaiserliche Beamte Zhu Yixin vertrat die gleiche Meinung und reichte einen Bericht an Li Hongzhang ein, den dieser bewilligte. Daraufhin entsandte man Liu Hanfang und den englischen Flottenkommandeur William Lang zu Untersuchungen nach Jiaozhou.9 Lang, der von militärischen Gesichtspunkten ausging, plädierte für die Errichtung einer Festung in Jiaozhou. Liu Hanfang hingegen, der mehr die finanzielle Seite berücksichtigte, trat fur den vordringlichen Ausbau von Lüshun und Weihaiwei ein und stellte die Realisierung des Jiaozhou-Projektes hintenan. Er betonte die wichtige Türfunktion von Lüshun und Weihaiwei und hielt sie fiir dringlicher als die Jiaozhou-Frage. Da große Geldsummen fur den Ausbau des Sommerpalastes abgezweigt wurden, wagten Prinz Gong und Li Hongzhang es nicht, Einspruch zu erheben. Wegen der unzureichenden Geldmittel Schloß man sich schließlich der Auffassung Liu Hanfangs an. Man baute Docks in Lüshun und ein Militärkrankenhaus sowie eine Marineschule in Weihaiwei, Jiaozhou ließ man einstweilen unberücksichtigt. Li Hongzhang verlor diese Angelegenheit aber nicht aus den Augen. Nach einem Flottenmanöver im Juni 1892 begab sich Li Hongzhang gemeinsam mit dem Gouverneur von Shandong, Zhang Yao, zu einer Inspektion nach Jiaozhou. Sie beauftragten den Garnisonskommandeur von Dengzhou, Zhang Gaoyuan, mit der Verlegung von vier Abteilungen nach Jiaozhou. Zhang Gaoyuan richtete sein Amt neben dem TianhouTempel in Qingdao ein, das von allen als altes Amt bezeichnet wurde. Gleichzeitig wurden in Qingdaoshan und Tuandao (früher Niwacun) Befestigungsplateaus und in Xiangwu, Guangwu und Paobing Forts fur die Artillerie errichtet. Die heutige japanische Mittelschule befindet sich auf dem Platz von Paobing, die jetzige Polizeistation auf dem alten Xiangwu und der fünfte Park vor dem Bahnhof auf dem alten Guangwu. Beim Bau der Brücke von Nanhai, die Militärzwecken dienen sollte, verwendete man Material, das im Schiffswerk von Lüshun gefertigt worden war. Sie wurde später von den Deutschen ausgebessert und ist bis heute erhalten. Das Dorf von Qingdao war früher Sammelplatz fur Fischerboote, es hatte 300 bis 400 Haushalte, die allesamt von der Fischerei lebten. Noch vor 30 Jahren wurden neben dem heutigen Tianhou-Tempel und in der Taipingstraße Fischernetze zum Trocknen ausgebreitet. Nach der Stationierung des Militärs durch Zhang Gaoyuan verwandelte sich der Platz allmählich in eine kleinere Ortschaft. Seit langem fand die Jiaozhou-Bucht sowohl von chinesischer als auch von ausländischer Seite große Beachtung. Hier kreuzte die englische Flotte des öfteren und die russische ging im Winter vorübergehend vor Anker. 1896 wurde Li Hongzhang beauftragt, mit Fürst Cassini ein chinesisch-russisches Geheimabkommen abzuschließen, in dem vereinbart wurde, daß Rußland im Falle des Krieges mit Japan Jiaozhou fiir 15 Jahre pachten könne. (In chi-

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Der Zensor Zhu Yixin hatte in einem Bericht vom 9. Juli 1886 dargelegt, daß die Jiaozhou-Bucht der geeignetste Ort fiir die Anlage eines großen Hafens in Nordchina sei, in: SJZ 3:52.

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Siehe Anmerkungen zu Dok. 2.

10 Am 3.6.1896 während seines Besuches in St. Petersburg unterzeichnete Li Hongzhang dieses Abkommen. Es sah gegenseitige Hilfe im Falle einer kriegerischen Auseinandersetzung mit Japan vor. Der Vertrag enthielt allerdings keine Bestimmungen über die Jiaozhou-Bucht. Hingegen gestattete er Rußland den Bau der Transsibirischen Eisenbahn durch die Mandschurei. Gerüchten zufolge soll Li

73 nesischen und japanischen Dokumenten finden sich zahlreiche Hinweise darauf, die Originalschrift ist jedoch bis heute nicht aufgetaucht.) Laut den Aufzeichnungen aus dem Nachlaß von Xu Wensu aus dem Jahre 1896 verhandelte Xu Jingcheng darüber, daß russische Schiffe in der Bucht von Jiaozhou ankerten. Das russische Außenministerium gab seine Zustimmung, den Fall dabei zu belassen und bei Einsetzen der Eisschmelze die russische Flotte von dort abzuziehen und nach Rußland zurückkehren zu lassen. Der Sekretär des deutschen Auswärtigen Amtes, Marschall, forderte für Deutschland einen Ankerplatz, der dem Rußlands gleichkommen sollte. Xu Jingcheng jedoch verwies darauf, daß die russische Flotte nur zeitweilig vor Anker gehe, das Gebiet aber nicht gepachtet habe. Aus diesem Grund könne die Forderung nicht akzeptiert werden. Der Deutsche Richthofen hatte 1869 das Innere Shandongs bereist und die Beschaffenheit der natürlichen Ressourcen gründlich analysiert.12 So kam es, daß die Deutschen ein Auge auf dieses Gebiet warfen. Vor 1870 hatte die deutsche Regierung das Ostasiatische Geschwader mehrmals mit der Erkundung der militärischen Situation Shandongs beauftragt. Danach entsandte man den bekannten Wasserbauingenieur Franzius,13 der 1897 einen sehr detaillierten Bericht verfaßte, den er im August vorlegte. Darin beschrieb er die Lage, die geographischen Gegebenheiten, die Fläche, die Inseln, das Klima, die Windrichtungen, die Strömungen, die Gezeiten, den Salzgehalt des Wassers, die Meerestiere und Pflanzen, die Tiefen der Ankerplätze an der Küste, die geologischen Gegebenheiten, das Trinkwasser, die Einwohner, den Handel, den Verkehr, die Fischerei, die Landwirtschaft, den Straßenzustand, die Schifffahrtswege, die Häuser, das Baumaterial, das Handwerk, die Halteplätze von Wagen, kurz, es gab nichts, was er nicht untersucht hatte, alles war in seine Betrachtung einbezogen. Er schilderte bis ins kleinste, wie jede Klippe, jedes Fleckchen Erde genutzt werden könne und wie man im großen Maßstab Eisenbahn- und Schiffslinien sowie Docks anlegen und somit in Konkurrenz zu Hongkong und Shanghai treten könne. Seine Pläne waren äußerst logisch aufgebaut und stellten die Grundlage für das spätere deutsche Vorgehen dar. Die Deutschen hegten diese Pläne schon seit langer Zeit, was fur uns eine Gefahr bedeutete. Jiao'ao zhi (Lokalchronik von Jiaozhou), Qingdao 1926, S.22-27.

Hongzhang fur die Unterzeichnung des Vertrages drei Millionen Rubel erhalten haben, siehe Hsü 1983:345fr. 11 Siehe Dok 9. 12 Siehe Dok 3 13 Marinebaurat Franzius wurde im Frühjahr 1897 nach China entsandt, um detaillierte technische Untersuchungen vor Ort anzustellen und die geographischen Bedingungen in der Jiaozhou-Bucht und an anderen Orten der chinesischen Küste für die Anlage eines Hafens und von Befestigungen überprüfen, siehe Einleitung zu Kapitel 1.

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2 Bericht des Generalgouverneurs von Zhili, Li Hongzhang (16.7.1886)14 Ich habe das Schreiben und das in der Anlage übersandte Memorandum von Xu Jingcheng15 über die Marineangelegenheiten zur Kenntnis genommen und bin im Begriff, die Ausfuhrbarkeit dieser Sache zu prüfen. Der äußerst intelligent abgefaßte Bericht findet meine Bewunderung. Ich möchte im folgenden meine Analyse beifugen und Vorschläge betreffend der fünf Punkte anbringen: 1. Der Hafen der Dagu-Forts muß für Schlachtschiffe und Kreuzer erster Klasse zugänglich sein. 2. Entsprechend dem Verdrängungsvolumen darf der Wasserstand nicht zu niedrig sein. 3. Die Schlachtschiffe müssen in verschiedene Klassen eingeteilt werden. 4. Die Schiffsgeschütze müssen vereinheitlicht werden. 5. Werften und Maschinenfabriken müssen erweitert werden. Dies entspricht unserer derzeitigen Herangehensweise. Jedoch setzen unzureichendes Personal und mangelnde Ausrüstung noch Grenzen, die Dinge vollständig in Angriff zu nehmen. Die Einrichtung einer Marinestation in der Bucht von Jiaozhou in Shandong ist eine äußerst wichtige Frage und mit weitreichenden Plänen verbunden. Da dieser Ort an der Südküste Shandongs liegt, stellt er einen Knotenpunkt zwischen Nord und Süd dar. Ende des ersten Monats dieses Jahres erhielt Liu Hanfang, Chef des Minenarsenals, den Befehl, mit einem Kriegsschiff an der Küste von Jiaozhou Vermessungen vorzunehmen und danach Karten mit entsprechenden Erläuterungen anzufertigen. In seinem Bericht heißt es: „Die Hafeneinfahrt ist kleiner als die von Weihaiwei und nicht so solide wie die von Lüshun. Der Wasserstand ist niedriger als der der beiden anderen Häfen. Um die Inbesitznahme durch Fremde zu verhindern, müßten wir eine Garnison zur Verteidigung einrichten. Die Kosten für die Errichtung eines Stützpunktes mit Schiffsausbesserungswerft und organisierter Küstenverteidigung werden recht hoch sein. Aufgrund der weiten Zufahrtswege sind die Transportkosten für Kohle, Getreide und Militärausrüstung ebenfalls nicht gering zu veranschlagen. Der Ort ist relativ entlegen. Die Entfernung zur Heishuiyang-Schiffahrtslinie beträgt etwa 300 Meilen, so daß der Rückweg nicht abgeschnitten werden kann. Zur Zeit ist dieser Plan jedoch nur schwer realisierbar." Die in Xu Jingchengs Bericht vermerkte Tatsache, daß die Ausländer die Bucht von Jiaozhou als erstklassigen Hafen preisen, ist mir seit langem bekannt. Während des Konflikts mit Frankreich im letzten Jahr planten die Franzosen mehrmals, in der Bucht zu landen und nach Norden vorzustoßen. Aber jedes Mal erging an den Gouverneur von Shandong der Be-

14 Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker. 15 Am 13 3 1886 hatte der für Berlin akkreditierte Gesandte Xu Jingcheng ein Memorandum verfaßt, in dem er für den Bau eines Hafen in Jiaozhou plädierte, in: DQJSX 27-32.

75 fehl, Verteidigungsvorkehrungen zu treffen, weil dieser Ort als strategisch wichtig eingestuft wurde. So erhielt der Oberkommandierende der Marine, Ding Ruchang, den Befehl, zusammen mit dem englischen Kommandeur William Lang auf Schlachtschiffen und Schnellbooten dorthin zu fahren, um erneut detaillierte Untersuchungen durchzuführen. Der Bericht liegt bereits vor. Die von Ding, Lang und anderen gefertigte Kartenskizze geht auf Lang zurück. Die darin aufgestellte Maxime „Ein für die Marine topographisch so günstiger Platz muß zum Sammelpunkt der Nord- und Südflotte werden", deckt sich im großen und ganzen mit der Ansicht Xu Jingchengs und Liu Hanfangs. Von altersher gingen die Verteidigungsstrategien davon aus, zuerst das Nahe und dann das Ferne zu schützen. Weiter heißt es: „Lüshun und Dagu sind wie die zwei Hörner eines Ochsen. Entsprechend den Gegebenheiten müssen wir zuerst hier tätig werden und die Befestigung von Lüshun vorantreiben. Sollten dann noch Kräfte übrig sein, kann das 1300 Meilen entfernte Jiaozhou ausgebaut werden." Gemäß den Plänen von Lang würde dazu folgendes nötig sein: Zuerst müßten 6 Forts errichtet und dazu an verschiedenen Plätzen Erde aufgeschüttet werden, die mit etwa 40 Kanonen bestückt werden. Außerdem benötigt man 20 Minenboote, 100 Minen, 70 Treibminen und einige Leuchttürme. Weitere Planungen sehen eine Werft, eine Waffenfabrik und ein Arsenal vor sowie 6 Kasernen für die vorläufige Besatzung. Wenn wir einmal die Einrichtung eines Marinestützpunktes beschlossen haben, so muß dieser im Kriegsfall auch einsatzbereit sein. Aus diesem Gnind können an den oben genannten Forderungen keine Abstriche gemacht werden, andernfalls kann der Ort nicht als Marinestützpunkt angesehen werden. Alles in allem würden sich die Kosten auf einige Millionen Taels belaufen. In allen Ländern wird die Errichtung von Marinestützpunkten als etwas sehr wichtiges angesehen und infolgedessen nicht mit Geldern gespart. Allerdings sind momentan in Nordchina die Reserven an Soldaten und Finanzen erschöpft. Obwohl am Ausbau des Hafens von Lüshun nebst Werft und Arsenal emsig gearbeitet wird, ist das Projekt längst noch nicht abgeschlossen. Um wieviel schwieriger dürfte erst der Ausbau der Bucht von Jiaozhou werden. Xu Jingcheng fordert in seiner Eingabe, daß „Nord und Süd das Problem gemeinsam angehen sollen." Jedoch sind die geldlichen Mittel des Südens für die Marine noch begrenzter, so daß von langfristigen Plänen gar keine Rede sein kann. Die Folgen der Hochwasserkatastrophe in Shandong sind nicht überwunden, deshalb kann das Problem noch nicht angepackt werden. Die günstige geographische Lage aber zwingt zum Handeln, denn wenn wir nicht als erste Maßnahmen ergreifen, so ist zu befürchten, daß im Falle einer Gefahr Jiaozhou von anderen besetzt wird. Zwar würde damit noch nicht das Herz Pekings bedroht, denn der Weg bis dahin ist noch weit, aber die Erkrankung der Achselhöhle ist schon Bedrohung genug. Uns bleibt keine Wahl, wäre es nicht möglich, den Gouverneur von Shandong zu ersuchen, einige Kasernen abzutreten und entsprechend den Ausarbeitungen von Lang Militärunterkünfte auf den Inseln Chenjiadao, Tandao und Huangdao einzurichten. Wenn wir über ausreichende Gelder verfugen, können wir einige Batterien ankaufen und mit dem Aufbau beginnen. Wenn in der Zukunft die Flotten des Nordens und Südens angewachsen und zu Flottengeschwadem formiert worden sind, können sie dort auf Patrouille gehen und mit der Ausbildung beginnen. Wegen der hohen Kosten und der Kompliziertheit der Lage lassen sich keine Fristen festlegen, innerhalb derer

76 der Ausbau von Jiaozhou zu bewerkstelligen wäre. Hiermit überreiche ich Ihnen je ein Exemplar der von Liu Hanfang, Ding Ruchang, William Lang und mir angefertigten Berichte und stelle Ihnen deren Benutzung anheim.16 Li Hongzhang chouyi Jiao 'ao gonghcm (Öffentlicher Brief von Li Hongzhang über die Jioazhou-Bucht), in: Shandong jindaishi ziliao (Materialien zur modernen Geschichte Shandongs), Bd. 3, Jinan J961, S.5355.

3 Untersuchungen des Geographen Ferdinand Freiherr von Richthofen

(1888) DIE JIAOZHOU-BUCHT; IHRE EHEMALIGE UND KÜNFTIGE BEDEUTUNG Der letzte Hafen, welcher aber ein ganz besonderes Interesse hat, ist die Bucht von Jiaozhou. Bis vor kurzer Zeit war diese Stadt ein großes und wichtiges Handelsemporium. Die ausgedehnte, vollkommen geschützte Bucht konnte Schiffe ohne Zahl aufnehmen, und ihre Tiefe war einst bis in die Nähe der Stadt hinreichend für die großen Dschunken des südlichen China. Ein glücklicher Umstand war es, daß sich dieser größte und beste Seehafen der ganzen nördlichen Hälfte des Reiches gerade an der Stelle befand, welche durch ihre geographische Lage besonders geeignet war, nicht nur ganz Shandong, sondern auch weite Gebiete der Großen Ebene mit Handelsgütern zu versorgen, und von welcher zugleich der Handel mit Korea, als dieses Land noch zugänglich war, seinen Ausgang nehmen konnte. Als ein weiterer Vorteil kam zu dieser zentralen Lage der Umstand, daß Jiaozhou in jener Zone niederen Wellenlandes liegt, welche das westliche und das östliche Gebirgsland von Shandong voneinander scheidet. Mit Ausnahme von Jinjiakou befinden sich die anderen Häfen der Halbinsel entweder am Fuß hoher Gebirge, welche den Landtransport erschweren, oder doch so weit von den ebeneren Teilen der Provinz entfernt, daß die Straßen eine Reihe von Schwierigkeiten überwinden müssen, um zu diesen zu gelangen. Von Jiaozhou hingegen fuhren die Wege nach Norden auf beinahe ebenem Boden fort: selbst Laiyang, der Zentralpunkt der östlichen Gebirgshälfte, kann mit Wagen bequem erreicht werden, und nach Südwesten hin, gegen Yizhoufu, stellen sich nur unbedeutende Übergänge über Hügelland in den Weg, wie 17

aus der Beschreibung von Williamson hervorgeht. Außerdem aber hat die Bucht von Jiaozhou vor anderen Häfen von Shandong den Vorzug, daß sich ihr eine für die Binnenschiffahrt geeignete Wasserverbindung anschließt. Die Trennung der beiden Hälften des 16 Die Berichte sind hier nicht abgedruckt. Der Bericht von Liu Hanfang v o m Juli 1886 ist in: DQJSX, 37-39, der Bericht von William Lang ist ebenfalls datiert vom Juli 1886, in: DQJSX 39-412. 17 Rev. Al. Williamson war ein protestantischer Missionar, der einen der frühesten Reiseberichte über Shandong verfaßt hat: A. Williamson, Journeys in North China, London 1870.

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Gebirgslandes ist nämlich so vollständig, daß man zu Boot von Meer zu Meer gelangen kann. Der Jiaolaihe, d.i. der Fluß, welcher Jiao und Lai verbindet»), besteht aus zwei, wahrscheinlich durch einen Kanal verbundenen Flüssen, von denen der eine nach dem Inneren, der andere durch die Jiaozhou-Bucht nach dem Äußeren Gelben Meer fließt. Kaiser Kangxi18 faßte den großen Plan, diesen Wasserweg, auf dem nur kleine Boote fahren können, zu einem Kanal zu erweitern, durch den die Dschunken des Südens den Reis nach Norden bringen sollten, um den Weg um das Vorgebirge von Shandong zu sparen. Die großartig und richtig geplante Arbeit wurde begonnen, aber nicht vollendet: Trotz seiner Zersetzung wird sich das Gneisland zu fest fur den Durchstich erwiesen haben. Die Stadt trägt noch die Spuren ihrer früheren Größe und Wohlhabenheit. Sie ist mit einer gut erhaltenen, 30 Fuß hohen Mauer umgeben, und außerhalb der Tore breiten sich, wie bei allen Handelsplätzen, weitläufige Vorstädte aus, die durch eine zweite Umfassungsmauer geschützt sind. Die Häuser im Inneren sind von besonders guter Bauart, ihre Seitenmauern oft über dreißig Fuß hoch. Die Stadt besitzt auch monumentalen Schmuck in außergewöhnlichem Grad, und die Anzahl von Häusern, welche das Abzeichen tragen, daß hohe Staatsbeamte daraus hervorgegangen sind, zeugt von der Höhe der früheren geistigen Bildung. Noch größer als in den letzten Jahrhunderten dürfte die Bedeutung von Jiaozhou gewesen sein, ehe Kublai-Khan19 den Großen Kanal vollendete und damit einen Teil des nach Nor20

den gehenden Warentransportes in westlichere Bahnen lenkte. (. . .) Zwei Umstände haben es verursacht, daß Jiaozhou seine frühere Größe verloren hat. Der eine ist die Versandung des Hafens. Überkultur und Übervölkerung haben, wie ich bereits für Shandong im allgemeinen bemerkte, zur Verwüstung der Berge gefuhrt, und dadurch ist die Versandung der Flußbetten geschehen. In wachsendem Maß mußten die Sedimente nach den Mündungsgebieten hinabgeführt werden. Hier aber und in der ganzen Bucht wurde die Bildung von Untiefen, Sand- und Schlammbänken durch die langsame Hebung befördert, in der sich die Küste befindet. Die vortreffliche, von der britischen Admiralität angefertigte Karte der Bucht zeigt, daß die Untiefen zwar den Zugang zu den ehemaligen Ankerplätzen der Schiffe erschweren, aber keineswegs die ganze Bucht als Hafen untauglich gemacht haben. Ihre Bedeutung wäre daher kaum so weit herabgegangen, wenn nicht die Öffnung von Zhifu für den Fremdhandel dem ganzen Verkehr von Shandong eine andere Richtung angewiesen hätte. Mit den fremden Waren, die in dieser Provinz ein besonders gutes Absatzgebiet haben, kamen chinesische Güter in fremden Schiffen an, und so gewöhnte sich der Kaufmann der Binnenplätze allmählich daran, seinen Bedarf von Zhifu zu beziehen. Die Frage, ob nicht die Öffnung von Jiaozhou von Anfang an wichtiger gewesen wäre, als diejenige von Zhifu, scheint wegen des an letzterem Ort investierten bedeutenden fremden 18 Der Kangxi-Kaiser war eine der wichtigsten Herrscher der Qing-Dynastie (1644-1911). Er regierte von 1661 bis 1722. Kangxi ist der Regieningsname fur Yuan Ye (1654-1722). 19 Kublai-Khan (1215-1294) war von 1260 bis 1294 Kaiser der mongolischen Yuan-Dynastie, die von 1280 bis 1367 China beherrschte. 20 Hier folgen einige Vermutungen darüber, ob arabische Händler im 9. Jahrhundert Jiaozhou aufgesucht haben.

78 Kapitals von den wenigen, die sich mit dem Gegenstand beschäftigt haben, eben so sorgfaltig vermieden worden zu sein, als die sich unmittelbar anschließende, ob es nicht geraten sein dürfte, noch nachträglich Jiaozhou dem Fremdhandel zugänglich zu machen. Denn es ist nicht zu leugnen, daß dies der Todesstoß fur Zhifu sein würde. Vergleichen wir die Lage beider Orte. Zhifu ist zur See leicht zu erreichen, die Bucht von Jiaozhou mit einiger Schwierigkeit anzusegeln; aber letztere gewährt vollkommenen Schutz, ersteres ist eine nach Nordosten geöffnete Reede. Von Zhifu sind die Landverbindungen nach allen Richtungen schwierig und kostspielig; dennoch können von dort alle Gebiete im Norden des Lai-Gebirges und östlich von Laiyangxian billiger versorgt werden als von Jiaozhou aus. Dieser geringe Vorteil ist indes größtenteils illusorisch, da fast das ganze genannte Gebiet direkte Handelsbeziehungen mit kleineren Häfen unterhält, welche ihre Schiffahrtsverbindung ebensogut mit Jiaozhou als mit Zhifu herstellen können. Das ganze Agrikulturland jedoch, welches sich südlich von der Linie Laizhoufu - Pingduzhou - Laiyangxian - Haiyangxian ausdehnt, hat selbst zu Land einen billigeren Verkehr mit Jiaozhou als mit Zhifu. Von größerem Belang ist die Frage, welcher von beiden Orten in der Versorgung des ungleich volkreicheren westlichen Shandong mit anderen Importhäfen, insbesondere Zhenjiangfu, am besten konkurrieren kann. Dieser wichtige Platz am Yangzi blieb in den ersten Jahren nach seiner Öffnung weit hinter den von ihm gehegten Erwartungen zurück, einerseits weil der Große Kanal nach der Austrocknung des alten Bettes des Huanghe noch nicht wieder ganz hergestellt war, andererseits weil die Erhebung von Abgaben auf demselben die Waren schon in geringer Entfernung bedeutend verteuerte. Die Konkurrenz von Zhifu war daher sehr wirksam: die Importe von hier gingen bald weit über Jinanfii hinaus gegen Westen. Aber allmählich änderten sich die Verhältnisse; besonders von 1868 an trat Zhenjiang mehr und mehr in die Rechte, welche ihm seine Verbindung mit einem weit verzweigten System von Wasserstraßen gibt, und seitdem ist der Handel von Zhifu in steter Abnahme begriffen. Der ärmere Osten bleibt ihm nach wie vor erhalten; der reichere Westen ist es, der mehr und mehr abfällt. Der Barometer für den Absatz dorthin ist die Kundschaft der Händler von Weixian, das wir als den wichtigsten Handelsort in dem mittleren Teil der Provinz kennenlernten. Hier wohnen die großen Kaufleute, welche die Importe früher von Jiaozhou bezogen, jetzt aber von Zhifu erhalten, um sie auf den Verkehrswegen nach Nordwest, West und Südwest zu verbreiten. Die Entfernung von Zhifu nach Weixian ist aber sehr erheblich, und die Straße ist schlecht bis Laizhoufu. Das teure Transportmittel der Packtiere wird daher zum Teil für die ganze Strecke angewendet. Viele Waren gehen zwar schon von Huangxian aus auf Wagen, aber wegen der schlechten Straße wird dadurch wenig gewonnen. Die Güter kommen infolgedessen in Weixian so teuer an, daß ihre Konkurrenzfähigkeit mit den auf dem Großen Kanal transportierten schon in geringer Entfernung westlich aufhört. Würde Jiaozhou wieder zum Importplatz erhoben, so würde sich diese Grenze für den über Weixian gehenden Handel viel weiter nach Westen verschieben, und es würde außerdem der direkte Handel mit Yizhoufu hinzukommen, einem Gebiet, welches außerhalb des Bereiches von Zhifu liegt.

79 Wenn schon unter den gegenwärtigen Verhältnissen zentrale Lage und günstiges Terrain fiir Verkehrsstraßen ganz und gar auf der Seite von Jiaozhou sind, so treten die Nachteile von Zhifu in ein schärferes Licht, wenn wir die Chancen der zukünftigen Entwicklung in Betracht ziehen. Ein maritimer Ansatzpunkt für ein Eisenbahnnetz in Nord-China wird sich im Lauf der Zeit als dringende Notwendigkeit herausstellen. Es kann kaum einem Zweifel unterliegen, daß Zhenjiangfu, wegen seiner Lage an der Grenze der Strömungen von Ebbe und Flut im Yangzi, einst einen solchen bilden wird. Aber daneben wird ein anderer gesucht werden, welcher möglichst nahe an guten Steinkohlengebieten liegt und zugleich bequeme Verbindung mit den nördlichen Teilen der Großen Ebene gestattet. Diesen Bedingungen entspricht allein Jiaozhou. Es ist zwar vielfach von einer künftigen Eisenbahn gesprochen worden, welche Zhifu mit Jinanfu verbinden solle. Allein das Terrain ist in der ersten Strecke dieser Linie außerordentlich ungünstig; die Baiin müßte über jenes System von Wellenbergen und Wellentälern, deren Höhendifferenzen in steter Wiederholung mehrere hundert Fuß betragen, quer hinwegfuhren. Von Jiaozhou hingegen ist der Boden so günstig gestaltet, daß die Differenz der Kosten eines Schienenweges von diesem Ort nach Weixian und eines andern von Zhifu nach demselben Platz allein hinreichen würde, um die Linie bis jenseits Jinanfu zu verlängern und die ganze Reihe der wichtigen Kohlenfelder an der Nordgrenze des Gebirgslandes in Verbindung mit Jiaozhou zu bringen. Zu der billigen Herstellung einer Bahn nach ungemein volkreichen und produktiven Gebieten würde somit die Versorgung des Betriebes mit ausgezeichnetem und billigem Brennmaterial kommen, und zugleich könnte letzteres an dem Hafenplatz der Dampfschiffahrt und verschiedenen in deren Gefolge sich entwickelnden Industrien zugeführt werden. Eine Verbindung mit Jinanfu würde aber nur der Anfang eines viel weiter verbreiteten Eisenbahnnetzes sein, das in erster Linie eine Verlängerung nach dem übervölkerten Hunan im Westen und Peking im Norden suchen würde, da letzteres im Winter seine Zufuhren nur zu Lande erhalten kann. Neben dem ausgedehnten Binnenverkehr, den jede Eisenbahn in China mit sich bringen wird, würde die Kohle von Shandong Millionen von Konsumenten zugeführt werden. Es würde der Baumwolle, dem Eisen und anderen Produkten des Nordens ein leichter Ausweg und den Importen ein billiger Zugang zu einigen der wichtigsten Gebiete verschafft werden. In der Eröffnung des Hafens von Jiaozhou und in der Herstellung der genannten Verbindungen liegt die Zukunft der reichen Kohlenfelder von Shandong. Die in Zhifu angelegten Kapitalien würden dadurch allerdings großenteils verloren werden. Aber die Vorteile einer fremden Niederlassung in Jiaozhou sind, wenn wir über die engen Grenzen der Gegenwart hinwegsehen, so groß, daß dieser Nachteil im Verhältnis verschwindend klein ist. Ist auch die Hebung von China in materieller, intellektueller und industrieller Hinsicht den Interessen Europas, wie es scheint, direkt zuwiderlaufend, so wird sie sich doch mit zwingender Notwendigkeit vollziehen, und angesichts dessen haben sich die fremden Mächte die größtmöglichen Vorteile bei dem bevorstehenden Aufschwung zu sichern. a) Jiao und Lai sind die Namen der unabhängigen Völker, welche die Gebiete von Jiaozhou und Liazhoufu bewohnten. Der Fluß zerfallt in einen nördlichen und einen südlichen Teil. Jiaolaibeihe und Jiaolainanhe, wird aber auch kurzweg Jiaohe genannt. Der letztere Name ist auf meiner Karte an denselben Stellen eingetragen, wo das chinesische Original ihn angibt. Es ist ersichtlich, wie unbestimmt seine Anwendung ist. Jedenfalls ist ein Stück des Laufes als künstliche Kanalveibindung

80 zu betrachten. Doch ist mir nicht bekannt geworden, ob dies fur das als Jiaolainanhe bezeichnete Stück, oder für die Verbindung zwischen Baishahe und Guhe gilt.

Ferdinand Freiherr von Richthofen, China. Ergebnisse eigener Reisen und darauf gegründeter Bd. 2, Berlin 1888, S. 262-266.

Studien,

4 Telegramm des Reichskanzlers Hohenlohe an den Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Marschall (17.11.1894) Straßburg, den 17. November 1894 Nachstehendes Telegramm: „Es sind Anzeichen vorhanden, aus denen man schließen kann, daß England demnächst im Orient aktiv zu werden beginnen wird. Einmal ist es dabei, sich mit Rußland anscheinend über die Dardanellenfrage in einem fur Rußland günstigen Sinne zu einigen. Im anderen Fall liegt die Vermutung nahe, daß es sich demnächst ohne Vereinbarung mit anderen Mächten in den Besitz von Shanghai und einiger strategisch wichtiger Punkte setzen wird. Das letztere dürfte durch die Konzentrierung des Geschwaders unter Admiral Freemantie, welche stattgefunden hat, und vorbereitete Truppentransporte aus Indien bewiesen sein. Dieses Ereignis wird zweifellos zur Folge haben, daß Rußland und Frankreich gleichfalls wichtige Punkte in China besetzen. 21 Wir dürfen hierbei unter keinen Umständen zu kurz kommen oder uns überraschen lassen. Wir bedürfen gleichfalls eines festen Punktes in China, wo unser Handelsumsatz jährlich 400 Millionen beträgt. Ich schlage dazu Formosa vor, welches schon in den sechziger Jahren von der Graf zu Eulenburgschen Mission als geeignet erkannt und der Preußischen Regierung vorgeschlagen wurde. Es empfiehlt sich daher, möglichst schnell im geheimen sich mit Japan zu verständigen und demnächst unser Geschwader mit Anweisung zu versehen. Eile ist geboten, da, wie Ich unter der Hand erfahren habe, Frankreich bereits nach Formosa angelt. Wilhelm." geht mir soeben von Seiner Majestät zu. Ich habe folgendes darauf geantwortet: „Der von Eurer Majestät mir allergnädigst mitgeteilte Plan ist von so außerordentlicher Wichtigkeit und Tragweite, daß ich um die Erlaubnis bitten muß, mich genau informieren zu dürfen, um Eurer Majestät in allernächster Zeit Vortrag zu halten und entsprechende Vorschläge zu unterbreiten. Fürst Hohenlohe." Bitte mir heute hierher Informationen behufs etwaigen weiteren Telegramms an Seine Majestät zugehen zu lassen. Fürst Hohenlohe GPEKIX, S.245f Nr. 2219. 21 Am 17. November 1894 verneinte der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes alle die hier von Wilhelm II. gemachten Feststellungen, siehe Marschall an Hohenlohe, in: GPEK IX, S.246-247, Nr. 2220.

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Schreiben des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes, Marschall, an den Staatssekretär des Reichsmarineamtes, Hollmann (11.3.1895) Berlin, den 11. März 1895

Ganz Geheim Eigenhändig

Wie Eurer Exzellenz anderweitig] bekannt, hat die chinesische Regierung infolge der neueren Ereignisse auf dem ostasiatischen Kriegsschauplatz einen mit umfassenden Vollmachten versehenen Unterhändler zur Einleitung von Friedensverhandlungen nach Japan entsandt und 22

scheint somit die Aussichtslosigkeit eines weiteren Kampfes eingesehen zu haben. Uber die Friedensbedingungen, die einerseits Japan zu stellen, andererseits China anzubieten beabsichtigen, ist Zuverlässiges nicht bekannt. Indessen liegen Anzeichen dafür vor, daß die Verhandlungen darüber große Schwierigkeiten bieten werden. Ich halte es deshalb immerhin nicht für ausgeschlossen, daß noch längere Zeit vergeht, ehe die beiden kriegfuhrenden Mächte zu einer Verständigung gelangen und daß inzwischen die Feindseligkeiten ihren Fortgang nehmen. Für diesen Fall würde nun, namentlich bei weiteren Niederlagen Chinas die Möglichkeit näherrücken, daß die bekannten Bestrebungen einzelner Großmächte, eine gemeinschaftliche Intervention zugunsten Chinas zustande zu bringen, zur Verwirklichung gelangen und daß dann vielleicht die beteiligten Mächte die Angelegenheit benutzen, um etwa unter der Form einer Entschädigung einzelne Punkte oder Landstriche des chinesischen Gebietes für sich selbst in Besitz zu nehmen. Deutschland würde unter Umständen in der Lage sein, sich der Intervention anzuschließen und mithin auch seinerseits entsprechende Kompensationen auf chinesischem Territorium zu beanspruchen. Es empfiehlt sich, für diesen, wenn auch entfernten Fall schon jetzt Vorbereitungen zu treffen. In erster Linie würde wohl die Erwerbung einer oder mehrerer geeigneter Kohlenund Flottenstationen für die Kaiserliche Marine in Betracht kommen. 22 Um das offensichtliche japanische Vordringen abzuwehren, wurde Korea, ein Tributstaat Chinas, 1882 zu einem internationalen Protektorat erklärt, in dem China auf seine formale Oberhoheit verzichtete. Zugleich aber sollte Korea weiterhin ein abhängiger Vasallenstaat des chinesischen Reiches bleiben. In den folgenden Jahren kam es zu wachsenden Spannungen zwischen China und Japan über den bestimmenden Einfluß in Korea, die 1894 in einer militärischen Auseinandersetzung über die Hegemonie in Korea mündeten. Ende 1894 zeichnete sich eine chinesische Niederlage ab. China entsandte Li Hongzhang zu Friedensverhandlungen nach Japan. Im Vertrag von Shimonoseki, der am 17. April 1895 geschlossen wurde, wurden China folgende Bestimmungen auferlegt: 1. Unabhängigkeit Koreas und Beendigung der Tribute, 2. die Zahlung einer hohen Kriegsentschädigung von 200 Mio. Taels, 3. die Abtretung von Taiwan, den Pescadoren-Inseln und der Liaodong-Halbinsel, 4. die Öffnung von Chongqing, Hangzhou und Suzhou fur den ausländischen Handel und 5. das Recht japanischer Staatsangehöriger (über die Meistbegünstigungsklausel jedoch aller ausländischen Staatsangehörigen) zur Gründung von Unternehmen und Produktionsstätten, siehe auch Einleitung zu Kapitel 1.

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Über die für diesen Zweck geeigneten Punkte haben bereits anfangs der siebziger Jahre zwischen der damaligen Admiralität und dem Reichskanzleramt Erörterungen stattgefunden, die indessen damals mit Rücksicht auf die politischen Verhältnisse ohne praktische Folge geblieben sind. Vorgeschlagen war an erster Stelle, und zwar von dem bekannten Chinaforscher Freiherm von Richthofen, die Erwerbung der Insel Zhousan gegenüber Ningbo, worauf sich u.a. ein mit Schreiben der Admiralität vom 24. Oktober 1873 dem Reichskanzleramt mitgeteilter Bericht des damaligen Korvettenkapitäns von Blanc vom 25. Juli 1873 bezog. Daneben waren die Mirs-Bay, östlich von Hongkong und die kleine Insel Gulangshan bei Amoy [Xiamen] genannt. Gegen diese drei Punkte sind indessen schon bei den damaligen Erörterungen verschiedene Bedenken hervorgetreten. Was inbesondere die Insel Zhousan anbelangt, so scheint es, als ob in bezug auf diese die Engländer bereits bestimmte Rechte erworben haben. Neuerdings hat der Kaiserliche Gesandte in Peking23 gelegentlich, jedoch ohne nähere Begründung, als für den in Rede stehenden Zweck empfehlenswert die Jiaozhou-Bucht in der Provinz Shandong und die Pescadores-Inseln bezeichnet. Die erwähnte Bucht wird indessen, weil auf dem chinesischen Festland gelegen, voraussichtlich zu ihrer Sicherung umfangreiche Befestigungsarbeiten erforderlich machen und bezüglich der erwähnten Inselgruppe ist mir zweifelhaft, ob sie brauchbare Häfen darbietet. Außer Betracht wird, wie ich von vornherein bemerken möchte, die Insel Formosa bleiben müssen, da deren Erwerbung und Festhaltung nicht nur Verwicklungen mit anderen Mächten zur Folge haben, sondern auch unverhältnismäßige Kraftaufwendungen unsererseits nötig machen würde. Eure Exzellenz darf ich ergebenst ersuchen, an der Hand des, wie ich annehme, dort vorliegenden Materials mir sobald als möglich eine Äußerung darüber zukommen lassen zu wollen, ob und aus welchen Gründen auch gegenwärtig noch die Erwerbung von Kohlenund Flottenstationen in China, die unter deutscher Gebietshoheit stehen, für die Kaiserliche Marine etwa erwünscht ist und welche Punkte hierfür, falls sich eine Möglichkeit dazu bieten sollte, von Ihrem Standpunkte aus in Aussicht zu nehmen sein würden. Marschall Β ΑΜΑ, RM3 6692,

Bl.1-3.24

23 Der damalige Gesandte war Freiherr Schenck zu Schweinsberg. 24 Dieses Dokument ist auch abgedruckt in GPEK XIV, S.5-7, Nr. 3645.

83

6 Aufzeichnung des Vortragenden Rats im Auswärtigen Amt, Klehmet (18.3.1896) Berlin, den 18. März 1896 Das Oberkommando, das Reichsmarineamt sowie der Chef des ostasiatischen Kreuzergeschwaders haben wiederholt und einstimmig den Erwerb einer Kohlen- und Flottenstation als eine dringende Notwendigkeit gefordert. Die deutsche öffentliche Meinung, ausgedrückt in Zeitungsäußerungen aller Parteien, hat sich in gleichem Sinne ausgesprochen, namentlich „Kreuzzeitung", „Deutsche Tageszeitung", „Hamburger Nachrichten", „Hamburger Korrespondent", „Hannoverscher Kurier", „Münchener Neueste Nachrichten", „Münchener Allgemeine Zeitung", „Magdeburger Zei25

tung", „Frankfurter Zeitung". Zahlreiche an den Reichskanzler gerichtete Eingaben von Privaten und Vereinen gehen in derselben Richtung (Eingaben des Vereins fur Handelsgeographie und Kolonialpolitik in Deutschland, der Ortsgruppe Kassel des Alldeutschen Verbandes, der Ortsgruppe Kapstadt des Alldeutschen Verbandes, der Einwohner von Groß-Ilsede, von Paul Richter und Genossen in Mannheim, des Prof. Frhr. von Richthofen). Auch im A u s 1 a η d e haben sich keine oder nur ganz vereinzelte Stimmen dagegen geäußert: Was R u ß 1 a η d anbelangt, so hat der Russische Kaiser in einem Brief an Seine Majestät unser Verlangen nach einem Stützpunkt in Ostasien als selbstverständlich bezeichnet. Von der russischen Presse haben wenigstens die „Moskowskija Wjedomosti" anerkannt, Deutschland könne wegen der Bedeutung seines ostasiatischen Handels und seiner China geleisteten Dienste einen Stützpunkt an der chinesischen Küste verlangen. Sonst haben die russischen Zeitungen sich immerhin dahin ausgesprochen, daß es fur Rußland gleichgültig sei, ob J a p a n Weihaiwei oder irgendetwas im Süden von China behalte. Das gleiche müssen sie daher mindestens auch fur uns gelten lassen. In E n g l a n d hatte Graf Hatzfeldt bei seinen Unterredungen mit den Mitgliedern des d a m a l i g e n liberalen Kabinetts (im April v. Js.) den Eindruck erhalten, daß wir auf die Unterstützung der englischen Regierung für die Erwerbung eines Stützpunktes rechnen könnten. Die englische Zeitung „Mercury" hat sich noch anfangs d i e s e s Jahres günstig, die „Morning Post" wohlwollend neutral ausgesprochen. Dagegen haben die in H o n g k o n g erscheinenden englischen Blätter die fälschlichen Nachrichten von deutschen Absichten auf Quemoy [Jinmen] oder Nanmo mit entschiedener Genugtuung begrüßt. 25 Nach 1895 gab es in Deutschland eine zunehmend stärkere Bewegung fur eine kraftvolle Weltpolitik. Diese Bewegung fand Unterstützung in fast allen Schichten der wilhelminischen Gesellschaft und artikulierte sich daher auch in den verschiedenen Presseorganen. Zum Kontext vgl. auch Mommsen 1993:132fF„ Eley 1991:144f.

84 Die j a p a n i s c h e

Regierung scheint nach Äußerungen ihrer Staatsmänner eine Fest-

setzung Deutschlands auf chinesischem Gebiete nicht ungern zu sehen. Die c h i n e s i s c h e

Bevölkerung würde sich nach Berichten des Kaiserlichen Konsu-

lats in Amoy [Xiamen] zu einer selbst ohne vorgängigen Vertrag mit China erfolgenden Inbesitznahme eines chinesischen Küstenplatzes mindestens gleichgültig, die fremde eher wohlwollend verhalten. Der c h i n e s i s c h e Gesandte für Berlin und Petersburg sowie sein Legationssekretär Kreyer haben im Februar d. Js. empfohlen, uns direkt in den Besitz des gewünschten Platzes zu setzen und dann erst zu verhandeln. Der Gesandte will seinerseits die Sache in Peking aus Furcht vor patriotischen Schreiern nicht anregen, ohne Anwendung von „ein wenig Gewalt" würden wir nichts erreichen. Der Kaiserliche Gesandte in Peking hat wiederholt und dringend ein gleiches Vorgehen empfohlen. Er befürwortet, als äußeren Anlaß dazu die Verschleppung der Erledigung der Beschwerden unserer katholischen Missionare wegen der Vorgänge in Yanzhoufu

zu be-

nutzen. Anderenfalls befurchtet er eine ernsthafte Gefährdung unseres Prestiges in China. In Shandong genießen wir nach ihm und den wiederholten Klagen des Bischofs Anzer schon jetzt keine Achtung bei Behörden und Bevölkerung. Diese sagen: Deutschland droht nur, es hat große Worte, aber keine Taten. B i s c h o f

Anzer

verlangt stürmisch im Interesse

seiner Mission ein energisches Vorgehen, um den Chinesen wieder Respekt einzuflößen. Er deutet an, daß seine Missionare ihn sonst drängen möchten, wieder in den französischen Schutz zurückzukehren, der sich als der wirksamere erweise. Klehmet GPEK XIV, S.25f, Nr. 3662.

7 Schreiben des Staatssekretärs des Reichsmarineamtes, Hollmann, an den Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Marschall (17.4.1895) Geheim

Berlin, den 17. April 1895

27

Euer Exzellenz haben mittelst sehr gefälligen Schreibens vom 11. März d. Js. - Nr.1623 meine Ansicht darüber erbeten, ob und eventuell aus welchen Gründen die Erwerbung von 26 Bischof Anzer wurde am 24. Juni 1894 in Yanzhoufu angegriffen. Dort wollte er seit 1886 eine Missionsstation eröffnen, war damit aber immer wieder am Widerstand der Bevölkerung gescheitert. Anzer forderte nach dem Angriff eine stärkere staatliche Unterstützung. Mit Hilfe der Intervention des deutschen Gesandten bei der Zentralregierung konnte dann unter dem Schutz chinesischer Soldaten eine Station in Yanzhoufu am 8. September 1896 eröffnet werden, siehe Chen 1992:106-115. 27 Marschall hatte in dem Schreiben dargelegt, daß als Gegenleistung für die Intervention gegen den Friedensvertrag von Shimonoseki von China ein Stützpunkt fur die deutsche Flotte gefordert werden solle

85

Kohlen- und Flottenstationen in China für die Kaiserliche Marine erwünscht sei, und welche Plätze, falls sich eine Möglichkeit dazu bieten sollte, in Aussicht zu nehmen sein würden. Ich habe diese Fragen nach Anhörung des Oberkommandos der Marine in eingehende Erwägung gezogen und beehre mich, Euer Exzellenz als Resultat derselben das Nachstehende ganz ergebenst zu unterbreiten. Unter Flottenstationen sind gesicherte Plätze im Auslande verstanden, welche, unter deutscher Gebietshoheit stehend, unseren Schiffen jederzeit die Möglichkeit gewähren, ihren Bedarf an Proviant, Kohlen, Munition, wie überhaupt an Vorräten jeglicher Art, zu decken. Werkstätten, Docks, Hellinge sollen die Ausführung von Reparaturen, Lazarette die Aufnahme von Kranken und Verwundeten, Kasernements die Unterbringung von Ersatzmannschaften für die Schiffe ermöglichen. Im Kriege bilden die Stationen die Basis für alle Unternehmungen, sie dienen der Flotte als Sammelpunkt und Rückhalt, den Handelsschiffen als sichere Zufluchtsstätte. Unter ruhigen, geordneten Verhältnissen des Auslandes wird der Vorteil der Stationen vornehmlich auf wirtschaftlichem Gebiet zu suchen sein. Ihr Besitz hebt indessen gleichzeitig die politische Macht und das Ansehen im Auslande derart, daß schon durch die bloße Existenz einer Station und der durch sie dokumentierten Heimatsberechtigung ein Machtausfluß geschaffen wird, welcher sich erfahrungsgemäß weit über die Grenzen des Besitzes hinaus erstreckt und tatsächlich durch nichts anderes ersetzt werden kann. Unter diesem Gesichtspunkte decken sich aber die wirtschaftlichen und politischen Interessen gleichzeitig völlig mit den zu ihrem Schutz und ihrer Geltendmachung berufenen militärischen der Kaiserlichen Marine insofern, als der Besitz vorhandene Streitmittel wesentlich stärkt, einen Mangel an solchen aber bis zu hohem Grade zu ersetzen vermag. Unter den vorausgesetzten normalen Verhältnissen würde der Kaiserlichen Marine demnach der Vorteil der freieren Verfügung über ihre bekanntlich auf absehbare Zeit gering bemessenen Mittel erwachsen, was gegenwärtig für Ostasien um so mehr ins Gewicht fallt, als nach den seitens Euer Exzellenz gelegentlich der Etatsberatung abgegebenen Erklärungen bei den zu erwartenden Umwälzungen unberechenbare Interessen auf dem Spiele stehen, welche bis auf weiteres der wirksamsten Vertretung bedürfen. Daß unsere Schiffe zugleich unabhängiger von fremden Märkten und deren Zufälligkeiten wären, sowie daß die vom Reich auf sie verwendeten Mittel alsdann deutschem Unternehmungsgeist zugute kommen würden, der sich wiederum in zweckdienliche Bahnen leiten ließe, sind weitere Vorteile von nicht zu unterschätzendem Wert. Eine erhöhte Bedeutung nach jeder Richtung, sowohl in wirtschaftlicher und politischer wie in militärischer, gewinnen die Stationen mit dem Augenblick, wo die geordneten Verhältnisse aufhören und Unruhen im Innern oder kriegerische Verwickelungen nach außen an ilire Stelle treten. Solche Ereignisse haben meist zur unmittelbaren Folge, daß Handel und Gewerbe geschädigt werden und die natürlichen Bezugsquellen der Schiffe damit ganz oder teilweise versagen. Die Stationen treten dann voll in ihr Recht, und ernste Verlegenheiten (siehe Einleitung zu Kapitel 1). Er bat die Marine um eine Stellungnahme „sobald als möglich", vgl. Marschall an Hollmann, in: B A / M A , RM3/6692, Bl. 1-6.

86 entstehen fur diejenige Flotte, welche sie entbehren muß. Der gegenwärtige Krieg hat in dieser Hinsicht ernste Erfahrungen an die Hand gegeben. Wiederholt hat unseren Schiffen die Kohlen- und Proviantversorgung große Schwierigkeiten bereitet, erstere war zeitweilig ganz unterbrochen; die Kohlenlieferungsverträge haben gekündigt werden müssen, weil die Lieferanten ihren Pflichten nicht nachkommen konnten; die Werft-Etablissements in China und Japan, auf deren bereitwillige Hilfe sonst zu rechnen war, versagten gänzlich, da vollauf mit ihren eigenen Schiffen beschäftigt. Es sind dies, wie hervorgehoben werden muß, die Wirkungen eines Krieges, der infolge der Ohnmacht des einen der Gegner einen überaus raschen und günstigen Verlauf genommen hat. Wesentlich ernster werden sich die Verhältnisse gestalten, wenn ebenbürtigere Gegner an der Kriegführung beteiligt sind, wenn infolge eines energetischen Kreuzerkrieges der Handel gänzlich stockt und alle Zufuhr abgeschnitten ist. In solchem Falle sind Flottenstationen geradezu eine Existenzbedingung fur die Schiffe. Wer nicht auf solche zurückgreifen kann, wird sich gezwungenermaßen aus den vom Kriege in Mitleidenschaft gezogenen Gebieten zurückziehen und damit seine Interessen zu einer Zeit preisgeben müssen, in der sie des Schutzes am dringendsten bedürfen, es sei denn, es biete sich ihm die Möglichkeit, von der Freundschaft oder Gnade unbeteiligter Nationen zu leben, was aber wiederum diesen gegenüber die Aktionsfreiheit bis zu hohem Grade, wenn nicht völlig lähmt und unter allen Umständen die eigene Position unberechenbar schwächt. Endlich bleiben bei der Prüfung des Wertes von Flottenstationen noch solche Fälle zu betrachten, die Deutschland selbst vor ernstere politische Aufgaben stellen. Das äußerste Mittel des Krieges kann dabei völlig unberücksichtigt bleiben, um so mehr, als seine Anwendung das Vorhandensein von eigenen Stützpunkten zur unerläßlichen Vorbedingung hat, demnach außer Frage steht. Aber auch dann, wenn es sich zunächst nur um die Geltendmachung des Willens, um den Ausdruck desselben, die Ausübung der Repressalien, handelt, kann eine Wirkung nur gesichert erscheinen, wenn die nötige Macht dahinter steht und der politische Gegner diese würdigend sich der Überzeugung nicht verschließen kann, daß wir zur Durchsetzung unseres Willens auch die Eventualität eines Krieges nicht zu scheuen brauchen. Anderenfalls verlieren Demonstrationen nicht nur an Wert, sondern sie stellen auch unsere Schiffe vor Aufgaben der fragwürdigsten Art. - Es genügt nicht, was eingewandt werden könnte, daß wir Handel und Schiffahrt gegen Schädigung europäischer Mächte schützen, wir müssen auch China und Japan gegenüber mächtig dastehen, und das ist nur zu erreichen, wenn wir dort festen Fuß fassen. Nur so kann dem Einfluß der konkurrierenden Mächte in den dortigen Gewässern mit Erfolg die Spitze geboten und die im Interesse unseres Nationalwohlstandes so notwendige Wechselwirkung zwischen Handel und Macht hergestellt werden. Ehe ich nunmehr Euer Exzellenz bestimmte Plätze in Vorschlag bringe, wird noch ein kurzes Eingehen auf die allgemeinen Anforderungen erübrigen, welche an dieselben gestellt werden müssen. Es sind die folgenden: 1. Die Wirksamkeit der in Ostasien stationierten Kriegsschiffe hat sich von Singapore bis über Hakodate (Jesso) hinaus zu erstrecken, also über den weiten Raum von mehr als 3.000

87 Seemeilen der chinesischen und japanischen Gewässer. Überall auf diesem Gebiet haben unsere Schiffe deutschen Handel und deutsche Interessen zu schützen. E i n e Station entspricht deshalb dem Bedürfnis nicht, es sollten deren mindestens zwei vorhanden sein, die eine im nördlichen, die andere im südlichen Teil unserer Interessensphäre. 2. Ein geräumiger, gegen Wind und See nach allen Richtungen geschützter Hafen mit guten Ankerplätzen ist unerläßlich. Die Terrainbeschaffenheit in der Nähe des Hafens muß derart sein, daß sich der Anlage von Depots, Werkstätten, Docks keine unüberwindlichen Schwierigkeiten entgegenstellen. 3. Die Stationen müssen an den Hauptverkehrsstraßen gelegen sein und in kommerzieller Hinsicht bereits einige Bedeutung erlangt haben; tote, nicht entwicklungsfähige Punkte haben keinen Wert. 4. Es ist wünschenswert, daß der Platz durch seine natürliche Beschaffenheit günstige Bedingungen fur die Anlage von Befestigungen bietet. Wenn im allgemeinen Inseln dieser Anforderung am ehesten entsprechen werden, so sind doch auch Küstenplätze keineswegs ausgeschlossen, zumal solche unter Umständen ebenso geeignet zur Verteidigung sind. 5. Die unmittelbare Nähe der Stationen anderer Mächte Europas ist wenn möglich zu vermeiden. Hiernach beehre ich mich, Euer Exzellenz in der Reihenfolge ihres Wertes drei Gruppen geeigneter Plätze für die Anlage von Flottenstationen ganz ergebenst in Vorschlag zu bringen: a) Die Insel Zhousan im Norden und die Insel Amoy mit Gulangshan im Süden. Zhousan ist strategisch günstig gelegen. Die Nähe des Yangzi wie der Häfen Ningbo, Fushan, Dagao, Qilong, Shanghai macht sie zum Schlüssel für das gesamte mittlere und nördliche China. Vorzüglicher Hafen fur größte Schiffe, der ohne Schwierigkeiten zu befestigen. Amoy [Xiamen] mit Gulangshan. Es ist die Insel Amoy gemeint, auf welcher die Stadt gleichen Namens liegt. Hat günstige Lage, guten Hafen, regen Handel, ist überhaupt in jeder Hinsicht gut geeignet. b) Die Jiaozhou-Bucht im Norden und die Mirs-Bay [Dapengwan] im Süden. Sollte die Insel Zhousan wegen der Ansprüche der Engländer nicht zu erlangen sein, so würde als nächstgünstiger Platz die Jiaozhou-Bucht an der Südküste der Provinz Shandong in Betracht kommen. Sie bietet einen geräumigen, fast gegen alle Windrichtungen geschützten Hafen. Nachteilig ist die zu nördliche Lage, der Hafen ist in der Zeit von Dezember bis März nicht eisfrei. Die Mirs-Bay besitzt guten Hafen, ist aber sonst lange nicht so geeignet wie Amoy; bedenklich ist vor allem die unmittelbare Nähe von Hongkong, wodurch leicht ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis begründet werden könnte. c) Die Montebello-Inseln [Jizhou] im Norden und die Pescadores [Penghudao] im Süden. Die Montebello-Inseln, an der Südspitze Koreas gelegen, sind durch ihre Lage wie durch ilire klimatischen Verhältnisse begünstigt. Der Hafen genügt allen Anforderungen. Der Besitz kann von hoher Bedeutung werden, wenn Korea europäischem Handel und Kultur erschlossen sein wird.

88

Die Pescadores-Inseln haben eigentlich nur Wert fur den Besitzer von Formosa, welche Insel das Hinterland bildet. Hollmann JO

RAMA, RM3/6692,

Bl.7-12

8 Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes, Rotenhan (9.9.1895) Aufzeichnung betreffend die für eine, auf friedlichem Wege zu erwerbende Flotten- und Kohlestation in China in Betracht kommenden Punkte. Das Reichsmarineamt hat zwei Stationen, eine für den Norden, eine fur den Süden verlangt, und zwar: an erster Stelle: Zhousan im Norden und die Insel Amov im Süden, an zweiter Stelle: die Jiaozhou-Bucht im Norden und die Mirsbav im Süden, an dritter Stelle: die Montebello-Inseln (mit Crichton Harbour) im Norden und die Pescadores-Inseln im Süden. Andere Plätze sind auch von anderer Seite nicht vorzuschlagen, so daß nur unter diesen sechs Punkten zu wählen ist. Von diesen fallen von vornherein fort: die Pescadores, seitdem sie in japanischen Besitz übergegangen sind, sowie ebenso Zhousan. weil China sich 1846 vertragsmäßig gegenüber England verpflichtet hat, diese Insel keiner dritten Macht abzutreten und weil gegenwältig keine Aussicht ist, daß England, welches nach allen vorliegenden Ansichten auch jetzt noch auf diese Insel spekuliert, zu einem Verzicht auf seine Rechte gütlich bewogen werden könnte. Amov erfüllt nach Ansicht des Admirals Hoffmann alle Bedingungen für einen Stützpunkt von Kriegsschiffen und ist außer Hongkong der einzige Hafen an der chinesischen Küste, der für Schiffe jeden Tiefgangs völligen Schutz bietet. Dagegen erklärt Herr von Brandt die Schwierigkeiten, die einem Erwerb von Amoy in Folge seiner Eigenschaft als Vertragshafen entgegenstehen würden, fur wohl unüberwindlich. Die Mirs-Bay ist wegen der Nähe von Hongkong und wegen ihrer Lage im Hauptstrich der Taifune wenig empfehlenswert. Gegen den Erwerb der Montebello-Inseln ist in gleicher Weise wie seinerzeit gegen die Besetzung von Port Hamilton durch England entschiedener Widerspruch von Seiten Rußlands sowie auch Japans zu gewärtigen. 28 Auch abgedruckt in GPEK XIV, S.7-11, Nr.3646.

89 Es bleibt danach die Jiaozhou-Bucht, an der südöstlichen Küste der Halbinsel Shandong, als derjenige Punkt übrig, bezüglich dessen Erwerbsverhandlungen relativ die meiste Aussicht auf Erfolg bieten würden, weil wir dabei allein mit China zu tun haben würden. Nachteile sind allerdings ihre Lage am Festlande selbst, wodurch leicht Verwicklungen mit China herbeigeführt werden können sowie femer der Umstand, daß sie für den Handel erst dann Bedeutung gewinnen würde, wenn einmal, wie in Aussicht genommen ist, ein chinesisches Eisenbahnnetz dort münden sollte. Der Hafen selbst ist nach der Vorstellung des Reichsmarineamtes geräumig und fast gegen alle Windrichtungen geschützt, dagegen wegen seiner nördlichen Lage im Winter nicht eisfrei. Als immerhin empfehlenswerter Erwerb wird die Jiaozhou-Bucht außer vom Reichsmarineamt auch von Herrn von Brandt sowie von dem Kaiserlichen Gesandten, Freiherrn von Schenck, bezeichnet. Nebenher würde ein Vorteil der Jiaozhou-Bucht fur uns auch darin liegen, daß von ihr aus den in Shandong zahlreich angesessenen deutschen (katholischen) Missionsanstalten ein wirksamer Schutz und Rückhalt zuteil werden würde. Von dem Standpunkte aus, daß unsere Bemühungen da einzusetzen sind, wo der geringere Widerstand zu erwarten ist, würden wir hiernach die Erwerbung der Jiaozhou-Bucht anzustreben haben. Mit Rücksicht auf den weit überwiegenden Wert, welcher von dem Reichsmarineamt nächst Zhousan - auf Amoy gelegt wird, könnte indessen zunächst doch der Versuch gemacht werden, die der Erlangung dieser Insel, sei es im Wege des definitiven Eigentumserwerbes, sei es durch Erwerb eines einstweilen zeitlich begrenzten Besitz- oder Verwaltungsrechts entgegenstehenden Schwierigkeiten zu überwinden, gez. Rotenhan Β ΑΜΑ, RM 3 6692, BI. 18-20.

9 Schreiben des chinesischen Gesandten Xu Jingcheng an die Prinzen und Minister des Zongli Yamen (30.12.1895) 29 Bitte um ein Antworttelegramm in einer heiklen Angelegenheit. Der Staatssekretär von Marschall lud mich zu einer Unterredung ein. Dabei führte er aus, daß Deutschland China bei der Zurückerlangung der Liaodong-Halbinsel30 sehr geholfen habe und nun darum bitte, daß China seinerseits den deutschen Handelsinteressen Unterstützung zuteil werden läßt. Die in 29 Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker. 30 Gemeint ist der deutsche Einspruch gegen den Friedensvertrag von Shimonoseki der im April 1895 zwischen China und Japan geschlossen wurde, siehe Einleitung zu Kapitel 1

90 Deutschland gebauten Schiffe seien wesentlich besser als die amerikanischen und die Krupp'schen Stahlerzeugnisse von unübertroffener Qualität. Gegenwärtig bemühen sich die betreffenden Firmen um entsprechende Aufträge in China. Man hoffe deutscherseits sehr auf günstige Vertragsabschlüsse. Außerdem wäre es außerordentlich ungünstig, daß die deutschen Schiffe in China über keinen Ankerplatz verfügen. Deshalb bitte man darum, China möge Deutschland pacht- oder leihweise eine Kohlestation überlassen. So könnten die Schiffe auf der einen Seite die deutschen Handelsinteressen schützen, auf der anderen Seite die Konstellation der Mächte im Fernen Osten ausbalancieren. Sollte es zu Verwicklungen kommen, könnte Deutschland aktiv werden. Das sei auch fur China von großem Nutzen. Auf keinen Fall seien mit diesem Wunsch irgendwelche expansionistischen Ambitionen verbunden. Jeder Argwohn sei daher grundlos. Ich antwortete, daß China ganz gewiß nicht Deutschland mißtrauen würde. Doch wenn man der leihweisen Überlassung eines Platzes an Deutschland zustimmte, folgten die anderen Mächte ganz gewiß mit ähnlichen Forderungen, was China große Kalamitäten bereiten würde. Darauf entgegnete Marschall, daß England im Besitz von Hongkong und Frankreich von der Guangdong-Bucht sei. Allein Deutschland stehe mit leeren Händen da. Überdies würde ja sogar Rußland schon über einen Ankerplatz fur seine Schiffe im Winter verfügen. Ich verwies darauf, daß es sich in diesem Fall nur über eine vorübergehende Erlaubnis handeln würde. Die russischen Schiffe dürften lediglich vor Anker gehen, während das Land nicht betreten werden soll. Die Pacht eines Platzes würde hingegen den Verlust der Souveränität bedeuten. Marschall sagte, man wäre bereit zu erklären, daß mit der Pacht das Souveränitätsverhältnis zu China nicht in Frage gestellt werde. Er habe einige Mitarbeiter bereits angewiesen, über entsprechende Formulierungen nachzudenken. Es ist zu befürchten, daß der Herr Staatssekretär weitergehende Pläne hat und auf die Angelegenheit noch ausführlicher zu sprechen kommen wird. Die Angelegenheit ist äußerst heikel. Ich bitte deshalb um geneigte Instruktionen. 30. Dezember. OJWSL 119:5.

10 Schreiben des Unternehmers Wahl an den Reichskanzler Hohenlohe (26.5.1896) Köln, den 26. Mai 1896 Euer Durchlaucht wollen geneigtest gestatten, daß ich in meiner Eigenschaft als Reeder und Correspondenzreeder der in den chinesischen Gewässern beschäftigten deutschen Seedampfer Cosmopolis, Independent, Loyal, Dante und Petrarch, zu welchen sich demnächst noch der Dampfer Hansa gesellen wird, auf die zunehmende Bedeutung des von Deutschen in Ostasien vor-

91 nehmlich in China betriebenen Schiffahrts- und Handelsgewerbes ehrerbietigst aufinerksam mache und Eure Durchlaucht geziemendst bitte, unseren Bestrebungen Unterstützung verleihen zu wollen. Nächst England beschäftigt Deutschland die größte Zahl von Schiffen in chinesischen Meeren. Deutsche Reederei- und Handelshäuser sind in allen bedeutenden Vertragshäfen dieses Landes etabliert und stehen durch den Umfang ihrer Geschäfte und die kommerzielle und soziale Stellung ihrer Leiter meist an der Spitze der sämtlichen der ansässigen europäischen Firmen. Deutsches Kapital ist an der Schiffahrt in den chinesischen Gewässern, an dem Handel mit diesen Ländern und auch an der daselbst entstehenden Industrie mit vielen Millionen interessiert. Bei dieser starken Beteiligung deutscher Interessen an dem volkswirtschaftlichen Leben Chinas fragt es sich, besonders auch mit Rücksicht auf die berechtigte Hoffnung, daß dieses im Vergleich zu unzivilisierten Kolonialgebieten jetzt schon hoch zivilisiert zu nennende Riesenreich in gegebener Frist dem europäischen Handel gänzlich geöffnet werden wird, ob unter den gegenwärtigen Verhältnissen die Stellung der Deutschen in China genügend befestigt sei, um ihnen gleich günstige Aussichten wie den Angehörigen anderer Nationen fur ihre fernere Tätigkeit zu gewährleisten. - Diese Frage ist entschieden mit nein zu beantworten, ganz besonders im Vergleich mit der Position, die England daselbst einnimmt. Dem leuchtenden Beispiel, welches für seine Schiffahrts- und Handels-Interessen uns England in dem englischen Hongkong gegenüberstellt, aber auch den französischen Erwerbungen im Süden, den russischen jüngsten Festsetzungen im Norden, den seit alters bestehenden holländischen und spanischen Niederlassungen auf den diesen Nationen gehörenden Inselgruppen, dem nun japanisch gewordenen Formosa mit den Pescadores-Inseln, dem portugiesischen Macao, alles Besitzungen, die in lebhaftem Schiffahrts- und Handelsverkehr mit China stehen, kann Deutschland bis jetzt leider einen, wenn auch noch so bescheidenen deutschen Stützpunkt ftir seinen Handel und seine Schiffahrt nicht an die Seite setzen. Dies ist aber dringend nötig, wenn anders nicht die deutsche Reederei und der deutsche Handel, statt vorwärts zu schreiten, zurückgehen soll. Von Wünschen und Hoffnungen kolonialer Natur schweigend, die gegenüber den Bestrebungen und Erfolgen anderer Nationen für Deutschland bei der - wenn auch vorerst nur wirtschaftlichen - Aufteilung Chinas als deutsche Interessensphäre die Flußgebiete des Yangzi im Norden und Xijiang im Süden respektive die durch dieselben nördlich und südlich begrenzten Provinzen angesehen wissen möchten, gestatte ich mir Eure Durchlaucht mit gegenwärtigem vorgebrachtem Gesuch nur die große Wichtigkeit eines deutschen Stützpunktes im südlichen China als Mittelpunkt fur die deutschen Schiffahrts- und Handelsinteressen zu betonen. Die jüngst in einigen chinesischen Vertragshäfen erlangten Konzessionen zur Anlage deutscher Stadtviertel auf den betreffenden chinesischen Stadt-Territorien sind sicherlich als ein dankenswerter Erfolg für Deutschland zu bezeichnen und werden gute Früchte tragen; was uns aber hauptsächlich Not tut, ist der Besitz eines deutschen Territoriums im Süden, mög-

92 liehst nahe bei Hongkong, um dahin einen Teil des Handels und der SchifFahrt von Hongkong, Kanton und dem ganzen Flußgebiete des Kanton-Flusses (Xijiang) ablenken zu können, um daselbst einen Stapelplatz für deutsche Industrie- und Handelsprodukte zu errichten, um eine deutsche Kohlenstation und vornehmlich, um deutsche Dock- und Schiffsreparaturen-Anstalten zu schaffen. Ohne in eine Schilderung der großen Vorteile, die durch ein deutsches „Hongkong" dem deutschen Handel erwachsen müßten, hier näher einzugehen, möchte ich nur vom Standpunkt der deutschen Reederei aus die Notwendigkeit des Erwerbs eines solchen Punktes Eure Durchlaucht gehorsamst vortragen. Die in China verkehrenden zahlreichen deutschen Dampfer sind fur ihre Bedürfhisse speziell für alle notwendig werdenden Reparaturen ausschließlich angewiesen auf außerdeutsche Häfen und fremdländische Einrichtungen, und zwar zieht England durch sein Hongkong den Löwenanteil des derart zu verausgabenden deutschen Kapitals an sich. Kostspielige Reparaturen in englischen Docks werden den deutschen Dampfern durch den Machtspruch englischer surveyors (Schiffsbesichtiger) auferlegt, sowohl anläßlich der periodisch wiederkehrenden Klassifikationsbesichtigungen als hauptsächlich dann, wenn die Erlaubnis, von Hongkong aus Passagiere zu befördern, eingeholt werden muß. So drückend sind diese Anforderungen besonders in den letzten Jahren geworden, daß deutsche Reeder lieber auf das Geschäft von Hongkong aus Verzicht geleistet haben, als sich ihnen zu fugen. Der englischen Reederei, welcher wie behauptet wird, seitens ihrer landsmännischen Surveyors weit weniger Schwierigkeiten gemacht werden, kommt das rigorose Vorgehen gegenüber den deutschen Dampfern direkt zugute, und speziell das Hongkong Passagier-Geschäft (vorzugsweise die Beförderung chinesischer Auswanderer) ziehen die englischen Schiffe immer mehr an sich. Hier kann zu Gunsten der deutschen Reederei nur Wandel geschaffen werden, wenn ein Teil dieser südchinesischen Emigration nach einem deutschen Hongkong abgeleitet wird und von da in Schiffen, ausgerüstet nach den Vorschriften einer deutschen Behörde. Weiterbeförderung findet. Natürlich müßte die deutsche Niederlassung der SchifFahrt in technischer Hinsicht die gleich guten Einrichtungen bieten, wie dies im englischen Teil geschieht. Neben der Möglichkeit, daselbst ihre Kohlenvorräte ergänzen bzw. beschaffen zu können, muß vor allem den deutschen Schiffen eine große praktische Dock-Anlage nebst Schiffs- und Maschinen-Werkstätte zur Verfugung stehen. - Ich kann hierzu mit Zuversicht meine Meinung dahin aussprechen, daß für ein solches Unternehmen das erforderliche Kapital in Deutschland jederzeit leicht aufgebracht werden wird. Die gesamte deutsche Reederei und meines Erachtens auch die deutsche Marine wird es mit Freude begrüßen, wenn der Tag gekommen sein wird, an welchem die deutschen Schiffe in Ostasien aufhören werden, den englischen Werften tributpflichtig zu sein, und Euer Durchlaucht werden sich auf alle Zeiten den größten Dank aller beteiligten Kreise sichern,

93 wenn Hochdieselben dem deutschen schiffahrtlichen Unternehmungsgeist das chinesische Wirkungsfeld durch Erwerb eines deutschen Handelsmittelpunktes dauernd erschließen. Mit der ergebensten Bitte, die Freiheit entschuldigen zu wollen, mit der ich gewagt habe, die Wünsche und Hoffhungen der beteiligten Kreise Euer Durchlaucht vorzutragen, verharre ich in vorzüglicher Hochachtung als Euer Durchlaucht gehorsamster gez. Rudolph Wahl jr. ΒΑΜΑ, RM 3 6692, Bl. 206-209.

11

Schreiben des deutschen Gesandten Heyking an den Reichskanzler Hohenlohe (22.8.1896) Abschrift

Peking, den 22. August 1896

A. 10473, gez. 11. Oktober 1896 a.m. A.Nr. 102 Geheim! Durch Depeschenkasten Bei meiner Zusammenkunft mit dem Admiral Tirpitz in Zhifii hatte derselbe mir sogleich von den Vorzügen der Jiaozhou-Bucht gesprochen3), die einen sicheren Ankerplatz biete, leicht und mit geringen Kosten fiir den ersten Bedarf zu befestigen sein würde, und deren Umgebung auf dem Festlande, wenn man dem bekannten Richthofenschen Werke 31 über China Glauben schenken wollte, größte wirtschaftliche Vorteile dank der in der Nähe befindlichen Steinkohlenlagern bieten könnte. Das verhältnismäßig kühlere Klima der Jiaozhou-Bucht würde unseren eventuell dort stationierten Mannschaften gesundheitlich zuträglicher sein als die hohe Temperatur, die in den Südhäfen Chinas herrscht - das ungünstige Ergebnis einer im vergangenen Jahre ausgeführten Besichtigung der Jiaozhou-Bucht bezeichnete Admiral Tirpitz als auf ungenügender Beobachtung beruhend und äußerte die Absicht, demnächst selbst die Bucht zu besuchen und genauere Nachforschungen anzustellen. Ich wandte dem Admiral sogleich ein, daß, soviel mir bekannt, die Russen die JiaozhouBucht als zu ihrer Interessensphäre gehörig betrachteten, wie denn auch mehrere russische Kriegsschiffe dort bereits den vergangenen Winter zugebracht hätten. Da der Admiral aber die Ansicht vertrat, daß die Russen bereits mit Korea und Liaodong genug zu tun hättenb), und ihnen dort geeignete und ihrer Basis näher gelegene Häfen zur Verfügung standen, und er dabei immer wieder die Vorzüge der Jiaozhou-Bucht als Flotten-

31 Siehe Dok. 3

94 station hervorhob, so nahm ich mir vor, mir sobald wie möglich über die Beziehungen der Russen zu genannter Bucht Klarheit zu verschaffen. Die Gesprächigkeit des Grafen Cassini, der mich sehr liebenswürdig als einen alten Bekannten empfing, gab mir bald Gelegenheit, der Jiaozhou-Bucht Erwähnung zu tun mit dem Bemerken, ich hätte soeben die Bucht von Zhifu kennengelernt und gesehen, daß es ein bei rauher Witterung gänzlich unbrauchbarer Ankerplatz sei; die südlich gelegene JiaozhouBucht sei wohl gesicherter und wäre deshalb von den russischen Schiffen zur Überwinterung gewählt worden. Graf Cassini erwiderte mir darauf fast wörtlich: „Ich will ganz offen mit Ihnen reden: Wir brauchen durchaus einen eisfreien Hafen, was Vladivostok nicht ist. Bisher haben wir in Korea keinen geeigneten Hafen gefunden, und, wie ich ausdrücklich erwähnen will, mit Port Arthur ist es auch nichts. Zhifu ist, wie Sie selbst gesehen haben, unbrauchbar; da ist die Jiaozhou-Bucht der einzige nächstgelegene Platz, den wir finden können"0). Dann setzte Graf Cassini hinzu: „Wenn deutsche Schiffe für den Winter nach der Jiaozhou-Bucht kommen wollen, so werden wir sie gerne willkommen heißen, ebenso auch französische Schiffe, falls Sie mich aber fragen wollten, ob wir englische Schiffe dort hineinlassen würden, so würde ich antworten: Nein! Denn die Jiaozhou-Bucht ist uns offiziell von den Chinesen als Winterstation fiir unsere Flotte eingeräumt worden." - Nach einigen Bemerkungen über Korea fugte Graf Cassini noch hinzu. „Ich kann ja nicht sagen, daß wir mit der Zeit nicht auch auf Korea einen guten Hafenplatz finden werden, zur Zeit aber ist dies nicht der Fall." Graf Cassini teilte mir dann noch mit, daß eine erhebliche Verstärkung des russischen Geschwaders in den chinesischen Gewässern in Aussicht stehe; namentlich würden einige stark gebaute, aber flach gehende Kanonenboote hergesandt werden, die imstande wären, die Flüsse weit aufwärts zu befahren und z.B. bis vor die Dagu Forts bei Tianjin vorzudringen. Er fugte hinzu, er glaube, daß solche Fahrzeuge fiir die hiesigen Verhältnisse von besonderem Nutzen wären, und daß auch wir die Notwendigkeit empfinden würden, solche Kanonenboote bei unserem Geschwader zu haben. Ich habe mittelst vertraulichen Privatschreibens Admiral Tirpitz davon benachrichtigt, daß die Jiaozhou-Bucht bereits von russischer Seite ins Auge gefaßt worden sei, und daß ich ihn bäte, von derselben absehen zu wollen. Wie der Kaiserliche Vizekonsul Dr. Lenz übrigens unter dem 12. des Monats meldete, hat Admiral Tirpitz am Tage vorher auf Seiner Majestät Schiff „Kaiser" die Jiaozhou-Bucht besucht.32 gez. Frh. v. Heyking a)

Randvermerk Seiner Majestät: Also doch!

32 Der Chef des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders, Alfred von Tirpitz, berichtet über seinen Inspektion der Jiaozhou-Bucht im August 1896 nach Berlin Tirpitz meldete, daß die Jiaozhou-Bucht im Winter nicht vereise, vgl. Tirpitz an Knorr, 5.9.1896, in; ΒΑ/ΜΑ, Ν 253/45, Bl. 22-32, siehe auch Einleitung zu Kapitel 1.

95 b)

Randvermerk Seiner Majestät: Die Bucht konnten wir im vorigen Sommer haben, und da wollte die Marine nicht, ich war bestimmt dafür!

c)

Randvermerk Seiner Majestät: Den haben wir uns nett verscherzt!

ΒA/M A, RM 3/6693,

Bl.

27-29.

12 Memorandum des deutschen Seezolldirektors Detring (12.10.1896) Berlin, 12. Oktober 1896 Eurer Exzellenz beehre ich mich, im Anschluß an die Unterredung vom 4. Oktober, beifolgendes Memorandum zu unterbreiten, worin ich mir erlaube, die Punkte zu rekapitulieren welche gelegentlich der Behandlung der von China erstrebten Erhöhung des Seezolltarifs sowohl im Hinblick auf die Interessen Chinas als auch diejenigen des deutschen Konsuls sorgsamer Erwägung wert erscheinen. Indem ich fiir den Inhalt des Schriftstückes wohlwollende Beachtung erbitte, verbleibe ich Euer Exzellenz ganz ergebener Diener Detring Memorandum betreffs der von China gewünschten Revision des Zolltarifs. China ist durch die Ereignisse der letzten Jahre in seiner finanziellen Lage in unerwarteter Weise geschwächt worden. Die Kriegsentschädigungen haben Anleihen notwendig gemacht, deren Verzinsung und Amortisation die einzigen disponiblen Einnahmen, die der Seezoll-Verwaltung, fast vollkommen aufzehren. Diese Einnahmen, selbst eine Neuerung der letzten Jahrzehnte, wurden seit ihrem Bestehen die reichlich fließende Quelle zur Entwicklung aller Neuerungen, welche Chinas politische Stellung in kommerzieller und militärischer Beziehung festigen sollten. Lediglich Mangel an Interesse in den maßgebenden chinesischen Kreisen war die Ursache der langsamen, fast widerwilligen Entwicklung, deren direkte Folge die deprimierenden Resultate des letzten Krieges wurden. Derselbe hat jetzt das Interesse für eine rationellere schnellere Entwicklung auch in den maßgebenden chinesischen Kreisen wachgerufen, dahingegen sind die notwendigen finanziellen Mittel durch die Kriegsentschädigung erschöpft. Einfuhrung neuer Taxen und Steuern würde, abgesehen von dem Widerstand der Massen gegen dieselben, eine solche Unmenge von Reformen in der ganzen Administration und Finanzwirtschaft Chinas bedingen, daß Resultate erst nach jahrelangen inneren Kämpfen und Wirren zu erwarten wären.

96 Naturgemäß strebt China danach, die finanziellen Mittel für die beabsichtigten Neuerungen durch Erhöhung derjenigen Einnahmen zu beschaffen, welche am wenigsten in das volkswirtschaftliche Leben eingreifen, und steht dabei auf dem Standpunkt, daß den fremden Mächten durch die einzuführenden Neuerungen selbst das genügende Äquivalent für die Erhöhung der Seezölle geboten wird. In diesem Sinne hat der Botschafter Li Hongzhang die Frage einer möglichen ZolltarifRevision bei den europäischen Höfen und den Vereinigten Staaten angeregt. Der Zweck der Tarifrevision hat folgende Formulation erhalten: „In den Jahren 1842 und 1861 wurde bei Feststellung des zur Zeit bestehenden Tarifs unter Zugrundelegung des damaligen Silberwertes ein Zoll auf der Basis von 5% berechnet. Seit der Zeit ist das Wertverhältnis zwischen Gold und Silber zu ungunsten des letzteren auf die Hälfte gefallen. Um die alte Basis wiederherzustellen, wünscht China den in Silber zahlbaren Zoll auf 10% ad valorem zu erhöhen." Vom Standpunkt der Billigkeit aus kann diese Forderung Chinas nicht zurückgewiesen werden; der Wert gerade der Zoll-Einnahmen bemißt sich für China nach dem Goldwert des Silbers, denn mit demselben sollen die mit Gold zu bezahlenden Anschaffungen im Ausland auf den verschiedenen Gebieten der Reorganisation gedeckt werden. Die politische Lage Chinas erlaubt es nicht, in Gemäßheit der Präzedenzfälle in Österreich und Rußland zu handeln und aus eigener Entschließung die Umwandlung der Silberzölle in Goldzölle zu dekretieren. Andererseits ist es ausgeschlossen, die verschiedenen AblaufsTermine der bestehenden Handelsverträge abzuwarten. China wendet sich daher mit seiner Forderung an das Billigkeitsgefuhl der Vertragsmächte und hat teils direktes, teils bedingungsweises Entgegenkommen gefunden. Deutschland hat seine Bedingungen in bestimmter Weise formuliert, England hat eine zuwartende Haltung eingenommen und wird jedenfalls seine Forderungen nach den in Aussicht stehenden Konzessionen an die anderen Mächte bemessen. - Aus diesem Grunde wird die Forderung Deutschlands auf Abtretung einer Kolonie bei der chinesischen Regierung auf langwierigen Widerstand stoßen, denn sie muß gewärtig sein, daß England, und in seinem Gefolge die anderen Mächte, ähnliche Forderungen auf Gebietsabtretungen stellen werden. Will aber Deutschland die Bewilligung seiner Forderung erzwingen, so wird seine Aktion die Konkurrenz der Mächte wachrufen; damit würde die Auflösung des chinesischen Reiches begonnen haben. Es kann nicht im Interesse des deutschen Reiches liegen, den vorzeitigen Anstoß zu einer derartigen Machtverschiebung im Osten Chinas gegeben zu haben, noch entspricht dies den friedliebenden Prinzipien, welche die Politik Deutschlands von jeher charakterisierten. Aber auch vom praktischen Standpunkt aus würde Deutschland bei einem solchen Vorgehen am wenigsten gewinnen.

33 Siehe Aufzeichnung Marschall, 19.6.1896, in: GPEK XIV:2734 (Nr. 3663). Li Hongzhang bot chinesisches Entgegenkommen in der Stützpunktfrage für den Fall an, daß Deutschland sich für die Erhöhung der Tarife einsetzen würde

97 Die faktische Macht, welche Deutschland an den Grenzen Chinas ohne weiteres entwikkeln kann, ist im Vergleich zu Rußland, England, Frankreich und Japan gering. Das Expansionsbestreben dieser Mächte an den Grenzen wird einen großen Teil chinesischen Territoriums absorbieren, während Deutschland nur mit Hilfe seiner Flotte imstande wäre, sich an einem Punkt der Küste festzusetzen. Ich nehme an, daß die deutsche Politik auf Grund der Erfahrungen des letzten Krieges einen möglichen Zusammenbruch des chinesischen Reiches ins Auge faßt und daher die Forderung auf eine Gebietsabtretung gestellt hat. Im Interesse Deutschlands aber kann es aus obigen Gründen nur liegen, den Zeitpunkt dieser Auflösung so weit hinauszuschieben als nötig ist, um für sich die Basis zu einem entscheidenden und übermächtigen Eingreifen in die Ereignisse zu schaffen. Deutschland wird daher vorläufig nach der Erhaltung Chinas streben müssen; dies steht im Einklang mit der kulturerziehenden Mission, die es bisher in China verfolgte. Gerade in weiterer energischer Verfolgung seiner kulturhistorischen Mission liegen aber für Deutschland auch die Mittel zur Festlegung seiner Machtstellung in China gegenüber derjenigen der anderen Vertragsmächte, vor allem aber auch sind darin die Mittel zu finden zur Erlangung des naturgemäßen Äquivalents, welches man mit Recht von China für die beabsichtigte Tariferhöhung fordern kann. In diesem Sinne kommen in erster Linie in Betracht: 1. die Entwicklung und Erschließung weiterer Handelsstraßen und daran anschließend die Entwicklung einer zu diesem Zweck notwendigen Industrie, 2. die Festigung der Machtstellung der Zentralregierung nach innen. In bezug auf den ersten Punkt sind zwei wesentlich verschiedene Momente zu unterscheiden: Eröffnung von Flußläufen Eröffnung von Eisenbahnlinien. Die ersteren würden naturgemäß unter die Kontrolle der fremden Zollverwaltung fallen, deren Führung seit ihrem Bestehen in den Händen Englands liegt. Die letzteren sind, soweit ihre Entstehung in Aussicht genommen worden ist, unter der direkten Kontrolle chinesischer Lokalbehörden und ihr Ausbau sowie ihre Verwaltung der empirischen Fachkenntnis chinesischer Amateure ausgesetzt. Sollen die zukünftigen Eisenbahnen, welche die Handelszentralen im Innern Chinas untereinander verbinden werden, dem europäischen Handel und Verkehr den Nutzen bringen, welchen man durch die Konzession auf dem Gebiete des Zolltarifs berechtigt ist, von ihnen zu erwarten, so müssen sie einer ähnlichen Kontrolle unterliegen, wie jetzt der Verkehr europäischer Handelsschiffe an der Küste und in den geöffneten Flüssen zwischen den Vertragshäfen. Es muß für die Eisenbahnen Chinas eine ähnliche Institution geschaffen werden wie die des Seezollwesens, welche unter der verantwortlichen Leitung eines Generalinspektors mit einem organisierten Stab europäischer Fachmänner und Verwaltungsbeamten die großen Bahnlinien baut, verwaltet und den kommerziellen Verkehr auf denselben kontrolliert. Diese Behörde wird die einzelnen Linien fi-

98 nanziell und technisch durchführen, durch ihre Verwaltung die Rentabilität derselben sicherstellen und den Verkehr auf denselben regeln. Ähnlich wie die Seezollbehörde wird auch diese Eisenbahnbehörde unter der direkten Führung einer der Vertragsmächte stehen, und diese Führung soll sich Deutschland sichern. Das Kartell der deutschen und englischen Finanz in bezug auf China hat hierfür zum großen Teil eine unbewußte Vorarbeit getan. Deutschland ist nächst England die erste Handelsmacht in China und England wird, unter der Voraussetzung der Aufrechterhaltung des Finanzkartells, wahrscheinlich bereit sein, Deutschland die Führung in Eisenbahnsachen zu überlassen, wenn Deutschland sich seinerseits verpflichtet, die englische Führung des Zollwesens gegen etwa sich wiederholende Angriffe von französischer Seite zu stützen. Hauptsächlich von der Bereitwilligkeit des deutschen und englischen Kapitals wird der Bau der chinesischen Eisenbahnen ohnedies abhängen, und anstelle der jetzt oft intrigenreichen Konkurrenz für Materiallieferung wird eine freie Konkurrenz auf dem Wege der Submission treten, welche zugleich den kapitalliefemden Ländern eine Prorata-Beteiligung ihrer Industrie sichern soll. Hiervon abgesehen aber wird Deutschland einen direkten Nutzen für sich aus dem Heer von deutschen Technikern und Beamten ziehen, welche in gleicher Weise in China eine lohnende und einflußreiche Tätigkeit finden. Im engen Anschluß an eine derartige Entwicklung steht der zweite Punkt, „die Festigung der Machtstellung der Zentralregierung nach innen". Bei den divergierenden Interessen der einzelnen Lokalbehörden und dem oft empfundenen Widerstand derselben gegen den uneingeschränkten Verkehr europäischen Handels im Innern wird die Zentral-Regierung einer besonderen Stärkung bedürfen, um die Innehaltung des eben entwickelten Programms zu ermöglichen. Die Zentralregierung hat dieses Bedürfnis bei verschiedenen Gelegenheiten empfunden und ist während des letzten Krieges zu der Erkenntnis gekommen, daß sie diesem Bedürfnis gerecht werden muß. - Dieser Wunsch, in enger Verbindung mit der erwiesenen Unbrauchbarkeit der Streitkräfte, hat zu verschiedenen Reorganisationsplänen auf militärischem Gebiet Veranlassung gegeben. China hat sich dieserhalb direkt an die deutsche Regierung um Unterstützung gewandt, welche in Form von Entsendung tüchtiger Offiziere erbeten wurde. Die deutsche Regierung hat sich im Prinzip bereit erklärt, den Wünschen Chinas zu entsprechen, jedoch scheiterte bis jetzt das Zustandekommen einer derartigen militärischen Mission teils an unklaren Begriffen auf chinesischer Seite, teils an Privatintrigen kleinerer chinesischer Würdenträger, teils durch den bekannten Fall Krause in Nanking. Seitens der deutschen Regierung wird die außerordentliche Tragweite einer militärischen Mission im größeren Sinne anerkannt und ihre Durchführung an höchster Stelle gewünscht. Um unter den obwaltenden Umständen die chinesische Regierung zu ihren ursprünglichen Absichten zurückzuführen, muß eine direkte Annäherung behufs Klärung der Ideen stattfinden. Die meistversprechende Form hierfür würde durch die Entsendung desjenigen Offiziers gegeben sein, welcher zum Leiter der Militärmission ausersehen war und sich der besonderen Wertschätzung des Botschafters Li Hongzhang und des hiesigen chinesischen Gesandten erfreut. Die Ratschläge, welche der betreffende Offizier der chinesischen Regierung in bezug

99 auf militärische Reorganisation zur Disposition stellen kann, werden, gestützt auf das Prestige einer solchen außerordentlichen Mission, von einem derartigen Gewicht sein, daß mit Sicherheit der gewünschte Erfolg in Aussicht steht. Das Zusammenwirken der reorganisierenden Militärbehörde und der organisierenden Eisenbahnbehörde würde Deutschlands Einfluß eine solche Präponderanz in China geben, daß man trotz mangelnder Kolonialbesitzung ruhig einer möglichen Katastrophe im Bestehen des heutigen Kaiserreichs China entgegensehen könnte, ohne befurchten zu müssen, bei der Teilung der chinesischen Welt die Rolle des Poeten zu spielen. Bis dahin aber würde Deutschland mit seiner sich selbstgestellten kulturerziehenden Aufgabe im vollsten Maße gerecht geworden sein und als wahrer Freund Chinas die wertvollsten praktischen Erfolge erzielen, welche ihm, unter anderem, nicht nur eine Kohlenstation, sondern die sämtlichen Häfen der Küste Chinas fur alle Eventualitäten offen halten würden. Im Anschluß hieran beehre ich mich, folgende Vorschläge zu machen, die die ersten Schritte zur Realisierung dieser Ideen bilden: 1. Der kaiserliche Gesandte in Peking sollte angewiesen werden, seine Forderung auf Abtretung einer Kolonie zu sistieren, 2. Seine Majestät der Kaiser sollte den Obersten L i e b e r t in außerordentlicher Mission nach China entsenden, 34 um dem Kaiser von China ein vertrauliches Handschreiben zu überbringen, in welchem die freundwilligen Absichten der deutschen Regierung ihren Ausdruck finden, begleitet von einem sichtbaren Zeichen dieser Gesinnung in Form eines höchsten Ordens und der Bilder ihrer Majestäten, 3. von maßgebender deutscher finanzieller Seite sollte die Frage eines deutsch-englischen Kartell-Syndikats fur chinesische Eisenbahnen in Erwägung gezogen werden und nach Übereinkunft mit den englischen Finanzkreisen durch einen gemeinsamen Agenten dieser Gruppe der chinesischen Regierung der Plan zur Bildung eines General-Inspektorats für Eisenbahnen in China unterbreitet werden. Zum Schlüsse erwähne ich, daß Unterzeichneter bereit ist, in Begleitung des Oberst L i e b e r t nach China zu gehen, um dort im Anschluß an die beabsichtigte Tarif-Revision die Frage des „do ut des" im Sinne des Eisenbahn-Projekts einzuleiten. PAA, China 7, Bd.2,

unfoliiert.

34 Die Entsendung des Oberst Liebert war bereits geplant, wurde aber abgesagt, nachdem Fürst Radolin meldete, daß der chinesische Gesandte in Petersburg angeblich geäußert hätte, eine solche Maßnahme wurde in China als Zeichen der Schwäche gedeutet werden, siehe Hohenlohe an Wilhelm II., 23.11 1896, in: GPEK XIV, S.42, Nr.3667.

100

13 Schreiben des Chefs des Marinekabinetts, Senden-Bibran, an den Oberkommandierenden der Marine, Knorr (28.1.1897) Abschrift

Berlin, den 28. Januar 1897

Seine Majestät der Kaiser und König haben auf den Bericht des Kaiserlichen Oberkommandos vom 6. des Monats - A I 2 betreffend Jiaozhou-Bucht,35 dahin Entscheidung zu treffen geruht, daß den weiteren Vorarbeiten, in Übereinstimmung des Oberkommandos und des Kaiserlichen Marineamts, die Bildung einer Kolonialtruppe zugrunde zu legen ist. In Erledigung des mir erteilten allerhöchsten Befehls beehre ich mich, das Kaiserliche Oberkommando hiervon unter dem Anheimstellen des weiteren gehorsamst in Kenntnis zu setzen. gez. Frhr. von Senden BA'MA, RM 3/6693, Bl. 145-146.

14 Memorandum der Prinzen und Minister des Zongli Yamen (13.2.1897) 37 Da sich die Lage in bezug auf die Jiaozhou-Bucht in der Provinz Shandong ernsthaft zugespitzt hat, ersuchen Prinz Gong und die Minister des Zongli Yamen darum, an diesem Ort die Errichtung von Docks und die Stationierung von Truppen und Schiffen vorzubereiten, um damit Verteidigungsmaßnahmen einzuleiten und ausländischen Übergriffen vorzubauen. Wir haben ermittelt, daß die innere Bucht von Jiaozhou breit und tief genug ist, um große Schiffe aufzunehmen. Die äußere Bucht ist schmal und abgeschlossen, sie eignet sich gut zu Verteidigungszwecken. Zu beiden Seiten der Einfahrt bilden Berge eine Barriere, so daß eine 35 In dem Bericht wurde angefragt, ob eine Kolonialtnippe oder eine Marinetruppe die Besetzung durchführen solle. Dabei vertrat der Oberkommandierende der Marine, Knorr, den Standpunkt, daß die Bereitstellung von Truppen fur Kolonien nicht der Marine zufalle, und sprach daher sich klar gegen die Verwendung von Marinetruppen in einer künftigen Kolonie in China aus. Außerdem meldete Knorr, daß das Ostasiatische Kreuzergeschwader angewiesen wurde, Schiffe für eine eventuelle Besetzung einer Bucht an der chinesischen Küste vorzubereiten, siehe Knorr an Wilhelm II., 6.1.1897, BA/MA, RM3/1835, Bl 116-118. 36 Die Kolonialtruppe sollte - wie die anderen Kolonialtruppen auch - vom Auswärtigen Amt aufgestellt und befehligt werden, vgl. Wippich 1987:327 und Einleitung zu Kapitel 1. 37 Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker.

101 feindliche Flotte nicht durch Umgehung einen Überraschungsangriff starten kann. Das Klima ist mild, und im Winter ist der Platz eisfrei. Daher eignet sich dieser natürliche Hafen bestens für Marinezwecke. Im November 1895 ersuchte die russische Flotte darum, den Platz pachten zu dürfen, um dort den Winter über vor Anker zu gehen. Ich erhielt den kaiserlichen Befehl, Xu Jingcheng zu entsenden, um mit dem russischen Außenministerium einen Vertrag abzuschließen, in dem ein vorübergehendes Ankerrecht vereinbart wurde. Bei Einsetzen der Schneeschmelze im Frühjahr sollte die Flotte die Anker lichten. Der Sekretär des Deutschen Auswärtigen Amtes, Marschall, stellte unter dem Hinweis darauf, daß die Briten Hongkong, die Franzosen Saigon und die Russen Vladivostok besäßen, an Xu Jingcheng die Bitte, daß China an Deutschland einen Ort verpachten möge, wo dessen Kriegsschiffe im Fernen Osten ankern können. Die deutschen Gesandten Schenck und Heyking suchten in Peking wiederholt das Zongli Yamen auf und erbaten irgendeine Insei für Deutschland. Im Januar dieses Jahres brachte Heyking das Gespräch auf die Bucht von Jiaozhou und wollte diese für Deutschland erwerben. Obwohl dieses Ersuchen von uns jedesmal strikt zurückgewiesen wurde und sich die Pläne Deutschlands in bezug auf die Pacht eines Ortes nicht erfüllten, so ist nicht auszuschließen, daß in Zukunft nicht wieder solche Forderungen erhoben werden. Wir haben gemeinsam darüber beraten, daß wir eine aktive Strategie benötigen, um die Hoffnungen der Ausländer auf Erfolg zu zerstreuen. Im September des vorigen Jahres erhielten wir den Befehl, drei deutsche und zwei englische Schnellboote sowie drei deutsche Torpedoboote anzukaufen. Die Produktion der Schiffe ist bereits in Angriff genommen worden. Wir hoffen, daß die Boote zwischen Winter dieses und Frühjahr nächsten Jahres nacheinander in China eintreffen werden. Wenn diese Kriegsschiffe in Jiaozhou vor Anker gehen, können wir unser Nest schützen und so die Absichten der Feinde durchkreuzen. Deshalb müssen wir schleunigst die Bauarbeiten zum Ausbau des Hafens abschließen. Unser Yamen hat Wang Wenshao und Li Bingheng bereits telegraphisch angewiesen, die Angelegenheit weiter voranzutreiben. Wir bitten darum, die beiden telegraphisch aufzufordern, einen Beamten nach Jiaozhou zu entsenden, um den Stand der Dinge in Erfahrung zu bringen. Danach sollen die beiden entscheiden, wie weiter zu verfahren ist und dem Yamen entsprechende Kartenskizzen einreichen. Sie sollen veranschlagen, wieviel Geld vonnöten ist. Nach entsprechender Beratung werden wir das Haushaltsministerium verständigen und um sukzessive Zahlung bitten. Hiermit reichen wir am 13. Februar 1897 unsere Throneingabe ein. Q.JWJSL

12S:8f.

38 Siehe hierzu Einleitung zu Kapitel 1.

102

15 Telegramm des Reichskanzlers Hohenlohe an Kaiser Wilhelm II. (11.11.1897) Ich erwarte den russischen Botschafter, um demselben das Nachfolgende mündlich und schriftlich für seine Regierung zu eröffnen: „Niemals, seit es eine Weltgeschichte gibt, ist eine politische Frage offener und loyaler behandelt worden als die Jiaozhoufrage seitens unseres allergnädigsten Herrn dem Kaiser von Rußland gegenüber. In Peterhof haben die beiden Monarchen über Erwerbungen in China gesprochen; der Kaiser von Rußland bezeichnete damals als das von Rußland zu erstrebende Ziel den Hafen Pingjang an der Mündung des Jaluflusses.39 Später erklärte Graf Lamsdorff unserem Geschäftsträger, daß Rußland keine Rechte auf Jiaozhou geltend zu machen habe. Ferner erklärte der russische Admiral in den ostasiatischen Gewässern dem deutschen Admiral wiederholt, Rußland mache keinen Anspruch auf Jiaozhou, wolle sich dort nicht einrichten, weil dieser Punkt von Rußlands militärischer Operationsbasis zu weit entfernt liege. Als jetzt die Ermordung deutscher Missionare nicht weit von Jiaozhou ein deutsches Vorgehen gerade gegen diesen Hafen dringend wünschenswert machte, fragte Seine Majestät der Kaiser noch einmal direkt beim Kaiser Nikolaus deswegen an und erhielt von diesem die Antwort, daß Kaiser Nikolaus die deutsche Aktion weder billigen noch mißbilligen könne, da Jiaozhou nur vorübergehend in den Jahren 1895 und 1896 in russischem Besitz gewesen sei. Nachdem so durch direkten Meinungsaustausch der beiden Monarchen festgestellt war, daß Rußland sich von Jiaozhou desinteressiere, ward der deutsche Geschwaderchef dementsprechend für sein Vorgehen instruiert. Zwei Tage nach Eingang des vom Kaiser Nikolaus an unseren allergnädigsten Herrn gerichteten Telegramms äußerte sich Graf Murawiew über Rußlands Stellung zur Jiaozhoufrage in einer Weise, welche dem Telegramm seines Kaisers völlig widerspricht. Die Persönlichkeit des Grafen Murawiew genügt, um den Verdacht zu beseitigen, daß man russischerseits gewartet habe, bis unsere Aktion eingeleitet war, um uns dann plötzlich und unerwartet vor die Wahl zwischen einem politischen Echec oder einer Verschlechterung unserer Beziehungen zu Rußland zu stellen. Wir sind vielmehr überzeugt, daß Graf Murawiew, 39 Vom 7. bis 11 August 1897 besuchte Kaiser Wilhelm II. Zar Nikolaus in Petersburg. In der Residenz des russischen Zaren, dem Peterhof, fand eine Unterredung statt, in der Zar Nikolaus deutlich machte, daß Rußland sich solange den Zutritt zur Jiaozhou-Bucht offenhalten wolle, bis ein besserer Hafen im Norden wie z.B. Pingjiang, gefunden worden sei, siehe Bülow an AA, 11.8.1897, GPEK XIV, Nr. 3679, S.58. 40 Laut Schreiben des Geschäftsträgers der deutschen Gesandtschaft in Petersburg Tschirschky vom 14. August 1897 hat Graf Lamsdorff angegeben, daß Rußland „von China nur die Befugnis erhalten, fur den nächsten Winter, also nur temporär und vorübergehend, den genannten Hafen (Jiaozhou) zu benutzen", siehe Tschirschky an Hohenlohe, 14.10.1897, in: GPEK XIV, Nr.3685, S.62-64.

103 als er jene Äußerungen tat, den Wortlaut des Telegramms seines Kaisers an den unsrigen nicht kannte. Nach Kenntnis jenes Telegramms wird Graf Murawiew der deutschen Politik die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß der Leiter derselben, Seine Majestät der Kaiser Wilhelm, den ihm durch Freundschaft wie durch Übereinkunft auferlegten Pflichten in vollstem Umfange genügt hat und daher nicht in der Lage sein würde, einen für seine und seines Reiches Stellung nach innen und außen schwerwiegenden politischen Mißerfolg zu akzeptieren, den er nach allem, was vorhergegangen war, mit Recht als gänzlich ausgeschlossen und unmöglich ansehen mußte." Einen nahen Konflikt mit einer europäischen Macht besorge ich weniger; wohl aber befurchte ich, daß Russen und Franzosen bemüht sein werden, die Chinesen gegen uns aufzuhetzen, wie seinerzeit die Abessinier gegen Italien. Ein faktischer Kriegszustand mit China würde aber vor allen Dingen die Folge haben, den deutschen Handel daselbst auf Jahrzehnte hinaus zum Vorteil Englands zu ruinieren. Hohenlohe Bemerkung Kaiser Wilhelms II. am Kopf des Schriftstücks: Einverstanden. Eine ganz ausgezeichnet abgefaßte Note; und kann auch als solche ins Auge gefaßt werden. W. Randbemerkung des Kaisers: Mit dem Unterschied, daß die Chinesen keine Krieger sind. Ich befurchte nichts von China, nur fest bleiben und fest auftreten, was wir dort noch nie getan und jetzt erst zum ersten Mal tun. Ich bin fest davon überzeugt, daß alles gut zum Ende kommen wird. ÜPEKX1V,

S.J, Nr. 3697.

Kapitel 2

Besetzung und Pacht der Jiaozhou-Bucht durch das Deutsche Reich

Nachdem Ende des Jahres 1896 bereits die prinzipielle Entscheidung getroffen worden war, zur Erlangung eines Stützpunktes an der chinesischen Küste eine militärische Aktion durchzuführen, wartete das Deutsche Reich nun auf eine geeignete Möglichkeit. Währenddessen wurden die Vorbereitungen der militärischen Besetzung weiter vorangetrieben. Die geplante Militäraktion sollte archaischen Mustern der Landnahme folgen, wie sie in der europäischen Expansion von den Großmächten seit den Kreuzzügen im Mittelalter praktiziert wurde: Ein Territorium wurde per Proklamation zum Herrschaftsgebiet der betreffenden Kolonialmacht erklärt, indem als sichtbares Zeichen der Besitzergreifung eine Flagge gehißt und Maßnahmen vollzogen wurden, die die Ausübung von Hoheitsgewalt symbolisierten (Landerwerb, Baumaßnahmen).1 Erst nach der erfolgten Besetzung sollten Verhandlungen mit China stattfinden, die der Besetzung eine völkerrechtliche Form verleihen sollten.2 Die lange erwartete Möglichkeit ergab sich im November 1897 durch zwei Vorfalle, bei denen deutsche Soldaten in Wuchang verletzt bzw. zwei Missionare in Juye getötet wurden. Vom 1. November bis zum 14. November vollzog das Deutsche Reich die Besetzung der Bucht. In demselben Zeitraum bemühte sich die Qing-Regierung noch durch Aufklärung und Verhaftung der Schuldigen des Missionszwischenfalles bei Juye, den mit Deutschland entstandenen Konflikt zu lösen und die befürchtete Besetzung eines Hafens in China zu verhindern. Während die deutschen Truppen in Jiaozhou ihre Stellungen weiter ausbauten und befestigten, begannen die diplomatischen Verhandlungen in Peking um Beilegung des Missionszwischenfalls. Ab Dezember, als der chinesischen Seite deutlich wurde, daß deutsche Truppen eine längerfristige Inbesitznahme der Bucht vorbereiteten, wurde dann über die 1 Dieses tradierte Procedere der Festsetzung wird beschrieben und dokumentiert bei Schmitt 1986:120. 2

Knorr an Wilhelm II., 28.11.1896, in: BA/MA, RM3/6693, BI. 72-79. Der Plan sah die Inbesitznahme Jiaozhous nach Vertreibung der chinesischen Truppen durch Proklamation und Flaggenhissung vor. Das Ostasiatische Kreuzergeschwader sollte den Platz solange halten, bis aus Deutschland Verstärkung von Garnisonstruppen eintreffen würde. Es sollte sofort nach der Besetzung mit dem Landaufkauf begonnen werden. Die Truppen sollten zunächst die vorhandenen Stellungen der chinesischen Armee benutzen und ausbauen. Die Besetzung erfolgte später genau nach diesem Plan. Symbole als Form der Machtdemonstration spielten dabei eine wesentliche Rolle, vgl. auch Mühlhahn 1996.

106 Pacht der Jiaozhou-Bucht sowie deutsche Konzessionen für Eisenbahn und Bergbau in der Provinz Shandong verhandelt. Diese Verhandlungen kamen durch die Unterzeichnung des Pachtvertrages am 3. März 1898 zum Abschluß.3 Als Ergebnis wurde die Provinz Shandong vertraglich als Einfluß- und Interessensphäre des Deutschen Reiches festgeschrieben. Die Besetzung hatte eine erhebliche Wirkung sowohl in Deutschland als auch in China. Sie löste in der chinesischen Regierung und in der Öffentlichkeit eine intensive Diskussion über die künftige Politik aus. Die im Sommer 1898 durchgeführte Hundert-Tage-Reform mit weitreichenden innen- und außenpolitischen Reformvorhaben ist in diesem Zusammenhang begonnen worden. Im Deutschen Reich stieß die Gründung einer deutschen Kolonie in China auf geteilte Reaktionen: Die deutsche Regierung stellte es als Erfolg ihrer Außenpolitik dar, während die Opposition Art und Weise sowie Sinn und Zweck des Unternehmens kritisierte.

Die deutsche Suche nach einem Vorwand: Die Vorfälle in Wuchang und Juye Nachdem die Zweifel in bezug auf die Auswahl eines Ortes, einen Plan zur Besetzung und die außenpolitischen Konsequenzen geklärt worden waren, wartete man in Berlin auf einen geeigneten Anlaß. Otto von Diederichs, der im Juni seine Stellung als Chef des Ostasiatischen Geschwaders antrat, war in Berlin dahingehend instruiert worden, die Besetzung der Jiaozhou-Bucht vor Ort umgehend vorzubereiten 4 Diederichs begann daher sofort nach seiner Ankunft in China im Juni 1897 mit entsprechenden Maßnahmen. Er besprach im Juli 1897 bei einer Zusammenkunft mit dem deutschen Gesandten in Peking die chinesische Übersetzung des Textes einer Proklamation, mit der die chinesische Bevölkerung über die Besetzung informiert werden sollte.5 Ferner erkundigte sich Diederichs über Möglichkeiten der Lieferung von Nachschub, Charterung von Dampfern und logistischer Unterstützung durch die Konsulate in Shanghai, Tianjin und Zhifu. 6 Einen willkommenen Anlaß bot daher zunächst ein Vorfall während des Besuches des Deutschen Gesandten bei dem Generalgouvemeur der Provinz Hubei/Hunan, Zhang Zhidong, in Wuchang, der sich am 31. Oktober 1897 ereignete. Die Bootsbesatzung der SMS Cormoran, die Heyking nach Wuchang gebracht hatte, war an der Landungsbrücke mit Steinen beworfen worden. Dieser Zwischenfall sollte zur Förderung deutscher Interessen in China benutzt werden (Dok. 16). Während sich Diederichs und Heyking aber noch darüber verständigten, welche genauen Entschädigungsund Wiedergutmachungsforderungen an die chinesische Regierung gestellt werden sollten,

3

Zu dieser Einteilung in Phasen, vgl. Xu Yipu 1996.

4

Vgl. Diederichs, Bericht über die Besetzung von Qingdao, ca. 1906-1908, in: BA/MA, N255/24, S.lff.

5

Vgl. den „Entwurf zur Aufforderung an den Befehlshaber der chinesischen Truppen zur Räumung von ...", den Diederichs der Gesandtschaft übersandte, Diederichs an Heyking, 22.7.1897, in: BA/MA, RM3/30, Bl. 8-10.

6

Vgl. die gleichlautenden Anschreiben an die Konsulate in Tianjin und Shanghai, Diederichs an Eiswaldt bzw. Stübel, 22.7.1897, in: BA/MA, RM38/30, Bl. 12-13.

107 erfuhr Heyking am 4. November von der Ermordung zweier deutscher Missionare in Shandong. 7 Das Vordringen der ausländischen Missionen in das Landesinnere des chinesischen Reiches hatte zu vielfältigen Spannungen zwischen Mission und ländlicher Bevölkerung gefuhrt. Die Mission konnte unter dem Schutz der europäischen Mächte fur die Konvertiten bei den chinesischen Magistraten in Steuer-, Geld- und Rechtsangelegenheiten häufig günstige Bedingungen erwirken. Besonders für schutzlose Randgruppen der chinesischen Gesellschaft wie die Mitglieder heterodoxer Sekten, Arme, Straffällige war der Übertritt zum Christentum attraktiv, weil sie sich damit Schutz erwarben. Die Gründung von christlichen Gemeinden in den Dörfern führte zur Spaltung der traditionellen Dorfgemeinschaften in christliche und nicht-christliche Gruppen. Die Dörfer und Kleinstädte versuchten daher, den Zuzug von Missionaren zu verhindern. Aber die Mission konnte, gestützt auf den Gesandten in Peking, den Zugang und Bau von Kirchen in allen Gegenden erzwingen. In dieser Situation kam es zur Bildung von antichristlichen Geheimgesellschaften, die nicht selten unter dem Schutz der Beamten operierten und den Kampf gegen die Mission mit Gewalt fortsetzten. Dies stellte den Hintergrund dar für die vielen Angriffe auf die Mission. Gegen den SVD, der eine besonders aggressive Missionierungsstrategie verfolgte, gab es seit einiger Zeit große Widerstände und zahlreiche Übergriffe. 9 Der schlimmste Zwischenfall ereignete sich am 1. November 1897, als Mitglieder der Geheimgesellschaft der „Großen Messer" (Dadaohui) in einer Missionsstation in Zhangjiazhuang im Kreis Juye, Präfektur Caozhou, eindrangen und die beiden Missionare Henle und Nies ermordeten (Dok. 17)10. Der deutsche Gesandte Heyking wurde von Berlin angewiesen, so hohe Sühneforderungen für die Ermordung der Missionare zu stellen, daß die chinesische Regierung sie nicht würde erfüllen können und so ausreichend Zeit bliebe, die Jiaozhou-Bucht zu besetzen (Dok. 20). In einem am 7. November abgesandten Telegramm erklärte Heyking, daß die chinesische Regierung in vollem Umfange für die Ermordung der Missionare verantwortlich sei (Dok. 18). Heyking argumentierte hier und in den späteren Verhandlungen, daß die Morde von einer von den Behörden gestützten, gut organisierten fremdenfeindlichen Bewegung ausgeführt worden seien, für die die Regierung daher haftbar zu machen sei. 11 Die chinesische Regierung dagegen betonte, daß die Morde die Tat von Räubern seien, die sich damit nach

7

Der Tod der Missionare war der Gesandtschaft in Peking am 3.11.1897 gemeldet worden, vgl. Telegramm Freinademetz an Gesandtschaft, 3.11.1897, in: BA/AP, DBC, Nr. 326, Bl. 60. Heyking erfuhr am 4.11. davon. Er beschloß daraufhin, den Wuchang-Vorfall noch vor Ort beizulegen und über Shanghai schnellstmöglich nach Peking zurückzukehren.

8

Zur Situation der Mission in Shandong siehe Esherick 1987:79-91.

9

Vgl. Chen 1991:125-137.

10 Die vornehmlich von Bauern und Grundbesitzern gebildete „Gesellschaft der Großen Messer" ist ein wichtiger Vorläufer der Boxerbewegung. Zur „Dadaohui" siehe Hesse-Wartegg 1898:243-249; Wang Shouzhong 1987:59ff; Esherick 1987:96-122. Der Zwischenfall wird geschildert bei Bomemann 1977:254-261; Gründer 1982:276-286; Liu Shanzhang 1986:46-48; Chen 1991:170ff. 11 Diese Behauptung geht auf die Missionare selbst zurück, vgl. Bornemann 1976:260.

108 chinesischem Recht strafbar machten und von der Justiz verfolgt würden. Eine solche Tat könne sich in jedem Land ereignen, keine Regierung allerdings würde für die Tat von Räubern verantwortlich gemacht werden können (Dok. 33, 30).

Die Besetzung der Jiaozhou-Bucht Nachdem sich mit der Ermordung deutscher Missionare ein lange erhoffter Vorwand bot, erhielt der Chef des Ostasiatischen Geschwaders, Diederichs, von Kaiser Wilhelm II. am 7. 12

November 1897 den telegraphischen Befehl, die Jiaozhou-Bucht zu besetzen (Dok. 19). Diederichs hatte zu diesem Zeitpunkt in Shanghai nur drei Schiffe zur Verfugung. Daher versuchte er sofort, kommerziell Dampfer zu requirieren, die nach der Besetzung Nachschub in die Bucht liefern sollten. Vor der Abreise aus Shanghai traf Diederichs am 9. November noch mit dem deutschen Gesandten zusammen und vereinbarte mit ihm gemeinsam den Wortlaut der Forderungen, die Heyking nach seiner Rückkehr in Peking beim Zongli Yamen stellen würde. 13 Innerhalb der deutschen Regierung formierte sich indessen Widerstand gegen die vor allem vom Oberkommando der Marine und von Wilhelm II. vorangetriebene Aktion der brachialen Landnahme. Zurückhaltung bis Ablehnung äußerten Staatsekretär Tirpitz, Reichskanzler Hohenlohe sowie die grauen Eminenzen Holstein und Eulenburg angesichts der möglichen Komplikationen mit Rußland oder England (vgl. Kapitel 1, Dok. 15).14 Sie befürchteten jedoch auch ernste Auseinandersetzungen mit China. Auf ihr Drängen bei Kaiser Wilhelm II. wurde Diederichs schließlich telegraphiert, daß bei Erfüllung der deutschen Forderungen durch China die Besetzung unterbleiben solle.15 Dieses Telegramm hat Diederichs allerdings nicht mehr erreicht, da er bereits einen Tag zuvor Wusong mit drei Schiffen verlassen hatte. Hätte Diederichs dieses Telegramm rechtzeitig erhalten, wäre es - angesichts der langfristigen Vorbereitungen - möglicherweise erst zu einem späteren Zeitpunkt und vielleicht in anderer Form zu einer Besetzung Jiaozhous gekommen, da die chinesische Regierung bereit war, alle deutschen Forderungen im Zusammenhang mit dem Juye-Zwischenfall zu erfüllen (vgl. Dok. 31). Angesichts der Tatsache, daß Diederichs bereits zur Bucht unterwegs war und sie möglicherweise besetzt hatte, beschloß der Kronrat am 15. November 12 Die Initiative zur Besetzung ging von Kaiser Wilhelm aus, der von dem Vorfall aus der Presse, nicht vom AA erfahren hatte, vgl. Wilhelm II. an AA, 6.11.1897, in: GPEK XIV S.67 (Nr. 3686). 13 Der Dolmetscher Emil Krebs, der Heyking auf seiner Reise begleitete, wurde bei dieser Gelegenheit dem Ostasiatischen Geschwader zur Hilfe bei der Besetzung zugeteilt, vgl. Bericht Diederichs, BA/MA, N255/24, B1.17. 14 Vgl. Holstein an Eulenburg, 10.11.1897, in: Röhl 1983:1873-1874. Tirpitz hat sich danach gegen die Besetzung der Bucht ausgesprochen. In einer Randbemerkung sprach sich auch Eulenburg dagegen aus, "sich mit Jiaozhou als Laus in den ostasiatischen Pelz zu setzen". 15 Am 11.11.1897 stimmte der Kaiser zu, daß bei Erfüllung der Forderungen die Besetzung unterbleiben solle, Randbemerkung zu Hohenlohe an Wilhelm II., 11.11.1897, in: BA/MA, RM 3/6694, Bl. 10-11. Am selben Tag wurde das Telegramm vom OK an Diederichs abgesandt, vgl. OK an Bülow, 12.11.1897, in: BA/MA, RM3/6694, B1.14.

109 die dauernde Besetzung der Jiaozhou-Bucht anzustreben, möglichst in der völkerrechtlich anerkannten Form der Pacht (Dok. 24). Außerdem sollte herausgefunden werden, wie die anderen Mächte sich gegenüber einem dauernden Verbleiben Deutschlands in Jiaozhou verhalten würden. Solange noch Unsicherheiten und Unklarheiten bestanden, wurde absolute Geheimhaltung beschlossen. Die deutsche Öffentlichkeit erhielt daher lange keine Informationen über die Absichten der deutschen Regierung (Dok. 26). Noch bei einer Aussprache vor dem Reichstag im Dezember weigerte sich Bülow, Angaben über die Ziele des deutschen Truppeneinsatzes in Jiaozhou zu machen. 16 Die Besetzung der Jiaozhou-Bucht erfolgte am 14. November ohne Blutvergießen (Dok. 25). 17 Die chinesischen Truppen unter General Zhang Gaoyuan zogen sich unter Protest, aber ohne Kampf aus der Bucht zurück. Mit einer Proklamation wurde die chinesische Bevölkerung von der Besetzung unterrichtet und ein genau bezeichnetes Gebiet unter deutsche „Schutzherrschaft" genommen (Dok. 22). Die deutschen Soldaten zogen in die Unterkünfte der chinesischen Truppen ein.

Reaktionen auf die Besetzung in China Die chinesische Regierung erfuhr erst am 7. November durch das Telegramm von Heyking von dem Tod der deutschen Missionare (Dok. 18). Die sofortige Reaktion des Zongli Yamen auf diese Nachricht zeigt, wie ernst die Situation genommen und wie richtig die deutschen Absichten eingeschätzt wurden. Noch am selben Tag wurde der Gouverneur von Shandong, Li Bingheng, aufgefordert, über diesen Vorfall, der bis dahin in Peking völlig unbekannt geblieben war, Bericht zu erstatten.18 Am 10. November wurde Li vom Staatsrat abermals auf den Emst der Situation und darauf hingewiesen, daß Deutschland diesen Vorfall als Vorwand fur die Besetzung eines Hafen verwenden könne (Dok. 21). Dem Gouverneur wurde insbesondere aufgetragen, sofort die Schuldigen zu ermitteln und zu bestrafen. Damit verfolgte man eine bei Missionszwischenfällen üblich gewordene Strategie mit dem Ziel, einen größeren Konflikt mit der jeweiligen Schutzmacht zu vermeiden. Die chinesische Regierung in Peking wollte daher durch eine schnelle Erledigung des Falles (Bestrafung der Schuldigen, Zahlung von Entschädigung an die Mission) weitergehenden deutschen Forderungen und Schritten zuvorkommen. Diese Vorgehensweise konnte jedoch keinen Erfolg zeitigen, da der Marschbefehl an Diederichs ja schon am 6. November, also einen Tag bevor das Zongli Yamen überhaupt von dem Juye-Zischenfall erfuhr, abgegangen war. Erst am 15. November meldete der Handelsminister ftir die nördlichen Häfen und Generalgouverneur von Zhili, Wang Wenshao, daß deutsche Schiffe die Bucht angelaufen und

16 Rede Bülow, 6.12.1897, in: SBRV 160:892. 17 Vgl. Darstellung der Ereignisse bei Stichler 1989:31-44. 18 ZLYM an Li Bingheng, 7.11.1897, in: YSG, 1522, Nr.292. Hier heißt es: „In letzter Zeit gab es nur wenige Missionszwischenfälle, bei denen Missionare verletzt oder getötet wurden. Wir hoffen, daß die Täter dieses Vorfalles schnell ermittelt und streng bestraft werden, damit dieser Fall nicht als Vorwand für weitere Verwicklungen benutzt werden kann."

110 deutsche Truppen dort Gebiete besetzt hätten (Dok. 23). Angesichts der neuen und äußerst bedrohlichen Situation bildeten sich innerhalb der Qing-Regierung verschiedene Gruppen, die jeweils unterschiedliche Vorstellungen und Konzepte hinsichtlich der weiteren Maßnahmen vertraten. 19 Der Gouverneur Li Bingheng sowie einige Beamte des Zensorats am Kaiserhof drangen auf eine militärische Auseinandersetzung mit den deutschen Truppen in Jiaozhou (Dok. 28). Dadurch könnte nicht nur die konkrete Bedrohung durch die deutsche Expansion bekämpft werden, zugleich würde dies zu einer nationalistischen Solidarisierung der Bevölkerung mit der Regierung fuhren. Li Bingheng, ein Förderer auch der anti-ausländischen Geheimgesellschaften und der Boxerbewegung, hoffte dadurch, das chinesische Reich grundlegend stärken zu können. Die maßgeblichen Kreise in der Zentralregierung (Zongli Yamen; Staatsrat) beabsichtigten jedoch im Sinne der bisherigen außenpolitischen Grundsätze, kriegerische Auseinandersetzungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu vermeiden (Dok. 27). Der Frieden und die Souveränität Chinas sollten insbesondere durch eine Politik der Ausbalancierung der Interessen der 20

europäischen Großmächte in China erfolgen. Hier existierten unterschiedliche Konzepte: Li Hongzhang und Prinz Gong favorisierten eine Annäherung an Rußland, um durch russischen Protest die deutsche Regierung zu einem Rückzug zu bewegen. Die Generalgouverneure Zhang Zhidong und Liu Kunyi hingegen bevorzugten eine Kooperation mit England und Japan. Sie hofften, beide Mächte zu einem Einspruch gegen das deutsche Vorgehen bewegen zu können. 21 Eine dritte Gruppe argumentierte gegen jede Biindnispolitik, da sie befürchtete, 2jede Hilfe 2 · anderer Mächte wiederum mit chinesischen Gegenleistungen bezahlen zu müssen. Sie war daher bereit, sich auf Konzessionen einzulassen. Der Kontrahent und politische Gegenspieler von Li Hongzhang, Weng Tonghe, lehnte jede Form der Anlehnung an ausländische Bündnispartner ab. Wang Wenshao schlug dabei eine pachtweise Abtretung der Jiaozhou-Bucht an Deutschland vor. Eine eher prodeutsche Außenpolitik sollte der russischen Expansion im Norden und der englischen im Süden entgegenwirken. Eine vierte Richtung ist mit dem Namen Kang Youwei verbunden. 23 Kang Youwei reiste, sofort nachdem er von der deutschen Besetzung erfahren hatte, von Kanton nach Peking und verfaßte mehrere öffentliche Eingaben an den Thron (Dok. 38). Mit der durch die deutsche Besetzung entstandenen Krise begründete er die Notwendigkeit tiefgreifender Reformen in Staat und Gesellschaft. Ohne Reformen sei die staatliche Einheit Chinas gefährdet. Außenpolitisch hielt er eine Kooperation mit anderen Mächten (vor allem England und Japan) fur 19 Siehe dazu Wang Shouzhong 1987:96-110; Schrecker 1971:43-58; Lee 1966:144-148. 20 Vgl. Zhang Shufeng 1991:75ff. 21 Es gelang China trotz mehrfacher Versuche allerdings nicht, eine europäische Macht zu konkreten Maßnahmen zu bewegen, vgl. Wang Shouzhong 1987:106-110, Stichler 1989:49-53. 22 Vgl. Lee 1966:145. 23 Vgl. Zheng Dahu 1991:93-102; Kong Xiangji 1988:157-166; Schrecker 1971:52-58. Kangs komplexes, von Angst und Bewunderung gleichermaßen geprägtes Verhältnis zu Deutschland wird bei Felber 1994:164-173 beschrieben.

Ill notwendig, um den deutschen Zugriff abzuwehren. Die Vorschläge Kangs für eine Öffnung und Reform Chinas wurden vor allem von den verschiedenen konservativen Gruppen innerhalb der Regierung als radikal empfunden. Die Aktivitäten und Eingaben, die Kang in Peking aufgrund der deutschen Aktion in Jiaozhou entwickelte, waren eine wichtige Vorstufe fur die Hundert-Tage-Reform, die auf der Basis der Vorschläge von Kang Youwei von dem jungen Guangxu-Kaiser 1898 eingeleitet wurde. Welche große Wirkung die deutsche Aktion in China hervorrief, läßt sich auch an der öffentlichen Reaktion ablesen. In den überregionalen Zeitungen, die hauptsächlich von den gebildeten Schichten gelesen wurden, wurde täglich über die Situation in Jiaozhou berichtet. 24 Die Medien reagierten empört und entsetzt über den deutschen Gewaltstreich, wenngleich auch der Hoffnung Ausdruck gegeben wurde, daß das Deutsche Reich noch zu einem friedlichen Abzug bewogen werden könne (Dok. 30). Die ländliche Bevölkerung in den umliegenden Gebieten zeigte sich beunruhigt und aufgebracht (Dok. 32). Dies wiederum versetzte die politische Führung in Peking in große Sorge, 25 da befürchtet wurde, daß eine wachsende nationalistische Stimmung in der han-chinesischen Bevölkerung sich auch gegen die Mandschu-Dynastie richten könnte. Die wohlhabenderen Gruppen unter der ländlichen Bevölkerung begannen außerdem, die Region zu verlassen. 26

Die diplomatischen Verhandlungen um die Pacht Jiaozhous und die deutsche Interessensphäre in Shandong Das Zongli Yamen hatte sich sogleich um diplomatische Kontakte zur deutschen Gesandtschaft, zunächst anläßlich der Ermordung der deutschen Missionare, dann wegen der Landung deutscher Truppen bemüht. Die Gesandtschaft lehnte jedoch Verhandlungen zu diesem 27

Zeitpunkt mit Hinweis auf die Abwesenheit des Gesandten strikt ab. Der Zweck des Zeitgewinns sollte auf deutscher Seite darin bestehen, daß die deutschen Truppen in Jiaozhou in der Zwischenzeit ihre Stellungen ausbauen und verstärken konnten. Der deutsche Gesandte Heyking erreichte Peking am 18. November. Am 20. November begannen dann die Verhandlungen mit dem Zongli Yamen. In einer Note stellte Heyking sechs Forderungen zur Beilegung des Missionszwischenfalles (Dok. 29). Dabei war von Gebietsabtretungen seitens des Chinesischen Reiches noch keine Rede. Die Minister des Zongli Yamen zeigten sich zwar bereit, über alle Forderungen des deutschen Gesandten zu verhandeln, jedoch nur nach einem

24 Die Berichterstattung über die deutsche Besetzung Jiaozhous in der Guowen Bao, Shen Bao und Waijiao Bao ist dokumentiert in: DQJSX 428-521. 25 Vgl. Wang Wenshao an Junjichu, 16.11.1897, in: YSG, 188/3-41, Nr. 841. Wang forderte darin die Ablösung von Li Bingheng als Gouverneur von Shandong, weil er fürchtete, daß jener die Stimmung in der Bevölkerung noch weiter anfache. 26 Siehe Seeleman 1982:66. 27 Am 11. November telegraphierte Heyking dem Geschäftsträger der Gesandtschaft Prittwitz, daß er sich „auf keine Verhandlungen einlassen" dürfe, Heyking an Prittwitz, 11.11.1897, in: BAP, DBC, Nr. 326, Bl. 82.

112 28

vorherigem Abzug der deutschen Truppen aus der Jiaozhou-Bucht (Dok. 31). Daraufhin 70 brach Heyking die Verhandlungen ab. Eine Woche später, am 27.11.1897, suchten die beiden Minister des Staatsrats, Weng Tonghe und Zhang Yinhuan, die deutsche Gesandtschaft auf, um eine Wiederaufnahme der Verhandlungen zu erreichen. Dabei erklärten sie sich einverstanden, die Anwesenheit der deutschen Truppen in Jiaozhou zunächst auf sich beruhen zu lassen und zuerst nur über den Missionszwischenfall zu verhandeln. Über die Beilegung dieses Falles und die chinesischen Entschädigungsleistungen wurde dann im Prinzip am 7.12. 1897 eine Einigung erzielt (Dok. 34). Es wurde die Zahlung einer außerordentlich großen Entschädigungssumme von 875.000 Mark an den SVD sowie der in einem separaten Vertrag festzulegende Bau einer Eisenbahn durch das Deutsche Reich vereinbart (Dok. 37). Die Minister des Zongli Yamen hofften, durch ihr Entgegenkommen bei der Beilegung des Missionszwischenfalles mehr Gestaltungsmöglichkeiten in der Frage der Abtretung der Jiaozhou-Bucht zu erhalten. Vom Deutschen Reich wurde nämlich ebenfalls Anspruch auf Entschädigung geltend gemacht, da es sich bei den Missionaren um deutsche Staatsbürger handele und dem Reich durch die Entsendung von Schiffen Unkosten entstanden seien. Über eine dem Deutschen Reich zustehende Entschädigung sollte in weiteren Sitzungen verhandelt werden, wobei Heyking andeutete, daß die Pacht der Jiaozhou-Bucht durch das Deutsche Reich eine angemessene Form der Entschädigung sei. Nachdem die Versuche, eine ausländische Macht zur Intervention zu gewinnen, fehlgeschlagen waren, mußte sich China selbst um eine diplomatische Lösung bemühen. Bis Anfang Januar wurde nun über die Pacht der Jiaozhou-Bucht und über deutsche Sonderrechte in der Provinz Shandong verhandelt. Diese Verhandlungen gestalteten sich schwierig und erbrachten bis Januar kaum greifbare Ergebnisse. Wilhelm II. war darüber höchst unzufrieden und setzte Heyking massiv unter Druck, einen baldigen vertraglichen Abschluß herbeizufuhren (Dok. 35). Die chinesischen Diplomaten waren aber keineswegs bereit, der Pacht einfach zuzustimmen; ihr Ziel bestand vielmehr darin, die notwendigen Zugeständnisse zur Lösung der Krise so gering wie möglich zu halten. Sie schlugen in den Verhandlungen im Dezember zahlreiche Alternativen vor, um eine formelle Abtretung der Bucht zu vermeiden: Sie forderten zunächst wiederum einen Abzug der deutschen Truppen, bevor man über die Pacht eines Hafens an der chinesischen Küste verhandeln könne. Dann boten sie dem Deutschen Reich einen anderen Hafen in Südchina an. Schließlich schlugen sie vor, Jiaozhou als Vertragshafen zu öffnen und ausschließlich eine deutsche Niederlassung dort zu genehmigen. Ein anderer Vorschlag sah eine stillschweigende Abtretung in Form eines Geheimvertrages vor. Während der deutsche Gesandte auf die letzteren Vorschläge einzugehen beabsichtigte, lehnten Wilhelm II. und Bülow sie ab (Dok. 35). Trotz der weitgehenden chinesischen Angebote bestand die Reichsfuhrung auf der prestigeträchtigeren Gründung einer Kolonie unter unan28 Vgl. zur Unterredung am 20.11. auch Konzept Heyking an AA, 26.11.1897, in: BAP, DBC, Nr.326, Bl. 136-142. 29 Am 22.11. sandte das ZLYM eine Note, in der die chinesische Forderung nach Abzug der Truppen wiederholt wurde, vgl. ZLYM an Heyking, 22.11.1897, in: BAP, DBC, Nr.326, Bl. 132-135. Auf diese Note reagierte Heyking nicht.

113 gefochtener deutscher Oberhoheit. Angesichts der aus deutscher Sicht unerfreulich und schleppend verlaufenden Verhandlungen drohte Heyking Anfang Januar mit weiteren militärischen Aktionen auf chinesischem Boden, wenn nicht bald ein Einlenken Chinas erfolgen würde. Unter diesem Druck gab das Zongli Yamen nach und erklärte sich mit der Verpachtung Jiaozhous einverstanden (Dok. 36). Anschließend wurde im Januar und Februar über die deutschen Sonderrechte in Shandong verhandelt. Auch hier versuchten die Minister, so wenig Zugeständnisse wie möglich zu machen. 30 Tatsächlich gelang es ihnen, in einigen wichtigen Punkten chinesische Interessen zu wahren: So sollten über Zollfragen, Eisenbahnbau und Bergbau zu einem späteren Zeitpunkt separate Abkommen geschlossen werden, in denen jeweils Detailfragen behandelt würden. Die Minister hofften, daß China dann aus einer stärkeren Position heraus verhandeln könne. Weiterhin erhielt das Zongli Yamen die Zusage, daß Deutschland sich fur eine Erhöhung der allgemeinen Zolltarife einsetzen würde. Das Zugeständnis der Pacht der Jiaozhou-Bucht machte den Weg frei für eine vertragliche Regelung der gesamten Angelegenheit. Der Missionszwischenfall wurde dann in der im Dezember ausgehandelten Form offiziell am 15.1.1898 durch Notentausch beigelegt. Der vom Auswärtigen Amt bereits im Dezember erarbeitete Entwurf eines Vertragstextes wurde mit den erwähnten Änderungen (spätere Detailabkommen über Eisenbahn, Bergbau und 31 Grenzziehung) von China akzeptiert. Am 6. März fand die Unterzeichnung des Pachtvertrages statt. Der Vertrag regelte die Pacht eines abgegrenzten Gebietes an der Jiaozhou-Bucht auf 99 Jahre durch Deutschland (Dok. 40). In diesem Gebiet wurde dem Deutschen Reich die volle Oberhoheit zugesprochen. Um das Pachtgebiet herum sollte eine „neutrale Zone" errichtet werden, in der sich deutsche Truppen bewegen durften. Weiterhin wurden dem Deutschen Reich Konzessionen zugesprochen fur den Bau zweier Eisenbahnlinien und den Abbau von Kohlevorkommen in einer Zone um die Eisenbahnlinien. Beide Vorhaben sollten von gemischten deutsch-chinesischen Gesellschaften betrieben werden. Mit diesem Vertrag kam nicht nur ein Teil der Provinz Shandong unter unmittelbare Herrschaft des Deutschen Reiches, sondern darüber hinaus gelangten Bergbau und Eisenbahn unter informelle Kontrolle Deutschlands. Shandong wurde faktisch zur deutschen Einflußsphäre. Der Vertrag vom 6. März stellte die formale völkerrechtliche Basis der deutschen Expansion in Shandong dar. Aber mit seinen Bestimmungen ermöglichte er nicht nur die imperialistische Expansion des Deutschen Reiches, sondern setzte ihr auch Grenzen. 32 30 Auch diese Verhandlungen gestalteten sich aus deutscher Sicht außerordentlich schwierig. Heyking griff wiederum zu militärischen Drohungen, um eine Einigung zu erzwingen; vgl. Heyking an ZLYM, 13.2.1898, in: DQJSX 203. 31 Der erste Entwurf des Vertrages stammte aus der Hand des Legationsrates Klehmet und wurde am 13 .12.1987 Tirpitz zugeschickt; vgl. Vertragsentwurf Klehmet 13 .12.1897, in: BA/MA, RM3/1694, Bl. 123-125. Am 18.12.1897 wurde aufgrund von Änderungswünschen aus dem Reichsmarineamt ein zweiter Entwurf fertiggestellt und der Gesandtschaft übermittelt, vgl. Bülow an Tirpitz, 18.12.1897, in: BA/MA, RM3/6694, Bl. 142-147. Erst am 4.3.1898 konnte Heyking eine Einigung mit China feststellen, vgl. Heyking an ZLYM, 4.3.1898, in: DQJSX 205. 32 Vgl. Stichler 1989:67.

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Die Reaktionen in Deutschland Die Militäraktion an der Jiaozhou-Bucht stieß im Deutschen Reich keineswegs auf ungeteilte Begeisterung. Auf die Besetzung und den Abschluß des Jiaozhou-Vertrages gab es unterschiedliche Reaktionen in den verschiedenen politischen Gruppierungen und der ihnen nahestehenden Presse. Wilhelm II. bemühte sich, diese „erste Betätigung des neugeeinten und neuerstandenen Deutschen Reiches in seinen überseeischen Aufgaben' innenpolitisch als Erfolg seines persönlichen „Neuen Kurses" zu nutzen. Deshalb hob er insbesondere die Aspekte des gestiegenen internationalen Ansehens und Prestiges hervor, welches Deutschland durch die Aktion gewonnen hätte. Anläßlich der Verabschiedung der Verstärkung für die Truppen an der Jiaozhou-Bucht am 15. Dezember 1897 unter dem Kommando des Prinzen Heinrich führte Kaiser Wilhelm II. - den Tenor der sog. „Hunnenrede" (siehe Kapitel 9) vorwegnehmend - daher aus: „Möge einem jeden Europäer draußen, dem deutschen Kaufmann draußen, und vor allen Dingen dem Fremden draußen, auf dessen Boden wir sind oder mit dem wir zu tun haben werden, klar sein, daß der deutsche Michel seinen mit dem Reichsadler geschmückten Schild fest auf den Boden gestellt hat, um dem, der ihn um Schutz angeht, ein ftir allemal Schutz zu gewähren; [...] Sollte es aber je irgendeiner unternehmen, uns an unserem guten Recht zu kränken oder schädigen zu wollen, dann fahre darein mit gepanzerter Faust! Und so Gott will, flicht dir den Lorbeer um deine junge Stirn, den niemand im ganzen Deutschen Reich dir neiden wird!" Ähnlich äußerte sich auch Bülow im Dezember vor dem Reichstag, wo er Jiaozhou als Deutschlands „Platz an der Sonne" 34 bezeichnete. In einer Aussprache im Februar anläßlich der Etatberatungen fur das deutsche Pachtgebiet skizzierte er dann die Besetzung Jiaozhous als Ergebnis langfristiger und sorgfaltig abgewogener Planungen, deren Ziel die Förderung der wirtschaftlichen Interessen, die Wahrung des internationalen Ansehens Deutschlands und der Schutz der Mission in China sei (Dok. 39). Insbesondere der letzte Punkt sollte der Regierung die Unterstützung des konservativen Zentrums bei der Bewilligung der Finanzmittel durch den Reichstag zusichern. Kritik an der deutschen Aktion kam im wesentlichen aus zwei Lagern. Die Liberalen, im Reichstag vertreten durch die Freisinnige Partei, bezweifelten den wirtschaftlichen Nutzen staatlicher Interventionen und artikulierten Skepsis gegenüber dem kolonialen Engagement Deutschlands in China. Sie traten vielmehr für eine Politik des Freihandels ein und lehnten jede Politik von Interessensphären ab. Die der Arbeiterbewegung verbundenen politischen Gruppierungen und die Sozialdemokratische Partei übten vehemente Kritik sowohl an der brachialen und militärischen Art und Weise als auch an den Zielen und Zwecken der Aktion in China, die nur führenden Kreisen in Wirtschaft und Handel Profite einbrächte (Dok. 39).

33 Abschiedsrede des Kaisers Wilhelm II. an den Prinzen Heinrich, 15.12.1897, in: Johann 1966:74. 3 4 Rede B ü l o w vor dem Reichstag, in: S B R V 160:892ff.

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16 Schreiben des Oberkommandierenden der Marine, Koester, an den Staatssekretär des Reichsmarineamts, Tirpitz (2.11.1897) Berlin, den 2. November 1897

Ganz geheim

Eurer Exzellenz beehre ich mich ganz ergebenst mitzuteilen, daß nach einer aus Hankou am 1 d.Mts. eingegangenen telegraphischen Meldung [der] S.M.S. „Cormoran", der Kommandant und mehrere Offiziere in Zivil am 31. Oktober mittags auf der Straße, sowie die im Dampfbeiboot, das die Flagge gesetzt hatte, befindliche Bootsbesatzung des Schiffes am Landungsplatz in Wuchang von chinesischen Volkshaufen mit Steinen beworfen worden sind. Über den Inhalt des Telegramms habe ich Seiner Majestät dem Kaiser gestern Meldung erstattet. Seine Majestät haben darauf befohlen, daß die weiter zu treffenden Maßnahmen mit dem Auswärtigen Amt zu vereinbaren sind und der Vorfall zur Förderung unserer Interessen in China auszunutzen ist. Dem Auswärtigen Amt habe ich hiervon Kenntnis gegeben und nach Vereinbarung mit ilim dem Chef der Kreuzerdivision heute Anweisung gegeben, Genugtuung fiir den Vorfall in Wuchang1 nach Vereinbarung mit dem Kaiserlichen Gesandten zu fordern, vor Anwendung militärischer Gewalt aber meine Zustimmung einzuholen. Allerhöchst zur Vertretung kommandiert Koester BA/MA, RM 3/6694,

Bl.l.

17 Tagebuchaufzeichnung des Missionars Stenz (2.11.1897) Das Blutbad in Zhangjiazhuang Einer der traurigsten Tage in der Missionsgeschichte Süd-Shandongs ist der 2. November 1897. Ein furchtbares Gewitter, das schon lange drohend schwarz über der Mission schwebte, hat sich an diesem Tage entladen und zwei edle Missionare, die hochw. P.P. Nies und Henle hinweggeraffi. Trauriger Schicksalsschlag fur die arme Mission! Wichtig aber, insofern durch dieses Gewitter die Luft gereinigt wurde und ein Umschwung eintrat von seiten

1 Zu dem Vorfall siehe Einleitung zu Kapitel 2 Wuchang lag am Changjiang gegenüber von Hankou, w o es eine deutsche Niederlassung gab. Wuchang und Hankou sind heute Stadtviertel von Wuhan.

116 der Regierung in Behandlung der Missionare und Christen. Auch mich hätte das Gewitter bald fortgerissen, durch Gottes unendliche Güte blieb ich verschont als einziger überlebender Zeuge dieser Blut- und Rachetat der heidnischen Sekten. Durch eine eigene Fügung Gottes kamen wir am 2. November morgens in Zhangjiazhuang zusammen, P. Henle, um mir in einer Schwierigkeit und beim Feste zu helfen, P. Nies, um in einer besonderen Angelegenheit nach Zhaojian zu P. Peulen zu reisen. Es regnete, man konnte nicht weiter reisen. Lange hatten wir uns nicht gesehen, und so plauderten wir bis in die späte Abendstunde hinein. Die Christen waren schon längst zur Ruhe an diesem wüsten Novemberabende, wir sangen noch einige Lieder mit Zitherbegleitung, übten zuletzt das Requiem ein für den folgenden Allerseelentag. Das schöne „Miseremini mei, miseremini mei, saltern vos amici mei", war das Schlußlied. Bei dem Mangel an Betten überließ ich dem P. Nies mein Lager, ich selbst ging in ein kleines Privatzimmer zur Ruhe, das neben dem grossen Tore lag. Die Gegend war ruhig, weshalb wir jede Vorsichtsmaßregeln vernachlässigten. Schon seit Monaten hatte man in dieser Gegend nichts mehr von Räubereien gehört. Ich lag gerade im ersten Schlummer, als vor meinem Fenster ein Schuß fiel. Räuber da! In einem Augenblick sprang ich an die Tür, die ich nicht verriegelt hatte. Schuß folgte auf Schuß. Ein entsetzliches Schreien, als ob alle bösen Geister der Hölle losgelassen wären, tönte durch die Nacht. Mein Zimmer wurde durch den Fackelschein von außen vollständig erleuchtet. „Sha, Sha!" (Mordet, mordet!) rief die Bande. Da klirrten die Fensterscheiben des benachbarten Zimmers, Stoß auf Stoß erdröhnte gegen die Türe, endlich ein Triumphgeschrei, dann ein furchtbares Gewirre. Vor meiner Türe standen, wie ich hörte, zwei Mann als Wache. Ich hatte nichts zur Hand als eine kleine Eisenstange, mit der ich mich zur Wehr setzen wollte. Nicht im geringsten dachte ich, daß man es aufs Leben abgesehen, vielmehr hielt ich das ganze für eine Räuberei. Da kommt eine Bande aus dem Nachbarzimmer und schreit nach mir „mit dem langen Barte". Mein Zimmer grenzte an die Sakristei. Dieselbe wurde erbrochen, ich hörte, wie die Bande fluchend durch die Kirche zog, vermeinend, daß ich geflohen. Einige Augenblicke, dann war Totenstille. Die Christen hatten sich vereinigt und gingen auf die Mörder los. Ich höre ein trauriges Röcheln im Nebenzimmer. Trotz aller Gefahr eilte ich hinaus, um den Mitbrüdern eventuell zu helfen. Noch immer dachte ich nicht an das Schrecklichste. Da kamen die Mörder zurück, um auch mir noch „die Haut abzuziehen". Ich war unschlüssig, wich aber nicht. Zwei Mann standen vor mir mit Lanzen in der Hand, ich rief ihnen zu - es waren Christen, die kamen mich zu beschützen. Wir gingen in das Zimmer; ach, welch ein Anblick! Das Zimmer eine Blutlache. Auf einem Bette lagen die beiden Herren, P. Henle noch röchelnd, P. Nies wahrscheinlich schon tot. P. Nies war zu P. Henle geflüchtet, und wie gute Freunde im Leben, fanden sie auch im Tode sich wieder. Ich sah nach den Wunden, es war keine Hoffnung mehr, Henles Augen waren schon gebrochen, ich rief den Herren zu, ich bat sie um ein einziges Wort, keine Antwort mehr. Ich gab ihnen in Eile die letzten Sakramente, dann war Stille, Totenstille. Die Christen weinten und klagten. Ich selbst fiel vor Erschöpfung zusammen. Nachdem ich mich mit Hilfe der Christen erholt, schrieb ich Briefe an den Mandarin und nach Jining an den hochwst. Herrn Provikar.

117 Das Zimmer sah geradezu schrecklich aus. Der Boden war mit Blut bedeckt, selbst die Wände zeigten Blutspuren. Alles war geraubt oder zertrümmert. Die Nacht brachte ich in diesem Räume zu. Eine schreckliche Nacht. Wie langsam verschwanden die Stunden! Nie in meinem Leben werde ich diese Totenwache vergessen. Zwei meiner teuersten Mitbrüder, meine Gäste lagen da, vollständig im Blute, gestorben an meiner statt. Endlich brach der Morgen an. Ich las die hl. Messe. Wahrhaftig ein trauriges Allerseelenfest! Die Christen waren trostlos. Selbst die Heiden des Dorfes weinten und klagten. Gegen Mittag kamen die Mandarine, um die Leichen zu besichtigen. Auch sie weinten, auch sie hatten in den teuren Verstorbenen „Freunde" verloren. Abends kamen auch der hochwst. Herr Provikar und mehrere Patres, denen ich Nachricht gegeben, an. Tausende und Tausende von Menschen strömten herbei, wie ein Lauffeuer hatte sich die Nachricht verbreitet. Bei der Leichenschau sah man erst, mit welcher Wut die Mörder verfahren. Jeder mußte sich sagen, daß Feindschaft oder Rache hier im Spiele waren. P. Nies zählte dreizehn schwere Wunden, P. Henle neun, sämtliche waren direkt aufs Leben abgesehen. P. Nies war der Kopf zerspalten, Arm und Lunge vollständig durchstochen, der Unterleib zeigte mehrere Wunden, selbst die Beine waren geradezu mit größeren oder kleineren Wunden bedeckt. P. Henle hatte die meisten Wunden am Unterleib, die Finger der beiden Hände, mit denen derselbe wahrscheinlich das Messer gefaßt, waren fast abgeschnitten. Die Herren wurde in Särge gelegt und auf das Landgut der Mission, in die Nähe Jinings gefahren. Die nächsten Tage vergingen mit Einfangen von Räubern. Innerhalb drei bis vier Tagen wurden ca. 40 Mann gefangen, - alle unschuldig. Erst nach acht Tagen kam man auf die richtige Fährte. Es wurden geraubte Sachen gefunden, Räuber eingefangen, die sich als schuldig bekannten. Ob es die richtigen sind? - Die Volksstimme verneint es, und wer die Art der chinesischen Justizpflege kennt, wird zweifeln. Ein schweres Geheimnis liegt dunkel über der Bluttat. Nach Wochen endlich erfuhr man, daß alles ein Werk der Dadaohui, „der Gesellschaft vom großen Messer", war, eine geheime heidnische Sekte, die dem Christentum sehr feindlich ist und schon im letzten Jahre die große Verfolgung in Shanxian angezettelt. Der Anführer war Zhao Tianji, ein Greis von über 70 Jahren. Mit mehr als 100 Mann war er vom Norden gekommen, hatte einige Tage vorher in Liangshan die Kirche ausgeplündert, hat aber Η. P. Ziegler, der gerade abgereist, nicht getroffen. 500 Lot Silber sind von der Regierung auf seinen Kopf gesetzt. Dank der deutschen Regierung wurde die Sache hier ernst genommen. Wie diese dieselbe besorgte, ist ja hinlänglich aus Zeitungen bekannt. Hier im Innern fürchtete man wirklich, daß die deutschen Soldaten Rache nähmen. Alles ist Fügung Gottes! Längst hatte der Vizekönig durch seine hinterlistigsten Ränke diese Tat vorbereitet. Er wollte als Europäerfresser uns alle, auch die Kaufleute, aus dem 2

Im Juni 1896 kam es zu ersten großen Angriffen gegen französische Missionare in Nord-Jiangsu, die von der Dadaohui organisiert wurden und auf lokale Streitigkeiten zurückgingen. Im Verlaufe der Auseinandersetzungen zwischen Christen und der Dadaohui gab es auch Aktionen in Shanxian, Präfektur Caozhou in Süd-Shandong, zu den Einzelheiten siehe Esherick 1987:115ff

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Lande vertreiben. Gott hat es anders gefugt. Leider mußten aber die beiden Missionare doch den Ränken dieses Menschen erliegen. Η. P. Nies war über dreizehn Jahre in China tätig und hatte schon viel, viel erlitten, viel auch gearbeitet im Weinberge Gottes. Η. P. Henle war seit neun Jahren hier und stets in dem wildesten Gebiete, Caozhoufu beschäftigt. Er hatte besonders durch seine Klugheit und sein außerordentliches Sprachentalent, verbunden mit großer Frömmigkeit, eine große Zukunft vor sich. Gott hat sie zu sich genommen. Fiat voluntas Dei! Ich bin nun schon das zweite Mal in diesem Jahre einem solchen Tode entgangen. Ob auch das dritte Mal? Seither führe ich ein recht abenteuerliches Leben. Man hat mir durch Zettel gedroht, vor dem 15. des 12. chines. Monates [1.7.1898] mich zu morden, man soll selbst Pferde gekauft haben, um mich unterwegs zu fangen. In gefährlicheren Gegenden nehme ich Soldaten mit. Nachts bin ich stets von den Christen bewacht, in kleinen Gemeinden suche ich heimlich abends ein Versteck auf, gewöhnlich bei den ärmsten Christen, sei es in der Kirche oder im Stalle oder in einer anderen Hütte. Ich vertraue auf Gottes Schutz, ohne dessen Willen mir nichts geschieht. Pater Stenz, Erlebnisse eines Missionars in China. Mit einigen Illustrationen. Geschildert in Tagebuchblattern, Trier 1899, S. 70-77.

18 Note des deutschen Gesandten Heyking an die Prinzen und Minister des Zongli Yamen (7.11.1897) 3 Die Note betrifft die abscheuliche Bluttat, die an deutschen Missionaren im Süden Shandongs am 2. November 1897 verübt wurde. Von den beiden deutschen Missionaren in Caozhou wurde der eine getötet, während der andere als vermißt gilt. Außerdem wurden die Gebäude der deutschen Missionare im Kreis Shouzhang geplündert. Ich ersuche Sie hiermit, schleunigst Maßnahmen zum Schutz von Leben und Gut der Deutschen in Shandong zu ergreifen. Für diese Angelegenheit trägt der chinesische Staat die volle Verantwortung. Ich erwarte, daß die Schuldigen unverzüglich hart bestraft werden, um damit das von den Deutschen erlittene Unrecht zu sühnen. Heyking DOJSX S.125.

3

Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker.

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19 Telegramm von Kaiser Wilhelm II. an den Chef des Kreuzergeschwaders in Ostasien, Diederichs (7.11.1897) Gehen Sie augenblicklich mit ganzem Geschwader Jiaozhou, besetzen Sie geeignete Punkte und Ortschaften daselbst und erzwingen Sie von dort aus in Ihnen geeignet scheinender Weise vollkommene Sühne. Größte Energie geboten. Zielpunkt Ihrer Fahrt geheimhalten. Wilhelm Kaiser König BA/MA, RM 38/30, Bl.24.

20 Telegramm des Reichskanzlers Hohenlohe an den deutschen Gesandten Heyking (7.11.1897) Berlin, 7. November 97 erhalten Wusong, 9. November abends an Bord S.M.S. „Kaiser" No.43, vom 7. November. Geheim. Im Anschluß an mein Telegramm No.42. 4 Richten Sie Forderungen wegen Missionen so ein, daß chinesische Regierung sie nicht sofort befriedigen wird. Hier wird beabsichtigt, Vorfall womöglich zu Besetzung von Jiaozhou oder anderen Platzes auszunützen, gez. Hohenlohe ΒAP, DBC, Nr. 326, Bl.70.

4

Das Telegramm von Hohenlohe an Heyking vom 6.11.1897 lautete: „Drahtbericht über die von Ihnen gestellten Forderungen. Stellen Sie scharfe Genugtuungsforderungen an chinesische Regierung, zugleich auch wegen des Vorfalls in Wuchang, im Benehmen mit Admiral", in: BAP, DBC, Nr.326, B1.67 Zum Wuchang-Vorfall siehe Dok. 16.

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21 Telegramm der Minister des Staatsrats an den Gouverneur von Shandong, Li Bingheng (10.11.1897) 5 Telegramm an den Provinzgouverneur Li in Jinan: Über den Missionarszwischenfall in Caozhou, bei dem Missionare ums Leben kamen, wurden wir bereits durch den Deutschen Gesandten6 sowie Xu Jingcheng telegraphisch unterrichtet. Euer Telegramm hingegen traf erst heute ein. Zum einen habt Ihr uns zu spät verständigt, zum anderen die Täter entkommen lassen. Glaubt Ihr, daß Ihr mit der Aussetzung einer Belohnung zur Ergreifung der Täter Eurer Pflicht bereits genüge getan habt? Ihr müßt umgehend einen Beamten an den Tatort entsenden, um den genauen Hergang des Vorfalls zu erkunden. Die Schuldigen müssen unbedingt gefaßt und bestraft werden. Der Fall um die Yanggu-Kirche muß schnellstens aufgeklärt und gelöst werden. Li Bingheng, Ihr seid der verantwortliche Lokalbeamte. Erst nach der vollständigen Beilegung des Zwischenfalls gestatten wir die Amtsübergabe an einen Nachfolger. Die deutsche Seite strebt momentan die Erwerbung eines Hafens an. Der Zwischenfall ist geeignet, um als Vorwand genutzt zu werden. Wir befurchten, daß sich daraus Verwicklungen ergeben können. Um ein Beispiel zu liefern, beauftragen wir das Zongli Yamen, Euch eine Abschrift über die Behandlung des Missionszwischenfalls von Gutian in der Provinz Fujian zu übersenden. YSG, 501/0-2, Nr. 292,

unfoliiert.

22 Proklamation des Chefs des Kreuzergeschwaders in Ostasien, Diederichs (14.11.1897) Jiaozhou, den 14. November 1897 Proklamation Ich, der Chef des Kreuzergeschwaders, Kontre-Admiral v. Diederichs, mache hiermit bekannt, daß ich auf Allerhöchsten Befehl Seiner Majestät des deutschen Kaisers die JiaozhouBucht und die vorliegenden Inseln in den nachbezeichneten Grenzen besetzt habe:

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Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker.

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Vgl. Dok. 18.

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Xu Jingcheng war der fur das Deutsche Reich akkreditierte chinesische Gesandte.

121 1. Im Westen von einer Linie, welche von der Meeresküste aus über die Berge Pimple- u. Pinnacle Range (vgl. [Karte] der englischen Admiralität 1255) hinweg nach einem Punkt hinführt, welcher 18 Li westlich von dem westlichsten Punkte, der in der Jiaozhou-Bucht bei Hochwasser vorhandenen Wasserfläche entfernt bleibt, von hier Süd-Nord bis zum Breitenparallel der Zollstation Tabutou und darauf nach dem Vereinigungspunkt des Jiaohe und Daguhe läuft. 2. Im Norden von einer Linie, welche von dem Zusammenfluß des Jiaohe und Daguhe West-Ost bis zur Meeresküste und Mitte der Laoshan-Bucht geht. 3. Im Osten von einer Linie, welche von der Nordgrenze durch die Mitte der LaoshanBucht nach Süden zur Insel Jiadimiao und Zhaliandao fuhrt. 4. Im Süden von einer Linie, welche von der Insel Zhaliandao nach der Südspitze der Insel Diluoshan und von hier nach dem Schnittpunkt der Meeresküste mit der Westgrenze fuhrt. Dies geschieht, um Bürgschaft zu haben für die Erfüllung der Sühneforderungen, welche an die chinesische Regierung wegen der Ermordung deutscher Missionare in Shandong gestellt werden müssen. Ich fordere hiermit alle Bewohner, ohne Unterschied des Standes, Geschlechts und Lebensalters, auf, ruhig wie bisher ihren Geschäften nachzugehen und sich nicht durch böswillige Gerüchte, die von Unruhestiftern ausgesprengt werden, aufregen zu lassen. Deutschland ist immer ein guter Freund Chinas gewesen, wie es ja auch durch die Intervention im chinesisch-japanischen Kriege zum Schutze Chinas bewiesen hat. Die Besetzung ist durchaus nicht als eine feindliche gegen China gerichtete Handlung anzusehen, es wird durch sie im Gegenteil die Erhaltung der freundschaftlichen Beziehung zwischen Deutschland und China erleichtert werden. Die deutschen Behörden werden die freundlichen Bürger in ihrem Handel und Wandel schützen und Ruhe und Ordnung aufrecht erhalten, aber Übeltäter streng nach dem geltenden chinesischen Gesetz bestrafen. Sollten Ruchlose etwas gegen die anwesenden Deutschen unternehmen, so verfallen sie den strengen deutschen Kriegsgesetzen. Ich ermahne daher nochmals alle, die es betrifft, sich in die deutsche Schutzherrschaft zu fugen und sich nicht durch Widersetzlichkeit, die doch nutzlos sein würde, Unannehmlichkeiten zuzuziehen. Die chinesischen Behörden und Beamten in den von deutschen Truppen besetzten Orten sollen ungestört in Tätigkeit bleiben und gewissenhaft und ordentlich ihre Amtspflichten erfüllen. Jeder lese und gehorche! ΒΑΜΑ, Ν. 22446, BI.4.

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23 Telegramme des Ministers der Nördlichen Handelshäfen, Wang Wenshao, an die Minister des Staatsrats (15.11.1897) 8 Telegramm des Ministers der Nördlichen Handelshäfen, eingegangen am 15. November 1897: Soeben erhielt ich ein Telegramm des Gamisonskommandanten Zhang Gaoyuan, in dem es heißt: Heute morgen um acht Uhr sind drei deutsche Kriegsschiffe in die Jiaozhou-Bucht eingelaufen. Ich habe herausgefunden, daß sie aus Shanghai gekommen sind. Es handelt sich um die drei Schiffe „Kaiser", „Prinzeß Wilhelm" und „Cormoran". Wie es heißt, wollen die Schiffe hier ein paar Tage vor Anker bleiben, um dann wieder aufzubrechen. Ich warte ab, bis die deutschen Schiffe die Jiaozhou-Bucht verlassen haben und benachrichtige Euch dann. Wang Wenshao Telegramm des Ministers der Nördlichen Handelshäfen, eingegangen am 15. November 1897: Heute mittag erhielt ich vom Gamisonskommandanten des Kreises Dengzhou, Zhang Gaoyuan, ein Telegramm, in dem er folgenden Bericht erstattet: „Am Morgen des 14. November gingen die deutschen Truppen unter Admiral Diederichs nacheinander hier an Land und verteilten sich über die einzelnen Berge. Dann überreichten sie ein Ultimatum, in welchem gefordert wurde, daß sich sämtliche in der Bucht von Jiaozhou aufhaltenden chinesischen Garnisonstruppen ab drei Uhr hinter den Nügukou-Paß des Laoshan-Gebirges zurückziehen. Man gestattete nur die Mitnahme von Gewehren; Kanonen und Batterien sollten hingegen am Ort verbleiben. Für den Rückzug wurde eine Frist von 48 Stunden gesetzt. Im Falle der Nichteinhaltung drohte man damit, Truppen einzusetzen. Die Deutschen haben inzwischen die Telegraphenleitung unterbrochen. Sie haben die Absicht, den Ort zu besetzen. Die Ereignisse sind wie aus heiterem Himmel über uns hereingebrochen. Ich befinde mich mit meinen Truppen an einem abgelegenen Ort und verfuge über keinerlei offizielle Order. Ich bitte dringend darum, mich auf schnellstem Wege zu instruieren, wie ich mich weiter verhalten soll." Die deutsche Aktion kam fur uns völlig überraschend. Sie kann auf keinen Fall hingenommen werden. Ich habe den Garnisonskommandanten von Dengzhou angewiesen, den Verhältnissen entsprechend zu handeln. Darüber hinaus ersuche ich darum, den Vorfall umgehend dem Hof zur Kenntnis zu bringen und mir schnellstmöglich entsprechende Befehle zu erteilen. Wang Wenshao YSG, 188/3-41, Nr.841,

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unfoliiert.9

Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker.

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24 Aufzeichnung über die Verhandlungen mit China (15.11.1897) 10 Berlin, den 15. November 1897 In der heutigen unter Vorsitz seiner Majestät im Reichskanzlerpalais stattgefundenen Beratung, an der teilnahmen Seine Durchlaucht der Herr Reichskanzler, der Kommandierende Admiral Knorr, der Staatssekretär Admiral Tirpitz, der Chef des Marinekabinetts Admiral von Senden-Bibran, der Generaladjutant von Plessen und der Unterstaatssekretär Freiherr von Rotenhan, wurden auf Vortrag über die Durchführung der Besetzung der Jiaozhou-Bucht folgende Maßnahmen von Seiner Majestät gutgeheißen: 1. Die dauernde Besitzergreifung der Bucht ist in Aussicht zu nehmen. Seine Majestät bemerkten, daß er sich an die telegraphische Zustimmung des Kaisers Nikolaus halte. Der Zar habe schon vor zwei Jahren ihm unter Dank fiir unsere Unterstützung der russischen Politik in Ostasien seine Übereinstimmung kundgegeben, daß Deutschland einen Hafen in China nehme. Seine Majestät ist der Ansicht, daß die Jiaozhou-Bucht, da sie südlich außerhalb des Beizhili-Golfs liegt, für Rußland kein besonderes Interesse bietet; übrigens könne es ja immer seine Flotte hineinsenden. Seine Majestät glaubt daher an keinen Krieg mit Rußland, ist überzeugt, daß die Besitzergreifung von der öffentlichen Meinung Deutschlands mit Jubel begrüßt werden wird, und daß auch im Reichstage das Zentrum dieses kaiserliche Eintreten zum Schutze der katholischen Missionen anerkennen und stützen werde. 2. Es soll zunächst, womöglich innerhalb fünf bis sechs Tagen, versucht werden festzustellen, ob europäische Mächte, namentlich Rußland, gegen unsere dauernde Besitzergreifung von Jiaozhou Einspruch erheben oder Schwierigkeiten bereiten werden. 3. Ist dies nicht der Fall, so sollen sofort 1200 Mann als Schutztruppe angeworben und dorthin gesandt werden, da die Kriegsschiffe ihre Mannschaft ohne Schädigung der maritimen Interessen nicht lange Zeit an Land belassen können. Auch sind weitere Kriegsschiffe nachzusenden, zunächst S M. Kreuzer „Kaiserin Augusta" vom Ionischen Meere, dann „Gefion" und S.M. Panzer „Deutschland". Dafür sind S.M. Panzer „Württemberg" und „Oldenburg" außer Dienst zu stellen. S.M. Kreuzer „Geier" soll dann zunächst „Kaiserin Augusta" in den griechischen Gewässern ersetzen, wo er etwa in 14 Tagen eintreffen kann. 4. Bis die Aufklärung über die politische Lage in Europa erfolgt ist (Nr.2), soll unser Vorhaben g e h e i m bleiben. Es werden bis dahin nur diejenigen Vorbereitungen in den Ministerien getroffen werden, die ohne Aufsehen möglich sind. Die „Kaiserin Augusta" kann aber sogleich abfahren, sobald sie im Besitz der nötigen Karten ist. 5. Um zu verhindern, daß China uns Krieg mache (förmlich oder latent), sind bei der Besitzergreifung womöglich die Hoheitsrechte Chinas zu wahren, vielleicht dadurch, daß wir das Land von China nur in langdauernde lease11 nehmen. 9

Auch abgedruckt in: JAZD S.6f, Nr. 11 und 12

] 0 Die Aktennotiz ist unsigniert, vermutlich aus der Hand des Geheimen Rats im AA, Klehmet.

124 6. Unsere Forderungen an China sind so hoch zu spannen, daß sie nicht erfüllt werden können und daher die weitere Besitzergreifung rechtfertigen. GPEK XIV, S.85, Nr.3701.

25 Bericht des Chefs des Kreuzergeschwaders in Ostasien, Diederichs, an den Oberkommandierenden der Marine, Knorr (15.11.1897) Jiaozhou, den 15. November 1897

Geheim!

An den kommandierenden Admiral Berlin Besetzung der Jiaozhou Bucht Eure Exzellenz beehre ich mich über die Vorgänge bis zur Besetzung der Lager von Jiaozhou gehorsamst das Folgende zu berichten: Am 8.d.Mts. ging Eurer Exzellenz Telegramm vom 7. 1 2 , welches den Allerhöchsten Befehl enthielt, sofort nach Jiaozhou zu gehen, hier ein. Die mir unterstellten Schiffe befanden sich in folgendem Bereitschaftszustande: S M S. Irene und Arcona waren in der jährlichen Reparaturperiode begriffen, nachdem Euer Exzellenz den Beginn der Arbeiten auf meine Anfrage am 22. September gestattet hatten. S.M.S. Irene lag in Hongkong und meldete, daß wegen der Reparatur der Kurbelwellenlager und Neuausfutterung des Pakholzfutters des Schraubenwellenrohres das Schiff, selbst unter Zuhilfenahme von Nachtarbeit, erst am 30.d.Mts. imstande sein werde, von Hongkong auszulaufen. S.M.S. Arcona war in Shanghai in Reparatur und sollte zum 24.d.Mts. wieder seeklar sein. S.M.S. Kaiser und Prinzeß Wilhelm lagen bei Wusong, S.M.S. Cormoran war mit dem Kaiserlichen Gesandten für China an Bord auf der Rückreise von Hankou nach Shanghai begriffen. Ich traf deshalb am 8. pm 13 und 9. am 14 die in Shanghai noch notwendigen Vorbe-

11 Gemeint ist eine durch einen Staatsvertrag völkerrechtlich anerkannte Pacht im Gegensatz zu einer reinen Inbesitznahme, die völkerrechtlich als kriegerischer Akt hätte ausgelegt werden können, vgl. Fisch 1984:162ff. 12 Dok. 19. 13 Gemeint ist der Nachmittag des 8. November 1897. 14 Gemeint ist der Vormittag des 9. November 1897.

125 reitungen, hatte am 9. pm 15 die mit dem Gesandten nach seiner Rückkehr noch erforderliche Unterredung und verließ am lO.d.Mts. mit S.M.S. Kaiser Wusong-Reede. Mit S.M.S.S. Prinzeß Wilhelm und Cormoran setzte ich ein Rendezvous in der Nähe von Zhaliandao für den 12. abends fest, um durch getrenntes Auslaufen weniger die öffentliche Aufinerksamkeit auf unsere Schiffe zu lenken, als dies der Fall gewesen sein würde bei einer gemeinschaftlichen Abreise, nachdem vorher besprochen war, daß S M S. Prinzeß Wilhelm nach dem Süden gehen sollte und fur S M S. Cormoran zur Winterreparatur das Dock auf den 9.d.Mts. in Shanghai bestellt war. In Shanghai war die Ermordung der deutschen Missionare mit den sich voraussichtlich daran knüpfenden Folgen bereits zum Gegenstand des öffentlichen Gespräches geworden. Die Vereinigung der Schiffe fand am 12.d.Mts. etwa gegen 9 h pm programmäßig statt 10 sm SO von Zhaliandao. Die Dispositionen für die Ausführung der Besetzung wurde mit den Kommandanten allgemein besprochen, die Besatzungen fur die Dauer der bevorstehenden kriegerischen Unternehmung unter Kriegsgesetz gestellt und morgens 8 h 17 m am 13.d.Mts. vor Zhaliandao geankert. Ich hatte nach der Art des öffentlichen Gesprächs in Shanghai, wo allgemein die Ansicht geäußert war, daß unsere Schiffe nunmehr die Jiaozhou-Bucht besetzen würden und den übrigen politischen Konstellationen geglaubt, daß eine Mitteilung und Warnung, sei es von Shanghai oder Peking, an den Oberbefehlshaber der chinesischen Truppen in Jiaozhou erlassen sein werde. Er schickte jedoch seine Karte in der üblichen Weise an Bord; bei Gelegenheit der Erwiderung dieser Höflichkeit durch Überbringen meiner Karte an ihn durch einen Offizier und bei einer eingehenden Rekognoszierung der Lager und der ganzen Örtlichkeit am Vormittag und Nachmittag des 13. November ergab sich aber kein Anzeichen dafür, daß dies der Fall sei. Der chinesische General Zhang Gaoyuan (Mandarin 2. Ranges) hatte sich bisher unseren Schiffen, welche die Jiaozhou-Bucht besuchten, gegenüber stets sehr entgegenkommend gezeigt. Auch im vorstehenden Falle stellte er Ponies zum Ausreiten in die Umgegend zur Verfugung und bat mich, die Zeit zu bestimmen, zu welcher er mir seinen Besuch an Bord abstatten könne. Im Interesse des Vermeidens jeden Blutvergießens hielt ich es für das Beste, den General vor eine vollendete Tatsache, d.h. vor eine vollständige Übermacht in überraschender Form zu stellen und nicht, wie vorher geplant, ihm eine Ansage zum Beginn der Feindseligkeiten zu schicken mit Bewilligung einer 24stündigen Frist zu seinem Abzüge. Am M.d.Mts. 6 h 30 m am wurden die Boote zum Gefecht armiert, S.M.S. Cormoran war bei Tagesgrauen nach der inneren Bucht gegangen und hatte den Ankerplatz so gewählt, daß die beiden dort gelegenen Lager und das Pulvermagazin bestrichen werden konnten. S.M.S.S. Kaiser und Prinzeß Wilhelm hatten am Nachmittag des 13. den Ankerplatz möglichst nahe an Land verlegt, soweit dies nach Ausloten der Wassertiefe möglich war. Aus dem anliegenden Landungsbefehl gehen die Einzelheiten der Disposition hervor.

15 Gemeint ist der Nachmittag des 9 November 1897.

126 Um 1/2 8 Uhr konnten die gesammelten Landungs- und Reservelandungsabteilungen von dem Brückenlager - die eiserne Brücke war als Ausschiffungsplatz gewählt worden - unter den Klängen des Preußenmarsches und unter Begleitung einer großen Menge schaulustiger Chinesen den Marsch in die bezeichneten Positionen antreten. Als der freie Exerzierplatz neben dem Yamen-Lager erreicht wurde, fand sich, daß der General16 dort eine Abteilung exerzieren ließ. Er ließ dieselbe halten, präsentieren und danach in das Yamen-Lager abrükken, um für die vorgeblichen Exerzitien unseren Mannschaften Platz zu machen. Die übrigen Abteilungen rückten in die befohlenen Stellungen ein. 2 Züge der Landungsabteilung Prinzeß Wilhelm waren auf dem Exerzierplatz halten geblieben und auf ein Signal wurde dem General, der auf dem Exerzierplatz stehen geblieben war, um sich das Exerzieren unserer Mannschaften anzusehen, das Ultimatum überreicht. Dasselbe lautete, daß ich auf Allerhöchsten Befehl Jiaozhou und Umgegend in den Grenzen der anliegenden Karte3 besetze als Pfand für die Sühneforderungen wegen der Ermordung der deutschen Missionare und daß ich ihn auffordere, unter Zurücklassung der Geschütze und der Munition, aber unter Mitnahme der Gewehre innerhalb 3 Stunden mit seinen Soldaten den Abmarsch anzutreten. Er zog sich in sein Yamen zurück, versuchte erst durch abgesandte Offiziere Unterhandlungen anzuknüpfen und erschien schließlich zur persönlichen Rücksprache mit mir am Fuß des Hügels. Er erklärte, daß er den Befehlen seiner Vorgesetzten Folge leisten und die Stellung halten müsse. Ich überzeugte ihn von der Nutzlosigkeit jedes Widerstandes und machte ihn darauf aufmerksam, wie der Sache nur gedient sein könne, wenn er überflüssiges Blutvergießen vermeide. Er erklärte, daß es ihn auf jeden Fall seinen Kopf koste und daß seine Soldaten in der kurzen, ihnen gestellten Frist die Lager nicht räumen könnten, umso mehr, als sie jahrelang darin gewohnt hätten und zum großen Teil Familien am Ort besäßen. Ich sprach ihm mein lebhaftes Bedauern aus über die Art, in welcher ich gegen ihn vorzugehen gezwungen sei, und schlug ihm vor, am Ort wohnen zu bleiben, schon aus dem Grunde, um Aufsicht über die Privatsachen seiner Soldaten, welche natürlich in so kurzer Zeit nicht alles mitnehmen könnten und denen aber ihr Privateigentum erhalten werden solle, auszuüben. Er ging nach vielem Hin- und Herreden und Einschiebung von Zwischenhändlern auf meinen Vorschlag ein und erteilte an seine Soldaten den Befehl zum Räumen der Lager. Der Telegraphendraht war planmäßig durchbrochen und also das Einholen höherer Befehle fur ihn ausgeschlossen. Die Soldaten zogen allmählich im Laufe einiger Stunden ab, indem sie ihren sämtlichen Hausrat und die Gewehre mitnahmen. Letztere habe ich ihm belassen, indem dieselben infolge ihres schlechten Zustandes unschädlich waren und ich den Schein einer militärischen Kapitulation angesichts des friedensbruchartigen Charakters unseres Vorgehens gewahrt haben wollte. Ich führe nebenbei noch an, um die Situation zu schildern, wie auch am Ostlager die Soldaten bei ihren Exerzitien beschäftigt waren, als unsere Mannschaften in ihre Stellungen einrückten. Das Ostlager, das Artillerie- und das Yamen-Lager wurden zuerst, darauf auch das Strand- und Höhenlager besetzt. An letzteren beiden waren besondere Aufforde-

16 Gemeint ist der oben bereits erwähnte chinesische General Zhang Gaoyuan.

127 rungen, abzuziehen, an die Soldaten in chinesischer Sprache angeschlagen worden. Dieses und der Befehl des Generals hatten sie veranlaßt, den Platz zu räumen. Im Artillerielager fanden sich 14-8cm Krupp'sche Feldgeschütze aus den 70er Jahren. Die Rohre waren leidlich konserviert, die Verschlüsse, an getrenntem Platz aufbewahrt, in schlechtem Zustande. Es wurde eine größere Zahl scharfer Granaten femer Pulver und Gewehrpatronen in diesem Lager gefunden, außerdem ein Teil der Bespannung der Geschütze. Die Lager wurden von 12 Uhr ab besetzt, die Soldaten, ohne hart gegen sie zu verfahren, zum Einpacken und Abmarschieren gedrängt und dann mit der Säuberung des Ost- und des Artillerielagers, die zunächst als Wohnung dienen sollten, begonnen. Um 2 h 20 m ließ ich dann als Zeichen der Besetzung auf dem Ostlager die Kriegsflagge feierlich hissen. S.M.S. Prinzeß Wilhelm salutierte dieselbe mit 21 Schuß, die Schiffe setzten Toppflaggen. Inzwischen hatte ich die Telegraphenstation im Yamen besetzen lassen, darauf war die Leitung repariert und zeigte sich dieselbe wieder betriebsfähig durch Ankunft Euer Exzellenz Depesche vom 12.d.Mts. Es war zu spät, an der Besetzung etwas zu ändern, da bereits in verschiedenen Orten die Proklamation, welche unsere Besetzung des ganzen Gebietes der Bevölkerung anzeigt, angeschlagen war. Ich konnte Euer Exzellenz die telegraphische Meldung über Ausführung des Befehls vom 7. bei meiner Anwesenheit im Yamen unmittelbar erstatten. Die ausfuhrliche Meldung mußte wegen des Chiffrierens bis nach der Rückkehr an Bord aufgeschoben werden. Ich habe Kapitän zur See Zeye den Befehl als Militärgouvemeur über das besetzte Gebiet übertragen und zur Besatzung zunächst die Landungsabteilungen der 3 Schiffe an Land belassen. Die Proklamation ist normiert nach den in der Karte angegebenen Grenzen, indem es mein Bestreben gewesen ist, durch Aussprechen einer so weit gehenden Besetzung von Gebiet, welche tatsächlich mit den zur Verfugung stehenden Mannschaften nicht durchgeführt werden kann, fremden Mächten gegenüber bei einer eventuellen Einmischung am Orte uns ein Prioritätsrecht zu sichern. In den nächsten Tagen beabsichtige ich als Zeichen der Besetzung auf den vor und in der Bucht gelagerten Inseln und auf dem gegenüberliegenden Ufer sowie in der Stadt Jiaozhou die Flagge hissen zu lassen. Bei einer späteren Abtretung kann hierauf zurückgekommen werden, vor allem handelte es sich mir darum, anderen Stationen gegenüber fur den Fall, daß es dessen bedürfe, ein Prioritätsrecht zu schaffen. Hoheitsrechte werden nicht ausgeübt, indem Zölle pp weiterhin fur die chinesische Regierung erhoben wurden und auch das chinesische Recht mit Ausnahme bei Vergehen gegen unsere Leute als weiterbestehend anerkannt wird. Die Bevölkerung blieb ruhig und zeigte sich zutraulich; auch die Soldaten haben bei ihrem Abzug keinerlei Ruhestörungen verübt. Zur Aufnahme der Verbindung habe ich, da namentlich nicht gemutmaßt werden konnte, daß der Telegraph so schnell wieder betriebsfähig sein würde, einen Dampfer von Shanghai gechartert. Durch den Dampfer Loyal lasse ich von S.M.S. Irene 4 Offiziere 75 Mann zur Verstärkung der Besatzungen an Land hierher befördern. Eine Besetzung für längere Zeit ist ohne Nachschub von der Heimat nicht tunlich und habe ich, weil alle weiteren Maßregeln von der Stärke des Nachschubes abhängen, Euer Exzellenz um telegraphischen Bescheid dieserhalb gebeten.

128 Die Sühneforderungen bei der Chinesischen Regierung beabsichtige ich in den nächsten Tagen stellen zu lassen, nachdem der Kaiserliche Gesandte, welcher telegraphischen Auftrag, nach Peking zurückzukehren, vom Auswärtigen Amt erhalten hat, dort eingetroffen sein wird. Über dieselben Euer Exzellenz hochgeneigte telegraphische Genehmigung einzuholen, werde ich nicht verfehlen, und möchte ich in dieselben das Ersuchen aufnehmen, dem chinesischen Oberbefehlshaber Straflosigkeit zuzusichern, indem derselbe durch die bedingungslose Aufgabe jeden Widerstandes nach der vollständigen Überrumpelung zu einer für ihn friedlich aussehenden Zeit uns einen ruhmlosen Kampf erspart hat, der lediglich das Blut Unschuldiger vergossen haben würde und einer Niedermetzelung Wehrloser gleichgekommen wäre. Es dürfte die völlig friedliche Räumung durchaus auch in unserem Interesse gelegen haben. gez. von Diederichs a) Randbemerkung: „Karte nicht beigefugt, ist die Eurer Exzellenz bekannte " ΒΑΜΑ, RM 3/6696, Bl. 190-196.

26 Meldung im Berliner Tageblatt (16.11.1897) Gegen China ist bereits eine ernste Flottendemonstration im Gange. Wie offiziös verlautete, hat die Kreuzerdivision in der Jiaozhou-Bucht Truppen gelandet, um von dort, als dem Tatort zunächst gelegenen Hafen, auf die chinesische Regierung Druck auszuüben zur baldigen und umfassenden Erfüllung der deutscherseits aus Anlaß der Ermordung zweier deutscher Missionare und der Zerstörung einer deutschen Mission erhobenen Forderungen. Die JiaozhouBucht liegt auf dem 36. Grad nördlicher Breite und auf dem 120. Grad östlicher Länge von Greenwich. Er wurde bereits kürzlich anläßlich der Enthüllungen Li Hongzhangs an das Zongli Yamen im Berliner Tageblatt als einer der Häfen bezeichnet, in denen chinesische Werften errichtet werden sollen.17 Berliner Tageblatt (16.11.1897),

Morgenausgabe,

S.l.

17 Zu den chinesischen Plänen, in der Jiaozhou-Bucht Werften zu errichten, siehe Dok. 14 sowie die Einleitung zu Kapitel 1.

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27 Telegramm der Minister des Staatsrats an den Gouverneur von Shandong, Li Bingheng (17.11.1897)18 Kaiserliche Verfügung: Li Bingheng, wir haben Euer Telegramm zur Kenntnis genommen. Obwohl die Absichten der Feinde äußerst bedrohlich sind, will der Hof auf keinen Fall militärisch aktiv werden. Wir handeln momentan so, um späteren Katastrophen vorzubeugen. Wenn wir leichtfertig den Krieg erklären, beschwören wir sofort ein militärisches Desaster herauf, das unsere Küstenverteidigung erschüttern und die Sicherheit unseres gesamten Landes gefährden würde. Wie könnten wir einer solchen Situation dann noch Herr werden?! Die Truppen von Zhang Gaoyuan und Xia Xinyou sind in unmittelbarer Nähe der Jiaozhou-Bucht stationiert. Sie dürfen ohne ausdrücklichen Befehl dazu nicht von sich aus losschlagen. Die neuangeworbenen Rekruten sind ein undisziplinierter Haufen; wir haben allen Grund, ihnen zu mißtrauen. Die Truppenanwerbung ist einzustellen. Das Zongli Yamen und der bevollmächtigte Ministerresident sind beauftragt worden, mit der Gegenseite in Verhandlungen zu treten. Danach werden wir über unsere weiteren Schritte entscheiden. (Die Truppen an der Küste Shandongs 20

unterstehen sämtlich dem Kommando von Wang Wenshao). Der Provmzgouverneur Zhang Rumei hat Order erhalten, umgehend sein neues Amt anzutreten. Alle in Zusammenhang mit der Ergreifung und Verhörung der Täter stehenden Angelegenheiten sind von Euch auf schnellstem Wege zu erledigen; Ausflüchte können nicht geltend gemacht werden. DOJSX S.253.

18 Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker 19 Li Bingheng hatte am 15 11.1897 ein Telegramm an dem Staatsrat gesandt, in dem er die Verlegung von Truppen in die Gegend von Jiaozhou befiirwortet, vgl. Li Bingheng an Staatsrat, 15.11.1897, in: DQJSX 248. 20 Dieser Satz findet sich in den Akten des Staatsrates, er wurde mit einem Papierstreifen verdeckt. In den Akten des Hofes ist er nicht notiert.

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28 Telegramm des Gouverneurs von Shandong, Li Bingheng, an die Prinzen und Minister des Zongli Yamen (19.11.1897)21 Am 16.11.1897 erhielt ich den Kaiserlichen Befehl: „Alle Truppeneinheiten sind anzuweisen, neue Rekruten anzuwerben." Ich bin diesem Befehl umgehend nachgekommen und habe Wan Benhua und die anderen telegraphisch angewiesen, dementsprechend zu verfahren. Ich war gerade dabei, darüber einen Bericht abzufassen, als ich einen neuerlichen Befehl vom 17.11. erhielt: „Obwohl die Absichten der Feinde bedrohlich sind, will der Hof unter keinen Umständen militärisch aktiv werden. Wir handeln momentan so, um späteren Katastrophen vorzubeugen." Auch diesem Befehl bin ich prompt nachgekommen und habe die einstweilige Einstellung der Rekrutierung verfugt. Es steht mir nicht an, über die Richtigkeit dieser Entscheidung zu befinden; aber dennoch läßt mich der Druck auf der Brust nicht ruhig schlafen. Die Deutschen benutzen den Juye-Zwischenfall als Vorwand. Wir haben bereits einen Justizbeamten zur Aufklärung des Falles vor Ort entsandt. Daraufhin wurden zunächst vier Täter gefaßt, darunter Lei Xieshen, der Rädelsführer und Anstifter zur Tat, sowie ein gewisser Gao Daqing. Soeben ging bei mir der Bericht der Kreisbeamten Shu Xian und Xi Liang ein, in welchem die Ergreifung von weiteren vier Schuldigen sowie die Sicherstellung des Diebesgutes gemeldet wird. Die gestohlenen Gegenstände sind bereits von den Eigentümern identifiziert worden. Wir haben die Angelegenheit ohne Fehl und Tadel untersucht. Die Deutschen aber haben die Aufklärung des Falles erst gar nicht abgewartet und sind zur militärischen Besetzung geschritten, um uns absichtlich zu demütigen. Heutzutage sind die Kirchen der Missionare in unserem Reich so zahlreich wie Sand am Meer. Wenn wir auf diese Art und Weise die Angelegenheit lösen, werden ähnliche Fälle unweigerlich folgen. Wie kann da China seine Selbstständigkeit behaupten? Ich befurchte, es können folgende Katastrophen eintreten: Zum ersten: Die auswärtigen Beziehungen Chinas zu anderen Staaten beruhen sämtlich auf Verträgen. Deutschland hat grundlos einen unserer wichtigen strategischen Posten besetzt und unsere Truppen zurückgedrängt. Ich vermute, daß auch nach Lösung des Missionarszwischenfalls die Deutschen ihre Truppen nicht zurückziehen werden. Dieser Platz wird von allen Ländern begehrt. Wenn wir Deutschland gegenüber zurückweichen, werden die anderen Staaten einer nach dem anderen mit ähnlichen Forderungen auftreten. Alle Verträge verlieren ihren Nutzen. Es ist zu befürchten, daß wir aller Häfen verlustig gehen. Das hätte für unser Reich unvorstellbare Konsequenzen. Zweitens: Das militärische Führungssystem des Hofes beruht auf Belohnungen und Bestrafungen. Unsere Verteidigungsstellungen wurden geräumt, und die Armeeführer wichen zurück. Der Feind konnte beliebig in unsere Bastionen eindringen und unsere Kanonenforts besetzen, als befände er sich in einem menschenleeren Raum. Der Hof hat dem nichts entgegengesetzt und die Eindringlinge nicht bestraft. Werden da nicht alle Generäle der

21 Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker.

131 Meinung sein, daß das Nichtkriegfuhren die allgemeine Richtlinie ist?! Wenn es wirklich zu einem militärischen Konflikt kommt, wer wird sich da für den Hof mit seinem Leben einsetzen? Drittens: Der Hof will keinen Krieg, um spätere Katastrophen abzuwenden. Natürlich kann man den Ausgang eines Krieges nicht mit Gewißheit voraussagen. Doch wählt man den Krieg, so unterliegt man schlimmstenfalls einem Land. Im Falle eines Zurückweichens werden alle Großmächte zur Aufteilung Chinas schreiten. Letzteres wäre eine unvorstellbare Katastrophe. Inzwischen wurden die Täter gefaßt und das Diebesgut sichergestellt. Dem Zongli Yamen und dem bevollmächtigtem Minister soll befohlen werden, auf dieser Grundlage die Diskussion zu führen. Wenn nun nach der vollständigen Aufklärung des Zwischenfalles die Deutschen immer noch nicht ihre Truppen aus der Jiaozhou-Bucht abziehen, wird sich, um spätere Katastrophen zu vermeiden, ein Krieg wohl kaum umgehen lassen. Angesichts dessen frage ich an, ob ich nicht gemäß des ersten Befehls neue Rekruten anwerben soll. Die gesamte Bevölkerung von Caozhou ist fest zum Kampf entschlossen. Damit könnten unsere Kontingente aufgefüllt werden. Der Garnisonskommandant von Caozhou, Wan Benhua, ist ein mutiger Mann und wird von den Truppen verehrt. Obwohl die Zeit knapp bemessen ist, um Truppen aufzustellen, so reicht sie doch aus, um für den Emstfall gewappnet zu sein. Ich bitte untertänigst um eine schnelle Entscheidung. Des weiteren ersuche ich darum, entsprechend dem ersten Telegramm Xia Xinyou mit der gesamten Streitmacht im 120 Meilen von der Jiaozhou-Bucht entfernten Pingduzhou Stellung beziehen und entsprechend der Situation handeln zu lassen. Ein Batallion sollte in Dengzhou bleiben und die Küstenverteidigung übernehmen. Sun Jinbiao soll mit einigen Truppen die ursprünglichen Stellungen von Wen Dengxia beziehen. Da nun Zhang Rumei für den Posten vorgesehen ist und meine Amtsübergabe unmittelbar bevorsteht, wie kann ich es da wagen, noch so viele Worte zu machen? Allein, ich habe die Kaiserliche Gunst und Gnade genossen. Die Angelegenheit ist zu gewichtig, als daß ich schweigen könnte. Deshalb habe ich mein Herz ausgeschüttet. Hiermit bitte ich darum, meinen Bericht an den Kaiser weiterleiten zu wollen. DQJSX S.257/.

29 Note des deutschen Gesandten Heyking an die Prinzen und Minister des Zongli Yamen (20.11.1897) 22 Am 31.10. und 1.11.1897 wurden in der Provinz Shandong in Caozhoufu und Shouzhangxian deutsche Missionare, die eigentlich von der chinesischen Regierung hätten ge-

22 Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker.

132 schützt werden müssen, überfallen, ausgeraubt und getötet. Diese Vorfälle wurden Euer Exzellenz am 6.11. aus Hankou telegraphisch zur Kenntnis gebracht. Am schwerwiegendsten ist der Fall des Missionars Nies (Neng Fangji), der erstochen wurde. Von dem Missionar Ziegler (Qi Silai)23 fehlt jede Spur; wahrscheinlich wurde auch er ermordet. Die Wertgegenstände aus der Unterkunft der Missionare wurden geraubt. Ein weiterer Missionar namens Stenz (Xue Tianzi) wurde ebenfalls von den Banditen angegriffen, konnte aber entfliehen und kam so glücklicherweise nicht zu Schaden. Aus dem vorstehenden Vorfall kann man ersehen, wie es um die chinesischen Zustände momentan bestellt ist und daß die chinesische Regierung nicht in der Lage ist, solche Verbrechen zu verhindern. Als vor einem Jahr im letzten Sommer in Shandong deutsche Missionare ausgeraubt wurden, konnte erst nach langwierigen Verhandlungen die Zahlung einer Entschädigung erreicht werden. Bis heute ist allerdings noch nicht die volle Summe aufgebracht worden. Glücklicherweise ist bei jenem Zwischenfall keine Person zu Schaden gekommen. Damals erwuchsen mir zahlreiche Schwierigkeiten; nicht etwa, weil Eure Exzellenz die Rechtmäßigkeit unserer Ansprüche in Zweifel gezogen hätten, sondern weil der Provinzgouverneur von Shandong und seine Untergebenen nach Belieben schalteten und walteten und Eure Regierung keine Mittel hatte, jene zum Gehorsam zu veranlassen. Als seinerzeit Minister Shen im Amt weilte, wurde unser Bischof Anzer von Chinesen tätlich angegriffen und beleidigt. Daran waren auch maßgeblich Schriftgelehrte und Beamte beteiligt. Euer Exzellenz werden sich sicher an diesen Vorfall erinnern können. Damals hat unsere Regierung Eure Regierung mehrmals heftig gemahnt und Eure Regierung hatte zugesichert, die entsprechenden Beamten abzusetzen und zu bestrafen. Das ist bis heute nicht geschehen. Außerdem sollten die Lokalbeamten angewiesen werden, auf öffentlichen Aushängen fur den Angriff auf Missionare drakonische Strafen anzudrohen. Doch auch nach den Übergriffen auf unsere Missionare in Shandong ist es nicht zu solchen Aushängen gekommen. Das geschah aus keinem anderen Grund als dem, daß die Lokalbeamten von Shandong glauben, nicht die Befehle Eurer Regierung befolgen zu müssen. Wir haben mit ansehen müssen, wie diese Zustände bereits über einen langen Zeitraum in China herrschen und die chinesische Regierung diesen ohnmächtig gegenübersteht. Das erfüllt uns mit tiefer Sorge. Da wir aber einträchtige Beziehungen mit China anstreben, haben wir jedes Mal Nachsicht geübt. Als China im Krieg gegen Japan in arge Bedrängnis geriet, hat der Deutsche Kaiser großzügig Unterstützung gewährt. Das geschah in der Hoffnung, daß sich die Zustände in China bessern, eine Erneuerung eintritt sowie alle Deutschland betreffenden Angelegenheiten reibungslos geregelt werden. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Ich möchte dazu keine allzu langen Ausführungen machen. Deutschland wurde von China in vielerlei Hinsicht ungerecht behandelt. China hat den deutschen Interessen keinerlei Beachtung geschenkt und die deutschen Vorschläge nicht genügend ernst genommen. Jedesmal, wenn Deutschland einen Wunsch vorbrachte, wurde dieser von der chinesischen Seite abgewiesen. Wir wissen jetzt, daß China aus eigensüchtigen Gründen nicht gewillt ist, Deutschlands Einsatz zu belohnen und die Freundschaft zu Deutschland zu vertiefen.

23 Hierbei handelt es sich offensichtlich um eine Verwechslung. Gemeint ist der Missionar Henle.

133 Die chinesische Regierung bzw. die ihr unterstellten Behörden sind nicht in der Lage oder nicht gewillt, ihrer Pflicht nachzukommen. Auch nach den Angriffen auf Leib und Gut von Deutschen, hat die chinesische Regierung keinerlei Anstalten getroffen, für deren Schutz aufzukommen. Deutschland hat das lange Zeit geduldig mit angesehen. Es kann aber nicht ewig warten, bis die chinesische Regierung ihrer Pflicht, Leben und Besitz unserer Landsleute zu garantieren, nachkommt. Deshalb sieht sich Deutschland gezwungen, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um seine Interessen und das Leben seiner Reichsangehörigen gleichermaßen zu schützen. Mir wurde von meiner Regierung aufgetragen, auf der Grundlage der nachfolgenden sechs Punkte über die Entschädigung für das Verbrechen an den Missionaren mit Eurer Regierung in Verhandlung zu treten. Es liegt nicht in meiner Kompetenz, die chinesische Regierung zu einer schnellen Regelung der Angelegenheit aufzufordern, doch liegt dies ganz in ihrem Interesse. Anhang: Sechs Entschädigungsforderungen des deutschen Gesandten v. Heyking vom 20.11.1897 1. Der Provinzgouverneur von Shandong, Li Bingheng, soll abgesetzt werden und niemals wieder einen Posten erhalten. 2. Bischof Anzer hat bereits damit begonnen, in Jining eine Kirche zu errichten. Die Kosten fur den Kirchenbau sollen von China getragen werden. Außerdem soll eine Steintafel angebracht werden, auf der der Schutz der Kirche und der Missionare verbürgt wird. Die Summe in Silber-Taels ist dem Deutschen Gesandten in Peking zu übergeben. Er wird fur die Weiterleitung sorgen. 3. Alle am Anschlag auf die deutschen Missionare in Shandong beteiligten Täter sind zu fassen und zu bestrafen. Sollten in den Fall Schriftgelehrte oder Beamte verwickelt sein, so sind diese besonders hart zu bestrafen. 4. China hat zu garantieren, daß später nie wieder solche Zwischenfalle passieren können. 5. Sollten in der Provinz Eisenbahnlinien gebaut werden, so sind zuerst deutsche Unternehmer bei der Auftragsverteilung zu berücksichtigen. Werden in der Nähe dieser Eisenbahnlinien Bergwerke eröffnet, so sind die Aufträge ebenfalls an deutsche Unternehmer zu vergeben. 6. Sämtliche, dem Deutschen Staat in diesem Fall entstehende Kosten sind von der chinesischen Regierung zu ersetzen. YHTDSXI, S. 35-37.

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30 Kommentar der Guowen Bao (20.11.1897)24 ÜBER DEN MISSIONSZWISCHENFALL IN CAOZHOU Seit der Anknüpfung von Beziehungen mit den Ländern des Westens existieren bei uns neben dem Konfuzianismus auch die katholischen und evangelischen Lehren. Deren Prediger und Missionare haben sich mittlerweile über ganz China ausgebreitet. Allerdings gestalteten sich die Beziehungen zwischen den Christen und der Bevölkerung nicht harmonisch, so daß es zu Zwistigkeiten kam. Es ist unmöglich, diese Dinge hier im einzelnen darzulegen. Im folgenden soll nicht auf frühere Ereignisse, sondern lediglich auf die jüngsten Zusammenstöße eingegangen werden. Nach dem Krieg mit Japan 25 ereigneten sich drei Zwischenfälle: 1. am Yangzi, 2. in Gutian, 3. in Sichuan. Jedes Mal hat der Hof strengen Befehl erlassen, den betreffenden Fall beizulegen. Man bemühte sich nach Kräften, Missionare und Christen zu schützen, schuldige Banditen hart zu bestrafen und pflichtvergessene Beamte den Umständen entsprechend zu maßregeln. Muß nicht jedermann im In- und Ausland anerkennen, wie großherzig, weitsichtig und gerecht unsere Regierung bisher gehandelt hat? Doch im allerjüngsten Zwischenfall, bei dem deutsche Missionare im Kreis Juye des Caozhou-Distriktes der Provinz Shandong ermordet wurden, muß die Herangehensweise des dortigen Provinzgouverneurs Li Bingheng allergrößte Zweifel angebracht erscheinen lassen. In welchem Land kommt es nicht vor, daß Menschen einander ermorden? Und in welchem Land bestehen nicht Zwistigkeiten zwischen Gläubigen und anderen Bevölkerungsteilen? In Caozhou treiben seit jeher regelmäßig Banditen ihr Unwesen. Bei den Tätern handelte es sich um gegen die Gesetze verstoßende Elemente. Diese Tatsachen hätten bei den Ausländern garantiert Berücksichtigung gefunden. Hätten die Lokalbeamten unverzüglich Mitleid fur die Betroffenen gezeigt und Schadenersatz angeboten, die Schuldigen ergriffen und verurteilt, sowie alle säumigen Amtspersonen bestraft, wären auch die Ausländer trotz ihrer kriegerischen Natur von unserer Aufrichtigkeit überzeugt gewesen. Auch wenn nicht gleich alle Schuldigen gefaßt worden wären, so hätte man gewiß unsere Bemühungen gewürdigt und nicht, ohne uns zu Wort kommen zu lassen, zugeschlagen. Hätten dann etwa deutsche Truppen die Jiaozhou-Bucht besetzt? Aber als sich der Vorfall ereignete, hat der weise Feldherr Li [Bingheng] nicht ein Sterbenswörtchen über den Mord an den Missionaren oder eventuelle Aktivitäten zur Ergreifung der Schuldigen telegraphiert bzw. berichtet. Erst als der Hof von dem Zwischenfall Kenntnis erhielt und daraufhin Li Bingheng strengstens anwies, sich des Falles anzunehmen und dann seine Geschäfte an den Nachfolger zu übergeben, erstattete er einen Bericht.

24 Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker 25 Gemeint ist der chinesisch-japanische Krieg von 1894/95, der nach der chinesischen Niederlage mit dem Frieden von Shimonoseki endete, siehe Einleitung zu Kapitel 1

135 Li hatte sich nicht besonders um den Fall gekümmert. Er hielt ihn fiir einen ganz gewöhnlichen Raubüberfall. So erfuhr der Hof vom Zwischenfall nicht durch Li Bingheng, sondern durch den in Hubei weilenden deutschen Gesandten, der dem Zongli Yamen schwere Vorhaltungen machte. Der weise Feldherr Li ist einer von jenen Provinzgouverneuren, die sich für zu erhaben halten, um sich mit westlichen Angelegenheiten zu beschäftigen. Ist es wirklich so großartig, sich nicht um Westliches zu kümmern? Lis Gedanken haben sich in den Tiefen der Bergwälder verirrt. Seine Dienstobliegenheiten erledigt er ohne jegliches Gespür fiir drohende Gefahren. Stur weigert er sich, die Entwicklung um ihn herum zur Kenntnis zu nehmen. 26 Ein Mensch wie Li kann nicht eine entscheidende Stellung innehaben und die Angelegenheiten des Staates regeln. An einem Platz, wo besonders häufig Angelegenheiten mit den Ausländern zu regeln sind, stimmen umso mehr seine Ansichten mit der Wirklichkeit und seine Fähigkeiten mit den Erfordernissen nicht überein. Er scheint es aber für das allergrößte zu halten, gegen alles Westliche zu sein. Nun ist aber so ein starrköpfiger Beamter, der an seinen überholten politischen Anschauungen festhält, sich nicht um Nutzen und Schaden kümmert, Wichtiges von Unwichtigem nicht unterscheiden kann und in allen Dingen ganz beliebig nach seiner Meinung verfährt, auf Gedeih und Verderb mit dem Schicksal des Staates verbunden. Ich habe hier nicht die Zeit, mich mit dem auseinanderzusetzen, was der Beamte Li für seine unfehlbaren Anschauungen hält. Ich will vielmehr die Frage aufwerfen, wie ein Kräftevergleich zwischen China und den westlichen Großmächten ausgehen würde. Könnten wir einen solchen wagen oder nicht? Die Antwort darauf wüßte selbst ein kleines Kind, ohne viel nachdenken zu müssen. Inzwischen sind bereits deutsche Kriegsschiffe in die Jiaozhou-Bucht eingelaufen. Deutsche Soldaten sind mitsamt ihrem Kriegsgerät an Land gegangen. Sie haben den Garnisonskommandanten Zhang [Gaoyuan] ultimativ aufgefordert, sich mit seinen Truppen binnen 48 Stunden ins Landesinnere zurückzuziehen. Jeden Moment kann es zu kriegerischen Verwicklungen kommen. Nun frage ich den hochverehrten Herrn Provinzgouverneur, der es unter seiner Würde hält, sich mit westlichen Angelegenheiten zu beschäftigen, was er zu tun gedenkt. Will er seine Zunge auf dem Kriegsaltar opfern, um so den Beistand der Götter zu erflehen? Oder will er die Truppen des gesamten Reiches zusammenziehen lassen, um an der von ihm zu beschützenden Grenze dem Gegner beizukommen? Ich bin mir sicher, daß beides keinerlei Erfolg hätte. Glücklicherweise führt unser Hof eine wohlüberlegte Außenpolitik. Der Hof hat bereits den Provinzgouverneur angewiesen, den Missionarszwischenfall umgehend beizulegen, die Schuldigen zu bestrafen und den zu Schaden Gekommenen Genugtuung widerfahren zu lassen. Solch ein Vorgehen wird im In- und Ausland Verständnis finden. Unter den in Asien agierenden Großmächten kann Deutschland als militärisch starker und kulturell hochstehender Staat gelten. Seine Aufgeklärtheit ist allseits bekannt. China unterhält 26 Der Schreiber spielt hier auf eine Stelle aus dem Daodejing, Kapitel 80, an, die in der chinesischen Klassik als Sinnbild für hermetische Abgeschlossenheit gilt. Die vollständige Textzeile lautet: „Die Nachbarstaaten liegen dicht beieinander. Man hört die Hühner gackern und die Hunde bellen. Und doch verkehrt man bis zum Tode mit seinem Nachbarn nicht."

136 seit Jahrzehnten zu Deutschland einträchtige Beziehungen. Niemals ist es zu militärischen Konflikten gekommen. Nach Beendigung des chinesisch-japanischen Krieges hat Deutschland gemeinsam mit Rußland und Frankreich fur uns ein aufrichtiges Wort eingelegt und so geholfen, die Liaodong-Halbinsel zurückzuerlangen. Das kann wohl als eindeutiger Beweis einer tiefen Freundschaft gelten. Deutschland fordert von uns lediglich eine harte Bestrafung der Verbrecher und umfassenden Schutz der Christen. An diesen Forderungen ist nichts Unmaßvolles. Deutschland wird gewiß nicht wegen dieser Kleinigkeiten seine traditionell guten Beziehungen zu China abbrechen. Lim Shandong Caozhou jiao'an shi. Guowenbao 20.11.1897 (Über den Missionszwischenfall in Caozhou. Aus der Zeitung Guowenbao vom 20.11.1897), in: DQJSXS.430.

31 Schreiben des deutschen Gesandten Heyking an das Auswärtige Amt (21.11.1897) Peking, den 21. November 1897 Unter Bezugnahme auf Telegramm Nr. 53. Gestern im Zongli Yamen erklärte Prinz Gong, in unseren Forderungen sei nichts enthalten, worüber chinesische Regierung nicht freundschaftlich verhandeln könne, aber zuvor müsse Besetzung chinesischen Gebiets aufgehoben werden; dann würde man eventuell auch über Entgegenkommen Flottenstation verhandeln können. Erwiderte, Evakuation sei einziger Punkt, über den ich nicht verhandeln könne; angebliche Vergewaltigung Chinas habe nicht stattgefunden, da chinesische Regierung durch freiwillige Zurückziehung Truppen Fortbestand freundschaftlichen Verhältnisses anerkannt habe. Unterredung in sehr freundschaftlichem Tone, Zongli Yamen versprach schriftliche Antwort in einigen Tagen. Eisenbahnforderung in folgender Fassung gestellt: Priorität deutscher Unternehmer für eine Bahn in Provinz Shandong mit Bergwerksbetrieb. Russischer Geschäftsträger erzählte mir, er habe laut Instruktion Zongli Yamen mitgeteilt, russische Regierung hoffe, daß provisorische deutsche Okkupation demnächst aufhören werde, aber chinesische Regierung müsse gerechte Sühne leisten. Ich warf hin, daß Ausdehnung der Exzesse [in] Shandong noch nicht festgestellt sei. Russischer Rat geht dahin, alle unsere Forderungen möglichst zu bewilligen, um so Evakuation moralisch zu forcieren; chinesische Idee ist, zuerst Evakuation zu erreichen, um dann möglichst wenig zu bewilligen. Es kommt für uns darauf an, Chinesen mit ihrer Forderung vorhergehender Evakuation hinzuhalten. Heyking GPEKXIV, S.98f, Nr.3712.

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32 Telegramm des Garnisonskommandanten der Präfektur Dengzhou, Zhang Gaoyuan, an die Minister und Gouverneure Li Hongzhang, Li Bingheng und Zhang Rumei (22.11.1897) 27 An Seine Exzellenz Großwürdenträger Li [Hongzhang] in Peking (sowie gleichlautend an die Gouverneure in Jinan): (Soeben erfuhr ich telegraphisch, daß keine russischen Kriegsschiffe eintreffen werden. Wie will das Zongli Yamen nun weiter verfahren? Ich bitte schnellstmöglich um Instruktion.) Seit meiner Ankunft in Qingdao habe ich dreimal in aller Schärfe mit den Deutschen verhandelt. Dabei habe ich keinerlei Konzessionen gemacht. Die Deutschen verlangten, daß ich den Abzug unserer Truppen anordnen solle. Ich habe mich energisch geweigert, dem nachzukommen. Die Deutschen zwangen mich abermals auf eines ihrer Kriegsschiffe. Ich sagte ihnen, daß Qingdao unsere Militärbastion sei und ich eher sterben, als nur einen Finger breit zurückweichen würde. Die Deutschen bedrohten mich mit einem Säbel. Ich entgegnete, daß ich hundert Schlachten geschlagen und niemals den Tod gefürchtet hätte. Ihre Vorgehensweise sei mehr als niedrig; unsere Kommandeure hingegen sind alle gestandene Kämpfer. Wenn sie mich töten wollten, so sollten sie es nur tun. Meine Worte waren hart und mein Wille fest entschlossen. Daraufhin änderten die Deutschen ihre Taktik und bemühten sich, meinen Zorn zu besänftigen. Sie sagten, daß sie mich binnen ein, zwei Tagen wieder in mein Quartier entlassen würden. Ich durchschaue ihre Gedanken. Da unsere Truppen in unmittelbarer Nähe stationiert sind, furchten sie einen Überraschungsangriff und die Rückeroberung Qingdaos. Es drang die Nachricht hierher, daß allerorten unsere Truppen mobilisiert werden und eine kriegerische Verwicklung kurz bevor steht. Da in der Umgebung Qingdaos überall antideutsche Plakate aufgetaucht sind und unsere Militärstreitmacht nicht weit ist, fühlen sich die Deutschen nicht sicher und behalten mich als Geisel hier. (In Eurer Antwort auf mein Geheimtelegramm vom 28. habt Ihr angeordnet, entsprechend den Umständen zu handeln. Gleichlautend wurde ich vom Minister der Nördlichen Handelshäfen instruiert.) Ich werde hier entsprechend den Umständen weitere Schritte unternehmen. Ich befinde mich mit den Deutschen in ununterbrochenen Verhandlungen und habe sie dabei auch heftig beschimpft. Obwohl meine Lage äußerst gefährdet ist, furchte ich nichts. Zwar wurde mir befohlen, gemäß der konkreten Lage zu handeln, doch werde ich nicht, nachdem ich mich anfangs dem Gegner so hart widersetzt habe, mich ihm nun anbiedern und so unser Ansehen in den Dreck ziehen. Es kommt für mich überhaupt nicht in Frage, in den Verhandlungen mit den Deutschen nicht klar meinen Standpunkt zu vertreten. Mein eigenes Leben ziehe ich dabei nicht in Betracht. Was meine Truppen anbelangt, so befinden sie sich nach wie vor in den alten Stellungen. Seit meiner Ankunft in Qingdao haben die deutschen Soldaten keine militärischen Aktionen 27 Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker.

138 gegen sie unternommen. Die Lage ist ruhig. Ich habe den Kommandeuren befohlen, die Order an die Unterfuhrer weiterzugeben, daß die Wachsamkeit zu erhöhen und nicht unbedacht loszuschlagen ist. Außerdem wurden Militärbeamte zur Erkundung in die Umgegend entsandt. Momentan kontrollieren die Deutschen die Zu- und Ausgänge nach Qingdao scharf. Glücklicherweise kann die Lokalbevölkerung passieren, so daß auf geheimem Wege Schreiben und Telegramme befördert werden können. Über die vorstehenden beiden Angelegenheiten habe ich mir erlaubt, Bericht zu erstatten. Kontrolliert. Nachts 2 1 - 2 3 Uhr. Gesiegelt. DOJSX S.374.

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Memorandum des Ministers des Zongli Yamen, Prinz Gong (1.12.1897)28 Ich, Prinz Gong, Minister des Zongli Yamen, erstatte dem Thron gehorsamst Bericht über die im Missionarszwischenfall von Shandong gefaßten Täter sowie die Feststellung der einzelnen Schuldmaße. Hochachtungsvoll erlaube ich mir, Seiner Majestät folgendes zur Kenntnis zu bringen: Am 10.11. des Jahres Guangxu erhielt ich die Order, im Zusammenhang mit dem Zwischenfall in Caozhou, Li Bingheng umgehend einen Beamten nach Caozhou entsenden zu lassen, der den blutigen Vorfall aufklären und die Täter bestrafen soll. Aus diesem Grund sandte ich dem Provinzgouverneur Li Bingheng ein Telegramm, auf das er postwendend antwortete: „Wir schickten den Provinzrichter Shu Xian und den Daotai von WestShandong, Xi Liang, nach Juye, um den Fall gründlich zu untersuchen. Dort beriefen sie mit den örtlichen Beamten eine Versammlung ein. Sie ergriffen den Hui'eryaba und nacheinander acht weitere Täter. Die Beute wurde ebenfalls sichergestellt. Ich werde jetzt der Reihe nach über den Hergang berichten. Li Bingheng führte aus: Hui'eryaba alias Hui Chaoxian, Lei Xieshen alias Lei Jican, Zhang Gaoni alias Zhang Qingchun, Wang Dajiao alias Wang Mang, auch Wang Xiankui, Jia Dongyang, Gao Daqing, Xiao Shengye, Jiang Sanlü und Zhang Yun stammten aus Juye, Jiaxiang u.a. Orten. Sie gingen allesamt keiner geregelten Arbeit nach. Bisher hatten sie jedoch keinerlei Straftaten begangen. Lei Xieshen hatte in Erfahrung gebracht, daß sich in der Kirche von Juye Wertgegenstände befinden und machte den Vorschlag, diese zu entwenden. Er überredete die anderen, sich am Abend des 1.11. im Freien zu versammeln. Gegen 2 Uhr

28 Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker. 29 Es handelt sich hierbei um einen Spitznamen, siehe die folgenden Ausführungen.

139 nachts bewaffneten sich Hui'eryaba, Zhang Gaoni, Wang Dajiao und Jia Dongyang mit scharfen Dolchen, Gao Daqing mit einem Klappknüppel und Lei Xieshen, Xiao Shengye, Jiang Sanlii, Zhang Yun und zwei weitere unbekannte Personen mit Messern und Knüppeln. Auf halbem Wege türmten Xiao Shengye, Jiang Sanlü und Zhang Yun, weil sie es mit der Angst zu tun bekamen. Die anderen begaben sich zur Kirche. Hui'eryaba und Lei Xieshen kletterten über die Mauer und öffneten das Tor, um die anderen einzulassen. Hui'eryaba versuchte vergebens, mit seinem Dolch das Fenster zu öffnen. Die beiden Missionare Henle und Nies erwachten. Sie griffen zu den Waffen und erschossen zwei Personen, die später nicht identifiziert werden konnten.30 Hui'eryaba war außer sich vor Wut und wollte den Tod seiner beiden Kameraden rächen. Lei Xieshen stimmte zu. So drangen sie durch das Fenster ein und ließen Zhang Gaoni ein. Hui'eiyaba stach den beiden Missionaren den Dolch in den Bauch, und Lei Xieshen schlug auf sie ein. Dann nahmen sie die im Raum befindlichen Wertgegenstände an sich und rannten davon. Auf der überstürzten Flucht ging ein Teil des Diebesgutes und der Waffen verloren. Die beiden Missionare erlagen ihren Verwundungen. Der Missionar Stenz erstattete Anzeige. Als die Täter ergriffen und verhört wurden, gestanden sie ihre Tat. Sie beteuerten, zuvor noch nie eine Straftat begangen zu haben. Hui'eryaba und Lei Xieshen werden nach den gültigen Gesetzen bestraft." Unseren Ermittlungen zufolge haben Hui'eryaba und seine Kumpane die deutsche Kirche überfallen, woraufhin die beiden deutschen Missionare das Feuer eröffneten. Danach faßten die Räuber den Entschluß, die beiden Missionare zu töten. Ihre Tat ist unbestreitbar. Es sollte gemäß Li Binghengs Vorschlag verfahren werden, Hui'eryaba und Lei Xieshen öffentlich hinzurichten. Da die Aussagen von Zhang Gaoni, Wang Dajiao, Jia Dongyang und Gao Daqing widersprüchlich sind, müssen diese Personen noch weiter verhört werden. Die damals vor Beginn der Tat geflohenen drei Täter sollten mit fünf Jahren hartem Gefängnis bestraft werden. Ma Dongwu und Zhu Defa sind noch nicht ergriffen, es sollte eine Belohnung auf ihre Festnahme ausgesetzt werden. Wir sind zu der Überzeugung gekommen, daß Hui'eiyaba und Lei Xieshen als Haupttäter anzusehen sind, da sie den Plan ausheckten, die Kirche überfielen und schließlich die beiden Missionare töteten. Gemäß dem Vorschlag von Li Bingheng sollte nicht erst die Prozedur im Justizministerium durchlaufen werden, da der Rücklauf zu den entsprechenden Instanzen zu viel Zeit erfordern würde. Es entspräche nicht dem Geist unserer Gesetze, wenn die Täter in der Zwischenzeit die Gelegenheit erhielten, sich als Helden aufzuspielen. Deshalb bitten wir den Kaiser ergebenst um schnelle Entscheidung, um so vor dem Volk ein warnendes Exempel zu statuieren. Der Gouverneur Li Bingheng übermittelte folgende Vorschläge: „Den Sippen der Verbrecher muß eine Lehre erteilt werden. Die sichergestellte Beute soll den Missionaren zur Identifikation vorgeführt werden. Die Toten sollen der Kirche zur Bestattung übergeben werden. Die von den Tätern benutzten Waffen müssen beschlagnahmt werden." Wir befürworten diese Vorschläge von Li Bingheng.

30 Dieser Sachverhalt findet sich nicht in deutschen Berichten, vgl. Dok. 17

140 Die beiden getöteten unbekannten Täter konnten noch nicht identifiziert, die Flüchtigen noch nicht gefaßt werden. Der stellvertretende Gouverneur Zhang Rumei soll beauftragt werden, die Festnahme der Täter in die Wege zu leiten und dabei keine Nachsicht walten zu lassen. Alle Angelegenheiten, die mit dem Zwischenfall von Caozhou in Zusammenhang stehen, habe ich hiermit dem Kaiser untertänigst vorgelegt und ersuche um Weisung.3 a) Randbemerkung des Kaisers: Gemäß Vorschlag genehmigt. DOJSXS. 158-160.

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Protokoll über die Verhandlungen der Minister des Staatsrats, Weng Tonghe und Zhang Yinhuan, mit dem deutschen Gesandten Heyking (7.12.1897)31 Am 7.12. begaben sich die Minister Weng Tonghe und Zhang Yinhuan zur Unterredung mit dem Deutschen Gesandten v. Heyking, um nachzufragen, wie er unsere Note zur Beilegung des Zwischenfalls beantworte. Heyking handelte Punkt für Punkt ab. Der Inhalt deckt sich größtenteils mit Heykings Note an das Zongli Yamen.32 Lediglich hinsichtlich der Entschädigung der Missionare gibt es einige Hinzufügungen. Der Punkt Sechs bereitete die meisten Diskussionen. Inzwischen ist man allmählich zu einer Einigung gekommen, so daß der Fall abgeschlossen werden kann. Im folgenden erlauben wir uns, Eurer Majestät eine Analyse zu den einzelnen Fragen zu überreichen. 1. Punkt: Zuerst wurden vier Zeichen betreffend Li Bingheng gestrichen. Jetzt hat man sich auf eine Degradierung geeinigt; eine generelle Entlassung aus allen Ämtern wird nicht verlangt. Die Angelegenheit wird von China selbst geregelt und ist nicht mehr Bestandteil der deutschen Forderungen. 2. Punkt: Entsprechend dem Vorschlag der deutschen Note. 3. Punkt: An der Kirche von Juye in der Präfektur Caojun soll eine Tafel angebracht und eine Stele errichtet werden. Außerdem sollen in den sieben Kreisen Juye, Heze, Chengwu, Shanxian, Caoxian, Yuncheng und Yutai Unterkünfte fur die Missionare gebaut werden. Dafür wird insgesamt eine Summe von 24.000 Silbertaels bereitgestellt. Das Geld wird den Missionaren übergeben, die selbständig die notwendigen Arbeiten durchführen. Diese Maßnahmen sind als Sühne für den Mord an den Missionaren gedacht.

31 Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker. 32 Vgl. Dok. 29. Die im folgenden erwähnten sechs Punkte beziehen sich auf die in diesem Dokument genannten sechs Forderungen Heykings.

141 4. Punkt: Entsprechend dem Vorschlag der deutschen Note. 5. Punkt: Entsprechend dem Vorschlag der deutschen Note. 6. Punkt: Hinsichtlich der entstandenen Kosten versicherten die Deutschen, daß es sich um keine allzu hohe Summe handeln könne, jedoch wollten sie keinen exakten Betrag nennen. Sie nahmen den Vorschlag der Note des Zongli Yamen, diese Angelegenheit separat behandeln zu wollen, mit Freuden an. Hinsichtlich der oben aufgeführten sechs Punkte wurde im wesentlichen eine Einigung herbeigeführt, so daß der Zwischenfall beigelegt werden kann. So forderten wir die Deutschen auf, ihre Truppen möglichst bald abzuziehen. Doch die Absicht der Deutschen läuft darauf hinaus, die Jiaozhou-Bucht länger besetzt zu halten. Als wir vorschlugen, den Ort gegen eine andere Insel zu tauschen, entgegnete der Deutsche Gesandte, daß er dies nicht entscheiden könne. Wir verhandelten eine ganze Weile, bis die Deutschen sich bereiterklärten, ilire Truppen auf die Schiffe zurückzuziehen. Wir beharrten jedoch auf einem vollständigen Abzug der Kriegsschiffe aus der Bucht, um damit kundzutun, daß der Zwischenfall als abgeschlossen gelten kann. Der Deutsche Gesandte dachte eine lange Weile nach, ehe er sagte, das könne nur der Kaiser höchstpersönlich entscheiden. Wir erklärten daraufhin, daß wir die heutigen Verhandlungen damit abschließen und den Punkt der Entschädigung anderweitig klären. Der Deutsche Gesandte stimmte dem zu. Das größte Interesse widmete er der Frage des Austausches gegen eine andere Insel. Wir haben allen Grund anzunehmen, daß erst nach der Klärung dieser Frage die Angelegenheit wirklich beigelegt werden kann. Soviel im groben Überblick zu den obenstehenden sechs Punkten. Die Forderungen hinsichtlich der Behandlung der zu bestrafenden Beamten in der gestrigen Note des Deutschen Gesandten wurden nach eingehender Beratung von den Ministem des Zongli Yamen abgelehnt. Es wurde darauf bestanden, daß diese Angelegenheit von China selbst geklärt wird. Yong Yidao soll einen anderen Posten erhalten, die Beamten der Kreis- und Präfekturebene sollen unterschiedlich gemaßregelt werden. Die entsprechenden Befehle erwarten wir von Eurer Majestät. Des weiteren schlugen wir vor, daß die Truppeninspektion durch den Bruder des Königs telegraphisch abgesagt wird. Der Deutsche Gesandte entgegnete, daß damit keine weiteren Absichten verbunden seien. Den anderen Staaten soll lediglich vor Augen geführt werden, daß Deutschland den Missionarszwischenfall ernst nähme. Der Bruder des Königs sei Oberkommandierender der Flotte und überdies schon in Shanghai gewesen. Deshalb ersuche man darum, daß China den Hohen Gast mit den entsprechenden Ehren empfange. Da nun der Zwischenfall beigelegt sei, könnten keine weiteren Verwicklungen erfolgen. Außerdem führte der Deutsche Gesandte aus: Der Grund, warum er jetzt nicht weiter auf unsere Note eingehen könne, läge darin, daß er auf die Antwort seines Landes warte. Heute hätte er ein Telegramm abgesandt, innnerhalb von drei Tagen sei mit einer Antwort zu rechnen. Dann wolle er uns eine weitere Note zukommen lassen. Wir erwiderten, daß wir nach erfolgtem Notenaustausch abermals den Befehl unseres Kaisers einholen würden. Er zeigte sich einverstanden. DQJSXS./67.

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35 Tagebuchaufzeichnungen der Schriftstellerin Elisabeth von Heyking (3.12.1897-31.12.1897) 3 . D e z e m b e r . Nach dem Tiffin erschienen wieder Weng Tonghe und Zhang Yinhuan und saßen bis nach 5 bei Edmund.33 Sämtliche Forderungen sind durchgesprochen und bewilligt worden. Die Absetzung Li Binghengs haben sie sehr geschickt motiviert: „Er habe so viele Ungelegenheiten bereitet, daß der Kaiser seines Treibens müde geworden sei!" Über die Forderung: „Ersatz der dem deutschen Reich entstandenen Kosten" ist lange gesprochen worden. Sie sagten, China habe momentan sehr wenig Mittel, und das möge bei den Forderungen bedacht werden. Edmund erwiderte: „Es gäbe ein Mittel, wodurch die Kosten für China sich vielleicht herabmindern ließen." Darauf sagten sie, ja, sie wüßten wohl, worauf das hinausliefe. Herr von Marschall habe ja schon dem Gesandten Xu gesagt, daß wir eine Flottenstation haben wollten, und jetzt habe das Zhang Yinhuan bei seiner europäischen Reise auch wieder gehört, und da sie Deutschland wegen Liaodong viel Dank schuldig seien,34 würden sie sich auch entschließen, uns eine Flottenstation zu geben. Aber wir möchten uns doch einen andern Punkt als Jiaozhou aussuchen, einen Hafen in dem soviel reicheren Süden, wo doch auch unsere Handelsinteressen lägen. Wenn die Besetzung Jiaozhous zu einer dauernden Okkupation würde, so wäre damit in Europa der Glauben erweckt, jeder könne sich hier nehmen, was er wolle, und China sei ganz wehrlos. Sie gäben ja zu, daß sie das seien, aber hieraus könne der Untergang Chinas entstehen. Edmund antwortete, Deutschland wünsche sehr, daß China nicht nur fortbestehe, sondern sich auch kräftigen möge, und gerade deshalb solle es doch China gern sehen, wenn wir uns hier im Norden festsetzten, wo wir dann China eine Hilfe sein könnten und ein Gegengewicht gegen andre, z.B. gegen Japaner. „Ja", sagten sie, „die Einmischungen der Japaner sind uns sehr unangenehm." Abends bekam Edmund ein Telegramm zu lesen, das der japanische Gesandte aus Berlin erhalten. Unser Kaiser habe den Reichstag eröffnet und dabei gesagt, die Flotte sei ungenügend für den Schutz der deutschen Interessen. Soeben habe er das Geschwader in Ostasien verstärken müssen, um Sühne für die Morde in Shandong zu verlangen und die JiaozhouBucht dazu besetzen lassen. Diese Worte seien mit enthusiastischen Bravos aufgenommen worden, und abends im Reuter-Telegramm stand: Nach seiner eigentlichen Rede habe der Kaiser sich an die Abgeordneten gewandt und ihnen gesagt, er habe nicht gezaudert, seinen einzigen Bruder jetzt nach China zu schicken.

33 Gemeint ist der deutsche Gesandte Edmund von Heyking. 34 Dies ist eine Anspielung auf den deutschen Einspruch gegen die Bestimmungen des Friedensvertrages von Shimonoseki, mit dem der chinesisch-japanische Krieg von 1895 beigelegt wurde. Eine der Bestimmungen sah die Abtretung der chinesischen Liaodong-Halbinsel an Japan vor, siehe Einleitung zu Kapitel 1

143 5 . D e z e m b e r . Heute begonnen, meine Jiaozhou-Skizzen auszufuhren, und dabei durch langweilige Besuche unterbrochen, die mich aber lange nicht so wie im vergangenen Jahr öden. Der Gedanke an die Realisation unsres Lebenstraums, fur Deutschland ein Stück China zu erwerben, hilft mir über alles hinweg; über die kleinen Lebensmiseren und die grossen persönlichen Enttäuschungen. Nachmittags erhielt Edmund ein Telegramm von Bülow, es lägen Anzeichen vor, daß Rußland uns eventuell helfen würde, es müßten aber akute Konflikte mit China vermieden werden, damit sich nicht eine chinesisch-japanische Gruppe mit englisch-amerikanischem Hintergrund bildete, deren Spitze dann gegen Rußland und uns gerichtet sein würde. Wir hielten unentwegt an Jiaozhou fest. - Das war ein herrliches Telegramm, denn es billigt vollkommen Edmunds Haltung hier, der ja schon on the high way 35 dazu ist, eine Flottenstation in aller Freundschaft zu bekommen. Edmund will nun dem Zongli Yamen vorschlagen, ihr Kaiser solle dem Prinzen Heinrich, wenn er herkommt, Jiaozhou als Freundschaftsbeweis geben. 7. D e z e m b e r . Edmund hatte wieder eine lange Sitzung mit seinen beiden Mandarinen und telegraphierte dann nach Berlin: „Habe Weng Tonghe und Zhang Yinhuan heute vorgeschlagen, daß, nachdem wir Missionsangelegenheit als völlig geordnet erklärt und auf Entschädigung für Reichskosten verzichtet haben werden, Kaiser von China aus freier Entschließung und aus Dankbarkeit für Liaodong dem Prinzen Heinrich die Jiaozhou-Bucht übergeben möge, wobei ich darauf hingewiesen, daß hierdurch dem Prinzenbesuch ein eminent freundschaftlicher Charakter aufgeprägt werden würde, im Gegensatz zum jetzigen Eindruck. Im Prinzip akzeptierten die Mandarine, anbieten jedoch, Jiaozhou zum Vertragshafen zu erklären, und versprechen, daß er keiner andern Macht angeboten werde, daß wir dort eine Niederlassung nebst Eisenbahn erhalten, und daß uns außerdem ein andrer Hafen im Süden abgetreten werde. Da ich vorläufig auf Jiaozhou bestand, haben Mandarine dies nicht ganz abgewiesen, sondern nur betont, daß Chinas Ansehen durch ihren Vorschlag wiederhergestellt werden würde, und gebeten, ihn S M. zu unterbreiten. Als Bedingung stellen Chinesen bisher, daß wir Jiaozhou räumen, ehe Übergabe eines Hafens, welcher es auch sei, stattfindet und ehe Prinz Heinrich eintrifft. Annahme südlichen Hafens zugleich mit den uns in Jiaozhou zugestandenen Vergünstigungen erscheint für uns vorteilhafter. Für Chinesen liegt Vorteil in Wahrung äußeren Scheins und Sicherung Jiaozhous gegen irgendwelche Ansprüche. Mandarine drängen auf Abschluß, wie mir scheint, aus Besorgnis vor Territorialangriffen Englands oder Japans." Die Anerbieten der Chinesen sind eigentlich viel günstiger, als was wir uns selbst ausgebeten haben, denn bei den Vorteilen, die wir in Jiaozhou haben sollen, kommt es praktisch darauf heraus, daß wir statt einen, zwei Häfen erhalten. Wir wären damit auch alle Dankbarkeitsverpflichtungen gegen die Russen los, nur ist es wohl möglich, daß ihnen Jiaozhou als Vertragshafen noch fataler wie als deutsche Kolonie wäre. Wenn es ihnen in Berlin darauf ankommt, viel und in Frieden zu bekommen, so müssen sie mit Edmund zufrieden sein; wir

35 Engl. Gemeint ist „im Eiltempo"

144 haben aber manchmal unsre Zweifel daran, weil wir furchten, daß zwischen den Ansichten des Auswärtigen Amts und der Marine nicht voller Einklang herrscht. 9 . D e z e m b e r . Telegramm von Bülow, Edmund möchte weitere Erörterungen mit den Chinesen einstellen, bis S.M. seinen Willen wegen der letzten Vorschläge geäußert haben werde. 1 1 . D e z e m b e r . Sehr nettes Diner bei Pawlow. Die Russen werden entschieden liebenswürdiger. - Während der nächsten Tage sehr in Unruhe, daß noch immer keine Antwort von Berlin eintrifft. Die Chinesen kommen täglich auf die Gesandtschaft, sich zu erkundigen. 14. D e z e m b e r . Endlich morgens ein Telegramm von Bülow, das von S.M. inspiriert und wenig freundlich klang. Es könne von keinem andern Hafen als Jiaozhou die Rede sein und evakuiert würde nicht. Dazu eine lange Vorlesung von Bülow, Edmund solle Pawlow sagen, Deutschland sei sich bewußt, indem es sich südlich von der russischen Interessensphäre in China niederließe, in dauernde Interessengemeinschaft mit Rußland zu treten. Und da Frankreich immer nur sehr schwer dazu zu bringen sei, einen Schritt zu tun, der es mit England verfeinden könne, würde unsre Freundschaft Rußlands Stellung in China verdoppeln. Hätten wir uns dagegen den Engländern territorial hier genähert, so hätten wir auch ihrer Politik Konzessionen machen müssen. - Diese Abhandlung ist geradezu kindisch, wenn man weiß, wie pieds et poings lies36 hier die Franzosen den Russen gehören, und wie unangenehm es gerade den Russen ist, daß wir nach Jiaozhou und nicht nach dem Süden gegangen sind! Und den Engländern haben wir damit gerade einen Gefallen getan! Und die Schroffheit gegen die Chinesen verstehe ich auch nicht, denn sie wollten uns ja alles geben, was wir verlangten, nur eben auf ihre Art, und dabei wären wir die besten Freunde geblieben. Wir waren den ganzen Tag recht deprimiert und enttäuscht. 1 5 . D e z e m b e r . Nachmittags kamen wieder Weng Tonghe und Zhang Yinhuan. Sie wollen uns Jiaozhou stillschweigend überlassen, in dem Vertrag soll gesagt sein, die an Deutschland zu zahlenden Kosten würden später vereinbart werden, und ein geheimer Vertrag soll enthalten, solange wir in Jiaozhou blieben, würden wir von diesen Kosten nicht sprechen. Wenn S.M. darauf eingeht, kann die Sache noch immer freundschaftlich arrangiert werden ohne Konflikte, die doch nur unsera Handel hier schädigen würden. 1 7 . D e z e m b e r . Herr Sommer hat soeben seinen Vertrag abgeschlossen, daß die bei Schichau bestellten Torpedoboote von deutschen Offizieren herausgebracht werden sollen. Herr Baur aus Tianjin bewirbt sich bei Li Hongzhang um eine elektrische Bahn, die durch Siemens und Halske gebaut werden soll, von dem Endpunkt der jetzigen Bahn bis an die Stadtmauer von Peking. Edmund hat die Sache beim Zongli Yamen sehr befürwortet und in seiner Note gesagt, es sei kürzlich eine Dame unsrer Gesellschaft (es war meine neue Jungfer!) hier angekommen, habe aber in die Stadt nicht mehr hereingekonnt, weil die Tore schon geschlossen waren. Die Kaiserlichen Hoheiten und Exzellenzen möchten sich doch vorstellen, welch eine Enttäuschung das fur den Reisenden sei, vor einer so schönen Stadt zu stehen und dann nicht herein zu können! Li Hongzhang verspricht Baur goldene Berge, wenn er nur

36 Frz. „An Füßen und Händen gefesselt".

145 bei Edmund Versöhnungsversuche machen wolle und ihn dazu bewege, die Verhandlungen wegen Jiaozhou wieder aufzunehmen. Da in Kanton aber wieder ein deutscher Missionar bestohlen worden und in Swatou [Shantou] ein Mandarin zur Vertreibung unsrer protestantischen Missionare das Volk aufhetzt, bleibt Edmund hart. Auch schwebt seit acht Jahren eine Forderung der Firma Carlowitz, deren Bezahlung er verlangt. 19. D e z e m b e r . Telegramm von Bülow über den Vertragsentwurf mit den Chinesen. Die Grenzen des von uns zu behaltenden Gebiets werden angegeben, und zwar soll das Land auf 99 Jahre gepachtet werden. Die Bahnforderung wird besonders betont, und etwa nötige Flußregulierungen sollen uns erlaubt sein. Bergwerkskonzessionen sollen wir erhalten wie die Franzosen im Süden und die Russen in der Mandschurei. Unser Ziel ist, in Jiaozhou einen Freihafen zu bilden mit Grenzlinie in unsrer Zone fur diejenigen Waren, die nach dem Innern gehen. 22. D e z e m b e r . Die Chinesen haben heute endlich die Carlowitz-Forderung bezahlt, und daraufhin hat Edmund die beiden Mandarine Weng Tonghe und Zhang Yinhuan nachmittags empfangen. Edmund ließ die Nachricht von Baur hinbringen, der dafür von Li das Versprechen erhielt, daß niemand wie er, d.h. Krupp, die Befestigung von Port Arthur erhalten werde. Edmund teilte den Mandarinen die Hauptbedingungen des Vertrags mit, und sie sollen von dem Wort Pacht sehr entzückt gewesen sein. 24. D e z e m b e r . Ein merkwürdiges Weihnachten. Edmund und Prittwitz hatten den ganzen Tag zu arbeiten. Kurz vor dem Aufbau kamen Boten von Zhang Yinhuan und Weng Tonghe, die für mich Vasen als Weihnachtsgeschenke brachten, die abends bei den verschiedenen Kennern große Meinungsverschiedenheiten hervorriefen, indem die einen sagten, es seien number one pieces, die andern erklärten, es wäre moderne king-kiang-Ware und 75 cents wert. 25. D e z e m b e r . Edmund erhielt die Antwort des Admirals aus Jiaozhou, der entschieden mehr behalten will, als man im Auswärtigen Amt als Grenzen des abzutretenden Gebiets angegeben hat. 2 7 . D e z e m b e r . Morgens kam ein langes und böses Telegramm von Herrn von Bülow. Man sei in Berlin verwundert, daß Edmund in seinen letzten Telegrammen die Abtretung nur beiläufig erwähne, da doch S M. den schleunigen Abschluß so sehr wünsche. - Höchst ungerecht, wenn man bedenkt, wie hier gearbeitet worden ist, daß Edmund tagelang auf die Antwort des Admirals hat warten müssen und daß alle Schriftstücke ins Chinesische übersetzt und abgeschrieben werden müssen. Ich wollte eigentlich, daß Edmund dem Auswärtigen Amt ziemlich deutlich zu seiner Rechtfertigung telegraphierte. Er drahtete aber schließlich nur: „Habe gestern Entwurf des Zongli Yamen mit meinen Korrekturen zurückgesandt. Nachdem endlich Äußerungen des Admirals und Generalkonsuls erhalten, übergebe heute Vertragsentwurf Zongli Yamen." 28. D e ζ e m b e r. Nachmittags ließen sich wieder Weng Tonghe und Zhang Yinhuan bei Edmund melden, der unaufhörlich hustet und Fieber hat. Ich ging währenddem aus, Besuche zu machen. Als ich zurückkam, waren die alten Bonzen immer noch da, und im Vorzimmer lag ein Telegramm an Edmund. Es kommen aber täglich so viele, daß ich achtlos daran vor-

146 überging. Als ich später ins Arbeitszimmer kam, hatte Edmund es eröffnet, es war von Freinademetz: „Große Unruhe in Caozhoufu. General vertreibt Katechisten, droht mit weiteren Europäermorden, seit einem Monat kein Täter ergriffen. Mandarine fahrlässig und noch ohne Instruktionen." Das war ein Donnerschlag. Edmund war gerade friedlich und weit in seinen Verhandlungen gelangt, hatte Eisenbahnen und Bergwerke durchgesetzt. Edmund telegraphierte nach Berlin, er habe vom Zongli Yamen telegraphische Absetzung des Generals verlangt und glaube, wirksame Maßregel würde Bildung einer chinesischen Schutztruppe unter deutschen Offizieren im Schutzgebiet sein. Darauf schrieb Edmund ans Zongli Yamen eine sehr scharfe Note, in der u.a. vorkam, daß „Deutschland heute weniger als je in der Stimmung ist, auch nur dem kleinsten seiner Untertanen etwas antun zu lassen, ohne die vollste Genugtuung zu erzwingen." 30. D e z e m b e r . Morgens ein weiteres Telegramm von Freinademetz: „General Wan Benhua kommt in Christengemeinde Dizhangzhuang; beim feierlichen Empfang sagt er den Katechisten: 'Macht euch fort, zwei Europäer bereits massakriert, andere werden folgen, wir wollen keine europäische Religion!' Zitiert Dorfhaupt, verbietet, Platz den Europäern zu verkaufen, Verkauftes müßte rückgängig gemacht werden." Edmund telegraphierte dem Auswärtigen Amt: „Weiteres Telegramm Provikars meldet empörende Äußerungen von General Wan Benhua, beantrage, wenn nicht seine telegraphische Absetzung erfolgt, diplomatische Beziehungen abbrechen und vorläufig nach Tianjin reisen zu dürfen." Und an den Admiral von Diederichs: „Habe mit Abbruch diplomatischer Beziehungen gedroht. Könnten Euer Exzellenz nicht eine demonstrative Bewegung ausführen?" Nachmittags kam Wouters zu uns und meinte, wir sollten unsre Koffer noch nicht packen, die Chinesen würden unter allen Umständen nachgeben. Und richtig kam um halb neun eine Note des Zongli Yamen, daß sie den Gouverneur von Shandong telegraphisch angewiesen hätten, den General zu entfernen und zur Verantwortung in die Hauptstadt zu zitieren. Die 37

Notwendigkeit des Abreisenmüssens ist also for the present erledigt. 31. D e z e m b e r . Aus Berlin kam ein Telegramm, das uns im höchsten Maße aufregte und empörte: „Ich nehme mit um so größerer Befriedigung davon, daß Verhandlungen über Jiaozhou mehr in Fluß gelangen, Kenntnis, als S.M. zu Ihrem Telegramm 114 bemerkt hatte: 'Zehn Tage, nachdem ihm telegraphiert worden, wie kommt das?' Die Tendenz der Chinesen, zwar über Missionsangelegenheit abzuschließen, aber Verhandlungen über Jiaozhou hinzuziehen, ist mir nicht unbekannt und vom chinesischen Standpunkt begreiflich. Ihre Aufgabe ist es, ihnen klarzumachen, daß sie vor Erledigung von Jiaozhou-Sache auf Beilegung der Missionarsache keine Aussicht haben. Auf Idee der Bildung einer Schutztruppe in Shandong kann nicht eingegangen werden, weil sie uns falschen Auslegungen von dritter Seite aussetzen würde. Dagegen dürfte Euer Hochwohlgeboren nicht schwerfallen, die neuen Vorfälle als Druckmittel zu verwerten, um Chinesen zu rascherem Abschluß über Jiaozhou zu bringen."· In Berlin scheint man sich keine Vorstellung davon zu machen, daß Telegramme zwischen Qingdao und hier oft zwei volle Tage unterwegs sind und das Übersetzen und Ab-

37 Engl. „Für den Augenblick"

147 schreiben der Noten auch Tage erfordert. Daß es S.M. lange erschienen, ist vielleicht begreiflich, aber es hätte sich wohl ein Wort der Erklärung von Bülow finden lassen können! Edmund war außer sich, denn er hat mit äußerster Anstrengung gearbeitet, und alle übrigen Gesandten hier sprechen von seiner Energie, und unser Prestige hat sich durch sein Auftreten enorm gehoben. Dann gleichzeitig von zu Hause die Insinuation der Lässigkeit zu erhalten, ist etwas hart. Der ganze Ton der Depesche ist auch so, daß man sich ärgern muß. Ich schrieb sofort an Grünau, erzählte ihm von unsrer Deprimiertheit, von allem, was Edmund bisher erreicht hat, und daß von irgendwelcher Anerkennung aus Berlin keine Rede ist. Wenn man sich erinnert, daß Admiral von Diederichs sofort zur Exzellenz gemacht worden, Edmund, der hier den weitaus schwierigeren Teil hat, nur Rüffel bekommt, ist es wirklich etwas hart! Elisabeth von Heyking, Tagebücher aus vier Weltteilen, 1886-1904, hg. v. Grete Litzmann, Leipzig 1926, S. 243-255.

36 Protokoll der Verhandlungen der Prinzen und Minister des Zongli Yamen mit dem deutschen Gesandten Heyking (4.1.1898) 38 Am 4.1.1898 um 2 Uhr 30 erschien der Deutsche Gesandte von Heyking gemeinsam mit Dolmetscher Franke u.a. im Zongli Yamen. Sie wurden von Wu Jingqi, He Zhaoxiong, Jing Qing und Chen Liu begleitet. Die Prinzen Gong und Qing, die Kanzler Weng [Tonghe] und Rong [Lu] sowie die Großwürdenträger Jing, Xu, Chong und Zhang [Yinhuan] erschienen zur Audienz. Nach dem Begrüßungszeremoniell sagte Heyking: Er sei heute erschienen, um die noch nicht geklärten Punkte zu regeln, das sei das wichtigste. (Der Tisch sei voller Schätze, man müsse nun eine Wahl fällen. Ein Schiff auf hoher See müsse schließlich Vorkehrungen treffen, um nicht auf eine Klippe aufzulaufen.) Die Bucht von Jiaozhou ist mittlerweile vollständig in deutschem Besitz. (Wenn wir jetzt Jiaozhou zurückgeben würden, hätte China keine Marinetruppen, um es zu schützen.) Aus Rücksicht auf die diplomatischen Beziehungen will Deutschland keine weiteren Gebiete besetzen, sondern lediglich diesen Platz pachten. Später soll er an China zurückgegeben werden, einstweilen aber in deutsche Pacht übergehen. Stimmt China dem umgehend zu, so werden die anderen Staaten einsehen, wie groß Deutschlands Macht ist und es nicht wagen, beliebig chinesische Gebiete zu annektieren, sondern auf dem Verhandlungsweg über Möglichkeiten der Pacht beraten. Das bedeutet die Rücksichtnahme auf die beiderseitigen Beziehungen. Wenn nicht, so werden weitere Kriegs-

38 Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker.

148 schiffe erscheinen und weiteres Gebiet besetzen, was für China von großem Schaden ist. Er habe nun folgendes im Namen seines Staates ernsthaft kundzutun: 1. Wenn der Pacht nicht zugestimmt wird, zieht Deutschland nicht nur seine Trappen nicht aus Jiaozhou und Jimo zurück, sondern wird alle ihm zur Verfügung stehenden militärischen Kräfte einsetzen, um beliebige Gebiete zu besetzen. 2. Wenn der Pacht zugestimmt wird, kann auf die Reparationszahlungen Chinas verzichtet werden. Andernfalls setzt Deutschland alle militärischen Mittel ein, um die Summe von einigen Millionen Taels einzufordern. 3. China wird sich dabei auf keine ausländischen Kredite stützen können. Jede Bank weiß um die Angelegenheit und wird China keine Anleihe gewähren. Darauf fragten wir: Was wird geschehen, wenn später die anderen Staaten diesem Beispiel folgen werden? Kann Deutschland garantieren, daß solch ein Fall nicht eintreten kann? Heyking erwiderte, daß China bereits vor der Besetzung Jiaozhous durch Deutschland mit anderen Staaten Verträge abgeschlossen hat. Wie könne man da etwas garantieren? Jetzt gibt es auf der Welt nur einige Großmächte. Ursprünglich wollte England die an Hongkong angrenzenden Territorien besetzen, doch hat es diese Absicht aufgegeben. Wie es um die Beziehungen Chinas zu seinem großen Nachbarn bestellt ist, weiß China besser als wir. Jedenfalls kann Deutschland nicht für China mit anderen Ländern Krieg führen. Wir betonten, daß wir nicht daran gedacht hätten, daß Deutschland für uns Krieg führt. Jetzt sollten erst einmal die Verhandlungen über die sechs Punkte zum Missionarszwischenfall beendet werden. Darauf entgegnete Heyking: „Die Verhandlungen zum Zwischenfall und über die Pacht von Jiaozhou können nicht voneinander getrennt werden. Das habe ich doch bereits schon gesagt." Wir antworteten: „Obwohl beides gemeinsam verhandelt wird, muß es doch eine zeitliche Reihenfolge geben. Deshalb ersuchen wir Euch, zuerst unsere Note zur Beilegung des Missionszwischenfalls zu beantworten. Wir werden zu Eurer Note hinsichtlich der Pacht der Jiaozhou-Bucht Stellung beziehen." Heyking war damit einverstanden. Wir erklärten außerdem: „Mit den Punkten 1 und 2 können wir uns einverstanden erklären. Allerdings muß die Pachtfrist von 99 auf 55 Jahre herabgesetzt werden. Hinsichtlich von Punkt 3 stimmen die Angaben auf Eurer Karte mit denen in der Note nicht überein." Wir nahmen eine Landkarte hervor und erklärten eine ganze Weile, was wir meinten. Dann führten wir aus: „Qingdao, Jiaozhou und Nügushan sind Zollhäfen. Dort müssen die alten chinesischen Zollstationen bestehen bleiben. Die ein- und auslaufenden chinesischen Schiffe, die dort vor Anker gehen, dürfen keinerlei Behinderung erfahren." Heyking sagte: „So soll es sein." Wir führen fort: „Der im Punkt 4 geforderten Anbringung von Bojen und Erkennungspfählen stimmen wir zu; die ein- und auslaufenden chinesischen Schiffe haben aber kein Geld zu entrichten", worauf Heyking erwiderte: „Das ist selbstverständlich." Außerdem erklärten wir: „Die Rückgabe des Pachtgebietes an China hat innerhalb der Pachtzeit zu erfolgen. Während dieser Pachtzeit darf Deutschland das Gebiet an keine weitere Macht abtreten." Heyking versicherte: „Deutschland hat ganz gewiß nicht die Absicht, das Gebiet an eine andere Macht abzutreten." Dann meinte er: „Der Zoll, den die Schiffe zu entrichten haben, steigt Jahr um Jahr." Wir konterten: „Die Festsetzung der Zollsätze erfolgt nach bestimmten Regeln. Wir können später über die Modalitäten verhandeln." Schließlich sagten wir: „Die Jiaozhou-Bucht ist recht zahlreich bevölkert, die Einwohnerschaft soll nicht

149 umgesiedelt werden." Heyking räumte ein: „Das kann die Bevölkerung selbst entscheiden." Wir brachten ins Spiel: „Die ursprüngliche Absicht, die Insel Chenjiadao zum Schutzgebiet beider Staaten zu erklären, ist doch recht gut." Heyking bezog dazu keine Stellung. Abschließend fragten wir an: „Deutschland hat zugesichert, daß, wenn wir ihm eine Insel verpachten, es einer generellen Zollerhöhung zustimmen würde. Nun, da die Pacht beschlossene Sache ist, sollte sich Deutschland auch an die Abmachungen über die Zollerhöhung halten. England und Deutschland sind die am Handel am meisten beteiligten Nationen. England hat bereits Verhandlungsbereitschaft signalisiert. Wenn nun Deutschland ebenfalls zustimmt, werden die übrigen Staaten auf jeden Fall folgen." Heyking antwortete: „Wir sind in diesem Punkt zur Unterstützung bereit." Es wurde vereinbart, Yin Chang damit zu beauftragen, unsere Note der Deutschen Gesandtschaft zu überbringen. Morgen soll dann der Deutsche Gesandtschaftsrat die Antwortnote dem Zongli Yamen übergeben. Heyking und sein Gefolge verabschiedeten sich. Wir händigten Heyking unsere Antwortnote zu den 6 Punkten über die Beilegung des Missionarszwischenfalles aus. DQJSX S. 188.

37 Note der Prinzen und Minister des Zongli Yamen an den deutschen Gesandten Heyking (15.1.1898) 39 Am 20.11.1897 überreichten Euer Exzellenz eine Note zur Beilegung des Missionarszwischenfalls im Kreis Juye/Präfektur Caozhou, in welcher 6 Punkte aufgelistet sind. Daraufhin haben wir uns in mehrmaligen Unterredungen mit Eurer Exzellenz um die Lösung des Falles bemüht. Unter Zugrundelegung der erzielten Verhandlungsergebnisse schicken wir uns nunmehr an, Euch zu jedem Punkt eine Antwort zukommen zu lassen. Punkt 1: „Der Gouverneur von Shandong, Li Bingheng, wird abgesetzt und soll nie mehr einen Posten erhalten." Solch eine Entscheidung bedarf der Zustimmung des Kaisers und obliegt nicht den Amtsbefugnissen unserer Behörde. Ihr stimmtet zu, den Passus „soll nie wieder einen Posten erhalten" zu streichen und dahingehend zu ändern, daß Li Bingheng nicht wieder in ein höheres Amt eingesetzt werden soll. Dem ist von Seiner Majestät dem Kaiser stattgegeben worden.

39 Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker

150 Punkt 2: China kommt für die Kosten fur den Bau der Kirche von Jining in Höhe von 66.000 Silbertaels auf. An der Kirche wird eine Tafel mit der Aufschrift „Auf Kaiserlichen Befehl errichtet" angebracht. Vor der Kirche soll eine Stele mit dem Hergang des Zwischenfalls aufgestellt werden. Dies soll der Kirche zum Schutz dienen. Punkt 3: Um den Mord an den Missionaren zu sühnen, bewilligt China den Kirchenbau in der Stadt Caozhou sowie im Kreis Juye. Sämtliche Arbeiten sollen nach Maßgabe der Kirche in Jining erfolgen. Für jedes Bauvorhaben werden je 66.000 Silbertaels bereitgestellt. Die Kirchengrundstücke sollen eine Mindestgröße von zehn Mu haben. Die konkreten Anweisungen erfolgen nach der Konsultation der lokalen Beamten mit den Missionaren. Das alles ist als Sühne für den Mord an den Missionaren anzusehen. Außerdem soll der durch den Raub entstandene Schaden in Höhe von 3.000 Silbertaels ersetzt werden. Die gefaßten Verbrecher sind nach den Gesetzen zu verurteilen, und die Beamten, die ihre Aufsichtspflicht vernachlässigt haben, sind in aller Strenge zu maßregeln. Um die Sicherheit der beiden Kirchen zu garantieren, sollen nach dem Vorbild der Kirche in Jining Tafeln mit der Aufschrift „Auf Kaiserlichen Befehl errichtet" und Stelen mit dem Hergang des Zwischenfalls angebracht werden. Da es sich bei der Präfektur Caozhou um ein gefahrenreiches Gebiet handelt, müssen Maßnahmen zum Schutz der deutschen Missionare ergriffen werden. China stellt die Summe von 24.000 Silbertaels bereit, um in den sieben Orten Juye, Heze, Juncheng, Shanxian, Chengwu, Caoxian und Yutai je ein zweistöckiges Haus als Unterkunft für die Missionare zu bauen. Das Geld für die Errichtung der Kirchen und Wohnhäuser soll dem in Beijing residierenden Deutschen Gesandten übergeben werden, der für die Weiterleitung an die Missionare Sorge trägt. Diese Verfahrensweise ist zum beiderseitigen Nutzen. Punkt 4: Im Land wimmelt es von Räubern, Banditen und Aufrührern. Deshalb ist es nicht einfach zu garantieren, daß sich ein derartiges Vorkommnis nicht wiederholt. Wir werden darum ersuchen, daß Seine Majestät der Kaiser den Befehl an die Lokalbeamten ergehen läßt, verstärkt für den Schutz der Missionare und der Kirchen zu sorgen. Um den Befehl auch an die richtigen Instanzen zu leiten und späteres Unheil abzuwenden, bitten wir Eure Exzellenz, uns eine Aufstellung über die in den einzelnen Verwaltungseinheiten befindlichen Kirchen zu überreichen. Die nachlässigen und ihrer Pflicht zum Schutz der deutschen Missionare nicht nachgekommenen Beamten der Präfektur sollen ihres Postens enthoben werden; der Kreisvorsteher von Juye ist aufs schärfste zu bestrafen. Punkt 5: Dieser Punkt wurde in Eurer Note vom 20.11.1897 behandelt. Wir haben darauf bereits geantwortet. Daraufhabt Ihr in der Unterredung vom 23.12. uns von dem Plan unterrichtet, von Qingdao nach Jinan eine Eisenbahnlinie zu errichten. Dabei sei an keine Inbesitznahme der Provinz Shandong gedacht. Das Kapital solle von deutschen und chinesischen Unternehmern gemeinsam aufgebracht werden. Dazu sollen beide Seiten autorisierte Verhandlungspartner nominieren. Diesem Ansinnen geben wir statt. Sämtliche Punkte sollen in einem

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extra Vertrag niedergelegt werden, der nichts mit den bisherigen Verträgen Chinas mit anderen Staaten zu tun haben und lediglich zwischen China und Deutschland ausgehandelt werden soll. Punkt 6: Da es für China nicht möglich ist, den deutschen Entschädigungsforderungen zuzustimmen, willigt Deutschland, mit Rücksicht auf die ununterbochen guten Beziehungen, ein, eine andere Möglichkeit der Entschädigung zu suchen. Nachdem nun über die Beilegung des Missionarszwischenfalls von Caozhou verhandelt worden ist, hofft China inständig, daß Deutschland seine in der Jiaozhou-Bucht als Unterpfand stationierten Truppen zurückziehen möge, um der ursprünglichen Absicht zu entsprechen. Später sollen nie wieder ohne vorherige Ankündigung Truppen chinesisches Territorium besetzen. Eingedenk der jahrzehntelangen guten diplomatischen Beziehungen und des Austauschs zwischen beiden Staaten, strebt China nach einer einvernehmlichen Lösung, die mit dem Zwischenfall nichts zu tun hat. Euer Exzellenz hat im großen und ganzen den Vorschlägen zur Beilegung des Zwischenfalls zugestimmt. Nunmehr sollen auch die einzelnen Punkte in der Frage der Entschädigung zwischen Eurer Exzellenz und unserer Behörde auf dem schnellsten Wege verhandelt werden. Die obenstehenden sechs Punkte sind von unseren beiden Ländern friedlich geregelt worden. Zum einen soll das Beileid fur das Schicksal der Missionare ausgedrückt, zum anderen der Wunsch nach guten beiderseitigen Beziehungen unterstrichen werden. Euer Exzellenz hatte dabei immer die Gesamtsituation im Auge, so daß unsere tiefe Eintracht und Freundschaft gewahrt wurde. DQJSXS.

194-196.

38 Memorandum des Philosophen Kang Youwei an den Thron (Januar 1898)40 Drohend schwebt die Gefahr der Aufteilung Chinas durch die ausländischen Mächte über uns. Unverzüglich müssen deshalb umfassende Reformen zur Rettung unserer Nation eingeleitet werden. Aus diesem Grund erlaube ich, Kang Youwei, Obersekretär im Arbeitsministerium, mir, Seiner Kaiserlichen Hoheit eine Throneingabe zu überreichen. Als wir im Krieg von 1885 unterlagen und die Franzosen Vietnam an sich rissen, war mein Herz erfüllt von schwerer Sorge. In einer Eingabe machte ich auf die Ränke der Japaner und die sich zusammenbrauende Gefahr in Korea aufmerksam. Ich verwies darauf, daß, wenn nicht umgehend entsprechende Schritte eingeleitet würden, eine Katastrophe unabwendbar 40 Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker.

152 wäre. Innerhalb weniger Jahre würden sämtliche Staaten über uns herfallen und so die weitere Existenz unseres Staates in Frage stellen. Schließlich demütigten uns die Japaner, trennten Taiwan ab und zwangen uns erdrückende Kontributionszahlungen auf. Infolgedessen verlor das Ausland vor uns jegliche Achtung, unsere Landsleute verließ das Gefühl der Einheit. Die Sorge in meiner Brust wuchs, und ich unterbreitete weitere Pläne, in der Hoffnung, daß rechtzeitig Reformen zur Rettung unseres Landes eingeleitet würden. Ich vertrat die Ansicht, daß zum damaligen Zeitpunkt noch gute Aussichten auf eine erfolgreiche Durchführung von Reformen bestanden. Würden wir aber weitere Zeit verlieren, gedankenlos in den Tag hineinleben, uns krampfhaft an alte Konventionen klammern und auch diese letzte Gelegenheit ungenutzt vertreichen lassen, dann wäre unser baldiges Ende durch fortgesetzte ausländische Aggressionen und Unruhen im Innern gewiß. Spätere Reue käme zu spät, und selbst Fähige könnten das Ruder nicht mehr herumreißen und die Situation retten. Meine damaligen Worte waren von großer Dreistheit und standen im Gegensatz zu den tradierten Normen. Doch hoffte ich, daß sich Seine Kaiserliche Majestät meinen Argumenten gegenüber empfänglich zeigen und die verantwortlichen Beamten mit der Ausführung meiner Pläne beauftragen würde. Ich sehnte mich nach einer Politik, die die unserem Volk angetane Schmach wieder wettmachen würde. Nichts verehre ich mehr als die Weisheit Seiner Kaiserlichen Majestät. Ich verfaßte noch weitere Eingaben, die aber allesamt unbeantwortet blieben. Daraufhin reichte ich meinen Rücktritt ein. Ich verließ China und weilte für zwei Jahre im Ausland. Stets blickte ich auf die Heimat, in der Hoffnung, daß eine neue Politik Einzug hielte. Leider hat sich aber nichts geändert, und es steht so schlecht wie einst. Niedergeschlagen sitzt man da, vergießt Tränen und wartet auf das kommende Ende. Nun haben die Deutschen die Jiaozhou-Bucht besetzt. Da ich mich im Ausland aufhielt, bin ich mit den von den Deutschen aufgestellten Forderungen im einzelnen nicht vertraut. Auf meiner Schiffsreise nach China las ich in den ausländischen Zeitungen Meldungen über die Absetzung von Li Bingheng sowie deutsche Forderung nach Rechten zur Errichtung von Eisenbahnen und Bergbaukonzessionen in Shandong. Auch erfuhr ich durch diese Zeitungen, daß Zhang Gaoyuan und einige Magistratsbeamte41 von den Deutschen gefangen gehalten wurden, die Deutschen bereits in Jiaozhou Verteidigungsanlagen und Kasernen errichteten sowie Jimo besetzt haben und der Bruder des Deutschen Kaisers an die Spitze der Invasionstruppen gestellt wurde. Weitere Berichte besagten, daß die Russen und Japaner zum Aufkauf großer Mengen unserer Reisernte geschritten sind, das japanische Parlament täglich zu Beratungen zusammentritt und die internationale Presse heiß die Aufteilung Chinas unter den Großmächten diskutiert. Die Sehne des Bogens ist gespannt, so daß der Pfeil jeden Augenblick losschwirren kann. Im Innern unseres Landes erbebt alles vor Angst, und Unruhestifter begehen Schandtaten. Nie hätte ich geglaubt, daß die von mir prophezeite Katastrophe so schnell eintreten würde.

41 Siehe hierzu Dok 17.

153 Umso unverständlicher ist mir, daß am Hof angesichts dieser bedrohlichen Entwicklung niemand die Stimme erhebt. Noch schlimmer als vorher hüllt sich alles in Schweigen. Jetzt, da das ganze Ausmaß der Misere ans Tageslicht gekommen ist, schlottern die Beamten vor Angst und wissen nicht, wie ihnen geschieht. Doch mein Mut gleicht der Größe des Ozeans. Abermals überreiche ich dem Hof eine Throneingabe. Ich hoffe inständig, daß Seine Majestät meine Gedanken zu Gesicht bekommt und daraus etwas Brauchbares für die Regierangspolitk auswählen kann. Seit der Niederlage gegen die Japaner 1894/95 blicken die westlichen Staaten mit unvergleichbarer Geringschätzung auf uns herab. Früher galten wir in ihren Augen wenigstens noch als halbzivilisierte Nation; heute werden wir mit den Negersklaven Afrikas auf eine Stufe gestellt. Früher ereiferten sie sich über unseren Hochmut; heute behandeln sie uns wie Taubstumme und Blinde. Gemäß den von ihnen abgeschlossenen Verträgen haben nur zivilisierte Nationen ein Recht auf Schutz. Barbarische Völker hingegen sollen, um die Menschheit zu retten, ausgemerzt werden. In den letzten zehn Jahren waren die westlichen Großmächte mit der Aufteilung Afrikas beschäftigt. So blieb China vor größeren Schlägen verschont. Nachdem nun die Aufteilung Afrikas abgeschlossen worden ist, beschäftigten sich die Großmächte in den letzten drei Jahren unablässig mit der Aufteilung Chinas. In aller Offenheit verbreiten sich die verschiedenen Zeitungen zu diesem Thema. Aus den Aggressionsplänen wird keinerlei Hehl gemacht. Selbst detaillierte Pläne und Kartenskizzen gelangen überall zum Abdruck. Doch noch sind es Pläne, deren Verwirklichung aussteht. Warum haben Rußland, Deutschland und Frankreich ein geheimes Abkommen geschlossen? Warum haben sich England und Japan einander angenähert? Warum haben im Konflikt zwischen Griechenland und der Türkei alle betreffenden Staaten keine größeren Truppenkontingente eingesetzt? Warum bauen alle Länder unaufhörlich Heer und Marine aus? Als allgemeine Antwort darauf hört man: „Um die Sicherheit Europas zu gewährleisten." Aber die dunklen Absichten der Großmächte konzentrieren sich insgeheim auf Asien. Stets behaupten die Großmächte, lediglich Handel und Mission schützen zu wollen. In Wirklichkeit gieren sie nach der Besetzung fremden Territoriums. Die „Times" äußerte sich als regierungsoffizielles Organ Englands zur deutschen Besetzung der Jiaozhou-Bucht in lobenden Tönen. Sie pries das deutsche Vorgehen und empfahl es allen anderen Ländern als nachahmenswert. Überall scheinen Minen versteckt zu liegen, die untereinander mit Zündschnüren verbunden sind. Explodiert eine Mine, gehen die anderen unweigerlich auch hoch. Jiaozhou bildet den Anfang einer Kettenreaktion. Der erste Pfeil dazu ist von Deutschland abgeschossen worden. [...]42 Kang Yoiwei zhenghm ji (Sammlung der politischen S. 201-210.

Sireitschriften

von Kang Youwei), Peking

1981,

42 Es folgen Ausführungen zum internationalen Beziehungsgeflecht, zur innenpolitischen Situation und Vorschläge zu ergreifender Reformmaßnahmen.

154

39 Reden des Abgeordneten Richter, des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts, Bülow, und des Abgeordneten Bebel vor dem Reichstag (8.2.1898) Richter, Abgeordneter: Bei der ersten Etatberatung haben wir uns ausdrücklich vorbehalten, über die neueren Vorgänge in Ostasien ein Urteil erst später abzugeben. Inzwischen haben sich die Dinge dort weiter entwickelt, und der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts hat in der Kominission einige nähere Mitteilungen über die dortigen Verhältnisse gemacht. Namens meiner Freunde stehe ich nicht an, zu erklären, daß wir anders und günstiger die Erwerbung der Jiaozhou-Bucht ansehen als alle bisherigen Flaggenhissungen in Afrika und Australien. Der Unterschied für uns ergibt sich daraus, daß, abgesehen von anderen klimatischen Verhältnissen, China ein altes Kulturland ist, wenn auch ein Land eigenartiger Kultur, und daß Umgestaltungen, die in China eingeleitet sind, namentlich durch den letzten chinesisch-japanischen Krieg, es wünschenswert erscheinen lassen können, dort einen festen Stützpunkt für die Wahrnehmung unserer Interessen zu besitzen. Die Erwerbung jener Bucht kommt zunächst für uns zur Zeit nur als Flotten- und Kohlenstation in Betracht. Wir wünschen, daß man sich bei der Einrichtung jener Bucht auf das Notwendigste beschränke. Wir haben in Ostasien keine politischen Interessen im engeren Sinne des Worts zu vertreten. Das folgt schon aus der geographischen Lage und aus dem Umstände, daß Deutschland nicht, wie andere Länder, in Asien einen größeren Besitz hat. Wir haben in Ostasien nur wirtschaftliche Interessen zu vertreten, und es kann sich deshalb nur darum handeln, unter gewissen Voraussetzungen denjenigen Schutz den wirtschaftlichen Interessen angedeihen zu lassen, der durch eine Machtentfaltung unter Umständen möglich sein könnte. Wir wünschen auch nicht, daß der Landerwerb in China über die uns in der Kommission bezeichneten Grenzen weiter ausgedehnt wird. Wir vermögen daraus einen Vorteil nicht zu erkennen. Wir meinen, daß gerade die neuen Erfahrungen, die selbst ältere Kolonialreiche mit der Beherrschung von fremden Völkerstämmen gemacht haben, wie in Kuba und auf den Philippinen und jetzt auch in Ostindien, nicht gerade ermuntern können, darin nachzufolgen. Ob diese Jiaozhou-Bucht einen Stützpunkt auch für Handel und Industrie abgeben wird, darüber sind wir zur Zeit nicht imstande irgendein Urteil abzugeben. Dasjenige, was uns mitgeteilt wird, läßt erkennen, daß dort gegenwärtig von Handel und Industrie gar nicht die Rede sein kann, daß es dort auch keine Bevölkerung gibt, die für den Absatz europäischer Produkte ein erhebliches Bedürfnis besitzt. Außerdem liegt ja die Bucht abseits der großen internationalen Handelstraße in Ostasien. Ob bei dem Mangel von allen Wasserverbindungen, von schiffbaren Flüssen, bei dem Mangel selbst von Landstraßen ein Aufschluß des Hinterlandes durch Eisenbahnverbindungen Vorteile verspricht, auch darüber läßt sich ein Urteil gar nicht abgeben, ebenso wenig darüber, ob die Kohlenbergwerke, die in der Provinz Shandong sein sollen, den Eisenbahntransport lohnen. Ob dieser Bergbau überhaupt lohnend ist, darüber läßt sich vom Standpunkt der Rentabilität nicht urteilen, selbst wenn China die

155 Konzessionen zum Eisenbahnbau und zum Bergbau erteilt hätte, über die gegenwärtig verhandelt wird. Was die allgemeine Wirtschaftspolitik fur uns in Ostasien anbetrifft, so sind wir der Meinung, daß Deutschland dort keine anderen Interessen als diejenigen der Gleichberechtigung mit anderen, namentlich mit europäischen Völkern China gegenüber, und daß wenigstens von Reichs wegen dort kein anderes Evangelium zu predigen ist als dasjenige des Freihandels. (Bravo! links.) [,..] 43 Meine Herren, was das Verhältnis zu China im allgemeinen anbetrifft, so muß ich sagen, daß sich in weiten Kreisen der Bevölkerung die Phantasie in Erwartungen, in Vorstellungen bewegt, die weder in absehbarer Zeit noch überhaupt je in Erfüllung gehen können. (Sehr richtig! links.) Es zeigt sich dies auch in den Eingaben, die schon jetzt, wie wir aus den Zeitungen wissen, an das Auswärtige Amt gelangen, mit Ersuchen aller Art auf Verwendung und Konzessionen in den dortigen Verhältnissen. Man spricht ja sogar davon, daß dorthin ein Abfluß der Bevölkerung von Deutschland möglich sei, der nach anderen Ländern nicht stattfinden könne. Aber selbst Herr von Wißmann hat mit Recht neulich in der Öffentlichkeit ausgeführt, daß China übervölkert ist, und daß die Arbeitskräfte dort so billig sind, daß deutsche Arbeitskräfte an Ort und Stelle am wenigsten konkurrieren können. Im Gegenteil, wir haben alle Ursache, glaube ich, uns gegen chinesische Einwanderung zu wehren, namentlich, wenn dieselbe die Gefahr des Aussatzes, wie jüngst vielfach erörtert worden ist, für Deutschland mit sich bringt. (Zuruf.) - Ja, die Lepra oder den Aussatz. Was die wirtschaftlichen Unternehmungen in China anbetrifft, so ist ja die Kreditwirtschaft in China selbst sehr wenig entwickelt; aber auf der anderen Seite ist die dort herrschende Mandarinenwirtschaft ein Hindernis für die Rechtssicherheit, die notwendige Voraussetzung aller solchen wirtschaftlichen Unternehmungen. Überhaupt gibt es kein Land das versichern uns alle Sachkenner -, in dem die Dinge so langsam reifen wie in China. Dazu kommt, daß China infolge des letzten Kriegs genötigt ist, große Anleihen aufzunehmen und zu verzinsen. Nach der mangelhaften Entwicklung der dortigen Steuerverfassung werden diese Zinslasten auf Seezölle, auf solche Verkehrsabgaben fallen, die wesentlich den europäischen und damit auch den deutschen Verkehr treffen; und aus dieser höheren Besteuerung wird entweder eine Verminderung des Handelsgewinnes erfolgen, oder es wird eine Preissteigerung den Chinesen auferlegt werden, die zur Abnahme des Konsums europäischer Waren führen muß. (Sehr richtig! links.)

43 Hier folgen Ausführungen über die russischen Wirtschaftsinteressen in China, die im Gegensatz stünden zu den deutschen Interessen.

156 Meine Herren, aber China und Japan zusammengenommen - man soll sich hüten, die Bedeutung dieser beiden Länder für unseren gesamten Auslandshandel zu überschätzen. Zur Zeit macht die Ausfuhr dorthin kaum über 2 Prozent unserer Gesamtausfuhr aus, und wenn sie sich auch in der nächsten Zeit noch um ein Erhebliches steigern wird, so wird sie doch nie diejenige Bedeutung erlangen können in unserem gesamten Handel, wie manche für die nächste Zukunft glauben vorhersagen zu können. [...] von Bülow, Staatsminister, Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Bevollmächtigter zum Bundesrat: Ich hatte gedacht, meine Herren, daß die Diskussion über Jiaozhou erst bei der Position Peking eröffnet werden würde. Ich freue mich aber, daß ich schon jetzt Gelegenheit finde, mich über eine Angelegenheit auszusprechen, welche die öffentliche Meinung mit Recht lebhaft beschäftigt, und die für die Regierungen ein Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit ist. [...]45 Ich müßte mich aber, nach Lage der Verhältnisse, als ich Anfang Dezember zum ersten Mal die Ehre hatte, vor diesem hohen Hause zu erscheinen, darauf beschränken, hervorzuheben, daß wir weder in Abenteuer hineindampfen, noch irgendwie den Frieden stören, noch irgendwem zu nahe treten, sondern lediglich die Rechte und Interessen schützen wollten, die wir in Ostasien besitzen.46 Die Entsendung unseres Kreuzergeschwaders nach Jiaozhou war eben nicht eine Improvisation, sondern sie war das Ergebnis reichlicher Erwägung und Abwägung aller Verhältnisse und der Ausdruck einer ruhigen zielbewußten Politik. Hierüber kann ich heute folgendes sagen. Wir waren uns schon vorher nicht in Zweifel darüber, daß wir in Ostasien einen territorialen Stützpunkt brauchten. Ohne einen solchen würden wir dort in wirtschaftlicher, in maritimer und in allgemein politischer Hinsicht in der Luft schweben. In wirtschaftlicher Beziehung brauchen wir eine Eingangstür zu dem chinesischen Absatzgebiete, wie Frankreich eine solche in Tongking, England in Hongkong und Rußland im Norden besitzt. Das chinesische Reich mit seiner riesenhaften Bevölkerung von nahezu an 400 Millionen Menschen bildet einen der zukunftreichsten Märkte der Welt; von diesem Markt durften wir uns nicht ausschließen, wenn wir wirtschaftlich und damit politisch, materiell und damit moralisch voran wollten. Wir mußten vielmehr dafür sorgen, daß wir dort unter gleichen Chancen mit anderen Völkern zugelassen wurden. Gerade weil die mächtig arbeitende deutsche Industrie auf vielen europäischen und nichteuropäischen Plätzen mit großen und wachsenden Schwierigkeiten kämpft, wo sich ihr leider manche Länder ganz oder teilweise verschließen, betrachteten wir es doppelt als unsere Pflicht, dafür zu sorgen, 44 Es folgen nun kritische Bemerkungen zur allgemeinen Wirtschaftspolitik der Regierung, insbesondere zur Absicht, Schutzzölle gegen landwirtschaftliche Importe aus dem Ausland zu erheben. 45 Bülow nimmt im folgenden zu Vorwürfen Stellung, die Regierung würde den Reichstag und die Öffentlichkeit über ihre außenpolitischen Pläne im unklaren lassen, vgl. hierzu Dok. 26. 46 Vgl. Rede Bülow, 6.12.1897, in: SBRV 160:892ff. Hier führte Bülow aus: 'Wir sind endlich gern bereit, in Ostasien den Interessen anderer Großmächte Rechnung zu tragen, in der sicheren Voraussicht, daß unseren eigenen Interessen gleichfalls die ihnen gebührende Würdigung finden (Bravo!). Mit einem Worte: Wir wollen niemand in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne (Bravo!)".

157 daß uns für die Zukunft wenigstens der chinesische Markt erhalten blieb, nach welchem sich unsere Ausfuhr seit 10 Jahren verdreifacht hat. Die Konzessionen, welche die chinesische Regierung den Untertanen anderer Mächte gemacht hatte mit Bezug auf die Anlage von Eisenbahnen und Ausbeutung von Bergwerken, legte uns die Erwägung nahe, ob es nicht im wohlverstandenen und wohlberechtigten Interesse der Entwicklung unserer Beziehungen zu China liegen würde, wenn deutsche Staatsangehörige analoge Konzessionen erhielten. Solche Konzessionen haben wir erhalten, - ich werde sogleich auf dieselben zu sprechen kommen. Ohne einen territorialen Stützpunkt würden aber alle deutschen Unternehmungen in China im letzten Ende anderen mehr zugute kommen als uns, ohne einen solchen würden unsere technischen und kommerziellen Kräfte sich zersplittern, mit einem Wort, würde deutsche Arbeit und deutsche Intelligenz, wie dies früher oft genug der Fall war, für anderer Leute Äcker den Dünger liefern, statt unseren eigenen Garten zu befruchten. (Sehr richtig! Sehr gut!) In maritimer Hinsicht war der Erwerb einer Station ein Bedürfnis unserer Flotte. Die Größe und der Umfang unserer ostasiatischen Handelsinteressen machen dort die dauernde Anwesenheit eines Geschwaders erforderlich. Dieses Geschwader aber braucht einen Hafen, wo deutsche Schiffe, ohne von dem guten oder auch manchmal weniger guten Willen fremder Regierungen und fremder Verwaltungen abhängig zu sein, ausgerüstet, verproviantiert und im Notfalle ausgebessert werden können. Das Ansehen und die Schlagfertigkeit unserer Flotte wird verdoppelt, wenn dieselbe nicht mehr heimatlos umherschwimmt, sondern als Hauptquartier einen Hafen hat, wo sie zu Hause ist. In allgemein politischer Hinsicht brauche ich nur daran zu erinnern, daß Frankreich in Tonking festen Fuß gefaßt hat, England seit langem in Hongkong sitzt, Rußland am Amur steht, während selbst Spanien, Portugal und Holland im fernen Osten seit langem eigenen Boden unter den Füßen haben. Wo alle diese Mächte zu ihrem augenscheinlichen Vorteil sich Stützpunkte gesichert haben in Ostasien, mußten wir dasselbe tun, wenn wir nicht dort eine Macht zweiten oder vielmehr dritten Ranges bleiben wollten. (Sehr richtig!) Dazu trat noch eine Erwägung. Außer der allgemeinen Pflege unserer politischen und wirtschaftlichen Interessen in Ostasien liegt uns dort auch der Schutz der sich im Innern Chinas oder in den geöffneten Häfen aufhaltenden Fremden und namentlich der Missionare ob. Es würde meiner Empfindungsweise widersprechen, wenn ich Gefühle und namentlich die heiligsten Gefühle, welche es gibt, religiöse Gefühle, verquicken wollte mit realen Interessen. Aber nachdem das Reich den Schutz über die christlichen und katholischen Missionen in Shandong übernommen hat, 47 und wo wir die Ausübung dieses Schutzes nicht allein als eine Pflicht betrachten, sondern auch als eine Ehre, mußte es schwer für uns ins Gewicht fallen, daß der Vorsteher dieser Missionen, der Bischof Anzer, uns auf das unzweideutigste

47

1890 hatte das Deutsche Reich das Protektorat über die Mission des deutschen katholischen Ordens S V D übernommen, siehe Einleitung zu Kapitel 1.

158 erklärte, daß unsere Festsetzung in Jiaozhou eine Lebensfrage sei, nicht nur für das Gedeihen, sondern geradezu fur den Fortbestand der chinesischen Mission.48 Wo es in der Theorie für uns feststand, daß wir einen Stützpunkt in Ostasien gebrauchen, kam es für die praktische Politik darauf an, daß wir einerseits für die Erwerbung dieses Stützpunktes den richtigen Augenblick aussuchten, andererseits dieselbe durchführten, ohne dadurch in Verwicklung zu geraten mit anderen in Ostasien gleichfalls interessierten Mächten und mit den beiden ostasiatischen Reichen von China und Japan. Über den ersteren Punkt, die Wahl des richtigen Augenblicks, möchte ich mich nicht weiter verbreiten. Ich meine aber, daß, wenn unsres Lebens schwer Geheimnis, wie der Dichter gesagt hat, im allgemeinen liegt zwischen Übereilung und Versäumnis, im vorliegenden Falle die richtige Mitte und der richtige Moment erfaßt wurden, und daß wir vorbeigekommen sind an der Scylla und an der Charybdis menschlicher Entschließungen. Was unsere Festsetzungen in Jiaozhou angeht ohne unangenehme Friktionen mit anderen Mächten, so kann ich wiederholen, was ich schon in der Kommission gesagt habe, daß durch dieselbe unsere Beziehungen zu keinem anderen Staat getrübt worden sind, wie das auch nicht anders möglich war bei der absoluten Loyalität, Friedfertigkeit und maßvollen Selbstbeschränkung unseres Vorgehens. Wir befinden uns im Einklang mit Rußland, dessen Interessen in Europa nirgends die unsrigen durchkreuzen, (Bravo!) in Ostasien vielfach mit denselben parallel laufen, und dessen natürliche Machtentwicklung wir als aufrichtige Freunde mit neidloser Sympathie begleiten. (Lebhafter Beifall.) Wir finden es natürlich und begreiflich, wenn Frankreich von Tonking aus neue Verkehrswege sucht. Und wir sind endlich weit davon entfernt, irgendwie oder irgendwo berechtigten englischen Interessen entgegentreten zu wollen. Wenn - nicht von Seiten der englischen Regierung, aber in einzelnen Organen der englischen Presse - zeitweise die entgegengesetzte Auffassung hervorgetreten ist, so stand dieselbe im Widerspruch mit den tatsächlichen Verhältnissen. Glücklicherweise ist man sich in London an allen maßgebenden Stellen nicht im Zweifel darüber, daß wir im Interesse beider Länder, im Interesse des Kulturfortschritts der Menschheit und im Interesse des Weltfriedens ein harmonisches Zusammenwirken auch mit Großbritannien für ersprießlich halten. (Lebhafter Beifall.) China gegenüber haben wir unsere Forderungen in so moderierten Grenzen gehalten, daß dieselben weder der chinesischen Regierung Anlaß zu berechtigten Ausstellungen geben noch gar die innere Kohäsion oder den Fortbestand des chinesischen Reichs gefährden konnten. [...]49 48 Bischof Anzer hielt sich im November 1897 in Berlin auf und trat in Gesprächen mit dem AA und Kaiser Wilhelm II vehement fur eine dauernde Inbesitznahme der Jiaozhou-Bucht zum Schutze der Mission ein, vgl. GPEK IVX:76, Fußnote. 49 Bülow geht nun in seiner Rede auf die Bestimmungen des geplanten Staatsvertrages mit China ein, die er im einzelnen aufzählt.

159 Meine Herren, ich möchte besonders konstatieren, daß wir aufrichtig die Wohlfahrt von China wünschen, und wir wünschen den Fortbestand von China. Ich glaube auch nicht, daß dieses alte Reich von heute auf morgen auseinanderfallen wird, und ich habe einen wißbegierigen Diplomaten, der mich frug, wie lange ich glaube, daß das chinesische Reich noch bestehen würde, erst vor wenigen Tagen geantwortet: Das chinesische Reich bestehe nun schon seit 4377 Jahren, und ich sehe gar keinen Grund ein, warum das nicht noch wenigstens 3000 Jahre so weiter gehen solle. (Große Heiterkeit.) Wir denken schließlich nicht daran, dem japanischen Volke zu nahe treten zu wollen, dessen rasche Entwicklung und hohe Begabung Europa Achtung einflößen. Ich möchte noch ein Wort sagen über die Wahl von Jiaozhou. Unter den Gründen, die uns veranlaßt haben, gerade nach Jiaozhou zu gehen, stand neben der Notwendigkeit des Schutzes für unsere Missionen die schon von mir in der Budgetkommission angedeutete Erwägung im Vordergrund, daß wir dort von der englischen und der französischen Aktionssphäre wie von der russischen Operationsbasis gleich weit entfernt sind und somit durch unsere Festsetzung dort die Interessen jener Mächte nicht tangieren. Im übrigen stimmten die Berichte aller zuverlässigen und sachverständigen Kenner der ostasiatischen Verhältnisse darin überein, daß Jiaozhou als Hafenplatz, als Klima und Hinterland, in maritimer und ökonomischer Hinsicht, als Lage und Umgebung gerade diejenige Position ist, die wir in Ostasien gebrauchen. Gewiß, wenn es in China einen idealen Punkt gäbe, der nur Lichtseiten hätte und keine Schattenseiten, dessen Erwerbung gar keine Schwierigkeiten verursacht, und dessen Entwicklung gar keine Kosten bereiten würde, so hätten wir uns sicherlich dorthin gewandt. (Heiterkeit.) Ein solches Utopia existierte aber in China nicht. Wir leben in einer realen und unvollkommenen Welt und mußten mit den gegebenen Verhältnissen rechnen. Unter den erreichbaren und vorhandenen Plätzen war Jiaozhou alles in allem weitaus der geeignetste. Jiaozhou bietet den Vorzug einer sehr großen und dabei durch ihre Einfahrt doch leicht zu verteidigenden, eisfreien, tiefen, in absehbarer Zeit nicht mit Versandung drohenden Bucht, welche auch bei schlechtem Wetter vollen Schutz gewährt und mehr als genügende Unterkunft für jede Kriegsmarine wie für den bedeutendsten Handelsverkehr. Es besitzt eine zentrale Lage zwischen den Golfen von Japan, Beizhili-Korea und den Mündungen des Yangzijiang. Es besitzt fiir chinesische Verhältnisse ein gutes Klima, vielleicht das beste in China. Es besitzt vor allen anderen chinesischen Häfen den Vorzug, Steinkohlen in seiner Nähe zu haben. Die Herstellung von Eisenbahnverbindungen zwischen Jiaozhou und den Kohlenlagern von Shandong und bis zum Huanghe ist nicht verknüpft weder mit erheblichen technischen noch mit unverhältnismäßigen finanziellen Schwierigkeiten. Für die Herstellung dieser Eisenbahnverbindungen wie fiir die notwendigen Hafenanlagen rechnen wir auf die Mithilfe des deutschen Privatkapitals. Wo geerntet werden soll, muß auch gesät werden. Wir glauben aber, daß das Samenkorn, welches wir bei Jiaozhou in den Boden senken, Frucht bringen wird. Jedenfalls werden wir dasselbe sorgsam pflegen; wir werden nach Möglichkeit darauf hinwirken, daß Risiko und Gewinn, Einsatz und Ertrag im richtigen Verhältnis bleiben. Wir

160 werden vorgehen ohne Überhastung, aber auch ohne kleinliche Engherzigkeit, stetig, besonnen, Schritt für Schritt, nicht als Konquistadoren, aber auch nicht als Kalkulatoren, sondern, wenn ich mich so ausdrücken darf, als tüchtige und kluge Kaufleute, die, wie weiland die Makkabäer, die Waffe in der einen Hand haben, in der anderen aber die Kelle und den Spaten. Meine Herren, ich glaube, daß ein Diplomat noch sorgfältiger als andere Menschen sich hüten soll vor ängstlicher Schwarzseherei wie vor trügerischen Illusionen, und daß er gar nicht ruhig und sachlich und nüchtern genug urteilen kann. Ich habe keine Luftschlösser vor Ihnen aufgeführt und mich jeder Schönfärberei enthalten. Ich bin aber überzeugt, daß die Erwerbung von Jiaozhou der Ausbreitung christlichen Glaubens und christlicher Gesittung zum Segen gereichen, und daß sie förderlich sein wird für die wirtschaftliche Entwicklung und für die politische Machtstellung des deutschen Volks. (Wiederholtes lebhaftes Bravo.) [...] Bebel, Abgeordneter: [,..]51 Nun komme ich zu dem eigentlichen Thema, das uns heute beschäftigt. Dieses Thema steht in engster Berührung mit früheren Erörterungen des Reichstags, die wir insbesondere vor zwei Jahren gehabt haben. Damals war das große, viel Aufsehen machende Wort von der Weltpolitik gefallen, die Deutschland zu treiben habe. Damals fanden jene Ausführungen nahezu bei allen Parteien des Reichstags und insbesondere auch außerhalb des Reichstags, in der Presse den lebhaftesten Widerspruch. Man machte dagegen geltend, daß, wenn Deutschland einmal in die Bahnen sogenannter Weltpolitik einlenken sollte, damit eine Menge Verpflichtungen, und zwar bedenklicher Art, für die deutsche Politik erwachsen würden, die der Reichstag unter allen Umständen soweit als möglich hintanzuhalten habe. Daß nun diese Weltpolitik zunächst in China in der hier heute mitgeteilten Weise zum Ausdruck kommen würde, konnte nicht überraschen. Wir haben schon früher bei anderen Verhandlungen wiederholt Gelegenheit gehabt, zu hören, daß aus der Mitte dieses Hauses die Notwendigkeit betont wurde, eines Tages in China festen Fuß fassen zu müssen. Es wurde namentlich hervorgehoben - das ist auch der Hauptgrund bei der ganzen Kolonialpolitik -, es handle sich um Förderung der materiellen Interessen. Die religiösen und ethischen Momente, wie sie der Herr Staatssekretär heute wieder in seiner Rede in den Vordergrund geschoben hat, spielen dabei gar keine, oder nur eine nebensächliche Rolle. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Es handelt sich um die Förderung materieller Interessen, um die Hebung deutscher Ausführ nach China und Ostasien. Meine Herren, es ist zweifellos, daß unsere Wirtschaftsentwicklung nicht nur in Deutschland, sondern in allen Kulturstaaten der Welt den Konkurrenzkampf zwischen den verschiedenen Kulturnationen immer schwieriger macht. Die Absatzgebiete für die ungeheure Masse von Waren, die alle auf den Markt werfen, werden immer kleiner. Angesichts dieser Tatsa50 Auf die Rede Bülows folgten eine kurze Auskünfte von Beamten des Auswärtigen Amtes zu außenpolitischen Detailfragen, die aber nicht die deutsche Besetzung der Jiaozhou-Bucht betrafen. 51 Bebel äußerte sich zunächst zu innenpolitischen Fragen.

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chen würden wir, wenn diese Massenproduktion sich weiter und weiter entwickelt - und das wird geschehen einem Moment entgegengehen, wo der Markt so eng geworden ist, daß er die enorme Masse der Produkte nicht mehr zu fassen vermag, daß also, wenn nicht neue Absatzgebiete geschaffen würden, eine permanente Stockung die notwendige Folge wäre. Daß nun ein Land von dem Umfang und der Bevölkerangszahl Chinas ein geeignetes Objekt zu sein scheint, um hier anzusetzen und alles aufzubieten, und das Land nicht nur der europäischen Kultur, sondern vor allen Dingen den europäischen Industrieprodukten zu eröffnen, das liegt im Wesen und in den Interessen der modernen Gesellschaft, insbesondere der Kapitalistenklasse. Insofern ist auch das Vorgehen Deutschlands durchaus nicht verwunderlich. Zu tadeln aber ist bei diesem Vorgehen die Art, wie man dabei zu Werke gegangen ist. Der Herr Staatssekretär hat vorhin erklärt, er wolle auf die eigentliche Veranlassung, welche in letzter Zeit Deutschland direkt nach China geführt habe, hier nicht näher eingehen. Darin hat er von seinem Standpunkt aus klug getan. Wir aber, meine Herren, haben alle Ursache, diese Veranlassung etwas näher ins Auge zu fassen, und zwar um deswillen, weil wir der Meinung sind, daß wir vielleicht nicht immer so glimpflich bei einem derartigen Vorgehen fortkommen könnten, wie es diesmal der Fall war. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Bekanntlich war der Vorwand fur den Einbruch in China die Ermordung zweier katholischer Missionare. Daß für einen solchen Vorgang die deutsche Regierung Genugtuung suchte, ist selbstverständlich; aber, meine Herren, nach den Regeln der internationalen Politik ist es in einem solchen Falle doch so, daß die Regierung des geschädigten, benachteiligten Landes bei der fremden Regierung, in deren Land die Untat geschah, Anfrage hält, ob sie gewillt ist, die und die Genugtuung für die geschehene Gewalttat zu geben, und daß erst in dem Augenblick, wo die fremde Regierung sich weigert, eine solche Genugtuung zu geben, alsdann die verletzte und geschädigte Regierung in der Lage und verpflichtet ist, mit allem Nachdruck, der ihr zu Gebote steht, gegen das fremde Land vorzugehen. Meine Herren, in dieser einfachen, natürlichen, der internationalen Höflichkeit entsprechenden Weise ist aber von seiten der deutschen Regierung nicht vorgegangen worden. Obgleich man sicher bereits wußte, daß China bereit sei, jede Genugtuung zu geben, die man zu fordern entschlossen war, ist man ohne weiteres dazu übergegangen, der in den ostasiatischen Gewässern stationierten deutschen Flottille die Weisung zu geben, Jiaozhou zu besetzen, die dort anwesenden chinesischen Truppen zu verjagen und von der Bucht und den sie umgebenden Ländereien 52 53 Besitz zu ergreifen. [...] Die Chinesen haben im Gegensatz zu den Buren ihr Land dem

52 Hier geht Bebel kurz auf das bekannte Telegramm Kaiser Wilhelms II. an den Präsidenten von Transvaal, Oom Krüger (sog. Krüger-Depesche vom 3.1.1896) ein, in dem Wilhelm II. den Buren zu ihrem Sieg über den von England unterstützten Jameson Raid gratulierte. Dieses Telegramm hatte in England eine große Entrüstung hervorgerufen und war von der deutschen Sozialdemokratie sehr kritisiert worden. Siehe Hildebrand 1989:32; Mommsen 1993:136. Bebel will damit aufzeigen, daß die deutsche Regierung, die damals die - vorgeblich von England unterstütze - Aggression gegen ein unabhängiges Land kritisierte, nun selbst ähnliche Aktionen unternehme. 53 Vgl. Anm. 50.

162 Eroberer, dem Einbrecher, geräumt und gaben ihm so die Möglichkeit, Besitz zu ergreifen von dem,' was, wie ich glaube, auch ohne jene Form und ohne das Odium des Gewaltakts auf sich zu laden, Deutschland bekommen hätte. Denn, meine Herren, daß Deutschland fur die guten Dienste, die es zur Zeit des japanisch-chinesischen Friedensschlusses von Shimoniseki im Verein imt Frankreich und Rußland China geleistet hat, 54 eines Tags einmal eine entsprechende Vergütung bekommen werde, war wohl zu erwarten, das konnte man sich denken. Wozu also nun jene Form des Einbruchs? Weiter, meine Herren, kaum war die Nachricht von der gewaltsamen Besitzergreifung Jiaozhous durch den Telegraphen in die ganze Welt verbreitet worden, so entstand aus der Aufregung, die dieses Ereignis naturgemäß hervorgerufen hatte, eine noch größere Aufregung, als von seiten der deutschen Regierung beziehentlich der betreffenden Ministerien Schritte getan wurden, um in Kiel eine Flotte zusammenzuziehen, die so eilig wie möglich nach den ostasiatischen Gewässern zu segeln hat, bei welcher Gelegenheit jene bekannten Reden gehalten wurden, die in der gesamten Kulturwelt ungemeines Aufsehen erregten. Meine Herren, nach der Lage, wie sie damals für die deutsche Regierung vorhanden war wenn auch andere Kreise als Eingeweihte das nicht wissen konnten -, war jenes Vorgehen meines Erachtens überflüssig, - und nicht allein überflüssig, es war im höchsten Grade schädlich. Ganz besonders schädlich war es aber, wenn in jener Rede Stellen vorkamen, wie jene: Sollte es aber je irgend einer unternehmen, uns an unserem guten Recht zu kränken oder zu schädigen zu wollen, dann fahre darein mit gepanzerter Faust und, so Gott will, - der liebe Gott muß immer dabei sein (Heiterkeit) flicht Dir den Lorbeer um Deine junge Stirn, den niemand im ganzen Deutschen Reich Dir neiden wird! Ja, meine Herren, mit unserem guten Rechte in Ostasien sah es doch sehr windig aus. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ein Recht auf chinesisches Land haben wir nicht! und wenn die Chinesen gleich jedem anderen Volke der Erde - wie sie es aber nicht getan haben - den Einfall Deutschlands mit Gewalt zurückgewiesen hätten, wäre dies ihr gutes Recht gewesen. Man muß sich nur wundern, daß sie von diesem guten Rechte keinen Gebrauch gemacht haben, was für mich nur beweist, daß bereits vorher bei der chinesischen Regierung genügend sondiert war und man sicher sein konnte, daß, wenn man eines Tags sich in den Besitz von Jiaozhou zu setzen vermöge, man Deutschland darin belassen würde. Daß also die Ermordung der Missionare nur ein reiner 54 Das Deutsche Reich zwang durch den gemeinsamen Protest mit Frankreich und Rußland gegen den Vertrag von Shimonoseki 1895 Japan dazu, sich von der Liaodong-Halbinsel zurückzuziehen, die damit wieder unter chinesische Souveränität kam, siehe Einleitung Kapitel 1. 55 Am 16 Dezember verließ das III. Seebataillon als Verstärkung für die Landungsabteilung in Jiaozhou unter dem Kommando des Prinzen Heinrich Wilhelmshafen. Am Vorabend hielt Kaiser Wilhelm eine Abschiedsrede, die Prinz Heinrich erwiderte, vgl. Abschiedsrede des Kaisers Wilhelm II. an den Prinzen Heinrich, 15.12 1897, in: Johann 1966:74; siehe Einleitung zu Kapitel 2

163 Vorwand war, um in China einbrechen zu können, darüber besteht heute bei keinem Menschen mehr ein Zweifel. Meine Herren, dieser Mord, der an den beiden Missionaren verübt wurde, kam wieder einmal außerordentlich gelegen. (Heiterkeit.) Man könnte, wollte man frivol sein, sagen: Wären sie nicht ermordet worden, so hätte man den Mord herbeiführen müssen, um endlich die erwünschte Gelegenheit zu haben, die man nunmehr auch weidlich ausgenützt hat. Auch die weiteren Ausführungen, die in einer anderen Rede, in der Rede des Prinzen Heinrich, laut geworden sind worin es heißt: 56 Mich lockt nicht Ruhm, mich lockt nicht Lorbeer, mich zieht eines: das Evangelium Eurer Majestät geheiligter Person im Auslande zu künden (Unruhe rechts. Glocke des Präsidenten.) Präsident: Ich muß den Herrn Redner doch bitten, nicht ausschließlich Äußerungen des Monarchen zum Gegenstand seiner Ausführungen zu machen. Bebel, Abgeordneter: - Ich bitte um Verzeihung, Herr Präsident, ich habe soeben die Äußerungen des Prinzen Heinrich angeführt; diese werden doch wohl noch in die Debatte gezogen werden dürfen. Diese Vorgänge haben nicht dazu beigetragen, das Ansehen Deutschlands nach außen hin in besonderem Maße zu stärken. Es war so unpassend als möglich, bei dieser Gelegenheit und in der Form, in der es geschehen, von den offiziellsten Personen im Deutschen Reich den Zug nach China einleiten und der Welt verkündigen zu lassen. Nun haben wir heute gehört, daß es angesichts der Stellung, welche andere europäische Kulturstaaten im Laufe der Jahrzehnte bis in die letzte Zeit in Ostasien und speziell in China errungen hätten, auch für Deutschland die Notwendigkeit vorgelegen habe, eine direktoriale Stellung, wenn ich den Herrn Staatssekretär richtig verstanden habe, in China zu bekommen. Meine Herren, ich stimme dem Herrn Abgeordneten Richter dahin zu, daß die Bedeutung von Jiaozhou für den deutschen Handel und die deutsche Kolonialpolitik unzweifelhaft weit größer und von nutzbringenderen Folgen sein wird beziehentlich sein kann, als unsere ganze sonstige Kolonialpolitik. Während wir hier schon seit nahezu 15 Jahren ununterbrochen Jahr für Jahr schwere Millionen in unsere Kolonien vergraben haben, die bis heute keinerlei Resultat ergaben, das irgendwie den Mühen und Kosten entsprach, die auf die Kolonien gewendet sind, liegen die Dinge in Jiaozhou und Ostasien anders. Meine Herren, wir sind davon überzeugt, daß, wie immer die Entwicklung in Ostasien sich in den nächsten Jahren vollziehen wird, das deutsche Kapital dabei nicht zu Schaden kommt. Eine andere Frage ist freilich, wie es mit den deutschen Arbeitern steht; denn daß, wenn das deutsche Kapital an irgend einer Stelle der Erde Vorteil hat, auch der deutsche Arbeiter Vorteil davon habe, das ist keineswegs gewiß. Zunächst haben wir die große Befürchtung, daß diese Position in erster Linie dazu ausgenutzt werden wird, die Flottenpläne, wie sie jetzt vorliegen, nicht nur voll und ganz zu verwirklichen, sondern daß diese Position in Ost-

56 Antwort des Prinzen Heinrich, 15.12.1897, in: Johann 1966:76f.

164 asien - es ist heute morgen in der Budgetkommission ein Vortrag des Vizeadmirals Livonius verteilt worden, der nach dieser Richtung hin, wie mir scheint, schon Andeutungen enthält ich sage, daß diese Position in Ostasien, wenn sie in weiterem Maße ausgebaut und erweitert werden sollte, große Opfer materieller und finanzieller Art an die deutschen Steuerzahler und speziell die deutschen Arbeiter stellt. Im weiteren liegt es auf der Hand, daß die Bucht so, wie sie ist, unmöglich die entsprechende Benutzung und Verwertung bietet. Man wird also genötigt sein, auf Reichskosten eine Reihe von Bauten vorzunehmen, Befestigungen, große Baggerungen usw. Es wird ferner fortgesetzt eine bedeutende deutsche Garnison in Jiaozhou residieren; auch wird eine grössere Anzahl Schiffe, als es jetzt schon der Fall ist, dort stationiert werden - kurz, es werden die außerordentlichen wie die regelmäßigen Ausgaben, die uns aus dieser Position erwachsen, im Laufe der Jahre sehr bedeutende werden. Ob im Vergleich zu diesen Ausgaben der materielle Vorteil, der daraus für Deutschland entstehen soll, in irgend einem Verhältnis steht, das wird die nächste Zukunft lehren. Wir unsererseits sehen dieser Entwicklung der Dinge mit großem Mißtrauen entgegen. SBRV, V. Session, 8.2.1898,

S.892-896.

40 Abkommen zwischen dem Deutschen Reich und der Qing-Dynastie (6.3.1898)57 Nachdem nunmehr die Vorfälle bei der Mission in der Präfektur Caozhoufu in Shandong ihre Erledigung gefunden haben, hält es die Kaiserlich Chinesische Regierung für angezeigt, ihre dankbare Anerkennung für die ihr seither von Deutschland bewiesene Freundschaft noch besonders zu betätigen. Es haben daher die Kaiserlich Deutsche und die Kaiserlich Chinesische Regierung, durchdrungen von dem gleichmäßigen und gegenseitigen Wunsche, die freundschaftlichen Bande beider Länder zu kräftigen und die wirtschaftlichen und Handelsbeziehungen der Untertanen beider Staaten miteinander weiterzuentwickeln, nachstehende Separat-Konvention abgeschlossen: -

57 Von dem Abkommen wurde zunächst nur der Teil I veröffentlicht, da die deutsche Regierung die ihr zugestandenen Sonderrechte in Shandong geheimhalten wollte, vgl. Bülow an Tirpitz, 7.5.1898, in: BA/MA, RM3/6697, Bl.86-87.

165 I. Teil. - Verpachtung von Jiaozhou. Artikel I. Seine Majestät der Kaiser von China, von der Absicht geleitet, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen China und Deutschland zu kräftigen und zugleich die militärische Bereitschaft des Chinesischen Reiches zu stärken, verspricht, indem Er Sich alle Rechte der Souveränität in einer Zone von 50 Kilometern (100 chinesischen Li) im Umkreis von der Jiaozhou-Bucht bei Hochwasserstand vorbehält, in dieser Zone den freien Durchmarsch Deutscher Truppen zu jeder Zeit zu gestatten, sowie daselbst keinerlei Maßnahmen oder Anordnungen ohne vorhergehende Zustimmung der Deutschen Regierung zu treffen und insbesondere einer etwa erforderlich werdenden Regulierung der Wasserläufe kein Hindernis entgegenzusetzen. Seine Majestät der Kaiser von China behält sich hierbei vor, in jener Zone im Einvernehmen mit der Deutschen Regierung Truppen zu stationieren sowie militärische Maßregeln zu treffen. Artikel II. In der Absicht, den berechtigten Wunsch Seiner Majestät des Deutschen Kaisers zu erfüllen, daß Deutschland gleich anderen Mächten einen Platz an der Chinesischen Küste inne haben möge für die Ausbesserung und Ausrüstung von Schiffen, für die Niederlegung von Materialien und Vorräten für dieselben, sowie für sonstige dazu gehörende Einrichtungen, überläßt Seine Majestät der Kaiser von China beide Seiten des Eingangs der Bucht von Jiaozhou pachtweise, vorläufig auf 99 Jahre, an Deutschland. Deutschland übernimmt es, in gelegener Zeit auf dem ihm überlassenen Gebiete Befestigungen zum Schutze der gedachten baulichen Anlagen und der Einfahrt des Hafens zur Ausführung zu bringen. Artikel III. Um einem etwaigen Entstehen von Konflikten vorzubeugen, wird die Kaiserlich Chinesische Regierung während der Pachtdauer im verpachteten Gebiete Hoheitsrechte nicht ausüben, sondern überläßt die Ausübung derselben an Deutschland, und zwar für folgendes Gebiet: 1. An der nördlichen Seite des Eingangs der Bucht: Die Landzunge abgegrenzt nach Nordosten durch eine von der nordöstlichen Ecke von Potato-Island [Yindao] nach Laoshan-Harbour gezogene Linie, 2. An der südlichen Seite des Eingangs der Bucht: Die Landzunge abgegrenzt nach Südwesten durch eine von dem südwestlichsten Punkte der südsüdwestlich von Jiboshan Island befindlichen Einbuchtung in der Richtung auf Diluoshan Island gezogene Linie, 3. Inseln Jiboshan und Potato-Island [Yindao], 4. [Für] die gesamte Wasserfläche der Bucht bis zum höchsten derzeitigen Wasserstande, 5. [Für] sämtliche der Jiaozhou Bucht vorgelagerten und für deren Verteidigung von der Seeseite in Betracht kommenden Inseln, wie namentlich Diluoshan, Zhaliandao etc. Eine genauere Festsetzung der Grenzen des an Deutschland verpachteten Gebietes sowie der 50-Kilometerzone um die Bucht herum behalten sich die hohen Kontrahenten vor, durch

166 beiderseitig zu ernennende Kommissare nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse vorzunehmen. Chinesischen Kriegs- und Handelsschiffen sollen in der Jiaozhou-Bucht dieselben Vergünstigungen zuteil werden wie den Schiifen anderer mit Deutschland befreundeter Nationen, und es soll das Ein- und Auslaufen sowie der Aufenthalt chinesischer Schiffe in der Bucht keinen anderen Einschränkungen unterworfen werden, als die Kaiserlich Deutsche Regierung kraft der an Deutschland auch fur die gesamte Wasserfläche der Bucht übertragenen Hoheitsrechte, in bezug auf die Schiffe anderer Nationen zu irgend einer Zeit festzusetzen fur geboten erachten wird. Artikel IV. Deutschland verpflichtet sich, auf den Inseln und Untiefen vor Eingang der Bucht die erforderlichen Seezeichen zu errichten. Von chinesischen Kriegs- und Handelsschiffen sollen in der Jiaozhou-Bucht keine Abgaben erhoben werden, ausgenommen solche, denen auch andere Schiffe zum Zwecke der Unterhaltung der nötigen Hafen- und Kai-Anlagen unterworfen werden. Artikel V. Sollte Deutschland später einmal den Wunsch äußern, die Jiaozhou-Bucht vor Ablauf der Pachtzeit an China zurückzugeben, so verpflichtet sich China, die Aufwendungen, die Deutschland in Jiaozhou gemacht hat, zu ersetzen und einen besser geeigneten Platz an Deutschland zu gewähren. Deutschland verpflichtet sich, das von China gepachtete Lehen niemals an eine andere Macht weiter zu verpachten. Der in dem Pachtgebiet wohnenden Bevölkerung soll, vorausgesetzt, daß sie sich den Gesetzen und der Ordnung entsprechend verhält, jederzeit der Schutz der Deutschen Regierung zuteil werden; sie kann, soweit nicht ihr Land fur andere Zwecke in Anspruch genommen wird, dort verbleiben. Wenn Grundstücke chinesischer Besitzer zu irgend welchen Zwecken in Anspruch genommen werden, so sollen die Besitzer dafür entschädigt werden. Was die Wiedereinrichtung von chinesischen Zollstationen betrifft, die außerhalb des an Deutschland verpachteten Gebiets, aber innerhalb der vereinbarten Zone von 50 Kilometern, früher bestanden haben, so beabsichtigt die Kaiserlich Deutsche Regierung sich über die endgültige Regelung der Zollgrenze und der Zollvereinnahmung in einer alle Interessen Chinas wahrenden Weise mit der Chinesischen Regierung zu verständigen und behält sich vor, hierüber in weitere Verhandlungen einzutreten. II. Teil. - Eisenbahn- und Bergwerks-Konzessionen. Artikel I. Die Kaiserlich Chinesische Regierung gewährt Deutschland die Konzession fur folgende Bahnlinien in der Provinz Shantung:

167

1. Von Jiaozhou über Weixian, Qingzhou, Poshan, Zichuan und Zouping nach Jinaniu und von dort in der Richtung nach der Grenze von Shandong, 2. Von Jiaozhou nach Yizhoufu und von dort weiter durch Laiwuxian nach Jinanfu. Was den Bau der Strecke von Jinanfu nach der Grenze von Shandong betrifft, so soll derselbe erst nach Fertigstellung der Bahn bis Jinanfu in Angriff genommen werden, um den Anschluß derselben an die von China selber zu bauende Bahnlinie in Erwägung zu ziehen; der über die Einzelbestimmungen für das ganze Unternehmen noch zu vereinbarende Vertrag soll auch die Route fur diese letztere Strecke bestimmen. Artikel II. Für den Bau der genannten Bahnlinien sollen eine oder mehrere deutsch-chinesische Eisenbahngesellschaften gebildet werden. Deutsche und chinesische Kaufleute können das Aktienkapital hierfür aufbringen, und von beiden Seiten wird man zuverlässige Beamte ernennen, die das Unternehmen überwachen. Artikel III. Zur Regelung von Einzelheiten wird von beiden hohen Kontrahenten demnächst noch ein besonderer Vertrag aufgesetzt werden. China und Deutschland werden hierbei die Angelegenheit fur sich regeln, jedoch verpflichtet sich die Chinesische Regierung hierbei der [den] zu bildenden deutsch-chinesischen Eisenbahn-Gesellschaft[en] günstige Bedingungen fur den Bau und den Betrieb der bezeichneten Bahnen derart zu gewähren, daß dieselbe[n] in allen wirtschaftlichen Fragen nicht schlechter gestellt sein wird [werden] als andere chinesischeuropäische Gesellschaften anderswo im Chinesischen Reiche. Diese Bestimmung bezieht sich nur auf wirtschaftliche Dinge und hat keinerlei andere Bedeutung. Irgend ein Gebietsteil der Provinz Shandong darf bei dem Bau der Bahnlinien nicht annektiert oder okkupiert werden. Artikel IV. An den genannten Bahnlinien entlang, in einem Abstände von 30 Li von den Linien, wie besonders in Poshan und Weixian an der Linie Jiaozhou-Jinanfu, sowie in Yizhoufu und in Laiwuxian an der Linie Jiaozhou-Yizhoufu-Jinanfu, wird deutschen Unternehmern die Ausbeutung von Kohlenlagern und sonstige Unternehmungen sowie die Ausführung der notwendigen öffentlichen Arbeiten gestattet. Dabei können deutsche und chinesische Kaufleute gemeinsam Kapitalien in den Unternehmungen anlegen. Ebenso wie für die Eisenbahnkonzessionen werden auch die auf den Betrieb von Bergwerken bezüglichen Bestimmungen noch besonders vereinbart werden. Die Chinesische Regierung verspricht hierbei, den deutschen Kaufleuten und Ingenieuren in Übereinstimmung mit der in bezug auf Eisenbahnen übernommenen Verpflichtung günstige Bedingungen derart zu gewähren, daß die deutschen Unternehmer nicht schlechter gestellt sein werden, als andere chinesisch-europäische Gesellschaften anderswo im Chinesischen Reiche. Auch diese Bestimmung bezieht sich nur auf wirtschaftliche Dinge und hat keinerlei andere Bedeutung.

168 III. Teil. - Prioritätsrechte in der Provinz Shandong. Die Kaiserlich Chinesische Regierung verpflichtet sich in allen Fällen, wo zu irgendwelchen Zwecken innerhalb der Provinz Shandong fremdländische Hilfe an Personen, an Kapital oder Material in Anspruch genommen werden soll, die betreffenden Arbeiten und Materiallieferungen zunächst deutschen Industriellen und Handeltreibenden, welche sich mit dergleichen Sachen befassen, anzubieten. Falls die deutschen Industriellen und Handeltreibenden nicht geneigt sind, die Ausführung solcher Arbeiten oder die Lieferung von Materialien zu übernehmen, so soll China nach Belieben anders verfahren können. Die vorstehenden Abmachungen sollen von den Souveränen beider vertragschließenden Staaten ratifiziert, und die Ratifikations-Urkunden sollen derart ausgetauscht werden, daß nach Eingang der chinesischerseits ratifizierten Vertragsurkunde in Berlin die deutscherseits ratifizierte Urkunde dem Chinesischen Gesandten in Berlin ausgehändigt werden wird. Der vorstehende Vertrag ist in vier Ausfertigungen - zwei deutschen und zwei chinesischen - aufgesetzt und am sechsten März 1898 gleich dem vierzehnten Tage des zweiten Mondes im 24. Jahre Guangxu von den Vertretern der beiden vertragschließenden Staaten unterzeichnet worden. Der Kaiserlich Deutsche Gesandte (gez.) FREIHERR VON HEYKING Kaiserlich Chinesischer Großsekretär, Minister des Zongli Yamen, etc. etc. etc. (gez.) LI HONGZHANG Kaiserlich Chinesischer Großsekretär, Mitglied des Staatsrats, Minister des Zongli Yamen, etc. etc. etc. (gez.) WENG TONGHE. 58 BA/MA,

RM3'6694,

Bl.63-71.

58 Chinesische Fassung in: Jiao'aozhi, Bd.l, S.30-32.

Kapitel 3

Aufbau und Administration des deutschen Pachtgebietes

Nach der Besetzung der Jiaozhou-Bucht wurde zügig mit dem Aufbau des Pachtgebietes begonnen. Dies geschah in drei Phasen: In der ersten Phase von November 1897 bis Sommer 1898 wurden vor allem die Fragen geregelt, die das Verhältnis der Kolonialverwaltung zur Verwaltung im Mutterland betrafen. Mit der Unterstellung der Verwaltung des Pachtgebietes Kiautschou unter den Geschäftsbereich des Reichsmarineamtes gelang es dem Staatssekretär Tirpitz, sich großen Einfluß auf die Entwicklung des Pachtgebietes zu sichern. In den Jahren ab 1898/1899, der zweiten Phase, wurden vor Ort entsprechend den in Berlin getroffenen Entscheidungen Apparate und Institutionen geschaffen, die mit der Planung konkreter Projekte begannen: Es erfolgten der Aufbau einer Kolonialverwaltung, die Einführung einer Bodenpolitik und Landordnung und die Aufstellung einer Bauordnung mit Richtlinien zur baulichen Gestaltung des deutschen Pachtgebietes. Unter der Leitung dieser Institutionen wurden bis 1909/10 die wesentlichen Maßnahmen des Aufbaus der Kolonie durchgeführt. In der dritten Phase von 1910 bis 1914 wurden administrative Modifikationen vorgenommen, die vor allem der veränderten und gestärkten politischen Position der chinesischen Bevölkerung in Kiautschou Rechnung trugen. Das in Kiautschou geschaffene rechtliche und administrative System besaß im wesentlichen drei charakteristische Merkmale: Erstens spielten das Militär und auch militärische Verwaltungs-, Umgangs- und Lebensformen eine herausragende Rolle in Kiautschou: Kiautschou war als einzige deutsche Kolonie dem Reichsmarineamt unterstellt.1 Beinahe alle Beamtenposten in der Kolonie wurden von Marineoffizieren oder Marineangehörigen aus dem Verwaltungsdienst besetzt.2 Die militärische Besatzung machte außerdem durchschnittlich ca. drei Viertel der gesamten europäischen Bevölkerung aus. Zweitens hatten die kolonialen Behörden eine weitreichende Kontroll- und Leitungsbefugnis, die sich über polizeiliche und 1

Die deutschen Kolonien in Afrika und im Pazifik unterstanden der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes. Im Zuge der Kolonialreformen wurde 1907 ein Reichskolonialamt gegründet, dem danach die Verwaltung der Kolonien oblag, vgl. zu den Kolonialreformen Henderson 1993:99ff. Ausdruck der Krise der afrikanischen Kolonien und Auslöser der Reformen war eine Reihe von Aufständen in Afrika, 1904-1906. Vgl. Gründer 1991:241.

2

Vgl. Seelemann 1982:53.

170 politische Bereiche hinaus insbesondere auf Gesellschaft und Wirtschaft erstreckte. Der Aufbau Kiautschous folgt genauen staatlichen Planungen und Vorgaben. Ziel dieser Strukturen war die Schaffung einer effizient verwalteten und strikt überwachten modernen „Musterstadt". Drittens differenzierte das koloniale System fundamental zwischen chinesischer und europäischer Bevölkerung. Auch räumlich wurden die beiden Bevölkerungsgruppen getrennt: Der chinesischen Bevölkerung war es verboten, innerhalb des europäischen Teiles von Qingdao zu wohnen. Für sie galt außerdem eine völlig andere Rechtsordnung, die sich hinsichtlich Strafformen (z.B. Prügelstrafe) im wesentlichen am traditionellen chinesischen Recht orientierte. Für die europäische Bevölkerung galt hingegen das moderne Recht des Deutschen Reiches. Im Ergebnis wurden für ein und dasselbe Delikt gegen einen Chinesen ein anderes Strafmaß und andere Strafformen verhängt als gegen einen Deutschen.

Die Unterstellung der Verwaltung Kiautschous unter das Reichsmarineamt 1897/1898: Hintergründe, Bedeutung, Folgen Noch vor der Unterzeichnung des Pachtvertrages mit China begann in den deutschen Regierungsstellen eine intensive Diskussion über eine geeignete Organisationsform fur das deutsche Pachtgebiet. Da die ursprüngliche Intention hinter der Besetzung auf den Erwerb einer Flotten- und Kohlestation gerichtet war, lag es nahe, die Verwaltung des besetzten Gebietes der Marine zu übertragen. Kiautschou wurde als eine besondere Form der Kolonie gesehen: Als Hafenkolonie sollte es als kolonialer Stützpunkt und Flottenbasis fungieren (Dok. 41).3 Da Kiautschou somit neben wirtschaftlichen wesentlich maritimen Zwecken dienen sollte, gab es vom Auswärtigen Amt keinerlei Einwände gegen eine Unterstellung Kiautschous unter die Marine.4 Ungewöhnlich war jedoch die Übertragung der Verwaltung unter das Reichsmarineamt, dem eigentlich die politische Vertretung der Marine oblag, statt unter das Oberkommando, das ansonsten den Befehl über sämtliche Marineeinheiten führte (Dok. 42).5 Dieser Schritt ist auf die Intervention des Staatssekretärs Tirpitz zurückzufuhren (Dok. 43). Die eigentliche Absicht von Tirpitz lag darin, die Existenz einer „modernen" Stützpunktkolonie unter dem Befehl der Marine als Argument für die Verwirklichung seiner weit-

3

Zur Form der Stützpunktkolonie allgemein siehe Osterhammel 1995:15fF. Zweck einer Stützpunktkolonie ist die „kommerzielle Erschließung des Hinterlandes und/oder ein Beitrag zur Logistik maritimer Machtentfaltung". Dagegen waren die anderen deutschen Kolonien „Beherrschungskolonien", die sich über große Territorien erstreckten und dem Zwecke der Ausbeutung von Bodenschätzen oder Arbeitskraft der ansässigen Bevölkerung dienten.

4

Vgl. Bülow an Tirpitz, 15.1.1898, in: BA/MA, RM3/6699, B1.33. Bülow betonte allerdings, daß die handelspolitischen und außenpolitischen Angelegenheiten weiterhin vom AA geregelt würden.

5

Seit 1889 gab es drei leitende Institutionen für die Marine: Das Marinekabinett war für Personalangelegenheiten und Kommandierungen zuständig, das Reichsmarineamt umfaßte die zivile Verwaltung, das Oberkommando führte den Befehl über die Einheiten, vgl. Hubatsch 1983:188ff. Zur Unterstellung Kiautschous unter das RMA siehe auch Ganz 1977:127.

171 reichenden Flottenpläne zu nutzen. 6 In einem internen Positionspapier des Reichsmarineamts heißt es daher: „Es ist meine feste Überzeugung, daß diejenige Stelle, welche diese Aufschließung Chinas leitet und durch zweckentsprechende Organisationen und Maßnahmen stützt, im deutschen Vaterlande ungeheuer an Autorität und Prestige gewinnen wird. Tritt die Marine an die Spitze der kolonialen Bewegung, so werden auch die kolonialen Errungenschaften in das credit der Marine eingetragen werden und in ihren Folgen der Marine zu Gute kommen" 7 . Weniger die Idee einer verbesserten Kolonialpolitik, als vielmehr die Absicht, mit Hilfe einer „Musterkolonie" in China die Notwendigkeit und Funktionalität des Aufbaus einer bedeutenden Flottenmacht unter erheblichen finanziellen Kosten zu begründen, waren für die Unterstellung Kiautschous unter das Reichsmarineamt maßgeblich. Auf Drängen von Tirpitz wurde am 27. Januar 1898 von Kaiser Wilhelm II. die Verwaltung des Pachtgebietes Kiautschou dem Reichsmarineamt zu unterstellt (Dok. 45). Der Staatssekretär des Reichsmarineamtes 8 erlangte damit einen weitreichenden Einfluß auf die Entwicklung des Gouvernements. Jede Verordnung des Gouverneurs mußte stets vom Staatssekretär des Reichsmarineamts gegengezeichnet werden. In allen wichtigen Entscheidungen der Behörden in Kiautschou war daher die Haltung des Staatssekretärs einzuholen, da der Gouverneur, stets ein aktiver Marineoffizier, dem Oberbefehl des Reichsmarineamts direkt unterstand (Dok. 45). Schließlich hatte das Gouvernement dem Reichsmarineamt monatlich einen umfangreichen Bericht über seine Tätigkeit vorzulegen. In Kiautschou wurde aus diesen Gründen keine spezielle Kolonialtruppe aufgestellt, sondern es wurden reguläre und ausgebildete Marineeinheiten für jeweils zwei Jahre dem in Qingdao stationierten III. Seebataillon überstellt (Dok. 48). 9 Die Zahl der Marinesoldaten wuchs langsam von ca. 1500 um 1900 zu 2500 im Jahr 1913. Auch zahlreiche zivile Beamten wurden in der Folge aus Marinedienststellen nach Kiautschou versetzt. Das Reichsmarineamt koordinierte auch die Presse- und Propagandapolitik bezüglich Kiautschou. Es wurde alles unternommen, Meldungen aus Kiautschou, die irgendwie einen unvorteilhaften Endruck erwecken könnten (z.B. über Prostitution, Kriminalität usw.), zurückzuhalten (Dok. 55). Mit den jährlichen, aufwendig gestalteten Denkschriften, die die positive Entwicklung herausstellten, sollte eine breite Unterstützung für Kiautschou im Reichstag und in der Öffentlichkeit erzielt werden (Dok. 57).

6

Seit 1897 bemühte sich Tirpitz um die beträchtliche Aufrüstung und Erweiterung der Seestreitkräfte. 1898 wurde das Flottengesetz vom Reichstag bewilligt, vgl. Berghahn/Deist 1983:11.

7

In. BA/MA, RM3/6699, Bl. 1-11.

8

Für Kiautschou war eine spezielle Abteilung innerhalb des Allgemeinen Marinedepartements zuständig, vgl. Martin 1994:386.

9

Vgl. auch Denkschrift betreffend Organisation der Besatzung von Kiautschou, 30.6.1898, in: BA/MA, RM3/6700, B. 99ff.

172

Aufbau der Kolonial Verwaltung 1898-1900 Mit der Erklärung Kiautschous zum kaiserlichen Schutzgebiet am 27. April 1898 wurde die rechtliche Stellung des gepachteten Gebietes zum Mutterlande geklärt (Dok. 49). Kiautschou wurde in rechtlicher Hinsicht den anderen deutschen Kolonien völlig gleichgestellt. Der Kaiser übte in den Kolonien eine absolute Schutzgebietsgewalt aus. Die Verfassungsorgane des Deutschen Reiches wie Bundesrat oder Reichstag waren (außer in Budgetfragen) nicht an der Ausübung der Regierungsgewalt in den Schutzgebieten beteiligt.10 Die Regierungsgewalt wurde statt dessen mit der Übertragung des Verordnungsrechtes an den Gouverneur des Pachtgebietes delegiert.11 Dies beinhaltete die generelle Kompetenz zum Erlaß gesetzesgleicher Rechtsverordnungen, umfaßte mithin die Kompetenz zur Rechtssetzung. Der Aufbau der Verwaltung ging in vielen Aspekten auf Vorschläge des ersten Befehlshabers Diederichs zurück (Dok. 46). Nur in einem, allerdings wesentlichen Punkt blieben Diederichs Erfahrungen unberücksichtigt. Diederichs forderte eine dem englischen Kolonialsystem entsprechende weitgehende Unabhängigkeit der Kolonialverwaltung von den Heimatbehörden. Im Ergebnis jedoch führte das Reichsmarineamt eine minutiöse wirtschaftliche und politische Aufsicht über die Gouvernmentsbehörden. Dem Gouverneur als Haupt der zivilen und militärischen Verwaltung in Kiautschou waren mehrere Verwaltungsabteilungen unterstellt, deren Zuständigkeit auf einzelne Aufgabenbereiche beschränkt war (Dok. 47). Diese im März 1898 geschaffene Verwaltungsgliederung wurde im wesentlichen bis 1914 beibehalten. Die Rechtsprechung für Europäer wurde dabei von der reinen Verwaltung getrennt gehalten. Gemäß dem Schutzgebietsgesetz (SchGG) vom 17. April 188614, das seit der Erklärung Kiautschous zum Kaiserlichen Schutzgebiet auch hier Geltung besaß, sowie der „Allerhöchsten Verordnung betreffend Rechtsverhältnisse in den Deutschen Schutzgebieten" vom 9. November 190015 wurde in Kiautschou über die europäische Bevölkerung die Konsulargerichtsbarkeit, wie sie das „Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit" vom 7. April 1900 vorsah, ausgeübt. Anstelle eines Konsulargerichts wurde die Gerichtsbarkeit in Kiautschou jedoch durch das Kaiserliche Gericht Kiautschou wahrgenommen. 16 Berufungen

10 Vgl. Denkschrift zum Immediatvortrage betreifend Erklärung Kiautschous zum Schutzgebiete, o.D., in: BA/MA, RM3/6699, Bl. 236. 11 Vgl. Verordnung betreffend Regelung der Rechtsverhältnisse und die Ausübung der Gerichtsbarkeit in Kiautschou, 27.4.1898, in: Mohr 1911:1 Of. Mit der Neufassung des Schutzgebietsgesetzes (SchGG) vom 25.7.1900 wurde diese Materie in § 15 geregelt. 12 Vgl. Huber 1968:628. 13 Vgl. auch Helge bei der Wieden, Das Pacht-Gebiet Kiautschou, in: Hubatsch 1983:553f. Gouverneure des Pachtgebietes Kiautschou waren: 1898-1899 Kapitän z.S. Rosendahl, 1899-1901 Kapitän z.S. Jaeschke, 1901-1911 Kapitän z.S. Trnppel, 1911-1914 Kapitän z.S. Meyer-Waldeck. 14 Zuletzt gültig in der Fassung vom 10. September 1900, in: Mohr 1911:39-43. 15 In: Mohr 1911:61-64.

173 gegen Urteile des Gerichts waren bis 1907 beim Konsulargericht in Shanghai möglich. Am 1. Januar 1908 wurde ein Gericht zweiter Instanz in Kiautschou eingerichtet, das die Berufungsverfahren verhandelte.17 Der zivilen Gemeinde von Qingdao wurde auch die Möglichkeit zur Mitwirkung an der Verwaltung eingeräumt. Die Vertretung der zivilen Gemeinde von Qingdao wurde zunächst geregelt durch die Verordnung betreffend die Wahl von Zivilgemeindevertretern vom 15.3.189918. Die Verordnung sah vor, daß drei auf die Dauer eines Jahres bestellte Vertreter „vor Erlaß einer Verordnung oder Einführung einer Maßregel, durch die wirtschaftliche Interessen von allgemeiner Bedeutung berührt werden," vom Gouverneur anzuhören waren. Ein Vertreter wurde vom Gouverneur ernannt, je ein Vertreter von den ansässigen Firmen und von den Grundbesitzern gewählt. 1907 wurde dann der Gouvemementsrat geschaffen, der die zivile Gemeinde vertreten sollte (Dok. 59). Jedoch hatte auch dieses Gremium keine konkreten Befugnisse, sondern diente als Beratungsorgan fur den Gouverneur, der in seinen Entscheidungen allerdings unabhängig von der Meinung des Gouvernementsrates war.

Bodenpolitik und Landordnung Die ersten Maßnahmen der Kolonialmacht in Kiautschou bestanden in der Erwerbung der fur die anzulegenden Bauten notwendigen Immobilien. Mit Bekanntmachungen vom 14. November und vom 20. November 1897 hatte Diederichs zunächst jede Form der Veräußerung von Land durch die Bevölkerung verboten, bzw. von seiner Genehmigung abhängig gemacht. 19 Entsprechend dem Ende 1896 gefaßten Plan sollte dann nach der erfolgten Besetzung der Bucht und noch vor dem Abschluß eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem Ankauf von Land begonnen werden. 20 Damit sollte das Faktum der tatsächlichen privatrechtlichen Erwerbung geschaffen werden, auch wenn der völkerrechtliche Zustand des Gebietes noch ungeklärt blieb.21 Dieses konnte als Druckmittel verwendet werden, um die chinesische Regierung zu einer formellen Abtretung des Gebietes zu bewegen. Die ursprüngliche Absicht eines Ankaufs des Bodens erwies sich aus verschiedenen praktischen Gründen jedoch als undurchführbar. Zum einen fehlte die sofortige Verfügbarkeit über die dazu notwendigen erheblichen Geldmittel, zum anderen stellte es sich als unmöglich 16 Diese wurde bestimmt durch die „Verordnung betreffend Regelung Ausübung der Gerichtsbarkeit in Kiautschou" des Reichskanzlers vom S. 151. Sie wurde nach Schaffung eines Berufungsgerichtes geändert die Ausübung der Gerichtsbarkeit im Kiautschougebiete", 23. Oktober

der Rechtsverhältnisse und die 27. April 1898, in: M V B 1898, durch die „Dienstanweisung fur 1907, in: Mohr 1911:66-70.

17 Siehe Allerhöchste Verordnung betreffend Errichtung eines Gerichts II. Instanz im Schutzgebiete Kiautschou, 28.9.1907, in: Mohr 191 l:65f. 18 In: Amtsblatt fur das Schutzgebiet Kiautschou 1900, S.58. 19 Siehe Schrameier 1914:1. 20 Siehe Knorr an Wilhelm II., 28.11.1896, in: BA/MA, RM3/6693, Bl. 72-79. 21 Dies betont auch Schrameier 1914:1. Eine Beschlagnahme des Landes wäre einem kriegerischen Akt gleichgekommen. Der Kauf des Landes sollte dem Okkupationsakt seinen militärischen Charakter nehmen.

174 heraus, in jedem Falle die Eigentumsverhältnisse des parzellierten Landes zu klären. Außerdem gab es noch keine genauen Pläne, welche Flächen konkret benötigt würden. Aus diesem Grund beschloß Diederichs zunächst lediglich, ein Vorkaufsrecht auf ein großes Areal zu erwerben (Dok. 44). Mit den Grundeigentümern in 35 Dörfern wurde in den Monaten Dezember 1897 bis Januar 1898 von dem deutschen Konsul Stübel und dem Dolmetscher Schrameier Verträge abgeschlossen, in denen die Eigentümer zusicherten, gegen Erhalt eines Betrages der doppelten Höhe der jährlichen Steuer (ca. 5% des Verkehrswertes) „bis auf weiteres das Land an niemanden anders als an den deutschen Admiral oder seinen Nachfolger zu verkaufen". 22 Der Ankauf sollte später zu den ortsüblichen Preisen erfolgen. Bis dahin konnten die Eigentümer die Nutzung der Grundstücke in der bisherigen Weise fortsetzen. Damit sicherte sich die Kolonialmacht rechtlich das gesamte Land der Halbinsel, auf dem das spätere Stadtgebiet Qingdao entstehen sollte, und brachte es mit einer relativ geringen finanziellen Aufwendung unter ihre Kontrolle. Der Ankauf des Landes für das Stadtgebiet Qingdao einschließlich Hafen begann im Februar 1898. Bis 1905 wurde insgesamt rund 1 Million Mark von der Kolonialadministration für den Ankauf einer Fläche von 2288 ha an der Halbinsel aufgewendet. Etwa dieselbe Summe war im gleichen Zeitraum durch Landverkäufe des Gouvernements von lediglich 72 ha an private Eigentümer wieder eingenommen worden. 23 Das bedeutet, daß eine erhebliche Differenz bestand zwischen den Preisen, die das Gouvernement den chinesischen Eigentümern bezahlte, und den Preisen, die es durch die Versteigerungen desselben Landes erzielte. Zwar waren formal auch die früheren chinesischen Eigentümer als Bieter bei den Auktionen zugelassen, aber die fur das Land nur minimal entschädigte chinesische Bevölkerung verfugte nicht über die notwendigen finanziellen Ressourcen. Die Ankäufe des Landes gingen deshalb keineswegs reibungslos vonstatten. Zum einen waren die Bauern nicht willens, ihren Besitz zu verkaufen. Zum anderen protestierten sie gegen die sehr niedrigen Preise, die für ihr Land vom Gouvernement bezahlt wurden. Land, welches von den Bauern nicht zum Verkauf freigegeben wurde, wurde enteignet. 24 Der sogenannte Landkauf war letztlich eine Enteignung, für die eine geringe Entschädigung gezahlt wurde. Die chinesischen bäuerlichen Haushalte wurden damit ihrer wirtschaftlichen Grundlage beraubt. Die lokale Bevölkerung war nun wirtschaftlich von der Kolonialmacht abhängig und stand der Kolonialmacht als Reservoir abhängiger Arbeitskräfte zur Verfügung. Die eigentlich aus einem Provisorium geborene Monopolisierung des Eigentums an Grund und Boden in der Hand der Kolonialadministration wurde zum grundlegenden Bestandteil und Charakteristikum der sog. Landordnung des Pachtgebietes Kiautschou vom 2. Septem-

22 Siehe Stübel an Hohenlohe, 29.1.1898, in: BA/MA, RM3/6695, Bl. 3 6 f f , Vertragstext auf Bl. 46. Stübel und Schrameier kamen am 1.12.1897 in Qingdao an, nachdem Diederichs Hilfe beim AA angefordert hatte. Stübel verließ Qingdao Ende Januar. 23 Zahlen dazu bei Schrameier 1914:61fund Seeleman 1982:114. 24 Der Protest von zehn Dörfern wird beschrieben bei Seeleman 1982:138, siehe dazu auch Schrameier 1914:11, vgl. auch die Anweisung von Tirpitz an Diederichs, 13.1.1898, in: BA/MA, RM3/6693, Bl. 196-197.

175 ber 1898 (Dok. 50). Die Landordnung stellte gesetzliche Bestimmungen fiir den An- und Verkauf von Immobilien in Kiautschou auf. Die wichtigsten Bestimmungen betrafen die öffentliche Versteigerung der Grundstücke durch das Gouvernement, Zahlung einer Grundsteuer, Erhebung einer Wertzuwachssteuer auf den eventuell erzielten Wertzuwachs bei privaten Verkäufen, Pflicht des Käufers, das Grundstück gemäß einem genehmigten Nutzungsplan zu nutzen, sowie einem im Grundbuch einzutragenden Vorkaufsrecht des Gouverne25

ments bei allen weiteren Transaktionen. Auf diese Art und Weise wurde seit dem 3. Oktober 1898, dem Tag der ersten Landver26

Steigerung, bis ca. 1905 das gesamte Stadtgebiet Qingdao an private Eigentümer veräußert. Es existierten darüber hinaus noch andere Rechtsformen der Landvergabe und Bodennutzung: Land außerhalb des Bebauungsplanes, d.h. außerhalb der Stadt Qingdao, konnte kauf- oder pachtweise an wirtschaftliche Unternehmen oder öffentliche Einrichtungen vergeben werden. Den zuziehenden chinesischen Arbeitern sowie den enteigneten Bauern wurde das erforderliche Land in Erbbaurecht fur die Errichtung der sog. „Chinesenstädte" Taidongchen und Taixichen bereitgestellt. Das Land verblieb dabei zwar im Besitz des Gouvernements und wurde zum Zwecke der Bebauung mit Wohnhäusern an private Unternehmen verpachtet. Es wurde eine Klausel eingefugt, nach der das Gouvernement berechtigt war, „bei heftigen Epidemien oder bei außergewöhnlichem Schmutze" die Bauten ohne Entschädigung zu entfernen. Verpachtet wurden schließlich auch Flächen zu gärtnerischen Anlagen, Lagerplätzen usw. 27 Die Landordnung, die auf die Konzeption Diederichs zurückging und von Schrameier über 28

die Jahre expliziert und konkretisiert wurde, hatte Geltung während der gesamten Dauer der deutschen Herrschaft. Sie sollte durch Kontrolle und Regelung der Landtransaktionen in Kiautschou dazu beitragen, dem Staat weitgehende Gestaltungs- und Verfugungsmöglichkeiten bei der Lenkung der Kolonie zu sichern. 29 Dazu wurden die privaten Erwerbs- und Ver25 Der Eintrag eines Vorkaufsrechtes des Gouvernements in das Grundbuch wurde mit der „Verordnung, betreffend die Rechte an Grundstücken im Kiautschou-Gebiete", 30.3.1903, in: Mohr 1911:263-266, angeordnet. Bei Nichteinhaltung des Nutzungsplanes wurde in dieser Verordnung eine Konventionalstrafe angedroht. Dies wurde verändert mit der „Verordnung, betreffend Abänderung und Ergänzung der Verordnung betreffend die Rechte an Grundstücken im Kiautschou-Gebiete", in: Mohr 1911:266. Bei Nichtbebauung wurden nun progressiv höhere Steuern veranschlagt. 26 Vgl. Schrameier 1914:61. 27 Siehe Überblick bei Schrameier 1914:24-32. 28 Die grundlegendsten Anstöße gingen von Diederichs aus, vgl. Dok 44. Silagi (1984:169) legt dar, daß sowohl Diederichs wie auch andere Offiziere der Marine, darunter auch Tirpitz, sich eingehend mit Fragen der Bodenreformvorschläge von Henry George und - in Deutschland - Adolf Damaschke beschäftigt haben. Schrameier hatte eigenen Angaben zufolge zu dieser Zeit auch keine Kenntnis von den Bodernreformern oder Henry George, Schrameier 1914:66. Er hatte vielmehr die Aufgabe, die Ideen von Diederichs zu realisieren, vgl. Silagi 1984:170. 29 Die meisten Arbeiten zu Kiautschou betonen den sozialen und egalitären Anspruch der Landordnung. Als erster hat - in legitimatorischer Absicht - Schrameier selbst diese Motive betont, in dem er auf die Ähnlichkeiten der Landordnung in Kiautschou mit den Ideen der Bodenreform von Henry George verwies, Schrameier 1914:63-72. Diesem Urteil haben sich die späteren Beobachter fast durchweg an-

176 wertungsmöglichkeiten von Grundeigentum eingeschränkt und staatlichen Eingriffen unterworfen. Private Spekulation, die mit den staatlichen Interessen in Konflikt stehen würde, wurde ausgeschaltet. 30 Statt dessen wurden die Wertsteigerungen von Immobilien anteilsmäßig von den staatlichen Stellen abgeschöpft. Die Gewinne aus der Versteigerung, der Wertzuwachsteuer, der Grundsteuer und den Pachtzinsen stellten bis 1905 zugleich die wichtigsten Einnahmequellen für das Gouvernement dar.31

Die bauliche Gestaltung Qingdaos, 1900-1910 Etwa zeitgleich mit der Regelung der An- und Verkäufe von Land wurde auch die bauliche Gestaltung Kiautschous durch entsprechende Verordnungen geregelt. Zunächst wurden im Sommer 1898 sechs chinesische Dörfer mit ca. 4500 Einwohnern, deren Grund und Boden zuvor aufgekauft worden war, auf dem Gebiet der geplanten Stadt geräumt und die Häuser niedergewalzt. 32 Währenddessen wurde ein erster Bebauungsplan aufgestellt. 33 Nach diesem Bebauungsplan sollte in Qingdao eine Zonen-Bebauung erfolgen. 34 Der Plan sah vor, daß in der Stadt Qingdao verschiedene Viertel mit unterschiedlichen Funktionen entstehen sollten. Am 11. Oktober 1898, kurz nach der ersten Versteigerung von Land, wurden dann die „Vorläufigen baupolizeilichen Vorschriften für die Stadtanlage im Gouvernement Kiau-

geschlossen, vgl. Seelemann 1982:113, Silagi 1984; Matzat 1986. Stichler (1989:101) schreibt sogar von den „Traditionen des Fortschritts und des Humanismus" und von „wirtschaftlichen Experimenten zur Beseitigung sozialer Ungerechtigkeiten", die sich in der Landordnung Schrameiers ausdrückten. In den amtlichen Quellen hingegen wird nirgends ein sozialpolitisches Motiv angesprochen. Als hauptsächliche Motive nennt Diederichs folgende Absichten: „[...] Mein Ziel war, eine Bodenspekulation zu verhindern und die Wertsteigerung des Bodens dem Staat bzw. der Gemeinde zuzuwenden. Hierzu führten mich namentlich die Erfahrungen, welche ich als Oberwerftdirektor in Kiel durch die Preistreibung des benachbarten Grundstücks gemacht hatte", Bericht Diederichs über die Besetzung von Qingdao, 1906-1908, in: ΒΑ/ΜΑ, N255/24, Bl. 34. Sun Yatsen beschäftigte sich später mit der Landordnung von Kiautschou, vgl. Matzat 1986:55ff; Felber 1991:86. Er sah sie als Möglichkeit, eine der Ideen von Henry George zu realisieren, nämlich die Idee der „single tax", d.h. einer Steuer auf den unverdienten Wertzuwachs eines nur zu Spekulationszwecken erworbenen Grundstücks. Diese Steuer ist mit der Wertzuwachssteuer von Qingdao vergleichbar; vgl. dazu Schrecker 1971:69; Matzat 1986:52ff. Die Erhebung der „single tax" bildet ein wesentliches Element des Prinzips des „Volkswohls" (minsheng zhuyi) von Sun Yatsen, vgl. Sun Yatsen 1994:63-72. 30 Zu den Motiven der Landordnung siehe die Denkschrift von Schrameier vom April 1898, zitiert in Schrameier 1914:21-23. Die Landordnung wurde von vielen privaten Investoren kritisiert, weil sie ihre Gewinnmarge schmälerte. 31 Siehe Tabelle B, in Denkschrift 1908:78f. Nach 1905 ging der Anteil dieser Einnahmen an den Gesamteinkünften stark zurück. Dies ist besonders auf den nun steigenden Anteil an den Einnahmen des chinesischen Zollamts sowie den ebenso rasch steigenden Einnahmen aus den Schiffahrtsabgaben zurückzuführen. 32 Vgl. Seeleman 1982:138. 33 Der Bebauungsplan findet sich als Anlage 2 der ersten Denkschrift 1899. Auch die späteren erweiterten Bebauungspläne finden sich als Anlage der Denkschriften. 34 Zur Bebauung siehe Bökemann 1913.

177 tschou" erlassen.35 Die Vorschriften, die bis 1914 Geltung besaßen, regelten im wesentlichen Bebauungsdichte und Bauweise für drei verschiedene Zonen innerhalb Qingdaos: offene, bzw. geschlossene Bebauung („europäisches Wohn- und Geschäftsviertel"), landhausmäßige Bebauung (Villenviertel) und Chinesenstadt. Für die Chinesenstadt wurde die höchste Bebauungsdichte (75%) zugelassen. Für das Villenviertel und die „Europäerstadt" wurden wesentlich weiträumigere Bebauungen vorgeschrieben. Entsprechend den Bauvorschriften und dem Bebauungsplan entstand in der Folge um die sogenannte Auguste-VictoriaBucht im Südosten ein Villenviertel für Europäer. Nördlich der Qingdao-Bucht Schloß sich der europäische Stadtteil mit Wohn- und Geschäftshäusern sowie mit Verwaltungsgebäuden an. In Qingdao-Dabaodao entstand ein chinesisches Wohn- und Geschäfts viertel. Zwischen dem großen Hafen und Qingdao-Dabaodao wurde mit der Hafenstadt ein Areal für deutsche und chinesische Industrie- und Handelsbetriebe eingerichtet. Bestimmte Straßenzüge wurden als Wohnstraßen für Europäer ausgewiesen (Dok. 57). Im Vordergrund der Bautätigkeit standen zunächst öffentliche Bauvorhaben zur Errichtung einer Infrastruktur: Hafen, Straßen,36 Lazarett, Wasserversorgung und Kanalisation. Das fraglos wichtigste und teuerste öffentliche Bauvorhaben war der Bau des sog. Großen Hafens an der Nordseite der Halbinsel.37 Aufbauend auf den Plänen des Ingenieurs Georg Franzius vom Sommer 189738 sollte durch Aufschüttung eines Deiches in der Bucht ein Hafenbecken angelegt werden, in dem große Dampfer in der Lage wären, ihre Ladung direkt an der Mole zu löschen. Die Arbeiten am Hafen begannen im Frühjahr 1899. Es stellte sich heraus, daß die Ausführung der Arbeiten technisch weit schwierigere Anforderungen stellte als ursprünglich vermutet worden war. Die Aufschüttung des Deiches im offenen Wasser führten chinesische Arbeiter auf Sampans durch. Eine andere schwierige Aufgabe bestand in der Aushebung des Hafenbeckens mit Schwimmkränen. Nach fünfjähriger Bauzeit konnte am 1. April 1904 schließlich ein eingeschränkter Betrieb im Großen Hafen eröffnet werden. 39 Die baulichen Maßnahmen wurden endgültig erst zur Jahreswende 1907/1908 abgeschlossen. Die Gesamtkosten für den Bau des Hafens hatten sich im Laufe der Zeit immer weiter erhöht

35 In: Mohr 1911:206-209. 36 Bis 1908 wurden 58 km Straßen gebaut, 1913 waren 370 km Straßen in der Stadt und auf dem Land angelegt worden. Die Straßen hatten eine aus Granit gefertigte Vorrichtung für Schiebekarren chinesischer Transportarbeiter. Die Straßendecke wurde aus zerstoßenem Granitkies gefertigt. Seit 1910 wurden auch Straßen mit Asphalt und Teer angelegt. Auch die Hauptstraßen in den ländlichen Gebieten wurden von der Bauabteilung unterhalten, kleine Straßen sollten von der chinesischen Bevölkerung selbst unter Leitung der Bezirksämter angelegt werden, vgl. Seelemann 1982:150. 37 Details zum Bau des Hafens bei Bökemann 1914. 38 Franzius hatte detaillierte Konstruktionspläne zum Bau eines Hafen erarbeitet, siehe Bericht zur Untersuchung von Häfen an den ostasiatischen Küsten von Georg Franzius, in: BA/MA, RM3/6693, Bl. 247335, zu den Hintergründen der Untersuchungen von Franzius, siehe Kapitel 1. 39 Bereits am 1. September 1898 wurde der Betrieb am sog. Kleinen Hafen aufgenommen. Zu Betrieb und Verwaltung des Hafens siehe Schrameier 1904.

178 und beliefen sich am Ende auf 26 Millionen Mark 4 0 Weitere große Bauprojekte waren das Gouvemementslazarett, das in verschiedenen Etappen bis 1904 errichtet worden war, das Sanatorium Mecklenburghaus in den Laoshan-Bergen, Gebäude fur die Gouvernementsschule, das 1906 fertiggestellte Gouvernements-Dienstgebäude, das Gouverneurswohnhaus (1905-1907), Polizeistation und Gefängnis, Gerichtsgebäude, Observatorium, Kraftwerk, Befestigungen, Kasernen, Munitionslager und die deutsch-chinesische Hochschule. Die bauliche Gestaltung Qingdaos zeugte von dem Bemühen, einen spezifisch deutschen kolonialen Baustil zu entwickeln. Die weitläufige Anlage und ländlich-idyllische Bebauung des europäischen Teiles von Qingdao erfolgte unter weitgehender Ausnutzung moderner technischer Möglichkeiten und Vorrichtungen.42 Wert gelegt wurde auf den demonstrativen Charakter: Es sollte technischer Fortschritt und Großzügigkeit in der „Musterkolonie" zur Schau gestellt werden (vgl. Dok. 57). Anders war die Lage in den von Chinesen bewohnten Vierteln Qingdaos. In Daboadao, Taidongchen und Taixichen befand sich eine verdichtete urbane, auf Wirtschaftlichkeit und Rentabilität hin ausgelegte Baustruktur 4 3 Auf moderne technische Einrichtungen wie Kanalisation wurde hier verzichtet.

Mitwirkungsrechte und Rechtsverhältnisse der chinesischen Bevölkerung: Modifikationen der Kolonialverwaltung, 1910-1914 Eine besonders wichtige Aufgabe fiir die Administration stellte die Kontrolle und Überwachung der chinesischen Bevölkerung dar. Auf den Stellenwert dieser Frage wies als erster Diederichs hin in seinem letzten Lagebericht als Oberbefehlshaber von Kiautschou vom Februar 1898 (Dok. 46). 44 Infolgedessen wurden innerhalb von zwei Jahren rechtliche und administrative Strukturen geschaffen, die die Lage der chinesischen Bevölkerung detailliert regelten. Hierbei sind zwei Bereiche zu unterscheiden: Es gab rechtliche Bestimmungen, die bei Zuwiderhandlungen gegen erlassene und geltende Gesetze angewendet wurden. Zweitens gab es Verwaltungsvorschriften, die der chinesischen Bevölkerung detaillierte Verhaltensweisen auf dem Verwaltungswege vorschrieben. Der rechtliche Bereich ergab sich aus der Tatsache, daß Kiautschou zwar völkerrechtlich als Teil des Deutschen Reiches angesehen wurde, verfassungsrechtlich aber als Ausland galt, 40 Zum Bau des Hafens siehe Artelt 1984:41-55, Seelemann 1982:164-167. Der Hafen wurde allgemein als einer der modernsten und bestausgestatteten Häfen Nordchinas angesehen, siehe Kiaochow and Weihaiwei 1920:16f. 41 Mit dem Bau der Kasernen und Munitionslager wurde 1900 begonnen. Acht Baracken in Massivbauweise sind 1909 übergeben worden. Truppen von ca. 2500 Mann Stärke konnten darin untergebracht werden. Außerdem wurden zur Seeseite hin Befestigungen angelegt, deren Konstruktion sehr kostspielig war. 42 Z.B. Anlage von Straßen, Kanalisation, Frischwasserversorgung, siehe Bökemann 1913:480-487; fur die Architektur einzelner Gebäude siehe auch Warner 1994. 43 Zur Urbanisierung der chinesischen Viertel Qingdaos unter deutscher Herrschaft, vgl. Zhou Quan 1992:373ff. 44 Vgl. hierzu auch Mühlhahn 1996:475-477.

179 denn die Reichsverfassung hatte keine Gültigkeit in den deutschen Kolonien.45 Nach §4 des SchGG unterlag die chinesische Bevölkerung aber auch nicht der Konsulargerichtsbarkeit, und nach §7 des SchGG waren Bestimmungen des deutschen Reichsrechts nur auf besondere Verordnung des Gouverneurs hin auf die einheimische Bevölkerung anzuwenden. Aufgrund dieser Regelungen, die auch in den anderen deutschen Kolonien galten,46 war es erforderlich, eine neue Rechtsordnung für die chinesische Bevölkerung zu schaffen. Dies erfolgte durch die „Verordnung betreffend Rechtsverhältnisse der Chinesen" vom 15. April 1899 (Dok. 51). Die überwiegende Mehrzahl aller Zivil- und Strafsachen wurde entsprechend dieser Verordnung von den Bezirksamtmännern verhandelt.47 Die Rechtsprechung der Bezirksämter sollte auf der Grundlage traditionellen chinesischen Rechts, nicht des deutschen Rechts getätigt werden. Als hauptsächliche Strafform diente dabei die Prügelstrafe. Schwere Fälle wurden vor dem Kaiserlichen Gericht verhandelt. Dieses war auch für Berufüngsverfahren gegen Urteile der Bezirksämter zuständig. Zu bemerken ist, daß in der Verordnung keine Definition strafbarer Handlungen erfolgt. Ebenso wird darauf verzichtet, für Delikte eine bestimmtes Strafmaß anzugeben. Das Fehlen von entsprechenden Bestimmungen bewirkte eine erhebliche Rechtsunsicherheit für die chinesische Bevölkerung. Zweitens gab es den Bereich der Verwaltungsvorschriften. Für die im Stadtgebiet lebende chinesische Bevölkerung wurde im Juni 1900, zur Zeit des Boxeraufstandes im Hinterland der Kolonie und der Kriegserklärung der Qing-Dynastie an die ausländischen Mächte, 48 eine besondere Verordnung, die sog. „Chinesenordnung" erlassen (Dok. 52). Damit wurde eine Vielzahl von Verwaltungsvorschriften für die chinesische Bevölkerung in Kraft gesetzt, die auf ihre strikte Kontrolle und Überwachung hinausliefen. Eine der wichtigsten Vorschriften findet sich in dem Teil C zu den „Vorschriften für die Erhaltung der öffentlichen Gesundheit". Durch §10 wurde der Bau von Wohnungen für Chinesen im europäischen Teil Qingdaos verboten. Erst als im Gefolge der Revolution von 1911 viele hohe Beamte der QingDynastie nach Qingdao flohen, wurde 1914 die Möglichkeit geschaffen, daß auf besonderen Antrag beim Gouvernementsrat Ausnahmen von dieser Bestimmung gemacht wurden (Dok. 61). Obgleich die „Chinesenordnung" offenkundig den Ängsten und Besorgnissen der Deutschen während des Boxeraufstandes entsprungen war, hatte sie für die Dauer der gesamten deutschen Herrschaft in Qingdao Geltung. Bereits Diederichs hatte vorgeschlagen, die chinesische Bevölkerung an der Regelung der sie betreffenden Angelegenheiten zu beteiligen. Allerdings konnten sich die späteren Gouverneure nicht für eine gesetzliche und institutionelle Regelung der Beteiligung der chinesischen Bevölkerung an der Verwaltung entscheiden. Erst auf Drängen der chinesischen Kaufleute hin genehmigte Gouverneur Truppel 1902 die Bildung eines provisorischen Ausschusses, der die Beteiligung einer Gruppe der chinesischen Bevölkerung, nämlich der chine-

45 Vgl. allgemein dazu Wolter 1995. 46 Vgl. Huber 1968:633. 47 Siehe Crusen 1913;Norem 1936:119£F; Schrecker 1971:61ff, Seeleman 1982:76ff. 48 Vgl. hierzu Kapitel 9.

180 sischen Kaufleute, an der Verwaltung ermöglichte (Dok. 54). Für die deutschen Behörden war es vor allem wichtig, das chinesische Komitee auf die Aufgabe der außergerichtlichen Schlichtung bei Erb- und Familienstreitigkeiten unter der chinesischen Bevölkerung zu verpflichten (Dok. 53). Dadurch konnten die Kolonialbehörden entlastet werden, und es wurde vermieden, daß die deutschen Stellen in strittigen Fällen in Auseinandersetzungen verwickelt wurden. In allen sog. rein chinesischen Angelegenheiten, d.h. Angelegenheiten, die nicht die Interessen der Kolonialmacht berührten, sollte sich die chinesische Bevölkerung selbst verwalten. Offenkundig entgegen den Erwartungen der Kolonialbehörden entwickelte sich das chinesische Komitee allerdings zu einem wirkungsvollen Instrument der Interessenvertretung der chinesischen Kaufleute. 49 Das Komitee spielte zum Beispiel eine wichtige Rolle bei der Organisation der Boykottbewegung am Ende des Jahres 1908 gegen die neue Kajenordnung vom 2. September 1908 5 0 und die damit verbundenen Erhöhungen der Ladeund Löschgebühren. 51 1910 wurde das chinesische Komitee daher per Verordnung des Gouverneurs aufgelöst, und an seiner Stelle wurden vier chinesische Vertrauensleute ernannt, die von den chinesischen Kaufmannsgilden vorgeschlagen werden konnten (Dok. 60). Die Neuregelung der Vertretung der chinesischen Bürgerschaft ermöglichte dem deutschen Gouverneur eine bessere Kontrolle über die Auswahl der Vertreter. Die Lage der chinesischen Bevölkerung im deutschen Pachtgebiet war immer wieder Gegenstand von Berichten, Erörterungen und Diskussionen in chinesischen Medien. Auf besondere Kritik stieß die Zweiteilung des Rechtssystems fur Europäer und Chinesen und die Anwendung der Prügelstrafe gegenüber Chinesen (Dok. 56), die im Zuge der Reform des chinesischen Strafrechts in China selbst nicht mehr praktiziert wurde. Der Journalist Zhu Ji, der lange Zeit in Qingdao gelebt hat, geißelt in einem Bericht die darin zum Ausdruck kommenden Überlegenheitsgefiihle der Deutschen gegenüber der chinesischen Bevölkerung (Dok. 58).

4 9 Tätigkeit und Wirkung des chinesischen Komitees sind in der Sekundärliteratur bislang weitgehend unbeachtet geblieben, mit Ausnahme von Seeleman 1982:64ff. Stichler 1989:105 und Wang Shouzhong 1 9 8 7 : 1 6 3 f werten das chinesische Komitee als Kollaboration von einigen wenigen Kaufleuten. Daß und warum das Komitee 1910 aufgelöst wurde, bleibt dabei allerdings unbeachtet. 50 In: Mohr 1911:366-374. 51 Über den Boykott berichtete das Gouvernement dem RMA am 12.10.1908, in: BAP, DBC, Nr. 1252, Bl. 141-149. Anfang November 1908 besuchte der Gouverneur von Shandong, Yuan Shuxun, Kiautschou. Dabei versuchte das chinesische Komitee, Yuan Shuxun zu einer aktiven Unterstützung zu gewinnen. Dazu schreibt Truppel: „Die Erfahrungen der letzten Monate zeigen, daß die chinesische Bevölkerung hauptsächlich chinesisch fühlt, und wenn sie auch im allgemeinen noch so gering von ihrer Beamtenschaft denkt, doch in besonderen Fällen sich an sie wendet und mit ihrer Einmischung rechnet." Siehe Truppel an RMA, 4.11.1908, in: BA/MA, RM3/6721, Bl.220-223. Dies wurde von Truppel immer wieder festgestellt, siehe auch Truppel an RMA, 15.3.1909, in: B A / M A RM3/6761, Bl.227-228.

181

41 Schreiben des Oberkommandierenden der Marine, Knorr, an den Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Bülow (20.12.1897) Berlin, den 20. Dezember 1897

Ganz geheim

Seine Majestät der Kaiser haben mir mitzuteilen geruht, daß ein die Jiaozhou-Bucht betreffender Vertragsentwurf bereits nach Peking gesandt sei. Eurer Exzellenz beehre ich mich hierzu folgendes ganz ergebenst zu bemerken: Jiaozhou wird noch auf eine Reihe von Jahren in erster Linie militärischer Stützpunkt sein, deshalb und auch fur die spätere Befestigung ist es bei der Abgrenzung des dem Deutschen Reich durch den Vertrag zu sichernden Gebiets notwendig, die militärischen Interessen zu berücksichtigen. Eure Exzellenz bitte ich ganz ergebenst und ausdrücklich, mir Gelegenheit zu geben, den militärischen Standpunkt dabei wahrzunehmen, und ich fuge hinzu, daß die in der beiliegenden Karte in roter Linie gezeichnete jetzige Abgrenzung des besetzten Gebiets auf den Berichten der bisherigen Chefs der Kreuzer-Division an mich beruht und nach meinem Vortrage seinerzeit von Seiner Majestät dem Kaiser genehmigt wurde und zur Zeit dem Vize-Admiral von Diederichs zur Grundlage seiner Pachtverhandlungen dient. Der Kommandierende Admiral gez. von Knorr BA/MA,

RM 3 6694,

BI.158.

42 Schreiben des Reichskanzlers Hohenlohe an den Oberkommandierenden der Marine, Knorr (14.1.1898) Berlin, den 14. Januar 1898 Eure Exzellenz haben mit dem zu meiner Kenntnis gelangten, gefalligen Schreiben vom l l .d.Mts. (A180)1 an den Staatssekretär des Auswärtigen Amtes die Frage gerichtet, ob jetzt die Besitzergreifung von [der] Jiaozhou-Bucht veröffentlicht und ausgeführt werden dürfe, sowie in welchen Grenzen. Ich beehre mich, Eurer Exzellenz hierauf folgendes zu erwidern.

1

N i c h t in d e n A k t e n .

182 Die Besitzergreifung bedeutet im vorliegenden Falle die auf Grund des mit China abgeschlossenen Pachtvertrages auszusprechende und durchzuführende, fur die Geltungsdauer dieses Vertrages endgültige Inbesitznahme des uns verpachteten Gebiets für Seine Majestät den Kaiser. Als solche ist sie, meiner Auffassung nach, im Gegensatz zu der voraufgegangenen, rein tatsächlichen, militärischen Besetzung, nicht als eine Angelegenheit der Kommandogewalt, sondern als ein Akt von ganz überwiegend politischem und völkerrechtlichem Charakter anzusehen. Ich erachte demgemäß diese Angelegenheit nicht als zu dem Geschäftsbereich des Oberkommandos der Marine, sondern zu demjenigen des mir unterstellten Reichsmarineamtes gehörig, da diese Behörde als die für die Bearbeitung der politischen und sonstigen administrativen Angelegenheiten, insoweit sie die Kaiserliche Marine angehen, reichsstaatsrechtlich zuständige Instanz erscheint. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes ist daselbst von mir angewiesen, die Frage der Besitzergreifung von [der] Jiaozhou-Bucht, sobald die Zeit dafür gekommen sein wird, im Benehmen mit dem Staatssekretär des Reichsmarineamtes zu erledigen. Insoweit Euere Exzellenz dabei besondere Kommando-Interessen als vorliegend und Berücksichtigung erheischend erachten sollten, kann ich nur anheimstellen, dieselben zunächst bei dem Reichsmarineamt und eventuell bei mir zur Sprache zu bringen. Was die, von Eurer Exzellenz gestellte Frage selbst anbelangt, so gestatte ich mir hinzuzufügen, daß zu einer förmlichen Besitzergreifung meines Erachtens der Zeitpunkt erst dann gekommen sein wird, wenn alle Einzelheiten des geschlossenen Vertrages hier vollständig vorliegen, gez. Hohenlohe BA/MA, RM2/1835,

Bl.277-278.

43 Aufzeichnungen des Staatssekretärs des Reichsmarineamts, Tirpitz (16.1.1898) AUFZEICHNUNGEN ZUM IMMEDIATVORTRAG BETREFFEND ÜBERTRAGUNG DER VERWALTUNG VON JIAOZHOU AN DAS REICHSMARINEAMT 1. Euer Majestät haben bereits die allgemeinen Grundsätze gebilligt, die für die künftige Entwicklung von Jiaozhou und die hierfür zu schaffende Organisation maßgebend sein sollen. - Wirtschaftliche Entwicklung voran, militärische langsam folgen, seif governement, einheitliche Unterstellung und Leitung, Militär- oder Zivilgouverneur: erste Bedingung brauchbar3). 2

Engl „Selbstverwaltung".

183 2. Kontraktabschluß mit China ist erfolgt. Schaffung ständiger Verhältnisse und Anbahnung der künftigen Organisation dringend notwendig, Regelung des Landerwerbs drängt. Entlastung des Geschwaderchefs. 3. Deshalb Allerhöchste Order notwendig, welche die Unterstellung regelt, da hiervon die zu treffende Organisation abhängig. Wortlaut der Ordre mit Auswärtigen Amt und Reichskanzler verabredet. 4. Die Ordre sieht die Übertragung der gesamten Verwaltung an Reichsmarineamt vor. Die dagegen sprechenden Gründe sind Euer Majestät bereits vorgetragen. a) Zweifache zentrale Kolonialverwaltung. Zutreffend, aber die Organisation soll sich vermutlich unterscheiden von der unserer übrigen Kolonien, die Schaffung derselben da leichter, wo keine vorhanden und eingewurzelte Ansichten entgegenstehen. Notwendige politische und handelspolitische Maßnahmen werden selbstverständlich mit Auswärtigem Amt vereinbart. b) Belastung des Marineetats. Lediglich äußere Erscheinung, erkennbar dadurch, daß der Etat als besonderer Abschnitt des Marineetats erscheint. c) Es fehlen Beziehungen zum Privatkapital und d) Eine Überlastung der personellen Mittel des Reichsmarineamtes tritt ein. 5. Die zu a) und b) genannten Nachteile erscheinen durch die gegebene Begründung zum größten Teil entkräftet, die unter c) und d) bestehen; ihnen sind folgende Vorzüge gegenüberzustellen. a) Für die Erwerbung von Jiaozhou waren maßgebend die Bedürfnisse der Marine auf eine Flottenstation. b) Die wirtschaftliche Entwicklung soll in erster Linie angestrebt werden, sie muß aber Hand in Hand gehen mit der militärischen. Beide stehen sich auch nicht gegenüber, sondern decken sich: Je mehr Jiaozhou in wirtschaftlicher Beziehung emporblüht, j e größer die Hilfsquellen für die Bedürfnisse der Schiffe. Gleichzeitig wächst hiermit die Schutzbedürftigkeit. Zeitpunkt hierfür nur vom Reichsmarineamt zu bestimmen. c) Die ersten Anlagen sind Hafen- und Wasserbauten, Dockanlagen, Vermessungen, Sicherung der Schiffahrt. Hierfür hat nur Reichsmarineamt geeignete Organe. d) Ein höchstes Interesse der Marine, dem gegenüber die zu erwartende Mehrarbeit (4c und d) geleistet werden muß, steht auf dem Spiele. Beweis fur die breiteren Volksmassen, daß Marine nicht Selbstzweck, daß sie berufen und befähigt ist, nicht allein Schutz und damit indirekten Nutzen zu bieten, sondern direkt Handel und Industrie, die allgemeinen Seeinteressen zu heben und zu fördern. 6. Die Verwaltung von Jiaozhou soll „bis auf weiteres" dem Reichsmarineamt übertragen werden, um die Organisation anzubahnen. Stellen sich später andere Bedürfhisse heraus, welche die Übertragung der Verwaltung an eine andere Stelle fordern, so tritt dieselbe fur Reichsmarineamt ein. 7. Euer Majestät haben gebilligt, daß nur einer die Leitung haben könne. Daher Oberbefehl dem Staatssekretär übertragen, jedoch nach den Anordnungen Euer Majestät. Eventuell

184 dem Inhaber des Staatssekretariats zu übertragen, bei Stellvertretungen dann besondere Regelung. a)

Randbemerkung: Seiner Majestät Vortrag gehalten dahingehend, daß entweder die Truppe in Jiaozhou ebenfalls unter den Staatssekretär gestellt werde, so daß selbige Einheit dort erzeugt wurde oder das R.M.A. muß imstande sein, die Verwaltung zu übernehmen.

BA/MA, RM 3/6699, Bl. 37-39.

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Bericht des Chefs des Kreuzergeschwaders in Ostasien, Diederichs (Ende Januar 1898) BEMERKUNGEN ZUR BEHANDLUNG DER LANDFRAGE IN DEM DEUTSCHEN GEBIET IN DER JIAOZHOU-BUCHT Umfang und Charakter des Gebiets. Das Land, welches das deutsche Gebiet an der Jiaozhou-Bucht bilden wird, umschließt, von einigen Inseln im offenen Meere abgesehen, die halbinselförmigen Distrikte an beiden Seiten des Eingangs zur Bucht und die in der Bucht gelegenen Inseln Huangdao (Jiboshan) und Yindao (Potato Island) und zeigt im allgemeinen einen gleichartigen Charakter. Ein Teil ist breiter Talboden oder leichtes Hügelgelände. Als kulturunfähig scheiden aus diesem Lande aus die abwechselnd aus Sandstrand und Felsenklippen gebildete Küste, die breiten sandigen Flußbetten und die steilen, tief eingeschnittenen Rawinen. Der Rest ist kultiviertes Ackerland, das, wo nötig, auf künstlichen Terassen das leichte Hügelgelände überschreitet und selbst an verhältnismäßig steilen Abhängen sich hinaufzieht. Ein anderer Teil ist eigentliches Bergland. Kulturunfähig sind hier nur die Felsenspitzen der Berge und einige Steinhalden. Der Rest ist mit niedrigen Kiefern oder vielmehr angebaut, deren Kultur ausschließlich der Gewinnung von Brennholz und von Streu zu dienen scheint. Die jungen Zweige werden zu diesem Zwecke ausgebrochen und das am Boden wachsende Gras wird, zusammen mit den heruntergefallenen Nadeln zusammengerecht und gesammelt, was den Boden kahl und steril erscheinen läßt. Acker- und Kiefernland ist in eine große Anzahl kleiner Parzellen zersplittert. Die Mängel der Verwaltung. Es fehlt an jeder Vermessung des Landes. Weder über die Größe der einzelnen Parzellen noch die Größe des Gesamtbesitzes eines Individuums gibt es amtliche Aufzeichnungen. Ebensowenig sind die Flurgrenzen eines Dorfes kartographisch festgelegt. Die einzigen vorhandenen Urkunden sind Steuerlisten mit den Namen der Steuerpflichtigen und den geschul-

185 deten Steuerbeträgen, und diese umfassen oft nicht die Steuerpflichtigen eines Dorfes, sondern die steuerpflichtigen Mitglieder einer und derselben großen Familie, die über mehrere Dörfer verstreut wohnen und Land besitzen. Insbesondere sind die in der Distriktshauptstadt Jiaozhou geführten Hauptlisten familienweise und nicht dörferweise geordnet. Auch Volkszählungen sind unbekannt. Man erfährt auf Befragen weder die Zahl der Bewohner eines Dorfes noch die größerer Distrikte. Angaben, die über die Zahl der Dörfer eines Distrikts gemacht werden, sowie die vorhandenen Karten beruhen auf Jahrhunderte alten Quellen und dürften den heutigen Verhältnissen nicht mehr entsprechen. Die Flächenmaße und die Geldverhältnisse. Was die üblichen Flächenmaße anbelangt, so kommt für die Entrichtung der Grundsteuer ein Regierungsmao in Betracht, von denen hundert gleich 6,1 ha sind. Die Bevölkerung rechnet nach einem Lokalmao, der sich zum Regierungsmao verhält wie 3 zu 2. Bei Landverkäufen wird infolgedessen nach Lokalmao gerechnet. Rechnungseinheit ist der Käsch. 1000 Käsch heißen ein Tiao; der Kurs des Tael steht in Shandong augenblicklich auf 1140 Käsch. Im Einkauf sind in Shanghai im Durchschnitt 850 Käsch für den mexikanischen Dollar bezahlt worden, was bei einem Kurse des letzteren zu Μ 2,00, 1000 Käsch mit 2,35 Μ einstehen Iäßt. Schätzungen des steuerpflichtigen Landes und der Ziffer der Bevölkerung. Zum besseren Verständnisse der Verhältnisse können folgende Angaben und Aufstellungen dienen. Durch Verhandlungen mit 35 der Größe nach sehr verschiedenen Dörfern, auf die weiter unten zurückzukommen sein wird, ist festgestellt, daß innerhalb einer bestimmten Zone, die damit in Ansehung von Landverkäufen gebunden worden ist, von 3716 Steuerzahlern und 600.000 Käsch an Grundsteuer entrichtet werden. Unter Zugrundelegung des Steuersatzes von 32 Käsch auf den Regierungsmao erhält man fur diese gebundene Zone als die größte des steuerpflichtigen Landes rund 20.000 Regierungsmao oder 1220 ha. Es kommen auf jeden Steuerzahler im Durchschnitt 5,4 Regierungsmao. Man wird keinen großen Fehler machen, wenn man annimmt, daß die gebundene Zone den vierten Teil des abzutretenden Gebietes umfaßt. Das gesamte steueipflichtige Land des abzutretenden Gebietes kann hiernach auf 4880 ha oder 48,8 qkm geschätzt werden. Wird die Größe des abzutretenden Gebietes schätzungsweise auf 5,5 geographische Quadratmeilen gleich 302,5 qkm angenommen, so wäre hiervon nur etwas weniger als der sechste Teil zur Grundsteuer veranlagt. Rechnet man auf den Steuerzahler 4 Köpfe, so erhält man als Bevölkerungszahl der gebundenen Zone rund 15.000 und als die des abzutretenden Gebiets rund 60.000 Seelen, was bei einer Größe der letzteren von 302,5 qkm einer Bevölkerungsdichtigkeit von 200 Seelen per qkm gleichkommt. Wie groß die Parzellenwirtschaft ist, ergibt sich aus einer Zählung in einer Dorfflur, worin 250 Parzellen mit 63 Steuerzahlern festgestellt worden sind. Das Recht des Landbesitzes und der Veräußerung des Landes. Wenn auch, wie überall in China in Shandong ein theoretisches Obereigentum des Kaisers von China anerkannt werden mag, so handelt es sich doch praktisch für den Landbesitzer um

186 ein volles Eigentumsrecht mit unbeschränkter Verfugungsbefugnis. Voraussetzung der behördlichen Anerkennung ist die Entrichtung der Grundsteuer. Wüstliegendes Land kann nach alter Gewohnheit von dem Eigentümer des angrenzenden angebauten Landes kultiviert und in Besitz genommen werden. Erst wenn die Grundsteuer darauf entrichtet wird, wird die Behörde ein Privateigentum daran anerkennen. Die Eigentumsübertragung vollzieht sich ohne jede behördliche Mitwirkung ausschließlich zwischen den Parteien. Es wird darüber in der Regel eine Verkaufsurkunde ausgestellt, die die Parteien und eine Mittelperson vollziehen. Eine Verlautbarung erfolgt nicht. Die Höhe und die Art der Grundsteuer. Die Behörde interessiert ausschließlich die pünktliche Entrichtung der Grundsteuer, fur den Eingang derselben sind ihr die von der Gemeinde gewählten Steuereinnehmer verantwortlich, die einen größeren Spielraum bezüglich der Zeit, wann und der Teilbeträge, in welchen sich die Steuerbeträge kollektieren, haben. Die Grundsteuer wird nach der Rate von 32 Käsch pro Regierungsmao erhoben. Ganz vereinzelt kommt Land vor, auf der verhältnismäßig sehr viel höhere Naturalabgaben lasten, die indessen auch in Käsch umgewandelt, an eine besondere Kasse abgeführt werden. Es handelt sich hier um von alters her bestehende Abgaben. Daß das Rechtsverhältnis, unter welchem solches Naturalabgabenland besessen wird, ein anderes sei als bei dem mit einer Geldgrundsteuer belasteten Lande, hat nicht festgestellt werden können. Die seitherigen Veräußerungen von Land. Veräußerungen von Land an außerhalb der DorfVerbände stehende Personen haben, soweit in Erfahrung zu bringen war, seither nicht stattgefunden. Eine Ausnahme hiervon bilden nur einige wenige, in Qingdao selbst befindliche Grundstücke, die von ortsfremden chinesischen Händlern zu Wohn- und Warenräumen und die Grundstücke, welche in Qingdao und Umgegend von der chinesischen Militärverwaltung zu Militärlagern, Exerzierplätzen und geplanten Befestigungsanlagen erworben worden sind. Die Landbesitzer wissen, daß sie auf ihr Land mit ihren notwendigen Lebensbedürfnissen angewiesen sind und sind dem Verkaufe ihres Landes aus diesem Grunde abgeneigt. Es kommt hinzu, daß sie nach ihrem eigenen Eingeständnis mit einem Kaufschilling nichts anzufangen wissen. Silber ist unter der Bevölkerung nicht im Umlauf, und Käsch ist zur Thesaurierung völlig ungeeignet. Die Preisverhältnisse des Landes. Diese primitiven Verhältnisse erklären, daß eine eigene Preisbildung fur Land durch Angebot und Nachfrage seither überhaupt nicht stattgefunden hat. Auch die Erträge des Landes werden bei der tatsächlich vorherrschenden Naturalwirtschaft kaum als preisbildender Faktor angesehen werden können. Der Magistrat von Jimo gab den Wert eines Regierungsmao je nach der Qualität des Landes auf 47,33 und 20 Tiao (1000 Käsch) an, war aber außerstande zu sagen, daß solche Preise auf dem Gebiet, das hier in Frage kommt, gezahlt worden seien. Als Preise, die der chinesische General fur Land in Qingdao und Umgegend fur Rechnung der Regierung bezahlt hat, werden je nach Lage des Landes 20,13 1/3 und 6 2/3 Tiao pro

187 Mao genannt. Es scheinen dies der Regierang gegenüber berechnete Preise zu sein. Ein Teil davon mag in seine Privattasche geflossen sein. Die Erwerbung hat den Charakter der Enteignung gehabt. Bei einigen jetzt stattgefundenen Ankäufen für einen Kirchhof und einige Privatgrundstücke haben sich die Besitzer mit ähnlichen Preisen einverstanden erklärt. Eine Willigkeit zum Verkauf war nicht vorhanden. Es muß dahingestellt bleiben, ob seitens der Landbesitzer nicht wie dem Verkaufe selbst, so auch der Höhe des angebotenen Kaufpreises gleichsam als einer höheren Notwendigkeit zugestimmt worden ist. Die einem raschen Vorgehen mit Landankäufen entgegenstehenden Verhältnisse. Bei dieser Sachlage stand einem raschen Vorgehen mit umfassenden Landankäufen nicht nur der Umstand entgegen, daß über den Ort, wo diese Ankäufe zunächst notwendig sein werden, noch keine Klarheit besteht, man befand sich auch einer Aufgabe gegenüber, deren Inangriffnahme die Entscheidung wichtiger grundlegender Fragen vorauszugehen hatte und deren Erledigung nicht ohne Vermessung der betreffenden Ländereien und langwierige und zeitraubende Verhandlungen mit einer sehr großen Anzahl chinesischer Landbesitzer erfolgen konnte. Das Land, das für militärische Zwecke, Dock- und Hafenbauten und Stadtanlagen gebraucht werden wird, wird immer nur einen sehr kleinen Teil der größeren Gebietsstrecken, um deren Abtretung es sich in jedem Falle handelt, ausmachen. Nur die auf Erwerb dieses kleinen Teils verwendeten Summen werden einen wirtschaftlichen Nutzen versprechen. Die Erwerbung großer zusammenhängender Gebietsstrecken, wofür verhältnismäßig sehr bedeutende Summen aufzuwenden sein würden, dürfte daher nicht in das Auge zu fassen sein. Es dürfe hiervon auch schon um deswillen abgesehen werden, weil darauf Rücksicht zu nehmen sein wird, daß der chinesische Bauer in dem abzutretenden Gebiet lebensfähig bleibt. Derselbe wird schon als Arbeiter nicht entbehrt werden können. Ebensowenig kann sich empfehlen, Land in größerem Umfange gegen Gewährung einer Anzahlung und bei Belassung des Verkäufers auf dem Lande - etwa als Pächter - zu erwerben. Die Anzahlung würde nach Lage der Sache vermutlich nicht einmal thesauriert3 werden, sondern bald in andere Hände übergehen. Der Verkäufer würde, da er auf dem Lande belassen wird, die Natur der Transaktion nicht verstehen und sich nach wie vor als den Eigentümer betrachten. Er würde eine spätere Exmission leicht als ein Unrecht empfinden. Die Monopolisierung des Landgeschäfts in den Händen der Kaiserlichen Regierung. Die vor der Kaiserlichen Regierung liegende Aufgabe könnte dahin bestimmt werden, daß sie sich die steigenden Differenzen zwischen dem gegenwärtigen Wert des Landes und dem Wert, den es durch die wirtschaftliche, auf die Tätigkeit der Regierung zurückzuführende Entwicklung erhalten wird, als eine wichtige und für die Entwicklung des Gebietes selbst notwendige Einnahmequelle vorbehält. Sie hat zu diesem Zweck den Landankauf sowie Verkauf in ihrer Hand zu monopolisieren. Es wäre unter Umständen möglich gewesen und würde vielleicht auch den chinesischen Rechtsanschauungen nicht widersprechen, wenn ein solcher Rechtszustand im Wege der Oktroyierung in Kraft gesetzt worden wäre. Ein erster 3

Gr -lat. „ansammeln, verwahren".

188 Schritt in dieser Richtung hatte in dem Verbot des Landverkaufs erblickt werden können, das in der Proklamation des Chefs des Kreuzergeschwaders aus dem November v.Js. mitenthalten ist 4 Die Verhandlungen mit 35 Dörfern wegen eines ausschließlichen Landerwerbsrechts der Kaiserlichen Regierung. Es mußte einwandfreier und billiger erscheinen, jenen Rechtszustand soweit die jetzigen Landbesitzer in Betracht kommen, auf dem Vertragswege durch freie Verhandlungen mit denselben herbeizufuhren. Die Betretung dieses Weges ohne größere zeitraubende Vorarbeiten war durch das Vorhandensein der Steuerlisten in den einzelnen Dörfern möglich gemacht. Es ist innerhalb der in Betracht kommenden Zone, die Distrikte zu beiden Seiten des Eingangs zur Jiaozhou-Bucht und die Insel Huangdao umfassend, mit 35 Dorfschaften einzeln verhandelt worden. Abschrift der diesen Verhandlungen zugrunde gelegten Spekulation liegt hier bei. Danach verpflichten sich die Landbesitzer gegen eine Verfugung, die auf den doppelten Betrag der einjährigen Grundsteuer festgesetzt wird, ihr Land nur an den deutschen Admiral oder dessen Nachfolger zu den gegenwärtigen ortsüblichen Preisen, wie dieser sie nach Anhörung der Ortsschulzen feststellen wird, zu verkaufen. Die gemachten Zahlungen belaufen sich auf rund 1.200.000 Käsch, was einem Gegenwert von rund Μ 3.000 (Μ 2.820, wozu noch einige Unkosten hinzu kommen) gleichkommt. Durch die in Abschrift gleichfalls anliegende Bekanntmachung des Chefs des Kreuzergeschwaders vom 3. Januar d.Js. sind hierauf alle dritten Personen, die etwa Ansprüche auf Land in den betreffenden Dörfern erheben, aufgefordert worden, ihre Ansprüche bei Verlust derselben innerhalb einer Frist von 45 Tagen anzumelden. Alles Land, welches für die Entwicklung dieses Gebietes in Betracht kommt, dürfte innerhalb dieser gebundenen Zone liegen. Ein eigentliches Bedürfnis, den vertragsmäßigen Rechtszustand darüber hinaus auf das ganze abzutretende Gebiet zu erstrecken, wird nicht anerkannt werden können. Es wird hier vielleicht ein einfaches Kaufverbot gegenüber allen, den Dorfverbänden nicht angehörigen Personen genügen. Eventuell werden, soweit man annimmt, daß die gebundene Zone rund den vierten Teil des abzutretenden Gebietes bildet, noch 3.600.000 Käsch oder Μ 9.000 erforderlich sein, um die gleiche vertragsmäßige Abmachung mit allen Dörfern innerhalb des abzutretenden Gebietes zu treffen. [,..]5 Β ΑΜΑ, RM 3 6697, Bl. 232-241.

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Mit einer Bekanntmachung am 14.11.1897 und am 20.11.1897 hatte Diederichs zunächst jede Form der Veräußerung von Land durch die chinesische Bevölkerung verboten bzw. von seiner Genehmigung abhängig gemacht, siehe Schrameier 1914:1.

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Es folgen Ausführungen zu den bisher getroffenen formalen Maßnahmen bei Landankäufen.

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45 Kaiserliche Ordre betreffend die Unterstellung des von Deutschland besetzten Gebietes unter das Reichsmarineamt (27.1.1898) 6 Ich habe durch Ordre v o m heutigen Tage an den Reichskanzler (Reichsmarineamt) folgendes bestimmt: Mit dem Eintreffen des nach China entsandten Bataillons Marineinfanterie und der Kompanie Matrosenartillerie ist die Landungsabteilung Meines Kreuzergeschwaders zurückzuziehen. 7 D i e gesamte Verwaltung des an der Jiaozhou-Bucht vertragsmäßig an Deutschland überlassenen Gebietes wird von diesem Zeitpunkte an bis auf weiteres dem Reichskanzler (Reichsmarineamt) übertragen. Die militärische Besatzung für dieses Gebiet wird dem Staatssekretär des Reichsmarineamtes unterstellt, welcher den Oberbefehl nach Meinen Anordnungen zu fuhren hat. Mit bezug auf die höhere Gerichtsbarkeit über die militärische B e satzung des überlassenen Gebiets sehe Ich Ihren Vorschlägen entgegen. Sie haben hiernach das weitere zu veranlassen. - D a s Oberkommando der Marine erhält hierdurch davon Nachricht. - Berlin Schloß, den 27. Januar 1898. gez. Wilhelm F R. A n das Oberkommando der Marine. ΒΑΜΑ, RM 31513, BL149.

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Die Ordre wurde durch eine weitere kaiserliche Ordre vom 1.3.1898 detaillierter ausgeführt. Hier heißt es: „Im Anschluß an Meine Ordre vom 27. Januar dieses Jahres bestimme Ich hierdurch: 1. An der Spitze der Militär- und Zivilverwaltung im Kiautschou-Gebiet steht ein Seeoffizier mit dem Titel Gouverneur. Derselbe ist oberster Befehlshaber der militärischen Besatzung im Kiautschou-Gebiet und Vorgesetzter aller in demselben angestellten Militär-Personen, sowie der Beamten der Militär- und Zivilverwaltung. 2. Ich verleihe dem Gouverneur für die ihm unterstellte Besatzung und über die sonstigen im Kiautschou-Gebiet angestellten Militärpersonen und Beamten die gerichtsherrlichen, Disziplinar- und Urlaubsbefugnisse eines Marine-Stationschefs. 3. Der Gouverneur fuhrt innerhalb seines Dienstbereichs als Kommando- und Unterscheidungsabzeichen eine Flagge, wie diejenige des Gouverneurs von Ost-Afrika. [...] 4. Der Gouverneur und die Befehlshaber Meiner Marine stehen zueinander in keinem Unterordnungsverhältnis. Werden gemeinschaftliche Operationen Meiner Land- und Seestreitkräfte im Kiautschou-Gebiet notwendig, so übt der rangälteste Befehlshaber den Oberfefehl aus. 5. Die Stellvertretung des Gouverneurs fällt dem ältesten Befehlshaber der militärischen Besatzung im Kiautschou-Gebiet zu. [...]", in: BA/MA, RM 31/513, B1.150.

7 Die genannten Truppenteile erreichten Qingdao am 28.1.1898 auf dem Dampfer „Deutschland", siehe Knorr an Wilhelm II., in: BA/MA, RM2/1835, B1 269.

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46 Bericht des Chefs des Kreuzergeschwaders in Ostasien, Diederichs, an das Reichsmarineamt (15.2.1898) Euer Exzellenz beehre ich mich im Anschluß an mein Telegramm vom lO.d.Mts. gehorsamst zu melden, daß am 11. Februar Korvetten-Kapitän mit Oberstleutnantsrang Truppel das Kommando der gelandeten Streitkräfte übernommen hat und gleichzeitig der Beginn der Allerhöchst befohlenen Unterstellung der Besatzungstruppen und der Verwaltung unter das Reichsmarineamt ausgesprochen ist. Den Dampfer „Crefeld" lasse ich mit Mannschaften und Booten des Geschwaders löschen, weil am Lande die Mittel zu solchen Arbeiten fehlen. Bei der Übergabe der Geschäfte von Kapitän zur See Stubenrauch an Korvetten-Kapitän mit Oberleutnantsrang Truppel lag eine Kompanie Infanterie in der Stadt Jiaozhou, eine Kompanie in Jimo mit einem Detachement in der Zollstation Nügukou, 2 Kompanien und die Artillerie in Qingdao. Die Detachierten und die hiesigen Quartiere verbinden Telegraphen oder Telefonleitungen mit dem Yamen, nur die Leitung nach Jimo ist noch in der Ausführung begriffen. Weitere Einrichtungen in dem Hafenlager und dem Yamen-Lager sind noch für den Fall zu treffen, daß die Besatzungen aus Jiaozhou und Jimo hierher zurückkehren. Auch die Kanalisation und Entwässerung der Lager sowie der Schutz der Brunnen gegen Verunreinigung erfordert noch besondere Aufmerksamkeit. Zeit und Kräfte reichen für eine durchgreifende Umgestaltung der vorhandenen Anlagen nicht hin. Eine Sanitätskommission ist seit einiger Zeit beschäftigt mit der Untersuchung der sanitären Zustände, der Aufstellung von Vorschlägen und Überwachung der Ausführung der getroffenen Anordnungen. Mit dem Höhersteigen der Sonne wird die Durchführung sanitärer und vorbeugender Maßnahmen gegen Epidemien dringlicher, und es muß namentlich für die Lager und sonstigen Quartiere mehr Luftzutritt und Sonnenschutz geschaffen werden, als er sich in der rückliegenden Zeit der Besetzung hat schaffen lassen. So weit wie möglich sind bei den Einrichtungsarbeiten und den Beschaffungen auch diese Sommerbedürfnisse schon berücksichtigt. Für die sehr wichtige Anlage von warmen Bädern sind die Ermittlungen von ärztlicher Seite noch nicht zum Abschluß gebracht. Prächtiger Badestrand ist in überreicher Ausdehnung in der Nähe aller Lager zu finden. Der aus Formosa bestellte Brunnenbohrer ist ausgeblieben. Bisher haben die vorhandenen Brunnen bei vorsichtiger Benutzung gutes Wasser in genügenden Mengen geliefert; für die Sommerzeit wäre die Herstellung von Tiefenbrunnen wegen des besseren Schutzes gegen Infektionen sehr erwünscht. Die vorhandenen, eingerichteten Magazine werden die vom Dampfer „Crefeld" gebrachten Munitionsmengen nicht ganz zu fassen vermögen. Es war hier nicht bekannt, daß 12 cm Munition zu erwarten sei, und auch über das Mitschicken der Reservemunition für das Geschwader erhielt ich erst durch die mit Dampfer „Darmstadt" eintreffenden Ladelisten sichere Kenntnis. Immerhin stehen so viel Räume am Lande zur Verfügung, daß eine geschützte vorläufige Unterbringung der ganzen „Crefeld'-Ladung auf keine großen

191 Schwierigkeiten stoßen dürfte und mit den chinesischen Handwerkern lassen sich leichte Schuppen zur dauernd guten Unterbringung in der Nähe der vorhandenen Magazine schnell erbauen. Eine Landungsbrücke im Innern der Bucht querab vom Horseshoe-Rock wird von Handwerkern [der] S.M.S. „Arcona" gebaut, da der Zeitpunkt fur die Verlegung des Ankerplatzes mit den häufiger werdenden Ostwinden herannaht. In welchem Umfang und in welcher Art alle vorgedachten Arbeiten auszufuhren sind, hängt hauptsächlich von einer Entscheidung über die Dauer der zu schaffenden Einrichtungen ab, und diese wieder wird bedingt von dem zukünftigen Hafenplan. Ich kann daher nur meine Bitte wiederholen, mit tunlichster Beschleunigung einen geeigneten Hafenbautechniker herauszusenden. Wollte man Privatfirmen die Entwürfe überlassen, so dürfte der Geldpunkt, d.h. die Beschränkung der ersten Ausgaben, eine größere Rolle spielen, als es für eine auch auf militärische Bedürfhisse zu berechnende Anlage zulässig und ersprießlich ist. Eine neugeschaffene chinesische Polizei unter einem deutschen Sergeanten hat zwar schon einige Erfolge in Ordnung und Reinhaltung der Straßen zu verzeichnen, doch wären durchgreifendere bau- und straßenpolizeiliche Maßnahmen nötig, wenn Qingdao auch zukünftig, neben dem im Innern der Bucht zu schaffenden Hafenplatz, in den europäischen Verkehrsbereich entfallen sollte. Auch auf die Landerwerbsfrage würde letzterer Umstand einigen Einfluß üben. ο

Landerwerb. [. . .] In der Anlage beehre ich mich, eine Schrift des Generalkonsul Stübel über die Grundverhältnisse hiesiger Gegend beizulegen.9 Den Ausführungen, welche mehrfach das Ergebnis gemeinsamer Besprechungen wiedergeben, stimme ich im allgemeinen bei. Ich kann aber nicht zugeben, daß mangelnde Klarheit über den Ort, wo Gebiet gekauft werden müsse, das Vorgehen behindert habe. Die Landstrecken, welche unter allen Umständen in unseren Besitz übergehen müssen, sind so umfangreich, daß monatelang eine emsige Tätigkeit des zur Verfügung stehenden Personals zum Abschluß der Kaufverhandlungen darüber nötig sein wird. Aber ohne genaue Vermessung werden die Eintragungen in das vorläufig angelegte Grundbuch unzuverlässig sein; es ist deshalb durchaus nötig, Landmesser bald herzuschikken. Landaufkäufe zu Spekulationszwecken durch Gesetze und Verordnungen zu hindern, wird eine dringende Aufgabe der allernächsten Zeit sein. Eine Verpachtung nach Art der englischen lease halte ich für schädlich im Interesse der entstehenden Stadt. Niemand will an ein Gebäude, welches nach 99 Jahren mit dem Grundstück dem Besitzer des Bodens verfallt, viel wenden. Die Häuser werden daher möglichst billig, unsolide und schmucklos errichtet, wie man dies so häufig in England zum Nachteil des Aussehens der Städte und des Komforts der Mietwohnungen erfahrt. Dagegen könnte bei Strafe des Rückfalles des Grund und Bodens an den Staat verlangt werden, daß in den ersten Jahren gewisse Prozentsätze des Kauf-

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Hier folgt eine Schilderung der Besitzverhältnisse an Grund und Boden an der Jiaozhou-Bucht, die im wesentlichen mit den Ausführungen von Dok. 4 4 übereinstimmt.

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Hier nicht abgedruckt, vgl Stübel an Hohenlohe, 29.1.1898, in: B A / M A , RM3/6695, B1.36ff.

192 preises auf die Grundstücke verwendet werden müssen. In der ersten Zeit, wo die Grundpreise mäßig sein werden, müssen höhere Sätze (50 - 100%) verlangt werden, in späterer Zeit entsprechend weniger. Daneben könnten hohe Gebäudesteuern und eine besondere Besteuerung von LuxusGrundstücken (Gärten) der Spekulation einen Riegel vorschieben. Arbeitslöhne. Die Arbeitslöhne, welche anfänglich infolge des größeren Bedarfs verhältnismäßig hoch waren (200 Käsch für einen Tagelöhner) wurden, nachdem durch Erkundigungen bei den Magistratsbeamten in den Städten die ortsüblichen Löhne in Erfahrung gebracht waren, vom 1. Februar ab um ein Viertel herabgesetzt. Hierbei wurden noch etwa 20 Käsch mehr gezahlt, als der Chinese gibt. Dennoch entstand in den ersten Tagen etwas Unzufriedenheit und Zurückhaltung. Beides ist aber inzwischen vollständig geschwunden, und es ist jede gewünschte Zahl von Tagelöhnern ohne Mühe zu erhalten. Geld. Die Frage der Geldbeschaffung wird in ein neues Stadium treten durch Eröffiiung einer Wechselstelle der Deutsch-Asiatischen Bank in Qingdao. Der Beamte will mit dem nächsten Dampfer aus Shanghai kommen und nach den ihm bei einem früheren Besuch geäußerten Wünschen die Geschäfte vermitteln. Über die Anforderungen, welche in nächster Zukunft befriedigt werden müssen, beehre icli mich noch folgendes anzuführen. Kohlenlager. Ein bedeutendes Lager deutscher oder englischer Kohlen in Qingdao empfiehlt sich vom militärischen und haushälterischen Standpunkt. Die eben jetzt auffällig bemerkten starken Ankäufe von Kohlen am offenen Markt seitens der englischen und russischen Marine, welche die Preise stark in den Höhe getrieben haben, sind eine Lehre fur die Beurteilung zukünftiger Zustände bei kriegerischen Verwicklungen an hiesiger Küste. Als Kohlenlager wird zunächst ein Hulk, Holzschiff gekupfert, in Frage kommen; daneben Schuppen, zu denen wenigstens die Wellblechdächer aus der Heimat geschickt werden sollten, während die Erbauung der Wände aus Stein oder Holz mit hiesigem Material und Arbeitskräften wahrscheinlich billiger und zweckmäßiger wäre. 8000 Tonnen Kohlen würden unter gewöhnlichen Umständen den sechsmonatlichen Bedarf von Geschwader und Landbesatzung decken. Dieser Vorrat sollte unterhalten werden, bis brauchbare Kohlen aus hiesiger Provinz für die Schiffe leicht herbeigeschafft werden können. Wachtschiff. Ein Wachtschiff wird nicht lange entbehrt werden können. Zur Aufrechterhaltung der Hafenpolizei, zu kleinen Rekognoszierungen und Ermittlungen an der Küste inner- und außerhalb der Bucht zum Verkehr mit der gegenüber liegenden Landzunge und den Inseln, sind Boote und seemännisches Personal nötig, welches nach Trennung des Landkommandos vom Geschwader dem Befehlshaber in Kiautschou zugänglich gemacht werden muß, auch für den Fall, daß die Schiffe des Geschwaders nötigere Aufgaben zu erledigen haben.

193 „Arcona" oder „Alexandrine" würden sich wegen ihrer Bauart - Kupferhaut, luftigen Wohnräume, bedeutenden seemännischen Personals, geringen Tiefganges, leicht zu behandelnder Maschine und einfachen Kesseln - gut zu dem vorliegenden Zweck eignen. Dock. Wesentlich für die Selbständigkeit des hier zu gründenden Hafens ist die baldige Schaffung einer Dockgelegenheit. Falls mit den Arbeiten an einem festen Dock nicht in nächster Zeit begonnen werden soll, würde die Beschaffung eines geteilten Schwimmdocks in Frage kommen. Erst wenn ein solches Dock vorhanden ist, würde die Heraussendung von 1 - 2 Torpedodivisionsbooten und einigen Torpedobooten ratsam sein. Erstere wären für das Geschwader eine wertvolle Ergänzung, und England hat mit „Hart" und „Handy" anscheinend sehr gute Erfahrungen gemacht. Die Torpedoboote würden die Hafenverteidigung wesentlich verstärken, in Anbetracht der großen Schwierigkeit einer Minenverteidigung der Einfahrt und angesichts der guten naheliegenden Ankerplätze an der Küste nördlich und südlich der Kiautschou-Bucht. Wetterbeobachtung. Eine Wetterbeobachtungsstation mit Sturmwarnung ist sowohl wegen des erhofften Schiffahrtsverkehrs, wie wegen der zu erschaffenden Wasserbauten sehr erwünscht. Bisher sind außer den auf den Schiffen vorgeschriebenen Beobachtungen regelmäßig nur noch Pegelregistrierungen an einem an der Brücke von Qingdao angebrachten Maßstab gesammelt. Da Telegraphenverbindung besteht, so ist ein Anschluß an das Beobachtungsnetz der chinesischen und japanischen Küste ohne weiteres gegeben. Die Verbindung mit Shanghai würde von besonderem Wert sein, und es ist wohl nicht zu zweifeln, daß die chinesische Telegraphenverwaltung den Austausch der Witterungsnachrichten kostenlos zulassen wird. Die Instrumente müßten von der Heimat mit den nötigen Gebrauchsanweisungen herausgeschickt werden. Ein Beobachter, welcher nebenamtlich die vorläufige Verwaltung fuhrt, würde sich unter den vorhandenen Beamten am Lande finden lassen. Falls sich Schwierigkeiten herausstellen sollten, könnte das WachtschifF einen geeigneten Mann zeitweise kommandieren. Eine baldige genaue geologische Untersuchung der näheren Umgebung von Qingdao halte ich im staatlichen Interesse für geboten, weil die Art und Lagerung des Bodens auf die Dockarbeiten, auf die Lage der Stadt und damit wieder auf die Landankäufe von Einfluß sein kann. Landkultur. Der Rat und die Tätigkeit eines tüchtigen, praktischen, erfahrenen Forstbeamten ist fur die Landkultur nicht zu entbehren. Die jetzt meist kahlen, zum geringen Teil mit niedrigem, dürftigem Nadelgestrüpp spärlich bestandeneren Bergkuppen würden nach Bodenbeschaffenheit und Klima wahrscheinlich wertvolles Nutzholz tragen können. Neben dem zu erzielenden ökonomischen Vorteil würde hierdurch Schutz geschaffen gegen das Fortschwemmen fruchtbaren Bodens und das Ausschwemmen mächtiger Rawinen, wie sie bis zu 20 m Tiefe und mehr von den Bergabhängen weit herab in die Ebene zahlreich eingerissen sind. Auch die Feuchtigkeit des Bodens würde voraussichtlich mit der Bewaldung der Berge und Hügel gleichmäßig werden und länger anhalten. In der Nähe der Dörfer sieht man neben wohlge-

194 pflegten ausgedehnten Obstplantagen kräftige Eichen- und andere Laub- sowie hochstämmige Nadelbäume. Meine Frage, warum auf den Bergen nicht ebenfalls bessere Bäume gepflanzt würden, beantwortete der Distriktsvorsteher von Jimo dahin, daß sich die Beamten um solche Dinge nicht bekümmerten, daß sei Sache der Privatleute; übrigens hätten sie nicht genug von den großen Bäumen, um die Berge damit zu bepflanzen. Nebenbei will ich noch erwähnen, daß die Landschaft, deren Reiz jetzt hauptsächlich in den bizarren Bergformen liegt, durch ausgedehnte Waldanpflanzung außerordentlich gewinnen müßte, was wieder zur Hebung der Kolonie viel beitragen könnte, weil alle übrigen Bedingungen zu einer Sommerfrische und einem Badeplatz in nächster Nähe Qingdaos in einem so hohen Grade vorhanden sind, wie sie sich an keinem von Europäern bewohnten Punkt der chinesischen Küste finden. Der Platz könnte deshalb leicht zum Sammelpunkt der erholungsbedürftigen guten Gesellschaft hiesiger Küste werden, was seiner Entwicklung förderlich sein müßte. Auch ein mit Gemüsebau vertrauter Gärtner würde lohnende Beschäftigung finden und viel beitragen können, den Aufenthalt hier während der Entwicklungsjahre erträglich zu machen. Verwaltung. Zu meinem Bericht vom 27. Dezember v.Js. - G.B.Nr.392 10 - über die Verwaltung des Gebietes muß ich noch nachtragen, daß sich in mir mehr und mehr die Überzeugung herausgebildet hat von der Notwendigkeit, den an die Seite zu stellenden Gouverneur tunlichst von der heimatlichen Verwaltung unabhängig zu machen, damit er ohne das Bedenken, gegen Vorschriften zu verstoßen, welche zu Recht bestehen, aber auf die hiesigen Verhältnisse durchaus nicht passen, den schnell wachsenden und dabei wechselnden Bedürfnissen der Entwicklung mit Kraft und ohne Zeitverlust gerecht werden kann. Eine militärische Leitung, unter einer heimatlichen Verwaltungsbehörde stehend, wie sie jetzt eingesetzt ist, hatten bei oben angezogenen Vorschlägen weder der Generalkonsul Stübel noch ich im Auge gehabt. Das englische System der Kronkolonie, in denen der Gouverneur der Stellvertreter der Königin ist, scheint das richtigste im Gebiet eines fremdartigen Kulturvolkes, wo Angehörige der verschiedensten Nationen neu zusammenströmen und eine Gemeinde bilden. Die Gesetze werden den Ortsverhältnissen in vielen Dingen Rechnung zu tragen haben und deshalb nur hier unterworfen und beraten werden können, nicht im heimatlichen Parlament; dieses wird nur seine Zustimmung zur Organisation und zu etwaigen Geldzuschüssen zu erteilen haben. Eine Abschrift des englischen Patents (nach dem „Chronicle and Directory for China pp."fiir 1897, wo sich auch die „Constitution of the Executive and Legislative Councils" auf Seite 281 und folgende findet) füge ich gehorsamst hier bei. Das Verfahren dieser letztgenannten Körperschaften erscheint mir aber für unsere Kolonie zu umständlich; man wird dafür wenigstens anfangs einfachere Formen finden können. Jedenfalls zeugen die beispiellosen Erfolge der englischen Kolonien, namentlich im Vergleich zu den französischen, deutlich, welches System nachahmenswerter ist.

10 Nicht in den Akten. Der Bericht wird in Auszügen zitiert bei Knorr an Wilhelm II., 27.12.1897, in: B A / M A , RM2/1835, B1.227ff.

195 Nach der englischen Bestimmung ist der Truppenbefehlshaber der Vertreter des abwesenden oder behinderten Gouverneurs. Dies Verhältnis läßt es erwünscht erscheinen, daß auch der Befehlshaber am Lande nicht zu häufig und jedenfalls nicht gleichzeitig mit dem Gouverneur wechselt. Dagegen sollten die Truppen nur wenige Jahre in der Kolonie verbleiben. Unter dem Einfluß eines ungewohnten erschlaffenden Klimas und beim Fehlen jedes Wettstreites mit anderen Truppenkörpern muß die Leistungsfähigkeit abnehmen und der Maßstab für das zu Leistende verloren gehen. Es ist aus diesem Grunde zunächst wichtig, häufig tüchtige Offiziere und Unteroffiziere aus den bestgeschulten heimatlichen Verbänden zur Ablösung herauszuschicken und überhaupt die Truppen nur etwa 2 - 3 Jahre hintereinander hier zu belassen. Bei einer ständigen Kolonialtruppe muß - dies lehren Erfahrung und Überlegung - der Kampfwert abnehmen und die Disziplin sich lockern, namentlich, wenn sie unter friedlichen Verhältnissen lebt; und nur in den großen heimatlichen Verbänden wird sie den vollen Gehalt wiedergewinnen. Hier draußen wird aber die Haltung der Mannschaften scharf kritisiert - anliegender Zeitungsausschnitt legt dafür Zeugnis ab -, und wo so viele mißgünstige Augen uns auf Schritt und Tritt nachspüren, haben wir allen Grund, nur Mustergültiges zu zeigen. Wenn mit einer solchen Machtbefugnis des Gouverneurs eine teilweise Unterstellung unter den Geschwaderchef, wie ich sie am Schluß meines angegebenen Berichts zur geeigneten Erwägung stellte, hinfallig wird, so könnte doch eine gutachtliche Äußerung zu allen, die Hafenanlagen, die Befestigung und die Besatzung betreffenden Fragen durch den Geschwaderchef vorgesehen werden. Der jetzige Zustand, wo der Befehlshaber in Kiautschou hier in Qingdao auf die Unterstützung des davor liegenden Geschwaders angewiesen ist, schädigt beide Teile empfindlich. Dies hat sich bei Benutzung der die Verbindung mit Shanghai unterhaltenden Dampfer, beim Signalverkehr, Gestellung von Bedienungsmannschaften fur Maschinengewehre, beim Löschen des Dampfers „Crefeld" und manchen anderen Gelegenheiten schon in den ersten 5 Tagen deutlich gezeigt. Eine höhere selbständige Verwaltungsbehörde mit ausreichenden Hilfsmitteln ist unbedingtes Erfordernis, um die Niederlassung von den Schiffen des Geschwaders unabhängig zu machen und somit die Nachteile des Nebeneinanderarbeitens zweier Behörden zu verringern, von denen die eine der militärischen Instanz, die andere der Verwaltung unterstellt, und deren Interessen daher häufig gegeneinander stehen. Es ist für das Ansehen unserer neuen Besitzung an der Küste Ostasiens von nicht zu unterschätzender Bedeutung, welchen Ruf die Verwaltung in den ersten Monaten ihres Bestehens sich schafft. Davon wird der schnellere oder langsamere Zufluß kaufmännischen Kapitals, von Unternehmern und Ansiedlem wesentlich mit abhängen. Durch die Trennung der Landverwaltung vom Geschwader sind so manche Bedürfnisse dringend geworden, welche bisher aus den Hilfsmitteln der Schiffe gedeckt wurden, wie z.B. Verkehrsmittel auf dem Wasser, Gestellung von Handwerkern, Instrumenten und Personal zu Vermessungen u.a.m., und ihre Befriedigung durch Sendungen aus der Heimat kann ohne starken Nachteil fur das gedeihliche Fortschreiten unserer hiesigen Aufgaben nicht hinausgeschoben werden. Schule.

196 Für das Erlernen der deutschen Sprache haben einige erwachsene Chinesen lebhaftes Interesse gezeigt, so daß ein Schulunterricht zunächst unter Leitung eines Offiziers unter Zuhilfenahme geeigneter Unteroffiziere und eines Dolmetschers gute Erfolge versprechen würde. Zur Erleichterung des Unterrichts sollte mit Hilfe des Orientalischen Seminars eine BilderFibel und Lesebuch mit deutschem und chinesischem Text bearbeitet und in einigen hundert Exemplaren herausgeschickt werden. Man würde sich durch richtige Leitung der Schule wahrscheinlich eine Generation von Deutsch-Chinesen heranziehen können, die zur Ausbreitung deutschen Einflusses im himmlischen Reich in 10 - 15 Jahren mehr und nachhaltiger beizutragen vermöchten, als kriegerische Eroberung. [...] Verhalten der Bevölkerung. Die Arbeiter- und Landbevölkerung zeigt sich im allgemeinen ruhig, arglos und leicht zu leiten. Der Mittelstand, kleine Kaufleute, kleine Grundbesitzer, Literaten niederen Grades u.dgl. ist argwöhnisch und zurückhaltend; man will abwarten, ob der zukünftige Verdienst unter deutscher Herrschaft den Fortfall der erpreßten und erschlichenen, ohne Anstrengung gewonnenen Einnahmen ausgleicht. Vielleicht hofft oder furchtet man noch, daß ein Rückfall des Gebietes an China die Fremdenfreundlichkeit zum Verbrechen stempeln könnte. Große einflußreiche Leute, höhere Mandarine oder sonstige Würdenträger scheint es in dem uns abgetretenen Gebiet nicht zu geben. Die Magistratsbeamten in Kiautschou, Luo [Zhishen], und in Jimo, Zhu [Yixiu], haben sich, offenbar unter höherem Befehl, außerordentlich dienstbeflissen, gefällig und hilfreich gezeigt. Sie besitzen und üben eine absolute Autorität über die Bevölkerung, wie sie in höherem Grade kein militärischer Befehlshaber bei uns über seine Mannschaft erreichen kann. Der Unterschied ist nur, daß hier offenbar Furcht und Gewohnheit die einzigen Triebfedern der Unterwürfigkeit sind. Bei mehreren Anlässen in Kiautschou und bei den an die Ermordung des Matrosen Schulz in Jimo sich anschließenden Maßnahmen haben die Magistratsbeamten beider Städte unseren Truppen so vortreffliche Dienste geleistet, daß ich gehorsamst beauftrage, denselben eine Anerkennung, etwa in Form des Geschenkes einer Uhr oder dergl. zu erteilen. Es würde dies für das spätere Verhältnis zu den chinesischen Grenzbehörden von günstigem Einfluß sein. Um uns das Zutrauen der chinesischen Bevölkerung in unserem Gebiet zu gewinnen und zu erhalten, wird für längere Zeit noch die bestehende Gemeinde- und Familienordnung beibehalten werden müssen. Wenn wir das größere, anfänglich besetzte Gebiet übernommen hätten, wäre die Verwaltung insofern einfacher gewesen, als die natürlichen Vorgesetzten der Dorfschulzen (Dibao) in Jimo und Kiautschou ihr Amt unter unserer Autorität hätten weiter verwalten können. Da jetzt von beiden Distrikten Teile auf Deutschland übergehen, so werden wir einen neuen chinesischen Verwaltungsbeamten, wohl am besten hier in Qingdao, für unser Gebiet einsetzen müssen. Ein solcher Beamter ist für die ersten Jahre wenigstens zur Handhabung der niederen Justiz gegen Chinesen nicht zu entbehren. Bisher hatte ich mir geholfen durch Verhän11 Es handelt sich um das 1887 gegründete Seminar für orientalische Sprachen an der Berliner Universität, siehe Leutner 1987:38. 12 Hier folgen Ausführungen über die künftige Rolle der Mission und die von Diederichs veranlaßte Sicherung der Navigation in der Jiaozhou-Bucht.

197 gung von Prügeln und Strafarbeit für kleine Vergehen - nach den chinesischen strafgesetzlichen Bestimmungen, welche der Beamte Luo [Zhishen] in Kiautschou mitgeteilt hatte und die insofern sehr einfach sind, als die Höhe der Strafe in jedem Fall dem Ermessen des Richters freigestellt ist. Mit Beendigung des Kriegszustandes dürfte aber ein derart summarisches Vorgehen nicht mehr am Platz sein. Bei größeren Vergehen und Verbrechen, die bisher hier und in nächster Umgegend nicht vorgekommen sind, würde auch jetzt schon eine Verlegenheit über die Art der Aburteilung bestehen, wenn nur Chinesen dabei interessiert sind. Daß die hiesige Bevölkerung recht gute Soldaten geben würde, wird allgemein bestätigt, zuletzt noch von dem engagierten Dolmetscher Mootz, welcher an einer Militärschule bis vor kurzem Lehrer war. Es würde vielleicht zweckmäßig sein, hier ausgebildete Mannschaften in unseren afrikanischen Kolonien als Soldaten und Polizisten zu verwenden. Überhaupt kann bei richtiger Leitung und Aufsicht Kiautschou wahrscheinlich ein wichtiger Ausfuhrort für Arbeitskräfte nach den deutschen Besitzungen in Afrika und Polynesien werden. Es muß indes, wenn diese Bestrebungen dauernden Erfolg haben sollen, mit größter Strenge amtlich dafür gesorgt werden, daß die den Angeworbenen gemachten Versprechungen voll und ganz erfüllt werden und kein ungesetzlicher Zwang auf sie ausgeübt wird. Für Gerechtigkeit hat der Chinese ein besonders feines Gefühl, und er läßt sich ohne Murren eine rauhe, rücksichtslose Behandlung gefallen, wenn unparteiisch verfahren wird und ihm das geringe Maß, was er als Menschenrecht kennt, nicht verkümmert wird. Aus diesem Grunde ist es aber wichtig, gerade im Anfang unserer hiesigen Herrschaft Personen mit der Verwaltung zu betrauen, die entweder genaue Kenntnis des Volkscharakters und der Volksgebräuche haben oder ernstlich bestrebt sind, bei allen Schritten in diesen Dingen erfahrene Berater heranzuziehen. - Über die später anzulegenden Befestigungen habe ich mich nicht ausgesprochen, weil die Entscheidung über die zu wählenden Orte wesentlich von den Hafenanlagen bedingt wird, und der Plan hierfür noch fehlt. Wem die Entwicklung unserer hiesigen Besitzung am Herzen liegt, muß wünschen, daß sobald als möglich eine in weiten Grenzen selbständige, energische und beständige Leitung eingesetzt wird. Der viermalige Wechsel in der Stellung des Höchstkommandierenden am Lande 13 macht hier draußen unzweifelhaft keinen günstigen Eindruck, gez. von Diederichs ΒΑΜΑ, RM 3/6697,

BI.216ff.'4

13 Als erster Militärgouverneur wurde Kapitän zur See Zeye von Diederichs selbst ernannt, siehe Dok. 25. Der ranghöhere Diederichs war als Chef des Kreuzergeschwaders Oberbefehlshaber über die Seestreitkräfte Mit dem Eintreffen der ersten Verstärkung am 28.1.1898 übernahm Kapitän zur See Stubenrauch die Geschäfte des Oberbefehlshabers an Land. Am 11.2.1898 übernahm der Korvetten-Kapitän im Rang eines Oberstleutnant, Truppel, die Geschäfte, siehe Dok. 46. Am 7. März 1898 sollte der erste Gouverneur Rosendahl die Geschäfte antreten, er kam dann allerdings erst am 16.4. in Kiautschou an. 14 Der Bericht wurde in einer überarbeiteten Fassung dem Reichstag vorgelegt, in welcher sämtliche Anmerkungen von Diederichs mit kritischem Anklang (z.B. über die notwendige Selbstverwaltung, über die Wechsel der Oberbefehlshaber usw ) gestrichen worden waren, siehe SBRV 164:2344-2347.

198

47 Vorläufige Geschäftsordnung für das Gouvernement Kiautschou (15.3.1898) §i. Zu dem Gouvernement von Kiautschou gehört das gesamte an der Kiautschou-Bucht vertragsmäßig an das Deutsche Reich abgetretene Gebiet, dessen Abgrenzungen aus dem Vertrage hervorgehen. §2. 1. Die gesamte Verwaltung des im §1 bezeichneten Gebietes ist durch Allerhöchste Ordre vom 27. Januar 1898 dem Reichskanzler (Reichsmarineamt) übertragen. Der Staatssekretär des Reichsmarineamts übt den Oberbefehl über die innerhalb dieses Gebietes stationierten Truppen aus, er hat die gerichtsherrlichen Befugnisse des Kommandierenden Admirals. 2. Die Entwicklung der Interessensphäre steht im engsten Zusammenhange mit der von Kiautschou; unbeschadet der im § 2,3 gegebenen Vereinbarung soll seitens der Marineverwaltung dahin gestrebt werden, daß innerhalb der Interessensphäre keine Anordnungen von China getroffen werden - Zölle, Lijin 15 , - welche der Entwicklung von Kiautschou entgegenstehen könnten. 3. Die Bearbeitung derjenigen politischen und handelspolitischen Angelegenheiten, welche sich auf außerhalb des Pachtgebiets zu gründende deutsche Unternehmungen, wie z.B. Eisenbahnen und Bergbau beziehen, erfolgt unter Mitwirkung des Reichsmarineamts durch das Auswärtige Amt. §3. 1. An der Spitze des Gouvernements steht der Gouverneur von Kiautschou. Derselbe ist oberster Chef am Orte der Militär- und Zivilverwaltung, oberster Befehlshaber aller im Gouvernement stationierten Truppen und versieht die Funktionen eines Kommandanten. Der Gouverneur ist Vorgesetzter aller Marinebeamten innerhalb des Gouvernements. Der Erlaß einer Ausfuhrungsbestimmung zu §159 des Reichsbeamtengesetzes bleibt vorbehalten. 2. Der Gouverneur hat die gerichtsherrlichen Befugnisse eines Marinestationschefs gemäß §28 der M.Str.G.V., sowie die Urlaubs- und Strafbefugnisse desselben. Zu den Seebefehlshabem befindet er sich in einem Requsitionsverhältnis, bei gemeinschaftlichen Operationen der Land- und Seestreitkräfte übt der rangälteste Befehlshaber den Oberbefehl aus.

15 Inländischer Transitzoll, der an bestimmten Stellen (Lijin-Stationen) entlang der größten Verkehrswege erhoben wurde und sich auf ca 4% bis 10 % des Warenwertes belief

199 3. Innerhalb seines Dienstbereichs und während seiner Amtsdauer fuhrt der Gouverneur als Kommando- und Unterscheidungsabzeichen dieselbe Flagge wie der Gouverneur von Ostafrika. Als Salut fur den Gouverneur oder seine Abzeichen sind 13 Schuß zuständig, sofern nicht infolge der persönlichen Rangstellung ein höherer Salut vorgeschrieben ist. 4. Bei vorübergehender Abwesenheit des Gouverneurs bzw. im Falle der Behinderung in der Wahrnehmung seiner Geschäfte geht bis zum Eintreffen besonderer Befehle die Vertretung in der Zivilverwaltung auf den Zivilkommissar (§5), in der Militärverwaltung und dem Kommando auf den ältesten, am Orte befindlichen Offizier über. §4. 1. Unter der oberen Leitung des Gouverneurs werden die Geschäfte der Zivilverwaltung bearbeitet durch: a) den Zivilkommissar, b) den Richter, c) den Hafenbaubeamten. Außerdem werden dem Gouvernement beigegeben ein Dolmetscher und ein Dolmetschereleve. 2. Das notwendige Unterpersonal wird, soweit es nicht aus der Heimat herangezogen werden muß, auf Vorschlag der unter § 4,1 genannten Beamten vom Gouverneur mit der Maßgabe angestellt, daß die möglichste finanzielle Beschränkung statthat, und, wenn möglich, in erster Linie auf die Besatzungstruppen zurückgegriffen wird. Alle vom Gouverneur anzustellenden Beamten sind auf Widerruf der Kündigung zu berufen. 3. Der Gouverneur ist in vollem Umfange verantwortlich für den gesamten das Gouvernement betreffenden Geschäftsverkehr. In der inneren Verwaltung soll jedoch der Grundsatz maßgebend sein, daß den einzelnen Beamten möglichste Selbständigkeit zugewendet, mithin Dezentralisation der Arbeit angestrebt wird. 4. Der Gouverneur ist verpflichtet, auf ausdrücklichen Antrag eines der im § 4,1 genannten Beamten ernste Bedenken desselben gegen von ihm getroffene Entscheidungen und Anordnungen zur Kenntnis des Staatssekretärs zu bringen. Seinem Bericht hat er den schriftlich begründeten Antrag des betroffenen Beamten im Original beizufügen. Der Vollzug der Entscheidungen und Anordnungen des Gouverneurs wird hierdurch nicht aufgehalten. §5. Dem Zivilkommissar liegt die gesamte Zivilverwaltung ob, insbesondere die Finanzverwaltnng, die Sicherheitspolizei, die fur Handel, Industrie und Schiffahrt notwendigen Anordnungen und Einrichtungen, das Schul- und Kirchenwesen, die Beaufsichtigung der chinesischen Behörden und Einrichtungen. Ferner steht ihm die Mitwirkung in allen Geschäften des Bauressorts zu, welche finanzielle Erfordernisse im Gefolge haben. Endlich werden ihm die standesamtlichen Funktionen übertragen. §6. Dem Richter bzw. dem unter Zuziehung von Laien zu bildenden Gericht liegt ob:

200 a) Die streitige Gerichtsbarkeit - Verhandlung und Entscheidung von bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten - wenn Nichtchinesen als Prozeßpartei beteiligt sind, im Rahmen des Gesetzes vom 10. Juli 1879 über b) Die streitige Gerichtsbarkeit über Chinesen in der Berufungsinstanz. c) Die freiwillige Gerichtsbarkeit: Führung des Handelsregisters, Anlegung und Führung des Grundbuchs, Errichtung von gerichtlichen Verträgen und von Testamenten usw.. d)Die Zivilstrafrechtspflege im Rahmen des Gesetzes vom 10. Juli 1879, wenn Nichtchinesen beteiligt sind. e) Die Zivilstrafrechtspflege über Chinesen in der Berufungsinstanz. f) Die Führung der Auditeurgeschäfte betreffend die Marineangehörigen der Garnison und das Justitiariat des Gouvernements. h) Vertretung des Zivilkommissars in Behinderungsfällen. §7. 1. Dem Hafenbaubeamten liegt ob: a) Aufstellen des Bebauungsplanes. b) Aufstellen der Projekte nebst den zugehörigen Kostenanschlägen und Erläuterungsberichten. c) Die obere Leitung der Ausführung fiskalischer Bauten und die zugehörige Verwaltung der dafür bewilligten Geldmittel, diese unter Mitwirkung des Zivilkommissars bzw. des höheren Intendanturbeamten. d) Die Begutachtung und Kontrolle über die Ausführung der von den konzessionierten Gesellschaften und Privaten herzustellenden, dem allgemeinen Verkehr dienenden Anstalten und Bauten. e) Abschluß sämtlicher Kontrakte über fiskalische Bauausführungen, des dazu nötigen Landerwerbs unter Mitwirkung des Zivilkommissars und unter Zuziehung des Richters, Ausübung der Baupolizei in Gemeinschaft mit dem Zivilkommissar. f) Ausstellung von Meßbriefen. g) Bearbeitung aller sonstigen in das Baufach schlagenden Angelegenheiten. 2. Die dem Reichsmarineamt in zweifacher Ausfertigung vorzulegenden Projekte sind derartig auszuarbeiten, daß über die Möglichkeit der Ausführbarkeit kein Zweifel obwalten kann. Die Anschläge sind titelweise in gedrängter Form mit ausreichend erklärendem Text aufzustellen. Die Massen- und Materialienermittlung ist mit der Kostenberechnung zu vereinigen und die Ermittlung der Massen den einzelnen Vordersätzen direkt voranzustellen (siehe §5 der Beilage M.D.O.). Auf eine möglichste Zuverlässigkeit bei der Veranschlagung ist das größte Gewicht zu legen, so daß die Innehaltung der Gesamtkostensumme gewährleistet wird. Für die in Ansatz zu bringenden Einheitspreise werden die kleineren, im ersten Jahre auszuführenden Lieferungen und Leistungen einen Anhalt bieten. Im übrigen sind die Bestimmungen der Marktdienstordnung als Richtschnur zu nehmen und unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse sinngemäß zur Anwendung zu bringen. §8. 1. Zur Unterstützung sind dem Gouverneur beigegeben:

201 a) ein Adjutant b) ein höherer Intendanturbeamter als Intendant. 2. Der Adjutant versieht gleichzeitig die Funktionen als Hafenkapitän und Platzmaior. Seine Dienstobliegenheiten regelt der Gouverneur durch eine besondere Dienstanweisung. 3. Der Intendant ist Referent des Gouverneurs in allen Militär-Verwaltungsangelegenheiten. Er leitet und überwacht den Militär-Verwaltungsdienst nach Maßgabe der für ihn zu erlassenden Dienstanweisung und nach etwaiger besonderer Anordnung des Gouverneurs. Dem Intendanten liegt die Sicherstellung aller ökonomischen Bedürfnisse fur die militärischen Verwaltungsstellen des Gouvernements ob, deren Beschaffung möglichst zu konzentrieren ist, sowie die Fondsverwaltung und die Beschaffung der für den Kassenverkehr nötigen Betriebsfonds, letztere nach den Vorschriften des Schiffskassen-Reglements. Er hat die in der Marine vorgeschriebenen Kassenbestands-Lokal- und Lokalbau-Revisionen vorzunehmen und fungiert als Verwaltungsmitglied bei der Musterungskommission. Für die Dauer seines Kommandos ist der Intendant der Disziplinarbefugnis des Marinestationsintendanten im Sinne des §26 2 Int.G.A. entzogen. Er ist Verwaltungsvorgesetzter des gesamten bei der Militärverwaltung des Gouvernements beschäftigten Verwaltungs und Verwaltungsschiffspersonal und demselben gegenüber zu Warnungen und Verweisen befugt. Bei Meinungsverschiedenheiten mit dem Gouverneur gilt das im § 4,4 Gesagte. 4. Das erforderliche Büropersonal kommandiert der Gouverneur aus den Besatzungstruppen. §9. 1. Unter der oberen Leitung des Gouverneurs werden die Geschäfte der Militärverwaltung wahrgenommen durch a) die Artillerieverwaltung, b) die Garnisonverwaltung, c) die Lazarettverwaltung, d) das Verpflegungsamt, e) die Gouvernementskasse. 2. Für die Militärverwaltung des Gouvernements finden generell die in der Kaiserlichen Marine geltenden Reglements und Vorschriften sinngemäße Anwendung. Wird ein Abweichen von denselben durch besondere Verhältnisse bedingt, so hat in dringenden Fällen, wenn die Entscheidung des Staatssekretärs des Reichsmarineamts nicht rechtzeitig eingeholt werden kann, der Gouverneur auf eigene Verantwortung die erforderlichen Anordnungen und Entscheidungen zu treffen. Die nachträgliche Genehmigung ist alsdann sofort zu erbitten. 3. Alle Verfugungen und Berichte, soweit sie prinzipieller Natur sind oder finanzielle Konsequenzen im Gefolge haben, haben unter der äußeren Adresse des Gouverneurs die Instanz desselben zu passieren. Der Gouverneur versieht diese Schriftsachen mit dem Vermerk „Einverstanden" oder fugt die Gründe fur seine ablehnende Stellung hinzu. 4. Das Unterpersonal, Ordonanzen usw. wird, soweit es nicht besonders aus der Heimat kommandiert wird, durch den Gouverneur auf Vorschlag der betreffenden Vorstände

202 kommandiert. Die Vorstände selbst sind berechtigt, etwaige einheimische Arbeiter unter Beachtung der im §4 gegebenen Beschränkung anzunehmen. § 10. 1. An der Spitze der Artillerieverwaltung steht als Vorstand ein Kapitän-Leutnant - nebenamtlich der Führer des Artillerie-Detachements. 2. Die Artillerieverwaltung Kiautschou ressortiert von der Marinedepotinspektion. §111. An der Spitze der Garnisonverwaltung steht als Vorstand ein Garnison-Verwaltungsinspektor. 2. Die Garnisonverwaltung ressortiert von der Intendantur der Marinestation der Nordsee. §12.

1. An der Spitze der Lazarettverwaltung steht als Chefarzt des Lazaretts der Garnisonarzt. Die Wahrnehmung des ökonomischen Dienstes ist dem Lazarettinspektor übertragen. Zum Lazarett gehören ferner ein Assistenzarzt sowie das erforderliche Lazarettgehilfen- und Krankenwärterpersonal. Im Bedarfsfalle können die Truppenärzte als ordinierende oder assistierende Ärzte zum Lazarettdienst ressortiert in sanitärer Beziehung von dem Sanitätsamt der Marinestation der Nordsee, in ökonomischer Beziehung von der Intendantur derselben Station. §13. An der Spitze des Verpflegungsamtes steht ein Zahlmeister bzw. Zahlmeister-Aspirant. Das Verpflegungsamt ressortiert von der Intendantur der Marinestation der Nordsee. § 14. 1. Die Geschäfte der Gouvernementskasse werden wahrgenommen von dem Garnisonverwaltungsinspektor und Lazarettinspektor als Rendant und Kontrolleur. 2. Die Gouvernementskasse besorgt die Kassengeschäfte fur alle Verwaltungsstellen der Militär- und Zivilverwaltung des Gouvernements. Die Verwaltung erfolgt nach den für die Garnisonkassen geltenden Bestimmungen. Die Verwahrung und Liquidierung der fiskalischen Einnahmen und Ausgaben erfolgt durch die einzelnen Verwaltungsstellen nach den im Landkassenreglement enthaltenen Bestimmungen über die Geschäftsführung bei den Rechnungsämtern. § 15. Die Sicherheitspolizei wird vorläufig durch die Garnisontruppen ausgeübt, welche hierzu in der erforderlichen Anzahl auf Befehl des Gouverneurs kommandiert und dem Zivilkommissar unterstellt werden. Die Sicherheitspolizei ist in Ausübung ihres Dienstes äußerlich erkennbar zu machen. §16.

1. Die Garnison von Kiautschou besteht aus a) dem Marineinfanteriebataillon, b) dem Matrosen-Artillerie-Detachement.

203 Etwaige sonst kommandierte Mannschaften der Marine werden, soweit sie nicht einen besonderen Verpflegungs-pp.-Verband bilden, diesen beiden Truppenteilen in bezug auf Abfindung attachiert. 2. Das 3. Marineinfanterie-Bataillon Kiautschou und das Matrosenartillerie-Detachement bilden j e einen selbständigen Kommando- und Verpflegungsverband. 3. Die Stärke und Zusammensetzung der Garnison bleibt vorläufig noch offen. Es wird angenommen, daß sich die jetzige Stärke bald, namentlich nachdem die Besetzung der Städte Jiaozhou und Jimo aufgegeben und auf das vertragsmäßige Gebiet zurückgezogen ist, erheblich einschränken lassen wird. Nur die notwendigste Zahl ist beizubehalten. BA/MA, RM 3 6717, Bl.1-6.

48 Bestimmungen über die Organisation der Besatzung von Kiautschou (27.4.1898)16 1. Zusammensetzung der Besatzung Die Besatzung von Kiautschou besteht aus dem II. Seebataillon zu 4 Kompanien, dem Matrosenartillerie-Detachement Kiautschou, dem sonstigen militärischen Personal des Gouvernements. 2. Stärke und Ergänzung a) Das III. Seebataillon und das Matrosenartillerie-Detachement Kiautschou bilden je einen selbständigen Kommando- und Verpflegungsverband. Die Stärkeverhältnisse ergibt die Anlage l . 1 7 Die Ergänzung erfolgt aus den Stammkompanien, welche in der Heimat stationiert sind. Das Nähere enthält die Anlage 2. 1 8 b) Das sonstige militärische Personal des Gouvernements besteht aus dem Gouverneur und dem militärischen Personal des Gouvernementsstabs, des als Bootsbesatzungen kommandierten Personals, dem militärischen Personal der Artillerieverwaltung, Lazarettverwaltung, Gouvernementskasse, Verpflegungsamtes. Der Gouverneur bestimmt, welchen Marineteil der Besatzung von Kiautschou das sonstige militärische Personal des Gouvernements in disziplinarer Hinsicht und in bezug auf die Verpflegung zu attachieren ist.

16 Die Bestimmungen wurden am 27.4.1898 von Wilhelm II. genehmigt. 17 Hier nicht abgedruckt. Die Anlage sah eine Stationierung von insgesamt 2 2 0 0 Mann vor. 18 Hier nicht abgedruckt. Die Anlage enthält detaillierte Regelungen, welchen Marineteilen die Mannschaften entnommen werden sollten.

204 Die Stärke und Zusammensetzung des Personals ergibt die Anlage 1. Die Offiziere, Ärzte, Feuerwerksoffiziere und Zahlmeister des sonstigen militärischen Personals des Gouvernements werden den entsprechenden Offizier-pp.-Korps und den Zahlmeistern der Marine entnommen, das Unterpersonal wird von den resp. Marineteilen gestellt. Das Nähere enthält die Anlage 2. 3. Dauer des Kommandos Das Kommando zur Besatzung von Kiautschou dauert in der Regel nicht unter 2 Jahre. In jedem Jahre soll tunlichst die Hälfte der gesamten Besatzung abgelöst werden. Gesuche von Unteroffizieren und Kapitulanten des III. Seebataillons bzw. des Matrosenartillerie-Detachements auf Verlängerung des Kommandos über 2 Jahre hinaus unterliegen der Entscheidung der Inspektion der Marineinfanterie bzw. Marineartillerie. Derartige Gesuche von Offizieren pp. sowie von Unteroffizieren des sonstigen militärischen Personals des Gouvernements sind an das Reichsmarineamt weiterzugeben. 4. Ressortverhältnisse a) Die Besatzung von Kiautschou ist dem Gouverneur als oberstem Befehlshaber am Orte und in oberster Instanz dem Staatssekretär des Reichsmarineamts unterstellt. Das III. Seebataillon und das Matrosenartillerie-Detachement unterstehen außerdem den Inspektionen der Marineinfanterie und Marineartillerie in derselben Weise wie die heimischen Seebataillone bzw. Matrosenartillerie-Abteilungen. Der Schriftverkehr zwischen den Inspektionen und dem III. Seebataillon bzw. dem Matrosenartillerie-Detachement und umgekehrt hat unter der äußeren Adresse des Gouvernements die Instanz des Gouverneurs zu passieren. b) Die in der Heimat zu formierenden Stammkompanien unterstehen den resp. Inspekturen und Stationschefs und in oberster Instanz dem Kommandierenden Admiral in derselben Weise, wie die Marineteile, denen sie attachiert sind. Die Unterstellung der Stammkompanien unter den Befehl des Staatssekretärs des Reichsmarineamts in oberster Instanz erfolgt mit dem Tage der Einschiffung auf den Ablösungstransportdampfer bzw., wenn der Transport mit einem fur S.M. Schiffe vereinigt wird, mit dem Tage der vollendeten Ausschiffung in Kiautschou. Der Rücktransport tritt mit dem Eintreffen in dem Heimathafen bzw. bei Vereinigung mit einem Transport von S.M. Schiffen mit dem Tage der Einschiffung in Kiautschou unter den Befehl des Kommandierenden Admirals. c) Vorübergehend nach Kiautschou kommandierte Offiziere und Mannschaften gehören nicht zur Besatzung von Kiautschou, unterstehen jedoch, sofern sie dem Gouvernement zugeteilt sind, dem Gouverneur und in oberster Instanz dem Staatssekretär des Reichsmarineamts. Erfolgt diese Zuteilung nicht, so verbleiben sie in ihrem sonstigen Verbände und der Gouverneur übt ihnen gegenüber die Rechte des Garnison-Ältesten aus. 5. Entlassung und Invalidisierung Die Entlassung der ausgedienten Mannschaften der Besatzung von Kiautschou erfolgt zur Reserve desjenigen Marineteils, welchem sie in der Stammkompanie bzw. früher angehörten.

205 Die Invalidisierung der Militärpersonen der Unterklassen der Besatzung erfolgt durch dasjenige Stationskommando, dem die Stammkompanie des zu Invalidisierenden, bzw. der Marineteil, welchem der Betreffende früher angehörte, untersteht. 6. Zahlung der Gebührnisse a) Die Offiziere, Sanitätsoffiziere, Zahlmeister, Büchsenmacher, Deckoffiziere, Unteroffiziere und Mannschaften der Besatzung von Kiautschou und der in der Heimat befindlichen Stammkompanien scheiden in bezug auf ihre Gebührnisse aus dem Marineetat aus - vergleiche Marineverordnungsblatt 1898 Seite 159 Nr. 123 - und erhalten ihre Kompetenzen aus dem Kiautschou-Fonds. b) Vorübergehend kommandierte Offiziere pp. und Mannschaften verbleiben im Marineetat, erhalten jedoch die während der Dauer des Kommandos zuständigen besonderen Gebührnisse aus dem Kiautschou-Fonds, sofern die Kommandierung im Interesse des Gouvernements erfolgt ist. BAMA, RM31 513, Bl. 290-291.

49 Kaiserliche Ordre betreffend die Erklärung Kiautschous zum Schutzgebiete (27.4.1898) Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden deutscher Kaiser, König von Preußen, etc. etc. etc. tun kund und fugen hiermit zu wissen: Nachdem durch den am 6. März 1898 zwischen Unserer Regierung und der KaiserlichChinesischen Regierung zu Peking geschlossenen Vertrage das in diesem Vertrage näher bezeichnete, an der Kiautschou-Bucht belegene in Deutschen Besitz übergegangen ist, nehmen Wir hiermit im Namen des Reiches dieses Gebiet unter Unseren Kaiserlichen Schutz. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel. Abgegeben Berlin Schloß, den 27. April 1898. gez. Wilhelm I.R. gez. Fürst zu Hohenlohe. BAMA, RM 3 6699, BI.235.

206

50 Verordnung des Gouverneurs von Kiautschou, Rosendahl, betreffend Landerwerb im Deutschen Kiautschou-Gebiete (2.9.1898) § ι. Das Gouvernement wird sämtliche Grundstücke des deutschen Kiautschou-Gebietes von den chinesischen Eigentümern gegen eine bestimmte, den Preisen vor der Besetzung des Gebiets angepaßte Entschädigung käuflich erwerben. Für die Eigentumsverhältnisse sind die chinesischen amtlichen Steuerlisten maßgebend. So lange der Ankauf durch das Gouvernement nicht stattgefunden hat, ist vor jeder Eigentumsübertragung unter den Dorfbewohnern oder Benutzung des Landes zu andern als den bisherigen Zwecken die Genehmigung des Gouvernements einzuholen; jede Eigentumsübertragung oder Verpachtung an andere als Bewohner desselben Dorfes oder Mitglieder dersel19

ben Familie ist untersagt. §2. In allen anderen als den unter 1 genannten Fällen können Grundstücke nur auf den vom Gouvernement angesetzten öffentlichen Verkäufen erstmalig erstanden werden. Eigentum an einem Grundstück wird nach erfolgtem Zuschlag durch das Gouvernement bei dem Verkauf durch die Eintragung in das Grundbuch erworben. §3. Öffentliche Landverkäufe werden von dem Gouvernement von Zeit zu Zeit, je nach Bedürfnis angesetzt und mindestens 14 Tage vor dem Verkaufstermin bekanntgemacht werden. In der Bekanntmachung wird außer dem Termin die genaue Bezeichnung der Grundstücke nach dem Bebauungsplan und der vom Gouvernement geforderte Mindestpreis der einzelnen Grundstücke enthalten sein. Der Zuschlag an einen Käufer erfolgt, wenn nicht besondere Umstände ein Abweichen hiervon bedingen, gegen Meistgebot. Zum Bieten werden solche Personen zugelassen, die ein Gesuch um Überlassung eines Stück Landes mindestens 8 Tage von der Veröffentlichung des Verkaufstermins dem Gouvernement eingereicht haben. Dem Gesuch ist ein allgemeiner Benutzungsplan beizufügen und der Zweck, zu dem das Grundstück erworben werden soll, anzugeben. Der Benutzungsplan unterliegt der Genehmigung des Gouvernements: Für die Ausführung des Benutzungsplans wird für die Grundstücke, die innerhalb von zwei Jahren vom Tage des Erlasses dieser Bekanntmachung an erworben werden, eine Frist von drei Jahren von heute ab gewährt, die auf besonderen Antrag und unter besonderen Umständen auf 5 Jahre verlän19 Dieser Paragraph wurde neu geregelt durch die Verordnung betreffend Landübertragungen unter der chinesischen Bevölkerung im deutschen Kiautschou-Gebiet, 5.5.1905, in: Mohr 1911:242f. Durch die Verordnung des Gouverneurs wurde die Übertragung von Eigentum an Grundstücken „nur unter Chinesen, die im Schutzgebiet oder im Jimo- oder Jiaozhou-Kreise ihre Heimat haben", erlaubt, sofern sie zuvor vom Gouvernement genehmigt worden war.

207 gert werden kann; nach Ablauf der obengenannten 2 Jahre wird eine andere Fristbestimmung über die Ausführung des Benutzungsplans in Kraft treten. Erhebliche, von dem Gouvernement nicht vorher gebilligte Abweichungen von dem einmal genehmigten Benutzungsplan, sowie Nichtausführung desselben innerhalb der vereinbarten Frist, haben den Verlust des Eigentums an das Gouvernement zur Folge. In diesem Falle wird dem eingetragenen Eigentümer die Hälfte des von dem ersten Eigentümer gezahlten Kaufpreises zurückgezahlt. Diese Beschränkung ist in Abteilung II des Grundbuchs einzutra20 gen. Die in Absatz 2 erwähnte Frist verringert sich bei dem ersten Verkauf auf eine Woche, von dem Verkaufstermin rückwärts gerechnet. §4. Firmen oder Gesellschaften, die außerhalb des auf Grund des allgemeinen Bebauungsplans zum Verkauf gestellten Gebiets Grundstücke zur Anlage gemeinnütziger oder dem allgemeinen Interesse dienender Anstalten oder wirtschaftlicher Unternehmungen erwerben wollen, kann Land an jedem Platze des Gebiets ohne weiteres kauf- oder pachtweise zur Verfugung gestellt werden. Das Gouvernement behält sich die besonderen Vereinbarungen und Bedingungen fur jeden Fall vor. §5. Personen, die bereits vor dem Tage des Erlasses dieser Verordnung Land vom Gouvernement gepachtet und dort mit schriftlicher Genehmigung des Gouvernements feste Gebäude errichtet haben, können in besonderen Fällen nach Zahlung des vom Gouvernement festgesetzten Wertes der Grundstücke unter Aussetzung des Meistgebotsverfahrens diese käuflich erwerben. §6. Die Käufer verpflichten sich, bei einer Wiederveräußerung der von ihnen erstandenen Grundstücke 33 1/3% des dabei erzielten Reingewinns dem Gouvernement auszukehren. Diese Verpflichtung wird als dauernde Beschränkung des Eigentums in Abteilung II des Grundbuchs eingetragen. Zu dem Zwecke haben die Eigentümer vor jeder Wiederveräußerung den Kaufpreis, zu dem sie das Grundstück zu verkaufen gewillt sind, dem Gouvernement zu melden. Bei Berechnung des Reingewinns wird der Wert aller vom Käufer nach seinen eigenen Angaben an dem Grundstücke genommenen Verbesserungen nebst Zinsen von 6% von dem bei dem Weiterverkauf erzielten Preise abgezogen. Diese Angaben können der Prüfung einer Kommission, welche aus 2 Beamten und 2 andern hier ansässigen Personen besteht, unterworfen

20 Dieser Absatz wurde neu geregelt durch die Verordnung betreffend die Rechte an Grundstücken im Kiautschou-Gebiet vom 30.3.1903, in: Mohr 1911 263-266, und die Verordnung über Abänderung und Ergänzung der Verordnung betreffend die Rechte an Grundstücken im Kiautschou-Gebiet vom 31.12 1903, in: Mohr 1911:266. Bei Nichtausführung oder Abweichung vom genehmigten Nutzungsplan wurde jetzt eine erhöhte Grundsteuer von zunächst 9% (statt 6%), nach Ablauf von drei Jahren 12%, erhoben. Wurde die Bebauung auch dann nicht ausgeführt, sollte die Grundsteuer nach je drei Jahren um 3% erhöht werden

208 werden. Der Befund der Kommission wird der endgültigen Berechnung des Reingewinns zugrunde gelegt. Das Gouvernement behält sich das Vorkaufsrecht zu dem von den Eigentümern gemeldeten Verkaufspreise vor. §7. Bei Grundstücken, die innerhalb 25 Jahren den Eigentümer durch freiwilligen Verkauf nicht gewechselt haben, behält sich das Gouvernement die Auflage einer besonderen einmaligen Abgabe vor, welche den in §6 bestimmten Gewinnanteil nicht übersteigen darf. Der Wert der Grandstücke ist zu diesem Zweck von der in §6 bezeichneten Kommission zu schätzen. Dasselbe Verfahren kann nach je weiteren 25 Jahren wiederholt werden. §8. Die Eigentümer von Grundstücken sind zur Entrichtung einer Grundsteuer verpflichtet, welche 6% vom Wert des Grandstücks beträgt. Als Wert des Grundstücks gilt bis zum 1. Januar 1902 der an das Gouvernement gezahlte Kaufpreis. Nach dieser Zeit wird der Wert in gewissen Zwischenräumen durch Abschätzung festgesetzt werden. Qingdao, den 2. September 1898 Rosendahl Kapitän zur See und Gouverneur des Kiautschou-Gebiets. Amtsblatt flir das Schutzgebiet Kiautschou 1900, S. 14.

51 Verordnung des Gouverneurs von Kiautschou, Jaeschke, betreffend die Rechtsverhältnisse der Chinesen (15.4.1899) Unter Aufhebung der Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse der Chinesen vom 1. Juli 1898, wird folgendes bestimmt. I. Allgemeine Bestimmungen § 1. Werden bei einer strafbaren Handlung Chinesen und Nichtchinesen als Täter, Teilnehmer, Begünstiger oder Hehler gemeinschaftlich beschuldigt, oder sind Chinesen und Nichtchinesen in einen bürgerlichen Rechtsstreit verwickelt, so ist das Kaiserliche Gericht auch zur Verhandlung und Entscheidung gegen Chinesen zuständig. In diesem Falle findet das für Nichtchinesen geltende Recht auch auf Chinesen Anwendung. §2. In den Fällen, welche nicht unter §1 fallen, wird die Gerichtsbarkeit über Chinesen durch den Richter und vom Gouverneur ernannte Beamte (Bezirksamtmänner) ausgeübt.

209 §3. Die Bezirksamtmänner haben, soweit sie noch nicht als Reichsbeamte beeidigt sind, vor ihrem Dienstantritt folgenden Eid zu leisten: „Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, die Pflichten eines Bezirksamtmannes treu und gewissenhaft zu erfüllen. So wahr mir Gott helfe!" §4. Zur Erforschung der chinesischen Rechtsanschauungen sind erforderlichenfalls die Dorfältesten oder andere geeignete Persönlichkeiten zu hören. II. Strafrechtspflege §5. Alle Handlungen, welche 1. durch Verordnungen des Gouverneurs mit Strafen bedroht sind, 2. man den Gesetzen des Deutschen Reiches den Tatbestand eines gegen das Reich, sowie gegen Gesundheit, Leben, Freiheit und Eigentum eines anderen gerichteten Verbrechens und Vergehens oder 3. den Tatbestand einer Übertretung enthalten, welche im Interesse der öffentlichen Ordnung unter Strafe gestellt ist oder 4. im chinesischen Reich mit Strafen belegt werden, sind strafbar. §6. Die zulässigen Strafen sind: 21

1. Prügelstrafe bis zu 100 Schlägen, 2. Geldstrafe bis zu 5.000 Dollar, 3. zeitige Freiheitsstrafe bis zu 15 Jahren, 4. lebenslängliche Freiheitsstrafe, 5. Todesstrafe. Auf sie kann allein oder in Verbindung miteinander oder mit Ausweisung aus dem Schutzgebiet erkannt werden. Bei der Ausweisung ist dem Beschuldigten für den Fall seiner Rückkehr eine Strafe anzudrohen, welche sofort vollstreckt werden kann, wenn der Beschuldigte wieder innerhalb des Schutzgebiets betroffen wird. Bei Umwandlungen von Geldstrafen in Freiheitsstrafen ist der Betrag von 1 Dollar einer 1 bis 5tägigen Freiheitsstrafe gleich zu achten.

21 Die Prügelstrafe als Strafform wurde im Deutschen Reich nicht mehr praktiziert. Sie war im Allgemeinen Preußischen Landrecht von 1794 als Strafe vorgesehen gegenüber Hausgesinde. Das Preußische Landrecht besaß zwar formell bis 1918 Gültigkeit, wurde aber in der Praxis nicht mehr angewendet (absterbendes Recht). Insgesamt läßt sich festhalten, daß die hier dokumentierte Verordnung sowie die sog. Chinesenordnung (Dok. 52) viele Ähnlichkeiten mit dem mittelalterlichen Gesinderecht in Europa aufweisen, vgl. dazu Wolters 1995:220ff.

210 §7. Die Strafmündigkeit beginnt mit dem vollendeten 12. Lebensjahre. Personen, welche das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind nur in Ausnahmefällen zu Freiheitsstrafen zu verurteilen und dann von anderen Verbrechern getrennt zu halten. Für die Handlungen jugendlicher Personen kann deren Vater, älterer Bruder, Vormund oder diejenige Person zu einer Strafe verurteilt werden, deren Obhut der jugendliche Verbrecher anvertraut ist. §8. Gegen eine Person weiblichen Geschlechts darf auf Prügelstrafe nicht erkannt werden. §9. Die Vollstreckung der Prügelstrafe erfolgt mit einem vom Gouverneur genehmigten Züchtigungsinstrument. Das auf Prügelstrafe lautende Urteil kann auf ein- oder mehrmaligen Vollzug ergehen. Bei jedem Vollzug darf die Zahl von 25 Schlägen nicht überschritten werden. Bei der Vollstreckung ist auf den Körperzustand der Verurteilten Rücksicht zu nehmen. § io. Die Freiheitsstrafe kann mit Zwangsarbeit verbunden werden. Die Art der Beschäftigung bestimmt der mit Ausübung der Polizeigewalt betraute Beamte. Widerspenstige Personen dürfen bei der Arbeit gefesselt werden. Personen, welche zum ersten Male zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden, können gegen Sicherheitsleistung, in besonderen Fällen auch ohne solche, auf freiem Fuß belassen werden. In derselben Weise können Gefangene, welche sich während ihrer Strafzeit gut geführt und mindestens die Hälfte ihrer Strafe verbüßt haben, vorläufig entlassen werden. Wird eine Person, welche vorläufig auf freiem Fuße belassen oder aus der Haft entlassen ist, innerhalb eines Jahres seit ihrer Verurteilung oder Entlassung wiederum verurteilt, so ist die erste Strafe ganz zu vollstrecken und die Sicherheit der Staatskasse verfallen. Die nach Absatz 2 und 3 notwendigen Verfügungen trifft der Beamte, welcher das Endurteil erlassen hat, oder sein rechtlich berufener Stellvertreter. § 11. Zur Verfolgung einer strafbaren Handlung ist derjenige Bezirksamtmann zuständig, in dessen Bezirk die Tat begangen oder der Beschuldigte ergriffen ist, oder derjenige, in dessen Bezirk der Beschuldigte seinen Wohnsitz hat. In der Regel ist die Untersuchung von demjenigen Bezirksamtmann zu beenden, welcher die erste Untersuchung vorgenommen hat. §12.

Die Bezirksamtmänner sind befugt, auf Freiheitsstrafen bis zu drei Monaten, Prügelstrafen und Geldstrafen bis zu 500 Dollar allein oder in Verbindung miteinander oder mit Ausweisung zu erkennen. Das Urteil, welches einer schriftlichen Begründung nicht bedarf, ist dem Angeschuldigten zu verkünden. Das Urteil ist in ein Spruchbuch nach folgendem Muster einzutragen.

211

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Über die Protokollierung der Zeugenaussagen und der Vereidigung von Nichtchinesen, welche als Zeugen vernommen werden, entscheidet der richterliche Beamte nach seinem Ermessen. § 13. Hält der Bezirksamtmann seine Strafgewalt nicht für ausreichend, so hat er alle erforderlichen Untersuchungshandlungen vorzunehmen und die Akten dem Richter einzusenden. Dem Richter steht es frei, weitere Beweise zu erheben oder die Untersuchung persönlich zu fuhren. Er entscheidet auf Grund der Akten. § 14. Urteile, durch welche auf Todesstrafe erkannt ist, bedürfen der Bestätigung durch den Gouverneur. Dieser bestimmt die Art, in welcher die Todesstrafe zu vollstrecken ist. § 15. Gegen die Urteile der Bezirksamtmänner ist die Berufung an den Richter23 zulässig, wenn auf höhere Strafe erkannt ist, als Freiheitsstrafe von sechs Wochen oder Geldstrafe von 250 Dollar. Die Berufung ist innerhalb drei Tagen nach der Verkündigung des Urteils bei dem Bezirksamtmann, dessen Entscheidung angefochten wird, zu Protokoll zu erklären. Ist die Berufung zulässig, so richtet sich das weitere Verfahren nach §13. § 16. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die Geldstrafen fließen zur Staatskasse. III. Zivilrechtspflege § 17. Den Entscheidungen ist das örtliche Gewohnheitsrecht zu Grunde zu legen. Der Gouverneur bestimmt durch jedesmalige Verordnung, welche Reichsgesetze bei Zivilstreitigkeiten, wo nur Chinesen beteiligt sind, Anwendung finden. 22 Es handelt sich hierbei um einen fiktiven Namen 23 Nach Schaffung eines Berufungsgerichtes zum 1.1.1908 (Kaiserliches Obergericht von Kiautschou) war jetzt der Oberrichter fur sämtliche Berufungen zuständig, vgl. Allerhöchste Verordnung betreffend Errichtung eines Gerichts II. Instanz im Schutzgebiet Kiautschou, 28.9.1907, in: Mohr 1911:65f.

212 § 18.

Die Klage ist schriftlich bei dem zuständigen Beamten einzureichen oder einer anderen von ihm dazu bestimmten Person zu Protokoll zu erklären. § 19. Als Beweismittel sind Urkunden, Zeugen, Sachverständige, Augenscheinseinnahme zulässig. Die Bestimmung des §12 Abs.3 findet entsprechende Anwendung. §20.

Wenn der Wert des Streitgegenstandes 250 Dollar nicht übersteigt, sind die Bezirksamtmänner zur Entscheidung zuständig. Örtlich zuständig ist der Bezirksamtmann, in dessen Bezirk der Beklagte sich aufhält oder seinen Wohnsitz hat. Ist der Streitgegenstand eine unbewegliche Sache, so ist derjenige Bezirksamtmann zuständig, in dessen Bezirk die Sache belegen ist.

§21.

Der Richter entscheidet in allen Fällen, die nicht zur Zuständigkeit der Bezirksamtmänner gehören. . , 24 , · Gegen die Urteile der Bezirksamtmänner ist die Berufung an den Richter zulassig, wenn der Wert des Streitgegenstandes 150 Dollar übersteigt. Das Verfahren richtet sich nach §§13 und 15. § 22.

Wird der Kläger abgewiesen, weil sich die von ihm behaupteten Tatsachen als unwahr herausgestellt haben, so kann er in eine Geldstrafe genommen werden, welche den Wert des Streitgegenstandes nicht übersteigen darf. Ist die Geldstrafe nicht beizutreiben, so tritt Freiheitsstrafe welche mit Zwangsarbeit verbunden sein kann, an ihre Stelle. §23. Wird der Beklagte verurteilt, so kann gegen ihn für den Fall, daß er dem Urteil nicht binnen einer bestimmten Frist nachkommt, eine Geld- oder Freiheitsstrafe festgesetzt werden. Von der eingehenden Geldstrafe ist der Kläger zu befriedigen. §24. In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten werden vom Kläger 2 Prozent vom Werte des Streitgegenstandes an Kosten erhoben, jedoch nicht unter 1 Dollar bei Sachen, die zur Zuständigkeit der Bezirksamtmänner gehören, bei allen übrigen nicht unter 10 Dollar. Der unterliegende Teil ist zum Ersatz der Kosten an den Kläger zu verurteilen. §25. Die Art der Zwangsvollstreckung bestimmt der Beamte, welcher das Urteil erster Instanz gesprochen hat.

§26.

Den mit der Ausübung der Gerichtsbarkeit betrauten Beamten steht es frei, in geeigneten Fällen die Kosten niederzuschlagen.

24 Seit dem 1 1.1908 Oberrichter, siehe oben.

213 §27.

Diese Verordnung tritt mit ihrer Verkündigung in Kraft. Qingdao, den 15. April 1899. Der Kaiserliche Gouverneur Jaeschke Anhang zum Marineverordmmgsblatt

1899, S. XXV.

52 Verordnung des Gouverneurs von Kiautschou, Jaeschke, betreffend Chinesenordnung für das Stadtgebiet (14.6.1900)

A. Distriktsvorsteher. §2. Der Kaiserliche Gouverneur wird für jeden Distrikt einen Distriktsvorsteher und, soweit es erforderlich ist, einen Steuererheber, die er für genügend empfohlen und geeignet hält, ernennen. Diese Distriktsvorsteher und Steuererheber unterstehen unmittelbar dem Kommissar für Chinesenangelegenheiten. §3. Der Kaiserliche Gouverneur ernennt ferner aus der Zahl der ihm durch die Hauseigentümer eines Distrikts empfohlenen Personen Ortsaufseher, die dem Distriktsvorstand direkt unterstehen. §4. Der Kommissar für Chinesenangelegenheiten regelt die Tätigkeit dieser Vorsteher, Steuererheber und Aufseher und ist befugt, sie in eine Strafe bis zu $ 10.00 zu nehmen und ohne Angabe von Gründen zu entlassen. B. Allgemeine Vorschriften zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung §5. Zwischen 9 Uhr abends und Sonnenaufgang darf kein Chinese die Straße betreten, ohne eine brennende Laterne zu tragen oder sich vortragen zu lassen. §6. Jede chinesische Bekanntmachung oder Proklamation, die an Häusern oder sonstwie öffentlich auf der Straße angeheftet werden soll, bedarf der Genehmigung des Kommissars für

25 §1 der Chinesenordnung beschreibt die Grenzen des Stadtgebietes von Qingdao. Dieses bestand aus den Stadtteilen Qingdao, Dabaodao, Taidongchen und Taixichen.

214 Chinesenangelegenheiten. Die Erlaubnis zur Anheftung ist zu versagen, falls der Inhalt die Ruhe und Ordnung zu gefährden geeignet ist. §7. Jede Versammlung oder Beratung zu anderen als religiösen Zwecken bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Kaiserlichen Gouverneurs. Die Erlaubnis ist beim Kommissar für Chinesenangelegenheiten durch den Veranstalter der Versammlung und den Hausbesitzer, in dessen Hause die Versammlung abgehalten werden soll, einzuholen. §8. Der Genehmigung des Kaiserlichen Gouverneurs bedürfen ferner: a) öffentliche Durchzüge durch die Straßen des Stadtgebietes mit Ausnahme von Hochzeits- und Leichenzügen, b) das Abbrennen von Feuerwerkskörpern, d) Theateraufführungen und provisorische Theaterbauten. Dem Gesuche sind die Einzelheiten sowie die Namen der aufzuführenden Stücke beizufügen. §9. Alle Bittschriften, Eingaben und Gesuche mit Ausnahme von Eingaben an das Gericht sind an den Kaiserlichen Gouverneur zu richten und in der Kanzlei des Kommissars für chinesische Angelegenheiten abzugeben. C. Allgemeine Vorschriften für die Erhaltung der öffentlichen Gesundheit § 10. a) In dem Stadtgebiete Qingdao ist in dem Teile, der im Westen von der Friedrichstraße, im Norden vom Hohenlohe-Weg, ferner durch eine Linie entlang dem Kamme des Gouvernementshügels bis zur Höhe des Ostpasses, im Osten durch die Abhänge der Iltisberge bis zum Meere hin begrenzt wird (Täler der Qingdao- und Clara-Bucht), der Bau von Chinesenwohnungen mit Ausnahme einer beschränkten Anzahl für Diener und dauernd Angestellte der dort wohnenden Europäer nicht gestattet. b) In den Distrikten Qingdao und Dabaodao ist mit Ausnahme für Dienerräume an Luftraum zu gewähren: für 1 über 10 Jahre alten Chinesen 25 cbm mit 6 qm Grundfläche, für 2 über 10 Jahre alte Chinesen je 20 cbm mit je 4 qm Grundfläche, für mehrere über 20 Jahre alte Chinesen je 16lA cbm mit je 4 qm Grundfläche; zwei Personen unter 10 Jahren sind einer Person über 10 Jahren gleich zu achten. c) In allen übrigen Distrikten sowie für Dienerräume in Qingdao und Dabaodao müssen die Wohnungen derart eingerichtet sein, daß auf jeden über 10 Jahre alten Chinesen ein Luftraum von 8 cbm bei 2Ά qm Grundfläche entfällt. d) Für provisorische Bauten zur Unterbringung von Arbeitern, Handwerkern u. dgl. innerhalb des Stadtgebietes ist die Genehmigung des Polizeiamts erforderlich. §H. Von jedem Falle einer ansteckenden Krankheit oder Befürchtung einer solchen hat der Hauseigentümer oder der Mieter oder ein Verwandter des Kranken dem nächsten Polizei-

215 büro binnen 48 Stunden Mitteilung zu machen. Zur Meldung sind die genannten Personen solange verpflichtet, bis eine derselben genügt hat. Die Polizeiverwaltung trifft im Notfalle alle Anordnungen für die sichere Fortschaffung der Kranken und verfugt die Maßregeln, die im Interesse der Gesundheit vorzunehmen sind, falls erforderlich, auch die Schließung des Hauses. Den Weisungen der Polizei ist in jedem Falle Folge zu leisten. § 12.

Jeder Hauseigentümer ist zur Anlage von Klosetts, deren Sauberhaltung und zur täglichen Fortschaffung aller Unratstoffe verpflichtet. Falls diese Fortschaffung durch die Unternehmer des Gouvernements ausgeführt wird, hat er den vom Gouvernement festgesetzten Preis monatlich an die Unternehmer zu zahlen. An Plätzen, wo Landwirtschaft betrieben wird und in unmittelbarer Nähe europäische Anwohner fehlen, kann mit Genehmigung der Polizei die Sammlung der Fäkalien in wasserdicht gemauerten Senkgruben erfolgen. §13. Zum Halten von Rindern, Schweinen, Schafen und Ziegen in der unmittelbaren Nähe menschlicher Wohnungen ist die besondere Erlaubnis des Polizeiamts erforderlich. Der Polizei steht die jederzeitige Besichtigung der Ställe zu; ihren Anordnungen in bezug auf Reinigung der Ställe und Sauberkeit ist in jedem Falle Folge zu leisten. Von jeder ansteckenden Krankheit unter Tieren ist sofort der Polizei Meldung zu erstatten. § 14. Jeder Hauseigentümer ist gehalten, für Reinlichkeit im Hause und Hofe, fur die Instandhaltung und Reinigung der Straßen vor und hinter dem Hause bis zur Mitte derselben Sorge zu tragen. Den Anordnungen der Polizei ist in jedem Falle Folge zu leisten. §15. Für die Benutzung der öffentlichen Straßen, Märkte und Kirchhöfe sind die besonders dafür erlassenen Anordnungen maßgebend. II. Besonderes § 16.

Die besonderen Bestimmungen finden auf die Distrikte Qingdao und Dabaodao keine Anwendung. D. Besondere Bestimmungen fur die Registrierung der Hauseigentümer § 17. Jeder Hauseigentümer, einerlei ob Chinese oder Nicht-Chinese, ist verpflichtet, binnen 14 Tagen von dem Zeitpunkte des Erwerbs an, die folgenden Angaben dem Kommissar fur Chinesenangelegenheiten zu machen: a) Namen der Straße, in der das Haus liegt, und Hausnummer, b) seinen eigenen Namen und Adresse, Beruf oder Handwerk, c) Namen, Stellung oder Beschäftigung jeder Person, die auf einen Monat oder länger das Haus oder einen Teil des Hauses gemietet hat,

216 d) Anzahl und Namen sämtlicher Hausbewohner (Frauen und Kinder bei der Anzahl eingeschlossen). § 18. Jeder Wechsel in der Zahl oder Person der Mieter ist binnen einer Woche zur Anzeige zu bringen. §20. Ein Hauseigentümer, der seinen Wohnsitz in dem Stadtgebiete nicht hat, hat einen im Stadtgebiete ansässigen Hauseigentümer als seinen Bevollmächtigten zu ernennen; dieser Bevollmächtigte nimmt den Behörden gegenüber dieselbe Stellung ein wie der Hauseigentümer selbst, haftet insbesondere auch für die Strafen. Stirbt oder verzieht der Bevollmächtigte, so übernimmt das Gouvernement selbständig und ohne Verantwortung die Verwaltung des Hauses, bis ein anderer an Stelle des Verstorbenen oder Verzogenen ernannt ist. §21.

Wird erwiesen, daß in einem Hause Glücksspiele oder Versammlungen ohne Erlaubnis abgehalten werden, oder daß Opium ohne Erlaubnis geraucht oder nicht verzolltes Opium verwendet wird, oder daß Spirituosen ohne Erlaubnis verkauft werden, oder werden Waffen, Sprengstoffe und dergl. in einem Hause entdeckt oder mehr Personen in einem Hause untergebracht als gesetzlich zulässig ist, so werden die Geldstrafen, falls der Schuldige nicht zur Verantwortung gezogen werden kann, über den Hauseigentümer verhängt und können zwangsweise, auch durch Versteigerung des Hauses von ihm eingetrieben werden. §22. Ist der Hauseigentümer oder sein Bevollmächtigter nicht aufzufinden, so genügt zur Zustellung in Sachen irgend einer Übertretung gegen eine Vorschrift dieser Verordnung die Zusendung an die zuletzt aufgegebene Adresse sowie Anheftung der Ladung an dem Hause, als dessen Eigentümer er eingetragen ist. Leistet er dieser Aufforderung keine Folge, so wird in Abwesenheit verhandelt. §23. Jeder Hauseigentümer erhält eine Bescheinigung vom Kommissar für Chinesenangelegenheiten, die dem Bezirksamtmann und der Polizei auf Verlangen vorzuweisen ist. §24. An Gebühren für die Registrierung werden erhoben: a) für die erste Eintragung von Haus und Eigentümer $ 2,~ b) für die Eintragung jeder Eigentumsveränderung $ 1,50 c) für die Bestellung eines Bevollmächtigten $ 5,~ E. Besondere Bestimmungen für die Registrierung der Herbergen §25. Jedes Haus, in welchem mehr als 12 nicht derselben Familie angehörige oder als Mieter eingetragene Personen Unterkunft erhalten, gilt als Herberge. Ausnahmen kann das Gouvernement auf Antrag zulassen.

217 § 26. Jeder Hauseigentümer hat unter Einreichung eines Planes des Hauses und der zur Herberge benutzten Räume sowie unter Nennung von zwei Hauseigentümern als Bürgen die Genehmigung des Kommissars für Chinesenangelegenheiten einzuholen und sein Haus als Herberge registrieren zu lassen. Die Bürgen nehmen den Behörden gegenüber dieselbe Stelle ein wie der Hauseigentümer selbst, haften insbesondere auch für die Strafen. §27. Der Kommissar bestimmt die Anzahl der Personen, die in dem Hause aufgenommen werden können. Außerhalb des Hauses ist an sichtbarer Stelle eine Tafel mit der Inschrift: „Registrierte Herberge", in jedem Zimmer ein Zettel mit der Anzahl der Personen, die dort beherbergt werden können, anzubringen. §28. Auf Anordnung des Kommissars für Chinesenangelegenheiten kann in jeder registrierten Herberge zu jeder Zeit, Tag und Nacht, eine Durchsuchung stattfinden. Finden sich in den Stunden von 11 Uhr nachts bis 4 Uhr morgens mehr Personen vor als nach dieser Verordnung zulässig ist, so wird der Hauseigentümer in eine Strafe bis zu $ 150,-- genommen. §29. Auf Anordnung des Kommissars für Chinesenangelegenheiten kann die Durchsuchung jedes chinesischen Hauses vorgenommen werden, wenn hinreichende Verdachtsgriinde vorliegen, daß das Haus als Herberge für Chinesen dient. §30. Eine Küche darf nicht als Schlafstelle dienen, ebensowenig darf ein Gang oder eine Treppe zur Berechnung des Luftraumes herangezogen werden. §31. Personen männlichen und weiblichen Geschlechts über 21 Jahre dürfen nicht in demselben Räume untergebracht werden, falls sie nicht im Verhältnis von Eltern und Kind oder Eheleuten stehen. §32. Jede Benutzung der Herbergen zur Unsittlichkeit oder Beherbergung von bekannten Verbrechern ist verboten. Über die Anzahl der Personen, die Unterkunft gefünden haben, ist täglich Buch zu führen. §33. Der Hauseigentümer ist verpflichtet, auf Ruhe und Ordnung im Hause zu halten, die Abfuhr von Schmutzwasser und dergl. täglich vornehmen zu lassen, sämtliche Fußböden und Treppen täglich auszukehren und alle drei Tage zu scheuern, mindestens 2 Stunden lang täglich mit Ausnahme schlechter Witterung und Anwesenheit eines Kranken im Hause die Stuben zu 26 lüften und mindestens einmal im Januar die Wände mit Kalkmilch zu weißen. [...]

26 §34 und §35 enthalten besondere Bestimmungen zu chinesischen Friedhöfen.

218 G. Strafbestimmungen §36. Personen, welche es unterlassen, eine ihnen nach dieser Verordnung obliegende Anzeige zu erstatten, oder welche eine zulässiger Weise von ihnen geforderte Auskunft nicht oder unrichtig erteilen, oder welche sonst den Bestimmungen dieser Verordnung entgegenhandeln, werden mit einer Geldstrafe bis zu $ 50,- oder Freiheitsstrafe bis zu 4 Wochen bestraft. Im Wiederholungsfalle kann die Geldstrafe bis auf $ 100,- und die Freiheitsstrafe bis auf die Dauer von 2 Monaten erhöht werden; auch hat der Schuldige Ausweisung zu gewärtigen. In jedem Falle einer auf Grund dieser Verordnung erfolgten Verurteilung kann durch den Kommissar für Chinesenangelegenheiten die Entziehung der erteilten Konzession verfugt werden. H. Schlußbestimmungen §37. Dieser Verordnung sind, mit Ausnahme fur die Bestimmungen über die Registrierung der Hauseigentümer und Herbergen, nur Chinesen unterworfen. Sie tritt am 1. Juli 1900, die Bestimmung über Registrierung der Hauseigentümer und der Herbergen sowie über die Schließung der Friedhöfe am 1. Oktober 1900 in Kraft. Die vorläufige Gemeindeordnung für Taidongchen wird mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung aufgehoben. Qingdao, den 14. Juni 1900 Jaeschke. Amtsblatt flir das Schutzgebiet Kiautschou 1900, S. I.

53 Schreiben des Gouverneurs von Kiautschou, Truppel, an den Staatssekretär des Reichsmarineamts, Tirpitz (28.4.1902) Anliegend überreiche ich eine Verordnung betreffend die provisorische Errichtung eines chinesischen Komitees. Bereits seit längerer Zeit sind hier ansässige chinesische Kaufleute wiederholt beim Gouvernement darum eingekommen, daß ihnen in rein chinesischen Angelegenheiten eine Mitwirkung bei der Verwaltung eingeräumt werde. Die Bildung eines chinesischen Ausschusses zur Beratung des Gouvernements in chinesischen Angelegenheiten konnte diesem nur erwünscht sein, dagegen mußte sehr vorsichtig die Frage erwogen werden, ob und eventuell welche Befugnisse dem chinesischen Ausschusse eingeräumt werden könnten. In dieser Beziehung liegen bisher Erfahrungen nicht vor, so daß das Gouvernement darauf angewiesen ist, zunächst einen Versuch anzustellen, inwieweit auf

219 eine ersprießliche Mitarbeit der Chinesen bei den Aufgaben der Verwaltung zu rechnen ist. Aus diesem Grunde ist die Einsetzung des chinesischen Ausschusses nur provisorisch erfolgt, auch sind ihm irgendwelche rechtlichen Befugnisse noch nicht gegeben. Bewährt sich die Einrichtung, so werden die Aufgaben und Befugnisse des Komitees näher festgelegt werden, insbesondere wird versucht werden, die Mitwirkung des Komitees in Fragen des chinesischen Erb- und Familienrechts und in sonstigen Rechtsangelegenheiten zu ermöglichen. In welcher Weise dies im einzelnen am zweckmäßigsten durchzufuhren sein wird, muß zunächst mit dem provisorischen Komitee praktisch erprobt werden. Truppel ΒΑ/ΜΑ,

KM3

67/1,

BI.7J-72.

54 Verordnung des Gouverneurs von Kiautschou, Truppel, betreffend die provisorische Errichtung eines chinesischen Komitees (15.4.1902) §1. Zur Mithilfe bei der Verwaltung der chinesischen Stadtgemeinde und zur Beratung des Gouvernements in chinesischen Angelegenheiten wird ein chinesisches Komitee gebildet. §2. Das Komitee besteht aus 12 Mitgliedern, von denen 6 aus Shandong, 3 aus anderen Provinzen stammende Kaufleute und 3 Kompradors bei europäischen Firmen im Stadtgebiete sind. Die aus Shandong und anderen Provinzen stammenden Kaufleute müssen in Qingdao oder Dabaodao ein kaufmännisches Geschäft betreiben und Grundbesitzer sein. §3. Das Komitee wird erstmalig vom Gouverneur ernannt. Jährlich zu Chinesisch-Neujahr scheiden 4 Mitglieder, nämlich 2 Shandong Kaufleute, 1 Nicht-Shandong-Kaufmann und 1 Komprador durch Losen aus, die nach einem Jahre wieder wählbar werden. Die Ersatzmitglieder werden durch Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder des Komitees in der ersten Woche des Januar festgesetzt und dem Gouverneur zur Bestätigung vorgeschlagen. Die Namen der vorgeschlagenen Mitglieder sind mindestens 8 Tage vor der Bestätigung im Amtsblatte bekannt zu machen, während welcher Zeit Einsprüche gegen die Bestätigung seitens der zahlenden Haus- und Ladenbesitzer an das Gouvernement gerichtet werden können. Im Falle der Nichtbestätigung eines Ersatz-Mitgliedes erfolgt eine Neuwahl. Erst nach der Bestätigung sämtlicher Ersatzmitglieder findet die Auslosung der scheidenden Mitglieder statt.

220 §4. Das Komitee wählt einen Vorsitzenden und einen stellvertretenden Vorsitzenden, deren Namen dem Gouvernement mitzuteilen sind. Der Vorsitzende beraumt die Sitzungen an und fuhrt die geschäftliche Leitung. Bei gleicher Stimmenabgabe gibt seine Stimme den Ausschlag. Dem Kommissar für chinesische Angelegenheiten oder irgend einem vom Gouverneur besonders ernannten Beamten steht das Recht zu, an den Sitzungen des Komitees teilzunehmen oder sich vertreten zu lassen. Durch seine Vermittlung erfolgt der Verkehr des Komitees mit dem Gouvernement oder anderen Behörden. §5. Die Aufgaben des Komitees umfassen insbesondere: a) Registrierung der Häuser in Qingdao und Dabaodao, soweit sie von Chinesen bewohnt sind, und deren Bewohner; b) Mitwirkung zum Schlichten streitiger Handelssachen unter Chinesen, soweit dieses beansprucht wird; c) Mitwirkung in Fragen des chinesischen Familien- und Erbrechts, soweit dieses beansprucht wird; d) Beratung des Gouvernements in Fragen wirtschaftlicher Natur und in bezug auf Wohl27

falirtseinrichtungen unter den Chinesen. [...] Qingdao, den 15. April 1902. Der Kaiserliche Gouverneur Truppel. Genehmigt. Berlin, den 8. Juli 1902. In Vertretung des Reichskanzlers, v. Tirpitz Amtsblatt für das Schutzgebiet Kiautschou 1902, S.59.

55 Schreiben des Gouverneurs von Kiautschou, Truppel, an den Staatssekretär des Reichsmarineamts, Tirpitz (12.12.1903) Die im Bericht vom 20. Juli 1903 - J. 2556 - angeführte Vorschrift über die Beaufsichtigung der Prostituierten ist dort irrtümlich als Polizeiverordnung bezeichnet, während sie nur als polizeiliche Anordnung in Ausführung des § 361 Ziffer 6 des Reichsstrafgesetzbuches von der Polizeiverwaltung ergangen ist.

27 §§6-10 behandeln die Finanzen des Komitees.

221 Da sich von Anfang der Besitzergreifung des Schutzgebietes an die Prostituierten, und damit auch geschlechtliche Erkrankungen unter der Besatzung mehrten, erwiesen sich eine Kontrolle und ärztliche Überwachung der sich prostituierenden Frauenspersonen als erforderlich. Eine offizielle Regelung des Prostituiertenwesens durch Erlaß von Verordnungen erschien nicht zweckmäßig. Denn die Veröffentlichung von dahingehenden Gouvernementsverordnungen hätte nur unnötigerweise die Aufmerksamkeit auf das Prostituiertenwesen in der Kolonie gelenkt und zu unerwünschten Erörterungen in der Presse Anlaß geben können. Da die Unterstellung der Prostituierten unter polizeiliche und ärztliche Überwachung auch nach § 361 Ziffer 6 des Strafgesetzbuches allein durch den Erlaß polizeilicher Vorschriften ermöglicht wird, so wurde am 19. Januar 1899 die abschriftlich anliegende Vorschrift durch die Polizeiverwaltung mit Genehmigung des Gouverneurs erlassen. Die Vorschrift ist nicht veröffentlicht, sondern wird jeder hier ankommenden Prostituierten besonders bekannt gegeben. Da es sich bei dieser Vorschrift nur um eine in der Verordnung betreffend [die] Ordnung des Polizeiwesens in Qingdao vom 14. Juni 1900 vorgesehene Anstalt des Polizeiamtes zur Erhaltung der Gesundheit und zur Abwendung dem Publikum drohender Gefahren handelt, bedarf es zur Durchführung der Vorschrift meiner Ansicht nach nicht einer durch den Herrn Reichskanzler zu genehmigenden Verordnung des Gouvernements. Truppel Abschrift. Nach § 361 St G B, wird mit Haft bestraft eine Weibsperson, welche wegen gewerbsmäßiger Unzucht einer polizeilichen Aufsicht unterstellt ist, wenn sie den in dieser Hinsicht zur Sicherung der Gebundenheit, der öffentlichen Ordnung und des öffentlichen Anstandes erlassenen polizeilichen Vorschriften zuwiderhandelt, oder welche, ohne einer solchen Aufsicht unterstellt zu sein, gewerbsmäßig Unzucht treibt. Für den Polizeibezirk des Schutzgebietes treten hiermit folgende Vorschriften mit dem heutigen Tage in Kraft: 1. Personen, welche aus der Unzucht ein Gewerbe machen, haben sich auf dem hiesigen Polizeiamt zu melden und dort ein amtlich gestempeltes Kontrollbuch in Empfang zu nehmen. 2. Jede Prostituierte hat vor dem Beziehen einer Wohnung die polizeiliche Genehmigung nachzuholen; der eigenmächtige Umzug von einer Wohnung in eine andere ist verboten. 3. Jede Prostituierte hat sich sofort nach der polizeilichen Anmeldung und später jeden Sonnabend nachmittag 3 Uhr auf ihren Gesundheitszustand untersuchen zu lassen. Zur Untersuchung ist das Kontrollbuch mitzubringen. 4. Personen, welche krank befunden werden, sind in besonderen, zu diesem Zweck eingerichteten Räumen unterzubringen. So lange dieses nicht ausfuhrbar ist, können sie in ihren Woh-

222 nungen verbleiben, haben sich aber des geschlechtlichen Umgangs mit Männern zu enthalten. 5. Die Ausstellung des Kontrollbuches erfolgt kostenfrei. Für jede Untersuchung ist eine Gebühr von $ 1 für eine Chinesin, von $ 3 bei einer Nicht-Chinesin zu entrichten. 6.

Chinesische, hier nicht ansässige Prostituierte, welchen diesen Polizeivorschriften zuwiderhandeln, werden durch die Polizei aus dem deutschen Pachtgebiete verwiesen. Qingdao, den 19. Januar 1899. Die Polizeiverwaltung. BA/MA, RM3 67J2,

BI.24I/.

56 Verordnung des Gouverneurs von Kiautschou, Truppel, betreffend Gouvernementsrat (14.3.1907) Auf Grund des §15 des Schutzgebietsgesetzes in Verbindung mit §1 der Verfügung des Reichskanzlers vom 27. April 1898 wird folgendes verordnet §1Der Gouvernementsrat besteht unter dem Gouverneur als Vorsitzendem aus folgenden Gouvernementsmitgliedern: Chef des Admiralstabes, Zivilkommissar, Kommissar für chinesische Angelegenheiten,28 Gouvernementsintendant, Gouvernementsarzt, Baudirektor, und aus vier Bi'irgerschaftsvertretern. Außerdem kann nur der Gouverneur, soweit es nach dem Gegenstande der Beratung notwendig oder zweckmäßig erscheint, auch andere Personen, insbesondere auch Mitglieder des Chinesenkomitees zu den Sitzungen des Gouvernementsrats hinzuziehen. Im Behinderungsfalle treten für die Gouvernementsmitglieder ihre dienstlichen Vertreter ein. Die Stellvertretung der Bürgerschaftsvertreter regelt sich nach §5. Der älteste aktive Offizier des Kiautschou-Gebiets, dem nach der Allerhöchsten Ordre vom 21. Dezember 1901 die Stellvertretung des Gouverneurs zufällt, kann den Sitzungen beiwohnen. §2.

28 Nach dem Weggang Wilhelm Schrameiers aus Kiautschou, der diese Position bis Januar 1909 bekleidet hatte, wurde mit Wirkung vom 1.4.1910 diese Funktion gestrichen, siehe Meyer-Waldeck an RMA, in: BA/MA, RM3/6700, B1.93.

223 Die Berufung der Bürgerschaftsvertreter erfolgt auf die Dauer von zwei Jahren und geschieht in folgender Weise: a) Ein Bürgerschaftsvertreter wird gewählt von den Inhabern oder Vertretern der im Handelsregister eingetragenen Firmen aus ihrer Mitte. Wahlberechtigt und wählbar sind die nach dem Handelsregister oder auf Grund gerichtlicher oder notarieller Vollmacht zur Vertretung der Firma berechtigten Personen. Für jede Firma darf nur eine Stimme abgegeben werden. b) Ein Bürgerschaftsvertreter wird gewählt von den im Grundbuche eingetragenen Grundeigentümern, die jährlich mindestens 50$ Grundsteuer zu entrichten haben, aus ihrer Mitte. Ist eine Firma Grundeigentümer, so bestimmt sich Wahlrecht und Wählbarkeit nach Absatz a. Sind mehrere Personen als Miteigentümer eines mit mindestens 50$ jährlich steuerpflichtigen Grundstücks eingetragen, so sind alle wählbar, dagegen wahlberechtigt nur einer der Miteigentümer. Ein außerhalb des Schutzgebiets weilender Grundeigentümer kann sein Wahlrecht auf einen mit gerichtlicher oder notarieller Vollmacht versehenen Bevollmächtigten übertragen. c) Ein Bürgerschaftsvertreter wird vom Vorstand der Handelskammer aus seiner Mitte gewählt. d) Ein Bürgerschaftsvertreter wird vom Gouverneur ernannt. §3. Die Wahl der Mitglieder zu §2a und b erfolgt am 15. März vormittags 9-12 Uhr im Gouvernementsgebäude. Die Wählerlisten liegen daselbst vom 1.-5. März aus. Einwendungen gegen die Richtigkeit der Listen müssen spätestens bis zum 10. März beim Zivilkommissar schriftlich angebracht sein. Ist der 15. März ein Sonntag oder Feiertag, so tritt der nächste Werktag an seine Stelle. Die Wahlhandlung und die Ermittlung des Wahlergebnisses sind öffentlich. Wahlleiter ist der Zivilkommissar oder der zu seiner Vertretung hierfür besonders bestimmte Beamte. Das Wahlrecht wird in Person ausgeübt durch verdeckte, in eine Wahlurne niederzulegende Stimmzettel ohne Unterschrift. Die Stimmzettel müssen von weißem Papier und dürfen mit keinem Kennzeichen versehen sein. Sie sind von dem Wähler in einem mit amtlichen Stempel versehenen Umschlag, der sonst keine Kennzeichen haben darf, abzugeben. Die Umschläge werden am Eingang zum Wahlraum in der erforderlichen Zahl bereit gehalten, und zwar solche von blauer Farbe für die Wahl des von den Firmen zu wählenden Vertreters und solche von weißer Farbe für die 29

Wahl des von den Grundbesitzern zu wählenden Vertreters. (...) Der Kandidat, der die meisten Stimmen erhalten hat, ist gewählt. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los. Nimmt der Gewählte auf Anfrage des Gouvernements nicht binnen drei Tagen die Wahl an, so erfolgt eine Neuwahl auf Grund der fur die erste Wahl festgestellten Wählerliste.

2 9 Hier folgen detaillierte Bestimmungen über die Gültigkeit bzw. Ungültigkeit der Stimmabgabe.

224 Der Name des zu §2c gewählten Bürgerschaftsvertreters ist dem Gouvernement spätestens am 25. März vom Vorsitzenden der Handelskammer schriftlich mitzuteilen. Die Ernennung des Bürgerschaftsvertreters zu §2d erfolgt spätestens am 1. April. §4. Die Amtszeit der Bürgerschaftsvertreter beginnt am 1. April. Durch die dem Gouvernement gegenüber abzugebende Erklärung der Annahme des Amtes verpflichten sich die Bürgerschaftsvertreter, den Sitzungen des Gouvernementsrates beizuwohnen, sofern sie nicht durch wichtige Gründe behindert sind. Ferner verpflichten sie sich dadurch, dem Gouverneur mitzuteilen, wenn sie länger als 8 Tage vom Schutzgebiet abwesend sind. §5. Die Bürgerschaftsvertreter müssen deutsche Reichsangehörige sein und ihren Wohnsitz im Schutzgebiet haben. Der Verlust des Amtes tritt in demselben Falle ein, in welchem gemäß §32 des deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes ein Schöffe zu diesem Amt unfähig ist, ferner bei Verlust der Reichsangehörigkeit und in dem Falle, daß während der Amtszeit die nach § 2a, b, c für die Wählbarkeit erforderliche Voraussetzung wegfällt, schließlich auch dann, wenn ein Bürgerschaftsvertreter für mehr als 6 Monate wegen Verlassens des Schutzgebiets oder aus sonstigen Gründen an der Wahrnehmung seines Amtes verhindert ist. Scheidet ein Bürgerschaftsvertreter nach den Bestimmungen des vorhergehenden Absatzes oder aus sonstigen Gründen aus, so wird fur den Rest seiner Amtszeit ein Ersatzmitglied berufen. Handelt es sich dabei um einen Bürgerschaftsvertreter zu §2a oder b, so wird die Neuwahl unter Beobachtung der sich aus §3 Absatz 1 ergebenden Fristen ausgeschrieben. Bei Abwesenheit eines Bürgerschaftsvertreters aus dem Schutzgebiet oder Verhinderung für weniger als 6 Monate kann der Gouverneur dem betreffenden Bürgerschaftsvertreter auf dessen Vorschlag einen Vertreter bestellen. Dieser muß den Bedingungen fur die Berufimg des Vertretenen entsprechen. §6. Dem Gouvernementsrat sind zur Beratung vorzulegen: a) Die Vorschläge fur den jährlichen Haushaltsetat in ihrer Gesamtheit; inwieweit Ausnahmen aus politischen oder militärischen Gründen zu machen sind, unterliegt dem Ermessen des Gouverneurs. b) Die Entwürfe der vom Gouverneur zu erlassenden oder von ihm in Vorschlag zu bringenden Verordnungen. Wenn in dringenden Fällen der Gouverneur eine Verordnung ohne Anhörung des Gouvernementsrates erlassen mußte, geschieht die Vorlage nachträglich. Bei Verordnungen von geringfügiger Bedeutung genügt die schriftliche Einverständniserklärung durch die Mitglieder des Gouvemementsrates, sofern nicht von einem derselben die Beratung verlangt wird. Dem Gouverneur steht es frei, auch andere als die vorbezeichneten Angelegenheiten! dem Gouvernementsrat zu unterbreiten.

225 Anträge von Bürgerschaftsvertretern, die einen selbständigen Gegenstand der Tagesordnung bilden sollen, sind schriftlich zu stellen und von mindestens zwei Bürgerschaftsvertretern zu unterzeichnen. Der Gouverneur kann aus politischen oder militärischen Gründen die Aufnahme in die Tagesordnung und die Beratung versagen. §7. Der Gouverneur beraumt die Sitzung an und leitet sie und erläßt erforderlichenfalls eine Geschäftsordnung nach Anhörung des Gouvernementsrats. Den Mitgliedern ist rechtzeitig, in der Regel wenigstens 3 Tage vor der Sitzung, von der Tagesordnung Kenntnis zu geben. Nach Ermessen des Gouverneurs oder auf Verlangen eines Bürgerschaftsvertreters ist eine Abstimmung herbeizuführen. Der Gouverneur ist an das Ergebnis der Beratung auch im Falle der Abstimmung nicht gebunden. §8. Die Mitglieder des Gouvernementsrates sind zur Geheimhaltung verpflichtet, soweit der Gouverneur die zur Beratung kommenden Gegenstände als geheim bezeichnet. §9. Über die Sitzungen des Gouvernementsrats wird ein Protokoll geführt, das den Hergang der Sitzung und soweit als möglich auch die Besprechungen wiederzugeben hat. Das Protokoll wird nach Anerkennung durch Unterschrift der beteiligten Sprecher veröffentlicht, soweit die Beratungsgegenstände nicht als geheim bezeichnet sind. § 10. Diese Verordnung tritt am Tage der Veröffentlichung in Kraft. Mit dem gleichen Tage wird die Verordnung betreffend die Wahl von Vertretern der Zivilgemeinde vom 13. März 1899 aufgehoben. 30 Die Zeit für die erste Wahl von Bürgerschaftsvertretern wird durch besondere Bekanntmachung festgesetzt werden. Qingdao, den 14. März 1907. Der Kaiserliche Gouverneur. Truppel Amisblattflir das Schutzgebiet Kiautschou 1907, S. 63ff.

30 Die Vertretung der zivilen Gemeinde von Qingdao wurde zunächst geregelt durch die Verordnung betreffend die Wahl von Zivilgemeindevertretern, 15.3.1899, in: Amtsblatt für das Schutzgebiet Kiautschou 1900, S.58. Die Verordnung sah vor, daß drei, auf die Dauer eines Jahres bestellte Vertreter „vor Erlaß einer Verordnung oder Einfuhrung einer Maßregel, durch die wirtschaftliche Interessen von allgemeiner Bedeutung berührt werden," vom Gouverneur anzuhören waren. Ein Vertreter wurde vom Gouverneur ernannt, je ein Vertreter von den ansässigen Firmen und von den Grundbesitzern gewählt.

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57 Kommentar der Beijing Guanhua Bao (22.4.1907)31 DAS ELEND DER CHINESEN IN QINGDAO Seit der Besetzung Qingdaos durch die Deutschen wurden viele Chinesen an diesen Ort gelockt. In Qingdao existieren nur deutsche, aber keine chinesischen Behörden. Auf Grund der vielen Menschen ereignen sich zahlreiche Vorkommnisse. Wer sich gegen die dortigen Rechtsvorschriften vergeht, ist schutzlos der deutschen Willkür ausgesetzt. In der Anfangszeit der deutschen Besetzung mußte man beim Verhör noch nicht niederknien. Zur Bestrafung benutzte man einen Rindsledergürtel mit einem eingezogenen Bleistreifen. Mit diesem wurde der Delinquent auf den Hintern geschlagen. Die dabei erlittenen Schmerzen müssen hier nicht näher beschrieben werden. Weitaus schlimmer waren die dabei entstandenen Wunden, die einen halben bis einen Zentimeter tief und ein bis anderthalb Zentimeter breit sein konnten. Die tiefvioletten Male waren furs ganze Leben in die Haut eingraviert. Solch eine Bestrafung kennen chinesische Gerichte nicht. Nach der Tortur wurde der Gefangene in eine dunkle Zelle gesperrt. Er wußte nicht, ob er dort Monate oder Jahre zubringen mußte. Während der Haftzeit mußten die Gefangenen körperlich schwere Arbeit verrichten. Am Tag der Entlassung bekam der Häftling noch einmal eine Tracht Prügel. So wurde in früheren Tagen verfahren. In jüngster Zeit hat sich die Prozedur wesentlich verschärft. Jetzt muß man beim Verhör niederknien. Die Züchtigung erfolgt nicht mehr mit einem Lederriemen, sondern mit einem Bambusstock. Dieser vierkantige Bambusstock ist anderthalb bis zwei Zentimeter dick. Er wird mit einem Messer zurechtgehauen, man beseitigt nicht die Splitter und Kanten. Außerdem legt man ihn in Wasser ein. Mit diesem Marterwerkzeug vollziehen die Ausländer die Bestrafung. Bei jedem Schlag wird mit dem Stock kräftig über den Körper nachgezogen, bis daß das Blut spritzt. Es ist verboten, auch nur einen Mucks von sich zu geben oder sich zu bewegen. Beträgt die Strafe eines Verurteilten zehn Hiebe, und dieser schreit vor Schmerzen auf oder zuckt zusammen, so wird die Prozedur von vorn begonnen, wobei noch härter zugeschlagen wird. Diese zwanzig Hiebe sind wesentlich schmerzvoller als tausend Schläge mit dem chinesischen Rohrstock. Nach der Züchtigung wird der Verurteilte in einen blau-weißgestreiften Häftlingsanzug gesteckt, am Ärmel wird die Häftlingsnummer angebracht, die Füße werden mit Ketten gefesselt. Tagsüber muß der Gefangene körperlich schwere Arbeit im Freien verrichten. Sitzt der Häftling ein halbes Jahr und länger ein, so wird ihm der Zopf abgeschnitten. Während der Zwangsarbeit wird der Gefangene von chinesischer Hilfspolizei und ausländischen Wärtern beaufsichtigt. Die ausländischen Wächter tragen Gewehre, die chinesischen Hilfspolizisten Knüppel. Wenn ein Gefangener auch nur etwas zu langsam arbeitet, wird er sofort geschlagen und zusammengebrüllt. Im vorigen Jahr ereignete sich der 31 Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker. Es handelt sich hier um einen namentlich nicht gezeichneten Artikel.

227 Fall eines Mannes aus Jiaozhou namens Kuang. Während der Gefangenschaft staute sich sein Haß immer mehr an. Als er eines Tages wieder im Freien arbeitete, nutzten er und einige andere Strafgefangene die Gunst der Stunde und schlugen die Aufseher mit den Schaufeln nieder. Dann flohen sie. Leider wurden sie nach ein paar Tagen von den Häschern wieder eingefangen. Nach ihrer Ergreifung wurden sie auf der Guillotine hingerichtet. Hat man davon gehört, daß es in den westlichen Ländern noch die Strafe des Köpfens gibt? Muß man dort beim Verhör niederknien? Wird man mit Vierkantbambusstöcken geschlagen? Muß man in einer Dunkelzelle minderwertige Kost essen? Ach ja! Welche Sünden haben wir Chinesen nur auf uns geladen, daß wir von den Ausländern derart niederträchtig behandelt werden?! Ganz gleich, ob arm oder reich, so sind doch alle Chinesen mit Liebe und Güte von ihren Eltern großgezogen worden. Wenn ein chinesischer Beamter auch nur etwas Gewissen hat, so bedenkt er bei der Bestrafung des Delinquenten, ob es sich um einen ErststrafFälligen oder einen einfachen Mann aus dem Volke handelt, und verfährt milde. In jüngster Zeit wurde unsere Strafgesetzgebung wesentlich humanisiert und ist längst nicht mehr so grausam. Wenn die Ausländer heutzutage in derart brutaler Weise abstrafen, quälen sie nicht nur unsere Landsleute, sondern setzen auch das Ansehen unseres Kaisers herab. Deshalb ist unser Staat so heruntergekommen. Es hieß, daß im vergangenen Jahr der Gouverneur Yang von Shandong sich nach Qingdao begab, 32 um dort mit den Deutschen über die Einsetzung von chinesischen Behörden zu verhandeln.33 Allerdings verfahren die Deutschen nach wie vor in alter Manier. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen liegt das Entscheidungsrecht nicht bei den lokalen Instanzen in Qingdao, sondern bei den Zentralbehörden in Deutschland. Und zum zweiten gibt es genügend chinesische Lakaien, die den Ausländern zu Willen sind und diese in den Himmel heben. Um die eigenen Pfründe und Amtsbefiignisse zu sichern, haben diese Verräter die Ausländer ermuntert, auf brutale Art und Weise zu schalten und zu walten. So wurden Niederknien und Stockschläge eingeführt. Wenn diese Lakaien doch nur etwas an ihre Landsleute denken würden und daran, wie jene gequält und damit Würde und Ansehen des chinesischen Staates und von 400 Millionen Chinesen in den Schmutz gezogen werden, so geschähen solche Dinge wesentlich seltener. Wer das erst einmal eingesehen hat, wird nicht mehr als Landesverräter agieren. Qingdao Huaren de cemzhuang (Das Elend der Chinesen in Qingdao), in: Shandong jindaishi ziliao (Materialien zur modernen Geschichte Shandongs), Bd. 3, Jinan 1961, S. 126.

32 Yang Shixiang war von März 1905 bis September 1907 Gouverneur von Shandong. Er besuchte Qingdao im Juni 1905, siehe Gouvernementsbericht an RMA, 29.6.1905, in BAP DBC Nr 1242 B1 3644. 33 Siehe dazu Einleitung zu Kapitel 5.

228

58 Überblick über das erste Jahrzehnt der Entwicklung des KiautschouGebietes unter der deutschen Marineverwaltung (21.1.1908) Mit dem Jahre, über welches die vorliegende Denkschrift zu berichten hat, endet das erste Jahrzehnt des Schutzgebietes Kiautschou unter deutscher Herrschaft. Eine unbefangene Beurteilung wird zugestehen müssen, daß die Erwartungen, mit denen die Marineverwaltung an die schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe der Erschließung der jungen, deutschen Kolonie herangegangen ist, und die sie in den früheren Denkschriften wiederholt ausgesprochen hat, sich vollauf, sowohl hinsichtlich der Richtung wie des Zeitmaßes der Entwicklung, erfüllt haben. Bereits in ihrer ersten, dem deutschen Reichstage vorgelegten Denkschrift hat die Manneverwaltung betont, daß bei allen ihren Maßnahmen der wirtschaftliche Gesichtspunkt der Entwicklung des Platzes als Handelskolonie, als wichtiger Stützpunkt der deutschen Kaufmannschaft bei der Erschließung eines weiten Hinterlandes im Vordergrunde stehen müsse. Zur treffenden Würdigung des seither Geleisteten wird man berücksichtigen müssen, daß ein erheblicher Teil der Arbeit dieses Jahrzehnts naturnotwendigerweise Vorarbeiten für jene Entwicklung, d.h. Maßnahmen zur Schaffung der Vorbedingungen fur einen Handelsplatz an einer fremden Küste gelten mußte. Die wichtigsten dieser Vorbedingungen waren, wie gleichfalls in früheren Denkschriften ausgeführt ist, einerseits die Förderung des Handelsverkehrs dieses Platzes nach der Seeseite durch moderne und groß angelegte Hafeneinrichtungen und andererseits die Aufschließung des ausgedehnten Hinterlandes durch künstliche Verkehrswege, die anstelle der dem deutschen Stützpunkte fehlenden, den älteren Handelsplätzen der Küste zur Verfügung stehenden großen natürlichen Wasserstraßen treten müssen. Hierzu kamen die mannigfachen und zeitraubenden Aufgaben, welche mit einer umfangreichen, den Anforderungen nicht nur der Gegenwart, sondern einer künftigen gesunden Entwicklung Rechnung tragenden Stadtanlage an einer bis dahin wenig wirtlichen Küste verbunden waren. In jeder dieser Richtungen war so gut wie alles zu tun: Als Unterkunftsräume für die kaufmännischen Pioniere, die Beamtenschaft und das Militär waren zunächst nur die mangelhaften Bauten der früheren chinesischen Besatzung verfügbar und daneben noch einzelne Chinesenhäuser des alten Fischerdorfes Qingdao. Straßen irgendwelcher Art gab es nicht. Hygienische Einrichtungen fehlten gänzlich, insbesondere waren die Trinkwasserverhältnisse infolge der herrschenden Unsauberkeit gefährlich. Demgegenüber bietet sich jetzt in großen Zügen folgendes Bild: Anstelle des Dorfes Qingdao und der chinesischen Truppenlager ist eine, nach einheitlichem Plan gebaute, ausgedehnte Stadtanlage getreten, und zwar die Europäerstadt Qingdao nebst Villenvorstadt an der Auguste-Viktoria-Bucht, die Chinesenstadt Dabaodao und die unweit des großen und kleinen Hafens liegenden Arbeitersiedlungen Taidongchen und Taixichen, schließlich ein in der Entwicklung begriffenes Handels- und Industrieviertel zwischen

229 Dabaodao und dem großen Hafen. Die Stadtanlage ist mit einem Netz chauffierter Straßen versehen, hat Regen- und Schmutzwasserkanalisation, Wasserleitung und elektrische Beleuchtung, kirchliche Gebäude, Krankenhäuser und Schulen für Europäer und für Chinesen, eine Postanstalt, Markthalle und einen allen Anforderungen der Hygiene genügenden Schlachthof. Die Gouvernementsbehörden sind, soweit fiir sie nicht am Orte ihrer besonderen Tätigkeit Diensträume notwendig waren, im Gouvernementsgebäude vereinigt. Die Privatbautätigkeit ist, teilweise durch Gewährung staatlicher Kreditgelder, derart gefördert, daß die Mieten sich auf erträglicher Höhe halten. Die Unterbringung der Besatzungstruppen in Kasernen nähert sich ihrem Abschlüsse. Besondere Aufmerksamkeit hat die Marineverwaltung einer planmäßigen Aufforstung der Umgebung Qingdaos zugewendet, eine Aufgabe, welche nicht nur für das landschaftliche Bild, sondern auch für die Hebung der gesundheitlichen Verhältnisse der Stadt von großer Wichtigkeit ist; gerade auf diesem Gebiete der Verwaltung sind bemerkenswerte Erfolge erzielt worden. Die Hafenanlagen rechnen auch nach fremdem Urteile zu den besten Ostasiens. Ihr Hauptteil, der große Hafen (zugleich Freihafengebiet), ist durch einen zirka 5 km langen Steindamm gegen den Wellengang der Innenbucht geschützt und bietet bei 9Ά m Tiefe und etwa 2 km Kaistrecke an zwei großen Molen mit Kai- und Lagerschuppen bequeme und sichere Liegeplätze auch für die größten Ozeandampfer. Eine abgesonderte Liegestelle für Petroleumschiffe innerhalb des Hafenbeckens befindet sich im Bau. Für den späteren Ausbau von drei weiteren Molen ist innerhalb der vom Umschließungsdamm begrenzten 293 ha großen Fläche ausreichender Raum vorhanden. An der Westseite des Hafens bietet die Qingdaoer Werft, ausgestattet mit einem 16.000 t-Schwimmdock, einem 150 t-Kran und fast 1000 m Kaistrecke, Gelegenheit zu Reparaturen jeder Art für Kriegs- und Handelsschiffe. Der nahe der Chinesenstadt befindliche kleine Hafen, der sich noch im Ausbau befindet, dient dem örtlichen Dschunken- und Sampanverkehr, bietet aber auch für kleinere Küstendampfer Plätze zum Anlegen an der Brücke. Der große wie der kleine Hafen haben Eisenbahnanschluß an die Shandong-Bahn; der Gleisanschluß der Werft wird binnen kurzem fertiggestellt sein. Die vorläufig geplanten Gesamthafenanlagen nähern sich ihrem Abschluß. Die Hafeneinfahrten und Fahrwasser von See nach Qingdao sind durch Seezeichen und Befeuerung dem Verkehre bei Tag und Nacht zugänglich gemacht. [...]34 Unter den deutschen gewerblichen Unternehmungen im Schutzgebiet und seinem Hinterland sind in erster Linie die umfangreichen Bergwerksanlagen der Shandong-Bergbau-Gesellschaft zu nennen. Ferner sind die ausgedehnten Anlagen der Deutsch-Chinesischen Sei35 den-Industrie-Gesellschaft, eine private Schiffs- und Maschinenwerkstatt, eine Seifenfa-

34 Hier folgen weitere Ausführungen über den Hafen. 35 Dieses Unternehmen war 1902 mit einer Kapitalausstattung von 1,8 Millionen Mark gegründet worden. Die Firma sollte Seide herstellen und verarbeiten. Die Produktion von Seide begann 1904 unter Beschäftigung von 1500 chinesischen Arbeitern. Allerdings waren die Produktionskosten zu hoch, die Seide war daher 40% teurer als die von chinesischen Unternehmen produzierte Seide. 1909 wurde der

230 brik, Brauerei u.a.m. zu erwähnen. Im Handel, der überwiegend von deutschen Firmen vermittelt wird, stehen unter den Ausfuhrartikeln an erster Stelle die chinesischen Strohborten, für deren Export sich Qingdao bereits jetzt zum wichtigsten Ausfuhrhafen entwickelt hat; eine Anzahl weiterer Ausfuhrartikel sind bei der Entwicklung des Bahnverkehrs erwähnt worden. Wie schon in der vorjährigen Denkschrift ausgeführt ist, erscheint als bemerkenswertes Zeichen der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung Qingdaos die Tatsache, daß auch fremdes Kapital mehr und mehr eine Beteiligung in dem aufblühenden Handelsplatze erstrebt. Die deutsche Marineverwaltung vertritt, wie hier nochmals betont sei, durchaus den Standpunkt, daß einer Beteiligung fremden Kapitals und wirtschaftlichen Unternehmungsgeistes keinerlei Schwierigkeiten in den Weg gelegt werden sollen. Diese Beteiligung ist vielmehr als fördernder Faktor der Erschließung der Kolonie und ihres Hinterlandes zu begrüßen und wird mittelbar auch der Entwicklung des deutschen Handels und Gewerbefleißes dienen. Die Handelsbeziehungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika haben Ende 1906 die Errichtung eines eigenen Konsulats erforderlich gemacht. Im September 1907 ist dem Konsul bereits ein Vizekonsul zur Seite gestellt worden. Auch einem englischen Konsularagenten ist das Exequatur36 erteilt. Ferner wird eine russische Konsularvertretung binnen kurzem geschaffen werden. Unter den fremden Unternehmungen sind namentlich die großen Petroleumgesellschaften, die englische Asiatic Petroleum Company und die amerikanische Standard Oil Company hervorzuheben, die Qingdao zur Hauptniederlassung fur die Versorgung Nordchinas mit Petroleum gemacht haben, beziehungsweise zu machen im Begriffe sind. Entgegen allen auftretenden Zweifeln haben die erfahrensten Kenner der wirtschaftlichen Verhältnisse Ostasiens die Gesamtentwicklung der Kolonie durchaus günstig beurteilt. Jüngst wieder hat die Hamburger Handelskammer sich in diesem Sinne ausgesprochen, indem sie in ihrem Jahresbericht fur das Jahr 1907 sagt: „Gelegentlich der zehnjährigen Wiederkehr des Tages der Besitzergreifung Kiautschous ist neben der politischen auch die wirtschaftliche Bedeutung des Schutzgebietes vielfach kritisiert worden. Die Auswahl Qingdaos bei der Erwerbung eines maritimen Stützpunktes an der Kiiste Chinas wird leider noch immer von manchen Seiten als ein Fehlgriff bezeichnet, und die industrielle sowie die kommerzielle Entwicklung des etwas außerhalb der völkerverbindenden Verkehrsstraße liegenden Platzes wird nach wie vor angezweifelt, obwohl allseitig anerkannt wird, daß die Kaiserliche Marine daselbst in verhältnismäßig kurzer Zeit einen erstklassigen zweckentsprechenden Hafen mit großen und praktischen Anlagen, ausgedehnten und benutzbaren Kaiplätzen und modernen Einrichtungen zum

Betrieb eingestellt, die Fertigungsanlagen wurden an chinesischen Firmen verkauft, vgl. Schrecker 1971:230. 36 Lat. „Ausführung, Vollzug" der Amtsgeschäfte.

231 prompten Laden und Löschen großer Schiffe geschaffen hat, mit dem sich kein Hafen in ganz China, selbst das 65 Jahre alte, berühmte Hongkong eingeschlossen, messen kann. Bei den ungünstigen Beurteilungen wird vergessen, in Erwägung zu ziehen, daß Qingdao das Einfallstor in ein großes Hinterland ist, mit welchem es bereits bis zur Hauptstadt der Provinz Shandong durch eine etwa 450 km lange Eisenbahn verbunden ist und ferner, daß Qingdao mit dem beabsichtigten Ausbau der bereits bestehenden Linie bis nach Tianjin oder nach Westen bis Kaifeng Block- und Kopfstation fur die vier Provinzen Shandong, Zhili, Shanxi und Hunan werden wird, ein fruchtbares und mineralreiches Gebiet von ungefähr der doppelten Größe des Deutschen Reiches mit einer Bevölkerung von etwa 80 Millionen Menschen. Bei einem Rückblick auf den zehnjährigen Zeitabschnitt, welcher überdies für die Beurteilung der Lebensfähigkeit einer Kolonie im allgemeinen zu kurz bemessen ist, muß rückhaltlos anerkannt werden, daß die Verkehrsentwicklung im Hafen von Qingdao und dem anschließenden Pachtgebiet einen guten und gleichmäßigen Aufschwung genommen hat. Diese Tatsache wird in überzeugender Weise charakterisiert durch einen Vergleich der Einnahmen der Kaiserlich Chinesischen Seezollverwaltung fur die zwei in der Provinz Shandong geöffneten Häfen; sie belaufen sich fur Qingdao auf Haikuan 37 Taels 863.430 in 1906 gegen Haikuan Taels 545.150 in 1905, für Zhifu auf Haikuan Taels 818.322 in 1906 gegen Haikuan Taels 871.607 in 1905, was einen Fortschritt fur Qingdao von 58,3 Prozent, hingegen eine Einbuße für Qifu von 6,1 Prozent bedeutet. In knapp neun Jahren seiner Existenz hat also Qingdao (Kiautschou) das durch den Nanjing-Vertrag vor 43 Jahren geöffnete Qifu überflügelt. Noch deutlicher aber spricht für die ungestört in aufsteigender Richtung sich bewegende Verkehrsentwicklung die Tatsache, daß Qingdao bereits am Schlüsse des ersten Semesters 1907 an siebenter Stelle unter den sämtlichen chinesischen Seezollämtern, 36 an der Zahl, steht; es wird nur noch überragt von Shanghai, Kanton, Tianjin, Hankou, Swatou und (Chinkiang)... So ist es Qingdao gelungen, einen Eigenhandel zu schaffen und neue Absatzgebiete seinem Bereiche zu erschließen, so daß man das Pachtgebiet zu den Erfolgen, auf welche es 38 nach zehnjährigem Bestehen zurückblickt, nur beglückwünschen kann..." [...] Die Lebensverhältnisse der deutschen Bevölkerung der Kolonie werden in einem wichtigen Punkte günstig beeinflußt, indem für die Erziehung ihrer Kinder an Ort und Stelle Schuleinrichtungen getroffen sind, die sowohl den Anforderungen gründlicher deutscher Bildung als den Bedürfnissen der besonderen ostasiatischen Verhältnisse Rechnung tragen. Die Gouvernementsschule ist nach dem ungefähren Plan eines Reformrealgymnasiums eingerichtet und bereits soweit vorgeschritten, daß jüngst ihre ersten Schüler die Abschlußprüfung bestanden und die Berechtigung für den einjährig-freiwilligen Militärdienst erhalten haben.

37 „Haikuan taels" bezieht sich auf die chinesische Silberwährung, deren Wert und Wechselkurs von der Seezollverwaltung festgelegt wurde. 38 Hier folgen weitere Ausführungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen.

232 Diese Schule scheint geeignet, über ihre örtliche Bedeutung für die Kolonie hinaus von Wichtigkeit fur den deutschen Nachwuchs in Ostasien zu werden. Aber auch für die kulturellen Bedürfnisse der chinesischen Bevölkerung des Schutzgebietes ist in weitem Maße Sorge getragen, und die Marineverwaltung erkennt es gern an, daß sie hierbei, namentlich auf dem Gebiete des Schulwesens und der Krankenpflege, wichtige Unterstützung durch die Bestrebungen der Missionsanstalten beider Konfessionen erhalten hat. Ein besonderes Gepräge hat die Entwicklung des deutschen Schutzgebietes dadurch erhalten, daß dieses bereits im ersten Jahrzehnt in immer größerem Umfang über die eigenen Grenzen hinaus einen friedlichen Einfluß auf mannigfachen Kulturgebieten ausgeübt hat. Qingdao ist gewissermaßen eine dauernde Ausstellung für deutsche Leistungen geworden. In chinesischen amtlichen und privaten Kreisen wird diese Bedeutung von Jahr zu Jahr mehr anerkannt. An erster Stelle sind hier zu nennen die Tätigkeit von Marineärzten des Gouvernements an den chinesischen Hospitälern sowohl im Schutzgebiete selbst als in Yanzhoufu und Jinanfü, sowie der rege Zuspruch, dessen sich das Gouvernementslazarett und sein ärztliches Personal seitens auswärtiger europäischer Kranken erfreuen. Auf dem Gebiete der Forstwirtschaft ist das Gouvernement, wie früher schon in Shandong, so neuerdings durch den chinesischen Gouverneur in Mukden um Unterstützung und Kontrolle bei den Aufforstungsplänen dieser Provinzialregierung gebeten worden. Die wichtigste Aufgabe der Kolonie auf dem Gebiete der Annäherung europäischer und chinesischer Zivilisation aber liegt auf dem Gebiete des Unterrichtswesens. Hier ist ein weites und fruchtbares Arbeitsfeld gegeben, und die Marineverwaltung hat die Absicht, in voller Übereinstimmung mit den mehrfach aus der Mitte des Deutschen Reichstags hervorgetretenen Anregungen, Qingdao mehr und mehr zu einem Ausgangspunkt europäischer Kulturbestrebungen auszubauen. Die in China seit langem schon als notwendig erkannte und an leitender Stelle geplante Umformung des chinesischen Staatswesens wird in neuester Zeit mit größerer Entschiedenheit betrieben. Und zwar wird in den amtlichen Kundgebungen immer wieder mit Recht darauf hingewiesen, daß die notwendige Grundlage einer solchen Umformung eine Modernisierung des Unterrichts sei. In dieser Erkenntnis ist man in China mit großem Eifer bestrebt, dem heranwachsenden Geschlecht die abendländischen Wissenschaften in immer größerem Maße zugänglich zu machen. Man hat einerseits zahlreiche neue Schulen im Lande errichtet, andererseits Tausende von jungen Leuten zum Studium ins Ausland geschickt. Den gehegten Erwartungen haben bisher beide Maßnahmen nur unvollkommen entsprochen. Für die eigenen Schulen fehlt es an geeigneten Lehrkräften und an praktischer Erfahrung, das Studium im Ausland aber ist mit sehr hohen Kosten verknüpft und leidet außerdem an einem Mangel an Organisation. Im Hinblick auf diese Zustände haben die fremden Kulturstaaten, namentlich Japan, England, Amerika, neuerdings auch Frankreich und Rußland, sich beeilt, China durch Errichtung von Schulen auf eigene Kosten, durch Hergabe von Lehrkräften usw., zu Hilfe zu kommen. Sie haben sich dabei von der Erwägung leiten lassen, daß die hierbei aufgewandten Mühen und Kosten später reiche Früchte tragen würden, und ein engerer Verkehr auch auf wirtschaftlichem Gebiete die notwendige Folge sein würde.

233 Deutschland hat sich bei diesen Kulturbestrebungen, die von den übrigen Mächten zum Teil schon seit vielen Jahren aufgenommen sind, bis vor kurzem zurückgehalten, abgesehen von einigen wenigen, im bescheidensten Maßstab errichteten Missionsschulen sowie von den in jüngster Zeit in Shanghai begonnenen Bestrebungen. Und doch ist diese Zurückhaltung Deutschlands um so weniger berechtigt, als gerade die Vorzüge des deutschen Unterrichtswesens von der chinesischen Studienkommission, die im Jahre 1906 Europa bereiste, wiederholt besonders betont worden sind. Hier ist also ein Gebiet, auf dem sich zu betätigen für Deutschland ein in jeder Hinsicht fruchtbringendes Unternehmen ist. Die Verwaltung der deutschen Kolonie in China hat es daher für notwendig erachtet, die Errichtung einer größeren Bildungsanstalt für Chinesen in Aussicht zu nehmen und einen Betrag von 300.000 Μ für einmalige und 75.000 Μ fur laufende Ausgaben in den Etat einzustellen ist, und zwar sowohl in den technischen Anlagen, den Forstpflanzungen, den hygienischen Einrichtungen, als in der Organisation der Verwaltung u.a.m. Eine solche kulturelle Tätigkeit wird ein neuer Beweis dafür sein, daß Qingdao als eine deutsche Zentrale für friedliche Bestrebungen jeder Art in Ostasien gedacht ist, und daß man dort diesen Bestrebungen im freundschaftlichen Einvernehmen mit den Landesbehörden nachgeht. Es sollen daher auch bei der Einrichtung der Anstalt die chinesischen Wünsche das weitestgehende Entgegenkommen finden. Denkschrift betreffend die Entwicklung des Kiautschou-Gebietes in der Zeit vom Oktober 1906 bis Oktober 1907, Berlin 1908, S.5-16.

59 Leitartikel des Chefredakteurs Zhu Ji (15.12.1908) 3 9 Ich habe fünf Jahre hindurch im Pachtgebiet Kiautschou die gesamte geschäftliche Leitung der Kiautschou-Zeitung40 gehabt und habe in dieser Stellung alle Vorfälle und Zustände, bei denen eine ungehörige und gewalttätige Handlungsweise der Deutschen in Shandong zutage trat, in der Zeitung scharf gegeißelt. Der deutsche Gouverneur war glücklicherweise ein Mann, der auf verständige Verwaltungsprinzipien hielt, und machte nie den Versuch, dem Redakteur mit Strafen zu Leibe zu gehen. Aber die deutschen Angestellten der Druckerei, in deren Verlag die Zeitung erschien, führten öfters sehr erbitterte Reden und weigerten sich, die Zeitung weiter zu drucken. 1904 kam ich dann nach Peking und habe mich nicht mehr darum gekümmert, was die Deutschen in Shandong treiben. 39 Es handelt sich hierbei um einen Leitartikel der Peking Daily News, der an der deutschen Gesandtschaft übersetzt worden war und dann nach Berlin geschickt wurde. Die Übersetzung ist nicht namentlich gezeichnet. 40 Gemeint ist die chinesischen Zeitung Jiaozhou det worden war Sie stand unter Aufsicht des unabhängig von den deutschen Behörden. Sie verneursamt von Shandong und wurde in ganz

Bao, die von dem Unternehmer Li Shi'en 1900 gegrünKommissars für chinesische Angelegenheiten, war aber erhielt gelegentlich finanzielle Unterstützung vom GouShandong gelesen, siehe Seelemann 1982:37.

234 Gestern erhielt ich nun plötzlich von einem Freund aus Weixian einen Brief, in dem er mir mitteilte: „Bei den beiden kürzlichen Trauerfällen im Kaiserhause hätten die deutschen Angestellten der Bergbaugesellschaft in Fangzi als die einzigen die Flaggen nicht halbmast gesetzt, und die in ihren Diensten befindlichen Chinesen hätten sämtlich die roten Mützenköpfe weiter getragen. Die deswegen erhobenen Vorstellungen der Territorialbeamten seien zurückgewiesen worden." Die Geringschätzung, die von den Deutschen in Shandong den Chinesen gegenüber zur Schau getragen wird, spricht in jeder Beziehung allen vernünftigen Erwägungen Hohn. Die Regierung und die oberen Klassen der Bevölkerung in Deutschland sind an sich durchaus nicht mit diesem Gebaren einverstanden, bei dessen Entstehung drei Ursachen vor allem mitgewirkt haben. Zunächst ist im allgemeinen der deutsche Nationalcharakter ein anderer, als z.B. der der Engländer. Die Engländer könnte man vergleichen mit den Abkömmlingen alter Familien, deren Generationen im Staatsdienst grau geworden sind. Zwar haben sie Macht und Einfluß; aber sie sind frei von Kastengeist und Engherzigkeit. Die Deutschen dagegen sind die Parvenüs, aufgeblasen und in ihrem Glänze sich sonnend und hochmütig gegen andere. Darum benehmen sie sich Chinesen gegenüber wie rohe Tyrannen. Dazu kommt noch, daß die Fremden aus England, Deutschland usw. einen weiten Reiseweg zurücklegen müssen, wenn sie nach China kommen, um hier bei uns Handel zu treiben. Die Reise kostet eine Menge Geld. Angehörige der unteren Volksklassen kommen also selten zu uns, und den weitaus größten Teil der zu uns kommenden Fremden bilden reiche Großkaufleute. Bei der Garnison aber, die von den Deutschen in Qingdao unterhalten wird, wird jedes Jahr ein großer Teil der Mannschaften gewechselt. Bei der jedesmaligen Ablösung aber fallen immer einige Leute ab, die in China bleiben und die natürlich suchen, sich hier ihren Lebensunterhalt zu erwerben. Daher kommt es, daß es in Shandong eine Menge Leute gibt, die den unteren Volksschichten in Deutschland entstammen. Wenn diese Leute sich dann rowdymäßig benehmen, kann man sich nicht wundern. Wenn nun aber der Direktor der Shandong-Bergbaugesellschaft, den man doch wohl mit zu den reichen Großkaufleuten rechnen muß, sich eines solchen Benehmens mitschuldig macht, so liegt es eben an der allgemeinen Arroganz des deutschen Charakters, dem eine geringschätzige Auffassung China gegenüber bereits so zur hergebrachten Gewohnheit geworden ist, daß ihr Herauskehren ihm gar nicht mehr zu Bewußtsein kommt. Die zweite Ursache liegt darin, daß Shandong verhältnismäßig spät kulturell fortschreitet. Die Guangdong-Leute haben durch das Zusammenleben mit den Engländern in Hongkong seit einigen Dutzend Jahren diese kennengelernt und wissen im allgemeinen Bescheid mit ihren Sitten und Gesetzen. Zudem haben eine Menge von Guangdong-Leuten im Auslande studiert; es gibt darunter Leute, die sich der Laufbahn eines englischen Rechtsanwalts gewidmet und es in dieser bis zu englischen Beamten gebracht haben, wie Du Tingfang und Bo Ji. Darum war es der Guangdong-Gentiy in der Frage des Donghua-Krankenhauses in Hongkong möglich, dem Gouverneur Opposition zu machen; und auch chinesische Kaufleute und sonstige chinesische Untertanen können mit Hilfe eines Rechtsanwalts gegen Engländer einen Rechtsstreit fuhren. Die Beziehungen zwischen Chinesen und Deutschen in Shandong

235 datieren dagegen erst aus neuerer Zeit. Von deutschem Recht und Gesetz haben die Shandong-Leute daher kaum eine blasse Ahnung. Sie sind also nicht imstande, Streitigkeiten mit jenen im Rechtswege durchzufechten. Die Folge ist, daß die Deutschen glauben, die Chinesen vergewaltigen zu können und daß die Rücksichtslosigkeit diesen gegenüber allmählich zu einer Art von Gewohnheitsrecht geworden ist. Besonders schamlose Chinesen aber machen sich sogar die Macht der Deutschen zunutze, um ihre eigenen Stammesgenossen zu vergewaltigen, wodurch den Deutschen der Kamm noch sehr geschwollen ist. Auf diese Weise hat sich also die auf allen möglichen Gebieten zutage tretende harte Bedrückung der Chinesen herausgebildet. Die dritte Ursache ist die Behandlung, welche die deutsche Regierung den Chinesen angedeihen läßt, und die von grausamer Härte nicht weit entfernt ist. Wenn Deutsche vor einer Behörde erscheinen, so sprechen sie stehend. Wenn aber Chinesen vor Gericht erscheinen, so werden sie gezwungen, vor dem deutschen Beamten niederzuknien. Die Deutschen werden nur mit Geld bestraft; Chinesen aber werden mit einem Ochsenzieher auf das Hinterteil geschlagen; auch gibt es für sie die Strafe der Enthauptung. Die Guangdong-Leute können in Hongkong englische Beamte werden. Den Shandong-Leuten aber ist jede einigermaßen bessere amtliche Stellung in Qingdao verschlossen. Wenn es hochkommt, so können sie Schreiber werden; das ist alles. Wenn aber schon die deutsche Regierung die Chinesen so hart behandelt, wie mag es da auch in dem, was bei jener selbst noch gut ist, bei den unteren Stellen aussehen! Die Folge ist, daß die Unterdrückung und Verachtung der Chinesen ganz unbewußt zur gewohnheitsmäßigen Übung geworden ist. Die Leute in Shandong sind aber unsere Volksgenossen; sollen wir uns das ruhig mit ansehen, wie sie von den Fremden unterdrückt werden und nicht einmal den Mund dabei auftun? - Wenn etwas zu weit getrieben wird, kann die Reaktion nicht ausbleiben. Oder sollten die Deutschen des Glaubens sein, daß China fur alle Ewigkeit in seiner Schwachheit beharren und sich niemals aufraffen werde? In welchem Zustand französischer Bedrückung lebten die Deutschen zu Napoleons Zeiten! Und doch haben ihnen Wilhelm und Bismarck die Schmach der französischen Unterdrückung abgenommen!41 Das Volk Chinas aber steht an natürlicher Begabung nicht hinter den anderen Rassen zurück. Das möge die deutsche Regierung recht reiflich bedenken, und sie möge ihren warnenden Einfluß auf ihre Untertanen geltend machen, daß diese nicht weiter eine derartige Geringschätzung und Verachtung den Chinesen gegenüber zur Schau tragen! gez. Zhu Ji, Peking, den 23. Dezember 1908 Β AP, DBC, Nr. 1245, Bl.53-56.

41

Gemeint ist Wilhelm I. Der Artikel spielt hier auf den deutsch-französischen Krieg von 1870/71 an, der mit einem deutschen Sieg endete. Der deutsch-französische Gegensatz um die Hegemonie auf dem europäischen Kontinent ging zurück auf die militärische Expansion Frankreichs unter Napoleon I. Der deutsche Sieg machte den Weg frei für die Gründung des ersten deutschen Nationalstaats. Der feierliche Gründungsakt wurde dann im Spiegelsaal des Versailler Schlosses vollzogen, was als eine symbolische Demütigung des geschlagenen Frankreichs interpretiert wurde, siehe Mommsen 1993:7.

236

60 Bekanntmachung des Gouverneurs von Kiautschou, Truppel, betreffend Ernennung chinesischer Vertrauensleute (18.8.1910) Nach Auflösung des chinesischen Komitees wird zur Beratung des Gouvernements in chinesischen Angelegenheiten und zur Anbahnung einer Vertretung der chinesischen Kaufmannschaft im Gouvernementsrat (§1 Absatz 2 der Verordnung betreffend Gouvemementsrat vom 14. März 1907 A. Bl. S.63) 4 2 versuchsweise ein Ausschuß von vier chinesischen Vertrauensleuten eingesetzt. Die Ernennung der Vertrauensleute erfolgt jährlich durch den Gouverneur auf Vorschlag der chinesischen Gilden. Von den vier Vertrauensleuten sollen zwei der Shandong-ZhiliGilde angehören. Im Falle einer längeren Verhinderung eines Vertrauensmannes wird der Gouverneur einen Ersatzmann für die Dauer der Verhinderung bestellen. Qingdao, den 18. August 1910. Der Kaiserliche Gouverneur. Truppel. Amtsblatt für das Schutzgebiet Kiautschou 1910, S.227.

61 Verordnung des Gouverneurs von Kiautschou, Meyer-Waldeck, betreffend Wohnen von Chinesen im Europäerviertel (23.1.1914) Auf Grund des § 15 des Schutzgebietsgesetzes in Verbindung mit §1 der Verfügung des Reichskanzlers vom 27. April 1898 4 3 wird folgendes verordnet: §1· Die durch § 10 der Chinesenordnung vom 14. Juni 1900 (Amtsblatt Seite 1) festgesetzte B e schränkung des Wohnens von Chinesen im Stadtgebiete von Qingdao wird dahin abgeändert, daß in dem Europäerviertel fortan das Wohnen von Chinesen mit Genehmigung des Gouvernementsrates gestattet ist. Alle beim Gouvernement eingehenden Anträge auf Genehmigung sind dem Gouvernementsrat vorzulegen. Die Genehmigung bedarf der Zustimmung von drei Vierteln der Mit-

42 Vgl. Dok. 59. 43 Zum Schutzgebietsgesetz und den anderen für das Rechtssystem in Kiautschou relevanten gesetzlichen Bestimmungen siehe die Einleitung zu Kapitel 3

237

glieder des Gouvernementsrates und kann je nach Lage des einzelnen Falles von besonderen Bedingungen abhängig gemacht werden. §2. Die Grenzen des Europäerviertels sind: im Westen: die Wilhelmstraße, der Hohenloheweg und die Lauschanstraße [LaoshanStraße], im Norden: die Huangdaustraße und eine Linie, die vom Schnittpunkte dieser Straße und des Lazarettweges über das Observatorium und die Kuppe des Bismarckberges zum Schnittpunkte der Bergstraße und der Kirschenallee fuhrt; im Osten: die Kirschenallee und eine in ihrer Verlängerung nach Süden zum Meere gezogene Linie; im Süden: das Meer. §3. Wer ohne die nach § 1 erforderliche Genehmigung im Europäerviertel wohnt und nach Aufforderung durch das Gouvernement innerhalb der von diesem bestimmten Frist seine Wohnung nicht aus dem Europäerviertel verlegt, wird auf Antrag des Gouverneurs mit Geldstrafe bis zu 1000 Dollar bestraft. Kann die Geldstrafe nicht beigetrieben werden, so tritt an ihre Stelle Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten. Wer nach Bestrafung erneuter Aufforderung nicht nachkommt, kann wiederholt bestraft werden und außerdem zwangsweise durch die Polizei aus dem Europäerviertel entfernt werden. §4. Diese Verordnung tritt mit ihrer Veröffentlichung im Amtsblatte in Kraft. Die bereits erteilten Genehmigungen bleiben bestehen. Die Verordnung findet keine Anwendung auf die chinesische Dienerschaft, die bei ihren Arbeitgebern im Europäerviertel wohnt, auf die Insassen von Hotels und Krankenhäusern und auf die Besucher des Europäerviertels. Qingdao, den 15. Januar 1914 Der Kaiserliche Gouverneur Meyer-Waldeck. Amtsblatt ßir das Schutzgebiet Kiautschou 1914, S. 1.

238

62 Statistik über die Bevölkerungsentwicklung in Kiautschou (1897-1913)44 Jahr

Chinesische Bevölkerung

1898

ca. 7 0 . 0 0 0

1899

84.014

Europäische Bevölkerung

1900 1901 1902 190345

688 120.041

785

1904

1.057

1905

1.225

1906 1907

1.484

1908 1909 191046

161.140

1.62147

Personen des Soldatenstandes: 2 2 7 5 4 8 49 Der Nationalität nach waren Deutsche Schweizer

1.531 Norweger 1 Franzosen

Österreich-Ungarn

15 Italiener

Engländer

32 Russen

Dänen

1 Amerikaner

1 4 1 16 19

44 Es handelt sich hier um einen Auszug aus dem unten angegebenen Handbuch von Mohr aus dem Jahre 1911. Die Zahlen fur die späteren Jahre wurden aus verschiedenen anderen Quellen ergänzt und werden in den Fußnoten angegeben. 45 Ergebnis einer Volkszählung 1903, vgl. Truppel an RMA, 23.5.1903, in: BA/MA, RM3/6749, B1.4775. 46 Ergebnis einer Volkszählung 1910, siehe Mohr 1911:442-443. 47 Davon waren 1531 Personen deutscher Nationalität. 1914 wurden 187.000 Chinesen und 2069 Europäerfestgestellt. Davon hatten 1855 Personen die deutsche Nationalität, vgl. Crusen 1914:134. 48 1914 war die Zahl der deutschen Soldaten auf 2401 gestiegen. 49 Nach einer im Mai 1910 erfolgten Volkszählung.

239 Im Stadtgebiet (Qingdao-Dabaodao, Taixichen, Taidongchen) wohnten 34.180 Chinesen, zu denen im Hafen noch eine ständig anwesende fremde Wasserbevölkerung von rund 2.000 Personen kommt.50 Die Entwicklung des Stadtgebiets zeigt folgende Zusammenstellung: Jahr 1902 1903 1904 1905 1907 1910

Männer 13161

Frauen

Kinder unter 10 Jahren

1016

25221 24213

1694 2340

24811 26452 28127

2557 3334 3804

davon in

Taidong-

Taixichen

chen

Gesamt

728

14905

1229

28144

1069 1109

27622 28477

1723 2249

31509 34180

9133 8793

1118 1257

Friedrich Wilhelm Mohr, Handbuch für das Schutzgebiet Kiautschou, Tsingtau 1911, S. 44 I f f .

63 Statistik über Reichszuschüsse, Einnahmen und Ausgaben des Gouvernements Kiautschou (1897-1913) Etatjahr

Gesamtetat

Reichszuschuß Mark

1898 1899/00 1900/01 1901/02 1902/03 1903/04

9.993.000 11.050.000 12.404.000 12.808.142 13.088.300

Mark 5.000.000 8.500.000 9.780.000 10.750.000 12.044.000 12.353.142

Eigene Einnahmen Mark

213.000 300.000 360.000 455.000 505.000

1905/06 1906/07

15.296.000

12.583.000 14.660.000

14.198.000

13.150.000

1.048.000

1907/08 1908/09

13.278.200

11.735.500

1.542.700

11.465.753

9.739.953

1.725.800

1904/05

50 Zahlen aus dem Jahr 1910.

636.000

240 1909/10

12.165.602

8.545.005

3.620.597

1910/11

12.715.884

8.131.016

4.584.868

1911/12

13.538.610

7.703.940

5.834.670

1912/13

14.639.725

8.297.565

6.342.160

1913/14

16.787.524

9.507.780

7.279.744

Friedrich Wilhelm Mohr, Handbuch für das Schutzgebiet Kiautschon, Tsingtau 1911, S.452; Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich, Berlin 1897-1914.

Kapitel 4

Chinesischer Widerstand gegen deutsche Expansion und Militäraktionen

Ein wesentlicher Bestandteil des Pachtvertrages vom 6. März 1898 war die in Artikel 1 festgelegte 50-Kilometer-Zone, innerhalb derer dem Deutschen Reich ein freier Durchmarsch seiner Truppen erlaubt und ein Mitspracherecht bei der Administration des Gebiets, insbesondere bei Fragen der Flußregulierung, eingeräumt wurde. Für die deutsche Seite stellte die Bildung der sog. „neutralen Zone" ein wesentliches Element der Einfluß- bzw. Interessensphäre des Deutschen Reiches in Shandong dar. Diese im Vertragstext nur unklar definierte, von der deutschen Seite militärisch-machtpolitisch interpretierte deutsche Interessensphäre1 stellte die völkerrechtliche Grundlage dar fiir mehrere gewaltsame Konflikte zwischen deutschen Behörden und chinesischer Bevölkerung. Für die chinesische Seite war die Zone reguläres chinesisches Hoheitsgebiet, in dem den Deutschen lediglich in Absprache mit den zuständigen Behörden die Möglichkeit des Truppendurchmarsches und der Mitwirkung bei Flußregulierungen gegeben sein sollte. In den Jahren 1899 und 1900 entsandte der deutsche Gouverneur des Pachtgebietes, Paul Jaeschke, Strafexpeditionen nach Rizhao und nach Gaomi ins Innere der Provinz von Shandong, wobei er sich auf die oben genannten Paragraphen des Pachtvertrages berief. Anlaß waren im Fall Rizhao Übergriffe auf einen deutschen Missionar und im Fall Gaomi Störungen beim Eisenbahnbau. Die Expedition nach Rizhao sollte die chinesischen Regierungsbehörden zu Zugeständnissen in Eisenbahnfragen zwingen. Die blutigen militärischen Aktionen in Gaomi dagegen sollten Straf- und Vergeltungsaktionen gegenüber der „unaufgeklärten" ländlichen Bevölkerung in der neutralen Zone sein. Beide Aktionen, die hauptsächlich von den „men on the spot" - Jaeschke und Heyking, später Ketteier und Mumm - initiiert wurden, stießen bei Tirpitz allerdings auf erhebliche Bedenken. Der Staatssekretär des Reichsmarineamtes befürchtete eine Eskalation der gewalttätigen Konflikte zwischen Deutschen und Chinesen, die im Gegensatz stünde zu dem von ihm befürworteten Programm der friedlichen Expansion. Der chinesische Widerstand, zu dessen Niederschlagung die deutschen Truppen entsandt worden waren, hatte sich zum einen gegen die christliche Mission, zum andern gegen den 1

Die politische Dimension behandelt Kapitel 5, die wirtschaftliche Kapitel 7.

242 deutschen Eisenbahnbau gerichtet, der lebenswichtige Bewässerungssysteme der chinesischen Dörfer im Hinterland der Kolonie zu zerstören drohte. Die ersten blutigen deutschen Aktionen im Frühjahr (Rizhao) und Sommer 1899 (Gaomi) führten daher nicht zu einem baldigen Ende des Widerstands, sondern im Gegenteil zur Mobilisierung der chinesischen Bevölkerung auf dem Lande. Fast im gesamten agrarisch geprägten Hinterland der Kolonie wurden die Dörfer befestigt, begannen die Bauern sich zu bewaffnen, und es wurden Boxeranfiihrer eingeladen, mit der Bevölkerung zu trainieren. Die Bauern in Gaomi leisteten auch im Sommer 1900 wieder erbitterten Widerstand gegen das Vordringen der deutschen Truppen. Die Geschehnisse in den Kreisen Rizhao und Gaomi wirkten wie ein Katalysator auf die sich zeitgleich ausbreitende Boxerbewegung in Nord-Shandong. Die gewalttätigen deutschen Interventionen stellten insofern einen erheblichen Destabilisierungsfaktor fur die lokale chinesische Gesellschaft dar. Diese war jedoch geteilter Auffassung über die Frage, wie die Boxerbewegung einzuschätzen und zu behandeln sei. Insbesondere die Elite in Shandong betrachtete die unkontrollierte Massenbewegung mit Mißtrauen. Auch innerhalb der politischen Kreise gab es in bezug auf die Boxerbewegung konkurrierende Auffassungen: Zwei Gouverneure von Shandong (Zhang Rumei und Yu Xian) und mehrere hohe Lokalbeamte, die die Boxer toleriert hatten, verloren ihre Posten und wurden abberufen. Mit Yuan Shikai allerdings wurde Ende 1899 ein Politiker Gouverneur von Shandong, der sich zum Ziel gesetzt hatte, unabhängig von der wechselnden Politik der Zentralregierung die Boxer zu unterdrükken und den Widerstand gegen die deutsche Expansion zu brechen. Er war der Ansicht, daß gewaltsamer Widerstand den ausländischen Mächten nur zusätzliche Vorwände liefere fur weitere imperialistische Aktionen.

Der Rizhao-Missionszwischenfall und die Zerstörung von Hanjiacun durch deutsche Truppen Mit dem Juye-Missionszwischenfall und seinen Konsequenzen (Besetzung Jiaozhous, große Entschädigungszahlungen an die Mission, Bau sog. Sühnekirchen) wurden die Konflikte zwischen Mission und chinesischer Gesellschaft in den ländlichen Regionen Shandongs keineswegs entschärft. Im Gegenteil, die Konflikte nahmen, bedingt durch mehrere Faktoren, zu. Die Mission - auf den weltlichen Schutz des Deutschen Reiches vertrauend - expandierte in beispielloser Weise. Sie verstärkte ihre Aktivitäten durch den vennehrten Bau von Kirchen und Kapellen in Dörfern, den Ausbau der Missionsstationen und eine räumliche Ausbreitung der Missionierungsaktivitäten.2 Parallel dazu vermehrten sich die Fälle von Angriffen auf Missionare, Missionsstationen und chinesische Christen. Im Laufe der Jahre 1898 und 1899 weiteten sich die anti-christlichen Aktionen allmählich von Südwest-Shandong auf SüdostShandong aus. Die durch schlechtes Wetter verursachten Mißemten 1898 und die daraus re-

2

Ostern 1898 zählte die Steyler Mission 27.898 Katechumenen und 10.940 getaufte Christen, zusammen 38 992 Konvertiten Ein Jahr später gab es bereits 37.787 Katechumenen und 15.252 getaufte Christen, zusammen 53.039 Konvertiten. Zahlenangaben aus Hartwich 1983:366 u. 398. Einen solchen Anstieg sollte es in den folgenden Jahren nicht wieder geben.

243 sultierenden Hungersnöte im Winter 1898/1899, die Süd-Shandong und Nord-Jiangxi plagten, waren überdies Auslöser von Angriffen auf die als reich geltenden Missionsstationen.3 Viele der Vorfälle betrafen die Steyler Mission, aber nicht alle, denn auch amerikanische Methodisten berichteten über gegen sie gerichtete Angriffe.4 Ein solcher Vorfall ereignete sich in dem Dorf Jietou nahe der Stadt Rizhao an der Südküste von Shandong: Chinesische Christen und der deutsche Missionar Stenz wurden im November 1898 für drei Tage gefangengenommen und mißhandelt. In seinem Bericht über die Ereignisse schildert Stenz, daß die Übergriffe auf die Missionsstationen keineswegs spontan erfolgt, sondern tatsächlich gut organisiert und geplant gewesen seien (Dok. 64). Der Bericht suggeriert weiter, daß es die lokalen Beamten und die Gelehrten seien, die als die eigentlichen Urheber zu gelten hätten. Eine ganz andere Sichtweise auf die Vorgänge offenbart der Bericht des Gouverneurs von Shandong, Zhang Rumei. Für ihn geht der Zwischenfall auf die Provokationen von chinesischen Christen zurück, die unter dem Schutz der ausländischen Missionen Betrügereien begehen und vor Gericht auf Intervention der Missionare straffrei davonkommen (Dok. 72). Nachdem der Stellvertreter von Bischof Anzer, Provikar Freinademetz, von dem Vorfall erfahren hatte, reiste er nach Rizhao, um Stenz abzuholen und mit dem Magistrat über eine Beilegung des Zwischenfalls zu verhandeln. Am 18. November 1898 Schloß er mit dem Kreisbeamten von Rizhao einen Wiedergutmachungsvertrag, der die Bestrafung der Schuldigen, den Bau einer strohgedeckten Kapelle in Jietou und die Erstattung der den chinesischen Christen geraubten Gegenstände vorsah.5 Als Bischof Anzer dann von dem Vorfall in Rizhao hörte, begab er sich seinerseits zum Gouverneur in Jinan, um Verhandlungen einzuleiten. Hier erfuhr er allerdings, daß bereits ein Vertrag zwischen Freinademetz und dem Magistrat von Rizhao geschlossen worden sei. Anzer jedoch befand die Bestimmungen der Übereinkunft vom 18. November als völlig unzureichend und viel zu gelinde. Er verwarf den Vertrag6 und Schloß am 26. Dezember 1898 nach längeren neuen Verhandlungen einen zweiten Vertrag mit dem Daotai für Süd-Shandong, Peng Yusun. Der Vertrag sah jetzt den Bau der Kapelle in Jietou, die Überlassung eines Grundstücks für eine Missionsstation in Rizhao, 25.000 Taels (ca. 75.000 Mark) Schmerzensgeld für die Verletzungen von Stenz, 1050 Taels (ca. 2.000 Mark) Entschädigung für die den chinesischen Christen und Katechumenen geraubten Gegenstände, Verhaftung und strenge Bestrafüng der Urheber sowie eine öffentliche Abbitte aller Gelehrten des Ortes bei der Mission vor. 7 Nachdem das Auswärtige Amt vom Rizhao-Vorfall Kenntnis erhalten hatte, wurde der deutsche Gesandte Heyking angewiesen, von der chinesischen Regierung volle und sofortige

3

Schrecker 1971:91; Esherick 1987:186ff.

4

Schrecker 1971:95; Esherick 1987:188.

5

Der Vertrag findet sich in JWJAD 6:1, S 319. Siehe dazu auch Bornemann 1977:297f.

6

Gründer 1982:287; Bornemann 1877:300f.

7

Vertragstext in: JWJAD 6:1, S.317f; deutsch in: PAA, China 22, Bd. 4, Anlage zu Gouvernementsbericht vom 8.4.1899.

244 Genugtuung zu fordern. Bei Nichterfüllung solle er mit der Erweiterung der Grenzen von Q

Kiautschou drohen. Wenig später wurde er ermächtigt, diesen Vorfall und daraus entspringende deutsche Entschädigungsforderungen als Druckmittel bei den deutschen Eisenbahnverhandlungen zu benutzen (Dok. 65). Seit Dezember 1898 verhandelte nämlich ein deutschenglisches Syndikat mit der chinesischen Regierung über die Errichtung der Tianjin-Zhenjiang-Bahn. Deren Teilabschnitt Jinan-Yizhoufu, der im Pachtvertrag vom 6. März Deutschland zugesprochen worden war, sollte dabei als deutsche Privatbahn gebaut werden. Die Pekinger Führung war im Januar und Februar 1899 aber keineswegs bereit, den vom deutschen Gesandten unterstützten Forderungen nachzugeben. Sie wollte vielmehr die Linie als Staatsbahn unter jeweils (im Süden) englischer und (im Norden) deutscher Verwaltung dem deutsch-englischen Syndikat konzessionieren.9 Im Frühjahr 1899 mehrten sich die Stimmen auf deutscher Seite, die einen Einsatz deutscher Truppen befürworteten. Nicht nur die Mission klagte über Störungen, auch der Bergwerksdirektor Nottmeyer schilderte dem Gouverneur Jaeschke die dauernden Behinderungen bei den gerade begonnenen Vermessungen und Probebohrungen deutscher Bergbauingenieure in Süd-Shandong. Durch eine exemplarische Strafaktion sollte weiterer und künftiger Widerstand gegen deutsche Aktivitäten in der Interessensphäre gebrochen werden. 10 Der deutsche Gouverneur Jaeschke Schloß sich dieser Argumentation an und bat am 10. März 1899 erstmals um Genehmigung für eine Strafexpedition nach Süd-Shandong.11 Er setzte sich über die Frage der Notwendigkeit der Expedition auch ins Einvernehmen mit dem deutschen Gesandten, der Jaeschkes Haltung voll und ganz unterstützte (Dok. 66). Jaeschkes Plan wurde insbesondere auch vom Prinzen Heinrich und vom späteren Kommissar für chi12

nesische Angelegenheiten in Kiautschou, Wilhelm Schrameier, unterstützt. Die Staatssekretäre des Auswärtigen Amts und des Reichsmarineamts, Bülow und Tirpitz, hatten jedoch erhebliche Bedenken gegen einen solchen Einsatz. 13 Man fürchtete eine Eskalation, für deren militärische Bewältigung Deutschland nicht genügend Truppen auf chinesischem Territorium zur Verfugung stünden. Das Auswärtige Amt sah auch Komplikationen mit den anderen Großmächten voraus, weil jene möglicherweise die Absicht eines weiteren Gebietserwerbs des Deutschen Reichs vermuteten.14 Daher erhielt Jaeschke auf seine Anfrage zunächst die Weisung, daß erst alle diplomatischen Mittel eingesetzt werden sollten, bevor an eine Expedition zu denken sei.15 8

Vgl. B ü l o w an Heyking, 1.12.1898, in: B A P , D B C , Nr. 327, B1.175.

9

Die Verhandlungen werden dargestellt bei Schmidt 1976:110-118.

10 Vgl. Jaeschke an Tirpitz, 29.3.1899, in: B A / M A , R M 3 / 6 7 7 8 , Bl.173-181. Hier heißt es: „Aus rein wirtschaftlichem Interesse halte ich die Expedition für nötig, durch die B e w e g u n g im Innern Shandongs ist die Zukunft unserer Kolonie bedroht." 11 Siehe Jaeschke an Heyking, 10.3.1899, in: BAP, D B C , Nr. 327, B1.269. 12 Siehe Jaeschke an Tirpitz, 29.3.1899, in. B A / M A , R M 3 / 6 7 7 8 , Bl. 173-181. 13 Siehe Tirpitz an Kaiser Wilhelm II., 11.3.1899, in: B A / M A , RM3/6778, B1.34. 14 Siehe Gründer 1982:290f; Schrecker 1971: lOIff. 15 Vgl. Jaeschke an Heyking, 14.3.1899, in: BAP, D B C , Nr.327, B1.272.

245 Nichtsdestotrotz begann Jaeschke mit den Vorbereitungen der Expedition. Am 19. März 1899 wurden Leutnant Hannemann und Dolmetscher Mootz beauftragt, sich in die Präfektur Yizhoufii zu begeben und dort Informationen über die Lage sowie Möglichkeiten zur Durchführung einer Militäraktion einzuholen. Nach dem Bericht Hannemanns wurden sie am 22. März bei Hanjiacun in der Präfektur Yizhoufii ohne jeden erkennbaren Grund von einer gut organisierten, mit Gewehren und zwei Geschützen bewaffneten Menge angegriffen. 16 Sie verteidigten sich mit Schüssen aus ihren Pistolen, wobei sie mehrere Menschen trafen. Der Bericht des Gouverneurs von Shandong jedoch schildert einen anderen Hergang: Danach wurde der deutsche Trupp lediglich von einer neugierigen Menge umringt. Die Deutschen hätten grundlos begonnen, in die Menge zu feuern, möglicherweise weil sie sich bedroht gefühlt hätten (Dok. 68). Jaeschke telegraphierte sofort nach Berlin, daß nun nicht nur Missionare, sondern auch Beamte des Pachtgebiets im Hinterland angegriffen würden. Er bat daher abermals um Erlaubnis, die Expedition durchzufuhren.17 Laut Aktenvermerk des Reichsmarineamts genehmigte Kaiser Wilhelm II. die Expedition am 27. März 1899, offenkundig auf Vortrag des Auswärtigen Amtes hin und ohne Rücksprache mit dem Reichsmarineamt.18 Am 28. März wurde Jaeschke von Tirpitz telegraphisch instruiert: „Expedition unternehmen als Polizeimaßregel. An Truppenstärke aber nicht sparen." 19 Umgehend telegraphierte Jaeschke daraufhin an den Gouverneur von Shandong, Zhang Rumei, und kündigte die Expedition sowie die Zerstörung von Hanjiacun an (Dok. 67). Zeitgleich informierte Heyking in Peking das Zongli Yamen und die Gesandtschaften der anderen Mächte. Auch er betonte, daß es sich „um eine Polizeimaßregel zum Schutze unserer Missionare und Ingenieure" handele. 20 Der Gouverneur in Jinan protestierte umgehend in scharfer Form gegen die deutschen Absichten (Dok. 68). Das deutsche Vorgehen sei weder aus den Vorfällen zu begründen, noch stünde es in Einklang mit den Verträgen. Am 29. März rückte eine Expeditionstruppe von ca. 160 Mann auf der SMS Gefion aus. Etwa 40 Mann unter Führung von Kapitän Hannemann begaben sich nach Hanjiacun und forderten am Vormittag des 2. April 1899 die Bevölkerung zum Verlassen ihrer Häuser auf. Danach wurde das leere Dorf durchsucht und niedergebrannt.21 Insgesamt wurden 40 Höfe mit ca. 300 Gebäuden zerstört, zu handgreiflichen Auseinandersetzungen kam es nicht.22 Unterdessen marschierten die restlichen Mannschaften unter dem Befehl des Hauptmanns 16 Vgl. Hannemann an Jaeschke, 27.3.1899, in: BA/MA, RM 3/6778, Bl.182-186. 17 Vgl. Jaeschke an Heyking, 26.3.1899, in: BAP, DBC, Nr. 327, BI.332 18 Aktenvermerk vom 29.3.1899, in: BA/MA, RM3/6778, B1.59. Daraus ist ersichtlich, daß weiterhin große Bedenken bei Tirpitz bestanden. Offenkundig wollte sich Tirpitz absichern für den Fall, daß die Expedition fehlschlagen sollte. 19 Tirpitz an Jaeschke, 28.3.1899, in: BA/MA, RM3/6778, B1.53. 20 Vgl. Richthofen an Heyking, 29.3.1899, BA/MA, RM3/6778, B1.66. 21 Hannemann an Jaeschke, 7.4.1899, in: BA/MA, RM3/6778, B1.211-212. 22 Vgl. Throneingabe Yu Xian, 30.4.1899, in: YHTDS 1:22-24. Vgl. auch Zhu Maoduo 1994:318, Wang Shouzhong 1987:131

246 Falkenhayn nach Rizhao und besetzten den Yamen der Stadt. Dort forderte er, daß innerhalb von sechs Tagen die Täter des Jietou-Zwischenfalles ergriffen und innerhalb von zehn Tagen verurteilt werden sollten.23 Als nach der gesetzten Frist die Täter nicht gefaßt worden waren, beschloß Jaeschke, daß die deutschen Truppen länger in Rizhou verweilen sollten. Die chinesischen Behörden sahen im deutschen Vorgehen eine erhebliche Gefahr. Die Wirkung der deutschen Aggression auf die betroffene ländliche Bevölkerung war für die chinesischen Regierungsstellen ebenso schwer abzuschätzen wie die deutschen Intentionen. Am 6. April ordnete der Staatsrat die Verlegung von Truppen in den Kreis Rizhao an (Dok. 69). Sie sollten zwei Aufgaben wahrnehmen: Erstens Unruhen in der chinesischen Bevölkerung unterdrücken, zweitens einem weiteren Vordringen der deutschen Truppen vorbeugen (Dok. 71). Auch mit Hilfe diplomatischer Aktivitäten versuchte die Regierung, eine mögliche Ausweitung der Konflikte zu verhindern (Dok. 70). Der chinesische Gesandte legte in Berlin scharfen Protest gegen die deutsche Aktion ein. Er forderte Schadensersatz und Bestrafung 24 der deutschen Kompanieführer. Erst am 25. Mai zogen sich die deutschen Truppen aus Rizhao zurück unter Mitnahme von fünf Gelehrten als Geiseln, die erst freigelassen werden sollten, wenn alle deutschen Forderungen nach Entschädigung und Verhaftung der Schuldigen erfüllt worden wären. Der Abzug zu diesem Zeitpunkt steht in Verbindung mit dem Abschluß des Vertrages über den Bau der Tianjin-Zhenjiang-Eisenbahn durch ein deutsch-englisches Bankenkonsortium am 18. Mai und dessen kaiserlicher Ratifizierung am 22. Mai. 25 Die Linie sollte als chinesische Staatsbahn von den ausländischen Firmen finanziert, gebaut und auch betrieben werden, China würde nach zehn Jahren die Anleihe nebst Zinsen und Verwaltungsgebühren zurückzahlen. Es war dies die letzte Konzession überhaupt, die unter für China so ungünstigen Bedingungen abgeschlossen wurde 2 6 Die Geiseln wurden Ende Juni freigelassen, nachdem Bischof Anzer noch einmal 77.820 Tael in einem Vertrag mit dem Daotai von Süd-Shandong, 27 Peng Yusun, zugesprochen bekommen hatte. Nach der endgültigen Beendigung der Rizhao-Angelegenheit bekundete Tirpitz Ende Juni 1899 seine Unzufriedenheit mit der gesamten Aktion, die in langfristiger Perspektive als Fehlschlag für die weitere wirtschaftliche und politische Entwicklung Kiautschous beurteilt werden müsse. Aus den Ausführungen geht hervor, daß Tirpitz solche Aktionen im Widerspruch sah zu der von ihm geplanten friedlichen und wirtschaftlichen „Durchdringung" des Hinterlandes (Dok. 74). Er befürchtete, daß militärische Auseinandersetzungen dem so sorgsam gepflegten Bild der „Musterkolonie Kiautschou" irreversiblen Schaden zufügen würden.

23 Siehe Jaeschke an den Magistrat Rizhao, 30.3.1899, in: JWJAD 6:1, S.341-343. 24 Lü Haihuan an Bülow, 10.4.1899, in: BA/MA, RM3/6778, Bl.100-101. 25 Der Rückzug wurde von Kaiser Wilhelm II. angeordnet, nachdem er von der Erteilung der Konzessionen an das deutsch-englische Syndikat erfahren hatte, siehe Bülow an Tirpitz, 23.5.1899, in: BA/MA, RM3/6778, B1 187-188 26 Siehe Schmidt 1976:116ff. 27 Vgl. Chen 1992:214.

247

Die Erhebung gegen den Eisenbahnbau in Gaomi im Sommer 1899 Kurze Zeit später jedoch kam es in der Umgebung von Gaomi zu weiteren Konflikten, dieses ΛΟ

Mal zwischen der ländlichen Bevölkerung und der Shandong-Eisenbahngesellschaft. Der chinesische Widerstand begann im Verlauf der ersten Vermessungsarbeiten im Juni 1899 und setzte sich bis Dezember 1900 fort. Die Tatsache, daß trotz dauernder blutiger Vergeltungsaktionen der Widerstand in den Dörfern keineswegs nachließ, zeigt, daß es hier für die Dorfbevölkerung um existentielle Belange ging. Doch fur die Kolonialbehörden und Missionare war der Widerstand gegen den Eisenbahnbau nur Ausdruck von Rückständigkeit und Aberglauben, wie ein im Amtsblatt veröffentlichter Bericht des Missionars Richard Wilhelm belegt (Dok. 80). Für den Widerstand gab es sehr konkrete Ursachen. Als zum Beispiel im Juni 1899 in den Dörfern Dalü und Tidong im Kreis Gaomi die Bevölkerung Vermessungspfähle der Shandong-Eisenbahngesellschaft zerstörte und die Eisenbahnarbeiter verjagte, hatte das seine Ursache im Vorgehen der Eisenbahngesellschaft. Zum einen wurde den Bauern fur ihr Land nur ein weit unter dem Durchschnitt liegender Preis bezahlt. 29 Zum anderen wollte sich die Eisenbahngesellschaft nicht der Mühe unterziehen, in jedem einzelnen Falle die oft schwierigen Besitzverhältnisse zu klären. Häufig wurden auch ohne abgeschlossenen Kauf die Arbei30

ten weitergeführt. Zahlungen für die Grundstücke erfolgten außerdem unpünktlich und nach Abzug diverser und unbegründeter Verwaltungskosten.31 Proteste der chinesischen Bauern dagegen wurden ignoriert. Schließlich entstanden Streitigkeiten zwischen den aus Nordchina angeworbenen Eisenbahnarbeitern und der lokalen ländlichen Bevölkerung. Betrügereien und Vergewaltigungen seitens der Eisenbahnarbeiter kamen immer wieder vor. 32 Diese wurden selten geahndet, da die Eisenbahnarbeiter sich auf den Schutz der ShandongEisenbahngesellschaft verlassen konnten. Die Eisenbahnarbeiter waren daher bei der Bevölkerung verhaßt, was zu häufigen Auseinandersetzungen führte (Dok. 73). Nachdem die Eisenbahnverwaltung Kenntnis von den Aktionen erhalten hatte, wandte sie sich an den Gouverneur von Kiautschou, Jaeschke, mit der Bitte um ein abermaliges militärisches Eingreifen. Ohne eine Genehmigung aus Berlin einzuholen, entschloß sich Jaeschke, der Shandong-Eisenbahngesellschaft den geforderten Schutz zu geben und eine weitere Expedition ins Innere Shandongs zu unternehmen.33 Unter Führung von Hauptmann Mauve 28 Zur Shandong-Eisenbahngesellschaft und zur Baugeschichte der Eisenbahn zwischen Qingdao und Jinan, siehe Kapitel 7. 29 Siehe Ma Gengcun 1987:88f; Wang Shouzhong 1987:152. 30 Diese Praktiken werden auch beschrieben in den Privatbriefen eines deutschen Ingenieurs bei der Shandong-Eisenbahngesellschaft, Falkenberg 1986:122. 31 Siehe Ketteier an AA, 17.2.1900, in: BA/MA, RM3/6779, Bl.253-254. Zu diesen Mißständen siehe auch den Bericht des Konsulats Jinan von 1904, Dok. 114. 32 Zu den Belästigungen und Vergewaltigungen von Frauen durch Eisenbahnarbeiter siehe den Bericht des „Amts fur auswärtige Angelegenheiten" (Yangwu ju) an Yu Xian, o.D., in: CBOC 30f. 33 Jaeschke nannte dafür fünf Gründe: Erstens liege Gaomi innerhalb der neutralen Zone, in welchem das Gouvernement das Recht zu Truppenbewegungen habe. Von diesem Recht müsse zeitweilig Gebrauch

248

rückten am 21. Juni 80 Seesoldaten und 15 Mann Kavallerie in Richtung Gaomi vor. Am 24. Juni erreichte das Detachement den Ort Tidong, der befestigt und bewaffnet worden war. Das Dorf wurde ca. eine Stunde lang aus Gewehren beschossen und dann gestürmt. Auf chinesischer Seite gab es 17 Tote und eine unbekannte Anzahl von Verletzten.34 Am 25. Juni marschierte Mauve, ohne auf weiteren Widerstand zu treffen, in Gaomi ein. Am 26. Juni wurde das Dorf Liuge nördlich von Gaomi gestürmt. Hierbei wurden acht Bewohner getötet. 35 Die Bewohner von Gaomi wurden entwaffnet und die Stadt von dem Detachement für ca. zwei Wochen bis zum 5. Juli besetzt (Dok. 75, 76). Das für die Eisenbahngesellschaft wichtigste Ergebnis der Aktion war eine Vereinbarung, die mit den Magistraten von Gaomi am 2. Juli 1899 getroffen wurde. In ihr wurde festgelegt, daß die lokalen chinesischen Beamten künftig für die Shandong-Eisenbahngesellschaft mit den Bauern die Verhandlungen über den Landkauf fuhren würden. 36 Die Magistrate verpflichteten sich außerdem, die Eisenbahn und die Bahnarbeiter zu schützen. Damit war dem chinesischen Widerstand, der zunächst aus dem Vorgehen der Shandong-Eisenbahngesellschaft beim Landkauf resultierte, in diesem Gebiet die Grundlage entzogen worden, und die Arbeiten an der Bahnlinie konnten weitergeführt werden.

Die Besetzung Jiaozhous und Gaomis durch deutsche Truppen Mit der Vereinbarung vom 2. Juli 1899 konnten die chinesischen Beamten zwar den Ablauf der Landtransaktionen selbst regeln, die Streckenführung der Bahn jedoch wurde weiterhin einseitig von der Shandong-Eisenbahngesellschaft ohne Mitwirkung der Magistrate oder Bevölkerung festgelegt. Die ohne Rücksicht auf die chinesische Bevölkerung konzipierte Strekkenführung erwies sich daher bald als eine Ursache für erneuten Widerstand der chinesischen Landbevölkerung. Dieser fand nun an anderer Stelle, nämlich nördlich von Gaomi im Distrikt Haoli, statt. Hier drohte die Eisenbahntrasse die Be- und Entwässerungssysteme empfindlich zu stören. Die Bevölkerung des tiefliegenden und daher traditionell überschwemmungsgefährdeten Bezirkes forderte den Bau mehrerer größerer Brücken. Dies lehnte die Shandong-Eisenbahngesellschaft ab mit der Begründung, daß es erstens nicht not-

gemacht werden. Zweites müsse der Bevölkerung „eine Lektion erteilt werden". Drittens würde ein energisches Vorgehen jetzt künftigem Widerstand vorbeugen. Viertens sollte durch schnelles Eingreifen verhindert werden, daß China eigene Truppen in der Nähe des Pachtgebietes zusammenziehe. Schließlich duldeten fünftens die Eisenbahnarbeiten keinerlei Aufschub, da es bei der Eisenbahn um vitale Interessen Kiautschous ginge. Siehe Jaeschke an Tirpitz, 21.6.1899, in: BA/MA, RM3/6779, Bl. 47-49. 34 Siehe Gefechtsbericht von Mauve, 26.6.1899, in: BA/MA, RM3/6779, Bl. 195-200. Die Zahlenangaben sind mit chinesischen Quellen identisch, vgl. Zhu Maoduo 1994:322f. 35 Siehe Gefechtsbericht von Mauve, 26.6.1899, in: BA/MA, RM3/6779, Bl.203-205. 36 Jaeschke an Tirpitz, 30.6.1899, in: BA/MA, RM3/6779, Bl.54-59. Die Vereinbarung wurde offiziell am 2. Juli unterzeichnet, vgl. Schrecker 1971:109, Schmidt 1976:73f. Text der Vereinbarung „Vertrag zum Schutz der Eisenbahn" in: PAA, China Nr. 22, Bd. 5.

249 wendig und zweitens zu kostspielig sei.

37

Infolgedessen kam es Ende des Jahres 1899 und 38

im Frühjahr 1900 zu weiterem Widerstand gegen den Eisenbahnbau (Dok. 77). Gouverneur Jaeschke war nach den deutlichen Worten von Tirpitz über den Sinn von militärischen Einsätzen in Shandong (Dok. 74) nicht mehr ermächtigt, ohne Erlaubnis eine Expedition zur gewaltsamen Niederschlagung von Widerstandsaktionen zu entsenden. Die Staatssekretäre Tirpitz und Bülow sowie der neue deutsche Gesandte Ketteier drängten darauf, daß mit dem neu ernannten Gouverneur von Shandong, Yuan Shikai, nach einer friedlichen Lösung gesucht werde. Diese Verhandlungen, die seit Dezember 1899 von Yuan Shikai gefordert worden waren, fanden schließlich im März 1900 in Jinan statt und führten zu mehreren konkreten Abkommen zwischen dem Gouverneur und der Shandong-Eisenbahngesellschaft 3 9 Inzwischen hatte die Erhebung gegen den Eisenbahnbau im Haoli-Distrikt unter dem Einfluß des Boxeraufstandes allerdings eine erhebliche Eigendynamik erreicht. Die „Boxer für Frieden und Gerechtigkeit" (yihequan)40, die unter der Devise „Unterstützt die QingDynastie, zerstört alles Ausländische!" (fu Qing mie yang!) kämpften, bekamen in Nordchina immer mehr Zulauf. In der ersten Hälfte des Jahres breiteten sich die Boxertruppen in NordShandong und Zhili aus und marschierten nach Peking. Im Mai 1900 wurden in ganz Nordchina Eisenbahnen und Telegraphen von den Boxern zerstört. Im geheimen organisierte sich auch die ländliche Bevölkerung in Ost-Shandong bei Weixian und im Haoli-Distrikt. Es wurden Boxeranfuhrer eingeladen, um die ländliche Bevölkerung in die Kampf- und Beschwörungstechniken der in den Augen der ländlichen Bevölkerung so siegreichen Boxer zu unterweisen (Dok. 80). Im Februar und April 1900 kam es wiederholt zu Erhebungen von Boxern in der deutschen Interessensphäre, die jedoch von chinesischem Militär auf Befehl von Yuan Shikai niedergeschlagen wurden. Im Gegensatz zu dem vorherigen Gouverneur von Shandong, Yu Xian, der die Boxer geschützt hatte, sah Yuan Shikai in der Boxerbewegung eine Gefahr fur den chinesischen Staat.41 Er war entschlossen, den Aufstand der Boxer rigoros zu unterdrücken. Im Juni 1900 wurden amerikanische Missionare und deutsche Bergwerksingenieure bei Weixian angegriffen. Yuan Shikai benachrichtigte das Gouvernement darüber, daß er gegenwärtig nichts zum Schutze der deutschen Unternehmen in Shandong tun könne und riet, 37 Ma Gengcun 1987:90; Zhu Maoduo 1994:326. Im Februar 1900 fanden Verhandlungen in Gaomi statt zwischen chinesischen Magistratsbeamten und der Shandong-Eisenbahngesellschaft, siehe Schrecker 1971:115. Im Mai 1900 kam es abermals zu Verhandlungen, diesmal bei Lancun, siehe Falkenberg 1986:128. Die Deutschen erklärten, daß die Befürchtungen der chinesischen Bauern völlig grundlos seien. 38 Überblick über die einzelnen Erhebungen chinesischer Bauern in: Jiao Ji tielushi 1961:15-23. 39 Siehe hierzu Kapitel 5 und 7. 40 Die Boxer waren aus der anti-christlichen und missionsfeindlichen Bewegung (z.B. Dadaohui) SüdShandongs hervorgegangen, vgl. auch Kapitel 2. Zu den Boxern siehe Leutner 1988, Esherick 1987, Grimm 1977, Elvin 1991. 41 Zur Politik von Yu Xian siehe Wang Shouzhong 1987:139-152, zur Politik Yuan Shikais siehe Schrecker 1971:112ff; Hou Ran 1987.

250 die Arbeiten an Eisenbahn und Bergbau vorläufig einzustellen (Dok. 78). 42 Alle Deutschen in Shandong zogen sich nun nach Qingdao zurück, und die Arbeiten in Gaomi wurden eingestellt. Ein Detachement von Marinesoldaten wurde als „Sicherheitsmaßnahme" im Juni 1900 nach Jiaozhou verlegt, es sollte jedoch nicht weiter vorrücken. 43 Für eine Entscheidung über die weiter zu treffenden Maßnahmen wollte der Gouverneur zunächst die allgemeine politische Entwicklung abwarten. Die Ermordung des deutschen Gesandten Ketteier am 20. Juni 1900 veranlaßte die deutsche Regierung, das Ostasiatische Expeditionskorps nach China zur Niederschlagung der Boxerbewegung und Bestrafung der „Rädelsführer" in Volk und Regierung zu entsenden. Zugleich forderte die Shandong-Eisenbahngesellschaft das Gouvernement nachdrücklich auf, Strafaktionen auch in Shandong durchzufuhren, um den Widerstand gegen Eisenbahn und Bergbau zu brechen und eine schnelle Wiederaufnahme der Arbeiten zu ermöglichen (Dok. 79). Bei einem Treffen zwischen dem neuen Gesandten Mumm, dem Oberbefehlshaber Waldersee und dem Gouverneur Jaeschke am 6. und 7. Oktober in Tianjin wurde dann die Durchführung von Strafaktionen gegen die ländliche Bevölkerung in der deutschen Interessensphäre beschlossen (Dok. 81). Außerdem sollten deutsche Soldaten dauerhaft in Gaomi und Jiaozhou stationiert werden. Am 15. Oktober marschierten unter dem Kommando von Hauptmann Conradi ca. 200 deutsche Soldaten in Gaomi ein. Von Gaomi aus wurden entsprechend dem Beschluß mehrere blutige Aktionen gegen Dörfer im Kreis Gaomi durchgeführt: Am 23. Oktober wurden die Dörfer Kelan und Lijiaying beschossen und erstürmt (Dok. 82); am 1. November wurde das Dorf Shawo (Dujia) nordwestlich von Gaomi unter Artilleriefeuer genommen und ebenfalls gestürmt (Dok. 80). Bei diesen beiden Aktionen wurden nach deutschen Angaben mindestens 450 Dorfbewohner getötet, darunter zahlreiche Frauen und Kinder.44 Nach diesen Strafaktionen gab es keinen weiteren Widerstand mehr. Im Frühjahr 1901 schloß Yuan Shikai mit der Shandong-Eisenbahngesellschaft ein Abkommen, in dem er sich bereit erklärte, den der Gesellschaft entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Gelder dafür wurden von den Dorfbewohnern im Gebiet Gaomi eingetrieben. Zum Schutz der Eisenbahn verblieben die deutschen Marineinfanteristen für fünf Jahre in Gaomi und Jioazhou. Es wurden dort große Kasernen gebaut, die je 200 Soldaten aufnehmen konnten. Die Stationierung von deutschen Soldaten auf chinesischem Hoheitsgebiet bedeutete, daß auch die „neutrale Zone" zum unmittelbaren Herrschaftsbereich des Gouverne42 Am 19. Juni hatte die Qing-Regierung den ausländischen Mächten den Krieg erklärt. Es war folglich für Yuan Shikai nicht möglich, offen gegen die Boxer vorzugehen und mit seinen Truppen die Deutschen zu schützen. Yuan Shikai jedoch versuchte im geheimen seine Politik zur Ausschaltung der Boxer fortzusetzen und versammelte seine Truppen an der Grenze zu Zhili, offenkundig um zu verhindern, daß die Boxer sich von Zhili nach Shandong ausbreiteten. 43 Siehe Schrecker 1971:132. 44 Zahlen nach Denkschrift „Die Unruhen im Kaiserlichen Schutzgebiet Kiautschou", o.D., in: BA/MA, RM3/6784, BI.92-98. Die chinesischen Angaben zur Zahl der Getöteten sind doppelt so hoch, siehe z.B. Jiao Ji tielu shi 1961:22f. Der Unterschied erklärt sich daraus, daß die Deutschen die getöteten Boxer nicht mitgezählt haben. Im übrigen bemühten sich beide Seiten, die Vorgänge herunterzuspielen. 45 Siehe Schrecker 1971:139.

251 ments gerechnet wurde. Dies stellte für die Gouverneure in Shandong eine inakzeptable Verletzung chinesischer Rechte dar. Immer wieder versuchten sie daher, einen Rückzug der deutschen Truppen zu erreichen, den aber der neue Gouverneur von Kiautschou, Truppel, nur gegen erhebliche Zugeständnisse einzugehen bereit war. 46 Im Oktober 1905 erging jedoch überraschend der Befehl aus Berlin, Verhandlungen über den Rückzug des Detachements in Gaomi und Jiaozhou zu beginnen.47 Dahinter stand die Überlegung, daß die militärische Präsenz den weiteren wirtschaftlichen Interessen eher hinderlich sei. Ende 1905 wurde dann ein Vertrag geschlossen, der den Abzug der Truppen und den Kauf der Kasernen durch China regelte (Dok. 84). In der Zwischenzeit hatte sich auch herausgestellt, daß die Befürchtungen der chinesischen Bevölkerung in bezug auf den Bahnbau keineswegs unbegründet waren: Im Sommer 1902 kam es aufgrund starker Regenfälle an nur vier Tagen im Juli in der Gegend von Gaomi zu schweren Überschwemmungen. Zahllose Dörfer und Häuser wurden zerstört, die Acker und Felder in der Gegend überflutet. Auf Auftrag des Gouvernements bereiste ein MarineIngenieur im August 1902 die Gegend. Er stellte in seinem geheimen Bericht fest, daß diese Überschwemmungen zweifelsfrei durch den Eisenbahnbau verursacht worden seien (Dok. 83).

46 Siehe zu der Thematik ausfuhrlich Stichler 1988. 47 Siehe Semmern an Mumm, 22.10.1905, in: BAP, DBC, Nr. 1243, BI.20.

252

64 Aussagen des Missionars Stenz (19.11.1898) Am 2. November brach ich von Qingdao auf, um mich nach Yizhou zu begeben; am 4. langte ich dort in der Station Tushan an. Am 7. zog ich von dort ab und erreichte am 8. Jietou. Jietou besteht aus 2 Dörfern, das größere davon ist Marktplatz. Am 8. fand gerade Markt statt. Einige Tage vorher war in der Gegend, ungefähr drei Stunden von dem Orte entfernt, ein amerikanischer Katechist geschlagen, ausgeraubt und in die Berge geschleppt worden; dies wurde mir bereits in Qingdao erzählt. Ich mußte notwendig nach Zhucheng, um dort ein Haus zu kaufen und verlangte deshalb von dem Präfekten von Rizhao eine Eskorte Soldaten. Er schickte mir 4 Soldaten ohne Waffen entgegen und zugleich 4 Polizisten unter Anfuhrung eines Privatdieners voraus auf den Marktplatz Jietou. Das letztere geschah ohne mein Wissen. Seit 3 Monaten waren Christen in Jietou, die vielfach von der anderen Bevölkerung belästigt wurden. Ich rief deshalb bei meiner Ankunft die DorfVorsteher und Ältesten der Umgegend zu mir, um sie zu ermahnen, mit den Christen in Frieden zu leben. Auf meine Aufforderung erschien jedoch keiner. Am Abend ließ ich den oben erwähnten Privatdiener kommen, um ihn nach der Stimmung des Volkes zu fragen. Er entschuldigte sich, er habe keine Zeit. Ich schickte abermals hin und drohte, daß ich ihn bei dem Präfekten verklagen werde. Darauf erschien er und erklärte, daß alles ruhig sei, ich könne ohne weiteres nach Zhucheng gehen. Am anderen Morgen gegen 7 Uhr traten Kinder an mich heran, die schrien, die umliegenden Berge seien vollständig mit Leuten besetzt. Ich überzeugte mich von der Wahrheit dieser Angaben; darauf schickte ich sofort nach den Soldaten und dem Privatdiener des Präfekten, die den Leuten entgegengehen und sie nach ihren Begehren fragen sollten. Man verlangte, sich mit den Christen auszusprechen in der Absicht, auf sie einzuwirken, daß sie vom Christentum abstünden. So wenigstens wurde mir nachher angegeben. Sechs der angesehensten Christen schickte ich ihnen entgegen; sowie diese angekommen waren, wurden sie gefesselt. Im Sturm kam darauf die ganze Rotte ins Dorf hinunter; ich wurde vollständig allein gelassen; weder die Soldaten noch der Privatdiener des Präfekten waren zu erblicken. Mein Diener rief mir zu, daß man nach mir verlangte; ich flüchtete deshalb und verbarg mich in einer elenden Hütte. Kaum dort angekommen, kam die Schar, ungefähr 20 bis 30 Mann, mir nachgesetzt; ich ging ihnen entgegen und bat sie um Ruhe; jedoch wurde ich sofort am Kopf und Zopfe gefaßt und zu Boden geschlagen. In einem Nu war ich sämtlicher Kleider entledigt, mit Messern, Stöcken und Lanzen bearbeitet, so daß ich ungefähr 15 Stich- und Messerwunden davontrug. Der Bart und Zopf wurden mir Haar für Haar ausgerissen, schließlich wurden mir die Hände auf den Rücken gebunden. Dann fragte man mich, was für ein Landsmann ich sei und woher ich komme. Ich sagte, ich sei Deutscher und käme von Qingdao, in der Hoffnung, daß dieses mir helfen würde. Um so mehr schlug man mich darauf. Die Entfernung des Platzes von der Interessensphäre beträgt vielleicht 4 Stunden. Ich wurde vom Boden aufgerissen und weggeschleppt. Am Ende des Dorfes standen 50 Mann, bewaffnet

253 mit Lanzen und bildeten Spalier. Mein Führer rief ihnen entgegen, jetzt kommt der, der unser Land erobern will; man ließ mich dann los und durch die Rotte Spießruten laufen. Außerhalb des Dorfes wurden Vorbereitungen getroffen, mich aufzuhängen. Nach einiger Zeit kam ein besser gekleideter Mann und teilte ihnen etwas mit, worauf ich an den Füßen gefesselt und platt auf die Brust geworfen wurde. Hände und Füße wurden in einen Knäuel zusammengebunden. So ließ man mich vielleicht eine Stunde im freien Felde liegen. Endlich kam ein Mann, der an meinem Leibe sein Messer wetzte und sich anschickte, als ob er mir die Haut abziehen wolle. Nachdem ich einige Zeit in dieser Angst gelegen hatte, schnitt er die Stricke durch. Fast besinnungslos taumelte ich hinter ihm, während er mich am Strick führte. Etwa anderthalb Stunden weit mußte ich dann über Stock und Stein, durch Flußbette und über schlechte Wege mich nach einem Tempel am Fuße eines Berges in Fangsi schleppen, ein Diener und ein Katechist nebst neun Christen wurden neben mir geführt. Auf dem Wege wurde ich vielfach geschlagen. Angelangt am Tempel mußte ich ungefähr 2 Stunden an einer Säule in der größten Sonnenhitze stehen; auch mein Bitten um Kleidung und Wasser war vergebens. Die Rädelsführer beratschlagten unterdessen. Gegen 4 Uhr wurde ich in den Tempel geführt und mir eine kleine Decke gegeben. So blieb ich auf dem kalten Boden eine ganze Nacht lang angebunden liegen. Am Morgen darauf, am 10. d.Mts., wurde ich, trotzdem meine Wunden geschwollen waren und ich kaum gehen konnte, in Begleitung sämtlicher Christen über eine Stunde einen Berg hinauf geführt. An der Spitze des Berges pferchte man mich in einen kleinen Tempel; dort fiel ich in Ohnmacht, so daß man mich einige Zeit in Ruhe ließ. Gegen 10 Uhr wurden meine Hände strammer auf den Rücken gefesselt und ich mit den Händen langsam an einem Balken aufgezogen. Dieses dauerte ungefähr eine halbe Stunde, da erschienen die Boten des Präfekten unter Anführung eines der Rädelsführer. Ich wurde befreit. Ich wurde alsdann den Berg hinuntergeführt und abermals in den oben genannten Tempel, dieses Mal ungefesselt, geworfen; die Behandlung war überhaupt besser. Der Präfekt von Rizhao war nämlich auf den Marktplatz Jietou gekommen und führte dort Unterhandlungen. Am Schlüsse derselben mußte ich folgende Bedingungen unterschreiben: 1. Daß ich die Christen in dem Dorfe aufgeben solle, 2. daß ich selbst nach Qingdao zurückkehre. Dieses unterschrieb ich auch mit der Beifügung: „gezwungen". Ich schrieb Namen und Nachtrag deutsch. Am 11. mittags 2 Uhr wurde ich freigelassen. Einer von den Beamten bestellte eine Tragbahre; man brachte mich zum Präfekten in Jietou, der mich selbst allerdings des Volksaufstands halber nicht sah. An demselben Abend wurde ich nach der 7 Stunden entfernten Stadt Rizhao begleitet; dort kam ich am folgenden Morgen gegen 4 Uhr an und fand in der Präfektur Aufnahme. Den Patern Bartels und Gebhardt war früher bereits der Aufenthalt in Rizhao verwehrt worden;1 der Präfekt selbst hatte P. Bartels geschrieben, er solle Yizhou mit seiner Mis-

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Seit 1894 war Franz Bartels zuständig für das Dekanat Yizhoufii, zu dem auch Rizhao gehörte. Georg Gebhardt missionierte seit Ende 1894 im Kreis Rizhao. Der zeitweise ebenfalls in Rizhao tätige Missio-

254 sionstätigkeit verschonen, da dieses eine Stadt von Gelehrten sei. Ich stehe unter dem Eindruck, daß der Präfekt ein sehr einfältiger Mensch ist; vielleicht aber sein Sekretär nicht ohne Einfluß auf diese Aufreizung sein mag. Aus den Reden der Leute, die manchmal sagten, ich habe genügend Hiebe bekommen, schloß ich, daß die Sache vorher abgekartet war, und ich mich nicht vor dem Schlimmsten zu furchten brauchte, gez. Georg Maria Stenz Aufgenommen Qingdao, den 19. Nov. 1898 gez. Dr. Schrameier Dolmetscher Β AP, DBC, Nr. 327, Bl. 182-184.

65 Telegramm des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes, Bülow, an den deutschen Gesandten Heyking (12.12.1898) Hiesigen chinesischen Gesandten ist kein Zweifel darüber gelassen, daß Überfall auf Missionare und Angriffe auf Ingenieure hier ungünstigsten Eindruck gemacht haben, und China, wenn nicht unverzüglich volle Satisfaction erfolgt und alles geschieht, den Eindruck zu verwischen, ernste Folgen zu gewärtigen hat. Gesandter versprach in diesem Sinne an Zongli Yamen zu telegraphieren. Keine Bedenken dagegen, daß die Vorfälle indirekt zu Förderung unserer Eisenbahninteressen durch Hinweisung darauf ausnutzen, daß Entgegenkommen in Eisenbahn-Sachen hier besten Eindruck machen und dazu beitragen werde, die unangenehme Erinnerung zu verwischen. Bitte über Fortgang der Verhandlungen täglich mir zu telegraphieren, gez. Bülow BAP, DBC, Nr.327,

Bl.207.

nar Volpert berichtete 1895, daß „die Mission [...] dort keine Fortschritte [mache], weil die zahlreichen großen Gelehrtenfamilien es verhindern", zit. nach Hartwich 1983:271.

255 66

Schreiben des Gouverneurs von Kiautschou, Jaeschke, an den Staatssekretär des Reichsmarineamts, Tirpitz (15.3.1899) Qingdao, den 15. März 1899

Geheim

Ew. Excellenz habe ich am lO.d.M. ein Telegramm übersandt, in welchem ich über Vorgänge in Süd-Shandong Meldung erstattete und um grundsätzliche Genehmigung zum Einrücken deutscher Truppen bat. Im Anschlüsse hieran berichte Ew. Excellenz ich Nachstehendes: Am lO.d.M. nachmittags stellte sich mir der apost. Provikar Freinademetz vor. Er kam aus dem aufständischen Gebiete im südlichen Shandong, das er auf Befehl des Bischof Anzer besucht hatte, um sich durch den Augenschein von der Ausdehnung des Aufstandes und der Bedrohung der Katholischen Mission zu überzeugen. Er sagte, daß die Zustände aller Beschreibung spotteten, seit 20 Jahren wären sie nicht so schlimm gewesen, das Leben der Missionare in der Präfektur sei bedroht, die chinesischen Christen würden aus ihrem Besitze vertrieben und umgebracht. Die Mandarine verhielten sich passiv oder, wenn etwa einer etwas gegen die Aufständischen unternähme, so würde er von einem anderen gewarnt, er möge sich durch sein Vorgehen nicht Unannehmlichkeiten von Peking aus zuziehen. Demnach schiene es, als ob von Peking aus die Bewegung gern gesehen würde und die Literaten sie schürten, oder wenigstens ruhig um sich greifen ließen. Bischof Anzer habe vor 10 Tagen an den Gesandten telegraphiert und um Schutz gebeten. Ein längerer Aufschub würde schwere Folgen haben. Er empfahl etwa 100 Mann Soldaten nach Rizhao zu legen. Der dortige Unterpräfekt sei besonders feindselig und wenn auf ihn und die dortigen Literaten ein Druck ausgeübt würde, so würde er sich auf die ganze Präfektur fortpflanzen. Zu militärischem Einschreiten würde es dabei gar nicht kommen. Die Mandarine müßten einmal sehen, daß die deutsche Regierung in der Lage und gesonnen wäre, ihre Angehörigen auch nachdrücklich im Innern zu schützen. Er fügte noch hinzu, daß er gehört habe, man wolle den Gouverneur von Shandong ablösen, weil er den Fremden in der Provinz zu sehr die Wege ebne und einen Fremdenfeind dafür einsetzen.

2 Nach der in Dok. 64 beschriebenen Gefangennahme und Mißhandlung des Missionars Stenz im November 1898 kam es in Rizhao und Umgebung Anfang des Jahres 1899 in großem Umfang zu Angriffen auf die Mission und insbesondere auf chinesische Christen. Nach den Berichten der Missionare stand dahinter eine Geheimgesellschaft mit dem Namen „Heihui" (Schwarzer Bund) und eine Miliz mit dem Namen „Lianzhuanghui" (Bund der vereinten Dörfer), vgl. Hartwich 1983:359-374. Die antichristlichen Aktionen breiteten sich im Januar und Februar über die ganze Präfektur Yizhoufü aus. Anfang Januar 1898 wurde Freinademetz von Bischof Anzer beauftragt, sich nach Rizhao zu begeben, um dort die Einhaltung des Sühneabkommens wegen der Mißhandlung von Stenz zu überwachen. Freinademetz traf am 28. Januar 1898 in Rizhao ein, konnte aber dort nichts erreichen, da der chinesische Beamte erklärte, er sei nicht in der Lage, das Abkommen einzuhalten, siehe Bornemann 1976:303. Zu dem Sühneabkommen siehe Einleitung zu Kapitel 4.

256 An demselben Tage erhielt ich vom Direktor Nottmeyer der Bergwerksverwaltung des Banksyndikats den in Abschrift beigefügten Brief mit einer Anlage. Die beiden Vorstellungen gaben mir Veranlassung, zu dem Ew. Excellenz gesandten Telegramm und zu einem an den Kaiserlichen Gesandten in Peking gerichteten, folgenden Wortlaute: „Provikar Freinademetz eingetroffen, schildert Zustände Präfektur Yizhoufu sehr schlimm, habe Berlin grundsätzliche Genehmigung zu Einrücken deutscher Truppen erbeten. Falls Genehmigung erhalte und Sie zustimmen, beabsichtige Kompanie Seebataillon [nach] Rizhao legen, Druck ausüben [auf] Mandarine. Auch Bergwerksdeutsche bedroht." Auf dieses Telegramm erhielt ich am 12. d.M. die nachstehend wiedergegebene Antwort: „Wenn Berlin genehmigt, stimme ich durchaus für geplantes Vorgehen in Yizhoufu, das mir zur Aufrechterhaltung unsere Ansehens erforderlich erscheint. Für hiesige Lage wäre es ebenfalls vorteilhaft. Bitte nach Besetzung Rizhaos mir telegraphieren, damit ich Zongli Yamen notifizieren kann." Am 10. abends requirierte ich vom ältesten anwesenden Seebefehlshaber, Kapitän zur See Gülich, S.M.S. „Gefion"zu einer Rekognoszierungsfahrt nach der Südküste Shandongs, um eine günstige Landungsstelle für die Truppen zu ermitteln, Gefion ging dazu am nächsten Morgen in See, am 13. ist sie zurückgekehrt und hat mitgeteilt, daß eine bequeme Ausschiffung eben oberhalb Tower Point in nur 1 Vi-7 stündiger Marschentfernung von Rizhao möglich sei. Dem Kommando des Seebataillons sowie demjenigen des Matrosenartilleriedetachements gab ich Auftrag, alles Nötige fur Bereitmachung einer Kompanie Infanterie von 120 Mann und zweier bespannten Maschinengewehre zu veranlassen, soweit es Kosten nicht erfordert. Ich ließ eine Proklamation an die Bevölkerung der Unterpräfektur von Rizhao, Briefe an den Unterpräfekten von Rizhao, an den Präfekten von Yizhoufu vorbereiten, von denen ich Abschrift beifüge. An den Kaiserlichen Gesandten telegraphierte ich am 13. d.M. folgendes: „Wenn Berlin Einrücken genehmigt, beabsichtige zunächst [nach] Rizhao [zu gehen], Sühnung [im] Fall Stenz. Yamen besetzen. Bedingungen an Magistrat, Schuldige binnen 6 Tagen [zu] [er]greifen [und] binnen 10 Tagen ab[zu]urteilen. Ihrerseits gestellte Bedingung erfüllen, um deren Mitteilung ich bitte. Falls erfolglos, Gefangennahme [des] Magistrats und einiger Literaten. Überführung hierher. Erbitte Einverständnisse oder Gegenvorschläge." An den Chef des Kreuzergeschwaders gleichzeitig folgendes: „Habe [in] Berlin Genehmigung erbeten zu Besetzung Rizhao durch Kompanie Seesoldaten wegen Bedrohung Mission und Bergwerksbeamte. Erbitte Unterstützung für Transport und Verbindung durch Gefion nach Eintreffen [der] Genehmigung." Die in dem Telegramm an den Kaiserlichen Gesandten erwähnten Bedingungen sind von mir aufgestellt nach Rücksprache mit Pater Stenz, welchen der inzwischen wieder abgereiste

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In den Akten nicht vorhanden.

257 Provikar Freinademetz hergeschickt hat, um die Expedition zu begleiten. Es kam darauf an, die Truppen nur eine kurze Zeit in dem aufständischen Gebiete zu belassen, bei ihrem Abrücken aber einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen, im Falle der Nichterfüllung unserer Bedingungen. Neben der Mitnahme des Unterpräfekten und einiger Literaten stand die Niederbrennung des Dorfes in Frage, welchem die Attentäter gegen Pater Stenz entstammen, diese Maßregel habe ich aber nicht in Aussicht genommen, weil es besser ist, die Mandarine zu treffen als das Volk, denn erstere tragen direkt oder indirekt immer Schuld an dem, was gegen Europäer in ihrem Bezirke geschieht, sei es durch Aufhetzen, sei es durch Nachlässigkeit. Welchen Mißerfolg die Forderungen auf Sühne für Gewalttätigkeiten gegen Missionare haben, beweist, daß die Mörder der Missionare Nies und Henle noch frei herumlaufen,4 trotzdem ihre Namen bekannt sind, und daß der Fall Stenz, welcher Anfang November passiert ist, noch unerledigt ist. Die Forderungen werden nicht abgelehnt, aber nicht erfüllt. Die Vertragsbewilligungen sind seiner Zeit durchgedrückt worden, den Vertragsausführungen setzt man aber Widerstand entgegen, nicht nur passiven, sondern jetzt auch aktiven. Da muß gezeigt werden, daß wir uns das nicht bieten lassen, gez. Jaeschke. PAA, China Nr. 22, Bd. 3, unfoliiert.

67 Telegramm des Gouverneurs von Kiautschou, Jaeschke, an den Gouverneur von Shandong, Zhang Rumei (29.3.1899) Qingdao, den 29. März 1899 Nachdem Bewohner des Kreises Rizhao bereits vor längerer Zeit den deutschen Missionar Stenz mißhandelt haben, ohne daß bis jetzt wirksam Maßregeln ergriffen sind, um die Schuldigen zu fangen und abzuurteilen, habe ich Truppen nach Rizhao gelegt, damit die Bedingungen, die das Deutsche Reich als Sühne für diesen Überfall eines deutschen Bürgers gestellt hat, erzwungen werden. Ferner sind vor wenigen Tagen einige deutsche Beamte, welche sich auf einer friedlichen Reise nach Yizhoufü befanden, von den Bewohnern einiger Dörfer ohne jede Veranlassung mit Waffen angegriffen worden, so daß die Deutschen in der Notwehr ihrerseits gezwungen waren, zu den Waffen zu greifen, um sich zu verteidigen. Da die chinesischen Behörden solche ungeheuerlichen Angriffe des Pöbels zu hindern oder zu bestrafen augenscheinlich nicht die Macht haben, so sende ich eine Abteilung Soldaten ab, 4

Zum Juye-Missionszwischenfall siehe Dok. 17 und die Einleitung zu Kapitel 2. Wie hier deutlich wird, sind nach deutscher Auffassung die wahren Täter nie gefaßt worden.

258 welche den Auftrag hat, die Dörfer, deren Familien die Übeltäter angehören, niederzubrennen. Ich bemerke ausdrücklich, daß hiermit keine militärische Aktion gegen China geplant ist, vielmehr liegt es nur in meiner Absicht, Angriffe auf Deutsche nicht ungestraft hingehen zu lassen, damit dieses Beispiel als Warnung diene fur andere, und Missionare, Kaufleute und Bergwerkstreibende ruhig ihren Geschäften nachgehen können. Ich hoffe, daß dieses Beispiel hinreichen wird, ähnliche Vorkommnisse fur die Zukunft zu verhindern und daß endlich Ruhe und Friede in diese Gegenden einkehrt. Der Kaiserliche Gouverneur, gez. Jaeschke. BA'MA, RM 3/6778,

Bl.202/5

68 Telegramm des Gouverneurs von Shandong, Zhang Rumei, an den Gouverneur von Kiautschou, Jaeschke (31.3.1899) 6 Am 30. erhielt ich Ihr Telegramm 7 , von dessen Inhalt ich Kenntnis genommen habe. Was den Überfall auf den Missionar Stenz in Rizhao betrifft, 8 so sind die Verhandlungen darüber im vorigen Jahre zwischen dem Daotai von Yanzhoufu und Yizhoufii - Peng Yusun - und dem Bischof Anzer in der Weise zum Abschluß gebracht worden, daß ein Sühnegeld von Taels 25.000 gezahlt und Land gekauft wurde, um eine Kirche zu errichten; ferner sollte Abbitte geleistet und die Schuldigen bestraft werden. Darüber wurde ein Vertrag aufgesetzt;9 das Geld ist dem Anzer gegen Quittung ausgehändigt worden, die Schuldigen werden jetzt noch gesucht. Was die Yizhoufu-Sache betrifft, so erhielt ich gestern eine Eingabe des dortigen Präfekten, wonach deutsche Beamte und Kaufleute Vorschulte, Mootz und Hannemann mit dem Missionar Fang Weilian10 ihn aufgesucht und ihm erklärt hätten, sie seien nach einem Orte Lanshanxian westlich von Huanggucun gelangt, dort habe auf einmal eine Menge Dorfleute sie neugierig umringt, wodurch der Anschein hervorgerufen sei, als ob sich

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Die von Zhang Rumei erhaltene chinesische Fassung findet sich in: YSG, 501/0-2, Nr.293, mit dem Eingangsdatum 30.3.1899.

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Übersetzung wurde am Gouvernement Kiautschou erstellt. Sie ist nicht namentlich gezeichnet.

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Siehe Dok. 67

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Siehe Dok. 64.

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Der Vertrag wurde am 26. Dezember geschlossen. Chinesischer Vertragstext in: JWJAD 6:1, S 317f; deutsch in: PAA, China 22, Bd. 4, Anlage zu Gouvernementsbericht vom 8.4.1899.

10 Die Identität des Missionars ist ungeklärt, möglicherweise handelt es sich um Georg Fröwis, der in Yizhoufii stationiert war.

259 etwas Schlimmes vorbereitete." Die Beamten und Kaufleute hätten dann ihre Gewehre abgefeuert und drei Mann verwundet; auf die Nachricht seien die Dorfältesten herbeigestürzt und hätten für die Zerstreuung des Haufens gesorgt. Eine Beraubung habe nicht stattgefunden, ebenso wenig sei einer von ihnen verwundet worden. Der Präfekt von Yizhoufu hat darauf die ihm unterstellten Beamten veranlaßt, besondere Truppen und Polizisten aufzubieten und die Beamten und Kaufleute nach Qingdao zurückzubegleiten. Zugleich war festzustellen, daß von den 3 Verwundeten einer seinen Verletzungen erlegen, die anderen aber so schwer getroffen waren, daß sie nicht vernommen werden konnten. Die Schuldigen sollten schließlich herausgefunden und der Bestrafung entgegengefahrt werden. Das Telegramm, das ich von Ihnen erhielt, handelt ausschließlich von diesen beiden Dingen. Nun sind die Verhandlungen über die Rizhao-Angelegenheit längst abgeschlossen, das Geld ist erhoben, alle diejenigen, die in Haft genommen sind, sind vor Gericht gebracht und abgeurteilt; die Beamten aus der aufständischen Gegend sind ihres Amtes entsetzt worden. Die Yizhoufu-Angelegenheit ist darauf zurückzufuhren, daß deutsche Kaufleute und Beamte im Inneren reisten, ohne daß, wie es vertragsmäßig vorgesehen ist, vorher die Lokalbeamten davon in Kenntnis gesetzt waren und sich auf ihren Schutz vorbereiten konnten. Die Dorfbewohner befanden sich deshalb im Unklaren, da sie nicht wissen konnten, daß es sich um Deutsche handelte. So scharten sie sich neugierig zusammen, raubten aber keineswegs. Die ganze Sache kam fur die Lokalbehörden völlig überraschend. Weil sich ein großer Haufe angesammelt hatte, so feuerten die Beamten und Kaufleute auf der Stelle ihr Gewehr ab und töteten dadurch leider einen Mann, während zwei schwer verwundet wurden. In Ihrem Schreiben heißt es, daß die Beamten die Waffen zur Selbstverteidigung hätten gebrauchen müssen, haben Sie denn auch vorher gewußt, daß die Herren, als sie schössen, den Menschen das Leben nahmen? Ich kann mir nicht vorstellen, daß nach deutschen Gesetzen es Recht sein sollte, erst auf Menschen zu schießen und ihr Leben in Gefahr zu bringen und dann ihre Dörfer deshalb einzuäschern. Deutschland gilt als Land der Aufklärung und Vernunft, als Land, das freundschaftliche Beziehungen aufrechterhält. Sie selbst sind Ihrer ganzen Anlage nach ein Mann von Rechtlichkeit; ich bitte Sie, lesen Sie doch den jüngst zwischen unseren Ländern geschlossenen Vertrag. Danach dürfen Ihre Truppen wohl innerhalb der Zone sich bewegen, aber es steht nichts davon da, daß Ihre Truppen auch über die Zone hinaus marschieren dürfen. Hier liegt ferner kein Grund zur Truppenbewegung vor. Die Bevölkerung von Yizhoufu ist heftiger Art, sie hält zusammen und findet darin ihre Stärke; wenn Sie jetzt Ihre Truppen dorthin schicken, um die Dörfer einzuäschern, so wird sicher die ganze Bevölkerung sich im Ernste zusammen scharen und mir dann jedes Mittel fehlen, Ihren

11 Am 19. März 1899 wurden Leutnant Hannemann und Dolmetscher Mootz beauftragt, sich in die Präfektur Yizhoufii zu begeben und dort Informationen über die Lage sowie Möglichkeiten zur Durchführung einer Militäraktion einzuholen. Ihnen Schloß sich aus eigener Initiative der Ingenieur Vorschulte an. Am 22 März erreichten sie das Dorf Hanjiacun in der Präfektur Yizhoufu. Nach dem Bericht Hannemanns wurden sie dort ohne jeden erkennbaren Grund von einer gut organisierten, mit Gewehren und zwei Geschützen bewaffneten Menge angegriffen, siehe Hannemann an Jaeschke, 27.3.1899, in: BA/MA, RM 3/6778, Bl. 182-186

260 Leuten Schutz angedeihen zu lassen. Ich bitte Sie, Ihre Absicht, die Truppen vorzuschicken, sofort rückgängig zu machen. Meine Pflicht wird es sein, allen Ernstes die Lokalbehörden anzuweisen, daß sie die Aufrührer in Rizhao und die Ortschaften und Weiler von Yizhoufii zur Rechenschaft zu ziehen und sie in Ruhe halten. Wenn in Zukunft deutsche Beamte und Kaufleute im Inneren reisen werden, so hoffe ich im Interesse der Aufrechterhaltung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern, daß sie zuerst einen Paß ausnehmen und die Ortsbehörden benachrichtigt werden, damit sie Soldaten und Polizisten zum Schutze unterwegs bestellen. In Ihrem Telegramm geben Sie der Hoffiiung Ausdruck, daß das Land Ruhe und Frieden in Zukunft genießen möge. Das ist auch mein innigster Wunsch, möge alles in Freundschaft geschlichtet werden. Der Gouverneur von Shandong. Zhang Rumei. ΒΑ/ΜΑ, RM 3/6778,

Bl.203-205.12

69 Telegramm der Minister des Staatsrats an den Gouverneur von Shandong, Zhang Rumei (6.4.1899)13 Kaiserliche Weisung. Wir haben Euer Telegramm erhalten. Wir hegen die schwersten Befürchtungen, daß sich aus den deutschen Aktionen, bei denen Hanjiacun und andere Dörfer im Kreis Lanshan niedergebrannt wurden, größere Verwicklungen ergeben können. Haltet Euch deshalb strikt an die Kaiserliche Order und befehlt den Lokalbeamten, ausreichend Truppen vor Ort zu verteilen und jedwede Unbotmäßigkeit energisch zu unterdrücken. Laßt General Xia Xinyou auf schnellstem Wege vorrücken und gemäß der Lage Schritte zur Bereinigung der Situation und zum Schutz der Christen ergreifen. General Xia soll seine Absichten in geschickter Weise tarnen und, ohne daß der Gegner es bemerkt, seine Truppen im Gebiet zu verteilen. Auch im Falle unvorhergesehener Zwischenfälle muß er gewappnet sein und darf nicht den Kopf verlieren. Kaiserlicher Befehl. YSG, 501/0-2, Nr. 293,

imfoliiert.

12 Das chinesische Original ist reproduziert in: JWJAD, 6:1, S.325f. 13 Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker.

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Schreiben des Gouverneurs von Shandong, Zhang Rumei, an den Generalgouverneur von Zhili und Minister der Nördlichen Handelshäfen, Yu Lu (7.4.1899) 14 Abschrift, 7.4.1899 An Seine Exzellenz Yu in Tianjin: [...] 15 Ich habe sofort das Zongli Yamen ersucht, in einer Throneingabe den Kaiserlichen Befehl zu erwirken, unseren Gesandten Lü in Berlin anzuweisen, beim deutschen Auswärtigen Amt vorstellig zu werden und das deutsche Vorgehen unter Hinweis auf die Verträge energisch zurückzuweisen. Außerdem bat ich das Zongli Yamen, den Vorfall unverzüglich mit dem deutschen Gesandten von Heyking zu erörtern. Die Deutschen sind nicht berechtigt, nach eigenem Gutdünken Truppen nach Yizhou zu entsenden. Ich telegraphierte an Jaeschke, daß der Fall von Rizhao bereits im vergangenen Jahr zwischen dem Daotai von West-Shandong und Bischof Anzer mündlich geklärt worden ist. Dabei wurde ein beiderseitiger Kompromiß ausgehandelt. Sobald Jaeschkes Antwort eintrifft, werde ich sie über das Zongli Yamen Seiner Kaiserlichen Hoheit zur Kenntnis bringen. Darüber hinaus beauftragte ich insgeheim den Gamisonskommandanten von Dengzhou, Xia Xinyou, die Angelegenheit umsichtig beizulegen, um weitere Verwicklungen zu vermeiden. Um ein weiteres Mal forderte ich Gouverneur Jaeschke und Prinz Heinrich auf, stets den beiderseitigen Beziehungen Rechnung zu tragen, sich bei allen Schritten nach den vertraglichen Vereinbarungen zu richten und die Truppen sofort zurückzuziehen. Gestern und heute erhielt ich Antworttelegramme von Prinz Heinrich und Gouverneur Jaeschke. Sie willigten ein, die Truppen, die nach Lanshan vorgerückt waren, wieder abzuziehen. Die Truppen in Rizhao sollten hingegen bis zur Beilegung des Missionarszwischenfalls am Ort verbleiben. Daraufhin befahl ich in einer geheimen Weisung dem Daotai von West-Shandong, den Fall mit den Missionaren umgehend abzuschließen. Dabei soll der Vertrag des Vorjahres als Vorlage dienen. Auf keinen Fall kann geduldet werden, daß beliebig Unschuldige getötet werden. Den zu Schaden Gekommenen soll in einem bestimmten Rahmen Entschädigung widerfahren. Was den Schutz der Christen anbelangt, so kann nach weiteren Überlegungen auch darüber verhandelt werden. Es wäre am besten, wenn sich die deutschen Truppen so schnell wie möglich nach Qingdao zurückzögen, um weitere Zusammenstöße zu vermeiden. Der Daotai soll alle unsere Truppen instruieren, weiterhin gewissenhaft Vorkehrungen zu treffen. 14 Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker. 15 Hier folgte eine Wiedergabe des Telegramms von Jaeschke an Zhang Rumei, siehe Dok. 67.

262 Damit habe ich über alle Angelegenheiten Eurer Exzellenz Bericht erstattet. Großbeamter Yu [Xian] wird innerhalb weniger Tage in der Provinzhauptstadt eintreffen. Ich habe ihn bereits in einem geheimen Schreiben über den Hergang des Vorfalls unterrichtet. Außerdem informierte ich den Minister der Südlichen Handelshäfen Liu Kunyi, der den Vorgängen sicherlich ebenfalls große Beachtung schenkt, ausführlich in einem Telegramm. Es erfüllt mein Herz mit tiefer Scham, daß ich Schuld auf mich geladen habe und nicht in der Lage war, den Vorfall zu verhindern. Gesiegelt. YSG, 501'0-2,

Nr. 292,

unfoliiert.

71 Telegramm der Minister des Staatsrats an den Gouverneur von Shandong, Yu Xian (9.4.1899) 16 Kaiserliche Weisung. In Shandong ist es gehäuft zu Missionarszwischenfällen gekommen, die die Stimmung des Volkes in Aufruhr geraten ließen. Diese Vorfälle haben auswärtige Verwicklungen nach sich gezogen, so daß wir behutsam an die Lösung der anstehenden Probleme herangehen müssen. Die deutschen Truppen halten sich immer noch in Rizhao auf. Über Zhang Rumei erging bereits an Xia Xinyou der Befehl, mit seinen Truppen vorzurücken und die Lage zu bereinigen. Ihm wurde aufgetragen, nach außen hin den Schutz der Christen herauszustellen, insgeheim aber Vorkehrungen gegen die deutschen Truppen zu treffen. Yu Xian, Ihr seid nun im Amt des Provinzgouverneurs von Shandong nachgerückt. Auch Ihr habt im Sinne der bereits ergangenen Kaiserlichen Weisung zu handeln. Die Angelegenheit ist mit äußerster Vorsicht anzugehen, alle Schritte sind der Lage anzupassen. Sollte der Feind weiterhin gewalttätig auftreten, können wir natürlich nicht stets zurückweichen, da sonst kein Ende abzusehen wäre. Das wichtigste aber ist momentan, keine unüberlegten Schritte zu unternehmen und als erster den Krieg zu eröffnen. Ihr, der Ihr unsere Grenzen zu verteidigen habt, müßt immer die Gesamtsituation vor Augen haben und Vorsorge tragen, daß künftig keine Katastrophen unser Reich erschüttern. Es kommt jetzt darauf an, daß Ihr nicht des persönlichen Ruhmes wegen unüberlegte Handlungen begeht. Dieser Geheimbefehl ist hiermit zur Kenntnis zu nehmen. Kaiserlicher Befehl. YHTDS1,

S.22.

16 Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker.

263

72 Schreiben des Gouverneurs von Shandong, Zhang Rumei, an die Prinzen und Minister des Zongli Yamen (12.4.1899) 1 7 Schreiben des Gouverneurs von Shandong, Zhang Rumei: Am ö.April 1899 erhielt ich Euer Telegramm mit folgender kaiserlicher Verfugung: „Kürzlich sind wir davon unterrichtet worden, daß in der Provinz Shandong Bevölkerung und Christen miteinander in Unfrieden leben und es mehrmals zu Zusammenstößen gekommen ist. Dabei konnte nicht verhindert werden, daß einige Christen mißhandelt wurden. Die Christen waren daraufhin voller Wut und sorgten ihrerseits fur Streit und Unruhe.

Die

Zwischenfälle

sind von

den

zuständigen

Lokalbeamten

oft

nicht

in

ausreichendem Maße geregelt worden. Die Leute suchten nach Gelegenheiten, um ihren Unmut abzureagieren. Auf beiden Seiten hatte sich viel Haß aufgestaut. So weiteten sich kleinere Streitereien zu größeren Zwischenfällen aus. Hätte der Provinzgouverneur die einzelnen Kreisbeamten rechtzeitig angewiesen, dem Volk verstehen zu geben, daß auch die Christen ganz normale Untertanen des Kaisers sind und mit uns in einer Gemeinschaft leben, dann wären gute Beziehungen zu garantieren gewesen. Man darf die Christen nicht dafür hassen, daß sie einer von uns verschiedenen Religion anhängen. Nur so läßt sich der Frieden zwischen beiden sichern. Alle Gerichtsfälle, egal ob gläubige Christen in sie verwickelt sind oder nicht, müssen von den Lokalbeamten in gleicher Weise unparteiisch entschieden werden. Um jegliche Zusammenstöße zu verhindern, darf keinerlei Diskriminierung geübt werden. Telegramm auf Kaiserlichen Befehl." Nach Erhalt dieses Telegramm wurde an die Kreisbeamten ein entsprechender Befehl weitergeleitet und der neue Provinzgouverneur Yu Xian gleichlautend instruiert. Die diesbezüglichen Schriftstücke befinden sich in den Akten. Allerdings haben sich die Konflikte zwischen Bevölkerung und Christen in drastischer Weise verschärft. Der alleinige Grund dafür ist in der unmenschlichen Behandlung der Bevölkerung durch die Christen zu sehen. Die Missionare gewähren den Christen allen nur erdenklichen Schutz. Der Haß des Volkes nimmt immer mehr zu. Das bezieht sich sowohl auf die gebildeten als auch auf die ungebildeten Schichten. Sie alle wollen diesen Zustand nicht mehr länger ertragen. Die Lokalbeamten sind emsig darum bemüht, die Wogen zu glätten. Wenn sie einen Fall nicht umgehend schlichten, werden sie hart gemaßregelt. Die einfachen Leute wissen längst um die Macht der Christen und wie gefahrlich es ist, diese anzugreifen. Bei Vorkommnissen lassen sie Beleidigungen und Schmach über sich ergehen. Sie können nur in ohnmächtiger Wut zusehen. Die Christen werden indessen immer dreister. Beliebig schikanieren sie Bevölkerung und Gelehrte. Die Missionare gehen dem nicht weiter nach. In einem fort werden einfache Leute vor die Gerichte gezerrt. Stets erreichen die Christen ihre Ziele. In schweren Fällen werden durch Bußgeldzahlungen ganze Familien ruiniert; in leich17 Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker.

264 teren Fällen Gelder fur Bankette oder Entschädigungsgeschenke gefordert. Bei den zur Strafe abgehaltenen Banketten werden die einfachen Leute nicht menschenwürdig behandelt. Sie müssen sich mit einer Tasse oder Schale auf dem Kopf auf den Knien vorwärtsbewegen. Erst wenn die Christen sich zufrieden zeigen, können sie aufhören. Die heutige Situation ist dadurch gekennzeichnet, daß der Groll zwischen Bevölkerung und Christen immer stärker wird. So kam es im vergangenen Jahr zum Zwischenfall von Rizhao. Der Priester Xia Wenlin mischte sich in einen Gerichtsfall ein. Er hatte von dem Christen Wang Yinghuan gehört, daß sich Liu Wenmu mit anderen zusammengetan hatte, um die Christen auszurotten. Der zuständige Kreisbeamte ging dem nach und fand heraus, daß Wang Yinghuan sich von dem Schlächter Li Xuezhen Geld borgen wollte, dieses aber von jenem nicht bekam. Um jenen einzuschüchtern, war Wang Yinghuan nun vors Gericht gezogen. Auch der Missionar Rücker schenkte den Worten des Christen Glauben. Dieser behauptete, er habe herausgefunden, daß Xu Yanzhong und andere das Werk der Missionare stark verunglimpft hätten. Er verlangte, daß die Beschuldigten sofort verhört würden. In Wirklichkeit wollte sich aber jener Christ nur den Besitz des recht begüterten Xu Yanzhong aneignen. Auch Pater Stenz kümmerte sich nicht weiter um die Wahrheit. Leichtfertig hörte er auf die Anschuldigungen des Christen. Umgehend begab er sich nach Jietou, um die Dorfbewohner dazu zu zwingen, Xu Yanzhong und seine Kameraden in die Kreisstadt zu schicken. Im Falle der Weigerung drohte er damit, das Dorf von westlichen Soldaten umstellen und dem Erdboden gleichmachen zu lassen. Die Dorfbewohner aber meinten alle, daß es sich bei Xu Yanzhong um einen unbescholteten Großbauern ihres Dorfes handeln würde. Deshalb setzten sie sich gemeinsam zur Wehr. Schließlich überwältigten sie Pater Stenz und schleppten ihn in einen außerhalb des Dorfes liegenden Tempel, wo sie mit ihm Fraktura redeten. Dabei wurden Stenz einige Haare ausgerissen. Schließlich kamen Beamte des Kreises zu Hilfe und jagten die Menge auseinander. Sie brachten Xu Yanzhong und andere in die Kreisstadt. Pater Stenz untersuchte den Fall. Es stellte sich heraus, daß jener Christ sich auf unredliche Weise von Xu Yanzhong Geld borgen wollte und einen Streit vom Zaume brach. Schließlich wurden der Pater Wang Yingfu und sieben weitere Personen in die Kreisstadt abgeführt und hart bestraft. Alles in allem läßt sich daraus ersehen, daß Xu Yanzhong sich in diesem Fall in keiner Weise schuldig gemacht hat. Zugegebenermaßen erlitt Pater Stenz einen Schaden an seinem Haar, doch wurde er nicht geschlagen. Es war das Vergehen der Dorfbewohner, Pater Stenz gedemütigt zu haben. Zwischen dem Kreisbeamten und dem Vorsteher der Christengemeinde, Freinademetz, wurde vereinbart, im Dorf Jietou eine Kirche zu errichten. Hinsichtlich der Ergreifung der Flüchtigen und der Sicherstellung der Güter wurde alles exakt in einem Vertrag festgehalten. Damit wurde der Fall als abgeschlossen betrachtet. Außerdem wurde Pater Stenz eine hohe Abfindungssumme überreicht, die dieser freudig annahm. Danach kehrte er nach Qingdao zurück. Nach der Beilegung des Zwischenfalles waren bereits mehrere Tage verstrichen. Alles war friedlich geregelt, und es lag kein Anlaß fur einen Vorwand vor. Da behauptete Pater Stenz, daß durch den Schreck, den er beim Zwischenfall im Dorf bekommen habe, seine Nerven in

265 Mitleidenschaft gezogen worden wären. Er rollte den Fall nochmals auf. Daraufhin beratschlagten die Daotai von Yanzhou und Yizhou gemeinsam und beschlossen, Pater Stenz eine 18 weitere Abfindung in Höhe von 25.000 Liang zuzugestehen. Ferner stimmten sie der Festnahme der Schuldigen, dem Bau einer Kirche, dem Verkauf von Boden und einer Entschuldigung zu. In der Folgezeit wurden vier Schuldige verhaftet und in der Kreisstadt verhört. Ein weiteres Mal wurde ein Vertrag unterzeichnet. Soweit zum Verlauf der Ereignisse von Rizhao. Im März diesen Jahres begab sich der deutsche Kaufmann Muxingli 19 mit anderen zu Reisezwecken nach Yizhou. Sie wollten partout nicht auf der Hauptweg, sondern auf einem kleinen Pfad zu ihren Ziel gelangen. Entgegen den Vertragsbestimmungen setzten sie sich nicht mit den Lokalbeamten, die für ein sicheres Geleit zuständig sind, in Verbindung. Die Bewohner dieser abgelegenen Gebiete sind äußerst unwissend und sind bisher kaum Ausländern begegnet. Deshalb umringten sie die Reisenden und begafften sie. Dabei redeten sie lautstark miteinander. Sie haben sich jedoch nicht am Eigentum der Reisenden vergriffen. Die Reisenden gerieten jedoch in Panik und befürchteten, daß man ihr Eigentum stehlen würde. So griffen sie zu den Waffen, schössen wild drauf los und töteten einen Menschen. Drei weitere wurden verletzt. Der Dorfvorsitzende kam sofort mit seinen Leuten herbeigeeilt und trieb die Menge auseinander. Nach einem Rapport an den Kreisbeamten in Lanshan wurde Militär herbeigeholt, welches die Reisenden bis an die Grenze begleitete. Beamte und Bevölkerung waren bemüht, den Reisenden allen erdenklichen Schutz zu gewähren. Die deutschen Kaufleute haben keinerlei Schaden erlitten, noch sind ihnen irgendwelche Dinge abhanden gekommen. So verhält es sich in diesem Fall, wo die Ausländer ohne jeden Grund gewalttätig wurden. Ganz gleich, ob es sich um Chinesen oder Ausländer handelt, menschliches Leben ist stets ein wichtiges Gut. Pater Stenz' Haare wurden in Mitleidenschaft gezogen, wofür ihm von unserer Seite ein Schadenersatz von 25.000 Liang gewährt wurde. Nun ist von den deutschen Kaufleuten ein Mensch getötet, und zwei weitere sind schwer verletzt worden. Das ist ein schwerwiegender Tatbestand, der mit ein paar ausgerissenen Haaren wohl kaum verglichen werden kann. Auch kann das nicht durch Geldzahlungen oder den Bau einer Kirche wiedergutgemacht werden. Wenn es nach den international üblichen Gesetzen ginge, müßte der von den deutschen Kaufleuten begangene Mord mit dem Leben gesühnt werden. Erst dadurch würde Gerechtigkeit wiederhergestellt werden. Nun achtet unser Land aber sehr auf einträchtige Auslandsbeziehungen. Deshalb muß die Angelegenheit vorsichtig behandelt werden. Wir haben auch noch nicht, so wie im Fall des Pater Stenz wegen ein paar Haaren, von den Deutschen gelernt, in einem fort einen Fall immer wieder aufzurollen. Doch wie bemüht sich nun der deutsche Gouverneur Jaeschke um einträchtige Beziehungen mit uns? Er läßt die Schuld jener Kaufleute nicht untersuchen und entsendet statt dessen Militär, das die über 40 Häuser des Dorfes niederbrennt. Nicht nur, 18 Zu den Abkommen siehe Einleitung zu Kapitel 4. 19 Die Identität dieser Person ist ungeklärt, es könnte eigentlich nur Vorschulte sein.

266 daß ein Mensch grundlos ermordet wurde, auch den Lebenden wurde das Heim zerstört. Wenn wir nun die Deutschen nach ihren Methoden behandeln würden, könnte das der Generalgouverneur so ohne weiteres hinnehmen? Doch Jaeschke scheint es noch nicht zu reichen, daß ein Mensch getötet und den anderen die Häuser abgebrannt wurden. Die Einwohner von Rizhao haben sich lediglich am Haar von Stenz vergriffen. Obwohl eine Entschädigung gezahlt und die zuständigen Beamten abgesetzt wurden, gibt sich Jaeschke nicht zufrieden, da die Schuldigen noch nicht alle gefaßt wurden. Er schickte weitere Truppen nach Rizhao und verlangte, innerhalb von sechs Tagen alle Schuldigen aufzuspüren und innerhalb von zehn Tagen zu' bestrafen. Nachdem zweimal verhandelt wurde, stellten die Deutschen noch die Forderung, daß der Kreisbeamte von Rizhao nach Qingdao zur Aburteilung zu bringen sei. In den letzten Tagen besetzten deutsche Truppen das Stadttor und sperrten den Verkehr. Das ist ein äußerst brutales Vorgehen. Inzwischen wurde der alte Kreisvorsteher Lü durch einen neuen namens Yang Yaolin ausgewechselt. Welche Schuld trifft sie, daß sie so etwas durchmachen müssen? Woher nimmt Jaeschke das Recht, sich derart aufzuspielen? Ich glaube, daß die Ausländer in einem fort Händel suchen. Ihre Krankheit besteht in einem übermäßigen Argwohn. Erfahren sie von einem Christen, daß jemand ihre Religion verhöhnt, schleppen sie den Beschuldigten sofort vor ein Gericht. Es ist zu fragen, aufweiche Beweise sie sich dabei stützen. Die Deutschen aber argwöhnen, daß ihre Lehre verunglimpft wurde und fordern, daß die Schuldigen mit der Todesstrafe bedacht werden müssen. Oder ein Reisender trifft auf eine Menge ihn umringender Bauern und schießt wild um sich. Welche Schuld trifft dabei die Menge? Doch die Deutschen argwöhnen sofort einen Überfall und wollen die Täter sofort töten. Ihr Argwohn hat bereits krankhafte Formen angenommen. Am besten wäre es, wenn die Christen in einem Gebiet lebten, wo es keine normalen Chinesen mehr gibt. Und auch die Deutschen sollten in jenen Gebieten, in die sie sich begeben, am besten auf keinen Chinesen stoßen. Andernfalls werden sie stets einen Schuldigen finden, der die Todsünde der Herabsetzung ihrer Religion begangen hat. Oder sie finden jemanden, der etwas rauben wollte und der deshalb nur schwer der Bestrafung mit dem Tod entgehen kann. Wie sollen die Einwohner Shandongs denn nun ihr Leben weiter fristen? Und wie wird sich diese Entwicklung auf die anderen Provinzen auswirken? Nicht wenige sind bereits umgekommen, noch mehr Menschen fühlen sich in ihrer Existenz bedroht. Wenn es schließlich zu Unruhen oder Aufständen kommen sollte, so wird diesen auch nicht mit strengen Gesetzen und harten Strafen beizukommen sein. Wenn China und Deutschland miteinander in Frieden auskommen wollen, so müssen zuerst die Beziehungen zwischen Bevölkerung und Christen in China befriedet werden. In den letzten Monaten hat es einige Erhebungen unter der Bevölkerung des Kreises Yizhou gegeben. Diese sind auf die ständige Drangsalierung durch die Christen zurückfuhren. Ich sehe, wie schwer das Leben für die Bewohner dieses Gebietes geworden ist. Ich hege die stärksten Befürchtungen, daß diesen wichtigen Küstengebieten schwere Katastrophen bevorstehen. Kurz vor meiner Ablösung möchte ich mich nicht in Schweigen hüllen. Wenn wir uns allzu leichtfertig Jaeschke unterwerfen, so halten wir die Christen hoch und schaden unserer Bevölkerung. So können Gerechtigkeit und Würde nicht mehr weiterexistieren. Es ist zu befürchten, daß die Massen sich dann erheben

267 und Unruhen entstehen. Dadurch könnten die schwersten Veränderungen ausgelöst werden, die für den Gesamtbestand des Reiches die ernstesten Folgen hätten. Deshalb ersuche ich dringend das Zongli Yamen, die beiden Fälle noch einmal gewissenhaft zu untersuchen und mit dem deutschen Gesandten darüber zu verhandeln. Man sollte umgehend dem Generalgouverneur Jaeschke telegraphieren, daß die deutschen Truppen zurückgezogen werden müssen, um so blutige Zusammenstöße abzuwenden. Hiermit habe ich mir erlaubt, dem Zongli Yamen ergebenst Bericht zu erstatten. Ich bitte nach geneigter Überprüfung um die Einleitung entsprechender Schritte. JWJAD 6:1, S.327.

73 Bericht des Magistrats von Gaomi, Ge Zhitan, an den Gouverneur von Shandong, Yu Xian (20.6.1899) 20 Eurer Exzellenz erlaube ich mir im nachfolgenden untertänigst Bericht zu erstatten: Am 18.6.1899 begab ich mich nach Hujiazhuang, um die dortigen Vorkommnisse zu untersuchen. Gegen Mittag kehrten die von mir ausgesandten Beamten zurück und erstatteten folgenden Bericht: „An jenem Tag hatte sich ein Arbeiter, der an der deutschen Eisenbahnstrecke Markierungspfähle setzt, zum Markt nach Dalüzhuang begeben. Dort war er mit einem Bauern, der ebenfalls zum Markt wollte, in Streit geraten. Es kam zu Handgreiflichkeiten. Nach gutem Zureden gingen die beiden auseinander. Unerwartet kam jedoch der Arbeiter mit einigen seiner Kollegen zurück und griff den Bauern an. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich auf dem Markt zahlreiche Leute. Die Bauern aus dem Dorf trommelten ihre Anhänger zusammen und stürzten sich in eine Schlägerei mit den Bauarbeitern. Anschließend umstellten sie die Filiale der Firma Enxing21 und ließen niemanden passieren. Dann rissen sie eine große Anzahl der fur die Markierung der Eisenbahnstrecke benutzten Pfahle heraus. Auch durch Zureden war die erzürnte Masse nicht von ihren Aktionen abzubringen." Nach Erhalt des Berichts begab ich mich sofort vor Ort, um den Fall beizulegen. Bisher hatte sich die Menge, die sich auf Grund ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit in der Vorhand glaubte, nicht den Anordnungen gefugt. Erst als ich persönlich in das Dorf geritten kam und eindringlich mit den Bauern redete, begannen sie sich zu zerstreuen. Ich eskortierte die Mitarbeiter der Enxing-Firma wohlbehalten in die Stadt. Dabei habe ich beschwichtigend auf sie

20 Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker. 21 Über die Firma ist nichts bekannt. Es könnte sich um eine chinesisches Subunternehmen handeln, das im Auftrag der Shandong-Eisenbahngesellschaft tätig war.

268 eingewirkt. Meine Untersuchungen ergaben, daß die Bauarbeiter keinerlei schwere Verletzungen davongetragen hatten. Ich ließ einen Arzt kommen, der sie umgehend behandelte. Über den Ausbruch der Unruhen hatte ich Eure Exzellenz bereits telegraphisch verständigt. Am Nachmittag des 19. Juni traf ein Vertreter der Firma Xi, der meinen Brief erhalten hatte, aus Jiaozhou in meinem Kreis ein. Ich habe ihn sofort empfangen. Als ich ihm die Situation auseinandersetzte, zeigte er volles Verständnis. Er stimmte zu, daß der Fall durch mich aufgerechte Weise beigelegt wird. Am Morgen des folgenden Tages wurden sämtliche Mitarbeiter der Firma nach Jiaozhou zurückgeleitet und die Arbeit an der Eisenbahnlinie vorläufig eingestellt. Sie wollten auf meine schriftliche Benachrichtigung warten. Wie es aussieht, ist von Seiten der Ausländer momentan nicht mit Schwierigkeiten zu rechnen. Was nun aber die Bewohner von Chewang, Fangling und anderer Dörfer meines Kreises angeht, so sind diese heftiger Art und rotten sich schnell zusammen. Sie waren es, die bei den diesmaligen Streitigkeiten die Markierungspfähle herausgerissen haben. Ich habe herausgefunden, daß diese Leute insgeheim noch Pläne hegen, sich abermals zusammenzutun und an den Ausländern Rache zu üben. Als ich über einen Amtsdiener nach den Dorfvorstehern verlangte, haben diese sich verborgen und sind nicht auf dem Amt erschienen. Ich habe den Fall mehrfach überdacht. Ich wage Euer Exzellenz anheimzustellen, die Ungelegenheiten, die den Ausländern durch die Rückführung in die Stadt und den Abbruch der Bauarbeiten entstanden sind, in Rechnung zu stellen. Ich befürchte, daß es in nächster Zeit noch zu einigen Zwischenfällen kommen könnte. Die Leute aus den besagten Dörfern sinnen auf Aktionen gegen die Deutschen. Wenn ich sie allerdings nach den Amtsgepflogenheiten festnehmen ließe, würde es wahrscheinlich zu noch größeren Tumulten kommen. Es bereitet mir großes Kopfzerbrechen, was ich unternehmen soll. Wie ich es auch angehe, der Fall bleibt kompliziert. Wenn ich das Telegramm an Euch abgesandt habe, werde ich in der Dunkelheit der Nacht mit einigen Unterstellten in die Dörfer reiten und mit den Leuten reden. Ich hoffe, damit die Zusammenrottung zerstreuen zu können. Danach werde ich über zusätzliche Maßnahmen nachdenken. Über die weitere Entwicklung werde ich Euer Exzellenz stets auf dem laufenden halten. Über den Ausbruch des Zwischenfalls und die von mir eingeleiteten Schritte habe ich im vorstehenden Euer Exzellenz Bericht erstattet. Ich sende eilends einen Kurierreiter, der Euch das Schreiben überbringen wird. Ich ersuche darum, möglichst bald mit Instruktionen versehen zu werden. Ehrerbietig offeriere ich meinen Bericht und neige, Euer Exzellenz alles Gute wünschend, mein Haupt. YSG 501/0-2, Nr. 292,

imfoliiert.

269

74 Schreiben des Staatssekretärs des Reichsmarineamts, Tirpitz, an den Gouverneur von Kiautschou, Jaeschke (27.6.1899) Berlin, den 27. Juni 1899

Geheim S.[ache]

Die Expedition nach Rizhao ist von Ihnen für nötig befunden aus rein wirtschaftlichen Interessen, da durch die Bewegung im Innern Shandongs die Zukunft unserer Kolonie bedroht sei. Sie betrachten diese Expedition als eine rein lokale Unternehmung, die nicht vom großpolitischen Standpunkt anzusehen sei und bitten um grundsätzliche Genehmigung zur Ausführung solcher Expeditionen, im Einvernehmen mit dem Kaiserlichen Gesandten. Als einen Erfolg der Expedition haben Sie das Kaiserliche Edikt, die Entsendung der Truppen nach Yizhoufü zur Herstellung der Ordnung sowie die Zurückfuhrung der christianisierten Chinesen in ihre Dörfer erachtet und glauben nunmehr, nachdem die Expedition beendet ist, an eine nachhaltende Wirkung derselben auf die chinesische Regierung und das Volk. Endlich bitten Sie um Aufklärung über den Umfang des Schutzes, welcher der katholischen Mission 22 im allgemeinen, den christianisierten Chinesen im besonderen zuzuwenden ist. Ich erwidere hierauf das Folgende: Ihre Ansicht, daß die Expedition von Rizhao ein Unternehmen von nur lokaler Bedeutng sei, kann ich nicht teilen sowohl aus formalen wie aus materiellen Gründen. Wenn wir auch in der Provinz Shandong vertraglich gewisse Vorrechte auf wirtschaftlichem Gebiet genießen, so darf doch nicht außer acht gelassen werden, daß die Provinz außerhalb des Pachtgebiets und der 50-km-Grenze fremdes Hoheitsgebiet ist und als solches gilt, auch wenn es nur ein chinesisches Hoheitsgebiet ist. Wollten wir diese Tatsache einfach dadurch ignorieren, daß der Gouverneur ohne weiteres kriegerische Unternehmungen, als welche solche Expeditionen sich trotz aller gegenteiligen friedlichen Behauptungen darstellen, in dieses Gebiet ausführen kann, so würde dies von gegnerischer Seite mit Recht zu unseren Ungunsten ausgebeutet werden können. Es muß deshalb an dem völkerrechtlichen Standpunkte solange festgehalten werden, bis ein anderes in dem Rahmen der Gesamtpolitik des deutschen Reichs beschlossen werden kann. Abgesehen von diesen formalen Gründen kann ich auch in materieller Beziehung der Expedition nicht nur eine lokale Bedeutung beimessen, weil ich in solcher Ansicht und in der Behauptung, daß ein latenter Kriegszustand ausgeschlossen und die Expedition ohne jede Gefahr sei, eine gefährliche Unterschätzung der Widerstandskraft der chinesischen Bevölkerung erblicke. Sie bezeichnen zwar den Nordchinesen als von friedfertiger Gesinnung, das stimmt aber weder mit sonstigen Erfahrungen und Nachrichten noch mit den Tatsachen während der Expedition namentlich mit bezug auf die Gegend um Yizhoufü herum überein. Der Chinese wird hier zumeist als besonders fremdenfeindlich geschildert. Dieser Umstand ist 22 Tirpitz bezieht sich hier auf einen Bericht von Gouverneur Jaeschke vom 20.4.1899 über Notwendigkeit, Durchführung und Ergebnisse der Rizhao-Aktion, in. PAA, China 22, Bd. 4.

270 aber nicht von ausschlaggebender Bedeutung, maßgebend ist, daß, wie Sie selbst berichten, die Bewegung der Bevölkerung unterstützt wurde und noch wird, durch die chinesische Regierung. Ist diese Ansicht richtig - und ich glaube es, denn sie wird auch sonst bestätigt dann ist es unmöglich, die Expedition als eine rein lokale Unternehmung hinzustellen, dann muß damit gerechnet werden, daß der Widerstand sehr viel ernster wird und wir tatsächlich in eine Art latenten Kriegszustandes geraten, dessen Ausgang, wenn nicht unsicher, so doch mindestens große Opfer an Zeit, Geld, Personal und Material kosten und schließlich nur das Gegenteil von dem hervorbringen muß, was Sie erstreben: „Eine ruhige Entwicklung unserer Kolonie." Inwieweit China dabei direkt oder indirekt von dritter Seite, welche vielleicht ein Interesse daran hat, uns in Shandong gründlich zu beschäftigen und uns vom Yangzi-Tale abzudrängen, unterstützt oder doch ermutigt wird, will ich dahingestellt sein lassen. Unwahrscheinlich ist eine solche Ermutigung jedenfalls nicht und dann ein weiterer Grund, derartige Unternehmungen vom Standpunkt unserer allgemeinen Politik aus zu beurteilen. Einem Kriegszustande mit China sind wir zur Zeit mit den unmittelbar verfügbaren Mitteln nicht gewachsen; daß unsere Truppen in Kiautschou hierzu nicht ausreichen, bedarf keiner weiteren Erörterung. Eine Vermehrung derselben um ein Vielfaches würde die Folge sein. Rußland hat in der Mandschurei zum Schutze seiner Eisenbahnbauten nach den sehr eingehenden Berichten des Leutnants von Teichmann und Logischen 40.000 Mann stationiert und geht dabei doch nur die Bahnlinie entlang vor. Wie wäre es möglich fur uns, auch nur einen nennenswerten Teil dieser Truppenmassen dorthin zu transportieren, ohne eine Rückendeckung in der Heimat zu haben? Diese Rückendeckung haben wir erst, wenn einmal die Operationsbasis Qingdao weiter entwickelt und wenn unsere Flotte zu einem größeren Faktor unserer Macht angewachsen sein wird. Wir hatten diese Rückendeckung vor allen Dingen zu jener Zeit nicht, als Sie die Expedition beantragten, weil damals die sehr ernsten Vorgänge auf Samoa 23 in ihren Konsequenzen noch nicht zu übersehen waren. Es war deshalb unerläßlich, zumal auch vom völkerrechtlichen Standpunkte politisch klug, daß zunächst alle Mittel der Diplomatie versucht wurden, bevor zum Äußersten geschritten wurde. Sie wollen hieraus ersehen, weshalb Ihrem Antrag auf grundsätzliche Genehmigung solcher Expeditionen nicht entsprochen werden kann sowie wie an maßgebender Stelle die Sachlage beurteilt wird. Seine Majestät der Kaiser, Allerhöchstweichem ich Ihre Berichte vorgelegt haben, haben Sich bestimmt dahin auszusprechen geruht, daß Allerhöchstderselbe Sich Unternehmungen außerhalb der 50-km-Zone auch fernerhin vorbehalten wollen und daß Ihnen diese Allerhöchste Willensmeinung mitzuteilen sei. Der Kaiserliche Gesandte hat An-

23 Seit 1878/1879 existierte ein informelles amerikanisch-britisch-deutsches Kondominium über die Samoa-Inselgruppe im Südpazifik. Im August 1898 entstand nach dem Tode des Königs von Samoa eine Nachfolgekrise. Tirpitz setzte sich in dieser Situation fur eine Annexion der Samoa-Inseln ein, für die er dann Truppen benötigt hätte. Zu einem militärischen Konflikt kam es jedoch nicht. Nach längeren Verhandlungen einigten sich die Mächte am 14. November über die Aufteilung der Samoa-Inseln zwischen dem deutschen Reich, den Vereinigten Staaten und dem englischen Königreich, siehe Fröhlich 1994:100; Reinhard 1988 122-124.

271 Weisung erhalten, in diesen Fällen zuvor auf telegraphischem Wege seinerseits Genehmigung einzuholen. Ich kann den von Ihnen verzeichneten Erfolgen, dem Kaiserlichen Edikt, der Entsendung von Truppen und der Zurückfuhrung der christianisierten Chinesen nicht dieselbe Bedeutung wie Sie beimessen. Tatsächlich sind die Schuldigen nicht ausgeliefert und ist nur eine günstige Gelegenheit ergriffen worden, um die Expedition unter Mitnahme einiger Geiseln zurückzuziehen. Und ob eine nachhaltende Wirkung auf die Bevölkerung eingetreten ist, möchte ich auch in Hinblick darauf bezweifeln, daß der Oberleutnant zur See von Böhm und die übrigen Offiziere auf dem Rekognoszierungsritt westlich von Rizhao angegriffen sind und daß auf sie geschossen ist. Nach der Beilegung dieses Falles zu urteilen, ist eine Absichtlichkeit nicht als vorliegend angenommen worden, Sie selbst fugen aber hinzu, daß hiermit die Zusammenrottung der Menge nicht in Einklang zu bringen sei. Wenn Ihre Annahme der erfolgreichen Wirkung der Expedition auf die Gemüter der Chinesen fur Rizhao zutrifft, so ist der Erfolg nicht in der Richtung erzielt worden, die fur uns zur Zeit Wert hat, das beweist der Aufruhr in Gaomi gegen die Eisenbahnbauten. Es erübrigt [sich], noch auf die Veranlassung der Expedition einzugehen. Nach Ihrer Ansicht, welche auch die meinige ist, steht wohl außer Zweifel, daß die Bewegung in Shandong auf das Auftreten der katholischen Mission im allgemeinen und das provozierende Benehmen der christianisierten Chinesen im besonderen zurückzufuhren ist. Zwar sind auch die Bergwerksbeamten an der Ausübung ihres Gewerbes behindert worden, aber Seine Königliche Hoheit Prinz Heinrich sprechen Höchstsich in einem Handschreiben an Seine Majestät den Kaiser schon dahin aus, daß „die allermeisten Streitigkeiten auf die Missionare zurückzufuhren sind und auf jene wirken, die nicht Missionare sind." 24 Keine Vermutung, daß sich die Bergwerksbeamten Mangels nötiger Ortskenntnisse und in Verkennung chinesischer Verhältnisse zu sehr auf die Missionen stützen, ist mir mündlich von dem Vorsitzenden des Eisenbahnsyndikats bestätigt worden; es dürfte mithin an der Zeit sein, diese Beamte in vorsichtiger Weise auf die entstehenden Gefahren sowie darauf hinzuweisen, daß sie sich mehr als bisher in ihrem eigensten Interesse von dem Einflüsse der Missionen emanzipieren. Daß den letzteren eine solche Inanspruchnahme erwünscht ist, ist erklärlich, denn sie nutzen dieselbe für ihre Zwecke aus. Tatsächlich sind doch alle Mißhandlungen, Gewalttätigkeiten nur gegen christianisierte Chinesen gerichtet gewesen, wenn man von dem Falle Stenz und Freinademetz absieht. Und daß diese Missionare ruhige und verständige Leute sind, bezwei-

24 Zitat aus dem Privatschreiben des Prinzen Heinrich an Kaiser Wilhelm II., 12.4.1899, in: BA/MA, RM3/6778, Bl.311-313. Im selben Schreiben heißt es weiter, daß die Missionare „die bei den Chinesen bestgehaßten von allen Ausländer" seien, und: „Die Verbreitung des Deutschtums ist Anzer sehr gleichgültig; hier wie daheim handelt es sich um die Machtentfaltung des Katholizismus."

272 feie ich einigermaßen nach dem an Sie gerichteten unpassenden Briefe von Stenz (Anlage 5 zu G. 433) und dem Auftreten des Freinademetz in Jimo (G. 403). So sehr es in unserem - inneren wie äußeren - Interesse liegt, die Missionare gut zu behandeln, so darf dies nach Ihren eigenen Worten nicht so weit gehen, daß der Gouverneur zum blinden Werkzeug der Missionen herabgedrückt wird. Was ist denn jetzt eingetreten? Meines Erachtens gerade das, was Sie nicht wollten und daran wäre auch nichts geändert, wenn Ihnen der Bischof von Anzer seine Abmachungen im Falle Stenz mitgeteilt hätte. Weshalb Ihnen dies nicht mitgeteilt ist, kann ich nur teilweise vermuten, wenn ich berücksichtige, daß die Entschädigung in Geld und „Land zum Bau von Kirchen" bestanden hat und damit den Bericht Ihres Amtsvorgängers vom 7. Juni v.J. Geh. B. Nr. 7 26 und Ihren letzten Bericht vom 16. Mai d.J. G. B. Nr. 472 27 vergleiche. Sie können daraus folgern, wie äußerst vorsichtig Sie sich den Missionaren gegenüber verhalten müssen und was Sie auf die Klagen und Forderungen derselben zu geben haben. Ich bin mit Ihnen der Ansicht, daß das Auftreten der Missionen eine ernste Gefahr fur die Entwicklung des Pachtgebiets zeitigt, und auch Seine Majestät haben Allerhöchst sich dahin ausgesprochen, daß Ihnen größte Vorsicht den Missionen gegenüber anzuempfehlen sei. Und wessen Sie sich trotz allen Eingehens auf die Wünsche der Missionen von diesen zu versehen haben, zeigt der anliegende Artikel der Kölnischen Volkszeitung in Nr. 551 2 8 , in welchem die Schuld an den bestehenden traurigen Verhältnissen den Deutschen und der falschen Behandlung der Chinesen in Qingdao beigemessen wird. Ihrem Wunsche in dem Bericht vom 20. April 1899 G. 433, über den Umfang des Schutzes, welcher der katholischen Mission zu gewähren ist, orientiert zu werden, habe ich entsprochen und fuge in Abschrift die Instruktion bei, welche am 27.V.M. dem jetzigen Gesandten in Peking erteilt ist. Das Auswärtige Amt stellt sich darin auf den allein möglichen völkerrechtlichen Standpunkt, daß jeder Staat grundsätzlich nur befugt ist, einem anderen Staate gegenüber die Rechte und Interessen seiner eigenen Staatsangehörigen wahrzunehmen. Hierzu rechnen aber die christianisierten Chinesen nicht. Sie sehen ferner daraus, daß nicht daran gedacht wird, die Forderungen geschädigter chinesischer Christen auch nur formal durch die diplomatische Vertretung bei der chinesischen Regierung ebenso zu vertreten wie die Reklamationen deutscher Missionare, um so weniger kann dann aber von einem bewaffneten Einschreiten die Rede sein.

25 Der Brief von Stenz ist nicht in den Akten. Freinademetz hatte dem Gouvernement gemeldet, er sei am 27. März 1899 bei Jimo überfallen und gefangengenommen worden. Jaeschke sandte sofort 10 Seesoldaten, um Freinademetz zu befreien. Allerdings fand der Trupp keinerlei Beweise einer Verfolgung oder Mißhandlung von Freinademetz, siehe Bornemann 1976:309. 26 Nicht in den Akten. 27 Nicht in den Akten. 28 Am 10 Mai 1899 erschien in der Kölnischen Volkszeitung ein „Stimmungsbild aus Qingdao", in dem das „skandalöse und unchristliche" Leben deutscher Zivilisten und Soldaten in Qingdao sowie Übergriffe auf die chinesische Bevölkerung kritisiert wurden. 29 In: PAA, China 22, Bd. 4.

273 Ich bin der Ansicht, daß Sie für die Zukunft etwaige Wünsche der Missionen, soweit Sie nach Ihrer Stellung zu einer direkten Prüfung nicht gehalten sind, unter Berufung auf den völkerrechtlichen Standpunkt besser an den Gesandten abgeben und damit indirekt andeuten, daß der Gouverneur und die Truppen, wie Sie sich ausdrücken, nicht Statisten für die Missionen sind. Ich füge hinzu, daß die katholischen deutschen Kreise den Ansichten über die Ausdehnung des Schutzes für die Missionen durchaus beipflichten und dringend wünschen, daß wir durch die Missionen nicht in einen Kriegszustand hineingezogen werden und daß in diesem Sinne von hochstehender einflußreicher katholischer Seite in der Kölnischen Volkszeitung gewirkt werden soll und auch an den Bischof von Anzer wie den Provikar Freinademetz geschrieben ist. Mit welchem Erfolge, wird sich natürlich erst zeigen müssen. Zum Schluß komme ich noch auf das weitere Vorgehen behufs Erschließung der Provinz Shandong. Ich bin der Ansicht, daß sich auch mit geringen, namentlich personellen Mitteln in China viel erreichen läßt, aber nur mit Muße und Zeit und bei richtiger Behandlung der Chinesen. Bei der Dichtigkeit der Bevölkerung (26 Millionen) und der Größe der Provinz überhaupt (75.000 qkm) ist es in Anbetracht des zum mindesten passiven Verhaltens der chinesischen Regierung, wenn überhaupt nur mit ungeheuren Opfern möglich, dasselbe Ziel auf einmal zu erreichen, denn je schärfer vorgegangen wird, desto mehr wächst der Widerstand. Ich halte es deshalb für das Richtigste, wenn wir unseren Einfluß in der Provinz Shandong in der Weise ausdehnen, daß wir vom Gouvernement ausgehen und uns auf dasselbe stützen. Das nächstliegende Interesse für uns ist die Förderung des Bahnbaus von Qingdao nach Jinanfu. Hierdurch werden schon - wie der Aufruhr in Gaomi lehrt - so viele Anforderungen an Sie gestellt werden, daß es schwer halten wird, sie alle zu erfüllen. Mit dem Fortschreiten des Bahnbaus werden wir dann in den Stand gesetzt werden, nach und nach immer festeren Fuß in der Provinz zu fassen und unseren Einfluß von der Bahn aus immer weiter auszudehnen. Das wird vielleicht langsamer vor sich gehen, aber einen desto sicheren Erfolg zeitigen. Auf die Einzelheiten der Expedition, soweit sie durch die vorstehende allgemeine Besprechung ihre Erledigung nicht gefunden haben, gehe ich weiter nicht ein. Was die Zerstörung der beiden Dörfer anbetrifft, so will ich die Zweckmäßigkeit dieser Maßnahme mit bezug auf ihre Wirkung dahingestellt sein lassen, sie hat aber eine bequeme Handhabe für die chinesische Regierung gegeben, den Charakter der Expedition amtlich anders auszulegen, als wir dies getan haben, so daß sie von der politischen Seite als inopportun bezeichnet wurde. Im übrigen freue ich mich konstatieren zu können, daß die militärischen Maßnahmen, insoweit sich das von hier beurteilen läßt, mit Umsicht getroffen und durchgeführt sind. Auch gebe ich meiner Anerkennung gern Ausdruck über die eingehende und schnelle Berichterstattung, welcher Sie sich - nicht nur in diesem Falle - unterzogen haben. Ich ersuche Sie, Seiner Königlichen Hoheit Prinz Heinrich zu Höchstseiner Information Kenntnis hiervon zu geben entweder durch Vorlage einer Abschrift dieses Schreibens oder dadurch, daß Sie Höchstdemselben persönlich Vortrag über den wesentlichen Inhalt halten, gez. Tirpitz PAA, China Nr.22, Bd.5, unfoliiert.

274

75 Bericht des stellvertretenden Garnisonskommandanten der Präfektur Laizhou, Peng Jinshan, an den Gouverneur von Shandong, Yu Xian (30.6.1899)30 Euer Exzellenz erlaube ich mir ergebenst folgendes zu berichten: Am 26.6. erhielt ich Euer Telegramm mit folgendem Wortlaut: „Im Telegramm des Zongli Yamen erging nachstehender Befehl an mich: 'Kaiserliche Weisung. Deutsches Militär ist nach Gaomi vorgerückt. Es ergeht der Befehl, unverzüglich Truppen zu entsenden, die nach Lage der Dinge Ruhe und Ordnung wiederherstellen und Verteidigungsmaßnahmen ergreifen. Die Lokalbeamten haben mit geeigneten Mitteln auf die Unruhestifter einzuwirken, um den Streit beizulegen.' Hiermit befehle ich, sich umgehend mit zwei Hundertschaften nach Gaomi zu begeben, Ruhe und Ordnung wiederherzustellen, Verteidigungsvorkehrungen zu treffen sowie den Schutz der Christen zu organisieren. Über den Stand der Dinge bin ich stets auf dem laufenden zu halten." Nach Erhalt des Befehls wurden von mir sofort zwei Hundertschaften aufgestellt und ausgerüstet. Bereits am 26.d. M. habe ich Euch telegraphiert, daß ich vor Morgengrauen des kommenden Tages aufbrechen würde. Nun bin ich allerdings ein mit nur wenig Wissen begnadeter kleiner Beamter, der in der Behandlung westlicher Angelegenheiten über keinerlei Erfahrung verfugt. Die Ausländer hingegen sind listig, ihnen ist nur schwer beizukommen. Deshalb ist mein Herz voller Unruhe. Trotz des einsetzenden Regens behielten wir unser schnelles Tempo bei. Am Nachmittag des 28. Juni erreichte ich Gaomi. Die Truppen bezogen vorübergehend in Fanjiaqiu Quartier. Ich suchte umgehend den Magistrat von Gaomi, Ge Zhitan, auf. Dort hatten sich auch der Kommandeur der deutschen Truppen, Mauve, sowie der Vertreter der Shandong-EisenbahnGesellschaft, Vorschulte, eingefunden. Diese erklärten mit gegenüber: Der Zwischenfall von Gaomi sei mittlerweile beigelegt. Der Bau der Eisenbahn wird fortgesetzt. Unsere Truppen seien zu weit vorgerückt, was den vertraglichen Bestimmungen zuwiderliefe. Deshalb weigere man sich, mit uns zu verhandeln. Ich solle mich in das an der Grenze des Kreises Changyi befindliche Zhangling zurückziehen. Es würde Ruhe und Ordnung wiederhergestellt. Das wäre für beide Seiten von Vorteil. Der Herr Magistrat redete mir zu, dem Folge zu leisten. So handelte ich nach dieser Forderung und zog mich mit meinen Truppen nach Zhangling zurück. Darüber habe ich Euch am 29. Juni telegraphisch in Kenntnis gesetzt.

30 Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker

275 Bevor ich den Ort verließ, hatte ich noch mit Ge Zhitan eine Unterredung unter vier Augen. Er bat mich vertraulich darum, später kein Militär zu Erkundungszwecken zu entsenden und auch vom Abschicken von Briefen besser Abstand zu nehmen. Ich habe herausgefunden, daß die deutschen Truppen am 24. Juni in den Kreis und tags darauf in Gaomi einmarschiert sind. Dort haben sie in der Akademie Quartier bezogen. Bisher ist es im Ort noch nicht zu irgendwelchen Vorkommnissen gekommen. Der Zwischenfall hat sich etwa 12 Meilen westlich der Stadt bei Dalüzhuang und Tidongzhuang ereignet. Dort kam es am 18. Juni zwischen Bauarbeitern der Eisenbahnstrecke und Dorfbewohnern zum Streit. Die dortigen Bauern suchen leicht Händel. Sie haben sich bewußt zusammengerottet, um die Arbeit der Ausländer zu behindern. Die Gegner des Eisenbahnbaus befurchten, daß nach Fertigstellung der Strecke das Leben der armen Bauern ruiniert werde. Am selben Tag erschien Militär mit Kanonen und erschreckte die Meute mit Warnschüssen. Es kam aber zu keinen gewaltsamen Auseinandersetzungen. Hinterher wurde allerdings behauptet, daß zwei Ausländer und über ein Dutzend Chinesen Verwundungen davongetragen hätten. Der Herr Magistrat Ge ließ durch einen Unterbeamten einige Tage lang Erkundungen einholen. Für die Aussagen konnten jedoch keine Beweise erbracht werden. Es ist anzunehmen, daß es sich lediglich um die Unwahrheit handelte. Das ist der ungefähre Stand der Dinge in Gaomi. Als ich in der Stadt war, sah ich, daß fast alle Geschäfte geschlossen hatten. Gerüchte machten die Runde. Die Leute waren äußerst unruhig. Ich konnte ermitteln, daß die Deutschen zweimal Truppen entsandt hatten: eine Infanterie-Abteilung von 170 Mann und 20 Mann Kavallerie. Die Tore von Gaomi werden sämtlich von deutschen Posten bewacht. An jedem Tor patroullieren zwei Soldaten. Es wird gesagt, daß sich in den besagten Dörfern die Leute zusammengetan haben, worauf die Deutschen Geschütze herbeigeholt hätten. Ich hegte die tiefsten Befürchtungen, daß sich etwas ereignen könnte. Wieder und wieder habe ich den Fall durchdacht. Der Herr Magistrat hat mit den Deutschen den gegenseitigen Aktionsradius genau ausgehandelt. Die Beziehungen zur Bevölkerung werden sich wohl friedlich gestalten. Ich glaube nicht, daß die Deutschen es zu blutigen Zusammenstößen kommen werden lassen. Damit ist gewiß den Absichten Eurer Exzellenz nach Aufrechterhaltung des Friedens Rechnung getragen. Anbei übersende ich eine Aufzeichnung über meine Unterredung mit den Deutschen. 31 Ich bitte ehrerbietig Euer Exzellenz darum, mich wissen zu lassen, ob sie Eure Zustimmung finden. Auf meinen Märschen konnte ich feststellen, daß es überall ausreichend geregnet hat und das Getreide allerorten gedeiht. Ich habe die Bevölkerung darüber informiert, daß der Zwischenfall von Gaomi bereits beigelegt ist, ein jeder seinem Gewerbe folgen solle und man jegliche Unbotmäßigkeit zu unterlassen habe. In tiefer Verehrung gestattet sich Euer gehorsamster Diener, Bericht erstattet zu haben. 30. Juni 1899

31 Nicht in den Akten.

276 Antwort des Gouverneurs, Vorschrift: Habe durch vorstehenden Bericht vom Rückzug der Truppen nach Zhangling Kenntnis genommen. Nach den Vereinbarungen des Vertrages über Bergbauunternehmungen vom letzten Jahr 32 wird das Territorium außerhalb des Pachtgebietes als neutrale Zone bezeichnet. Gaomi liegt innerhalb dieser Zone, über die China die Oberhoheit ausübt. Laut Vertrag wird es gestattet, daß Truppen Deutschlands, aber keiner anderen Macht diese Zone passieren dürfen. Selbstredend ist es China erlaubt, in dieses Gebiet Militär zu entsenden. Auf der Grundlage dieser Vertragsbestimmungen müssen wir mit den Deutschen verhandeln. Nun ist der Fall von Gaomi bereits beigelegt. Die Deutschen haben überhaupt keinen Grund, wegen der Entsendung unserer Truppen Argwohn zu hegen. Unsere Absicht lag einzig und allein darin, Ruhe und Ordnung wiederherzustellen und für den Schutz zu sorgen. Die von Euch mit den Deutschen geführten Verhandlungen entbehren also einer logischen Grundlage. Allerdings habt Ihr den Fall relativ zufriedenstellend abgeschlossen. Das sei Euch hiermit mitgeteilt. Außer meiner Antwort an Euch ergeht auch eine Information an das Ausländeramt. 9.7.1899 YSG 501/0-2, Nr.292,

wi/oliiert.

76 Schreiben des Magistrats von Gaomi, Ge Zhitan, an den Gouverneur von Shandong, Yu Xian (13.7.1899)33 Als ich am Abend des 27. Juni in Gaomi eintraf, habe ich alle Einzelheiten im Fall von Dalüzhuan untersuchen lassen. Gestern erhielt ich Euer Exzellenz Telegramm, durch das ich erfuhr, daß Ihr den Stellvertretenden Garnisonskommandanten entsandt habt, der mit mir gemeinsam den Fall beilegen soll. Die Deutschen drängten aber darauf, den Fall so schnell wie möglich abzuschließen. Da ein starker Regen eingesetzt hatte, schien es ungewiß, ob der Stellvertretende Garnisonskommandant rechtzeitig eintreffen würde. Da der Fall von großer Wichtigkeit ist, war ich äußerst besorgt. Heute morgen überbrachten die Deutschen jeweils ein Exemplar eines ausgearbeiteten Statuts und eines Vertrages, die ich Euer Exzellenz in einer Abschrift zur Kenntnis bringe. Die Deutschen haben folgenden Standpunkt vertreten: Wenn alle ihre Forderungen erfüllt werden, würden die Truppen zurückgezogen. Allerdings behielte man sich vor, noch einige Mann vor Ort stationiert zu lassen. Sie forderten von mir,

32 Gemeint ist der 2. Teil des deutsch-chinesischen Pachtvertrages vom 6.3.1898, der die deutschen Sonderrechte bei Bergbau und Eisenbahn in Shandong regelt, siehe Dok. 40. 33 Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker.

in bis zum 21. Juni Schadenersatz zu leisten. Ich bin dem nachgekommen und habe fürs erste 500 Liang vorgestreckt. Ich habe darüber eine Quittung bekommen. Nachdem die Deutschen am 18. in die Stadt eingerückt waren, erließen sie den Befehl, daß alle Bewohner der Stadt und des Umlandes innerhalb von drei Tagen sämtliche Waffen abzugeben haben, um sie zerstören zu können. Sollte jemand Waffen versteckt halten, so würde das mit aller Härte geahndet werden. Mittlerweile ist die Stadt hermetisch abgeriegelt. Alle Kanonen, Gewehre und anderen Waffen in der Stadt wurden requiriert. In den nächsten Tagen soll noch einmal jeder Haushalt einzeln überprüft werden. Tag und Nacht patrouillieren deutsche Posten auf den Straßen. Die vier Stadttore werden verschlossen gehalten. Die Schlüssel wurden an einem Seil aufgehangen und nur auf ausdrücklichen Befehl ausgehändigt. Insgesamt haben die deutschen Soldaten 13 Bauern getötet und acht verletzt. Ich habe mich bereits davon überzeugt, daß die Angaben stimmen. Wie es heißt, soll es noch weitere Tote und Verletzte geben. Sobald ich verläßliche Informationen habe, werde ich Bericht erstatten. Am Morgen des 19. zerstörten die Deutschen am Osttor eine unserer Kanonen, wobei zwei Leute getötet wurden. Außerdem ritt eine deutsche Staffel in das vier Kilometer westlich von der Stadt gelegene Liugezhuan und wollten es inspizieren. Doch die Dorfbewohner hatten sich hinter den Wällen verschanzt und gewährten keinen Einlaß. Bei der Erstürmung soll es ebenfalls Tote und Verwundete gegeben haben. Nach Feststellung der Tatsachen werde ich Euer Exzellenz informieren. Danach erschienen die Deutschen mit drei gefesselten Gefangenen auf meinem Amt und verlangten von mir, daß ich sie öffentlich hinrichten lasse. Als ich versuchte, sie vorsichtig von ihrem Vorhaben abzubringen, bedrohten sie mich. Dann zogen sie mit den Gefangenen ab. Was mit den dreien passiert ist, vermag ich zur Zeit nicht zu sagen. In der Akademie, in der sich die Deutschen einquartiert haben, sind die meisten Einrichtungsgegenstände und Bücher verbrannt worden. Am 21. erreichte ein weiteres deutsches Truppenkontingent von über 100 Mann die Stadt. Auch sie bezogen in der Akademie Unterkunft. Die Stadt liegt öde und verlassen da. Neun von zehn Häusern stehen leer, da die Bewohner das Weite gesucht haben. Die Deutschen patrouillieren regelmäßig durch die angrenzenden Dörfer, um Aufwiegler aufzuspüren. Gerade als ich mit den Deutschen über den Vertrag verhandelte, traf der Stellvertretende Garnisonskommandant Peng [Jinshan] ein. Durch ihn erfuhr ich von Eurem Befehl, mit zwei Hundertschaften nach Gaomi vorzurücken und die Ordnung wiederherzustellen. Die Truppen biwakierten zunächst 20 km entfernt in Fanjiaqiu und sind nicht bis Gaomi vorgerückt. Es ist schwer zu sagen, warum die Deutschen einen derartigen Argwohn hegen. Jedenfalls suchten sie nach einem Vorwand. Sie behaupteten, daß die Präsenz chinesischer Truppen in der 100Meilen-Zone den vertraglichen Regelungen widerspräche und forderten nachdrücklich den Abzug unserer Truppen. Würde dem nicht nachgekommen, hätte das schwere Folgen. Inzwischen stellen die Deutschen Nachforschungen über unsere militärische Stärke an. Ich wage nicht vorherzusagen, ob sich weitere Zusammenstöße vermeiden lassen. Alle im Fall notwendigen Schritte werde ich gemeinsam mit dem Stellvertretenden Garnisonskommandanten

278 ergreifen und dabei stets die Gesamtlage vor Augen haben. Doch bevor die Deutschen nicht unsere Stadt verlassen haben, kann sie nicht zur Ruhe kommen. Deshalb flehe ich Eure Exzellenz an, sich telegraphisch mit Gouverneur Jaeschke in Qingdao in Verbindung zu setzen und über einen möglichst schnellen Abzug der deutschen Soldaten zu verhandeln. Nur so kann die Not von unserem Volk abgewandt werden. Ich bitte Euch inständig, Maßnahmen zu ergreifen. Jeden Tag müssen den Deutschen für ihre Verköstigung mehrere Rinder und eine größere Menge an Nahrungsmitteln zur Verfügung gestellt werden. Ganz gleich, wie hoch ihre Forderungen auch sind, sie verlangen jedesmal eine prompte Ausführung, bei der nicht die kleinste Verzögerung geduldet wird. Wenn es zu solchen einmal kommt, lassen sie ihrer Wut an den Leuten freien Lauf und schikanieren sie auf die verschiedenste Weise. Auch diese Tatsachen will ich Eure Exzellenz hiermit zur Kenntnis gebracht haben. Was den Passus im Vertrag zum Landkauf der Deutschen anbetrifft, so habe ich von Euch bereits ein Schreiben erhalten. Darin teiltet Ihr mir mit, daß die Deutschen dieses Mal nur zur Landvermessung erscheinen. Über den Kauf des Bodens müsse noch eine extra Vereinbarung getroffen werden. Wie ist nun weiter zu verfahren? Ich lasse Euch die von den Deutschen aufgesetzten Entwürfe des Vertrages und der Vereinbarungen in einer Abschrift zukommen. Ich ersuche Euer Exzellenz, nach dem Studium der Dokumente schnellstmöglich Richtlinien für mein weiteres Handeln zu übermitteln. Ehrfurchtsvoll wünsche ich Euer Exzellenz Wohlergehn und reiche hiermit gehorsamst meinen Bericht ein. Antwort des Gouverneurs, Vorschrift: Habe Bericht zur Kenntnis genommen. Was den Landkauf der Deutschen anbetrifft, so habe ich ein Schreiben des Zongli Yamen erhalten, in dem gesagt wird, daß dem Landkauf stattgegeben wurde. Darüber habe ich Euch bereits informiert. Über die Gewalttätigkeiten der Deutschen, bei denen Leute getötet und verletzt wurden, habe ich dem Zongli Yamen Bericht erstattet, damit dieses geeignete Schritte ergreifen kann. Über die noch ausstehenden Meldungen hinsichtlich weiterer Toter und Verletzter sehe ich Ihrem ausführlichen Bericht entgegen. Alle künftigen Schritte sind gemeinsam mit dem Stellvertretenden Kommandeur der Garnison zu unternehmen. Was Eure Aussage anbetrifft, daß zuerst die Deutschen mit dem Streit begonnen hätten, so entspricht das nicht den Tatsachen. 13.7.1899 YSG, 501/0-2. Nr.292,

unfoliiert.

279

77 Schreiben des Magistratsbeamten Ji Guifen und des Stellvertretenden Garnisonskommandanten von Laizhou, Peng Jinshan, an den Gouverneur von Shandong, Yu Xian (30.12.1899) Dem verehrten Herrn Provinzgouverneur in Jinan zur geneigten Kenntnis: Haben Geheimtelegramm betreffs Gaomi erhalten. Die beiden in unserem Distrikt gelegenen Dörfer Chewang und Fangling befinden sich in einer Senke. Ihre Bewohner sind heftiger Natur. Sie befürchten, daß die Eisenbahntrasse ihre Wasserzuflüsse verbaut. Sie haben sich zusammengeschlossen und ihre Kanonen in Stellung gebracht, um sich den Ausländern zu widersetzen. Wir haben uns gemeinsam mit den Schriftgelehrten der Stadt öffentlich dafür verbürgt, daß auch später der Wasserzufluß gewährleistet sein wird. Sechs Dörfer konnten bereits von uns überzeugt werden. Ungeachtet des starken Schneefalls haben wir uns in den letzten Tagen ununterbrochen in die Dörfer aufgemacht, um die Bauern über das Problem der Wasserzufuhr aufzuklären. Inzwischen hat ein Dorfvorsteher zugestimmt, daß alle weiteren Dinge morgen in der Stadt verhandelt werden sollen. Sollte es zu irgendwelchen Zwischenfällen kommen, werden wir sofort Bericht erstatten. Glücklicherweise hat es gestern geschneit. Die Schneedecke ist acht Zoll hoch, was für hiesige Verhältnisse sehr selten ist. Wir sind allerdings weiterhin sehr besorgt. Bericht „Qin" von Peng Jinshan und Ji Guifen. YSG 501/0-2, Nr. 293, unfoliiert.

78 Denkschrift aus dem Allgemeinen Marinedepartement (Juni 1900) 34 Die Unruhen im Kaiserlichen Schutzgebiet Kiautschou Während die Lage in der Provinz Zhili in der ersten Junihälfte einen immer bedrohlicheren Charakter angenommen hatte, waren in der Nachbarprovinz Shandong, der ursprünglichen Geburtsstätte der Boxerbewegung, keine Anzeichen einer fremdenfeindlichen Bewegung zu spüren. Die Bevölkerung war offenbar infolge günstiger Witterung mit der (im Gegensatz zu Zhili) gut ausgefallenen Ernte zu sehr beschäftigt, um sich auf unsichere politische Abenteuer einlassen zu wollen. Außerdem schien der Generalgouverneur Yuan Shikai das Regiment genügend in der Hand zu haben, um Ordnung und Frieden in seiner Provinz aufrechtzuerhal-

34 Die Denkschrift ist weder namentlich gezeichnet noch datiert, sie behandelt Ereignisse vom Juni 1900.

280 ten. Von seiner politischen Haltung hingen die weiteren Schicksale der Provinz und damit auch des deutschen Schutzgebietes von Kiautschou ab. Sein bisheriges Verhalten den deutschen Behörden gegenüber ließ die Annahme gerechtfertigt erscheinen, daß er ein Gegner der Boxerbewegung sei; man mußte indes vorläufig darauf gefaßt sein, daß ihn chinesische Erfolge im Norden zum völligen Frontwechsel veranlassen könnten. Durch seine gut ausgebildeten Truppen von 8.000 bis 10.000 Mann war er in solchem Falle ein Gegner, der die Sicherheit des Schutzgebietes in hohem Maße gefährdete. Der Kaiserliche Gouverneur, Kapitän zur See Jaeschke, ließ daher die notwendigen Maßregeln zur Verteidigung der Kolonie Qingdao treffen und hielt die Besatzung zur sofortigen Verwendung bereit; diese bestand aus: 1. dem III. Seebataillon unter Major Christ zu 4 Kompanien Offiziere, Mannschaften, Geschütze, 2. dem Matrosenartillerie-Detachement unter Korvettenkapitän Huss, Offiziere, Mannschaften, 3. der chinesischen Polizeikompanie unter Oberleutnant von Schöler, Offiziere, Mannschaften. Bis zum 25. Juni blieb in der Provinz tatsächlich alles ruhig; weder gegen die Missionen, noch gegen die Bahn- und Bergwerksbauten kamen Ausschreitungen vor. Der Gouverneur trug daher keine Bedenken, dem am 18. Juni vom Chef des Kreuzergeschwaders gestellten Ersuchen um Entsendung von Kompanien des III. Seebataillons zum Entsatz von Tianjin Folge zu leisten (s. Absch. V), weil die möglichst schnelle Niederwerfung des Aufstandes im Norden das Verhalten Yuan Shikais nur im friedlichen Sinne beeinflussen konnte. Am 26. Juni traf dagegen in Qingdao die Meldung35 ein, daß am vorhergehenden Tage die Missionsanstalt in Weixian (ca. 100 km nordwestlich von Jiaozhou s. Plan No.) niedergebrannt und die Missionare zu den Bergwerksingenieuren in Mazi geflohen seien; letztere hielten ihre Lage selbst für gefährdet und baten um Hilfe. Da der Kaiserliche Gouverneur durch ein offenes militärisches Einschreiten außerhalb der deutschen Interessensphäre in die Machtbefugnisse Yuan Shikais eingegriffen und hiermit vielleicht eine Verwicklung der Lage herbeigeführt hätte, erteilte er dem Führer der in Lancun befindlichen Chinesenkompanie, Oberleutnant v. Schöler, nur den Befehl, bis nach Jiaozhou vorzugehen, von dort aus bis nach Gaomi aufzuklären und sich zur eventuellen Aufnahme von Flüchtlingen bereit zu halten. Dagegen verließ am Abend des 26. eine aus 28 Freiwilligen bestehende Hilfsexpedition Qingdao, um die in Mazi befindlichen Ingenieure aus ihrer gefährlichen Lage zu befreien. Ehe diese die Stadt Gaomi verlassen hatte, erhielt der Gouverneur am 28. Juni einen Brief des Vizekönigs Yuan Shikai, in dem er sich außerstande erklärte, zur Zeit die Bahn- und Bergwerksarbeiten genügend zu schützen, da er durch die Unruhen in Zhili gezwungen sei, seine Truppen an der Nordgrenze von Shandong zu vereinigen. Er teilte ferner mit, daß er den Direktoren der Eisenbahn- und Bergwerksgesellschaft die vorläufige Einstellung der Arbeiten angeraten und seinen Truppen den Befehl gegeben habe, das unterwegs befindliche 35 Hier nicht abgedruckt.

281 Entsatzkorps aufzuhalten, weil er fürchten müsse, daß das Erscheinen einer bewaffneten europäischen Macht im Innern der Provinz den Anstoß zu Unruhen geben würde, deren er mit den ihm augenblicklich zur Verfugung stehenden Truppen nicht Herr zu werden im Stande sei. Andererseits versprach er, die in Mazi befindlichen Europäer unter sicherem Geleit nach Kiautschou fuhren und für den Schutz sämtlicher Bahn- und Bergwerksanlagen Sorge tragen zu lassen. [...]36 ΒΑΜΑ

RMi'6784,

Bl.92-98.

79 Schreiben der Betriebsdirektoren der Shandong-Eisenbahngesellschaft, Schmidt und Hildebrand, an den Gouverneur von Kiautschou, Jaeschke (9.8.1900) Qingdao, den 9. August 1900 37

In dem sehr geehrten Schreiben vom 26. Juli H. No. 11602 ersucht uns das Kaiserl. Gouvernement um Äußerung unserer Ansicht über den der Eisenbahn künftig zu gewährenden Schutz, sowie im besonderen darüber, was geschehen soll, um weitere Wiederholungen von Arbeitsstörungen bei Gaomi zu verhüten. In dem in Jinanfu abgeschlossenen Vertrage38 hat sich der Gouverneur der Provinz Shandong 39 als Vertreter der Provinzialregierung mit dem Generalleutnant Yin Chang, als Abgesandten der Peking-Regierung und mit deren Einverständnis verpflichtet, den Schutz des Eisenbahn-Unternehmens auszuüben. Diese Verpflichtung hat der Gouverneur schon nicht gehalten, als jetzt beim Juni-Aufruhr zum ersten Male sein guter Wille und seine Macht, das Eisenbahn-Unternehmen zu schützen, emstlich auf die Probe gestellt wurde. Wir erkennen vollkommen an, daß sofort nach Abschluß des Jinanfu-Vertrages im März d.Jr. auf telegraphischen Befehl des derzeitigen Gouverneurs von Shandong am voraus mit ilim vereinbarten Tage - der Gouverneur Yuan [Shikai] hatte sogar eine bestimmte Stunde fur die Wiederaufnahme der Arbeiten vorgeschlagen, so sicher war er, daß es nur eines einfachen telegrafischen Befehls seinerseits bedürfe, um die Ruhestörungen zu beseitigen, - die

36 Der Bericht geht im weiteren auf die Entsendung der deutschen Truppen nach Gaomi im Herbst 1900 ein. Diese Ereignisse werden in Dole. 81 und 82 behandelt, die ausfuhrlicher Auskunft über Hintergründe und Verlauf der Aktionen geben. 37 Nicht in den Akten. 38 Am 21 3.1900 schloß die Shandong-Eisenbahngesellschaft mit dem Gouverneur von Shandong die sog. Eisenbahn-Regulative ab, siehe Kapitel 7. 39 Zu dieser Zeit hatte Yuan Shikai den Posten des Gouverneurs inne.

282 Eisenbahnarbeiten wieder im vollen Umfange fortgesetzt werden konnten; wir erkennen ferner an, daß bei den im April in der Gegend von Gaomi wieder neu infolge des Widerstandes der Lokalbehörden entstandenen Arbeitsstörungen der Gouverneur Yuan den Provinzialrichter nach Gaomi entsandte, so daß nach kurzem Verhandeln an Ort und Stelle der ungestörte Fortgang der Arbeiten wieder erreicht wurde. Aus diesem zweimaligen vermittelnden Einschreiten des Gouverneurs Yuan glauben wir mit Recht geschlossen zu haben, daß er damit seinen Willen, den Fortgang des EisenbahnUnternehmens wenigstens vorläufig zu ermöglichen, bestätigt hat. Wir sind indes der festen Überzeugung, daß die jüngsten Unruhen, welche am 27. Juni der ganzen Eisenbahnstrecke entlang ihren Anfang nahmen, und welche wie auf Kommando die gleichzeitige Einstellung der Eisenbahnarbeiten zwischen Jiaozhou und Weixian und das Zurückziehen sämtlicher Eisenbahn-Ingenieure zur Folge hatten, mit Vorwissen und unter Zulassung des Gouverneurs Yuan zum Ausbruch kamen. Ein klarer Beweis dafür ist uns, daß von Seiten der wohlbewafineten und in durchaus ausreichender Zahl der Eisenbahn von Gaomi bis Weixian entlang stationierten Truppen Yuans und von seinen Ortsbeamten nichts ernstliches geschah, um die Eisenbahnarbeiten zu schützen. Das Eisenbahnbüro in Nanliu wurde in der Nacht vom 27. Juni ausgeplündert, obwohl 40 Mann Soldaten an demselben als Wache und im gegenüberliegenden Hause der chinesische Major mit seiner Truppe lagen. Das Gepäck der Eisenbahn-Ingenieure wurde am 28. mittags gegen 5 Uhr noch nicht zwei km vor den Toren Gaomis überfallen und geraubt, trotzdem es von dem chinesischen Offizier Zhang und 17 Soldaten begleitet war und gegen 700 Soldaten zu der Zeit in Gaomi lagen, die unbedingt von dem geplanten Überfall Kenntnis haben und das Schießen hören mußten. Die Ingenieure wurden in der Nacht des 26. im Tempel Lujiamiao von den Soldaten überfallen und beschossen, und der Ingenieur Rendenbach wurde folgenden Tags ebenfalls unterwegs zwischen Gaomi und Lujiamiao überfallen und des größten Teils seines Gepäcks beraubt, wobei die ihn begleitenden Soldaten sich untätig verhielten, und schließlich wurde das Eisenbahnbüro im Tempel Lujiamiao am 29. vollständig ausgeraubt, ohne daß die Truppen und Beamten Yuans einschritten und ohne daß bis heute von dem Gouverneur der Provinz Shandong ein Schritt getan worden wäre, uns Genugtuung zu verschaffen, die Ruhestörungen zu beseitigen und die Bahnarbeiten wieder aufzunehmen. Der Gouverneur von Shandong hat somit seine vertraglich eingegangene Verpflichtung, das Bahnunternehmen zu schützen, nicht erfüllt, er hat es vielmehr geschehen lassen, daß das Unternehmen vollständig, soweit dies zwischen Qingdao und Jiaozhou durch die deutschen Truppen nicht verhindert worden ist, in einer Weise unterbrochen worden ist, die dessen Ruin, wenn nicht von deutscher Seite mit Gewalt eingeschritten wird, herbeiführen muß. Daß dabei nicht, wie auf der Baodingfu-Eisenbahn 40 , auch noch ein Teil der Ingenieure ermordet worden ist, trotzdem auch dazu in Lujiamiao alle Veranstaltungen getroffen zu sein

40 Im Mai 1900 attackierten die Boxer die Eisenbahnstrecke zwischen Peking und Baoding bei Zhuozhou, siehe Esherick 1987:284.

283 schienen, können wir keineswegs zu Yuans Vorteil auslegen. Es war bei seiner angesichts der Vorgänge im Norden nach zwei Seiten schwankenden Haltung ein Akt der Vorsicht, eine möglichst milde Form zur Erreichung der ihm von Peking (vermutlich) gestellten Aufgabe, die Eisenbahn- und Bergwerksunternehmungen wie die Missionen zu unterdrücken, zu finden. Wenn er dieses Ziel erreicht hat und es ihm sogar dabei gelungen ist, bei manchen sich das Ansehen eines den Europäern und unsern Unternehmungen wohlwollenden Chinesen zu sichern, so ist das ein Zeichen seiner Schlauheit und Gewandtheit; aber eben, weil es ihm gelang, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen, so ist das fur uns der sicherste Beweis, daß er die Autruhrbewegung in Shandong so fest in der Hand hatte, daß er seinen Organen genau die Grenzen vorschreiben konnte, bis zu der sie bei Unterdrückung unserer Unternehmungen und der Missionen gehen konnten. Mit dem Gesagten wollen wir nicht, weil uns Beweise dafür fehlen, Yuan persönlich zu nahetreten; ein anderer weniger umsichtiger und mit den zur Zeit noch nicht ausreichenden chinesischen Truppenmitteln einerseits und den europäischen Machtmitteln andererseits weniger vertrauter Berater würde vielleicht größeres Unheil angerichtet haben, und wir können uns wohl in seine schwierige Lage denken, in der er einerseits gezwungen war, den ihm von der korrupten Peking-Regierung gewordenen Instruktionen soweit nachzugeben, daß de facto den fremden Unternehmungen und Missionen in Shandong ein vorläufiges Ende gemacht wurde und der Bevölkerung gegenüber sein Gesicht soweit zu wahren, daß er nicht als Fremdenfreund verschrieen werden konnte, wie andererseits darauf bedacht zu sein, daß nach einem unglücklichen Ausgang der fremdenfeindlichen Bewegung, die ein Mann wie er für verfrüht und zur Zeit jedenfalls fur aussichtslos halten mußte, ihm der Rückgang zu einem erneuten freundschaftlichen Einvernehmen mit den Fremden offen bliebe. Die Aufgabe hat Yuan in einer bewunderungswürdigen Weise gelöst, und der Klang seines Namens ist ein so guter geblieben, daß heute Konsuln und Private sich an ihn wenden, um etwas über das Schicksal der Fremden in Peking zu erfahren, die sporadischen Korrespondenzen mit Peking fast nur durch seine Hand gehen, seine Vermittlerrolle sich wahrscheinlich noch weiter ausbilden wird und viele von dem Aufruhr in Shandong Betroffenen mit einem gewissen Gefühl der Dankbarkeit zu ihm sogar aufsehen, weil es ihnen nicht noch schlimmer erging. Bevor wir jetzt zur Beantwortung der uns von dem Kaiserl. Gouvernement vorgelegten Fragen übergehen, möchten wir noch unserer Ansicht Ausdruck geben, daß der Gouverneur Yuan, ebenso wie die Gouverneure der übrigen Provinzen, in dem Bau der Eisenbahnen eine politische Gefahr fur seine Provinz sieht, wenn er auch den Nutzen der Eisenbahnen an sich fur die Entwicklung der Provinz durchaus nicht verkennt. Aber diese Überzeugung allein würde ihn nicht dazu gefuhrt haben, gegen die Eisenbahnen gewalttätig vorzugehen oder ein solches Vorgehen zuzulassen, wenn die jetzige Aufruhrbewegung und seine Regierung ihn nicht dazu gedrängt hätten. Durch die Aktion der vereinigten Mächte gegen Peking und die als Ergebnis dieser Aktion weiter zu ergreifenden dauernden Maßregeln wird aller Voraussicht nach erreicht werden,

284 daß das Übel an der Wurzel angegriffen wird und künftigen feindseligen Maßregeln oder Anordnungen der chinesischen Zentralregierung gegen die fremden Unternehmungen dauernd vorgebeugt wird. Da erwartet werden muß, daß jene Maßregeln durchgreifende und für alle Fälle ausreichende sein werden, so wird sich zwar auch das Verhalten der von der Zentralregierung abhängigen Provinzialregierungen den fremden Unternehmungen sich entgegenkommender als jetzt zeigen, aber es wird trotz alledem auch dann an heimlichen Umtrieben nicht fehlen. Und selbst wenn wir annehmen wollten, daß von Seiten des jetzigen Gouverneurs der Provinz Shandong, sobald er entsprechende Weisungen von der Zentralregierung hat, dem Eisenbahnbau keine Schwierigkeiten in den Weg gelegt werden würden, und, nach dem Ausgang der Verwicklungen im Norden, er das seinige tun würde, die Störungen des Bahnbaus aufzuheben so haben wir andererseits die Überzeugung, daß dies nicht von Seiten der Bevölkerung, insbesondere der Literaten und der Gentry der Fall sein wird. Einfache amtliche Verordnungen werden in China von diesen Leuten nicht ohne weiteres befolgt, insbesondere nicht, wenn nicht durch harte und gewaltsame Maßregeln deren Einhaltung fortwährend erzwungen wird und diese Leute die Überzeugung erhalten, daß es der Regierung mit solchen Verordnungen wirklich ernst sei. Und zu solchen durchgreifenden Maßregeln zu Gunsten einer fremden Gesellschaft würden wir zweifelsohne die chinesischen Lokalbehörden nicht bereit finden, selbst wenn sie ihrerseits nicht den fremdenfeindlichen Standpunkt innerlich vertreten sollten. Dazu kommt, daß durch die ganze Reihe von erfolgreichen Aufruhrbewegungen gegen die Eisenbahn das Volk und die Gentry dieselbe fast als ihrer Willkür überantwortet anzusehen geneigt geworden ist, zum mindesten aber allmählich die Ansicht sich bei ihnen eingebürgert hat, daß der Bahnbau von ihrem guten Willen abhängig sei und selbst bis ins Detail der Linienführung, der Lage der Bahnhöfe und der Weite der Brücken an ihre Zustimmung gebunden sei, und daß bei allem Entgegenkommen unsererseits gegenüber berechtigten Wünschen der Bewohner die Ablehnung irgendeiner unsinnigen Forderung sie berechtigt, mit einem Aufruhr zu drohen. Solchen Zumutungen gegenüber sind wir, wie dem Kaiserl. Gouvernement wohl bekannt ist, in nachgiebigster Weise bis an die Grenze des fiir das Unternehmen Zulässigen gegangen und haben verschiedentlich, wie bei den Verhandlungen wegen der chinesischerseits ohne triftige Gründe geforderten Linienverlegungen bei Gaomi und Lancun um Entsendung von Vertretern des Kaiserl. Gouvernements gebeten,41 um zu der Beobachtung Gelegenheit zu geben, daß es an Nachgiebigkeit unsererseits nicht gefehlt hat. Wenn es nun auch bisher gelungen sein dürfte, auf dem Wege des Verhandeins und gelegentlichen Nachgebens zeitweise und für den Anfang einen immerhin befriedigenden Fortschritt der Eisenbahnarbeiten zu erzielen, so haben die sich fortwährend wiederholenden Störungen des Bahnbaus das Unternehmen bereits so schwer geschädigt, daß ein weiteres gütli41 Im Februar 1900 fanden Verhandlungen über die Linienführung der Eisenbahn in Gaomi zwischen chinesischen Magistratsbeamten und der Shandong-Eisenbahngesellschaft statt, siehe Schrecker 1971:115. Im Mai 1900 kam es abermals zu Verhandlungen, diesmal bei Lancun, siehe Falkenberg 1986:128. Als Beobachter des Gouvernements war Schrameier zugegen.

285 ches Verhandeln nur als Schwäche ausgelegt werden und die übelsten Folgen für das ganze Unternehmen nach sich ziehen müßte. Wenn wir auch nach wie vor den Standpunkt vertreten müssen, daß unser Unternehmen mit gütlichen Mitteln und im guten Einvernehmen mit den Chinesen, schon allein wegen des auf die Bahn zu ziehenden künftigen Verkehrs gefördert werden muß, so schließt das nicht aus, und wir halten es fur geboten, daß jetzt, wo gütliche Mittel sich als fruchtlos erwiesen haben, strenge Mittel angewandt werden, um der der Bahn entlang wohnenden Bevölkerung vor Augen zu fuhren, daß hinter uns eine Macht steht, die im Stande und gewillt ist, die deutschen Unternehmungen zu schützen und Ausschreitungen so zu bestrafen, daß ihnen für alle Zukunft vorgebeugt wird. Dies wird nach unserer Ansicht in Verbindung mit dem Vorgehen der Mächte gegen die Zentralregierung in Peking das Mittel sein, um ein dauerndes friedliches Weiterfuhren der Bahnunternehmung zu ermöglichen. Was nun die uns vorgelegte Frage betrifft, was im besonderen geschehen soll, um weitere Wiederholungen von Arbeitsstörungen bei Gaomi zu verhüten, so bemerken wir dazu folgendes: Auch in der Regenzeit beabsichtigen wir mit den Erdarbeiten und Brückenbauten bis zur Stadt Weixian, bis wohin die Bahnlinie bereits größtenteils abgesteckt ist, vorzugehen. Sobald dann genügendes Ingenieurspersonal hier eingetroffen sein wird, sollen in diesem Jahre noch die Vermessungs- und Absteckungsarbeiten bis hinter die Stadt Qingzhoufu in Angriff gnommen werden, damit nach Fertigstellung der vorhergehenden Strecke die Bauarbeiten keine Unterbrechung erleiden. Wir halten es zu diesem Zweck fur nötig, daß ein starkes Detachement aus Infanterie, Kavallerie und Artillerie bestehend in das mit festen hohen Mauern umgebene Mandschurenlager bei Qingzhoufu gelegt wird, das gute Häuser und reichliche breite Straßen hat, und zwischen dem und der Stadt Qingzhoufu ein über einen km langer und breiter schöner Exerzierplatz liegt. Ein zweites größeres Detachement würde in die Stadt Weixian zu legen sein, wo gute Wohnungen reichlich vorhanden sind, und in die zwischen Weixian und Jiaozhou-Qingdao befindlichen Ortschaften Nanliu, Jiangling und Gaomi würden kleinere Etappen zu stationieren sein, welche die Verbindung mit Qingdao zu unterhalten und die Ruhe herzustellen bestimmt wären. Die Bestrafung derjenigen Ortschaften, welche an den Ruhestörungen beteiligt waren, würde bei dem Hinmarsch der Truppen sogleich zu erfolgen haben. Die Kosten für die Aussendung der Truppen würden allwöchentlich von den chinesischen Ortsbehörden einzuziehen und Transportmittel würden von den Ortsbehörden zu stellen sein. Wie lange die Truppenbesetzungen im Innern zu belassen wären, würde von den Garantien abhängen, die die chinesische Regierung fur die dauernde Aufrechterhaltung der Ruhe und für ein freundliches Verhalten den deutschen Unternehmungen gegenüber zu stellen in der Lage wäre. Keinesfalls aber wäre an das Zurückziehen der Truppen zu denken, ehe nicht vom Einmarsch oder von später etwa vorkommenden Störungen an gerechnet eine genügend lange Zeit im tiefsten Frieden verflossen sein wird.

286 Zur Unterkunft der Etappen von Qingdao bis Weixian und Qingzhoufü wird es unschwer sein, nach der Regenzeit genügende gesunde Quartiere in Privathäusern in den großen Ortschaften zu finden. Entsprechend große Gehöfte würden zu dem Zweck von ihren Bewohnern zu räumen sein. Zwischen Qingdao und Liaozhou ist an mehreren Stellen bereits mit dem Bau von Stationsgebäuden begonnen, die indes kaum vor Ende dieses Jahres beziehbar sein werden. Mit dem Bau von Stationshäusern westlich von Jiaozhou zu beginnen ist wegen der Unruhen bisher noch nicht möglich gewesen. Nach ihrer Fertigstellung würden wir dieselben gem zur vorübergehenden Übernachtung von Truppen zur Verfugung stellen, sowie auch die betreffenden Stationen durch Einfriedigung mit Stacheldrahtzäunen u.dgl. zu sichern bereit sein. Die Errichtung von besonderen Kasernements zum dauernden Gebrauch können wir nicht zu unseren Aufgaben rechnen. Über die Frage betreffs Eröffnung des Zugbetriebes auf der Eisenbahn bis Gaomi hatten wir bereits die Ehre, dem Kaiserl. Gouvernement Mitteilung zu machen. Eine solche durchgreifende Maßregel, wie wir sie die Ehre nehmen, dem Kaiserlichen Gouvernement vorzuschlagen und nur allein eine solche wird es bewirken, das deutsche Gouvernement Kiautschou in das ihm gebührende Ansehen im Hinterland zu setzen und dadurch ermöglichen, die Garnison Qingdaos in absehbarer Zeit wieder auf ein im Verhältnis zur kommerziellen Bedeutung des Platzes stehenden Weise ermäßigen zu können. So lange als Deutschland der Gentry und den Literaten im Hinterlande seine Macht nicht vor Augen gefuhrt hat, werden sich diese immer wieder zu allerlei Anzettelungen bereit finden lassen. Es ist nicht die Besetzung der Bahn und der Schutz, den uns nötigenfalls das Gouvernement innerhalb des Interessengebiets zur Verfugung stellen kann, welches die Durchführung der Bahn die ja doch vorläufig schon bis Jinanfu ausgeführt werden soll gewährleistet, sondern das einzige, was eine sichere Garantie fur Durchführbarkeit der Bahn und damit das Aufblühen der ganzen Kolonie bildet, ist das Ansehen, welches das deutsche Gouvernement in China im allgemeinen und im Hinterland der Kolonie im speziellen genießt, und dazu ist ein Heraustreten Deutschlands aus dem Rahmen der internationalen Schritte in einer weit über lediglich kleine polizeiliche Maßnahmen hinausgehenden Weise nötig. Wir sind überzeugt und wagen zu hoffen, daß das Kaiserliche Gouvernement unter Berücksichtigung aller aufgeführten Gesichtspunkte zu der Überzeugung gelangen wird, daß solche aus diesen weitesten Gesichtspunkten entspringende Maßnahmen den Schutz der Bahn sowohl wie jedes einzelnen im Inland weilenden oder reisenden Deutschen einschliessen entsprechend und in praktischer Ausführung der Worte Sr. Majestät des Kaisers, der seinen Soldaten befahl, in China so zu fechten, daß in tausend Jahren kein Chinese mehr wagen wird, einen Deutschen schief anzusehen. Betriebsdirektion der Shandong Eisenbahn-Gesellschaft H. Hildebrand RAP, DBC, Nr. 1309, BI.2-12.

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80 Bericht des Missionars Richard Wilhelm (24.11.1900) 4 2 Es ist eine reiche, fruchtbare Gegend, das Gebiet von Gaomi, wo unsere Truppen gegenwärtig die Aufgabe haben, Ruhe und Ordnung wiederherzustellen. Die Ebene hat ihre eignen Reize durch die Wälder, welche die flachen Erhebungen schmücken, durch die Flußläufe mit ilirem klaren Wasser. Man würde die Vorgänge, welche sich da abgespielt, nicht ahnen, wenn man durch die Felder reitet. Es ist nicht ohne Interesse, den Ursachen der Erhebung nachzugehen. Man kann ja begreifen, daß die Leute dem Ungewohnten, das ihnen der Eisenbahnbau entgegenbrachte, nicht besonders freundlich gegenüber standen. Auch hatte diese Abneigung vielfach eine reale Begründung in den mancherlei Ausbeutungen und Bedrückungen, die sich einzelne chinesische Angestellte ohne Wissen ihrer Herren, aber mit Mißbrauch ilirer Autorität erlaubten, aber von dieser Abneigung bis zu der wahnsinnigen Verblendung, die sich in einem regelrecht organisierten Widerstand gegen die deutschen Truppen hinreißen ließ, ist noch ein weiter Schritt. Der Hergang, soweit ich ihn aus eigner Anschauung verfolgen konnte, ist etwa folgender: Die Hauptmasse der Landbevölkerung ist zwar ziemlich schwerfällig und langsam, aber durchaus nicht bösartig. Es gab aber allenthalben einige Hetzer, welche die Dörfer so beeinflußten, daß die besonnenen Elemente in manchen überhaupt nicht mehr zu Wort kommen konnten. In andern Dörfern wo besonnene Männer das maßgebende Wort behielten, ist ja auch alles glatt und widerstandslos verlaufen. In ein neues Stadium trat die Affäre als vom Norden, auch von benachbarten Distrikten her, Mitglieder der Yihequan43 sich der Bewegung bemächtigten: Eine rege Korrespondenz entwickelte sich, der Widerstand wurde organisiert. Unter den Ruinen des erstürmten Shawo gelang es mir, Reste dieser Korrespondenz aufzufinden. Besonders charakteristisch sind zwei Manifeste, die sich in mehreren Exemplaren vorfanden und einen gewissen Einblick in das Wesen der Boxerbewegung gewähren. Das eine ist die Aufnahmeformel und lautet: „Heilige Männer thronen im Norden Guan Ping und Chou Lang gegen Südost einem Gruß, einmal die Worte sprechen, wieder einen Gruß, einmal hersagen, drei Grüße, einmal hersagen, die Augen schließen, die Füße schließen, die Finger um einander schlingen mit ausgestreckten Daumen. Ich flehe Namu Amitofu gegen Südost eine Verbeugung, 3mal hersagen, eine Verbeugung. 3mal hersagen, drei Verbeugungen, 3mal hersagen, die Augen schließen, die Füße schließen, die Finger umeinander schlingen mit ausgestrecktem Zeigefinger. 42 Der Bericht wurde im Amtsblatt für das Kiautschou-Gebiet mit folgender redaktioneller Einleitung publiziert: „Ein sehr interessanter Beitrag zur Geschichte der Vorgänge bei Gaomi wird uns in dankenswerter Weise von Herrn Missionar Wilhelm zur Verfugung gestellt. Herr Wilhelm ist erst vor einigen Tagen aus dem Gaomi-Distrikt zurückgekehrt und hat die dort erhaltenen Eindrücke und gemachten Beobachtungen in nachfolgendem Bericht niedergelegt." 43 Chin Bezeichnung fur die Boxertruppen, wörtl. „Boxer für Frieden und Gerechtigkeit".

288 Der Himmel schlage drein, die Himmelstür öffne sich, die Erde schlage drein, das Tor der Erde komme heran. Wir wollen lernen, die shenquan (Geistervereinigung, statt juan-Vereinigung steht immer quan-Faust)44 bitten, die Götter herbeizukommen. Die Hände falten mit ausgestreckten Daumen. Gegen Süd einen Gruß, lmal hersagen. Vorher einen Schritt machen wieder einen Gruß, einmal hersagen, 1 Schritt. 1 Gruß, lmal hersagen, 1 Schritt. Die Augen schließen, die Füße schließen. Dem shenquan Thron darf man nicht mißtrauen. Der Kugelsegen Nach Norden tut auf sich ein tiefes Tor Aus tiefer Mitte komm' Eisengott vor Eisengottempel, eiserner Thron, Eisenmann, Eisenkleid, Eisenwand vor Schiebt eiserner Kugel Riegel vor Himmel und Erde bergen mich Sonne und Mond scheint auf mich Schneller Gehorsam höherem Befehl." Das andere Schriftstück, als Erlaß Lis bezeichnet, lautet: „Die Anhänger sollen auf den Knien flehen zu der gländenden Bergmutter. Tang Seng, Sha Seng, Ba Tuojie, Wu'er Kong, 46 einerlei welcher, möge herabfahren in mich. Diese Fluchworte sind täglich um Mitternacht mit gewaschenem Mund und reinem Herzen, das Gesicht nach Südost gewandt, 3mal zu sagen. Jedesmal nach Südost einen Gruß, wenn es aufgesagt ist. Die Anhänger haben gestreckt sich auf die Erde fallen zu lassen mit angehaltenem Atem, bis ein andrer mit der Hand ihm auf das Gesicht schlägt. Dann erwachen sie und stehen auf. Nun kann kein Messer oder Gewehr sie verletzen. Wer mit ganzem Herzen dabei ist, kann es leicht erlangen. Dies verbreite er unter Zittern und Vorsicht. Weil die katholische und evangelische Kirche die Götter mißhandeln, die Heiligen auslöschen, nicht ehren die Lehre Buddhas und Himmel und Erde erzürnen, deshalb wird ein Wolkenregen 8 Millionen Geistersoldaten herabströmen, um mit den Fremden aufzuräumen. Weil dieser Sprühregen nicht schon lang Waffen und Soldaten herabspru-

44 Chin. „Geisterboxer". Es handelt sich hier um einen Irrtum Wilhelms. Das Zeichen „quan" für „Boxer" war durchaus richtig und so gemeint. Die „Geisterboxer" waren eine Vorform der „Boxer für Frieden und Gerechtigkeit" (Yihequan), die wahrscheinlich um 1896 in Nord-Shandong westlich des Gelben Flusses entstand. Es handelte sich um eine der vielen Kampfkunst-Gruppen, die in Shandong durch öffentliche Darbietungen ihre Existenz bestritten Ihr charakteristisches Ritual bestand aus einer besonderen Form der Unverletzlichkeit durch Anrufung von Geistern, bevor sie in den Kampf gingen. Um ca. 1899 nahm die Gruppe eine anti-christliche Haltung ein, und gegen Ende 1899 trat sie unter dem Namen Yihequan auf. Vgl. Esherick 1987:206ίΤ, 2 1 6 f f u 223ff. 45 Chin. „Geisterboxer", siehe auch oben. 46 Es handelt sich hierbei um Götter der chinesischen Volksreligion, die von den Boxern angerufen wurden, vgl. Esherick 1987:149 u. 294fF.

289 delte, hat das Volk Bedrängnis. Weil die Yihequan dem Buddhismus angehört, kann sie nach oben hin das Reich beschirmen und nach unten hin dem Volk Frieden geben. Wer diese Schrift sieht und 6 Exemplare davon verbreitet, errettet sein ganzes Haus vom Verderben: Wer 10 Exemplare verbreitet, errettet seinen ganzen Ort vom Verderben. Wer sie sieht und nicht verbreitet, wird das Schwert an den Hals bekommen. Wenn die Fremden nicht ausgetilgt werden, kann kein fruchtbarer Regen fallen. 47 Wer das Gift der Fremden gegessen hat, gebrauche nach göttlicher Anordnung Wu mei (Rabenkirschen) 7 Stück, Mao Cao (Dachstrohwurzel) 5000, Duzhong (Asalee) 5000, in Wasser gekocht wird er geheilt." Es blieb nicht bei Beschwörungsformeln und Zaubersegen. Man ging rüstig ans Werk. Das Dorf wurde befestigt, die Wälle erneuert, die Tore zugeschüttet, und man ließ Nachricht ausgehen, daß man gerüstet sei. Selbst die Boten der chinesischen Behörden fanden keinen Einlaß mehr, und einem vernünftigen Mann aus der Nachbarschaft, der noch einmal seine warnende Stimme erhob, drohte man mit dem Tode. Die Strafe folgte, wie bekannt. Das Dorf wurde genommen und angesteckt. Nach amtlicher chinesischer Aufstellung betrugen die Verluste abgesehen von den getöteten Boxern, deren Zahl sich nicht genau angeben läßt: 177 Tote und 107 Verwundete, von den 135 Familien des Orts sind von über 20 sämtliche Glieder umgekommen. Von den Häusern sind 19, 20 verbrannt, ebenso wie sämtliche Getreidevorräte. Manches unschuldige Leben hatte unter der abergläubischen Verblendung dieser Helfer mitzuleiden. Durch ihre eignen Geschütze allein erlitten die Boxer mehr Schaden als die Angreifer. Aber bis zum letzten Augenblick setzten sie den Widerstand fort, in der Hoffnung auf die Geistersoldaten. Es waren aber keine gekommen. Die Wirkung des ebenso raschen wie schneidigen Eingreifens Herrn Hauptmann Conradis blieb nicht aus. Die Boxer haben gänzlich ihre Rolle ausgespielt. Soweit sie nicht getötet wurden, haben sie sich aus dem Staub gemacht. Die Bevölkerung ist aus ihrem Taumel erwacht. Sie furchten die Deutschen wie Zhu Geliang, den sagenhaften Feldherrn, der Wolken und Wind in seinem Dienst hatte. Mit der Furcht ist das Gefühl der Erkenntnis ihrer früheren Verblendung verbunden. Die besonnenen Elemente haben allenthalben das Übergewicht erlangt. Es gelang mir, die Ältesten von etwa 80 Dörfern der ganzen Umgegend zu versammeln und sie über die Sachlage aufzuklären. Sie haben dann eine Bittschrift abgefaßt, die folgenden Wortlaut hat: „Auf dem Land gibt es allenthalben viele dumme Leute. Weil diese bisher den Wert der Eisenbahn nicht zu würdigen wußten, störten sie die Arbeiten daran. Nun wurden sie eines bessern belehrt und haben selbst ihre Verblendung bereut und sich bereit gezeigt, sofort ihre Waffen abzuliefern und ihre Wälle abzutragen und geloben, stets gehorsam zu sein. Sollten ferner wieder Unruhestifter auftreten, so werden sich die Ortsvorsteher beeilen, dieselben sofort festzunehmen und ans Yamen zu strenger Bestrafung auszuliefern. So

4 7 Hierbei handelt es sich um ein häufig anzutreffendes Element anti-christlicher Propaganda, vgl Cohen 1978:569flf.

290 bittet nun die ganze Bevölkerung von Stadt und Land flehentlich, ihr gütigst bald Frieden gewähren zu wollen." Nachdem schon tagelang vorher fortwährend Waffen abgeliefert wurden, gingen die Ortsvorsteher mit dieser Bittschrift zu Herrn Hauptmann Conradi, der sie freundlich empfing und ihnen beruhigende Worte sagte. In einem chinesischen Schriftstück, das mir unter die Hände kam, steht der Satz, daß die Chinesen bisher immer zwei Stücke am deutschen Volke zu schätzen wußten: Schlagfertigkeit und Stärke des Militärs und ein gerechtes mildes Regiment. Möge es uns gelingen, diesen alten Ruhm auch hier durch die Praxis zu verdienen. Möge es der Eisenbahn, an deren Bau schon wieder rüstig gearbeitet wird, gelingen, den Reichtum des Landes zu erschließen und den Segen der Kultur zu verbreiten, wie durch die imponierende Stärke unseres Militärs die Macht des Widerstands gebrochen wurde. R. Wilhelm. Amtsblatt für das Schutzgebiet Kiautschou 1900, S. 166f.

81 Denkschrift des Leiters des Allgemeinen Marinedepartements, Büchsei (1.12.1900) Berlin, den 1. Dezember 1900 Über die Vorgänge in Shandong in der ersten Hälfte des Monats Oktober d.J. hat der Gouverneur Bericht erstattet, dessen Inhalt weiteren interessanten Aufschluß gibt, über das Verhalten des chinesischen Gouverneurs Yuan Shikai. 1. Das Vorgehen ist mit den Kaiserlichen Gesandten und Graf Waldersee vereinbart. Bei der Besprechung in Tianjin zwischen Graf Waldersee, dem Gesandten und dem Gouverneur 48 wurden folgende Punkte vereinbart: a) Der Gouverneur von Shandong wird aufgefordert, die 50-km-Zone mit seinen Truppen zu räumen, da der Bahnbau wieder aufgenommen werden solle und der Gouverneur von Kiautschou den Schutz desselben mit den eigenen Truppen übernehmen würde. b) Der Gouverneur von Shandong wird ferner aufgefordert, den Schutz der Bergwerksarbeiten bei Mazi zu übernehmen. c) Die in Kiautschou liegenden Truppen werden nach Möglichkeit verstärkt und rücken, unter Belassung einer Etappentruppe in Jiaozhou, nach Gaomi vor. 48 Die Besprechung zwischen dem Gouverneur Jaeschke, dem Gesandten Mumm und dem Feldmarschall Waldersee fand am 7. Oktober 1900 statt.

291 Die Wälle der aufsässigen Dörfer bei Gaomi und im Haoli-Distrikt werden geschleift, um diesen Orten ihre Widerstandsfähigkeit zu nehmen. Die Einwohner werden zu diesen Arbeiten herangezogen. Die Waffen müssen ausgeliefert werden. Etwaiger Widerstand wird gewaltsam gebrochen und durch Beitreibungen bestraft. Der Feldmarschall versprach ferner, sobald es möglich, die Truppen der Marine-Expedition dem Gouverneur zur Verfugung zu stellen. 2. Depeschenwechsel zwischen Gouverneur von Kiautschou und Yuan Shikai Auf Grund dieser Vereinbarungen telegraphierte Kapitän zur See Jaeschke noch von Tianjin aus an Yuan Shikai wie folgt: „Euer Exzellenz teile ich mit, daß ich nunmehr den Bahnbau vorläufig bis Gaomi wieder aufzunehmen lassen beabsichtige. Den erforderlichen Schutz werden meine Truppen übernehmen. Die Anwesenheit der Truppen Euer Exzellenz ist daher nicht mehr erforderlich, und ich bitte Euer Exzellenz alle Ihre Truppen bis zum 12. d.M. aus der 100 Li Zone zurückzuziehen. Auch die Bergwerksarbeiten bei Mazi sollen wieder aufgenommen werden. Hierüber werde Euer Exzellenz ich von Qingdao aus das Weitere mitteilen, wohin ich morgen von hier aus zurückkehre und wohin Euer Exzellenz Empfangsbestätigung dieser Mitteilung telegraphisch richten wollen." und erhielt, in Qingdao am 9. Oktober angekommen, nachstehende Antwort: „Herr Gouverneur Jaeschke! Heute erhielt ich ein Telegramm vom 30. September, wonach Euer Exzellenz beabsichtigen, bis auf weiteres die Gaomi-Bahn zu bauen und den militärischen Schutz selbst zu übernehmen. Sie bitten mich deshalb bis zum 12. Oktober sämtliche Truppen über die 100-LiZone zurückzuziehen. Ferner gedachten Euer Exzellenz in Verhandlungen wegen des Bergbaues bei Mazi einzutreten. Von dem Inhalt des Telegramms habe ich Kenntnis genommen. Da Euer Exzellenz selbst den militärischen Schutz der Eisenbahn in Gaomi zu übernehmen gedenken, so habe ich unverzüglich den dort liegenden Detachements Befehl erteilt, sich über die 100-Li-Zone zurückzuziehen. In bezug auf die Bergwerksarbeiten bei Mazi hege ich selbst den innigen Wunsch, in freundliche Verhandlungen mit Euer Exzellenz einzutreten und warte nur auf ein Schreiben, um mich dazu zu äußern." Hierauf telegraphierte Kapitän zur See Jaeschke zurück. „Euer Exzellenz Telegramm habe ich erhalten, aus welchem ich mit Befriedigung und Dank ersehe, daß Sie meinem Vorschlag entsprechend die Truppen aus der Interessensphäre entfernt haben. Infolge dessen werde ich meine Truppen nach Gaomi vorrücken lassen; über Gaomi hinaus werden sie nicht vordringen. Der Zweck dieses Vorgehens ist allein, den militärischen Schutz für den Eisenbahnbau meinerseits zu übernehmen, damit die Arbeiten wieder aufgenommen werden können und ungestört fortschreiten. Ich bitte, in einer Proklamation die Bevölkerung unverzüglich in dieser Abschrift Mitteilung zu machen und sie zur Ruhe und Ordnung zu ermahnen. Soweit sich nachweisen läßt, daß Personen in dem GaomiDistrikt gegen das Leben und das Eigentum von Angestellten der Bahn gefrevelt haben, soll eine Untersuchung abgehalten werden und Bestrafung erfolgen, bei der ich auf die gerechte Mitwirkung Ihrer Beamten rechne. Ich bitte, auch dies mit Instruktion zu versehen. Nach der

292 langen Störung hoffe ich nunmehr, daß eine ruhige Zeit in dieser Provinz wieder anbrechen wird, und ich bin überzeugt, daß Sie mit mir zusammen wirken werden, um Ordnung herzustellen zum besten unserer gegenseitigen Beziehungen." Umgehend traf die folgende Antwort ein: „Euer Exzellenz Telegramm erhielt ich eben und erfahre daraus, daß Sie Truppen nach Gaomi zu senden gedenken, aber nicht darüber hinaus, daß Sie mit dieser Entsendung nur die Absicht verbinden, den militärischen Schutz der Eisenbahn zu übernehmen. Gestatten Euer Exzellenz, mir Ihnen dafür meinen Dank und Anerkennung auszudrücken. Ich habe der schnelleren Erledigung halber den Gaomi-Magistrat telegraphisch angewiesen, an meiner Stelle unter seinem Siegel Proklamationen an das Volk behufe Aufrechterhaltung der Ruhe zu erlassen. In bezug auf die Vergehen gegen Leben und Eigentum habe ich ihn ebenfalls angewiesen, sich an der Untersuchung zu beteiligen und in gerechter Weise strenge Bestrafung eintreten zu lassen. Was die Herstellung der Ordnung in dieser Provinz betrifft, so liegt dieser Gedanke mir alle Zeit am Herzen und mit aller Kraft suche ich darauf hinzuwirken, daß die Ruhe wieder eintritt. Ihren edlen Absichten, die freundlichen Beziehungen zu stärken, verfehle ich nicht zu entsprechen. Haben Eure Exzellenz eine ruhige Rückfahrt von Tianjin gehabt?" 3. Stärke der Expedition, Ausführung Das Expeditionskorps war stark, 200 Mann der Marineinfanterie, 1 Zug der Marinefeldbatterie, 1 Zug Maschinengewehre, 1 Zug Reiter; es wurde später noch verstärkt durch einen 2. Zug der Marinefeldbatterie, nachdem die letzten Pferde auf dem Dampfer „Halle" nach Dagu verschifft waren. Das Expeditionskorps traf, nachdem es in Jiaozhou ein Etappenkommando von 16 Reitern und 20 Mann Marineinfanterie zurückgelassen hatte, am 15. Oktober in Gaomi ein. An der Bahnlinie Cangkou-Jiaozhou sowie in Tabutou blieben Etappenwachen, in Licun befand sich eine Reiterpatrouille der Chinesenkompanie, desgleichen in Jimo. Die Verbindung von Lancun nach Jiaozhou wurde von der Reiterabteilung des III. Seebataillons aufrechterhalten. Der Rest der Chinesenkompanie wurde zur Ausübung des Garnisonwachtdienstes von Jimo nach Qingdao beordert. Ein Zug der am 21. Oktober eingetroffenen 9. Kompanie 5. Ostasiatischen Infanterie-Regiments wurde nach Jiaozhou gelegt, der Rest blieb in Qingdao, da die vom Kreuzergeschwader überwiesenen, ausgedienten Heizer zurückgezogen wurden. 4. Befehl an die Führer des Expeditionskorps Aus dem an den Führer des Expeditionskorps, Hauptmann Conradi, erteilten Befehl ist folgendes hervorzuheben: a) Zweck des Unternehmens: Schutz der Bahnbauten bis Gaomi, energische Bestrafung der aufrührerischen Ortschaften des Haoli-Distrikts. b) Ausführung: Proklamation behufs Herbeiführung des Zweckes, Niederlegung der Wälle der Dörfer zwischen Jiaozhou und Gaomi und der Haoli-Dörfer bis zu einem festzusetzenden Zeitpunkte, Schonung der Stadt Gaomi, aber Bewachung der Präfekten desselben und Zah-

293 lung von 2000 Taels Sühne, Lieferung des Bahnbaumaterials seitens der anliegenden Dörfer fiir die zerstörten Bahnstrecken, c) Besondere Verhaltungsmaßregeln: Gegen diejenigen Dörfer, in welchen Grausamkeiten und Morde an chinesischen Angestellten der Bahngesellschaft oder deren Angehörigen verübt sind, ist eine Untersuchung einzuleiten und Bestrafung der Orte, wenn sich die Schuld herausstellt, durch Vernichtung der Gebäude herbeizufuhren. Menschenleben sind dabei zu schonen, nur wirklich Schuldige oder Verdächtige sind gefangen zu halten und ihre schleunige Verurteilung durch die chinesischen Behörden zu veranlassen. Nachdem unsere Forderungen betreffs Niederlegung der Wälle pp. erfüllt und die schuldigen Orte bestraft sind, ist zu streben, die Bevölkerung durch Inquisitionen und Spüren nach Boxerumtrieben nicht mehr zu beunruhigen. Es wird dann zunächst die Annahme zu Grunde zu legen sein, daß die Ruhe hergestellt ist, und ein friedliches Einvernehmen mit der Bevölkerung sowie deren Vertrauen zu uns möglichst zu gewinnen sein. 5. Einwendungen von Yuan Shikai gegen Niederlegen der Umwallungen Am 16. Oktober schickte Yuan Shikai folgendes Telegramm an Kapitän zur See Jaeschke: „Auf Ihr gestriges Telegramm beehre ich mich meinen Dank dafür auszusprechen, daß keine weitere gemeinsame Untersuchung stattfinden soll. Ich habe nunmehr ein Telegramm des Gaomi-Magistrats folgenden Inhalts erhalten: 'Gemäß des telegraphischen Ersuchens des Gouverneurs Jaeschke habe ich in Euer Exzellenz Namen Proklamationen drucken lassen und die Bevölkerung ermahnt, in Ruhe und Frieden ihrer alten Beschäftigung nachzugehen. Die Ältesten und die Bevölkerung sind darüber voll Dankes und Freude. Bei der Ankunft der deutschen Offiziere und Soldaten habe ich mir die größte Mühe gegeben fiir sie zu sorgen und sie in der Universität49 untergebracht. Für die Eisenbahngesellschaft habe ich Baumaterialien, Holz und Steine gekauft und Leute als Arbeiter gedungen; ich habe ferner in allen Dörfern androhen lassen, daß die Bewohner sich ruhig an den Arbeiten zu beteiligen hätten, wenn sie nicht strenger Bestrafimg sich aussetzen wollten. Der deutsche Detachementsfiihrer will auf einer Strecke von 20-30 Li die Mauern der auf beiden Seiten der Eisenbahn liegenden Dörfer niedergelegt haben, widrigenfalls er sie zusammenschießen werde. Diesem Wunsche kann ich nicht entsprechen. Diese Dorfumwallungen rühren nämlich aus alter Zeit her und sind in der Absicht errichtet, Räuber abzuhalten; irgendwelchen Schaden können sie nicht anrichten. Wollte ich jetzt den Befehl zum Niederreißen geben, so würden die guten Elemente in Angst geraten und fortlaufen, während fiir die schlechten es nur Wasser auf die Mühle wäre. Die Ruhe läßt sich auf diese Weise nicht herstellen, ferner widerspricht die Maßregel den von dem Gouverneur Jaeschke in seinem Telegramm von 11. Oktober ausgesprochenen Absichten. Ich bitte Euer Exzellenz, den Gouverneur Jaeschke anzuflehen, telegraphisch die Niederlegung der Umwallungen zu verbieten und ein friedliches Vorgehen anzuordnen. Meine heißen Wünsche werden immer fiir ihn

49 Gemeint ist die Akademie (Shuyuan) in Gaomi

294 sein.' Ich muß sagen, diese Bemerkungen des Präfekten entsprechen den Tatsachen, ich bitte Euer Exzellenz deshalb, Ihren Soldaten ein friedliches Vorgehen anzubefehlen, um die Ruhe unter der Bevölkerung zu mehren und die freundschaflichen Beziehungen aufrecht zu erhalten." Die Behauptungen des Gouverneurs sind nicht ganz stichhaltig. Die Dörfer m jener Gegend mögen wohl von alters her befestigt gewesen sein, ihre jetzigen Befestigungen sind auf jeden Fall zum großen Teil ganz neuen Datums und nach allen Regeln der Kunst hergestellt. Sie stellen nach Aussage der Offiziere, die in jener Gegend kürzlich gewesen sind, die reinen Zwingburgen dar, die keineswegs den bloßen Zweck haben, eine harmlose Landbevölkerung gegen räuberisches Gesindel zu schützen, sondern die mit gutem Vorbedacht als militärische Vorbereitung zum Widerstand gegen uns geschaffen worden sind. Lassen wir sie bestehen, so wird das Gefühl ihrer Widerstandsfähigkeit bei den Bewohnern jener Gegend gleichfalls bestehen bleiben, und wir werden jeden Augenblick gewärtig sein müssen, neuen Ausbrüchen von Gewalttätigkeiten gegenüber zu stehen. Durch das Niederlegen der Wälle aber wird diese Möglichkeit eines gewaltsamen Widerstandes zunichte gemacht und vor allem wird der moralische Eindruck, welchen diese Zwangsmaßregel auf das Volk machen wird, seine Wirkung nicht verfehlen. Ich habe ihm deshalb das Folgende geantwortet: „Euer Exzellenz erwidere ich auf Ihr Telegramm von gestrigen Tage, daß ich von der Maßregel, die Dörfer in der Umgegend von Gaomi die Wälle niederlegen zu lassen, keinen Abstand nehmen kann. Dieselbe ist nicht nur eine Strafe für die Gewalttätigkeit gegen die friedliche Unternehmung des Bahnbaues sowie fur die Beherbergung rebellischen Gesindels und das Verschließen der Tore vor deutschen Soldaten, sondern auch eine notwendige Sicherheitsmaßregel gegen die Wiederholung derartiger Vorkommnisse. Um aber den Wünschen Euer Exzellenz, soweit es mir möglich ist, Rechnung zu tragen, habe ich angeordnet, daß bei denjenigen Ortschaften, welche sich keiner Ausschreitungen noch Begünstigung des Aufruhrs schuldig gemacht hätten, in Anerkennung dieses Umstandes eine Ausnahme gemacht werden soll." 6. Sonstige Vorkommnisse Jimo, Laizhoufu In Jimo sind inzwischen beruhigende Verhältnisse eingetreten. Der neue Präfekt von Jimo, ein Kantonese, hat am 18. Oktober seine Aufwartung gemacht. Er hat dabei einen günstigen Eindruck gemacht und scheint der Gebildetste unter allen Präfekten jener Gegend zu sein. Er hat versprochen, alles zu tun, was zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Ruhe möglich sei. Gleichzeitig wurde das Chinesendetachement von Jimo zurückgezogen, wofür sich Yuan Shikai bedankte. Der Präfekt von Laizhoufu, welcher mit der Untersuchung wegen der Störungen der Ordnung im Kreise Jimo betraut worden war, hat den Abschluß der Untersuchung nach Jinanfu gemeldet und der Generalgouverneur wiederum hat das Ergebnis mitgeteilt. Der bisherige Kreisvorsteher Xu ist der Nachlässigkeit schuldig befunden und zur Bestrafung nach Jinanfu beschieden worden (er hat Kapitän zur See Jaeschke bitten lassen, dort ein gutes Wort fur ihn einzulegen). Als Haupträdelsfuhrer ist der von Oberleutnant von Schöler im September ausgehobene Oberboxer Wang Yichun hingerichtet, zwei andere sind totgeprügelt worden.

295 Wie grausam bei solchen Prozeduren verfahren wird, schildert der Bericht des Detachementsftihrers wie folgt: „Der Vater Zhu (ein Gegensatz zum Sohne) ist erschlagen worden, indem er zunächst auf Gesäß und Beine 2000 Bambushiebe erhielt, dann wurde er mit 2 m langen dicken langen Bambusstangen auf Rücken und Kreuz geschlagen und zwar so, daß die scharfen Kanten den Körper trafen. Schließlich wendete man ihn um und schlug ihn mit denselben Knüppeln auf Oberschenkel, Geschlechtsteile und Unterleib, bis ihm die Gedärme heraushingen. Der Tod soll noch nicht eingetreten sein. Die übrigen Mitschuldigen sollen in einigen Tagen abgeurteilt werden. Er, d.h. der Präfekt, sitzt während dieses Aktes auf seinem erhöhten Sitz, raucht lange Pfeife und ermuntert die Henkersknechte zu kräftigerem Draufschlagen." Die Beamten gehen jetzt überall mit der größten Energie gegen unruhige Elemente vor, in Pingdu hat derselbe Präfekt 49 Männer hinrichten lassen. Chinesische Truppen aus Weixian haben vor einigen Tagen den Boxern bei Pingdu ein Gefecht geliefert, in welchem gegen 100 gefallen sein sollen. Daß dem so ist, beweist, daß bisher noch der ernstliche Wille gefehlt hat, den Umtrieben ein Ende zu machen und daß die Beamten wohl in der Lage sind, es zu tun, wenn sie nur wollen. Allgemeines Marine-Departement gez. Büchsei ΒΑΜΑ, RM3/6782, BL257-262.

82 Denkschrift des Leiters des Allgemeinen Marinedepartements, Büchsei (14.12.1900) 1. Vorgang. Durch den letzten Immediatvortrag haben Seine Majestät Kenntnis erhalten von der Zusammensetzung und dem Abmarsch der zwecks Aufnahme der Bahnbauarbeiten nach Jiaozhou und Gaomi entsandten Expedition unter Hauptmann Conradi. 2. Tätigkeit der Expedition a) Beschließung der aufsässigen Dörfer bei Gaomi Nachdem durch Proklamation bekannt gegeben war, daß die Umwallungen der Ortschaften innerhalb einer bestimmten Frist niedergelegt werden sollten, wurde am 18. Oktober ein Streifzug unternommen, um festzustellen, ob die Arbeiten zur Niederlegung begonnen hätten. Aus dem an den Grausamkeiten gegen Angestellte der Eisenbahn pp meistbeteiligten Dorfe Zhangjia entflohen die Bewohner unter Mitnahme der Waffen; die Umwallung wurde durch Artilleriefeuer beschossen, nach 9 Schuß stürzte der Ostwall zusammen. Nachdem in glei-

296 eher Weise gegen einige andere Dörfer vorgegangen war, begannen überall die Dorfbewohner auf das eifrigste an der Niederlegung der Wälle zu arbeiten. Die Beschießung hat Menschenleben nicht gefordert. Da über die Vorgänge wegen damaligen Mangels einer telegraphischen Verbindung mit Gaomi unsichere Nachrichten an den Gouverneur gelangten, entsandte letzterer den Major Christ zur Orientierung nach Jiaozhou und Gaomi. Die telegraphische Mitteilung hierüber beantwortete Yuan Shikai wie folgt: „Euer Exzellenz Telegramm vom gestrigen Tage, wonach Sie unverzüglich einen höheren Offizier zur Feststellung der Tatsachen zu entsenden beabsichtigen und der Zweck nur sein kann, eine gerechte Bestrafung zur Unterdrückung der Unruhen herbeizufuhren, nicht aber das Volk von neuem aufzuregen, habe ich erhalten, für Ihre darin bekundete Liebe zum Volke und freundschaftliche Gesinnung darf ich meinen besonderen Dank ausdrücken. Für die Anstifter von Unruhen habe ich von jeher eine Abscheu gefaßt und jeden Frevel unbedingt zur Bestrafung gezogen. Aus der Tatsache, daß im Juli und September in den beiden Plätzen Xikouhe und Wenxushuang des Kreises Gaomi zu verschiedenen Zeiten über 100 Rebellen hingerichtet sind, werden Euer Exzellenz ermessen, daß meine Absichten identisch sind mit denen Euer Exzellenz. Die schlechten Subjekte zu strafen, die guten zu schützen. Von Weixian habe ich telegraphische Antwort erhalten, wonach die Gegend vollkommen ruhig sein soll, und die Bergwerksarbeiten in Mazi ohne weiteres wieder aufgenommen werden könnten. Doch möchte ich vorschlagen, noch zu warten, bis die Aufregung der Bevölkerung in Gaomi sich einigermaßen gelegt hat, ehe Euer Exzellenz den Bergwerksingenieuren aufgeben, einen Tag für den Aufbruch von Weixian festzusetzen. Machen Sie mir bitte in dem Falle vorher gütige Mitteilung, damit ich Beamte senden kann, um Sie zu schützen und für Sie zu sorgen." b) Rekognoszierungsritt des Oberleutnant zur See, von Grumbkow, am 22. Oktober 1900 Da die Nachricht an die Expedition gelangt war, daß die Dorfbewohner in der Umgegend von Gaomi unter Mitnahme der Waffen in südwestlicher Richtung geflüchtet seien, und in dem Dorfe Kelan 20 km südwestlich von Gaomi Zusammenrottungen stattfänden, unternahm Oberleutnant zur See, von Grumbkow, mit einer Reiterpatrouille einen Rekognoszierungsritt in jene Gegend. Aus dem Dorfe Lijiaying 18 km von Gaomi erhielt die Patrouille plötzlich Feuer aus Wallbüchsen, welches erwidert wurde. 25 Chinesen fielen, Leutnant Dziobek wurde an 8 Stellen verwundet, desgleichen leicht ein Gefreiter. Aus dem Dorfe Kelan und den umliegenden Dörfern wurde auf weite Entfernungen auf die Patrouille geschossen, jedoch ohne Erfolg. Die Patrouille kehrte nach Erledigung ihrer Aufgabe nach Gaomi zurück. Yuan Shikai sandte hierauf folgendes Telegramm an den Gouverneur: „Es [wurde] mir gemeldet, daß die Rebellen von Gaomi gestern mit den deutschen Soldaten einen feindlichen Zusammenstoß gehabt haben. Ein deutscher Offizier soll dabei verwundet sein. Ich weiß nicht, ob die Nachricht richtig ist, auf alle Fälle hat sie mich überrascht und ist bedauerlich. Ich bin voller Sorge, ob die Verwundung eine leichte oder schwere ist und habe deshalb die Ortsbehörden und Beamten angewiesen, sich zu erkundigen und mir Bericht zu erstatten.

297 Der Charakter der Bevölkerung jener Gegend ist dumm und grausam; trotz der wiederholten Bestrafungen sind und bleiben die Leute trotzköpfig und widerharig, was im höchsten Grade zu beklagen ist. Da die chinesischen Soldaten einmal außerhalb der Interessensphäre zurückgezogen sind, so kann ich sie nicht einrücken lassen, um dort einzugreifen; auch die Ortsbehörden sind augenblicklich machtlos; ich selbst bin mir dieses Mangels wohl bewußt. Bei dem mir wohlbekannten Verständnis und Gerechtigkeitssinn Euer Exzellenz darf ich erwarten, daß Sie Mittel und Wege zu einer zufriedenstellenden Lösung finden werden. Indem ich nicht verfehle, meiner Unzufriedenheit und meinem Bedauern hiermit Ausdruck zu geben, bitte ich u s w." Außerdem entsandte Yuan Shikai einen chinesischen Major zu Hauptmann Conradi, um sich nach dem Befinden des Leutnants Dziobek zu erkundigen, c) Unternehmung gegen Kelan am 23. Oktober 1900 Am 23. Oktober vormittags wurde zunächst das Dorf genommen, aus welchem auf den Oberleutnant zur See, von Grumbkow, geschossen war, indem dasselbe nach vorbereitendem Artilleriefeuer gestürmt wurde. Chinesen hatten etwa 20 Tote. Wallbüchsen und 1 Zentner Pulver wurden vernichtet, die Bewohner entflohen unter Mitnahme der Waffen nach Kelan zu. Über die Einnahme von Kelan besagt der Gefechtsbericht des Hauptmanns Conradi folgendes: „Da in den letzten Tagen mehrfach Nachrichten eingegangen waren, daß Kelan der Sammelplatz des hier sehr zahlreich auftretenden Gesindels sei und daß die waffenfähigen Männer des Haoli-Distriktes sich dorthin zurückgezogen hätten, ging ich gegen das Dorf vor. Kelan ist eins der größten Dörfer an der Grenze des Haoli-Gebietes, mit außergewöhnlich starker und hoher Umwallung und macht den Eindruck einer Kreisstadt. Ich war mit den Kompaniefuhrern zur Beobachtung bis auf etwa 400 m herangeritten und konnte man mit dem Glase deutlich mehrere Kanonen erkennen. Auf den Wällen waren etwa 20 große, dreieckige Fahnen in den verschiedensten Farben, jedoch ohne Schriftzeichen, in gleichmäßigen Abständen aufgepflanzt. Etwa 600 m vom Osttor entfernt gab ich der Infanterie den Befehl, mit Schützen auf 400 m heranzugehen, der Artillerie und den Maschinengewehren, auf etwa 800 m in Stellung zu gehen. (Skizze)50 In dem Dorfe herrschte eine Totenstille, auf den Wällen war kein lebendes Wesen zu sehen. Ich gab nur der Infanterie den Befehl, auf 300 m heranzugehen. Von hier aus konnte man die in den Wällen eingegrabenen Mündungen der Kanonen deutlich erkennen. Inzwischen war die Kompanie von Kusserow (rechter Flügel) bis auf 150 m an den Wall herangegangen und lag hinter Grabhügeln in sehr günstiger Stellung. Als die Kompanie Christiani zum sprungweisen Vorgehen ansetzte, eröffneten die Chinesen gleichzeitig aus etwa 8 Geschützen das Feuer, und ein Hagel von Geschossen flog über die vorgehenden Schützen hinweg.

50 Hier nicht abgedruckt.

298 Die Kompanie machte etwa auf 150 m Halt und beide Kompanien sowie die Artillerie eröffneten nunmehr ebenfalls das Feuer. Obgleich nach wenigen Granaten 3 feindliche große Kanonen, die in einem turmähnlichen Ausbau des Walles standen, außer Gefecht gesetzt waren, feuerten die Chinesen mit großer Ruhe aus Wallbüchsen und Gewehren weiter. Daß der Gegner eine gewisse militärische Organisation besaß, konnte man daraus ersehen, daß hinter dem Walle Kommandoworte erklangen und zeitweise runde Salven abgegeben wurden, besonders auf die Kompanie Christiani. Nach einem Feuergefecht von etwa 15 Minuten befahl ich der Artillerie, das Feuer einzustellen und der Infanterie zum Sturm vorzugehen. Die Kompanie von Kusserow ging gegen eine durch das Granatfeuer beschädigte Stelle des Walles rechts vom Tore vor und erkletterte unter „Hurra" den Wall. Oberleutnant von Kusserow und Feldwebel Kastner waren die ersten auf dem Walle. Die Chinesen hielten bis zum letzten Augenblick stand und verletzten Oberleutnant von Kusserow durch einen Steinwurf leicht am Fuß. Sie waren mit langen Boxerlanzen bewaffnet und konnten erst durch Gewehrfeuer und das Bajonett vom Walle beseitigt werden. Gleichzeitig war die Kompanie Christiani gegen das Westtor, welches durch einen Granatschuß zum Teil zertrümmert war, angestürmt. Auch hier wehrten sich die Chinesen äußerst energisch und feuerten auf die Stürmenden noch auf 12 - 1 5 Schritt aus Wallbüchsen, von denen sie eine direkt in das zerschossene Tor gestellt hatten. Hauptmann Christiani und Vize-Feldwebel Seitz erreichten zuerst das Tor, und räumten nun erst die letzten Verteidiger die Stellung. Die Kompanien drangen nun in das Dorf und säuberten dasselbe vom Feinde, welcher fluchtartig nach Westen abzog. Die Maschinengewehre hatte ich zu Beginn des Gefechts links von der Artillerie aufgestellt, um bei einem eventuellen Ausfall, welcher bei der Stärke des Gegners nicht ausgeschlossen schien, das Südtor unter Feuer nehmen zu können. Nach erfolgtem Sturm zog ich die Maschinengewehre näher heran und hatten dieselben Gelegenheit, die nach Süden fliehenden Chinesen, welche sich zum Teil an Stricken von den Wällen herunterließen, wirksam zu beschießen. Im Dorfe wurden etwa 200 Tote gefunden, die zum Teil noch die Waffen in der Hand hatten. Die Zahl der Chinesen, welche mir gegenüber standen, schätze ich auf mindestens 800 1000 Mann, zum größten Teil Boxer, die mit Säbel, Lanzen und alten Gewehren bewaffiiet waren. Verwundete wurden nicht gefunden, doch muß die Anzahl ziemlich bedeutend sein. Die vorgefundenen Waffen wurden vernichtet, die Fahnen heruntergerissen. Auf der von mir angegriffenen Front wurden 20 Kanonen gezählt. Mein Detachement hatte keine Verluste, was nur dem glücklichen Umstand zu verdanken ist, daß die Chinesen immer zu hoch schössen.

299 Die Haltung der Leute war in jeder Hinsicht musterhaft zu nennen und gingen die Kompanien trotz des sehr starken feindlichen Feuers wie auf dem Exerzierplatz vor." Der Gouverneur sandte hierauf folgendes Telegramm an Yuan Shikai: „Euer Exzellenz Telegramm, in welchem Sie mir Ihr Bedauern ausdrücken, daß ein deutscher Offizier verwundet worden ist, habe ich erhalten und sehe zu meiner Befriedigung daraus, daß Sie die Übeltäter in jener Gegend ebenso wie ich verdammen. Die gerechte Strafe ist inzwischen eingetreten, das Dorf Lijiaying, aus welchem auf die ruhig vorüberreitende Patrouille geschossen worden ist, so daß der Offizier an acht Stellen seines Körpers schwer und ein Mann leicht verwundet wurde, ist am folgenden Tage gestürmt worden, ebenso das Dorf Kelan, in dem sich die Aufrührer des Haoli-Distrikts gesammelt und verschanzt hatten. Es sind dabei mehr als 200 der Unruhestifter getötet worden. Dies wird ein warnendes Beispiel für das törichte Volk jener Gegend sein. Ich habe den in Gaomi kommandierenden Offizier angewiesen, nun abzuwarten, ob die Bevölkerung Vernunft annehmen wird, und nichts mehr zu unternehmen, wenn das geschieht, was er durch Proklamation auf meine Anweisung angeordnet hat. Nur die Dörfer sollen ihre Wälle niederlegen, die sich feindlich gezeigt haben, alle übrigen Dörfer sie behalten. Wegen des Beginns der Bergwerksarbeiten werde ich Euer Exzellenz nächstens weitere Nachrichten geben." Yuan Shikai antwortete folgendermaßen: „Euer Exzellenz Telegramm, wonach die Rebellen im Kreise Gaomi ohne Grund geschossen und dadurch eine feindliche Haltung angenommen haben, so daß ein Offizier verwundet wurde, habe ich erhalten. Es handelt sich tatsächlich um ein gewalttätiges Volk, dem die erteilte Lektion zur Lehre gereichen wird, so daß zu hoffen ist, daß es Vernunft annehmen wird. Daß Euer Exzellenz einen Unterschied machen, die einen strafen und die anderen frei ausgehen lassen, erkenne ich mit Dank an. Ich hoffe nur, daß jetzt in Bälde die Ruhe soweit hergestellt ist, daß die Eisenbahn- und Bergbauarbeiten zum Nutzen der Handelsbeziehungen der beiden Nationen wieder aufgenommen werden können. Ich habe die Ortsbehörden angewiesen, nicht mißverstehende Proklamationen zu erlassen, um ähnliche Vorkommnisse fur die Zukunft zu verhüten. Ferner habe ich die Ortsbehörden telegraphisch ersucht, dem verwundeten Offizier mein aufrichtiges Bedauern auszusprechen und sich in meinem Namen nach seinem Befinden zu erkundigen. Ich habe nunmehr erfahren, daß er in die Garnison zur Genesung zurückgekehrt ist. „Gott schützt die Guten", so hoffe auch ich, daß er bald wieder hergestellt sein wird." 3. Einstellung der Unternehmungen Um die Wirkung des bisherigen Vorgehens abzuwarten, wurden die Unternehmungen vorläufig eingestellt. Der gleichzeitige Erlaß einer Proklamation - deren Schluß lautete: „Daher erlasse ich diese Ermahnung, damit alle guten Bewohner wissen, daß ich nur schlechte Leute und auch nur solche Dörfer streng bestrafe, die sich offenkundig feindselig stellen und meine Befehle nicht befolgen, wie z.B. die Wälle nicht niederlegen und die Waffen nicht ausliefern.

300 Alle friedliebenden Bewohner der Dörfer werde ich beschützen. Sie sollen ruhig ihrer Arbeit nachgehen und sich von schlechten Leuten nicht aufwiegeln lassen. Ich hoffe nun, daß alle entflohenen Bewohner dieser Gegend zurückkehren und ihre Arbeit in Ruhe und Frieden weiter tun werden." - hatte den Erfolg, daß sich die Dörfer tatsächlich wieder bevölkerten. Allgemeines Marine-Departement gez. Büchsei BA/MA, RM3 6782, Bl. 343-350.

83 Bericht des Wasserbau-Inspektors Born an den Gouverneur von Kiautschou, Truppel (4.9.1902) Geheim!

Dabaodao, den 4. September 1902

Gelegentlich der vom Gouvernement mir aufgetragenen Reise nach Jiaozhou und Gaomi benutzte ich den Sonntag, den 24. August d.J., um die Eisenbahnstrecke bis kurz vor Weixian und die Kohlenfelder bei Fangzi zu besichtigen. I. Die Shandong-Eisenbahn. Auf der ganzen Linie von kurz hinter Qingdao bis zum Ziele meiner Fahrt, Station Ershilibu, ist die Eisenbahn durch den am 16./17. und 18./19. Juli d.J. niedergegangenen Regen stark beschädigt. Überall sind die Böschungen abgerutscht, die Schotterbettung versackt und die gepflasterten Böschungskegel an den Brücken und Durchlässen eingestürzt. Auf weiten Strecken liegt das Gleis gegenwärtig noch freischwebend auf der tief versackten Schotterbettung, obwohl in den verflossenen 5 Ά Wochen unter Aufbietung ungeheurer Massen von Arbeitskräften aufs angestrengste an der Wiederherstellung der Bahn gearbeitet worden ist. In dieser Beziehung muß dem technischen Betriebsleiter der Eisenbahn ungeteilte Aiierkennung und auch Bewunderung gezollt werden. In der kürzesten Zeit hat er es fertiggebracht, die ganz zerstörten Strecken wieder betriebsfähig zu machen. Allerdings hört man leider oft, daß sowohl er selbst, wie namentlich seine chinesische Stütze, bei dem Herbeischaffen der Arbeitskräfte in der Wahl ihrer Mittel nicht arg wählerisch vorgegangen sein sollen. Auf der ganzen Strecke sind auch jetzt noch in kurzen Entfernungen voneinander unzählige Trupps von Arbeitern tätig, um die Schotterbettung nachzufüllen, die eingestürzten Böschungskegel neu herzustellen und die abgerutschten Böschungen wieder aufzufüllen und einzuplanieren. Um letztere zu befestigen, werden durchgehends in Abständen von 10 m

301 [mit] Schotter gefüllte Rigolen in die Böschungen eingebaut, welche jedoch zu flach angelegt werden ( 1 5 - 2 0 cm), um einen wirksamen Erfolg zu versprechen. Die Kommunikation auf den beiden Seiten der Bahn gelegenen Ortschaften unter einander ist ungemein erschwert. Die tiefen Seitenentnahmen, welche die Bahn auf ihrem ganzen Zuge begleiten, stehen voll Wasser, auf eine Durchführung der Wege ist in souveräner Verachtung aller Bedürfnisse des Landverkehrs fast nirgends Rücksicht genommen, und wo ausnahmsweise vereinzelt ein schmaler Weg quer durch die Seitenentnahme stehen gelassen war, ist derselbe durch die Strömung, welche sich in den Seitenentnahmen entwickelte, fortgerissen. Diese Strömung muß stellenweise so stark gewesen sein, daß sie einen Angriff auf den Bahndamm ausgeübt hat, denn die Eisenbahnverwaltung hat an vielen Stellen Steindämme quer durch die Seitenentnahmen schütten lassen, um die Gewalt der Strömung zu brechen. Am stärksten beschädigt gewesen ist der Bahnkörper auf der Strecke zwischen Jiaozhou und Gaomi. Hier sind offenbar die vorhandenen Brücken- und Durchlaßöffnungen viel zu eng bemessen. An der großen Jiaohe-Brücke soll das Hochwasser bis zur Unterkante der Eisenkonstruktion gestanden haben. Dennoch hat die gut fundierte Brücke selbst Stand gehalten; aber der Damm neben der Brücke ist durchbrochen und eine in demselben belegene kleine Brücke von 3 m Weite ist vollständig weggerissen worden. Ebenso ist auf der etwa 5 km langen Strecke in der Mitte zwischen Jiaozhou und Gaomi der Damm an mehreren Stellen vollständig weggespült gewesen und zwar stellenweise in einer Breite von 100 - 200 m. Die Ursache für diese letztere Zerstörung ist wohl außer in der mangelnden Vorflut darin zu erblicken, daß der Damm zu niedrig ist, denn die Dammkrone soll kilometerweit überspült worden sein. Daß auf dieser Strecke durch den Bahnbau die erforderliche Vorflut abgeschnitten worden ist, scheint die Eisenbahnverwaltung jetzt selbst zuzugeben, denn dem Vernehmen nach beabsichtigt sie, sowohl auf dieser Strecke, wie auch anschließend bis Jiaozhou nachträglich noch eine Reihe von Brücken mit 5 m Durchlaßweite einzubauen und die große JiaoheBrücke um 1 oder 2 Öffnungen von je 15 m zu erweitern. Hinter Gaomi, in dem tiefliegenden Haoli-Gebiet sind außer den durchgehenden Versakkungen und Abrutschungen bedeutendere Beschädigungen am Bahnkörper nicht vorgekommen. Das massenweise Einstürzen von Häusern und das Wegspülen halber Ortschaften in dieser Gegend beweist aber deutlich, daß auch hier die Brücken zu eng sind und daß durch den Bahnbau die Vorflut empfindlich gestört ist. Auffallen muß es, daß von derselben Eisenbahnverwaltung, welche in der Nähe von Qingdao sämtliche Brücken um ein vielfaches zu groß angelegt hat (allerdings zum Glück und Segen der Stadt, weil sonst jeder Zugang zum Hafen fehlen würde) im Innern von China durchweg zu kleine Brücken erbaut und die Vorflut-Verhältnisse aufs empfindlichste gestört worden sind. [...]51

51 Hier folgen Ausführungen über die von den Überschwemmungen zerstörte Eisenbahnbrücke über den Weihe und den Zustand der deutschen Minen nach den Regenfällen.

302 (gez.) Born Königlicher Wasserbau-Inspektor. Β ΑΜΑ

RM3

6747,

BI.28J-285.

84 Schreiben des deutschen Konsuls in Jinan, Betz, an den deutschen Gesandten Mumm (1.12.1905) Jinanfu, den 1. Dezember 1905 Euer Hochwohlgeboren beehre ich mich in der Anlage den deutschen Text des zwischen dem Kaiserlichen Gouverneur in Qingdao und dem Gouverneur Yang [Shixiang] über die Rückziehung der deutschen Truppen aus Gaomi und Jiaozhou getroffenen Abkommens zu übersenden. Die Chinesen sind mit der Erledigung der Angelegenheit sehr zufrieden; sie haben von dem ursprünglich geforderten Preis rund 90 .000 $ heruntergehandelt und eine Abkürzung des Termins fur die Räumung Gaomis erreicht. Deutscherseits hat man die Forderung eines Truppenquartiers in Jimo fallengelassen und leider - auch bezüglich der Anstellung deutscher Lehrer an den in Gaomi und Jiaozhou zu errichtenden Schulen den Chinesen keine Verpflichtungen auferlegt. Betz Abschrift Nachdem Seine Majestät der Deutsche Kaiser sich zur Aufrechterhaltung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und China bereit erklärt hat, die in Jiaozhou und Gaomi untergebrachten deutschen Truppen52 zurückzuziehen, ist heute zwischen dem Allerhöchst mit der Stellvertretung beauftragten Kaiserlich Deutschen Gouverneur des Kiautschou-Gebietes, von Semmern, einerseits und dem Kaiserlich chinesischen Gouverneur und kommandierenden General von Shandong, Yang, andererseits folgendes Abkommen getroffen worden: §1Die gesamten in Jiaozhou untergebrachten deutschen Truppen werden alsbald nach Unterzeichnung dieses Abkommens zurückgezogen.

52 Seit Herbst 1900 waren Truppen zum Schutz der Eisenbahn in Gaomi und Jiaozhou stationiert, siehe Einleitung zu Kapitel 4.

303 §2. Nach Unterzeichnung dieses Abkommens wird sofort ein Viertel, innerhalb 2 Monaten ein zweites Viertel der in Gaomi untergebrachten deutschen Truppen zurückgezogen. Für die Rückziehung des Restes der Truppen wird eine Frist von weiteren 2 Monaten vereinbart. Innerhalb dieser Frist soll der Bau der Kasernen und Stallungen in Qingdao möglichst beschleunigt werden, damit die Rückziehung schnellstens beendet werden kann. Sollten die Bauten innerhalb dieser zwei Monate nicht ganz vollendet sein, so wird doch der vereinbarte Zeitpunkt ohne weitere Fristverlängerung eingehalten werden. §3. Von dem Tage der Unterzeichnung dieses Abkommens an, unabhängig von dem Zeitpunkt der Zurückziehung der deutschen Truppen aus Jiaozhou und Gaomi, wird der Schutz der Eisenbahn innerhalb der neutralen Zone von den chinesischen Ortsbehörden und Bahnpolizeibeamten ausgeübt. Zu diesem Zwecke wird eine Polizeitruppe von höchstens zweihundertvierzig Mann auf die einzelnen Bahnstationen entsprechend verteilt werden. Diejenigen Bestimmungen, welche fur den Bahnschutz außerhalb der neutralen Zone gelten, sollen auch hier maßgebend sein. In der Nähe der Stadt Jiaozhou wird ein Bahnpolizeihauptbüro eingerichtet, in dem eine Truppe von höchstens 100 Mann bereit gehalten werden soll, zur Ablösung fur Bahnschutz und Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Will China in der neutralen Zone Truppen stationieren, sowie andere militärische Maßregeln treffen, so ist der Kiautschou-Vertrag maßgebend. §4. Der Selbstkostenpreis fur die Anlagen in Jiaozhou und Gaomi und zwar Unterkunftsräume, Stallungen, Exerzierplätze, Wege, Wasserleitung und Kanalisation usw. sowie Grund und Boden, Gebäude nebst allem Zubehör, beläuft sich auf rund 496.388,48 $ (vierhundertsechsundneunzigtausenddreihundertachtundachtzig Dollars 48 Cents). Von dieser Summe werden abgezogen, erstens die von China verauslagten Pachtgelder in Höhe von 5.000 $ (fünftausend Dollars), sodann wegen der durch mehrjährigen Gebrauch eingetretenen Wertverringerung die jährlichen Unterhaltungskosten in Gesamthöhe von 21.388,48 $ (einundzwanzigtausenddreihundertachtundachtzig Dollars 48 Cents), endlich aus besonderem Entgegenkommen ein Betrag von 70.000 $ (siebzigtausend Dollars). Danach beträgt der tatsächliche Preis 400.000 $ (vierhunderttausend Dollars), um den China die gesamten Anlagen zu Eigentum erwirbt. Über den erfolgten Verkauf wird ein besonderer Kaufbrief ausgestellt werden. Der Kaufpreis ist innerhalb [von] zwei Jahren vom Tage der Übergabe der Kasernen in Kiautschou an in vier Raten zu bezahlen. Die Bauten werden nach geschehener Übernahme von China öffentlichen Zwecken des Landes sowie der Errichtung von Schulen gewidmet. §5. Wenn deutsche Truppen auf dem Durchmarsch, zu dem sie vertragsmäßig berechtigt sind, in den Unterkunftsräumen in Jiaozhou und Gaomi vorübergehend einige Tage Quartier nehmen wollen, so hat zwei Wochen vorher eine Mitteilung zu erfolgen, nach deren Eingang verfugbare Räume unentgeltlich zur vorübergehenden Benutzung überlassen werden.

304 Obiges Abkommen ist in deutscher und chinesischer Sprache in je vier Ausfertigungen hergestellt, die in Wort und Sinn übereinstimmen. Je zwei der Ausfertigungen erhält das Gouvernement von Kiautschou, je zwei die Provinzialregierung von Shandong nach Unterzeichnung dieses Abkommens zur weiteren Veranlassung. Β AP. DBC, Nr. 1243, Bl. 94-96.

Kapitel 5

Das Verhältnis zwischen Jinan und Qingdao

Die Existenz von Kolonien, Pachtgebieten und ausländischen Niederlassungen entlang der chinesischen Küste machte es für die Qing-Regierung notwendig, Organe und Institutionen zu schaffen, die die damit in Zusammenhang stehenden wirtschaftlichen, politischen, rechtlichen und militärischen Angelegenheiten regeln sollten. Einer zentralen Institution wie dem Zongli Yamen oder nach 1901 dem Außenministerium (Waiwubu) fiel es zunehmend schwerer, die Fülle von lokalen Vorkommnissen und Problemen jenseits diplomatischer Beziehungen zu übersehen und eine effektive Politik zu betreiben. Die Lokalisierung der Außenbeziehungen stellt daher eine der wichtigsten politischen Entwicklungen in China am Ende der Qing-Dynastie dar. 1 Für das Pachtgebiet Kiautschou bedeutete dies, daß in der überwiegenden Zahl aller wichtigen Fragen der Beziehungen des Pachtgebietes mit dem Umland der Gouverneur in Shandong de facto als Verhandlungspartner fungierte. Auf diese Weise entstanden intensive Kontakte zwischen den Behörden in Qingdao und Jinan. Sie stellen eine Form von „informellen" Beziehungen dar, da die offizielle Vertretung der gesamten deutschen Interessen einschließlich Kiautschou gegenüber China generell vom Auswärtigen Amt bzw. von der Gesandtschaft in Peking wahrgenommen wurde. 2 Die Bildung informeller Beziehungen begann mit den Verhandlungen zur Festlegung der Grenze zwischen dem Pachtgebiet und dem chinesischen Umland im Jahre 1898. Hier kam es erstmals zu direkten Kontakten zwischen den Beamten des Pachtgebiets und den chinesischen Lokalbeamten. Ein zweiter wichtiger Schritt zur Etablierung dauerhafter Kommunikationsstrukturen zwischen Qingdao und Jinan stellten die vom Gouverneur von Shandong, Yuan Shikai, im Jahr 1900 vorgeschlagenen Verkehrsregeln dar, mit denen er eine vollständige Neuorientierung der chinesischen Politik gegenüber Kiautschou einleitete. Die sog. Verkehrsbestimmungen oder Verkehrsregulativen sollten helfen, zukünftige Konflikte durch einen Informations- und Verhandlungsmechanismus zu vermeiden. Seit 1902 entwickelten sich gegenseitige Besuche der Gouverneure von Jinan und Qingdao zu einer fest etablierten Institution im Verhältnis zwischen Kiautschou und Shandong. Besonders fur die chinesische

1

Vgl. Liu Ziyang I988:44f.

2

Vgl. Dok. 47.

306 Seite waren die fast jährlichen Besuche jedoch auch eine wirksame Möglichkeit, Entwicklungen im Pachtgebiet zu beeinflussen.

Die Verhandlungen über den Verlauf der Pachtgebietsgrenze und der 100-Li-Zone 1898 Der Artikel 3 des Pachtvertrages sah vor, daß für die genaue Festsetzung der Grenzen des deutschen Pachtgebietes sowie der sog. neutralen 50-Kilometer- bzw. 100-Li-Zone eine gemischte Kommission zu bilden sei, die nach gemeinsamer Inspektion des Geländes vor Ort die Ziehung der Grenzen vornehmen solle. Die beiden erwähnten Vertragsartikel enthielten lediglich ungefähre Angaben zur Größe des von Deutschland besetzten Gebietes. Der Gouverneur von Shandong, Zhang Rumei, beauftragte daher bei Übersendung einer Abschrift des Vertrages sowie kartographischer Materialien am 18. März 1898 den Daotai von Dengzhou und Laizhou, Li Xijie, sich auf die Arbeit in der noch zu bildenden Grenzkommision vorzubereiten. Auf chinesischer Seite wurden jedoch bis zum Juli 1898 trotz deutschen Drängens nach Aufnahme der Verhandlungen keine weiteren Maßnahmen hinsichtlich der Grenzfrage mehr getroffen (Dok. 87).3 Die Situation änderte sich, als am 11. Juli 1898 der Magistratsbeamte von Pingdu, Pan Minbiao, meldete, der deutsche Gouverneur habe angekündigt, daß die deutschen Truppen einseitig mit dem Aufstellen von Grenzsteinen im Gebiet des Kreises Pingdu beginnen würden (Dok. 85). Diese Vorgehensweise alarmierte die chinesischen Behörden, denn sie schien zu besagen, daß die deutsche Seite die 50-Kilometer-Zone als ein rechtlich wie territorial zum Pachtgebiet gehöriges Gebiet auffaßte und aus diesem Grund den Verlauf der Grenze der 50-Kilometer-Zone mit Grenzsteinen markieren wollte. Überdies legte die deutsche Kommision offenkundig andere Berechnungsmaßstäbe zugrunde, da nach chinesischer Auffassung Pingdu mehr als 200 Li (100 Kilometer) von Qingdao entfernt lag. Am 15. Juli 1898 berichtete der Magistratsbeamte von Laizhou, Peng Nianchen, von ersten deutschen Grenzmarkierungsarbeiten im Kreis Gaomi.4 Zhang Rumei erstattete über die Ereignisse sofort Meldung nach Peking mit der Bitte um weitere Anweisungen.5 Das Zongli Yamen antwortete am 15. Juli 1898, daß die Verhandlungen in jedem Falle eine Korrektur der jetzt geplanten deutschen Grenzziehung bewirken müßten.6 Insbesondere sei eine auch nur vorübergehende Aufstellung von Grenzsteinen um die 50-Kilometer-Zone abzulehnen. Wichtig sei es außerdem, die lokale Bevölkerung zu informieren und zu beruhigen, um möglichen Störungen und Zwischenfallen vorzubeugen.

3

Vgl. „Bericht von Peng Yusun und Li Xijie an den Gouverneur von Shandong über den Abschluß der Verhandlungen zur Markierung der Grenzen des Pachtgebietes Jiao'ao" vom 24. Oktober 1898, in: QJWJSL 135:9-18.

4

Telegramm von Peng Nianchen an Shandong Xunfu, 15 7.1898, in: YSG, 501/0-2, Nr. 294.

5

Telegramm von Zhang Rumei an das Zongli Yamen, 11.7.1898, in: DQJSX 342.

6

Telegramm des Zongli Yamen an Zhang Rumei, 15.7.1898, in: YSG, 501/0-2, Nr.294.

307 Die chinesische Delegation formierte sich in Yantai und wurde vom Daotai von Jining, Peng Yusun, und von Li Xijie geleitet. Die Delegation traf am 6. August 1898 in Qingdao ein und nahm die Verhandlungen auf. Auf deutscher Seite setzte sich die Verhandlungsdelegation aus Major Lossow, Kapitän-Leutnant Deimling und Hauptmann Falkenhagen sowie den Dolmetschern Schrameier und Mootz zusammen. Am 19. August 1898 informierte das Zongli Yamen den Gouverneur von Shandong, Zhang Rumei, daß der deutsche Gesandte eingewilligt habe, auf die Aufstellung von Grenzsteinen um die 50 Kilometerzone zu verzichten und dem Standpunkt des Zongli Yamen zustimme, nach dem die Vertragsbestimmungen bezüglich der 50-Kilometer-Zone den Deutsehen lediglich ein Durchmarschrecht sowie das Recht zur Flußregulierung einräumten. Als Gegenleistung hatte das Zongli Yamen angeboten, von nun an auf der Grundlage des deutschen Vertragstextes zu verhandeln. Diese Informationen leitete Zhang unverzüglich an die Verhandlungsfuhrer weiter. Peng und Li gaben daraufhin den Vorstellungen der Deutschen bezüglich der Festlegung der Grenze des eigentlichen Pachtgebietes in fast allen Punkten nach. 9 Am 22. August 1898 wurde das „ A b k o m m e n über die Grenze des Pachtgebietes" unterzeichnet. Insgesamt waren 25 Grenzsteine aufgestellt worden, die den Verlauf der Grenze des deutschen Pachtgebietes anzeigten. Dies umfaßte neben den vorgelagerten Inseln nun auch sämtliche Küsten um die Jiaozhou-Bucht. Es schlossen sich im September die Verhandlungen über die Grenze der 50-KilometerZone an. Über den Verlauf dieser Verhandlungen wurde das Zongli Yamen nicht mehr informiert, das bislang stets auf chinesischer Seite die Verhandlungen führte und damit die chinesische Politik gegenüber Deutschland zentral bestimmte. Ein Telegramm des Zongli Yamen an Zhang Rumei vom 4. September 1898 zeigt, daß die Provinzbehörden immer mehr versuchten, die Beziehungen zu Deutschland selbst zu regeln. 10 Der Gouverneur von Shandong verhandelte direkt mit den Deutschen, ohne die Zentrale um Anweisungen zu bitten. Auf chinesischer Seite hatte man scheinbar nicht damit gerechnet, daß die 50-KilometerZone von den Küsten der Jiao'ao-Bucht bei Hochwasserstand zu berechnen wäre. 11 Insgesamt erstreckte sich die 50-Kilometer-Zone nun auf einen erheblichen Teil der Halbinsel. Außerdem befürchtete Zhang Rumei, daß auch durch Arbeiten bei Flußregulierungen oder bei militärischen Durchmärschen Konflikte mit der chinesischen Bevölkerung auftreten

7

Telegramm des Zongli Yamen an den Gouverneur von Shandong, 19.8.1898, in: YSG, 501/02, Nr. 294.

8

Telegramm Zhang Rumeis an Li Xijie und Peng Yusun, 19.8.1898, in: DQJSX 346.

9

Vgl. Schrecker 1971:39, der Ortsunkenntnis als Ursache fur die Durchsetzung der deutschen Wünsche vermutet. Die hier vorgelegten Dokumente zeigen vielmehr, daß die Drohung der einseitigen Aufstellung von Grenzsteinen um die 50-Kilometer-Zone als Mittel zur Durchsetzung der deutschen Forderungen gedacht war. Das Militär war von Anfang an mit den Grenzen des Pachtgebietes unzufrieden gewesen, da es diese als nachteilig fiir die militärische Verteidigung des Pachtgebietes angesehen hatte, siehe Knorr an Wilhelm, 27.12.1897, in: BArch/MA, RM2, Nr. 1835, Bl. 227.

10 Telegramm des ZLIYM an Zhang Rumei, 4.9.1898, in: YSG, 501/0-2, Nr.294. 11 Vgl. Zhang Rumei an ZLYM, 10.9.1898, in: YSG, 501/0-2, Nr. 294.

308 könnten, die an diesen Stellen häufig Gräber angelegt hatten. Bis zum 15. September war über den Grenzverlauf zwar eine grundsätzliche Einigung erzielt worden, es kam zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den deutschen und chinesischen Verhandlungsfuhrern um die Frage, ob der Dschunkenhafen Tabutou an der Küste nahe Jiaozhou wegen der von den Deutschen vorgeschlagenen Hochwassergrenze noch zusätzlich dem Pachtgebiet zugeschlagen werden müsse. 12 Die Bedeutung Tabutous lag fur die chinesische Seite darin, daß Tabutou der Hafen für die Stadt Jiaozhou war. 13 Außerdem befand sich hier auch ein chinesisches Zollamt. Die Aufgabe Tabutous beinhaltete für die chinesische Seite also den Verzicht auf die Einkünfte der Zollstation sowie auf die Teilhabe an der weiteren Handelsentwicklung der Jiaozhou-Bucht.14 Für die deutsche Seite bedeutete der Hafen in Tabutou eine chinesische Konkurrenz zu dem geplanten Hafen in Qingdao, die man in jedem Falle ausschalten wollte (Dok. 86). Am 1. Oktober 1898 drohte Rosendahl der chinesischen Delegation damit, am 5. Oktober 1898 die 50-Kilometer-Zone von Truppen besetzen zu lassen, falls bis dahin keine Vereinbarung erzielt worden sei.15 Dieser Drohung gaben die Unterhändler schließlich nach, der Hafen Tabutou wurde dem deutschen Pachtgebiet zugeschlagen und gesondert markiert. Am 10. Oktober 1898 wurden die Abkommen über die Hochwassergrenze und der Verlauf der 100-Kilometer-Zonengrenze unterzeichnet. Die Verhandlungen um die Grenzziehungen waren mit dem Abschluß der Verträge formell beendet (Dok. 87). Im Ergebnis haben die Grenzverhandlungen dazu gefuhrt, daß das Pachtgebiet Kiautschou sich auf ein wesentlich größeres Territorium erstreckte als aus dem Text des Vertrages vom März 1898 hervorging. Außerdem verlor die Stadt Jiaozhou ihren Hafen, der unter deutsche Oberhoheit fiel. Als die Ergebnisse der Verhandlungen in China bekannt wurden, sorgten sie für erhebliche Unruhe in der Beamtenschaft. Die chinesischen Verhandlungsfiihrer wurden heftig kritisiert, insbesondere auch die deutschen Ordensverleihungen an diese (vgl. Dok. 86) schienen zu bestätigen, daß die beiden Beamten Verräter seien.

12 Zongli Yamen an Zhang Rumei, 4.10.1898, in: YSG, 501/0-2, Nr. 294. 13 Zur Bedeutung Tabutous siehe Schrecker 1970:15. 14 Siehe hierzu das Telegramm von Peng Yusun/Li Xijie an Zongli Yamen, 8.10.1898, in: QJWJSL 135:4f. 15 Telegramm von Peng Yusun an Zhang Rumei, 1.10.1898, in: YSG, 501/0-2, Nr. 294. 16 Die Throneingaben hoher Beamter der Zentralregierang vom 9.9.1898, 10.9.1898, 28.10.1898, 5.4.1899 und 31.5.1899 (alle 7 Throneingaben aus dem Archiv des Jinjichu sind abgedruckt in: DQJSX 347-357) äußern die Befürchtung, Deutschland wolle die 50-Kilometer-Zone nutzen, um die ganze Provinz Shandong unter seine Kontrolle zu bringen. Es wurde zum Teil so scharfe Kritik geübt, daß der Staatsrat am 3.6.1899 den neuen Gouverneur von Shandong, Yu Xian, zu einer Stellungnahme zu der Anschuldigung aufforderte, Li und Peng hätten ohne Not chinesisches Territorium aufgegeben (in: DQJSX 357). In seiner Antwort vom 9.6.1899 (in: YSG, 333/4-54, Nr. 810/2) distanzierte sich auch Yu Xian von dem Verhandlungsergebnis.

309

Yuan Shikai und die Verkehrsregeln 1900 Angesichts der gewalttätigen Konflikte und der konfliktreichen Spannung, die das Verhältnis zwischen Kiautschou und Shandong 1899 charakterisierte, forderte der damalige Sekretär im Arbeitsministerium, Yuan Shikai, eine neue Politik gegenüber dem deutschen Pachtgebiet (Dok. 88). Seine Vorschläge liefen darauf hinaus, einen konstruktiven Dialog mit den deutschen Behörden zu beginnen mit dem Ziel, dem Deutschen Reich keinen Vorwand mehr fur ein weiteres Vordringen zu liefern. Dies stand im Gegensatz zur Politik seines Vorgängers Yu Xian, der versuchte, den Widerstand der ländlichen Bevölkerung zu nutzen, um die deutsche Kolonialmacht unter Druck zu setzten. Yu Xian wurde Ende 1899 aufgrund ausländischer, auch deutscher Forderungen seines Amtes enthoben, weil er nicht bereit war, die Boxerbewegung zu unterdrücken. Als sein Nachfolger wurde Yuan Shikai ernannt, wobei das oben genannte Memorandum vom Juli 1899 eine wichtige Rolle spielte. 17 Yuan Shikai, der früher als Offizier in der Huai-Armee von Li Hongzhang diente, war nach dem chinesisch-japanischen Krieg mit dem Aufbau einer modernen Armee in NordChina, der sog. Beiyang-Armee (später „Neue Armee"), betraut worden. So verfugte er über moderne, gut ausgebildete Truppen, die für die deutschen Marineeinheiten einen sehr ernstzunehmenden Gegner darstellten. Nach seinem Amtsantritt im Dezember 1899 war Yuan Shikai daher in der Lage, mit Nachdruck sofortige Verhandlungen mit der ShandongEisenbahngesellschaft und der Shandong-Bergbaugesellschaft über den Eisenbahn- bzw. 18

Bergbau zu verlangen. Bei diesen Verhandlungen im März 1900 unterbreitete er dem Vertreter des Gouvernements, Hauptmann Buttlar, auch seine Vorschläge zu sog. Verkehrsbestimmungen. Diese Bestimmungen hatten ursprünglich 11 Artikel.19 Sie sahen vor, daß auf deutscher wie chinesischer Seite je ein Beamter ernannt werden würde, der für die Angelegenheiten zwischen den Behörden zuständig sei. In der ursprünglichen Fassung hatte der chinesische Beamte daneben auch die Aufgabe, die chinesische Bevölkerung in Kiautschou in ihrem Verkehr mit den deutschen Behörden, insbesondere bei rechtlichen Fragen, zu vertreten und zu unterstützen. Der Vorschlag zeigt, daß der Gouverneur von Shandong sich fur die Situation der chinesischen Bevölkerung in Kiautschou zuständig und verantwortlich fühlte. Die von Yuan Shikai entworfenen Bestimmungen lehnte Buttlar jedoch ab, weil er sich auf den Standpunkt stellte, daß dies die Souveränität verletze, die Deutschland in Kiau20 tschou ausübe. Yuan Shikai und Buttlar einigten sich dann auf sieben Artikel, die die Ernennung zweier Beamten vorsahen, die insbesondere für die Regelung von Streitigkeiten zwischen Deutschen und Chinesen in Shandong sowie fur die Regelung des Verkehrs (Ausstellung von Pässen) zwischen Shandong und Kiautschou zuständig waren (Dok. 89). 17 Yu Xian war über dieses Memorandum informiert worden und sollte entsprechend den darin aufgezählten Leitsätzen handeln, vgl. Stichler 1989:161. Dem ist er allerdings nicht nachgekommen. 18 Siehe hierzu Kapitel 4. 19 Die ursprüngliche Fassung findet sich in Wang Tieya 1957:952-954. Sie haben die Bezeichnung: „Regulative zur Vereinfachung des Verkehrs zwischen Kiautschou und Shandong". 20 Yuan Shikai an ZLYM, 29.3.1900, in: IHTDSX 1:575-577.

310 Buttlar, der ursprünglich nicht ermächtigt war, über solche Bestimmungen zu verhandeln, nahm sie an und legte sie Gouverneur Jaeschke vor. Jaeschke wiederum informierte den deutschen Gesandten Ketteier über den Vorschlag von Yuan Shikai. Ketteier hielt ihn jedoch für inpraktikabel, weil die Bestimmungen (Ausstellung von Pässen) einen Eingriff in das Ressort der diplomatischen Vertretung bedeuten würden. Diese Einwände ließ Jaeschke allerdings nicht gelten und hob dagegen hervor, daß Kiautschou ein essentielles Interesse an besseren Beziehungen mit dem Gouverneur von Shandong haben müsse (Dok. 90). Demgegenüber sei ein Ressortdünkel nicht angebracht. Am 28. Mai teilte Jaeschke dem Gouverneur von Shandong mit, daß er mit geringfügigen Modifikationen die Verkehrsregeln als Provisorium akzeptiere (Dok. 91). Wilhelm Schrameier wurde als der auf deutscher Seite zuständige Beamte für den Verkehr mit den chinesischen Behörden ausgewählt. Auf chinesischer Seite war der Leiter des von Yuan Shikai gegründeten „Büros für auswärtigen Verkehr" (jiaoshe ju) zuständig.22 Über diese provisorische Regelung hinaus kam es jedoch nicht zu einer formellen Unterzeichnung eines Abkommens, hauptsächlich wegen des Widerstandes des Auswärtigen Amts. Nichtsdestotrotz haben sich beide Seiten an den Wortlaut der Regulative gehalten und bei Konflikten entsprechend diesen Bestimmungen gehandelt.

Besuchsdiplomatie: Der Aufbau informeller Beziehungen zwischen Jinan und Qingdao Die Annahme der Regulative entgegen dem ausdrücklichen Willen der Gesandtschaft führte zu tiefen Friktionen zwischen der Gesandtschaft und dem Gouvernement, die noch sehr 23

lange andauerten. 1903 wurde ein deutsches Konsulat in Jinan eröffnet. Von diesem Plan war das Gouvernement jedoch erst 1902 informiert worden, nachdem die Entscheidung bereits mit den chinesischen Behörden abgestimmt worden war (Dok. 92). Dabei berührte die Eröffnung einer deutschen Vertretung in Jinan die Interessen des Gouvernements in unmittelbarer Weise. Das deutsche Konsulat in Jinan wurde nun vom Gouvernement geradezu boykottiert. So wurde zum Beispiel der deutsche Konsul in Jinan, Betz, nicht zur feierlichen Einweihung der Jinan-Qingdao-Eisenbahn 1904 eingeladen, an der die beiden Gouverneure

21 Bei seiner Zustimmung zur Unterstellung Kiautschous unter das RMA hatte Bülow betont, daß alle politischen und handelspolitischen Angelegenheiten außerhalb des Pachtgebiets in den Geschäftsbereich der Gesandtschaft bzw. des AA fielen, siehe Bülow an Tirpitz, 15.1.1898, in: BA/MA, RM3/6699, B1.33. Diese Bestimmung wurde auch in die Geschäftsordnung des Gouvernements aufgenommen, vgl. Dok. 47, §2 Absatz 3. Die Kritik Kettelers an der Verkehrsregulative findet sich in: Ketteier an Jaeschke, 8.5.1900, BAP, DBC, 1240, Bl.16-20. 22 Das Büro wurde von Yuan Shikai Anfang 1900 gegründet, siehe Schrecker 1971:116. Zhang Rumei hatte bereits im Februar 1898 ein „Büro für auswärtige Angelegenheiten" (yangwu ju) gebildet, siehe Zhang Rumei an Thron, 12.2.1898, in: IHTDSX 1:96. 23 Siehe dazu Seelemann 1982:442ff; Stichler 1989:189ff. Nach den Verträgen durften nur in den geöffneten Häfen Konsulate eingerichtet werden. Auch China war daher gegen die Einrichtung des Konsulates gewesen.

311 von Shandong und Kiautschou teilnahmen 24 Dieser Zustand bedingte, daß die Beziehungen zwischen Jinan und Qingdao sich nur informell gestalten ließen. Für den Gouverneur von Shandong war jedoch die Aufrechterhaltung des Kontaktes zu Qingdao sehr wichtig. Im Dezember 1902 besuchte daher auf eigenen Wunsch der Gouverneur Zhou Fu, ein politischer Verbündeter von Yuan Shikai, als erster hoher Beamter Kiautschou. Als Gouverneur Truppel von dem Plan Zhou Fus erfuhr, sprach er überrascht von 25

einer „kaum glaublichen Absicht" . Der Besuch diente in erster Linie dazu, Erkenntnisse über die Pläne Deutschlands in Kiautschou zu erhalten und sich einen unmittelbaren Eindruck von den Zuständen zu machen (Dok. 94). Es wurden politische Gespräche geführt, bei denen Zhou Fu konkrete Probleme des Verhältnisses zwischen Jinan und Qingdao ansprach (Dok. 95). Er wird deutlich, daß angesichts des Fehlens institutioneller Beziehungen Zhou Fu durch eine Art Besuchsdiplomatie einen Ausgleich schaffen wollte. Diesem Weg folgten auch die späteren Gouverneure.26 Fast jährlich fanden Besuche in Qingdao statt, aber auch umgekehrt besuchte der deutsche Gouverneur Jinan. Dabei entwickelte sich ein konstruktives Verhältnis zwischen Qingdao und Jinan. Doch ungeachtet dessen zeugen selbst die gehaltenen Reden von der grundlegenden Intention der chinesischen Vertreter, die verlorenen Rechte zurückzugewinnen und die koloniale Präsenz zu beenden. So führte Zhou Fu vor dem Gouverneur aus: „Ist auch das Land von Qingdao an Deutschland verpachtet, so ist es doch Shandong-Erde" (Dok. 93). Diese Feststellung gilt nicht nur für die politische Elite, sondern auch für die chinesische Bevölkerung und Kaufmannschaft: 1909 resümierte Truppel, daß die chinesische Bevölkerung des Pachtgebietes in den Jinaner Behörden ihre Vertreter sehe und mit ihnen eng zusammenarbeite (Dok. 96). So forderten die Gouverneure bei ihren Besuchen immer wieder das Recht auf Entsendung eines chinesischen Beamten als ihren Vertreter in das deutsche Gebiet. 27

24 Siehe Funke an RMA, 10.6.1904, in: BA/MA, RM3/6751, Bl. 166-173. 25 Truppel an Tirpitz, in: BA/MA, RM3/6718, BI.62-70. 26 Siehe z.B. auch Dok. 96, 107. 27 Siehe Dok. 56, 94, 95.

312

85 Telegramm des Magistrats von Pingdu, Pan Minbiao, an den Gouverneur von Shandong, Zhang Rumei (11.7.1898) 1 Dem Herrn Gouverneur in Jinan zur Kenntnis: Soeben erhielt ich ein Schreiben des deutschen Gouverneurs Rosendahl. Darin teilte er mit, daß innerhalb der nächsten Tage Beamte an die verschiedenen Orte entsandt werden, um die Grenze des Pachtgebietes zu kennzeichnen. Dazu sollen vorläufig Grenzsteine aufgestellt werden. Im deutschen Pachtgebiet ist dazu bereits eine entsprechende Bekanntmachung ergangen. Ein Exemplar wurde mir mit der Auflage zugesandt, entsprechend zu verfahren und die Bekanntmachung öffentlich auszuhängen. Darin heißt es u.a.: „Da die chinesischen Beauftragten bei Festlegung des Pachtgebietes nicht genau mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut waren, sollen einstweilen Grenzsteine aufgestellt werden, die jedermann zur Identifizierung dienen. Die Grenzsteine sind deutsches Eigentum und dürfen von der Bevölkerung nicht eigenmächtig verrückt werden." Nun befindet sich aber Pingdu über 200 Meilen von Qingdao entfernt. Wie kommt es, daß die Deutschen ihre Bekanntmachung in einem so weit von ihrem Pachtgebiet entfernten Ort verbreiten? Eine gerechte Lösung käme außerdem nur dann zustande, wenn die Grenzziehung mit den chinesischen Beauftragten gemeinsam erfolgt. Welches Ziel verfolgen die Deutschen mit der Aufstellung der Grenzsteine? In ihren Verlautbarungen drücken sie sich bewußt mehrdeutig aus. Ich befurchte, daß sie von unersättlicher Gier getrieben werden. Das von ihnen markierte Gebiet soll unter ihre Herrschaft fallen. Wenn ich den Forderungen Rosendahls nachkäme, würde sich sofort ein heftiger Volkszorn entladen, was gewiß einen Aufruhr zur Folge hätte. Kann ich den Deutschen ihre Bekanntmachung zurücksenden? Wenn die Deutschen in Pingdu Grenzsteine aufstellen wollten, würde ich unter Darlegung unserer Gründe Einhalt gebieten. Ich bitte um Order, ob diese Vorgehensweise von Euch gebilligt wird. Hochachtungsvoll Der Magistrat von Pingdu Pan Minbiao. Telegramm. YSG, 501/0-2, Nr. 294,

1

lmfoliiert.

Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker.

313

86 Schreiben des Gouverneurs von Kiautschou, Rosendahl, an den Staatssekretär des Reichsmarineamts, Tirpitz (14.10.1898) Qingdao, den 14. Oktober 1898 Betrifft: Grenzregulierung 1. Abschluß der Arbeiten Am lO.d.Mts. ist, wie durch Telegramm vom gleichen Tage gemeldet, die Grenzregulierung durch Unterschrift und Stempelung der Protokolle endgültig zum Abschlüsse gebracht worden. 2. Protokolle Eine Denkschrift über die Grenzregulierungsarbeiten nebst Karten sowie je eine Abschrift des deutschen und chinesischen Textes der Protokolle ist beigefugt. Gleiche Abschriften sind hier dem Kaiserlichen Gesandten in Peking übersandt worden. Die Originale sollen, wenn Eure Exzellenz nicht anderes befehlen, in dem hiesigen Archiv aufbewahrt werden, um für etwaige spätere Rückfragen zur Hand zu sein. Ich habe im Sinne der Vertragsbestimmungen zu handeln geglaubt, wenn ich durch den Kaiserlichen Gesandten habe ausdrücklich festhalten lassen, daß der Abschluß der Protokolle hier als ein endgültiger anzusehen sei und einer Ratifizierung nicht mehr bedürfe. 3. Die Grenzen selbst Indem ich mich im übrigen auf den Inhalt der beiliegenden Denkschrift beziehe, gestatte ich mir hervorzuheben, daß die erreichten Grenzen das enthalten, was wir nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse an der Hand des Vertrages fordern konnten und mußten. Die Verhandlungen haben dauernd einen freundschaftlichen Charakter bewahrt und sind - abgesehen von einigen Schwierigkeiten, welche der Gouverneur von Shandong2 hineinbrachte und welche zum Teil auf eine etwas unklare Fassung des chinesischen Textes des Vertrages zurückgeführt werden können3 - ohne Störung verlaufen. Wenn ich mich bei der Grenzfestsetzung nicht ausschließlich gemäß der Verfügung vom 27. Juni d.J. A 54374 auf das rein militärische Bedürfnis beschränkt habe, z.B. hinsichtlich der Hineinziehung von Tabutou in unser Gebiet, so lag das daran, daß ich mich als Gouverneur dem Zwange gewisser wirtschaftlicher Forderungen im Interesse der Entwicklung der Kolonie nicht entziehen durfte, ohne diese Entwicklung zu schädigen. Militärische und verwaltungstechnische Schwierigkeiten werden aber dadurch um so weniger entstehen, als die erreichten Grenzen zugleich die Gemeindegrenzen und vielfach auch die Clan-Grenzen bilden, während bei größerer Beschrän-

2

Zu dieser Zeit Zhang Rumei.

3

Die Unklarheiten entsprangen dem Begriff der Hochwassergrenze, vgl. Dok. 87.

4

Nicht in den Akten

314 kung eine Teilung der Gemeindefluren etc. unvermeidlich gewesen und dadurch Differenzen mit den chinesischen Behörden näher gerückt worden waren. [...]5 Rosendahl. Anlage: Denkschrift zur deutsch-chinesischen Grenzregulierung nach dem Staatsvertrag vom 6. März 1898 [,..]6 Um aber sowohl kommunalen wie Verwaltungsschwierigkeiten vorzubeugen, wurde die Hochwassergrenze so gewählt, daß mit Ausnahme von Tabutou, dem Hafenplatz von Jiaozhou, keinerlei Ortschaften an Deutschland fallen und auch einige Salzwerke, die auf angeschwemmtem Land des Watt liegen bei China verbleiben. Selbst in betreff des Ortes Tabutou war die Grenzregulierungskommission im Anfang aus den vorerwähnten Gründen geneigt, diesen Platz China zu lassen, obwohl er rechtlich ohne weiteres mit in die Hochwassergrenze einbezogen werden konnte. Erst nachdem mit dem Ende der Regenzeit der Handel in jenem Orte neu aufblühte und vorher nie zu ahnende Dimensionen annahm, entschied sich die Kommission, diesen Platz dem Pachtgebiet einzuverleiben, namentlich da andernfalls große Zollschwierigkeiten zu entstehen drohten. Dies zeigte sich schon darin, daß entgegen dem Artikel V des Staatsvertrages durch den Präfekten von Jiaozhou Zollproklamationen erlassen waren, unmittelbar, nachdem die chinesischen Kommissare erfahren hatten, daß Tabutou nicht zum Pachtgebiet, aber doch immer zur 50 Kilometerzone gehören sollte. Da inzwischen die chinesischen Kommissare gewünscht hatten, daß nachträglich - d.h. nachdem ein Vertrag über die Hochwassergrenze aufgenommen, aber noch nicht gestempelt war Grenzteile auf der Hochwassergrenze nördlich von Potato Island (Yindao) gesetzt würden und dadurch eine Neuaufstellung des Vertrages über die Hochwassergrenze erforderlich wurde, bot dies in Verbindung mit der unrechtmäßigen Anbringung von Zollproklamationen in Tabutou, die trotz Aufforderung durch das Kaiserliche Gouvernement nach 10 Tagen noch nicht entfernt waren, einen willkommenen Anlaß, nachträglich noch auf der Überlassung von Tabutou zu bestehen. Da die chinesischen Kommissare sich nicht für kompetent erklärten, in diesem Falle selbständig zu entscheiden und erst Instruktionen vom Zongli Yamen in Peking einholten, entstand eine mehrtägige Verzögerung in den Verhandlungen. Am 6. Oktober erklärten sich die chinesischen Kommissare mit der Überlassung Tabutous an Deutschland einverstanden. Dementsprechend wurden um jeden Platz herum 3 Grenzsteine gesetzt, nachdem bereits schon früher dem Wunsch der chinesischen Kommissare auf Setzen von Grenzsteinen an der Hochwassergrenze auf dem Festlande nördlich von Potato-Island stattgegeben war. Es wurden dort an den drei von Dagu nach der Insel führenden Wattwegen Grenzsteine gesetzt. Weitere Grenzsteine wurden zur Bestimmung der Hochwassergrenze nicht gesetzt. BA/MA, RM3 6776, Bl. 97-99.

5

In Punkt 4 und 5 schlug Rosendahl Auszeichnugen für die chinesichen und deutschen Kommissionsmitglieder vor.

6

Am Beginn der Denkschrift steht eine genaue topographische Beschreibung des Grenzverlaufes.

315

87 Bericht der Beamten Peng Yusun und Li Xijie an den Gouverneur von Shandong, Zhang Rumei (24.10.1898) 7 Folgendes sei hiermit berichtet: Am 18. März und am 20. Juli erhielt ich, der Daotai Li Xijie, zwei Schreiben Eurer Exzellenz. Dabei wurde mir die Abschrift einer Verhandlungsübereinkunft mit dem Deutschen Gesandten und deren Kaiserliche Zustimmung übermittelt. In der Note des Deutschen Gesandten v. Heyking heißt es, daß die deutsche Seite bereits vier Beamte bestimmt hat, die nun in Qingdao warten, um mit den chinesischen Beauftragten die Vermessungsarbeiten durchzuführen. China wird aufgefordert, umgehend seine Beauftragten zu nominieren und der deutschen Seite mitzuteilen, wann diese in Qingdao eintreffen. Daraufhin sind wir von Eurer Exzellenz, dem Gouverneur von Shandong beauftragt worden, nach Qingdao aufzubrechen, um an der Grenzfestlegung teilzunehmen. Bei allen Zahlenangaben haben chinesische Maßeinheiten zur Anwendung zu kommen. Der Dolmetscher für Deutsch, Zhi Ge, soll sich ebenfalls nach Qingdao begeben. Nachdem ich, der Daotai Peng Yusun, in Jining Euer Telegramm erhalten hatte, begab ich mich am 25. Juli nach Yantai. Dort erhielt ich ein Telegramm, dessen Inhalt mit dem oben genannten identisch war. Gleichzeitig informierte mich der ehemalige Sekretär der Provinz Zhili, Rong, darüber, daß er einige Beauftragte nach Qingdao entsandt habe. Dabei handelte es sich um den für die Vermessungs- und Kartographierungsarbeiten zuständigen Zhang Zuyou, den Garnisonskommandanten Shen Qi, die Kadetten der Marineakademie Lan Daosheng und Li Mengsong. Außerdem sei die Schnellbootflotille nach Yantai unterwegs. Nachdem Dolmetscher Zhi Ge am 4. August in Yantai angekommen war, brachen wir beiden Daotai am nächsten Tag in Begleitung der oben genannten Personen sowie des Magistrats von Zhucheng, Wang Cengjun, auf. Am 6. August trafen wir in Qingdao ein. Darüber haben wir Euer Exzellenz bereits telegraphisch verständigt. Da der deutsche Gouverneur Rosendahl noch an einer Krankheit laborierte, konnten wir nicht empfangen werden. Täglich verhandelten wir mit den drei deutschen Vertretern, den Stabsoffizieren Lossow, Deimling und Falkenhagen. Vom 12. August an nahmen unsere und die deutschen Vertreter sowie die betreffenden Lokalbeamten die Arbeit gemäß den Vereinbarungen Artikel 3 des Vertrags auf. Dabei wurden die Grenzen des Deutschen Pachtgebietes wie folgt festgelegt: Im Nordosten wurde der erste Grenzstein zwischen Jimo und der im Osten von Qingdao gelegenen Laoshan-Bucht gesetzt. Im Nordwesten erfolgte die Grenzziehung weiter über Zhuanta, Goupi und anderen Bergspitzen bis Huayinji am Baisha-Fluß. Abwärts soll das nördliche Ufer des Baisha-Flusses als Grenzlinie gelten. Die Entfernung von der LaoshanBucht bis Yindao beträgt 68 chinesische Meilen. Insgesamt wurden 22 Grenzmarkierungssteine gesetzt. Im Südwesten erfolgte die Grenzziehung vom Xibo-Berg weiter in südwestli7

Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker.

316 eher Richtung nach Haichahao und Baitoucun, dann westlich über Haowa, weiter südlich bis zum Mittellauf des Kaiserkanals und schließlich über Lingshanwei und Xuejiada nach Haifeng und Diluoshan. Die Gesamtentfernung beträgt vier chinesische Meilen. In diesem Abschnitt wurden drei Grenzmarkierungssteine gesetzt. Die oben genannten Grenzmarkierungsarbeiten wurden in gewissenhafter Weise gemeinsam ausgeführt. Die Deutschen haben dabei keinerlei Einwände erhoben. Die an Qiboshan und Yindao grenzenden Gewässer sowie bei Flut bedeckten Gebiete und alle eingeschlossenen Inseln zwischen Nügu und Haonantoucun wurden gemäß des Vertrages zum Pachtgebiet zugehörig erklärt. Nach Abschluß der Grenzmarkierungsaktivitäten verfaßten beide Seiten ein je in Chinesisch und Deutsch abgefaßtes Weißbuch, in dem der Grenzverlauf bei Flutstand detailliert beschrieben wurde. Es wurde von beiden durch Unterschrift und Siegel anerkannt. Am 20. August erhielten wir die telegraphische Zustimmung Eurer Exzellenz, des Gouverneurs von Shandong. Im Telegramm des Zongli Yamen hieß es: Mit dem deutschen Gesandten v. Heyking wurden folgendes vereinbart: Den deutschen Truppen wird erlaubt, innerhalb der 50-Meilen-Zone militärisch zu operieren. Des weiteren dürfen deutscherseits in der Zone Arbeiten an den Wasserwegen ausgeführt werden. In den früheren Verhandlungen wurde kein genauer Grenzverlauf bestimmt. Deshalb soll von den Vertretern beider Seiten nach eingehender Verhandlung eine Zeichnung angefertigt werden, um spätere Unklarheiten von vornherein auszuschalten. Auf das Setzen von Grenzsteinen kann verzichtet werden. Wir wurden mit der Ausführung dieser Aufgabe beauftragt. Nach Abschluß der Vermessungsarbeiten eilten wir unverzüglich nach Qingdao zurück und haben mit dem deutschen Gouverneur Rosendahl alle Einzelheiten entsprechend der obigen Instruktion besprochen. Am 31. August haben wir gemeinsam mit den deutschen Vertretern die innerhalb der 50-Meilen-Zone verlaufende Grenzlinie von Nanquncun bei Jimo bis Niejiacun bei Zhucheng auf einer Karte festgehalten. Diese Linie hatten wir bereits im August in Aussicht genommen, hatten aber nicht gewagt, diese eigenmächtig festzulegen. Am 5. Oktober erhielten wir Euer Telegramm, in welchem uns befohlen wurde, entsprechend dieser Grenzziehung den Vertrag abzuschließen. Wir haben uns sofort mit der deutschen Seite in Verbindung gesetzt, ein Weißbuch angelegt und den Vertrag gesiegelt und unterschrieben. Hinsichtlich Tabutou haben die Deutschen zuerst Konzessionen gemacht, aber, unter Hinweis auf die Flut-Klausel, den Ort für das Pachtgebiet gefordert. Wir haben in einem Telegramm an Euch um Verhandlungsmaßgabe ersucht und recht bald Eure Zustimmung dazu erhalten. Wir änderten daraufhin den Vertragstext und erklärten Tabutou als zum Pachtgebiet zugehörig. Außerdem stellten wir dort, wo die Flut aufhört, drei Markierungssteine auf. Die zweisprachigen Ausführungen des Weißbuches sind entsprechend geändert und ein drittes Mal die Stempel gesetzt worden. Damit sind alle Arbeiten hinsichtlich der Grenzziehung des deutschen Pachtgebietes zum Abschluß gekommen. Hiermit reichen wir alle mit dem Verhandlungsverlauf in Zusammenhang stehenden Aufzeichnungen und Karten Eurer Exzellenz zur geneigten Kenntnisnahme und verbleiben hochachtungsvoll die Daotai Peng Yusun und Li Xijie.

317 Anlage: Abschrift der beiden Verträge. YSG, 501 0-2, Nr. 294,

g

unfoliiert.

88 Memorandum des Chefs der kaiserlichen Leibgarde und Sekretär des Arbeitsministeriums, Yuan Shikai (4.7.1899) 9 Ich, Yuan Shikai, Chef der Kaiserlichen Leibgarde und Großwürdenträger des Arbeitsministeriums zur Rechten, erlaube mit untertänigst, eine Throneingabe einzureichen. Die provokative Verletzung unserer Souveränität durch die Deutschen läßt es angezeigt erscheinen, sofortige Abwehrmaßnahmen zu ergreifen. Es darf den Deutschen kein Vorwand für einen Krieg geliefert werden. Aus diesem Grund habe ich einen Geheimbericht verfaßt, den ich Euer Gnaden zur Begutachtung überreiche. Ich meine, daß die Deutschen schon seit langer Zeit Pläne zur Annexion der Provinz Shandong hegen. Um ihre Ambitionen zu verwirklichen, haben sie an alle Orte der Provinz ihre Missionare entsandt, die vorgeben, allein Missionszwecken zu dienen, in Wirklichkeit aber die Lage ausspionieren. Ihre Provokationen dienen ebenfalls diesem Ziel. Inzwischen hat sich Deutschland mit den Engländern über Interessensphären beim Eisenbahnbau verständigt. Nach und nach werden deutsche Techniker eintreffen. Die Einwohner Shandongs zeichnen sich durch einen unbeugsamen Charakter aus. Sie blicken feindlich auf alles Fremde. Die Deutschen nahmen bereits den kleinsten Hader zum Anlaß, um Truppen in die Jiaozhou-Bucht zu entsenden und so unsere Souveränität zu verletzen. Der Zwischenfall von Rizhao war kaum beigelegt, als es zu den Unruhen von Gaomi kam. 10 Ein Zwischenfall folgte auf den nächsten. Die Deutschen haben diese Vorgehensweise schon fast zur Methode erhoben. Dadurch wird nicht nur der Volkszom geschürt, sondern der Zusammenhalt unseres Staates ernsthaft bedroht. Wollte man nach den international geltenden diplomatischen Regeln verfahren, so müßte man nach dem Eindringen der Deutschen in unser Territorium und der Ermordung unserer Menschen den Deutschen sofort den Krieg erklären und sie mit Gegenschlägen aus unserem Land vertreiben. Allerdings befinden wir uns momentan in einer äußerst mißlichen Lage. Der Hof muß stark auf die Außenpolitik achten und dabei stets die Gesamtsituation vor Augen haben. Deshalb sind wir gezwungen, eine gewundene Politik zu treiben und Kompromisse einzugehen. Aber das kann in keinster Weise den aggressiven Gelüsten Deutschlands einen Riegel vorschieben. Spätere Desaster sind vorgezeichnet.

8

Hier nicht abgedruckt, zu dem getroffenen Abkommen siehe Einleitung zu Kapitel 5 und Dok. 87.

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Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker.

10 Siehe Kapitel 4.

318

Shandong bildet einen wichtigen Knotenpunkt im Verkehr zwischen Norden und Süden; zahlreiche Wasser- und Landwege durchqueren die Provinz. Wenn die Fremden diese Wege bedrohen, werden die Quellen für das Tributversorgungssystem des Hofes und den Sold unserer Truppen ernsthaft gefährdet. Die Folgen wären nicht auszumalen. Aus diesen Gründen müssen wir umgehend eine Verteidigungsstrategie entwickeln. Noch dringender ist es, einen Plan zu entwickeln, der Deutschland jegliche Chance eines Vorwandes zum Eingreifen nimmt. Dadurch kann die Situation befriedet und die Souveränität unseres Landes garantiert werden. Ich stehe an, mich zu erdreisten, meine geringe Meinung in den vier folgenden Punkten darzulegen und Eurer Majestät zur Disposition zu überreichen. 1. Gründliche Wahl der Lokalbeamten. In Shandong existieren starke Differenzen zwischen der einfachen Bevölkerung und den Anhängern des Christentums. Die Gründe dafür rühren aus dem anmaßenden Benehmen der Cliristen; oft aber auch aus der ungerechten Behandlung durch die Lokalbeamten her. Wie es heißt, hassen die einen Beamten in Shandong die Fremden abgrundtief, während die anderen jene wie die Tiger fürchten. Die einen Beamten fördern mit ihrem Haß die Abneigung des Volkes gegenüber den Fremden; die anderen schüren mit ihrer Furcht den Zorn des Volkes. Sowohl die einfachen Leute als auch die Christen gehören zu einem Volk. Ein Beamter hat das Recht der Rechtsprechung inne. Bei seinen Entscheidungen muß er sich von den bestehenden Gesetzen leiten lassen. Dabei dürfen die einfachen Menschen und die Gläubigen nicht unterschiedlich behandelt werden. Wenn sich nun Missionare in einen Rechtsstreit unzulässig einmischen, so kann auf der Grundlage der Gesetze das zurückgewiesen werden. Wenn ein Missionar nun absolut die Grenzen überschreitet, muß durch Zugrundelegung der gesetzlichen Bestimmungen seine Schuld bewiesen, dem zuständigen Konsul darüber ausführlich Mitteilung gemacht und um seine Ausweisung ersucht werden. Behandelt das Konsulat den Fall nicht korrekt, kann eine Eingabe an das Zongli Yamen erfolgen, das sich dann des Falles annimmt. Sind die gemachten Angaben wahr, so kann sich die Gesandtschaft des entsprechenden Landes schwerlich schützend vor den Delinquenten stellen. Sollte das Problem auf diesem Weg noch nicht beigelegt sein, so wird wohl der Missionar durch die ständigen Befragungen Überdruß empfinden und sich später gewiß zügeln. Jene Beamten, die die Fremden fürchten, sind nur um Pfründe und Posten besorgt. Deshalb wollen sie jeglichem Ärger aus dem Weg gehen. In einem Gerichtsstreit mit Christen bestrafen sie lieber das einfache Volk und behandeln den Fall dilatorisch. Sie hoffen, dadurch die bestehende Ordnung aufrecht erhalten zu können. In Wirklichkeit nimmt aber nur die Dreistigkeit der Christen zu, was wiederum die Wut des Volkes ansteigen läßt. Wenn es dann zu einem Ausbruch kommt, gleicht dieser dem Brechen eines Deiches. Jeder neue Missionarszwischenfall bedeutet einen großen Schaden für den Staat. Die Fremden können daraus einen weiteren Nutzen ziehen. Das Volk will sich dann umsomehr an den Christen rächen, was noch größeres Unheil für den Staat bedeutet, da er in kriegerische Verwicklungen mit den fremden Mächten getrieben wird. Ein kleiner Funken kann einen Steppenbrand auslösen. Solch ein Unglück kann sich zusammenbrauen, wenn man nicht die geeigneten Maß-

319 nahmen ergreift. Ich schlage deshalb vor, den Gouverneur der Provinz Shandong11 anzuweisen, in allen Kreisen und Gemeinden die Anzahl der Christen und die bestehenden Verhältnisse festzustellen. Beim weiteren Vorgehen sollte man sich nicht allzu starr an althergebrachte Konventionen klammem. Man muß gewissenhaft befähigte, mit den Gesetzen und den Zeitverhältnissen vertraute Kreisbeamte auswählen und diese auf die entsprechenden Amtsbezirke verteilen. Im Falle eines Streites würden sie die Ordnung aufrechterhalten und in ihrem Auftreten weder zu extrem noch zu nachgiebig sein. Nach einer längeren Zeitspanne könnte die Eintracht zwischen Bevölkerung und Christen dann wieder vollends hergestellt werden. 2. Bedeutung der Vertragsbestimmungen. Viele der Lokalbeamten im Innern des Landes sind juristisch nicht ausreichend gebildet. Bei einem Streitfall wissen sie nicht, woran sie sich halten sollen. Deshalb werden die Fälle oft nicht korrekt und unparteiisch entschieden. Ich schlage vor, daß das Zongli Yamen einige befähigte Beamte abstellt, die die Bestimmungen der mit den einzelnen Staaten abgeschlossenen Verträge sowie Maßregeln für die Behandlung von Streitfällen zwischen Chinesen und Ausländern kompilieren und in gedrängter Fassung zu einem Buch verarbeiten. Das Wissen um die Behandlung von Missionszwischenfallen muß fiir jeden Beamten verbindlich sein. Jedem Beamten sind einige Exemplare dieses Buches auszuhändigen. Die Magistratsbeamten haben die darin vermerkten Bestimmungen als Richtschnur ihren Entscheidungen zugrundezulegen. Bei einem Streitfall ist nach ihnen zu verfahren, ein eigenmächtiges Abweichen darf nicht geduldet werden. Außerdem sollen auch die Beamtenanwärter und Amtsstubengehilfen solch ein Buch zum Studium erhalten. Gute Leistungen sind zu honorieren. In jedem Monat sollen Prüfungen durchgeführt werden, um sich über den vorhandenen Wissenstand zu informieren und die Befahigsten herauszufinden. Diese Leute werden für uns von großem Nutzen sein; im Falle eines Streites können sie mit der Lösung desselben beauftragt werden. 3. Stationierung von Patrouillen an verschiedenen Plätzen. Seit der Annexion der Jiaozhou-Bucht gehen regelmäßig Deutsche in diesem Gebiet ein und aus. Erfahren sie dabei auch nur irgendeine Behinderung, so nehmen sie diese zum Vorwand für weitere Schritte. Ich rege an, daß der Provinzgouverneur von Shandong unter den Provinztruppen disziplinierte Soldaten auswählt und diese in den Gemeinden rund um die Jiaozhou-Bucht stationiert. Sie müssen auch alle Plätze längs der Eisenbahn gut beobachten. Die ganzen Aktivitäten sollen durch einen Oberbefehlshabenden koordiniert werden. An den einzelnen Orten müssen nicht zu viele Soldaten konzentriert sein; es reicht, wenn 100 oder etwas weniger Soldaten ein Kommando bilden. Passiert ein Fremder bei der Ein- oder Ausreise des Gebiet, so ist er von einer Truppeneskorte zu begleiten. An strategisch bedeutsamen Orten sollte etwa eine Streitmacht von 1.000 Mann stationiert sein, um im Bedarfsfall an den erforderlichen Plätzen eingreifen zu können. Wenn die Deutschen erst einmal die Dichte unserer Patrouillen und die Besetzung der wichtigsten Plätze mit ausreichend viel

11 Zu dieser Zeit Yu Xian.

320 Trappen bemerken, werden sie nicht so schnell einen Vorwand finden, um ihre Soldaten zu entsenden bzw. leichtfertig Unfrieden vom Zaum zu brechen. Die nach außen hin übernommene Schutzfunktion bei der Begleitung der Reisenden beinhaltet zugleich auch die latente Kontrolle über die Fremden. Es liegt ein großer Vorteil darin, mögliche Kalamitäten durch gezielte Vorkehrungen zu vermeiden. 4. Entsendung eines höheren Beamten nach Kiautschou. Die Provinzhauptstadt Shandongs befindet sich über 1.000 Meilen von Kiautschou weit entfernt. Der Provinzgouverneur ist viel zu weit ab vom Schuß, als daß er über die aktuellen Vorgänge genügend unterrichtet sein könnte. Entsprechende Maßnahmen können demzufolge nicht rechtzeitig genug getroffen werden. Ich meine, daß vom Provinzgouverneur ein bevollmächtigter Fremdenkommissar nach Kiautschou entsandt werden sollte, der sich speziell den zu regelnden Angelegenheiten zwischen Ausländem und Chinesen widmet und mit den Deutschen alle notwendigen Abkommen und Vereinbarungen aushandelt. Jeder der Deutschen, der sich ins Landesinnere begibt, muß sich beim Fremdenkommissar mit einem entsprechenden Paß ausweisen. Der Kommissar wird dann seinerseits den Schutz der Reisenden in den zu durchquerenden Gebieten veranlassen. Bei eventuellen Unstimmigkeiten kann der Fremdenkommissar direkt vor Ort verhandeln. Außerdem ist er jederzeit in der Lage, die Pläne und Absichten der Deutschen herauszufinden, so daß wir rechtzeitig handeln können. Dieser verborgene Nutzen ist ebenfalls nicht zu gering zu veranschlagen. Ich wage allerdings nicht zu behaupten, daß die von mir unter den heutigen komplizierten Bedingungen dargelegte Strategie von solch einem Beamten wie mir erfolgreich umgesetzt werden könnte. Ich habe stets Gnade und Huld Eurer Kaiserlichen Majestät empfangen und sehe mich außerstande, dafür zu danken. In dieser schweren Zeit fur unser Land quält Tag und Nacht ein tiefer Schmerz meine Brust. Ich wage es nicht, meine Ansichten vor der Kaiserlichen Hoheit zu verbergen. Lange habe ich gezögert, meine törichten Gedanken Euch vorzutragen. Es erfolgt in der Absicht, den Ränken und kriegerischen Gelüsten der Deutschen Einhalt zu gebieten. Allerdings weiß ich nicht, ob meine Auffassungen von Nutzen sein können. Ehrfurchtig reiche ich meinen Geheimbericht der hochverehrten Kaiserinmutter 12 und dem Kaiser 13 nach oben und erwarte demütig weiteres Geheiß. IHTDASL I, S. 27-29.

12 Gemeint ist Ci Xi, die seit dem Staatsstreich von 1898, als mit der Machtenthebung des Guangxu-Kaisers die 1 OO-Tage-Reform endete, die Regierungsmacht innehatte. 13 Gemeint ist der Guangxu-Kaiser, der seit 1898 unter Hausarrest stand.

321

89 Die Verkehrsbestimmungen des Gouverneurs von Shandong, Yuan Shikai (21.3.1900)14 Deutsche Übersetzung der Verträge des Gouverneurs von Shandong betreffend VerkehrsBestimmungen zwischen den beiden Gouverneuren von Shandong und vom deutschen Kiautschou-Gebiet. Artikel 1 Zur Regelung von wichtigen gemeinschaftlichen Angelegenheiten und von besonderen Vorfällen zwischen Personen und Behörden des Deutschen Kiautschou-Gebiets und der chinesischen Provinz Shandong soll vom Gouverneur von Shandong und vom Gouverneur des Kiautschou-Gebiets je ein Beamter ernannt werden. Beide Beamte sollen am gleichen Orte wohnend die oben genannten Fälle nach den Verträgen untersuchen und gemeinsam erledigen. Es sollen hierdurch alle Vorkommnisse schneller als bisher erledigt werden und ist dementsprechend der Sitz der beiden Beamten zu vereinbaren. Beide Beamte sind gleichgestellt. Die höhere Entscheidung liegt in der Hand der beiden Gouverneure. Artikel 2 Falls Deutsche in das Innere der Provinz Shandong zum Vergnügen oder zu Geschäftszwekken reisen, also auch zum Zweck des Bahn- oder Bergwerkbaus, sollen sie mit einem Paß versehen sein, der außer dem Siegel der deutschen Behörde auch das chinesische des Kiautschou-Guan15 trägt. Der Paß hat nur Gültigkeit für ein Jahr vom Tage des Ausstellens an gerechnet. Der den Paß siegelnde chinesische Kiautschou-Guan hat die Abreise, noch bevor sie erfolgt ist, dem Gouverneur von Shandong zu melden, damit von diesem die Ortsbehörden benachrichtigt werden. Bei Reisen über die Grenzen der Provinz Shandong hinaus soll bei der Art und Weise der Paßverteilung nach dem Staatsvertrage verfahren werden. Artikel 3 Streitigkeiten zwischen Personen, von denen die eine im Deutschen Kiautschou-Gebiet, die andere außerhalb desselben in der Provinz Shandong lebt, sollen von dem Kiautschou-Guan und dem Deutschen Beamten16 erledigt werden, sofern sie hierzu rechtlich befugt sind.

14 Die Übersetzung aus dem Chinesischen wurde am Gouvernement angefertigt. Sie ist nicht namentlich gezeichnet. 15 Das chinesische „guan" bedeutet Beamter. Mit Kiautschou-Guan ist also der chinesische Vertreter des Gouverneurs von Shandong in Kiautschou gemeint. Der damalige Übersetzer hat den Ausdruck guan beibehalten, weil der deutsche Ausdruck „Kiautschou-Beamter" zu Verwechslungen mit den deutschen Beamten des Kiautschou-Gebietes geführt hätte 16 Gemeint ist der vom Gouverneur von Kiautschou zu ernennende Beamte für den amtlichen Verkehr mit Jinan

322 Artikel 4 Chinesen, die außerhalb des Deutschen Pachtgebiets ein Vergehen oder Verbrechen begangen und sich nachher auf Deutsches Gebiet geflüchtet haben, sollen auf Requisition des Kiautschou-Guan diesem ausgeliefert werden. Artikel 5 Beide Beamte sollen unparteiisch und gerecht die ihnen vorgelegten Fälle untersuchen und erledigen und bemüht sein, im Interesse der gemeinsamen Arbeit und der schnellen Erledigung im besten Einvernehmen zu handeln. Artikel 6 Fälle, welche die Kompetenz der beiden Gouverneure überschreiten, oder solche, über welche eine Einigung nicht erzielt worden ist, sollen, wie bisher, beim Zongli Yamen und der Deutschen Gesandtschaft anhängig gemacht werden. Artikel 7 Die obigen Abmachungen sind nur als vorläufige zu betrachten. Stellt sich die Notwendigkeit heraus, daß Erweiterungen oder Änderungen der obigen Abmachungen notwendig werden, so sollen diese von beiden Gouverneuren aufgesetzt und vereinbart werden. Diese Übersetzung des chinesischen Textes in das Deutsche ist vom Generalleutnant Yin Chang gemacht und von Hauptmann Freiherr von Buttlar in doppelter Ausfertigung niedergeschrieben; solches bescheinigt Jinanfu, den 21. März 1900 zugleich den Empfang des chinesischen Schreibens (gez.) Freiherr Treusch von Buttlar-Brandenfels Hauptmann und Kompaniechef im 3. Seebataillon.

(gez. Yin Chang)

Β AP, DBC, Nr. 1240, Bl. 7-9.

90 Schreiben des Gouverneurs von Kiautschou, Jaeschke, an den Staatssekretär des Reichsmarineamts, Tirpitz (25.5.1900) Qingdao, den 25. Mai 1900 Betrifft: Vorschlag der chinesischen Behörde über Vereinbarung von Verkehrsbestimmungen In meinem Berichte H.Nr.8491 vom 20. April dieses Jahres 17 erwähnte ich gewisse Verkehrsbestimmungen des Gouverneurs von Shandong, Yuan Shikai, die er nach Festsetzung durch den General Yin Chang und den Hauptmann Freiherrn von Buttlar mir zur Annahme 17 Nicht in den Akten.

323 und Unterzeichnung überreichen ließ. Da es sich bei diesen Verkehrsbestimmungen um politische, die Gesandtschaft angehende Neuerungen handelt, so glaubte ich zunächst eine Äußerung der Kaiserlichen Gesandtschaft erbitten und deren Ansichten oder auch Gegenvorschläge abwarten zu sollen, ehe Euer Exzellenz ich meinerseits berichtete. Indem ich den von Yin Chang übertragenen und hier in der Übersetzung richtig gestellten Text der Verkehrsbestimmungen sowie mein Schreiben an die Gesandtschaft und deren Erwiderung abschriftlich beifuge, darf ich mir gestatten, Euer Exzellenz meine Stellung zu den Vorschlägen des Gouverneurs von Shandong zu entwickeln und die Unterstützung zu deren Verwirklichung zu erbitten. Daß unter den neuen, bis jetzt ohne Analogie in China bestehenden Verhältnissen, wie sie durch die Tätigkeit der Syndikate im Innern der Provinz und in der unmittelbaren Nachbarschaft des Schutzgebietes geschaffen sind, eine Form fur eine möglichst schnelle und gründliche Beilegung von Streitigkeiten, Erledigung von Reklamationen und anderen Auseinandersetzungen zwischen deutschen Reichsangehörigen und der eingesessenen Bevölkerung zu finden ebenso wünschenswert wie notwendig erscheint, erkennt der Kaiserliche Gesandte uneingeschränkt an. Während er jedoch vom Standpunkte der Notwendigkeit die Vorschläge des Gouverneurs von Shandong durchaus billige, findet er, daß den Ausführungen formelle Schwierigkeiten entgegenstehen. In welcher Weise sich die formellen Schwierigkeiten lösen lassen, darüber fehlen leider alle positiven Vorschläge. Es wird ein Anlauf zur Lösung genommen, daß eine Änderung hinsichtlich der konsularischen Ressortverhältnisse in der Provinz Shandong sich empfehlen und ein besonderer Konsularbeamter mit dem Sitz in dem chinesischen Teile der Provinz Shandong bestellt werden könnte - jedoch fehlt, soweit dieser Vorschlag überhaupt positiv genannt werden kann, die Angabe, in welcher Weise die Vertragswidrigkeiten dieses Vorschlages (Artikel 4 des Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtvertrages vom 2. September 1861: Die kontrahierenden Staaten sollen das Recht haben, fiir 18 jeden offenen Hafen oder jede dergleichen Stadt in China einen Konsul zu ernennen) bei dem Mangel an offenen Häfen oder Städten in dem zur Frage stehenden Gebiete überwunden werden kann oder wird. Der Kaiserliche Gesandte kommt schließlich zu der Überzeugung, daß die Vorschläge des Gouverneurs zwar praktisch sind, jedoch es besser erscheint, am Alten festzuhalten. Ich vermag diesen Standpunkt nicht zu teilen. Sowie die Verhältnisse augenblicklich liegen, besteht eine Notlage, und ich stehe nicht an, offen zu erklären, daß falls der Gouverneur von Shandong nicht freiwillig solche, der praktischen Geschäftsbehandlung dienliche Vorschläge gemacht und uns seine Bereitwilligkeit angeboten hätte, auf unwesentliche Modifikationen dieser Vorschläge einzugehen, wir unsererseits der chinesischen Regierung solche oder ähnliche Vorschläge hätten aufzwingen müssen. Das Hinterland von Kiautschou, als das vorläufig ausschließlich für das Schutzgebiet der Eisenbahn- und Bergwerksrayon in Betracht kommt, untersteht augenblicklich fiir die Präfek18 Es handelt sich hierbei um den Vertrag, den die Preußische Ostasienexpedition 1861 mit China abgeschlossen hatte Zur Ostasienexpedition und der Bedeutung des Vertrages siehe Einleitung zu Kapitel 1. Die wichtigsten Bestimmungen des Vertrages sind abgedruckt in: Stoecker 1958:269-272.

324 turen Dengzhoufu, Laizhoufu, Qingzhoufii und Tai'anfu dem Amts- und Jurisdiktionsbezirk Tianjin. Macht ein deutscher Bergmann von hier nach Yizhoufu eine Reise, so würde er rechtlich sich zuerst wegen eines Passes an das Konsulat in Tianjin zu wenden haben, mit anderen Worten, im Winter, falls alles sehr glatt geht, 3 - 4 Wochen untätig hier warten müssen; mache der Magistrat von Jimo Schwierigkeiten, indem er pöbelhafte Bewegungen an der Grenze gewähren läßt oder sind Störungen des Bahnbaues in Lancun, eine halbe Tagesreise von hier, oder in Gaomi zu befurchten, so würde der rechtliche Weg sein, durch die Vermittlung der Kaiserlichen Gesandtschaft den Konsul in Zhifu zu einer Reise nach Qingdao zu veranlassen, wo ihm unter Umständen Gelegenheit geboten wird, die Vorgänge zu studieren und wo er über die Verhältnisse aufgeklärt werden könnte, damit er dann an Ort und Stelle die Schwierigkeiten mit den chinesischen Beamten zu regeln versucht. Über die eventuelle Regelung würde er darauf seiner Vorgesetzten Behörde, dem Kaiserlichen Gesandten, Bericht erstatten, und durch diese Vermittlung würde dem Gouvernement Mitteilung über das Veranlaßte zugehen. Tritt keine Regelung ein, so fehlt ihm die enge Fühlung mit den Ansichten des Gouvernements, um unter Umständem durch Drohungen einen Druck auszuüben, der Nutzen würde also nur gering sein. Ich brauche bei ähnlichen Verhältnissen nicht zu verweilen, um darzutun, daß dergleichen Umständlichkeiten, wie sie die jetzigen Ressortverhältnisse vorschreiben, jeder vernünftigen Geschäftsbehandlung hohnsprechen und daher bis jetzt auch weder von dem Kaiserlichen Gesandten noch von den chinesischen Beamten noch von meinen Vorgängern oder mir beobachtet sind. Euer Exzellenz wissen, daß, wo es not tat, ich selbst ruhig in die Jurisdiktionsbefugnisse der Behörden des Auswärtigen Amtes eingegriffen habe, nicht deshalb, weil ich mir nicht bewußt gewesen wäre, daß ich einen Übergriff beginge, sondern einfach deshalb, weil es nicht anders ging; weil ich weiß, daß die Kolonie darunter leiden muß und leidet, wenn kleinlicher Formalien halber Verschleppungen eintreten oder der Schein erweckt werden könnte, daß durch Verschleppungen eine Beugung des Rechts oder eine Verdunkelung gerechter Ansprüche chinesischer Untertanen oder auch von Tatsachen bei einem strafbaren Zusammenstoß zwischen Angehörigen der beiden Nationen bezweckt oder auch nur geduldet werden sollte. Wollen wir überhaupt Vorteile aus dem Pachtgebiete oder, was dasselbe ist, aus der Provinz Shandong ziehen, so hängt alles davon ab, daß wir das Vertrauen der chinesischen Bevölkerung gewinnen und auch den Schein der Ungerechtigkeit meiden. Das allgemeine Interesse steht hier höher als die Ressortverhältnisse. Ich habe aus Zweckmäßigkeitsgründen keinen Augenblick gezögert, dem Wunsche des Vorgängers des jetzigen Gouverneurs nach einer Erleichterung der Paßausstellung zu entsprechen. Wenn der Gouverneur fur seine Person mir zusagt, daß er trotz der Bestimmungen des Deutsch-Chinesischen Vertrages alle von mir ausgestellten Pässe für seine Provinz, falls ihm rechtzeitig Nachricht zugeht, als gültig anerkennen wird und allen mit solchen Pässen versehenen Personen in der ihm unterstehenden Provinz den vertragsmäßigen Schutz gewähren will, so müßte es nach meiner Meinung eine törichte Handlung gewesen sein, wenn ich im Interesse der Sicherheit und Bequemlichkeit der in dieser Provinz beschäftigten Reichs-

325 angehörigen diesen Vorschlag nicht mit Freuden angenommen hätte. Wenn der jetzige Gouverneur in sinngemäßer Anwendung des für die heutigen Verhältnisse doch nicht zugeschnittenen Chinesisch-Deutschen Vertrages verlangt, daß der von mir oder in meinem Auftrage ausgestellte Paß von einem chinesischen Beamten visiert und gestempelt wird und er jedem Paßinhaber den vertragsmäßigen Schutz der Ortsbehörden für den Umfang der Provinz zusichert, so ist doch darin ein außergewöhnliches Entgegenkommen des Gouverneurs zu finden, das von einer generellen Änderung der durch Vertrag zwischen den beiderseitigen Staaten festgesetzten Bestimmungen, um die Worte des Kaiserlichen Gesandten zu gebrauchen, weit entfernt ist! Daß der Gouverneur von Shandong dem Gouverneur des Kiautschou-Gebietes dieselben Befugnisse zur Ausstellung eines Passes für den Umfang der von ihm verwalteten Provinz anerkennt wie dem Konsul in Zhifu und Tianjin, kann doch nur auf Zweckmäßigkeitsgründen beruhen und sollte eigentlich von uns erzwungen werden, wenn es nicht geboten würde; das Anerkenntnis kann doch nur einer Absicht entspringen, die, weit davon entfernt, die Bewegungsfreiheit Deutscher im Inlande dauern schwer zu beeinträchtigen, gerade das Bestreben verfolgt, dem Verkehr möglichste Erleichterung zu verschaffen. Von einer Beschränkung der Bewegungsfreiheit ist in dem Vorschlag des Gouverneurs, so wie er mir vorliegt, nichts zu finden; ausdrücklich gestattet er den Modus nur für die Provinz, in der er regiert, und läßt im übrigen alles genau so, wie es auch sonst war. Da ich wirklich keinen anderen Ausweg aus unleidlichen Zuständen sehe, so werde ich auf den Vorschlag des Gouverneurs eingehen. Ich verwahre mich dabei ausdrücklich dagegen, hiermit eine generelle Änderung der Vertragsbestimmungen, deren Geiste gerade das Verfahren entspricht, herbeizuführen. Euer Exzellenz Einverständnis mit diesem den Verträgen durchaus angepaßten Verfahren, wobei die Ausstellung des Passes seitens des deutschen Beamten nur insofern von Wesentlichkeit ist, als sie die Legitimation des Paßinhabers besorgt, die dem Gouverneur des Kiautschou-Gebiets auch möglich sein dürfte, während das Essentielle die Anweisung der Ortsbehörden zur Ausübung des Schutzes seitens des chinesischen, den Paß visierenden Beamten ist, glaube ich voraussetzen zu dürfen. Von ebenso großer Wichtigkeit wie die Lösung der Paßschwierigkeiten erscheint der von dem Gouverneur vorgeschlagene Ausweg für die Regelung vorkommender Streitigkeiten. Auch der Kaiserliche Gesandte erkennt die Notwendigkeit an, eine Form für eine schnelle und gründliche Beilegung von Streitigkeiten, Erledigung von Reklamationen und anderen Auseinandersetzungen zwischen deutschen Reichsangehörigen und der eingesessenen Bevölkerung zu finden. Aus dieser Notwendigkeit heraus habe ich verschiedene Male Offiziere und Beamte behufs Vornahme von Verhandlungen in das Innere senden müssen. Mit dem Magistrat von Jimo sind in Jimo und Lancun Verhandlungen zur Beilegung gewisser lokaler Verkehrsstörungen gepflogen; mit dem chinesischen Beamten in Gaomi in dieser Stadt und ich muß anerkennen, daß diese Verhandlungen im allgemeinen sich zweckmäßig bewiesen und den Nutzen, der von ihnen erwartet wurde, gebracht haben. In den meisten Fällen wird es sich um Beilegung von Differenzen lokaler oder privater Natur - nur von solchen kann natürlich die Rede sein - zwischen den Angestellten der Eisenbahn und des Bergbaus und der

326 chinesischen Bevölkerung handeln; noch wichtiger jedoch als die Beilegung entstandener Differenzen erachte ich die Vorbeugung von solchen und die Verhütung ernstlichen Unheils aus kleinen Anfängen, das, falls nicht zur richtigen Zeit seitens eines erfahrenen Beamten eingegriffen wird, die Entwicklung unseres Gebietes hemmen muß. Ich kann auf dieses Recht des unmittelbaren lokalen Eingreifens in Zeiten drohender oder ausgebrochener Gefahr nicht verzichten; die Erfahrung hat mir bewiesen, daß ein solches unmittelbares und sofortiges Eingreifen selten seine Wirkung verfehlt; eine verständige und sachkundige Erörterung von Differenzen, wie sie dem chinesischen Wesen angepaßt ist und die persönlich zur Beilegung in einer oder der anderen Form fuhrt, erspart unter Umständen mühsame und opferreiche Expeditionen. Während des Bahnbaues können Differenzen jederzeit ausbrechen; keinen Augenblick sind wir vor Überraschungen sicher. Noch stehen wir am Anfang des großen Werkes, von dessen Vollendung unsere Kolonie ihr eigentliches Aufblühen erwartet, mit jedem Schritt weiter werden sich, wie wir uns nicht verfehlen dürfen, auch die Schwierigkeiten mehren. An dem ruhigen Fortgang der Arbeiten hängt die Zukunft der Kolonie; diese zu sichern, ist meine erste Aufgabe, meine höchste Pflicht; um sie zu erfüllen, kann ich ebensowenig wie in der Vergangenheit auch in Zukunft auf von friedlichen Bestrebungen dienendes direktes Eingreifen in lokale chinesische Wirren verzichten. Die Kolonie interessiert augenblicklich in erster Linie der Eisenbahn- und Bergbau, mit dem ihr Wohl und Wehe unauflösbar vereint ist; der von diesem beherrschte Rayon der Provinz muß meiner Tätigkeit augenblicklich nach der oben geschilderten Seite hin offen gehalten werden. Was nützt mir, selbst angenommen daß entgegen unserem Vertrage fur den Eisenbahn- und Bergbaurayon ein besonderer Konsularbeamter in einer nicht offenen Stadt durchgedrückt werden könnte, ein solcher? Alle Interessen der Eisenbahn und des Bergbaus laufen augenblicklich hier zusammen; hier sitzen die Leiter, mit denen ich im ständigen Verkehr mich befinde; alle Schläge, die den Gesellschaften versetzt werden, fallen auf die Kolonie zurück; drohende Gefahren sind am leichtesten von hier aus zu erkennen und in ihrer Tragweite zu beurteilen. Will ich das, was ich als das Wohl der Kolonie erkannt habe, verfolgen und zum Besten der Kolonie etwas ausrichten, so muß ich schnell handeln und mich dabei auf die mir untergebenen und ergebenen, mit den Verhältnissen und meinen Absichten vollkommen vertrauten Beamten verlassen können; mit Beamten anderer Ressorts glaube ich bei den unfertigen und im Werden begriffenen Zuständen das Ziel nicht erreichen zu können. Es handelt sich bei den praktischen Vorschlägen des Gouverneurs von Shandong, wie ich noch einmal wiederhole, lediglich um Beilegung und Vorbeugung von Störungen lokaler und privater Natur, außerdem um ein Provisorium fur die Periode der Entwicklung, sowie feste und gesicherte Verhältnisse eingetreten sind erachte ich die Festlegung der Ressortverhältnisse selbst für durchaus wünschenswert - nur darf ich augenblicklich nicht auf das bis jetzt unangefochten ausgeübte Recht der Verständigung mit den chinesischen Beamten verzichten, wenn ich meiner Aufgabe gerecht werden will. Die von der Kaiserlichen Gesandtschaft gegen die Ausübung dieser Tätigkeit erhobenen Bedenken sind nicht stichhaltig; geht man von der Notwendigkeit einer direkten Verständigung aus, so erscheint der von dem Gouverneur von Shandong angedeutete Ausweg, wie auch die Kaiserliche Gesandtschaft zugibt, allein

327 praktisch; ein Eingehen auf diese Vorschläge in der von mir angegebenen Form an unwesentlichen Bedenken scheitern zu lassen, muß ich für gefährlich erachten. Was will eigentlich der Gouverneur von Shandong? Zur Herbeiführung geordneter Zustände bewilligt er einmal, daß Pässe fur in dieser Provinz reisende Reichsangehörige in einer den Verträgen angepaßten, auf die besonderen Umstände zugeschnittenen Form ausgestellt werden, zweitens, daß ich einen Beamten namhaft mache, der mit einem von ihm zu dem gleichen Zwecke ernannten Beamten vorkommenden Falls sich verständigt und unser beiderseitiges Eingreifen, vorbehalten bei Störungen lokaler oder privater Natur, eine Einigung herbeiführt. Es handelt sich hier um einen persönlichen Wunsch des chinesischen Beamten, schwierigen und ungeregelten Zuständen, soweit er persönlich etwas dazu tun kann, ein Ende zu machen. Da ich seine Vorschläge als allein durchfuhrbar anerkennen muß, so werde ich vorläufig den Kommissar für chinesische Angelegenheiten als diesen Beamten namhaft machen; das Bedenken der Nachsuchung der Befugnis konsularischer Funktionen bei der chinesischen Regierung fällt, da der Gouverneur den Beamten als meinen Vertreter anzuerkennen sich erboten hat, ebenso fort, wie die übrigen von der Kaiserlichen Gesandtschaft erhobenen Befürchtungen. Ich betrachte den Vorschlag des Gouverneurs von Shandong als eine persönliche Verständigung zwischen ihm und mir, bei der ich lediglich einen persönlichen Wunsch von ihm erfülle und die im Grunde nur ein bis dahin geübtes Verfahren fixiert. Bei der Aussichtslosigkeit und Zwecklosigkeit eines anderweitigen Modus für eine Verständigung unter den augenblicklichen Verhältnissen nehme ich keinen Anstand, auch zu dieser Maßnahme Euer Exzellenz Einverständnis voraussetzen zu dürfen. 19

In meinem Schreiben an die Kaiserliche Gesandtschaft vom 14. April 1900 bin ich ausführlicher auf einen Punkt eingegangen, der mir vor allem im Interesse eines friedlichen Zusammenlebens zu liegen scheint. Es heißt dort: „Gewisse Streitigkeiten werden sich am besten an Ort und Stelle von den beiden Beamten erledigen lassen. Wird gegen einen deutschen Angestellten der Gesellschaften ein Strafverfahren anhängig gemacht, so wird darauf bestanden werden müssen, daß dieses vor dem Kaiserlichen Gericht in Qingdao anhängig zu machen ist. Klage gegen einen Chinesen kann bei dem Verkehrsbeamten anhängig gemacht werden, wobei der deutsche Beamte zu benachrichtigen und zur Teilnahme an den Verhandlungen einzuladen ist. Um zu vermeiden, daß die Anzeige machenden Personen oder Zeugen den weiten Weg aus dem Innern nach Qingdao zurücklegen und bei ihnen vollkommen fremden Verhältnissen leicht rechtlos dastehen, wird das Gericht sich in wichtigeren Sachen zweifellos gerne der Mühe unterziehen, an Ort und Stelle eine Vernehmung und Sachuntersuchung vorzunehmen. Diese bildet die Grundlage für die vom Kaiserlichen Gerichte zu Qingdao zu fallende Entscheidung in der Art, daß die Beweisaufnahme-Verhandlung in der Hauptverhandlung eventuell verlesen wird." Es würde keine formellen Schwierigkeiten bereiten, für den von mir in Aussicht genommenen Kommissar der Chinesenangelegenhei-

19 Vgl. Jaeschke an Ketteier, in: BAP, DBC, Nr. 1240, Bl.lff. In dem Schreiben informierte Jaeschke die Gesandtschaft über die Vorschläge von Yuan Shikai.

328 ten 2 0 , der lange Jahre konsularische Befugnisse ausgeübt hat und dem die Fähigkeit zur selbständigen Verwaltung eines konsularischen Postens seitens des Auswärtigen Amtes zuerkannt ist, zum Zwecke der Vornahme von Untersuchungen und Erledigung von Streitfragen im Sinne des Gouverneurs von Shandong die nötige Genehmigung zu erwirken, falls ein solches Verfahren überhaupt sachlich empfohlen werden könnte. Ich habe absichtlich darauf verzichtet und zwar aus Gründen, den dem in Anlage abschriftlich beigefugten Schreiben des 71 · Kaiserlichen Herrn Gesandten vom 8. November 1899 sowie einer Ausführung des Kaiserlichen Konsuls in Zhifu vom 31. Oktober 22 dieses Jahres entnommen sind. Abgesehen von Gründen der Unzulänglichkeit konsularischer Einrichtungen sind es nach Ansicht des Kaiserlichen Gesandten Erwägungen politischer Art, die ein Verfahren vor dem Gerichte des Kaiserlichen Schutzgebiets wünschenswert machen. Diesen Erwägungen stimme ich durchaus bei; auf der anderen Seite aber kann ich mich auch nicht der Überzeugung verschließen, daß alsbald nach Bekanntwerden eines von oder an Deutschen ausgeführten Vergehens und Verbrechens eine sofortige Untersuchung an Ort und Stelle erforderlich ist. Gerade daß bis jetzt in ähnlichen Fällen eine gewisse Säumigkeit auf deutscher Seite hervorgetreten ist, hat bei den chinesischen Behörden einen schlechten Eindruck hervorgebracht. Eine Abstellung dieses Mangels dadurch, daß von der Bestimmung Gebrauch gemacht wird, nach welcher Strafverfahren gegen Angestellte der Bergbau- und Eisenbahnsyndikate sowie sonstige im Innern der Provinz sich aufhaltende ihren eigentlichen Wohnsitz in Qingdao besitzende Personen vor dem Kaiserlichen Gericht in Qingdao anhängig gemacht werden können, halte ich für dringend geboten. Das von mir in Aussicht genommene Verfahren stützt sich auf folgende Erwägungen: Nach der Strafprozeßordnung (§§7 und 8) ist der Gerichtsstand bei demjenigen Gerichte begründet, in dessen Bezirk die strafbare Handlung begangen ist oder in dessen Bezirk der Angeschuldigte zur Zeit der Erhebung der Klage seinen Wohnsitz hat. Beide Gerichtsstände sind gleichberechtigt. Bei dem von der Kaiserlichen Gesandtschaft an der angeführten Stelle für die Konsulate allgemein geltend gemachten Bedenken wird man aus Gründen der Zweckmäßigkeit und der Politik stets auf den Gerichtsstand des Wohnsitzes zurückgreifen, soweit sich dieser Wohnsitz in dem deutschen Schutzgebiete mit seiner vollkommenen Gerichtszusammensetzung nachweisen läßt. Nach dem Deutsch-Chinesischen Vertrage von 1861 (Art.8)23 sowie den Spezialbestimmungen vom 31. März 188024 (§7) hat ein deutscher Staatsangehöriger wohl das Recht, im Innern Chinas zu reisen, nicht aber dort seinen ständigen Wohnsitz zu nehmen. In China sind 20 Dabei handelte es sich um Wilhelm Schrameier. Zu den Aufgaben dieses Amtes siehe Einleitung zu Kapitel 3 21 Nicht in den Akten. 22 Nicht in den Akten. 23 Siehe Anmerkung oben. 24 Die erwähnten Spezialbestimmungen stellen eine Zusatzkonvention zum deutsch-chinesischen Vertrag von 1861 dar und enthalten besondere Bestimmungen zur Erleichterung für Handel und Schiffahrt zwischen Deutschland und China, vgl. Stoecker 1958:95-112.

329 allein die offenen Plätze (Vertragshäfen) dem Ausländer als Wohnsitz angewiesen. Von den Angestellten der Eisenbahn- und Bergbaugesellschaften, die sich im Innern aufhalten, muß ohne weiteres angenommen werden, daß sie ihren ständigen Wohnsitz da haben, wo auch die Gesellschaften eingetragen sind, nämlich in Qingdao. Ebenso wird bei Kaufleuten, die von hier aus eine Reise in das Innere der Provinz antreten, ohne Zwang angenommen werden können, daß sie ihren Wohnsitz da haben, wo ihre Firmen eingetragen sind oder wo sie in der Zeit, da sie nicht im Innern weilen, sich gewöhnlich aufhalten, nämlich Qingdao. Für diese Personen ist damit auf der Grundlage des Deutsch-Chinesischen Vertrages der Gerichtsstand in Qingdao begründet. Der Vertrag zwischen dem Deutschen Reiche und China wegen Überlassung von Kiautschou sowie dessen zweiter Teil über die Eisenbahn- und Bergwerkskonzessionen von 189825 enthält keine gegenteiligen Bestimmungen, insofern als auch in diesen Abmachungen nicht vorgesehen ist, daß ein deutscher Staatsangehöriger seinen Wohnsitz in China nehmen kann. Folgerichtig würde das Kaiserliche Gericht in Qingdao für die Untersuchungsverhandlungen zuständig sein. Es besteht kein Zweifel, daß das Gericht in wichtigen Fällen die Mühe nicht scheuen wird, die gedachten Untersuchungsverhandlungen an Ort und Stelle anzuordnen und vorzunehmen. Für die Fälle, wo der zum Richter bestellte Beamte behindert sein sollte, die Reise zu unternehmen, tritt nach den Ausfuhrungsbestimmungen der Verordnung betreffend die Rechtsverhältnisse in Kiautschou vom 27. April 189826 der Zivilkommissar an seine Stelle. Ist auch dieser behindert, so habe ich es nach der gedachten Verordnung in der Hand, andere geeignete Personen und somit auch den Chinesenkommissar fiir diesen Fall als Richter zu bestellen. Da für die Abhaltung von Gerichtstagen im Innern der Provinz dieselben, wenn nicht noch größere Unzulänglichkeiten wie für die Konsulate bestehen, da ferner nach Ansicht des Kaiserlichen Gesandten, der ich beipflichte, als politisch richtig erscheint, das Verfahren vor dem Kaiserlichen Gerichte in Qingdao stattfinden zu lassen, so erblicke ich in dem geschilderten Verfahren einen gangbaren Ausweg. Es wird darauf - unter Zulassung des chinesischen Verkehrsbeamten - die Beweisaufnahme vor dem Richter (beziehungsweise seinem Stellvertreter) und dem (entweder mitzubringenden oder an Ort und Stelle ad hoc zu vereidigenden) Gerichtsschreiber, der zugleich eventuell Dolmetscher sein müßte, stattfinden. Die Hauptverhandlung muß in Qingdao stattfinden. Die chinesischen Beteiligten und Zeugen werden dort entweder selbst erscheinen können oder falls dieses für sie praktisch unausführbar ist, die vom Gerichte kommissarisch aufgenommenen Protokolle der Entscheidung zu Grunde gelegt werden. Auf diese Weise darf ich hoffen, daß der Übelstand der jetzigen langsamen und verwirrten Rechtspflege beseitigt und ein geordneterer Zustand geschaffen wird. Da dieses Verfahren durchaus nicht über die mir erteilten Befugnisse hinausgeht und sich praktisch an die Ver-

25 Vgl. Dok. 40. 26 Die Verordnung findet sich im Marineverordnungsblatt 1898, S. 151. Sie regelt die Rechtsverhältnisse im deutschen Pachtgebiet, siehe dazu Einleitung zu Kapitel 3.

330 tragsbestimmungen anlehnt, so darf Euer Exzellenz Einverständnis ich auch für diesen Punkt voraussetzen. Auf die Auslieferungsfrage, über die ich früher eingehend berichtet habe, brauche ich jetzt nicht einzugehen. Ich bitte noch einmal wiederholen zu dürfen, daß bei einem Eingehen auf die Wünsche des Gouverneurs von Shandong es sich nur um ein Provisorium handelt, das seine Begründung in der ungeregelten und in ihrer Entwicklung nicht vorauszusehenden Verhältnisse findet. Ich habe deshalb nicht angestanden, die Wünsche des Gouverneurs von Shandong zu erfüllen. Das Schreiben, in dem dieses geschehen ist, lege ich gleichfalls abschriftlich bei. Jaeschke ΒΑΜΑ, RM 3/6702, Bl. 146-159.

91 Schreiben des Gouverneurs von Kiautschou, Jaeschke, an den Gouverneur von Shandong, Yuan Shikai (28.5.1900) Qingdao, den 28. Mai 1900 Am 23. v.Mts. teilte ich Ihnen mit, daß ich wegen der Verkehrsbestimmungen, die Sie zur Unterzeichnung mir übersandt hatten, mich mit dem Kaiserlich Deutschen Gesandten in Peking ins Einvernehmen gesetzt hatte. Nachdem nunmehr dessen Antwort eingetroffen ist, kann ich Euer Exzellenz folgendes eröffnen, indem ich dabei nicht verfehle, meinen Dank dafür auszudrücken, daß die Anregung in dieser Angelegenheit von Ihnen ausgegangen ist und die Verkehrsbestimmungen in einer Form aufgesetzt sind, der ich im allgemeinen nur zustimmen kann. Entsprechend Euer Exzellenz Vorschlag in Artikel I der Verkehrsbestimmungen werde ich den Kommissar für Chinesen-Angelegenheiten abordnen, der mit dem von Ihnen zu ernennenden und mir noch anzuzeigenden Beamten in jedem einzelnen Falle verhandelt. In der Paßfrage werde ich in Übereinstimmung mit Artikel II Ihrer Vorschläge verfahren. Klagen gegen solche Deutsche, die ihren ständigen Wohnsitz in Qingdao haben, was bei allen in der Provinz Shandong arbeitenden Eisenbahn- und Bergwerksbeamten der Fall ist, können nach Deutschem Gesetze vor das Kaiserliche Gericht in Qingdao gezogen werden. Der Richter oder in seiner Behinderung der Ausfuhrungsbeamte werden sich jedoch zur Vernehmung von Zeugen und zur Feststellung des Tatbestandes zusammen mit dem Verkehrsbeamten an Ort und Stelle begeben. Es wird dadurch erreicht werden, daß die gemeinsame Untersuchung in allen Fällen sofort und ohne Säumen einsetzen kann. Das Urteil wird vom Kaiserlichen Gericht in Qingdao gefällt auf Grund der hierbei aufgenommenen Protokolle; Kläger und Zeugen können auch bei der Gerichtssitzung, in welcher

331 das Urteil gefällt wird, zugegen sein. Das Deutsche Gesetz leistet Gewähr für einen unparteiischen Urteilsspruch. Klagen von Deutschen gegen Chinesen können vor dem Verkehrsbeamten anhängig gemacht und in Gegenwart der Ausfuhrungsbeamten zum Austrage gebracht werden. In allen Fällen lokaler Störungen oder privater Differenzen werden entsprechend Artikel V der Ausfuhrungsbeamte und der chinesische Verkehrsbeamte alle Vorkommnisse nach den Grundsätzen der Billigkeit und des Entgegenkommens behandeln, indem das Ziel die rasche Erledigung sein soll. Bei solchen Chinesen, die sich nach Begehung einer strafbaren Handlung in China nach dem Deutschen Gebiete flüchten, werde ich nach wie vor gern meine Hilfe zur Habhaftmachung und Auslieferung eintreten lassen. Auch ich fasse die Abmachungen so auf, daß sie sich auf die Erledigung lokaler Verhältnisse beziehen und keinen Eingriff in die Tätigkeit der beiderseitigen Behörden in Peking bilden sollen; ferner daß sie einen Versuch darstellen, dem nur ein provisorischer Charakter innewohnt. Mit Euer Exzellenz gebe ich mich der Hoffnung hin, daß diese Verkehrsbestimmungen zur zufriedenstellenden Erledigung vorkommender Fälle und damit zur Festigung der guten Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern führen werden. Der Kaiserliche Gouverneur, gez. Jaeschke. Β AP, DBC, Nr. 1249, Bl.5-6.

92 Schreiben des Gouverneurs von Kiautschou, Truppel, an das Reichsmarineamt (12.10.1901) Geheim! Anlage Α zum Monatsbericht

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28

Besprechung mit dem Gesandten b) Eisenbahn.

29

[...]

27 Anlage zum Monatsbericht für September 1901. 28 Die Besprechung mit dem deutschen Gesandten Mumm von Schwarzenstein fand Ende September in Peking statt. 29 Zunächst wurden allgemeine Fragen der deutschen China-Politik erörtert.

332 Ich brachte zur Sprache, daß ich eine Konzession für die Linie Jining-Kaifengfu für wichtig und den Ausbau dieser Linie (zur Erschließung von Hunan, zum Anschluß an die PekingHankou-Bahn) fur die größte Notwendigkeit halte, noch notwendiger als Tianjin-Jinanfu oder doch als den südlichen Abschluß des Kreises und die Verbindung von da (Yixian) mit der englischen Linie nach Jinjiang. Letztere Verbindung halte ich sogar für gefährlich, weil sie geeignet wäre, einen Teil des Verkehrs hinter Qingdao vorbei direkt nach dem Yangzi zu führen. Der Gesandte trat diesen Ausführungen bei, über die ich im nächsten Bericht noch eingehender berichten werde. c) Seezoll. Wurde nur allgemein erörtert. Der Gesandte fand meinen ihm mündlich entwickelten Standpunkt wichtig. Er gab mir mehrfach Gelegenheit, Sir Robert Hart zu sehen und zu sprechen. Ich habe mein im Postbericht30 über ihn abgegebenes Urteil bestätigt gefunden, auch der Gesandte teilte es. Sir Robert Hart wird voraussichtlich im November auf der Durchreise Qingdao besuchen. d) Shandong-Politik. Der Gesandte erkannte meinen Standpunkt an, daß Jinanfu und der chinesische Gouverneur durchaus nach Qingdao gravitieren müßte, und der deutsche Gouverneur möglichst als der deutsche Machthaber hervortreten müsse. Die Entsendung von Lenz war nicht mehr rückgängig zu machen, da sie dem Auswärtigen Amt in Berlin und durch Vermittlung des Zongli Yamen von Yuan Shikai gemeldet war. Aber der Gesandte willigte ein, daß Lenz von Qingdao aus reise, unsere Deputationen gemeinschaftlich aufträten und stellte mir Lenz für alle weiteren Instruktionen zur Verfügung. Ich soll auch seine Reise nach Qingdao und von da nach Jinanfu bestimmen. e) Konsulat Jinanfu. Diese mir sehr am Herzen liegende Frage wollte ich eigentlich nicht berühren, weil mir dafür der Boden in der Gesandtschaft nicht reif erschien. Infolge einer gelegentlichen Anspielung ließ sich der Gesandte aber selbst darüber aus und erklärte mir, aber vertraulich, daß nach seiner Ansicht die Sache bereits beschlossen und schon unter v. Ketteier und zwar, wie er annähme, nach Benehmen zwischen Reichsmarineamt und Auswärtigem Amt in der Weise geregelt sei, daß im Etat 1902 die Stelle gefordert werde. Er selbst habe nur einmal die Anfrage zu beantworten gehabt, welche neuen Konsulate er in China für notwendig halte und darauf telegraphiert: „Abgesehen von Jinanfu (das er für erledigt hielt) noch die und die. Der Gesandte schien dafür zu sein, nunmehr lieber gar kein Konsulat in Jinanfu zu errichten. Er meinte, die Unterstellung des evt. dortigen Konsuls oder Agenten unter den Gouverneur, wäre doch ein Novum, das nur ginge, wenn der Gesandte sich gut stünde mit dem Gouverneur „wie er und ich". Meine Bedenken gegen ein Konsulat, besonders die Nachahmung anderer Nationen, hielt er für gerechtfertigt. Ich habe die Fragen nicht bis in alle Konsequenzen erörtert, glaube aber, wenn der Gesandte befragt würde, ob er zur Zeit die Anstellung eines

3 0 Nicht in den Akten.

333 Gouvemementsagenten (anstatt Konsuls) in Jinanfu befürworte, er dies zur Zeit, d.h. mit dem Vorbehalt der Änderung bei Personalwechsel, tun würde, f) Gaomi-Truppen. Der Gesandte billigte mein Vorgehen, fand auch die beiden Depeschen vom 7. und 16. September 1901 an Yuan Shikai sehr gut und zweckmäßig. Insbesondere versicherte ich mich semer Übereinstimmung zu folgenden 4 Punkten: 1. Die Truppenzurückziehung ist zur Zeit abzulehnen. 2. Die Angelegenheit soll möglichst lokal bleiben und als rein militärische Frage zwischen mir und Yuan Shikai behandelt werden. 3. Das von Jaeschke getroffene Abkommen über Bahnschutz durch unsere Truppen in der Interessensphäre ist nicht als nur für die chinesischen Wirren getroffen anzusehen, sondern „bis auf weiteres" gemäß Jaeschkes Schreiben an Yuan Shikai vom 6. Oktober 1900 und die darauf erfolgte Antwort vom 10. Oktober 1900. 3 1 4. Die im Friedensprotokoll vorgesehenen Truppenzurückziehungen beziehen sich nur auf Zhili und haben mit Shandong (ebenso wie mit Shanghai) gar nichts zu tun. BA/MA, KM3/6746, Bl. 228-230.

93 Schreiben des Gouverneurs von Kiautschou, Truppel, an das Reichsmarineamt (12.12.1902) Qingdao, den 12. Dezember 1902 Btr. Besuch Zhou Fu Euer Exzellenz unterbreite ich in der Anlage den Text der Reden, welche am 8. dieses Monats in meinem Hause gelegentlich des Diners zu Ehren des chinesischen Provinzgouverneurs von Shandong, Zhou Fu, gehalten wurden. Ausfuhrlicher Bericht über den Besuch folgt mit nächster Post. In meinem Telegramm vom gestrigen Tage habe ich die gleichzeitige Anwesenheit des Generals Mei, Bischof v. Anzer, Konsuls Lange, des russischen Obersts Dessino erwähnt, weil ein absichtliches Zusammentreffen nicht ausgeschlossen schien. Nach meiner Überzeugung war es bezüglich der beiden letztgenannten unbeabsichtigter Zufall. Bischof v. Anzer, der schon länger hier war, blieb dagegen ausdrücklich über seine ursprüngliche Absicht, als er die Ankunft Zhou Fus erfuhr, dasselbe war mit General Mei (dem B e fehlshaber im Orte von Jinanfu und Freund Zhou Fus) der Fall.

31

Siehe hierzu die Einleitung zu Kapitel 4 sowie Dok. 84. Die genannten Schreiben Jaeschke an Yuan Shikai, 6.10.1900, und Yuan Shikai an Jaeschke, 10.10.1900, finden sich in PAA, China 22, B d . l , unfoliiert.

334 Reden gehalten beim Galadiner, gegeben von dem Kaiserlichen Gouverneur des Kiautschou-Gebietes, Herrn Kapitän zur See Τ r u ρ ρ e 1, zu Ehren Seiner Exzellenz, des Provinzgouverneurs von Shandong, Z h o u F u , a m 8 . Dezember 1902 in Qingdao. 1. Gouverneur Truppel: „Ich trinke auf das Wohl Seiner Majestät des deutschen Kaisers, des Herrn dieses Gebietes, und auf das Wohl Seiner Majestät des Kaisers von China, unserem großen Nachbarreiche! Hurrah!" 2. Gouverneur Truppel: „Gestatten Euer Exzellenz, daß ich meinen wärmsten Dank ausspreche fur den Besuch, den Sie Qingdao und mir gemacht haben. Der Besuch ist nicht nur mir eine hohe Freude und Ehre, er ist eine Freude und Ehre für alle Bewohner des deutschen Gebietes, für Deutsche und Chinesen. Denn wir alle sehen in Euer Exzellenz Ankunft ein Unterpfand, daß Handel und Wandel zwischen Ihrer Provinz und Qingdao einen lebhafteren Aufschwung nehmen wird, weil durch die persönlichen Beziehungen gegenseitiges Verständnis und Vertrauen erweckt und gefestigt und damit der von uns erstrebte gesunde friedliche Wettbewerb zum Vorteile beider Reiche, Chinas und Deutschlands, ermöglicht wird. Darum haben Euer Exzellenz sich durch diese beschwerliche Reise, der Sie sich trotz Ihres hohen Alters unterzogen haben, ein großes Verdienst erworben, das weit über die Grenzen unserer beiden Gebiete hinausgeht, indem es unsere Völker einander näher bringt. Ich feiere darum diese Reise als eine große und weise, segenbringende Tat Euer Exzellenz zum Besten Ihrer Provinz und des deutschen Gebietes, zum Besten Chinas und Deutschlands! Ich bitte die Anwesenden, unserem Dank und unseren guten Wünschen fur Seine Exzellenz, den Gouverneur der Provinz Shandong, und unseren guten Wünschen fur das Gedeihen Shandongs Ausdruck zu geben durch den Ruf: Seine Exzellenz Zhou Fu, Gouverneur von Shandong, lebe hoch!" 3. Gouverneur Zhou Fu: „China und Deutschland leben in Frieden und Freundschaft, darum knüpfen auch beider Völker Beamte Bande der Freundschaft. Mein jetziger Besuch in Qingdao gilt in erster Linie der Begrüßung Seiner Exzellenz des Herrn Gouverneurs Truppel, in zweiter Linie wollte ich mir aber auch die Handelsverhältnisse beider Länder ansehen. Darin, daß Herr Gouverneur Truppel im Namen der Deutschen Regierung nach weitschauenden Plänen das Gebiet der Jiaozhou-Bucht lenkt, kann ich zu meiner freudigen Genugtuung ein Unterpfand dafür erblicken, daß in Zukunft beider Länder Handel emporblühen wird. Ist auch das Land von Qingdao an Deutschland verpachtet, so ist es doch Shandong-Erde; um so mehr müssen beider Länder Kaufleute Frieden und Freundschaft pflegen; dann werden auch beider Länder Beamte selbstverständlich [miteinander befreundet sein. Sind die Beam-

335 ten [mit] einander befreundet, wie soll es dann dem Handel der Kaufleute beider Länder fehlen! Wenn ich mit General Mei da bin, so kann ich sicher die Ruhe des Landes kräftig aufrecht erhalten. Mein inniger Wunsch ist es, mit Herrn Gouverneur Truppel eines Sinnes zu sein und mit eifrigem Bemühen zu regieren, so daß beider Länder Kaufleute ewige Freude und Vorteil genießen und beider Länder Regierungen das unbegrenzte Glück friedlichen Emporblühens!" BA/MA, RM 3'6718,

Bl.13-15.

94 Bericht des Gouverneurs von Shandong, Zhou Fu, an die Minister des Großen Staatsrats (31.12.1902) 32 Am 8. November 1902 verließ ich die Provinzhauptstadt, um eine Inspektionsreise anzutreten. Vom Xiaoqinghe33 fuhr ich per Schiff nach Zhifu, um die dortigen Handelsverhältnisse zu untersuchen. Obwohl das Geschäft nicht völlig zusammengebrochen ist, sind doch grössere Fortschritte nicht zu erkennen. Die Händler sind äußerst besorgt. Nach dem allmählichen Aufstieg von Jiaozhou und Dalian, haben diese beiden Plätze das Handelsgeschäft von Zhifu an sich gezogen. Ich habe jetzt Li Xijie, den Daotai von Dengzhou, Laizhou und Qingzhou damit beauftragt, die Aufsicht über die Handelsverantwortlichen zu übernehmen und mit ihnen über Maßnahmen nachzusinnen, um den Handel zu beleben. Außerdem sollen entsprechend den Umständen Geschäftssteuern erhoben werden, die fur öffentliche Zwecke verwendet werden sollen. Obwohl es sich dabei um keine hohen Summen handelt, sollten doch die aus dem Handel stammenden Steuern wieder dem Handel zugute kommen und nicht anderweitig veruntreut werden. Am 6. Dezember 1902 begab ich mich nach Weihaiwei.34 Ich sah, daß an diesem Ort kein nennenswerter Handel stattfindet. Die Militär- und Zivilbevölkerung ist sehr spärlich.

32 Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker. 33 Fluß im Norden der Provinz Shandong, der in die Bohai-Bucht mündet. 34 Nachdem Rußland als Folge der deutschen Besetzung der Jiaozhou-Bucht 1898 Port Arthur (Lüshun) von China gepachtet hatte, forderte auch England von China einen Hafen in Nord-China, um nicht gegenüber Rußland benachteiligt zu sein. Unter der Drohung einer militärischen Besetzung stimmte die Qing-Regierung schließlich am 1.7.1898 der Pacht von Weihaiwei, auf der nördlichen Seite der Shandong-Halbinsel, durch England zu. 1930 wurde Weihaiwei an China zurückgegeben, siehe Dong Jinyi 1992:437-443.

336 Ich hatte eine Unterredung mit dem Vertreter Englands Lockhart 35 , die in einer sehr harmonischen Atmosphäre ablief. Wir sprachen dabei auch über die an das Pachtgebiet angrenzenden Goldvorkommen. Der englische Vertreter brachte zum Ausdruck, daß man gern eine gemischte chinesisch-englische Fördergesellschaft gründen wolle. Ich antwortete, daß laut Pachtvertrag nur alles über der Erde gepachtet worden sei, die Dinge unter der Erde aber weiter zu China gehören würden. Ob die Erze des besagten Gebietes ausbeutungswürdig und wie die Aktien für einen probeweisen Abbau aufzubringen seien, obliege der Entscheidung der Zentralstelle für Bergbau in der Hauptstadt. Nun habe ich einen mit den Bergbauangelegenheiten vertrauten Beamten entsandt, der vor Ort Untersuchungen vornimmt. Sobald erste Ergebnisse vorliegen, werde ich darüber erneut berichten. Am 7. Dezember 1902 erreichte ich Qingdao. Der deutsche Chef des Stabes Funke hatte mich mit dem Schiff abholen lassen. Ich wurde äußerst freundlich behandelt und großzügig bewirtet. In Kiautschou sind mehr als 2.000 deutsche Soldaten stationiert. Es existieren ca. 10 deutsche Firmen und ca. 100 kleinere chinesische Handelsgeschäfte. Die derzeitigen Geschäfte gehen sehr flau. Die Deutschen sind emsig beschäftigt. Auf den Baustellen arbeiten täglich tausend Menschen. Es werden etwa hundert kleinere und größere Gebäude im westlichen Stil gebaut, Wege geebnet und Straßen angelegt, Bäume gepflanzt und Brunnen gegraben, Straßenbeleuchtungen geschaffen, Wasserrohre verlegt und Maschinenfabriken errichtet. Deutschland stellt jährlich Mittel in Höhe von 3 bis 4 Millionen Liang bereit. Außerdem werden Kais, Docks und Befestigungsanlagen angelegt. Wie es heißt, wird man dafür über 10 Millionen Liang benötigen. In etwa drei bis fünf Jahren werden die grundlegenden Arbeiten Stück um Stück beendigt sein. Es ist die Absicht der Deutschen, das Handelsgeschäft aufblühen zu lassen und Bergbauunternehmen zu gründen. Sie sind bestrebt, die chinesischen Beamten und Händler für ihre Zwecke einzuspannen. Sie lassen sich von sorgsam vorbereiteten und weitgesteckten Plänen leiten und rechnen sich dabei große Erfolge aus. Ich glaube, daß die Deutschen das Pachtgebiet bereits als ihr eigenes Territorium ansehen. Nach dem KiautschouAbkommen unterstehen die im Pachtgebiet lebenden Chinesen der deutschen Herrschaft. Das läßt sich von uns schwer bestreiten. Zur Zeit besteht kein Anlaß, sich den Deutschen zu widersetzen. Wir können uns nur darum bemühen, durch Industrie- und Handelskontakte eine Kontrolle auszuüben. Auf Grund meiner Erfahrungen bin ich zu der Überzeugung gelangt, daß wir unbemerkt unser Militär reformieren müssen, um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Nach außen sollten wir freundschaftliche Beziehungen pflegen, um unseren diplomatischen Stand zu konsolidieren. Die Verhältnisse in Kiautschou sind überaus kompliziert. Deshalb muß unbedingt verhindert werden, daß üble Elemente Unruhe stiften. Es muß ein befähigter Beamter in das Territorium um das Pachtgebietes entsandt werden, der unter der Bevölkerung das Baojia-System36 reorganisiert, mit den Deutschen die anstehenden diplo35 Stewart Lockhart wurde 1902 zum „Commissioner of Weihaiwei" ernannt. Er unterstand dem „colonial office" in London. 36 Traditionelles System zur Organisation der Gesellschaft, das auf die Song-Zeit (960-1279) zurückgeht. Je 100 Haushalte unter der Leitung eines „Obmannes" bildeten eine gemeinschaftliche Einheit (jia), die

337 matischen Probleme klärt und weitere Ergänzungen zu den Gesetzesbestimmungen aushandelt. So kann die Wurzel des Haders beseitigt und der Anlaß zu kriegerischen Verwicklungen aus dem Weg geräumt werden. Ich verfuge nur über geringe Kräfte und kein großes Talent; auch sind meine finanziellen Möglichkeiten sehr begrenzt. Ich befurchte stark, daß ich unter den derzeitigen Umständen auf große Schwierigkeiten stoßen werde. Von Kiautschou begab ich mich 400 Meilen westwärts mit dem Zug bis Changle. Dort besichtigte ich das Eisenbahnprojekt der Strecke Kiautschou-Jinan. Aller Voraussicht nach wird man in zwei Jahren Jinan erreichen. Inzwischen hat man beim Kauf des Bodens und beim Anstellen der Arbeitskräfte Erfahrungen gesammelt, die Bevölkerung verhält sich ruhig und diszipliniert. Der General Mei Dongyi hat die Aufsicht über den Ostabschnitt der Bahn. Unsere Truppen können relativ reibungslos ihren Patrouillen- und Sicherungsaufgaben nachgehen. Die Truppenkontingente beider Seiten stehen einander gegenüber, ohne daß es zu irgendwelchen Zwischenfallen kommt. Da es mehrere Tage hintereinander geregnet und geschneit hat, kam ich auf dem Weg nur mühsam voran. Am 20. Dezember traf ich wieder in der Provinzhauptstadt ein. Außer dem Bericht über die von mir ergriffenen Maßnahmen habe ich mir erlaubt, auch die Situation des chinesischen Handels in Zhifu sowie die Verhältnisse in den englischen bzw. deutschen Pachtgebieten Weihaiwei und Jiaozhou darzulegen. Ich reiche ehrerbietig meine geheimen Ausführungen ein. Untertänigst mit der Bitte um Einsichtnahme der Kaiserinmutter37 und des Kaisers 38 . 31. Dezember 1902 Auf Kaiserlichen Befehl dem Außenministerium zur Kenntnis. AS/JYS 02-11-13-(IJ,

unfoliiert.

95 Bericht des Gouverneurs von Kiautschou, Truppel, an das Reichsmarineamt (4.1.1903) Qingdao, den 4. Januar 1903

Geheim

Schlußbericht über Zhou Fus Besuch für die Aufrechterhaltung der Ordnung, gegenseitige Hilfeleistungen und die Durchführung von Arbeiten im öffentlichen Interesse (Deichbauten, Straßenbau usw.) verantwortlich waren. Je 10 ,jia" bildeten ein „bao", das folglich aus 1.000 Haushalten bestand, siehe Spence 1990:125f. 37 Es handelt sich um Ci Xi. 38 Gemeint ist der Kaiser Guangxu.

338 Persönliches Zhou Fu scheint mir am treffendsten durch den Vergleich mit Li Hongzhang, seinem Lehrmeister, den er teils künstlich nachahmt, teils natürlich widerspiegelt, geschildert zu sein. Geradezu unchinesisch modern war er in seiner Ablehnung alles Zeremoniellen, wenigstens soweit es ihn bei seiner Absicht, möglichst viel selbst zu sehen und zu hören, hätte stören können. Ihm war es dabei immer um die Sache, nicht um die Form zu tun, und er zog gemütliches Zusammensein und Plaudern zu zweien (mit Dolmetscher) bei Tee und einem Glas Bier den größeren festlichen Veranstaltungen ausgesprochener Massen vor, „weil bei letzterem zu viele Menschen seien, um Dinge ernst zu besprechen." Bewundernswert war seine Ausdauer, mit der der mindestens 66jährige nach so beschwerlicher Land- und stürmischer Seereise, jeden Tag vom Morgen bis zum Abend mit geringen Ruhepausen sich den Besichtigungen, Besprechungen und den Repräsentationen [und] Veranstaltungen widmen konnte, und immer lebhaftes Interesse zeigte. Er war nicht wählerisch in der Anhörung verschiedenster Personen, auch kleiner Chinesen, die sonst wohl kaum vor einem so hohen Mandarin erscheinen dürfen. Darauf hingewiesen, daß er von vielen dieser Leute ihrem Ideen- und Interessenkreis entsprechend kein richtiges Bild über das Wesen der angeregten Fragen bekommen könne, erwiderte er: Diese Leute hätten immer einen kleinen Horizont, und nur „wir" (er meinte sich und mich) arbeiteten nach großen Gesichtspunkten, aber als alter Beamter wisse er schon, das Unrichtige aus den Angaben der Leute auszuschalten. Trotz ungewöhnlicher Vorurteilslosigkeit scheint doch auch in ihm die Meinung bewußt oder unbewußt festzusitzen, es bedürfe nur des Sehens, des Absehens oder des Rezeptes unserer westlichen Errungenschaften, und dann würden die Chinesen es ebenso gut machen können. Hatte demgemäß sein Sehens- und Wissensdurst schon etwas krankhaft Hastiges, so war es noch mehr der Fall mit seinem Tatendurst, wenigstens der angekündigten Taten; alles wollte er gleich in seiner Provinz beginnen oder nachmachen: Schule, Wasserwege, Landwege, elektrisches Licht, Anforstung, deutsche Polizei und deutsche Musik; bei allem fragte er, ob ich ihm dafür einen Beamten oder ein Buch schicken könne. Einiges wird er wohl in Szene setzen und darüber mir noch schreiben, denn seine Unternehmungshast schien mir auch von dem Gedanken getragen zu sein, daß er sich bei seinem Alter beeilen müsse, wenn er noch Epochemachendes leisten und die Früchte selbst noch genießen wolle. Hervortretend war ferner seine Sucht, sich an allem pekuniär zu beteiligen; Aktien zu kaufen, wo ein Unternehmen nur ungefähr nach Aktienbeteiligung aussah, oder Land, wo daraus ein gutes Geschäft zu werden schien. Abgesehen von den Eisenbahn- und Bergbau-Aktien, bei deren Erwerb anscheinend auch anderes chinesisches Kapital beteiligt ist und wobei politische und wirtschaftliche Gesichtspunkte maßgebend sein dürften, handelte es sich wohl hauptsächlich um Privatgelder, die Zhou Fu hier möglichst sicher oder möglichst gewinnbringend anlegen möchte. Ein gewisser Charakterzug von Habgier oder Gewinnsucht war dabei nicht zu verkennen. Für die Kolonie würde es sicher nur vorteilhaft sein, wenn innerhalb gewisser Grenzen chinesisches Kapital - seien es Staatsgelder oder Privatgelder einflußreicher Leute - an den größten Unternehmungen beteiligt wäre, besonders an solchen, die mit chinesischem Schutz

339 und chinesischen Konsumenten rechnen müssen. Auch als Symptom für das Zutrauen zu unserer Entwicklung wäre die Anlage von Privatkapital seitens Zhou Fu in Qingdao von Bedeutung. Die Seidenspinnerei,39 bei der er sich früher schon durch Bischof von Anzer nach Aktien hatte erkundigen lassen, schien ihm durch schwarze Schilderungen seitens der Konkurrenz in Zhifii wieder etwas verleidet zu sein. Der weitere Ankauf von Eisenbahnaktien schien beabsichtigt zu sein, war aber nach einer Äußerung Zhou Fus von Zhang Zhidong von Yuan Shikai als Superintendenten des Handels der nördlichen Provinzen abhängig, deren Einverständnis er erneut einholen müsse; nachdem seine früheren bezüglichen Bemühungen um Aktien für diese beiden Kollegen erfolglos gewesen. Im persönlichen Verkehr zeigte Zhou Fu bei Wahrung alle Würde eines vornehmen alten Chinesen äußerste Liebenswürdigkeit, und ich kann wohl sagen, mir gegenüber eine gewisse Herzlichkeit bei dem durchaus sich ergebenden gemütlichen Verkehrstone und seinem sichtlichen Bemühen, bei jeder Gelegenheit als der dankbare Gast zurückzutreten, konnte ich die ilim oft nachgesagte hochmütige Herablassung nicht konstatieren. Sein leises Insichhineinsprechen (nach Südchinesenart) mag ihm diesen Ruf eingetragen haben; vielleicht auch mit Recht, da selbst sein Freund, Bischof von Anzer sagt, er spräche leicht wegwerfend und schroff, vertrüge aber auch einen offenes Wort. Seine sogenannte Schwerhörigkeit äußerte sich hauptsächlich in dem ostentativen Schreien seiner Dolmetscher, er selbst machte keinen konsequenten Gebrauch davon und verstand wiederholt, wie aus seinen Mienen und unmittelbarer Antwort hervorging, auch leiser gesprochenes Chinesisch. Wirkung des Besuchs Zhou Fu hat seine Reise hierher in erster Linie aus seiner Reise- und Selbstanschauungsbedürfhis gemacht. Ob er hier herausfinden wollte, wie mit Qingdao oder wie gegen Qingdao als wirtschaftlicher Pforte Shandongs zu arbeiten sei, lasse ich dahin gestellt. Jedenfalls ist im Jinanfu-Yamen eine große Partei, die im letzteren Sinne wirkt, und sie hat, wie aus mehrfachen Äußerungen Zhou Fus selbst hervorging, ihn stark zu beeinflussen gesucht. Für die Art der Aufnahme hier mußte das Programm in beiden Fällen das gleiche sein, und ich glaube, der Besuch hat auf ihn in einem fur Qingdao durchaus günstigen Sinne gewirkt. Selbst wenn man seine bezüglichen Anerkennungen nur als Höflichkeitsphrase gelten lassen will, geht dies doch aus kleinen Veranlassungen, die ihn kein Geld kosten (Verbreitung unserer chinesischen Zeitung im Inneren, Erleichterung des Postwesens), bereits hervor, ebenso aus seinen Kapitalsanlagegelüsten. Jedenfalls hat er die Überzeugung von hier mitgenommen, daß wir nicht mit Unterdrückung der Chinesen, sondern Heranziehung der Chinesen Qingdao und Hinterland entwickeln wollen. Und wenn auch seine übrigen, mit deutscher Hilfe rechnenden Unternehmungen noch auf sich warten lassen mögen, und es vorläufig bei den kleinen Ankäufen während des Besuchs hier an Holz, Zement, Getränken etc. bleibt, so behält doch der Besuch selbst ohne Zweifel seine Bedeutung für das chinesische Volk, als offizielle Weihe des Qingdao-Handels und der Qingdao-Eisenbahn für den Provinzverkehr.

39 Es handelt sich hierbei um die Produktionsstätte der späteren „Deutsch-Chinesischen Seidenindustriegesellschaft", die erst 1903 offiziell ihren Betrieb begann, siehe hierzu Einleitung zu Kapitel 6.

340 Über den Zwischenfall mit dem Chinesenkomitee habe ich besonders berichtet 40 Die damalige Klarstellung war, wie ich jetzt erfahre, auch den hiesigen Chinesen gegenüber durchaus am Platz. Es war von einzelnen eine Bittschrift an Zhou Fu vorbereitet worden, daß hier das Zollsystem des Vertraghafens eingeführt würde. Die Bittschrift wurde nicht überreicht, sondern schleunigst vernichtet aus Anlaß meiner damaligen Belehrung über die Landeshoheit in Qingdao. Äußerungen Zhou Fus und Besprechung mit ihm. Fremdenverkehr und Handel Die erste Frage Zhou Fus bei seinem ersten abendlichen Besuche war, warum noch keine Fremden hier seien. Engländer und Amerikaner hätten ihm gesagt, daß wir gar keine Fremden, absolut keinen Handel und Verkehr in Qingdao haben wollten, sondern nur einen Kriegshafen für unsere Schiffe. Er führte drei Gründe dafür an, daß wir gar nicht beabsichtigten, Handel in Qingdao zu entwickeln: 1. daß auf unseren eigenen Schiffen die Fahrpreise von Shanghai bzw. Zhifu nach Qingdao ebenso hoch seien wie für die doppelte Strecke Zhifu bzw. Shanghai, 2. daß unsere eigenen großen Postdampfer Qingdao gar nicht anliefen, sondern von Shanghai gleich nach Japan gingen, 3. daß die Landordnung41 Fremden den Landerwerb verbiete oder erschwere und überhaupt nicht veröffentlicht sei. Zu 3 wurde ihm das Gegenteil bewiesen, zu 1 und 2 auf eine bessere Zukunft verwiesen. Eisenbahn, Aktien, Hildebrand Demnächst fragte er eingehend nach der Ressortstellung des Gouvernements zur Eisenbahn (wie sich nachher zeigte, wegen seiner Aktienkäufe und seiner feindlichen Stellung zum Baurat Hildebrand). Als ich ihm das lose Verhältnis zur Eisenbahn klar gemacht, sowie daß das Gouvernement nichts mit dem Aktienverkauf und jenseits der Interessenzone überhaupt nichts mit der Eisenbahn zu tun habe, machte er unter Hinweis auf Seezollamt und Brigade-

40 In diesem Bericht heißt es: „Bei dem Empfang chinesischer Kaufleute, die gleichzeitig fast alle unser Chinesenkomitee repräsentieren, hatte Zhou Fu unter anderem Maßnahmen für Förderung des Handels mit der Provinz auch die günstige Wirkung eines chinesischen Konsulats in Qingdao erwähnt, sowie den Vorschlag, einen Beamten herzusenden, um in chinesischen Streitfragen zwischen hiesigen und Shandong-Kaufleuten mitzuwirken oder als Rechtsbeistand zu dienen oder gar das Chinesenkomitee zu leiten. [...] Ich hielt es aber doch für gut, an demselben Abend Zhou Fu in Gegenwart des Zivilkommissars und des Dolmetschers Mootz noch mal darüber zu stellen, was er am Vormittage den Chinesen eigentlich gesagt habe. Er stellte jene incriminierte Auffassung anfänglich als das Mißverständnis der Chinesen hin, war aber sichtlich verstimmt darüber, daß diese überhaupt 'gepetzt' hatten, und schwächte schließlich seine anfängliche Entschuldigung selbst wieder ab, indem er viel ausdrücklicher als bei den früheren akademischen Erörterungen auf die Notwendigkeit eines chinesischen Konsuls und eines von ihm (Zhou Fu) zu sendenden Mandarinen zurückkam, der hier chinesische Streitigkeiten schlichten sollte als Vertrauensmann oder Anwalt unseres Chinesenkomitees. Wie sich dabei herausstellte, war ihm als Chinesen unsere territoriale Gerichtsbarkeit ein ziemlich unfaßbarer Begriff, und er faßte den Pachtvertrag so auf, daß die Qingdao-Chinesen nach wie vor zu ihrer Familie und ihrem Stamm gehörten und damit unter chinesischem Recht stünden und da ihre Rechtshilfe suchen könnten oder müßten " In: Truppel an Tirpitz 30.12.1902, BA/MA, RM3/6718, Bl.71-74. 41 Siehe Dok. 50.

341 Bataillon, - dessen Zugehörigkeit zu „Rohrscheidt" ihm bekannt war - eine scherzhaft mitleidige oder ironisch anerkennende Bemerkung, daß ich das Regieren in dem kleinen Gebiet wohl schwerer habe, als er in der großen Provinz! Dabei war der Post und anderer Ressorts noch gar nicht mal Erwähnung getan. Trotzdem ich ihn bei dem Kapitel „Eisenbahnaktien" an die Deutsch-Asiatische Bank verwies mit dem Bemerken, daß ich über die Vorgänge gar nicht unterrichtet wäre und keinen Einfluß darauf hätte, erging er sich doch in einem scharfen Ausfall gegen Baurat Hildebrand, daß dieser ihm vertragswidrig Aktien vorenthalten, als auch ihn durch groben Briefstil verletzt habe. Er ließ sich auch durch meine Entgegnung nicht beruhigen, daß die Wahl des verletzenden Wortes in dem Briefe oder Depesche keinesfalls Absicht gewesen sein könne, sondern entweder nur Unkenntnis der besonderen chinesischen Sprachfeinheiten oder ein Übersetzungsfehler. Er erklärte sichtlich erregt, mit Hildebrand an der Spitze würde nie ein ordentlicher Eisenbahnverkehr in der Provinz und nach Jinanfu zustande kommen. Ich brach das Thema als nicht in meinen Geschäftsbereich fallend ab. Ich hatte den Eindruck, daß jedenfalls noch anderweitig mir unbekannte Differenzen jenseits der Interessenzone und Anlässe zur Unzufriedenheit der Chinesen mit der Bahn vorliegen; Bischof von Anzer, der wohl der Vertrauensmann beider Seiten, seines Glaubensgenossen Hildebrand und Zhou Fu ist, sprach mir schon vorher allerdings mit größter Reserve von solchen bedauerlichen Differenzen und schien mir auf Zhou Fus Seite zu stehen. Chinesischer Konsul und chinesischer Beamter Er kam wiederholt und in den verschiedensten Angriffsrichtungen auf den chinesischen Konsul oder „eine Art Konsul" in Qingdao zu sprechen und auf einen chinesischen Beamten, der die chinesischen Streitigkeiten schlichten müsse oder als Anwalt diene, damit der chinesische Großkaufmann überhaupt Zutrauen fasse und sich nicht von Qingdao femhielte aus Angst vor fremden, ihm unfaßbaren Verhältnissen. Ich behandelte diese Frage in den in meinem Anfangsbericht vom 30. v.M. G.B.Nr. 8 gemeldeten Sinne, und er selbst betonte auch immer, daß wir beide diese Dinge ja nur als Freunde unverbindlich besprechen könnten, die Verfolgung natürlich bei unseren Regierungen läge. In der ebenso akademisch behandelten Frage des Seezolls vertrat er das Verhältnis des Vertragshafens als das einzig richtige und ursprüngliche und hatte fur andere Methoden überhaupt kein rechtes Verständnis oder tat wenigstens so. Das Pauschalverfahren wies er entschieden von sich, weil „die Russen im Norden und die Franzosen im Süden es ebenso machen würden". Sein Busenfreund, General Mei [Dongyi], hatte mir wiederholt betont, daß Zhou Fu gerade „von Zollfragen ein großer Kenner sei und diese Frage ihn ganz besonders interessiere". Paßfrage Auch die Paßfrage besprach er wiederholt aus eigener Initiative, ebenfalls akademisch und unter Hinweis auf die maßgebliche Lösung in Peking. Dabei war es immer erfreulich zu sehen, wie er die Notwendigkeit einsah, angesichts der Eisenbahn den Fremdenverkehr in der Provinz zu erleichtern und die bisherige Erschwerung durch das jetzige Paßverfahren zu beseitigen. Er hat inzwischen schon in dieser Frage gleich nach Rückkehr und gleichzeitig mit

342 seinem Dankbriefe Vorschläge gemacht, über die ich besonders berichten werde. 42 Er selbst scheint geneigt, sofort in der Provinz einen praktischen Modus einzuführen, ohne sich an die entgegenstehenden Schwierigkeiten des alten, auf die jetzigen Verhältnisse gar nicht mehr passenden Vertrags zu kehren. Chinesische Bank Er griff sofort die von mir angeregte Frage einer chinesischen Bank auf, und zwar gleich vom Standpunkte eigener Unternehmung oder Beteiligung. Er will jedenfalls dafür sorgen. Ebenso sagte er zu, sich für die Verbreitung der Jiaozhou-Bao43 zu interessieren und hat auch bereits geschrieben, daß er Anordnung erteilt hat, sie in der ganzen Provinz zu halten. Polizei Besonderes Interesse hatte er für unsere Polizei-Einrichtung und hat gebeten, seine Polizei hier schulen lassen zu dürfen. Es stünden ihm zwar gute japanische Lehrkräfte zur Verfugung, und er hielte von der japanischen Polizeiorganisation sehr viel; aber da die Eisenbahn deutsch betrieben werde, hielt er es doch für wesentlich, daß wenigstens in dem ganzen von der Eisenbahn berührten Gebiet die Polizei deutsch geschult sei und deutsch verstehe. Forstkultur Sein Interesse für die Aufforstungen zeigte sich sowohl bei dem zweistündigen Empfang des Oberförsters als auch bei Besichtigung des Forstgartens. Er behauptete, waldähnliche Anpflanzungen zu kennen, und steht dem Gedanken einer Zwangsaufforstung des Berggeländes sehr sympathisch gegenüber. Den Nutzen des Waldes sieht er ganz ein, weniger allerdings von allgemeinwirtschaftlichem Standpunkte als mit den Nebengedanken bedeutender, eventuell privater Einnahmen. Die Art und Weise Ravinengelände durch übereinander liegende Stauweiher natürlich zuschlemmen zu lassen und gleichzeitig Wasser zu halten, will er nachahmen und würde sehr dankbar sein, wenn er von den hiesigen deutschen Obstbäumen Edelreiser zur Verbesserung chinesischen Obstes erhalten könnte, ebenso bessere Weinsorten. Er fragte, ob er deutsche Beamte zu Aufforstungs- und Obstplantagenzwecken bekommen könnte, und bat um Zusendung von Büchern und ganz besonders um eine Zusammenstellung der hier gemachten Erfahrungen mit dem festen Glauben, diese schriftliche Theorie sofort schematisch in [die] Praxis umsetzen zu können. Er will von hier Pflanzenmaterial kaufen und die Einführung von Pflanzen irgendwelcher Art aus Shandong nach Qingdao durchaus begünstigen, so daß so die jetzt schwierigen Erwerbungen derartigen Materials erleichtert würden. Schluß In den Anlagen füge ich noch die inzwischen eingegangenen Dank- und Gratulationsbriefe von Zhou Fu und General Mei bei.

42 Nicht in den Akten. 43 Die Jiaozhou-Bao (Jiaozhou-Zeitung) war eine von dem chinesischen Unternehmer und früheren Angestellten der Basler Mission in Süd-China, Li Shi'en, herausgegebene chinesischsprachige Zeitung, die sich an die chinesische Bevölkerung des deutschen Pachtgebietes wandte. Sie erschien von 1900 bis 1914, siehe Seelemann 1982:36.

343 Ich habe Abschriften der 3 Berichte über Zhou Fus Besuch an die Gesandtschaft und das Konsulat in Jinanfu gehen lassen. Truppel ΒA/M A, RM3/6718,

Bl.80-85.

96 Schreiben des Gouverneurs von Kiautschou, Truppel, an den Staatssekretär des Reichsmarineamts, Tirpitz (15.3.1909) Qingdao, den 15. März 1909 In der Verfügung Α III 4301 vom 29. Dezember 190844 fordern Euer Exzellenz einen Bericht über die Neigung der Chinesen des Schutzgebiets, den Gouverneur und die Behörden Shandongs gegen das Gouvernement des Schutzgebiets auszunutzen. Diese Neigung besteht bereits, solange als das Kiautschou-Gebiet sich unter deutscher Verwaltung befindet und ist ein Faktor, mit dem das Gouvernement stets gerechnet hat und auch weiterhin immer wird rechnen müssen. Schon gleich im Anfang, als die Zulassung des chinesischen Seezollamts in Qingdao in Aussicht genommen wurde, ist darauf hingewiesen worden, daß die chinesische Bevölkerung des Schutzgebiets in dem Seezollamt eine Art Chinesenbeschützer erblicken würde, bei dem Klagen und Beschwerden gegen die deutschen Behörden angebracht werden könnten. Das Gouvernement hat auch in der Tat stets seine Aufmerksamkeit hierauf richten müssen, um den in dieser Richtung mehrfach gemachten Versuchen entgegentreten zu können. Die gleiche Frage kam in Betracht bei der Erörterung über die Zulassung eines chinesischen Konsulats fiir das deutsche Schutzgebiet. Gelegentlich des Besuches des Gouverneurs Zhou Fu in Qingdao im Jahre 1902 zeigte sich, daß Zhou Fu und die chinesische Kaufmannschaft offenbar darüber einig waren, der Shandong-Gouverneur sei die eigentlich maßgebende Stelle für die Chinesen in Qingdao, so daß ihnen erst das Gegenteil klargemacht werden mußte. Bei dem Boykott gegen die Hamburg-Amerika-Linie im September und Oktober v.Js. lagen wieder verschiedene Anzeichen dafür vor, daß die Chinesen in Qingdao oder ihre Hintermänner versucht haben, die chinesische Behörde fur die Durchführung des Boykotts zu interessieren. Es war jedenfalls kein Zufall, daß zu der Zeit, als die Hamburg-Amerika-Linie wegen Beilegung des Boykotts verhandelte und zu Zugeständnissen den chinesischen Verschiffen! gegenüber bereit war, mehrere chinesische einflußreiche Kaufleute von Qingdao 44 Nicht in den Akten. 45 Siehe Dok. 93 und Dok 94.

344 auf einige Zeit nach Jinanfu verreisen mußten. Die maßgebenden chinesischen Kaufleute hier besitzen fast alle chinesischen Beamtenrang, den sie sich erkauft haben, und werden der Form nach als Anwärter auf Beamtenstellen in den chinesischen Listen gefuhrt, beziehen auch teilweise nominell Beamtengehalt und stehen in engerem, ständigen Verkehr mit der chinesischen Beamtenschaft. Bei dieser Sachlage ist es, zumal in den letzten Jahren das chinesische Nationalbewußtsein erwacht und erstarkt ist, durchaus natürlich, daß die chinesischen Kaufleute in Qingdao sich in allen Fällen, wo es sich mit ihren persönlichen Geschäftsinteressen irgendwie vereinbaren läßt, stets versuchen werden, sich hinter die chinesischen Behörden zu stecken, um den Fremden Schwierigkeiten zu machen. Nachweisen lassen wird sich das selten, noch weniger wird jeweils festzustellen sein, inwieweit die chinesischen Beamten in solchen Fällen hinter den Kulissen wirken. Truppel BA/MA, RM3/6761,

Bl.227-228.

Kapitel 6

Kiautschou als Handelskolonie und Wirtschaftszentrum

In den Planungen des Staatssekretärs Tirpitz spielte die Entwicklung Kiautschous zu einem bedeutenden deutschen Handelszentrum in Nordchina eine wichtige Rolle.1 Der Erfolg der wirtschaftlichen Entwicklung war für Tirpitz ein Gradmesser fur den Erfolg des gesamten kolonialen Projekts überhaupt. In diesen Konzeptionen war auch impliziert, daß über Kiautschou als Handelshafen der deutsch-chinesische Handel unmittelbar gefördert und gesteigert werden würde. Für die Verwirklichung dieser Ziele waren zwei wesentliche Hindernisse zu überwinden. Erstens kam es darauf an, Verhältnisse zu schaffen, die die großen Handelsfirmen zu einer Ansiedlung im Pachtgebiet bewegen würden. Zweitens konnte es keine positive wirtschaftliche Entwicklung in Kiautschou geben ohne Kooperation mit den chinesischen Behörden, vor allem in Zollfragen. Die Planungen und Vorbereitungen für Kiautschou als deutsches Handelszentrum an der chinesischen Küste erfolgten in den Jahren 1898 und 1899. Die Zusammenarbeit mit China in Zollfragen wurde dann durch die 1899 erzielte Übereinkunft über die Errichtung eines Seezollamtes geregelt. Drei Faktoren sollten dabei eine positive wirtschaftliche Entwicklung garantieren: Handelsfreiheit, Gewerbefreiheit und Zollfreiheit. Die wirtschaftliche Entwicklung blieb jedoch, auch nach Fertigstellung der Eisenbahn 1904, enttäuschend. Zunehmend bemühte sich daher das Gouvernement darum, den chinesischen Handel in Qingdao zu entwickeln. Aus diesen Erwägungen heraus erfolgte eine Revision der Zollübereinkunft im Jahre 1905, durch die das Pachtgebiet unter Aufgabe der Zollfreiheit mit dem Umland in eine Zollunion gebracht wurde. Nach 1907 läßt sich daher ein starker Anstieg des Handels in Qingdao feststellen. Dieser Handel war allerdings größtenteils ein Handel mit anderen chinesischen Häfen und Regionen. Insofern läßt sich von einer „Sinisierung" der Wirtschaft in Kiautschou sprechen. Das ursprüngliche Ziel, Kiautschou zu einem Handelszentrum des

1

Im Gegensatz dazu sahen die Planungen des Oberkommandos eher einen militärischen Stützpunkt vor, siehe Einleitung zu Kapitel 1. Die Priorität der wirtschaftlichen Entwicklung war von Anfang an zielstrebig von Tirpitz verfolgt worden, siehe auch Dok. 43. Er wurde darin natürlich von den Wirtschaftskreisen unterstützt.

346 deutsch-chinesischen Warenverkehrs auszubauen, wurde nicht verwirklicht. Qingdao entwickelte sich dagegen zu einem bedeutenden Hafen für den innerchinesischen Handel.

Die Planungen für Kiautschou als Freihafen und deutsches Wirtschaftszentrum 1898/1899 Bereits in seinem Bericht vom September 1896 über die Jiaozhou-Bucht hatte Tirpitz betont, daß die wirtschaftliche Entwicklung im Zentrum aller Bemühungen um Erwerb und Aufbau eines zukünftigen deutschen Stützpunktes an der Jiaozhou-Bucht stehen müsse. 2 Auch nach der Besetzung strich Tirpitz in seinen Vorlagen zu Aufbau und Administration des deutschen Pachtgebietes weiterhin stets die Priorität des Ökonomischen vor allen anderen Aspekten der Entwicklung Kiautschous heraus. Vor dem Reichstag nannte der Staatssekretär der Reichsmarineamts wiederholt die Entwicklung Kiautschous zu einem Handelszentrum den eigentlichen Ausgangspunkt aller Planungen und Überlegungen für das Pachtgebiet. Ein solches Handelszentrum würde der deutschen Volkswirtschaft und damit „allen Kreisen Deutschlands direkt oder indirekt zugute kommen" 3 . Für Tirpitz war die gezielte wirtschaftliche Entwicklung Kiautschous kein Selbstzweck, sondern sollte zwei konkrete Funktionen erfüllen: Erstens sollte der wirtschaftliche Erfolg eines „deutschen Hongkongs" die wichtige Rolle der Marine in der künftigen Entwicklung Deutschlands zu einer überseeischen Großmacht verdeutlichen - eine Rolle, die nicht nur militärisch, sondern vor allem wirtschaftlich-merkantilistisch interpretiert wurde. Zweitens sollte die wirtschaftliche Entwicklung als Basis für die Erwirtschaftung eigener finanzieller Einnahmen fungieren. Denn ohne substantielle eigene Einnahmen würde die Kolonie ständiger Zuschüsse seitens des Deutschen Reiches bedürfen, die vom Reichstag auf Dauer nicht bewilligt werden würden. Überdies würde der deutschen Öffentlichkeit kaum der Nutzen einer langfristig finanziell bezuschußten Kolonie vermittelt werden können. Grundsätzlich sollten zwei Voraussetzungen, nämlich Handelsfreiheit und Gewerbefreiheit, die Weichen für eine positive wirtschaftliche Entwicklung stellen. Kiautschou sollte ein Freihafengebiet sein, d.h Schiffe aller Nationen sollten die Bucht anlaufen und hier unbehindert Waren löschen oder aufnehmen können. Die Erklärung zum Freihafen erfolgte am 2. September 1898. 5 Zweites sollte Gewerbefreiheit bestehen in dem Sinne, daß jede Form kommerzieller oder industrieller Betätigung im Pachtgebiet zugelassen war. Diese beiden grundsätzlichen Bedingungen allein waren natürlich noch nicht ausreichend, eine wirtschaftliche Entwicklung zu sichern. Entsprechend der hohen Bedeutung der wirtschaftlichen Entwicklung wurden daher die Gouverneure jeweils instruiert, eine aktive Politik zugunsten der Ansiedlung von Handelshäusern und Industrien in Kiautschou zu betreiben. Als der erste 2

Tirpitz an Knorr, 5.9.1896, in: ΒΑ/ΜΑ, Ν 253/45, Bl. 22-32, siehe dazu Einleitung zu Kapitel 1

3

Rede Tirpitz, 31.1.1899, in: SBVR 15:551. Andere ähnliche Ausführungen zitiert Stingl 1978:717ff.

4

Vgl. Dok. 43; vgl auch die Memoiren von Tirpitz 1927:72. Hier spricht Tirpitz von seinem Bemühen, das „Auslandsdeutschtum" an die Marine zu binden.

5

Siehe Rosendahl an Heyking, 2.9.1898, in: BAP, DBC, Nr. 1248, Bl 119.

347 Gouverneur Rosendahl dem nicht energisch genug nachkam, beantragte Tirpitz bei Kaiser Wilhelm II. dessen Absetzung (Dok. 97). Als Nachfolger wurde Paul Jaeschke bestimmt, der von Tirpitz vor seinem Amtsantritt auf die wesentliche Bedeutung der wirtschaftlichen Entwicklung für das Schicksal der Kolonie hingewiesen wurde. Die aktive Wirtschaftspolitik, die Tirpitz von den Gouverneuren erwartete, sollte konkret u.a. die bevorzugte Behandlung von Unternehmen bei Grundstückserschließung und -vergäbe, Mitsprachemöglichkeiten bei der Verwaltung6 sowie politische und, wenn nötig, militärische Unterstützung gegenüber chinesischen Behörden 7 beinhalten.

Die Errichtung eines chinesischen Seezollamtes in Qingdao 1899 Mit den oben geschilderten Entscheidungen zugunsten Gewerbe- und Handelsfreiheit war jedoch noch nicht der wichtigste Bereich berührt, nämlich die Frage des wirtschaftspolitischen Verhältnisses zwischen dem deutschen Pachtgebiet und dem chinesischen Wirtschaftsraum. Diesem Problem widmete Tirpitz von Anfang an große Aufmerksamkeit (Dok. 98). Er wollte durch eine Zollübereinkunft mit China, wie sie im Pachtvertrag vorgesehen war, erreichen, daß Kiautschou den anderen Vertragshäfen in bezug auf Zollerhebung völlig gleichgestellt wurde. Tirpitz verfolgte außerdem die Ansiedlung eines zentralen chinesischen Zollamtes im Pachtgebiet selbst, weil er hoffte, dadurch die chinesische Kaufmannschaft zur Ansiedlung im deutschen Gebiet bewegen zu können. Auf seine Initiative hin wurden dann die Verhandlungen zwischen dem deutschen Gesandten Heyking und dem Generalinspektor Robert Hart in Peking begonnen. Sie dauerten von Juli 1898 bis zum Frühjahr 1899, obgleich bereits im September 1898 eine prinzipielle Einigung über die wesentlichen Grundsätze der Eröffnung eines zentralen Zollamtes in Qingdao erzielt worden war (Dok. 99). Hart forderte nämlich zunächst die Vorlage detaillierter Verfahrensbestimmungen, bevor er als Leiter des Chinesischen Seezollamts der Eröffnung eines Zollamtes zustimmen wollte. Robert Hart führte die Verhandlungen mit dem deutschen Gesandten weitgehend selbständig und unabhängig vom Zongli Yamen (Dok. 100) 9 . Es zeigt sich auch hier, daß die ausländische Leitung der chinesischen Seezollbehörde, wie sie als Ergebnis des Zweiten Opium-Krieges (1858-1860) China aufgezwungen worden war, einen erheblichen Verlust an Kontrolle und Selbstbestimmung für die chinesische Regierung bedeutete. Am 17. April 1899 wurde schließlich die Übereinkunft über die Errichtung eines Seezollamtes von dem deutschen Gesandten Heyking und dem Generalinspektor des chinesischen Seezollamtes Hart unterzeichnet (Dok. 101). Sie wurde vom Zongli Yamen am 26. April 1899 angenommen, allerdings mit der Forderung, den Begriff „Deutsches Schutzgebiet" durch den Ausdruck „Deutsches Pachtgebiet" zu ersetzen (Dok. 102). Die getroffene Vereinbarung stellte 6

Siehe hierzu Einleitung zu Kapitel 3.

7

Dies wird behandelt in Kapitel 4.

8

Vgl. Stichler 1 9 8 9 : 1 2 0 .

9

E s ist darauf hinzuweisen, daß Hart die Ergebnisse dem Z L Y M nur zur Annahme oder Ablehnung vorlegte, ohne die Möglichkeit von Änderungswunschen überhaupt nur einzuräumen.

348 Kiautschou als Durchgangshafen für den Warenverkehr mit Shandong den anderen Vertragshäfen gleich und garantierte darüber hinaus Zollfreiheit für alle Waren, die für Kiautschou bestimmt waren. Für Kiautschou waren mit der Handels-, Gewerbe- und Zollfreiheit außerordentlich günstige wirtschaftliche Bedingungen geschaffen worden, die deutschen und anderen kapitalkräftigen ausländischen Unternehmen einen Anreiz zur Investition und Ansiedlung in Kiautschou bieten sollten.

Die Revision der Zollübereinkunft 1904/1905 Schon nach relativ kurzer Zeit zeigte sich, daß die grundlegende Erwartung auf Ansiedlung moderner Industrie in Kiautschou nicht erfüllt werden würde. 10 Es siedelten sich neben der Shandong-Eisenbahngesellschaft und der Shandong-Bergbaugesellschaft keine anderen grossen Fertigungsbetriebe an. Die großen Chinahandelshäuser eröffneten zwar Filialen und machten gute Geschäfte; sie verdienten jedoch hauptsächlich an den staatlichen Aufträgen des Gouvernements sowie den Aufträgen der Shandong-Eisenbahngesellschaft und der Shandong-Bergbaugesellschaft.11 Auch blieb die Entwicklung des Handels mit Shandong weit hinter den Erwartungen zurück. Shandong war eine Provinz, in der es anders als in den Regionen am Unteren Yangzi (um Shanghai), im Perlfluß-Delta (um Hongkong) und an der Südost-Küste (um Xiamen) fast keine modernen verarbeitenden Industrien gab. Die Kaufkraft der Bevölkerung war gering, ein Absatz teurer europäischer Waren im größerem Umfang erwies sich als unrealistisch. Der deutsche Leiter des Zollamts in Kiautschou, Erich Ohlmer, beabsichtigte auch deshalb schon 1903 eine Änderung der Zollmodalitäten.12 Ziel einer solchen Revision war es, den chinesischen Handel, d.h. den Im- und Export von Shandong mit chinesischen Handelsplätzen nach Kiautschou zu ziehen. Dieser umfangreiche und einträgliche Dschunkenverkehr 10 Es gab eine Anzahl staatlicher Industrien in Kiautschou, wie z.B. die Marinewerft, die Elektrizitätswerke und das Schlachthaus. Diese Betriebe wurden vom Gouvernement betrieben, da private Investoren nicht gefunden werden konnten, siehe Schrecker 1971:227, Seelemann 1982:269-271; 272f. Bis 1914 kam es zu keiner nennenswerten industriellen Entwicklung in Kiautschou, siehe Seeleman 1982:300f. 11 Das Handelsregister von 1903 verzeichnete insgesamt 51 private Firmen. Eine überwiegende Mehrzahl der registrierten Firmen war im Bereich des Handels tätig, darunter waren neben den großen Im- und Exportfirmen auch Kolonialwarenläden, eine Uhrenhandlung, Kohlenhändler, Handwerksbetriebe, Hotelbetriebe, Lade- und Löschbetriebe, Wäschereien, eine Buchhandlung, ein Fotoatelier, eine Lebensmittelhandlung sowie einige Klempner und Baubetriebe. Alle diese Firmen lebten faktisch von Gouvernementsaufträgen. Unter den verarbeitenden Unternehmen gab es die „Anglo-German Brewery Company" (gegründet Dezember 1903), die „Deutsch-Chinesische Seidenindustriegesellschaft" (im Februar 1903 gegründet; 1909 Geschäftsaufgabe), die Ziegelei Kappler und Sohn, das Maschinenbauunternehmen Franz Oster (Geschäftsaufgabe 1912, siehe Seeleman 1982:2720 sowie das Dampfsägewerk Reinhardt Köper. Die Zahl der Insolvenzen war hoch: Von den 51 Firmen mußten sechs Firmen (ca. 12%) bis Dezember 1903 wieder aufgeben. Siehe Auszug aus dem Handelsregister von Kiautschou, 29.12.1903, in: BA/MA, RM3/6728, Bl.240-248. Vgl. auch die Aufzählung bei Seeleman 1982:274f. 12 Ein anderer Grund mag der Schmuggel gewesen sein, der über die Grenzen des Pachtgebiets fast ungehindert ablief, siehe Schrecker 1971:204.

349 wurde seit je über den Hafen von Jiaozhou, Tabutou, getätigt.13 Gehandelt wurden hauptsächlich Nahrungsmittel und Textilien. Die Zollübereinkunft wirkte sich nach Ohlmers Ansicht dahingehend aus, daß sie den an den staatlichen Aufträgen gut verdienenden Großfirmen weitgehend entgegenkam, während die Ansiedlung chinesischer Kaufleute verhindert wurde (Dok. 103). Er schlug daher vor, die Zollfreiheit von Kiautschou auf den Hafen zu beschränken und damit fur die deutschen Unternehmen faktisch zu beenden. Die chinesischen Kaufleute unterstützten den Vorschlag Ohlmers, weil sie davon eine Senkung ihrer Kosten erwarteten. 14 Die deutschen Großfinnen, insbesondere die einflußreiche Shandong-Eisenbahngesellschaft, bevorzugten hingegen die bisherige Praxis, die ihnen weit günstigere Bedingungen bot. 15 Der ausbleibende Erfolg der ursprünglichen Planungen machte es aber fur das Gouvernement notwendig, neue Möglichkeiten in Betracht zu ziehen. Nach der Fertigstellung der Jinan-Qingdao-Eisenbahn 1904 und des Hafens 1906 mußte das Gouvernement allmählich wirtschaftliche Erfolge vorweisen. Schließlich schlossen sich auch die deutschen Chinahandelshäuser wie Carlowitz & Co. den Vorschlägen der chinesischen Kaufleute an (Dok. 104). Sie hofften, von einer Belebung und Zunahme des Handels in Kiautschou zu profitieren. Nach fast einjährigen Verhandlungen wurde im Dezember 1905 eine Abänderung der Zollübereinkunft erreicht (Dok. 105). Die Zollfreiheit von Kiautschou wurde aufgegeben, dafür erhielt das Gouvernement einen Anteil der Einnahmen der chinesischen Zollbehörde in Höhe von 20%. Die Revision der Zollübereinkunft war sehr bedeutend, weil sie eine Wende der bis dahin gültigen Wirtschaftspolitik implizierte. Nach acht Jahren wandten die Kolonialbehörden ihre Aufmerksamkeit zunehmend dem chinesischen Handel als Basis für die künftige Entwicklung zu. Das forderte eine andere Umgangsweise mit den chinesischen Kaufleuten und den chinesischen Behörden. Nach 1905 war die Chinapolitik des Gouvernements daher allgemein mehr um Kooperation mit China bemüht. Dies erfolgte weniger aufgrund einer überdachten Auffassung imperialistischer Politik als vielmehr aufgrund der Einsicht in die konkreten ökonomischen Notwendigkeiten.

Die „Sinisierung" der Wirtschaft in Kiautschou Die abgeänderte Zollübereinkunft legte die Basis fur eine allmähliche Steigerung des Handels in Kiautschou. Durch die Eisenbahn bot sich Qingdao als Ausfuhrhafen in die wohlhabenden südchinesischen Provinzen fur eine Vielzahl von in Shandong hergestellten Produk13 Die Bedeutung des Dschunkenhandels in der Jiaozhou-Bucht war auch dem deutschen Gouverneur von Kiautschou bekannt. Er berichtete nach einem Besuch von Tabutou über den dortigen Handel, daß jener den Qingdaos bei weitem übertreffe, und bezeichnete es als Ziel, diesen Handel irgendwann nach Qingdao zu ziehen, vgl. Truppel an Tirpitz 27.5.1902, in: BA/MA, RM3/6727, Bl.241-247. Nach Schrecker (1971:78) belief sich in den ersten Jahren der Handel in Qingdao nur auf 2,5% des gesamten Handels in der Jiaozhou-Bucht. 14 Vgl. Eingabe chinesischer Kaufleute an die Handelskammer, Juni 1904, in: BAP, DBC, Nr. 1249, Bl.282-284. Siehe auch Schrecker 1971:205ff. 15 Vgl. Truppel an Gesandtschaft Peking, 29.12.1903, in: BAP, DBC, Nr. 1249, Bl.236-237.

350 ten an (Dok. 107). Neben Obst und Kohl wurden insbesondere Seide, Erdnußprodukte und Strohborten fur den nationalen und internationalen Markt produziert und über Qingdao verschifft. Ein Zuwachs in den Exporten ergab sich allerdings auch in Zhifu, dem anderen geöffneten Hafen in Shandong. Das Wachstum der Exporte basierte somit auf der positiven wirtschaftlichen Entwicklung in Shandong generell. Wichtige ausländische Einfuhrprodukte fur Shandong waren Baumwolle, Petroleum, Zucker, Farben und Streichhölzer, chinesische Produkte fur Shandong bestanden aus Baumwolle, Papier und Reis. 16 Der Wert des Handels entwickelte sich nach 1905 stetig aufwärts (Dok. 109), insbesondere nach 1907 kam es zu einem überproportionalen Wachstum bei der Ausfuhr über Qingdao. Seit 1910 rangierte Qingdao dem Wert des Handels nach an vierter Stelle unter den Häfen in Nordchina. Als Ergebnis der steigenden Bedeutung des chinesischen Handels in Kiautschou wurde 1910 vom Gouvernement die Gründung einer chinesischen Handelskammer zugelassen (Dok. 108). In ihr vereinigten sich die verschiedenen Gilden, die in Qingdao ansässig waren. Seit 1900 gab es drei chinesische Gilden: Die Jiyan-Gilde repräsentierte Kaufleute von Tianjin und Shandong, die Sanjiang-Gilde versammelte Kaufleute aus der Unteren Yangzi-Region, die Guangdong-Gilde wurde gebildet von Kaufleuten aus Kanton. 1913 wurden zwei weitere Gilden, die Changyi- und die Haiyang-Gilden, gegründet, die vor allem im internationalen Handel tätig waren. 17 Die Gilden und die chinesischen Handelskammer verfugten über ausgezeichnete Beziehungen zu den chinesischen Behörden in Shandong und konnten großen Einfluß nehmen auf die Politik Chinas gegenüber dem deutschen Pachtgebiet. Qingdao entwickelte sich so zu einem großen chinesischen Handelszentrum, in dem beinahe der gesamte Handel in chinesischen Händen lag. 19 Der Anteil deutscher Produkte am Qingdao'er Handel hingegen blieb gering und schwankte dem Wert nach kontinuierlich zwischen ca. 6% und 8%. 20 Die Hälfte davon bestand aus Lieferungen füir das Gouvernement bzw. für den Bau der Eisenbahn, so daß der Anteil deutscher Produkte, die auf dem freien Markt in Shandong abgesetzt werden konnten, insgesamt nur ca. 3% bis 4% des Gesamthandels von Kiautschou ausmachte. Es ist daher ersichtlich, daß das ursprüngliche Ziel, Kiautschou zu einem deutschen Handelszentrum auszubauen und Shandong als Absatzgebiet für deutsche Produkte zu erschließen, in keiner Weise erreicht wurde. Dies blieb der deutschen Öffentlichkeit nicht verborgen. In Zeitungen und Zeitschriften wurde der Administration die Schuld an dem Ausbleiben des wirtschaftlichen Erfolges gegeben (Dok. 106). Die seit 1907 immer wieder geführte Debatte um die Rückgabe Kiautschous an China bekam durch die enttäuschende wirtschaftliche Entwicklung ständig neue Nahrung. 21 Die Wirtschaftslage Kiautschous wurde auch vor dem Reichstag 16 Siehe Schrecker 1971:233, Mohr 1911:461 -469. 17 Siehe Zhang Yufa 1986:835f. 18 Vgl. hierzu Dok. 96. 19 Auch deutsche Betriebe vor Ort konnten von dieser Entwicklung profitieren, wie Reeder und Handelsfirmen, aber auch Lade- und Löschbetriebe. Daneben gab es viele japanische Kaufleute. 20 Siehe Schrecker 1971:234. 21 Zu dieser Debatte siehe Dok. 143 sowie die Einleitung zu Kap. 9.

351 seitens der oppositionellen Sozialdemokratischen Partei wiederholt kritisiert. Solchen Einwänden trat Tirpitz jedoch entgegen: „Meiner Ansicht nach ist die wirtschaftliche Entwicklung sehr viel schneller vorangegangen, als die Marineverwaltung erwartet und jemals ausgesprochen hat. Ich habe gestern ein Beispiel angeführt und daraufhingewiesen, daß Hongkong nach fünfzehn Jahren seiner Existenz noch in einer Situation war, daß man schwankte, ob man es aufgeben sollte, während Qingdao als Handelsstadt von China bereits nach elf Jahren an der siebenten Stelle von vierzig Vertragshäfen steht." 22

22 Siehe Rede Tirpitz 27.3.1909, in: SBRV 235:7776. Zur offiziellen Darstellung und Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung in Qingdao, siehe auch Dok. 57.

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97 Schreiben des Staatssekretärs des Reichsmarineamts, Tirpitz, an Kaiser Wilhelm II. (7.10.1898) Berlin, den 7. Oktober 1898 Eurer Kaiserlichen und Königlichen Majestät sehe ich mich veranlaßt, Nachstehendes alleruntertänigst zu unterbreiten: Bevor der Kapitän zur See Rosendahl seinen Posten als Gouverneur des Kiautschou-Gebietes antrat,1 habe ich ihm den Allerhöchsten Intentionen Eurer Majestät entsprechend, schriftlich wie mündlich und später wiederholt schriftlich die Weisung erteilt, daß er als die ihm zunächst liegende Aufgabe die wirtschaftliche Förderung von Kiautschou zu erblicken habe. Seinem Wirkungskreise sind in seinen Instruktionen die weitesten Grenzen gezogen, und es sind ihm die gesetzlich bewilligten Mittel soweit als irgend angängig zur freien, uneingeschränkten Verfugung überwiesen. So ihm möglichst freie Hand in allen seinen Entschließungen und in seiner eigenen Initiative gelassen worden sind, konnte die Erwartung gehegt werden, daß er das in ihn gesetzte Vertrauen durch eine der großen Bedeutung seiner Stellung entsprechende Auffassung der ihm zufallenden Aufgaben rechtfertigen und dementsprechend sich der Lösung dieser Aufgaben zuwenden würde. Diese Erwartungen haben sich nicht erfüllt. Die aus seinen Berichten hervorgehende Auffassung bekundet, daß der Kapitän zur See Rosendahl nicht imstande ist, seinen Blick über den Rahmen der Tätigkeit eines lediglich militärischen Befehlshabers hinaus auf die großen Ziele der wirtschaftlichen Entwicklung Kiautschous zu richten und zur Förderung und Erreichung desselben beizutragen. Bei keiner der großen Fragen, wie sie gerade bei der ersten Entwicklung einer Kolonie von der großen Bedeutung, wie sie Kiautschou für das Reich hat, zu lösen sind, hat er sich auf einen Standpunkt erheben können, der seiner Stellung entspricht, und die meisten seiner Berichte und vielen Anfragen lassen erkennen, daß ihm die Initiative zu selbständigem Handeln und Vorgehen fehlt. Wenn auch anzuerkennen ist, daß er eine besondere Tätigkeit in der Fürsorge für die Besatzungstruppen entwickelt, so läßt er sich doch gerade hierdurch von seinen eigentlichen höheren Aufgaben ablenken und entzieht obendrein den unterstellten militärischen Befehlshabern einen zu großen Teil der ihnen zukommenden militärischen Tätigkeit. Ich habe auch nicht die Überzeugung, daß bei dem Kapitän zur See Rosendahl in dieser seiner Auffassung eine Änderung zu erwarten ist, denn diese Auffassung liegt in seinen persönlichen Eigentümlichkeiten begründet. Hiernach bin ich zu der pflichtmäßigen Überzeugung gelangt, daß das Schutzgebiet Kiautschou unter der Leitung des Kapitäns zur See Rosendahl einer gedeihlichen Entwicklung

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Am 16. April 1898 wurde Rosendahl zum ersten Gouverneur Kiautschous ernannt.

353 nicht entgegengehen kann und daß hier Abhilfe geschaffen werden muß, ehe größerer Schaden entstehen kann. Eure Majestät bitte ich deshalb untertänigst, den Kapitän zur See Rosendahl von dem Posten als Gouverneur von Kiautschou Allergnädigst abberufen zu wollen. Als Ersatz schlage ich alleruntertänigst den Kapitän zur See Jaeschke aus folgenden Gründen vor: Derselbe besitzt dasjenige Dienstalter, welches aus allgemein repräsentativen und militärischen Gründen notwendig ist. Er kennt die Verhältnisse in Ostasien sehr genau und ist dort in allen Kreisen bekannt und geachtet. Er besitzt eigene Initiative und scheut sich nicht vor Verantwortung. Endlich befindet er sich hier am Orte, und kann sich deshalb vor seiner Abreise über die vorliegenden Absichten mit Bezug auf die Entwicklung von Kiautschou informieren. Sofern Eure Majestät meine vorstehenden Ausführungen durch Abberufung des Kapitän zur See Rosendahl und Ernennung des Kapitän zur See Jaeschke Allergnädigst genehmigen wollen, bitte Eure Majestät ich alleruntertänigst, huldreichst befehlen zu wollen, daß der Zeitpunkt des Wechsels der beiden Stabsoffiziere von mir festgesetzt werden darf. Tirpitz ΒΑΜΑ, RM 2/1837, Bl. 126-128.

98 Schreiben des Staatssekretärs des Reichsmarineamts, Tirpitz, an den Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Bülow (22.6.1898) Berlin, den 22. Juni 1898 Euer Exzellenz beehre ich mich, im folgenden die Frage der Organisation der chinesischen Zölle fur den Verkehr zwischen dem Deutschen Gebiete von Kiautschou und dem chinesischen Hinterlande zur geneigten Erwägung ergebenst zu unterbreiten. Obwohl ich nicht verkenne, daß für eine Beschleunigung dieser Angelegenheit, deren Regelung im Deutsch-chinesischen Vertrage Teil I Artikel V einer besonderen Vereinbarung vorbehalten ist, das vorwiegende Interesse auf chinesischer Seite liegt, so glaube ich doch, daß auch deutscherseits gewichtige Beweggründe dafür sprechen, baldmöglichst zum endgültigen Abschlüsse dieser Frage zu gelangen. Einmal erscheint mir dies mit Rücksicht auf den zu erhoffenden baldigen Aufschwung des Verkehrs in dem Deutschen Schutzgebiete, der seine natürliche Richtung in das chinesische Hinterland suchen wird, wünschenswert. Ferner aber muß selbst bei dem jetzigen geringen Verkehr der zur Zeit bestehende Zustand als gänzlich unzulässig bezeichnet werden. Ich er2 Kapitän zur See Paul Jaeschke trat am 19. Februar 1899 sein Amt als Gouverneur an.

354 laube mir in letzterer Hinsicht zu erwähnen, daß seinerzeit das Kommando des Kreuzergeschwaders3 den Zollverwaltern in den Zollstationen (lijin) aufgetragen hatte, den Zoll in bisheriger Weise zu erheben, aber mit dem Tage der Deutschen Besetzung einen Abschluß zu machen, eine neue Abrechnung zu beginnen und die Abfuhrung der eingegangenen Gelder an die chinesische Regierung bis auf weitere Anweisung zurückzuhalten. Wie nun aber aus einem Euren Berichte des Gouverneurs hervorgeht, verwenden die chinesischen Angestellten die von ihnen nach wie vor erhobenen Zölle teils fur sich selbst, teils liefern sie dieselben heimlich an ihre früheren Vorgesetzten jenseits der chinesischen Grenze ab. Hinsichtlich grundsätzlich wichtiger Punkte gestatte ich mir, Eurer Exzellenz einige Vorschläge zu unterbreiten, deren Berücksichtigung im Interesse der wirtschaftlichen Erschliessung Kiautschous notwendig ist. 1. Die bereits erwähnte Bestimmung des Deutsch-chinesischen Vertrages lautet: „Was die Wiedereinrichtung von chinesischen Zollstationen betrifft, die außerhalb des an Deutschland verpachteten Gebietes, aber innerhalb der vereinbarten Zone von 50 km früher bestanden haben, so beabsichtigt die Deutsche Regierung, sich über die allendliche Regelung der Zollgrenze und der Zollvereinnahmung in einer alle Interessen Chinas wahrenden Weise mit der chinesischen Regierung zu verständigen und behält sich vor, hierüber in weitere Verhandlungen einzutreten." Nach dem Wortlaute dieser Bestimmung könnte es scheinen, als wären die chinesischen Zollstationen in jedem Falle außerhalb des Deutschen Schutzgebietes einzurichten. Indessen widerspricht es dem Sinne der Abmachung und dem berechtigten Interesse Chinas nicht, wenn die chinesische Hauptzollstation in das Deutsche Gebiet und zwar in die zu begründende Hafenstadt verlegt wird. Eine Analogie hierfür liegt bereits in Hongkong vor. Als Vorteile der Errichtung des Zollamtes im Deutschen Hafen betrachte ich - in Übereinstimmung mit den Euer Exzellenz bereits bekannten Ansichten des Generalkonsuls Stübel in Shanghai - zweierlei: Erstens werden den Kaufleuten Unkosten und Zeitverlust erspart, wenn sie die auf dem Seewege eingehenden, für das Hinterland bestimmten Waren und ebenso umgekehrt die aus dem Hinterlande anlangenden, zur Verschiffung über See bestimmten Güter im Hafen selbst verzollen können und nicht einen doppelten Aufenthalt, hier und an der Grenze Deutschen Freihafengebietes, nehmen müssen. Ferner aber wird die Gefahr vermieden, daß ein außerhalb des Deutschen Gebietes gelegenes chinesisches Hauptzollamt zum Mittelpunkte einer Ansiedlung chinesischer Händler wird und daß so nahe der Grenze eine Art Konkurrenz-Niederlassung zu dem deutschen Hafengebiet sich bildet. Die Verlegung des chinesischen Zollamtes in den deutschen Hafen dürfte zwingend sein, auch diese chinesischen Händler in den letzteren hineinzuziehen, wie

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Hier wird Bezug genommen auf entsprechende Anweisungen des Chefs des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders, Otto von Diederichs, nach der Besetzung der Jiaozhou-Bucht im November 1897.

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Am 2. Mai 1898 berichtete Rosendahl dem deutschen Gesandten, daß die chinesischen Zollbeamten weiterhin Zölle in Qingdao, Shazikou und Cangkou erheben. Rosendahl hat den Beamten daraufhin die Abfuhrung der Zölle an Deutschland befohlen, siehe Rosendahl an Heyking, 2.5.1898, in: BAP, DBC, Nr. 1248, Bl.56-57.

355 mir fur die wirtschaftliche Erschließung des Gebietes von erheblicher Bedeutung zu sein scheint. 2. Das Zollamt würde für chinesische Rechnung arbeiten und der chinesischen Regierung bzw. der Seezollverwaltung unterstehen. Die Beamten sind von China zu ernennen, auch müssen in jedem Falle der Leiter, und nach Möglichkeit auch - abgesehen von den erforderlichen chinesischen Kräften - die anderen Beamten, Deutsche sein, die Ernennung des Leiters bedarf jedesmal der Bestätigung durch die Deutsche Regierung. 3. Die Kosten der Zollverwaltung hat China zu tragen, welches zu diesem Zwecke sicherlich eine Kapitalsumme bewilligt. Anfangs dürfte der fur Zhifii ausgesetzte Betrag von 60.000 Taels genügen. Die gleiche Summe ist fur die Kosten der ersten Einrichtung zur Verfugung zu stellen. Eigene Erträge sind im Falle der Unzulänglichkeit zu erheben. 4. Da in der ersten Zeit aller Voraussicht nach die Zolleinnahmen die Ausgaben nicht decken werden, so ist von den beiden Regierungen eine Zollbank zu designieren, welche die nötigen Gelder vorschießt. Hierzu erscheint mir die in Jiaozhou bereits vertretene DeutschAsiatische Bank am geeignetsten. 5. Außer dem Hauptzollamt sind Zweigstationen je nach Bedarf zu errichten. Anzahl und Lage derselben hängen von der zur Zeit noch nicht zu übersehenden Gestaltung der Straßen, der Eisenbahntrassen etc. ab und sind zweckmäßigerweise von den beiderseitigen Lokalbehörden zu bestimmen. Wünschenswert erscheint es mir, daß grundsätzlich auch diese kleineren Stationen noch auf Deutschem Gebiete nahe der Grenze errichtet werden. Denn auch hier trifft nur in entsprechendem Chinesen-Maßstabe das oben Gesagte zu: Jeder dieser Zollhäfen kann unter Umständen die Veranlassung zu einer chinesischen Niederlassung werden, die Anlegeplätze für den Dschunkenverkehr werden sich möglichst in die Nähe desselben ziehen etc.; alle diese wirtschaftlich wertvollen Faktoren müssen nach Möglichkeit in das deutsche Gebiet gezogen werden. 6. Die Zölle sollen dieselben sein wie in den Vertragshäfen, soweit nicht anderswo niedrige chinesische Zölle erhoben werden als in letzteren. Dies soll z.Zt. in gewissem Maße in den chinesischen Zollstationen fur Hongkong und Macao sowie in den Tongking-Grenzstationen der Fall sein.5 Überhaupt dürfte sich die Aufnahme einer Art Meistbegünstigungsklausel empfehlen des Inhaltes, daß alte Vergünstigungen, welche in einem der einer fremden Regierung überlassenen Häfen in den Vertragshäfen bestehen oder in Zukunft bewilligt werden, auch auf Kiautschou anwendbar sein sollen. 7. Im Sinne der soeben vorgeschlagenen Bestimmung ist die Frage des Durchgangsverkehrs mit den geöffneten chinesischen Häfen ausdrücklich zu regeln. Es erscheint mir im Interesse der wirtschaftlichen Erschließung unseres Schutzgebietes als sehr wünschenswert, daß der Durchgangsverkehr in Landesprodukten, welche in Jiaozhou nach einem Vertragsha5

Es handelt sich hier um ausländisch besetzte Territorien anderer Mächte in Südostasien. Tongking gehörte zum seit 1884 französisch besetzten Teil Vietnams, der unmittelbar an China angrenzte, siehe Reinhard 1988:11 Iff.

356 fen verschifft werden, keinen hohen Zollauflagen unterworfen wird wie der Verkehr zwischen den Vertragshäfen, d.h. abgesehen von den Transitpaßgebühren - dem Ausfuhrzölle von 5% und der Coast Trade Duty von 2'/2%, welche letztere zurückerstattet wird, wenn das Landesprodukt aus dem zweiten Vertragshafen in das Ausland geht. Würde die hier angeregte Bestimmung nicht ausdrücklich vereinbart, so würde - da unser Freihafengebiet im Verhältnis zu China unzweifelhaft als Zollausland angesehen ist - an sich im Durchgangsverkehr nach anderen geöffneten Häfen die Zollabgabe sich aus zweimal 5% Ausfuhr und Einfuhrzoll stellen, was unter Umständen Landesprodukte verhindern könnte, den Weg über unseren Hafen zu wählen. 8. Ebenso ist Gleichstellung unseres Freihafengebiets mit den Vertragshäfen anzustreben sobald fur letztere die Besteuerung der aus dem chinesischen Hinterlande eingeführten Rohprodukte, die im Hafengebiete zur Verarbeitung gelangen und alsdann als Fabrikate in das chinesische Hinterland zurückkehren, geregelt werden wird. 9. Von den Waren, welche chinesische Küstenfahrzeuge ein- und ausführen, soll derselbe Zoll erhoben werden wie vordem in Kiautschou gebräuchlich, falls nicht andere Häfen der Provinz Shandong niedrigere Zölle erheben. So verzollte Waren dürfen im Hafen der Ankunft in China nicht weiter belastet werden. 10. China verpflichtet sich, die Errichtung des Zollamtes in Kiautschou durch Kaiserl. Edikt [oder] Proklamation etc. bekannt zu machen und den Provinzialbehörden die nötigen Instruktionen behufs Schutzes der Waren und Anordnung der Zollerhebung] zu geben. 11. Bezüglich der Besteuerung bzw. Zollbelastung des Opiums behalte ich mir nähere Vorschläge vor, sobald die von Euer Exzellenz angeforderten Berichte der Konsuln und die von mir selbst angeordneten Vorschläge des Gouverneurs vorliegen werden. Diesseitigen Erachtens kann aber in jedem Fall deutscherseits China gegenüber die Zusicherung gegeben werden, daß Deutschland das Opium zwecks Verhinderung des Schmuggelhandels nach China in gleicher oder ähnlicher Weise wie in Hongkong unter Sonderkontrolle stellen wird, was ein für China wertvolles Zugeständnis darstellt. 12. Ferner kann sich, unbeschadet unserer Interessen, diesseitigen Erachtens Deutschland verpflichten, der chinesischen Zollbehörde in der Ausübung ihrer Befugnisse Schutz und Unterstützung angedeihen zu lassen und ihr die fur ihre Bauten usw. benötigten Grundstücke gegen angemessene Entschädigung abgabefrei zur Verfügung zu stellen. 13. Die vorstehend vorgeschlagenen Abmachungen könnten mit Rücksicht auf die noch wenig geklärten lokalen Verhältnisse zunächst provisorisch und auf Widerruf zu treffen sein. In Vertretung des Staatssekretärs. gez. Unterschrift Β AP, DBC, Nr. 1248, Bl. 108-113.

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99 Schreiben des Generalinspektors des chinesischen Seezollamtes, Hart, an die Prinzen und Minister des Zongli Yamen (10.10.1898) 6 Bericht an die vorgesetzte Behörde: Wir haben uns schon mehrfach dazu geäußert, wie man in Sachen Zollerhebung in Kiautschou verfahren sollte. Deutschland plante Kiautschou an sich als Handelsstation und wollte keine [kaiserliche] Zollstelle einrichten. Vielmehr war dort eine deutsche Zollstelle geplant. Nach erneuter Beratung steht fest, daß China nach dem Vorbild des Zollamts von Kowloon einen Zollinspektor dorthin entsenden könnte. Jedoch müßten zuvor folgende Vereinbarungen gebilligt werden: a) es müßte ein Deutscher als Inspektor entsandt werden; b) er müßte für sämtliche dort eingeführten oder von dort ausgeführten Warenkategorien zuständig sein; c) die Zollsätze müßten sich ausnahmslos nach den Handelszolltarifen richten. Sofern diese drei Bedingungen erfüllt werden, könnte wie vorgeschlagen verfahren werden. Um in Anbetracht dieser Sachlage nicht das Gebotene zu versäumen, hat der Generalinspektor eigens den [deutschen] Zollinspektor Ohlmer vom Zollamt Yichang nach Kiautschou geschickt, um dort auf einer Audienz beim deutschen Gouverneur über alle Fragen zu verhandeln. Laut einem ausfuhrlichen Bericht des betreffenden Inspektors sei das Treffen mit dem Gouverneur bereits erfolgt; er sei ziemlich bevorzugt empfangen worden. Ferner sei ein dortiges Grundstück ausgewiesen und die Errichtung eines chinesischen Seezollamtes [prinzipiell] zugesagt worden. Sobald über die vorläufigen Einzelbestimmungen Einigkeit erzielt worden sei, würden sie kopiert und zur Prüfung vorgelegt. Da Kiautschou der Errichtung eines chinesischen Seezollamts bereits zugestimmt hat, sollte Ohlmer nach Auffassung des Generalinspektors als dortiger Zollinspektor7 eingesetzt werden. Sobald der Bericht über alle Punkte des ausgehandelten Verfahrens vorliegt, werden wir gemäß der vorliegenden Situation erneut Bericht erstatten, pflichtgemäß zunächst die Dokumente vorlegen und das Zongli Yamen um Begutachtung bitten. DZYJHG S.9.

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Aus dem Chinesischen übersetzt von Hans-Wilm Schütte.

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Erich Ohlmer leitete das Kaiserliche Seezollamt in Kiautschou von 1899 bis 1914.

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100 Schreiben des Generalinspektors des chinesischen Seezollamtes, Hart, an die Prinzen und Minister des Zongli Yamen (17.4.1899) 8 Die Frage der Einrichtung eines zentralen Zollamtes in Jiaozhou habe ich mit Prinz Heinrich, als dieser im Frühjahr des vergangenen Jahres nach Peking kam, 9 besprochen. Prinz Heinrich vertrat die Ansicht, daß es doch besser sei, innerhalb des Pachtgebietes ein zentrales Zollamt einzurichten, als rund um die Jiaozhou-Bucht mehrere kleine Zollstationen aufzubauen. Er beauftragte mich, einen entsprechenden Plan auszuarbeiten. Er wollte in dieser Angelegenheit seine Regierung ausfuhrlich unterrichten. Ich habe daraufhin das Zongli Yamen über die Verhandlungen mit Prinz Heinrich informiert. Dann bin ich mit dem in Beijing residierenden Deutschen Gesandten in schriftlichen Austausch getreten und habe außerdem den Vorsteher des Seezollamtes von Yichang, Ohlmer, nach Qingdao entsandt, um vor Ort die Verhältnisse zu prüfen. Nun liegt der betreffende Plan in englischer und chinesischer Version vor. Er wurde von beiden Seiten offiziell anerkannt und zu den Akten genommen. Wenn das Zongli Yamen den Entwurf fur akzeptabel hält, kann umgehend nach ihm verfahren werden. Wird er vom Zongli Yamen nicht angenommen, so können nur einige kleine Zollstationen um das Pachtgebiet herum errichtet werden. Ich beehre mich, den wesentlichen Inhalt des Planes in fünf Punkten niederzulegen: 1. Hinsichtlich der im betreffenden Zollamt einzusetzenden Ausländer, sind vom Generalinspektor des Seezollamtes unter den neuen Beamten Deutsche auszuwählen und nach Qingdao zu beordern. 2. Für im deutschen Pachtgebiet hergestellte Erzeugnisse muß bei der Ausfuhr kein Exportzoll entrichtet werden. Werden im Pachtgebiet benötigte Waren eingeführt, so sind diese vom Importzoll befreit. 3. Für chinesische Waren, die über das deutsche Pachtgebiet zur Ausfuhr gelangen bzw. über das Pachtgebiet ins Inland eingeführt werden, soll folgendes gelten: Werden diese Waren auf ausländischen Schiffen transportiert, so ist für sie der Zollsatz entsprechend den Handelszollbestimmungen zu entrichten. Werden die Waren auf chinesischen Schiffen transportiert, so sind sie nach den chinesischen Zollbestimmungen zu behandeln. 4. Sämtliche Aufsichts- und Entscheidungsbefugnisse hinsichtlich der in den Handelsplätzen im Distrikt anfallenden Zollaufgaben sind vom Vorsteher des Zollamtes von Qingdao wahrzunehmen. Die vom Zollamt ausgestellten Frachtpapiere fur im Inland angekaufte einheimische Produkte bzw. Steuerpapiere für ins Inland einzuführende ausländische Waren sollen mit denen anderer Zollbehörden identisch sein.

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Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker.

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Als Chef des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders besuchte Prinz Heinrich Peking im Mai 1898, siehe seinen Bericht vom 23.5.1898, in: BA/MA, RM 2/1837, Bl.26-34.

359 5. Die einzelnen Bestimmungen der getroffenen Regelung sollen versuchsweise zur Anwendung gelangen. Sollten später Revidierungen notwendig sein, so sind diese auf dem Verhandlungswege herbeizuführen. Soweit die fünf Präambeln der neuen Regelung. Anbei überreiche ich die beiden beglaubigten Vertragsversionen und ersuche das Zongli Yamen, mir nach eingehender Prüfung eine Antwort zukommen zu lassen. DZYJHG S.10.

101 Übereinkunft über die Errichtung eines Seezollamtes in Qingdao (17.4.1899) 1. Der Kommissar oder Zollvorstand in Qingdao soll deutscher Nationalität sein. Im Falle der Ernennung eines neuen Zollkommissars wird sich der General-Zollinspektor mit der deutschen Gesandtschaft in Peking zuvor verständigen. 2. Die europäischen Beamten des Zollamts in Qingdao sollen der Regel nach Deutsche sein; jedoch kann bei plötzlich eintretendem Bedarf oder für vorübergehende dienstliche Erfordernisse auch ein Beamter anderer Nationalität zeitweise nach Qingdao gesandt werden. 3. Der General-Zollinspektor der Zölle wird dem Gouverneur von Kiautschou über alle in der Besetzung des Zollamtes in Qingdao eintretenden Personalveränderungen vorher Mitteilung machen. Diese Bestimmung bezieht sich jedoch nicht auf das chinesische Personal des Zollamtes. 4. Alle Korrespondenz zwischem dem Zollamt in Qingdao und den deutschen Behörden sowie den deutschen Kaufleuten soll in deutscher Sprache geführt werden. Sollten indessen Kaufleute anderer Nationalität sich in Qingdao niederlassen, so können sie die Korrespondenz mit dem Zollamt in ihrer Sprache fuhren, Korrespondenz in chinesischer Sprache ist gleichfalls gestattet. 5. Einfuhrzoll wird auf die nach Qingdao per See gebrachten Waren nicht erhoben. Einfuhrzoll, den bestehenden Verträgen gemäß, wird von dem Zollamt auf alle Waren oder Produkte erhoben werden, welche über die deutsche Kiautschou-Grenze in das Innere Chinas gebracht werden. Die deutschen Autoritäten übernehmen es, geeeignete Maßregeln zu treffen, um ihre Unterstützung zu gewähren, damit tunlichst verhindert werde, daß über die deutsche Grenze in das Innere Chinas Waren gebracht werden, die nicht von dem Seezollamt mit einem Erlaubnisschein oder Paß versehen worden sind. 6. Wenn chinesische Waren oder Produkte, die aus dem Innern Chinas in das deutsche Kiautschou-Gebiet gebracht worden sind, aus Qingdao nach anderen Orten verschifft werden,

360 zahlen dieselben den vertragsmäßigen Ausfuhrzoll. Keinen Ausfuhrzoll zahlen Produkte, die innerhalb des deutschen Kiautschou-Gebiets erzeugt worden sind oder Waren, die aus solchen im deutschen Gebiet erzeugten Produkten oder aus zur See in das deutsche Gebiet eingeführten Produkten hergestellt sind. Der Zoll, der auf Waren zu zahlen sein wird, die in dem deutschen Kiautschou-Gebiet aus Materialien hergestellt werden sollten, welche dorthin aus dem Innern Chinas gebracht worden sind, wird später festgestellt werden. 7. Chinesische Waren oder Produkte, die aus einem chinesischen Vertragshafen nach Qingdao gebracht werden, zahlen, solange sie das deutsche Gebiet nicht verlassen, keinen Zoll. Wenn aber diese Waren oder Produkte über die Grenze in das Innere Chinas gebracht werden, so zahlen sie Zoll gemäß den bestehenden Verträgen. 8. Chinesische Waren, die bei der Verschiffung aus Qingdao den Ausfuhrzoll gezahlt haben, erhalten hierüber eine Bescheinigung, bei deren Vorweisung diese Waren bei der Einfuhr in einen chinesischen Vertragshafen den Küstenzoll nach Maßgabe der bestehenden Verträge zahlen werden. 9. Europäische und andere nicht-chinesische Waren, die aus einem chinesischen Vertragshafen nach Qingdao verschifft werden, erhalten gemäß Artikel 26 des deutsch-chinesischen Handelsvertrages vom Jahre 1861 volle Rückvergütung des in dem chinesischen Vertragshafen gezahlten Einfuhrzolls. Bei der Einfuhr in Qingdao zahlen diese Waren keinen Zoll, so lange sie nicht die deutsche Grenze in das Innere Chinas passieren. Bei Wiederausfuhr solcher Waren aus Qingdao nach anderen außerhalb Chinas gelegenen Plätzen zahlen dieselben keinen Aufuhrzoll. 10. Chinesische Waren, die aus einem chinesischen Vertragshafen nach Qingdao gebracht werden und von dort nach außerhalb Chinas liegenden Orten verschifft werden, zahlen, falls sie ein Zeugnis darüber beibringen, daß sie in dem betreffenden chinesischen Vertragshafen bereits Ausfuhrzoll gezahlt haben, bei der Verschiffung aus Qingdao keinen Zoll. 11. Das Seezollamt in Qingdao hat nichts mit der Erhebung oder Verwaltung von Tonnengeldern, Leuchtfeuergebühren oder Hafenabgaben zu tun. 12. Der in den chinesischen Vertraghäfen geltende Zolltarif wird auch von dem Seezollamt in Qingdao zur Anwendung gebracht werden. 13. Das Seezollamt in Qingdao übernimmt es, von allem nach Qingdao gebrachten Opium die gleichen Zölle und Taxen (lijin) zu erheben, die in den chinesischen Vertragshäfen auf Opium erhoben werden. Die Zölle und Taxen, die auf Opium erhoben werden, welches innerhalb des deutschen Gebietes in Kosumption übergeht, sollen von dem Seezollamt fur Rechnung der deutschen Regierung erhoben und in zu vereinbarenden Fristen an dieselbe abgeführt werden. 14. Das Gouvernement von Kiautschou verpflichtet sich, dem chinesischen Seezollamt in Qingdao genügend Grund und Boden anzuweisen, um Büroräume und Wohnungen für die Zollbeamten mit Gärten, Ställen und Dienerschaftsgebäuden errichten zu können. Der Betrag, der fur den Verkauf oder die Pacht dieses Grund und Bodens zu zahlen ist, soll durch gegenseitige Verständigung am Orte festgesetzt werden.

361 15. Der Zollvorstand und dessen Unterbeamte sollen von der Verpflichtung, als Beisitzender bei Gerichtsverhandlungen oder als Geschworene zu fungieren, und von allen anderen persönlichen Leistungen befreit sein. 16. Das in vorstehenden Punkten näher bezeichnete Seezollamt in Qingdao übernimmt die gesamte Zoll- und Lijinerhebung von allen chinesischen Fahrzeugen (Dschunken), die nach Qingdao oder nach anderen Plätzen in der Kiautschou-Bucht kommen, sowie von allen in solchen Fahrzeugen dorthin gebrachten Waren. Die Zölle, Steuern und anderen Auflagen, die von Fahrzeugen chinesischer Bauart oder von Waren, die auf ihnen nach Qingdao kommen, erhoben werden, sollen nicht höher sein als die Abgaben, die bisher von solchen Fahrzeugen und von solchen Waren in Qingdao oder in anderen Plätzen der Kiautschou-Bucht erhoben worden sind. Sollten zu irgend einer Zeit die Auflagen, die in anderen Häfen der Provinz Shandong von Fahrzeugen chinesischer Bauart oder von auf ihnen befindlichen Waren erhoben werden, im Betrage niedriger sein als solche Abgaben in der Kiautschou-Bucht, so sollen die letzteren auf den Betrag, der in jenen anderen Häfen erhoben wird, herabgesetzt werden. 17. Desgleichen soll das gedachte Zollamt in Qingdao ausschließlich befugt sein, Transitpässe zu gewähren und auszustellen fur die aus dem Innern Chinas nach Qingdao kommenden chinesischen Waren und fiir alle von Qingdao ins Innere Chinas gehenden Waren. Auch übernimmt das Zollamt die Ausübung sämtlicher sonstigen, in den Vertragshäfen den sogenannten chinesischen Zolldaotai zustehenden Funktionen, Rechte oder Befugnisse. 18. Für die in Artikel 17 erwähnten Transitpässe wird die vertragsmäßige festgesetzte Zollgebühr im Betrage der Hälfte des Einfuhr- bzw. Aufuhrzolles vom Seezollamt in Qingdao erhoben werden. 19. Die Regelung des bei Zolldefraudationen 10 und bei Verstößen gegen die Zollbestimmungen zu beobachtenden Verfahrens bleibt besonderen Vereinbarungen vorbehalten, wobei indessen der Grundsatz schon jetzt als anerkannt gelten soll, daß jede gerichtliche Verhandlung vor den deutschen Gerichten in Qingdao stattfinden muß. 20. In Anbetracht der Möglichkeit, daß mit der Entwicklung kommerzieller Tätigkeit in Kiautschou neue unvorhergesehene Bedürfnisse entstehen könnten, soll das vorliegende Übereinkommen als einen provisorischen Charakter tragend betrachtet werden, und beide kontrahierenden Teile erklären sich bereit, Verbesserungen darin vorzunehmen, sobald dieselben zur Abstellung von Mißständen erforderlich werden sollten, die aus der praktischen Ausführung dieser Vereinbarung entstehen könnten. Gezeichnet in Peking, den 17. April 1899 Heyking, Kaiserlich deutscher Gesandter

Robert Hart, General-Inspektor der Zölle

Friedrich Wilhelm Mohr, Handbuch für das Schutzgebiet Kiautschou, Tsingtau 1911, S. 304-306.

10 Frz. „Hinterziehung und Unterschlagung" von Zollabgaben.

362

102 Schreiben der Prinzen und Minister des Zongli Yamen an den Generalinspektor des chinesischen Seezollamtes, Hart (26.4.1899)11 Das Zongli Yamen ist der Ansicht, daß die vom Generalinspektor aufgestellten „Vorschläge zur Einrichtung eines Seezollamtes in Qingdao" einen annehmbaren Kompromiß darstellen. Allerdings ist der in den Absätzen 6, 9 und 13 verwendete Terminus „Deutsches Schutzgebiet" durch den Begriff „Deutsches Pachtgebiet" zu ersetzen. Nachdem diese Korrektur erfolgt ist, kann der Generalinspektor des Seezollamtes mit dem in Peking residierenden Deutschen Gesandten den Vertragsabschluß vollziehen und die Einrichtung des Seezollamtes von Qingdao in Angriff nehmen. Wir bitten darum, uns darüber Bericht erstatten zu wollen, damit wir unsererseits den Minister der Nördlichen Handelshäfen, den Gouverneur von Shandong sowie den Zollinspektor von Shandong in Kenntnis setzen können. DZYJHGS.il.

103 Brief des Zollinspektors des chinesischen Zollamts in Qingdao, Ohlmer, an den Geschäftsträger der deutschen Gesandtschaft, Goltz (5.5.1903) Qingdao, den 5. Mai 1903 Lieber Herr von der Goltz, [,..]12 Was nun das provisorische Zollabkommen13 anbelangt, so arbeitet dasselbe in der Hauptsache - im Eisenbahnwaren- und Schiffsverkehr - also, dem Großhandel, in jeder Weise zufriedenstellend. Der einzige Defekt, der sich fühlbar gemacht hat, betrifft den Kleinhandel von Qingdao. Die Bestimmung, daß Einfuhrzoll nicht bei der Ankunft des Schiffs, sondern erst wenn die Waren ins Innere geschafft werden, bezahlt wird, hat zur Folge, daß anstatt wie in den Vertragshäfen, die wenigen Consignees 14 , welche auf dem Manifest verzeichnet sind, - höchstens 50 - die ganze Ladung durch den Zoll passieren, hier diese Waren erst verzollt werden, wenn sie verkauft sind an vielleicht 1.000 und mehr, zum

11 Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker. 12 Hier folgen einige Ausführungen privater Natur. 13 Siehe Dok. 101. 14 Frz. „Kommissionär" in Zollkommissionsgeschäften.

363 großen Teil kleine Leute. Soweit diese Waren nun per Bahn befördert werden, und das ist der weitaus größte Teil (sieben Zehntel), geht alles leicht und glatt, nicht so mit den Hunderten von kleinen Leuten, zum Teil Arbeiter, welche ihren Verdienst in der Form von Waren mitnehmen wollen, oder Kleinkrämer, welche ihre Waren hier einkaufen und per Schubkarren oder Sampan ins Hinterland bringen. Diese sind zumeist des Schreibens unkundig, und wenn auch alles geschehen ist, um die Verzollung dieses Kleinguts zu erleichtern - durch Eröffnung von drei Kleingut-Stationen im Chinesenviertel und an der Bahn, wo Waren nur vorgezeigt, Zahlung in Dollars oder Cash erfolgt, eine Quittung verabfolgt wird, und keine Schreibereien nötig sind - so behaupten die Chinesen doch, daß der kleine Mann lieber seinen Bedarf in Jiaozhou und Jimo deckt und daß infolgedessen die Qingdao-Ladenbesitzer schlechte Geschäfte machen. Daß dabei die größeren Unkosten in Qingdao - Miete, Lebensmittel, Löhne etc. - mitsprechen, welche natürlich die Waren mitzutragen haben, ist fraglos; aber trotzdem ist die Beseitigung dieses Nachteils wünschenswert im Interesse des großen Publikums und des Kleinhandels von Qingdao sowohl wie des Zollamts, welches dadurch viel Arbeit und größere Unkosten hat. Die chinesische Kaufmannschaft hat von Anfang an die Verzollung der Waren bei der Ankunft angestrebt. In 1901 und 1902 haben die gesamten chinesischen Firmen und Ladenbesitzer das Gouvernement petitioniert, dieses zu gestatten, als einzige Lösung dieser Frage. Die vorjährige Petition wurde mir vom Gouvernement zugeschickt und um Rückäußerung gebeten. Ich erwiderte im März 1902, daß der Vorschlag für das Zollamt ebenso wünschenswert wie fur die Petenten sei und daß ich mir die Ausführung wie folgt dächte: 1. Beschränkung des Freihafen-Gebiets auf die beiden neuen Häfen, wo alle Fahrzeuge zu löschen und zu laden haben: Dschunken im kleinen Hafen und die andern im großen. 2. Auf den Lösch- und Ladequais beider Häfen werden vom Gouvernement oder von einer oder zwei (für jeden Hafen eine) von den Reedereien und Kaufleuten zu bildenden Gesellschaften, unter seitens der Regierung zu bestimmenden Bedingungen betreffs Lösch-, Lager· und Laderaten sowie Maximalgrenze der Verzinsung des Kapitals u.s.w., Warenspeicher errichtet für die Lagerung von Einfuhr und Ausfuhrwaren; Einfuhrwaren lagern zollfrei und können frei ausgeführt werden. Der Vertragszoll wird erhoben auf Einfuhr- und Ausfuhrwaren, wenn sie die Zollgrenze auf der Landseite des Hafens resp. das Hafenzollamt passieren. Nach der Entrichtung des Zolls gehen Einfuhrwaren in den freien Verkehr über. Die Zollkontrolle an der Grenze des deutschen Gebiets sowie die Zollkontrolle der Eisenbahn würden dann wegfallen, und der Verkehr über die Grenze, per Bahn oder anderweitig, frei werden. 3. Für den im deutschen Gebiet verbrauchten Bruchteil der zollpflichtigen Einfuhrwaren würde das Zollamt einen zu bestimmenden Prozentsatz an das Gouvernement vierteljährlich abfuhren. Der Vorschlag ist hier nur in großen Zügen skizziert. Das Lagerhaussystem ist eine unbedingte Notwendigkeit für den Hafen, die Lösch- und Lagerraten sind jetzt viel zu hoch, und die Aktieninhaber der Gesellschaft haben entsprechende Zinsen eingeheimst. Manche Modifikationen und Einschränkungen betreff des Zolls sind denkbar, welche die Annahme erleich-

364 tern würden, diese können aber erst bei der Verhandlung der Details erörtert werden. Der Vorschlag würde die Einwohner des deutschen Gebiets mit einer indirekten Steuer belasten, in derselben Weise wie die Bewohner Hamburgs, wo ja auch alle Waren verzollt werden, ehe sie in den Konsum übergehen, aber mit dem Unterschied, daß die Steuer der Stadtverwaltung zugute käme und eine Einnahmequelle geschaffen würde, welche die wohl nicht lange hinauszuschiebenden Steuern erheblich vermindern würde. Bei dem großen Umfang des Stadtgebiets und der Unterhaltung seines großen Straßennetzes und anderer Anlagen werden die Steuern naturgemäß sehr hoch sein und die Einwohner schwer belasten. Eine Folge dieser Belastung würde sein, daß dann die chinesischen Verkäufer erst recht nach Jiaozhou und Jimo verziehen würden, wo alles billiger ist, und Qingdao noch mehr als jetzt lediglich Durchgangshafen werden würde. Diese indirekte Steuer hat ferner den Vorteil, daß sie auch die außerhalb der Stadt wohnenden 80.000 Chinesen zu der Steuer heranzieht und durch Belebung des Stadthandels ihre Steuerzahler kräftigt und ihnen auch einen Gegenwert durch besseren Verdienst gibt. Die chinesische Kaufmannschaft, groß und klein, ist ohne Ausnahme für den Vorschlag eingetreten. Von deutschen Kaufleuten haben sich bislang nur wenig dafür ausgesprochen, aber allmählich wächst die Einsicht auch in diesen Kreisen, daß die Vorteile weit größer als die Nachteile sind. Das Kaiserliche Gouvernement hat sich amtlich noch nicht geäußert. Der Gouverneur hat mir privatim mitgeteilt, daß er dem Vorschlag durchaus wohlwollend gegenüber steht, daß aber das Reichsmarineamt, infolge der vielen Angriffe, sich noch immer nicht ganz mit dem Zollamt befreundet habe. Da Sie nun bald auf Urlaub gehen werden, ist es mir ein Bedürfnis, Sie und auch die Gesandtschaft hiervon in Kenntnis zu setzen und auch die andern Angelegenheiten zu Ihrer Kenntnis zu bringen. Es sollte mich freuen, noch vor Ihrer Abreise Ihre Meinung über den Vorschlag der Freihafengebietsbeschränkung zu hören. Mit freundlichem Gruß, Ihr sehr ergebener E. Ohlmer BAP, DBC, Nr. 1249, Bl. 180-188.

104 Eingabe europäischer und chinesischer Kaufleute von Qingdao an das Gouvernement Kiautschou (7.2.1905) Qingdao, 7. Februar 1905 Mit der Eröffnung des Hafens von Qingdao am 2. September 1898 erfolgte zugleich seine Erklärung zum Freihafen. Nach dem Muster von Hongkong wurde in ihm ein Seestadtgebiet

365 geschaffen, welches mit seiner ganzen Bevölkerung außerhalb der Zollgrenze des chinesischen Hinterlandes verblieb. Zur Regelung des Handelsverkehrs zwischen diesem zollfreien Gebiete und dem chinesischen Hinterlande wurde am 17. April 1899 in Peking eine Übereinkunft über die Einrichtung eines chinesischen Seezollamts in Qingdao getroffen. Der Inhalt dieser Vereinbarung und die unmittelbare Bedeutung des Zollabkommens für das Freihafengebiet wurden in der Denkschrift des Kiautschou-Gebietes fur 1898-99, S.9f, einer Würdigung unterzogen; es wird jedoch dabei hervorgehoben, daß ein abschließendes Urteil über die praktische Wirkung der Zollausführungsbestimmungen in der kurzen Zeit des damaligen Bestehens nicht möglich war. Die allgemeine Auffassung über das Zollabkommen geht jetzt dahin, daß die damals versuchte Lösung der Zollfrage durch Zulassung eines Transitzollamtes im Schutzgebiete selbst, welche anfänglich mit Mißtrauen und Widerwillen von der Kaufmannschaft betrachtet wurde, 15 der besonderen Lage des Schutzgebietes angepaßt und deshalb durchaus richtig war. Kann für Hongkong vermöge seiner insularen Isoliertheit, dessen Handel ausschließlich Seehandel ist, es zum mindesten gleichgültig sein, wo der Zoll erhoben wird, so wies die Festlandslage des Kiautschou-Gebietes nachdrücklich von Anfang an auf eine ungehinderte, durch möglichst geringe Zollschranken gestörte Verbindung mit dem Hinterlande hin. Es muß als ein Glück für die Kolonie angesehen werden, daß der naheliegende Gedanke einer Zollunion mit dem Hinterland unter Belassung eines beschränkten Freihafengebietes im Anfang der Einrichtung unseres Schutzgebietes nicht weiter verfolgt ist. Erst mit dem Fortschritt der Eisenbahn und der gewaltigen Hafenwerke hat sich ein nennenswerter Handel mit dem Hinterland angebahnt; nur dadurch ist der ungehinderte Fortgang dieser Arbeiten möglich gewesen, daß er keine Schranken fand in verfrühten Abmachungen über die Lage des Hafens mit dem Zollamt und der Tätigkeit dieser Behörde. Dieser Form der Zulassung eines chinesischen Transitzollamtes im Schutzgebiet ist es zu verdanken, daß nicht nur die chinesische Zollbehörde an die eigenartigen, von anderen Plätzen abweichenden Aufgaben gewöhnt, sondern auch der Kaufmannschaft Gelegenheit gegeben ist, sich mit dem Gedanken der Verzollung der Waren im Schutzgebiete selbst allmählich zu befreunden. J e mehr indes das Hinterland erschlossen wird, um so mehr stellt sich der gegenwärtige Zustand als ein Hemmnis vollkommen freier Handelsbewegung heraus. Der Gang des Handels vollzieht sich für die Einfuhr im allgemeinen so, daß die europäischen Finnen zollfrei die Waren in das Schutzgebiet einführen und an chinesische Großkaufleute verkaufen, welche sie ihrerseits an größere oder kleinere aus dem Innern zusammenströmende Detailhändler absetzen. Sollen die Waren nun ins Hinterland gebracht werden, so sind sie von diesen in Qingdao zu verzollen. Dadurch entstehen trotz aller vom Zollamte ausgeübten Kulanz nicht unbedeutende Schwierigkeiten. Könnten nämlich die Waren wie in rivalisierenden chinesischen Küstenplätzen gleich bei der Einführ en gros verzollt werden, so würde der Zoll von 15 Es gab 1899 vehemente Proteste der deutschen Kaufleute gegen die Existenz einer chinesischen Zollbehörde im deutschen Pachtgebiet. Die Hauptkritik richtete sich gegen die Kontrollbefugnisse der chinesischen Beamten gegenüber den deutschen Schiffen und Waren, vgl. Rosendahl an Heyking, 22.3.1899, in: BAP, D B C , Nr. 1248, B1 188-189 Vgl auch Schrecker 1971:76; Stichler 1989:120ff.

366 den Großfirmen auf die Ware geschlagen, und der Handel wäre frei. Gegenwärtig muß der Zoll statt von der einen Großfirma von Hunderten von chinesischen Kleinhändlern bestritten werden. Die Beschwerden der Kaufleute zielen dahin, daß diese Kleinhändler aus dem Innern, die fur einige tausend Dollars Waren am Platze einkaufen, durch die Verzollung nicht nur viel Zeit verlieren, sondern daß auch der zu zahlende Zoll in keinem Verhältnis steht zu den Mühen, den Scherereien und Kosten, die ihnen durch einen längeren Aufenthalt in Qingdao erwachsen. Nach ihrer Ansicht hebt der Gewinn, welcher durch die NichtVerzollung der wenigen im Schutzgebiete verbleibenden Posten erzielt wird, die Belästigung und den Zeitverlust nicht auf, den das jetzige Verfahren zum Schaden der Entwicklung eines Einfuhrhandels notwendig mit sich bringt. Es läßt sich nachweisen, daß der jetzige Verzollungsmodus vielfach die Kaufleute aus dem Innern abhält, ihre Bedürfnisse im Kiautschou-Gebiet zu befriedigen, und sie nach anderen Plätzen treibt. Im Interesse der Handelsentwicklung liegt es, dem kleinen Mann die Verhältnisse so einfach zu machen wie überhaupt angängig. Die Entwicklung des Handels drängt unwillkürlich zu einer engeren Zollvereinigung zwischen China und dem Schutzgebiet hin; je mehr das Schutzgebiet seine Blüte in der Ausnutzung und Dienstbarmachung der wirtschaftlichen Kräfte der chinesischen Provinz, in der Versorgung der Millionen des Hinterlandes beim Austausch chinesischer Rohprodukte mit Einfuhrwaren erblickt, um so mehr wird sich die Niederlegung und Überbrückung der Schranken, welche die Zollgrenze einer natürlichen Handelsausbreitung zieht, als notwendig erweisen. Wie Hamburg und Bremen durch den Anschluß an den deutschen Zollverband nur erhöhte Bedeutung gewonnen haben, ohne daß ihre Hoheitsrechte dadurch gemindert worden wären, so ist ein wirtschaftlicher Aufschwung des deutschen Schutzgebiets nur von einem engeren Zollanschluß an das chinesische Hinterland zu erhoffen. Die Grundsätze, unter denen wir eine Neuregelung wünschen, lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: 1. Die Grenzen des Freihafens werden enger gezogen und an den Hafen verlegt. Im Freihafengebiet befinden sich nach dem Vorbild von Hamburg allein Kajeschuppen und Lagerhäuser. Der Umschlagsverkehr nach anderen Ländern und Plätzen, welche bei einer direkten Verbindung mit Deutschland durch die großen Linien zu erwarten ist, vollzieht sich ohne Verzollung. Waren und Musterlager können auf diese Weise zollfrei gehalten werden. Das Freihafengebiet am Wasser wird die Plätze am großen und kleinen Hafen in ungefährer Ausdehnung bis zum Bahndamm einschließen. 2. Die Verzollung der Waren erfolgt bei dem Austritt aus dem Freihafengebiet durch das chinesische Zollamt. Mit der erfolgten Verzollung treten die Waren in den freien Verkehr über. Eine weitere Zollkontrolle findet nicht statt. 3. Im Verhältnis zu dem Wert der Waren, welche im deutschen Gebiet verbleiben, wird der erhobene Zoll dem Gouvernement zurück vergütet und den Einnahmen des Schutzgebietes zugeführt. 4. Einfuhr von Gegenständen, die für industrielle Zwecke des Schutzgebietes Verwendung finden, ist frei. Bei der Ausfuhr von im Schutzgebiet hergestellten Fabrikaten, zu denen

367 Rohwaren verwendet sind, die aus anderen Ländern als China stammen, wird der gesamte für die Rohmaterialien gezahlte Zoll zurückvergütet. Mit Durchführung dieser Grundsätze, denen laut uns zuteil gewordenen Auskünften technische Schwierigkeiten nicht entgegenstehen, würde die einfachste Verzollungsform erreicht sein, welche für das Schutzgebiet bei voller Wahrung seiner Hoheitsrechte denkbar ist. Denn schon jetzt ist das chinesische Zollamt mit der Erhebung der Zollgefälle auf Opium betraut und führt diese in regelmäßigen Zeiträumen an das Gouvernement ab. Den Wünschen eines großen Teils der Kaufmannschaft, nicht nur der deutschen, sondern auch der chinesischen, würde damit entsprochen sein. Eine sehr willkommene Erleichterung würde auch in den Zollerhebungsformen stattfinden, indem die jetzt bestehenden vielen Zollhebestellen des Schutzgebietes auf eine einzige beschränkt und die Kontrolle an den Grenzen des Schutzgebietes unnötig gemacht werden würde. Wenn die auf den Lokalverkehr hauptsächlich angewiesenen Ladengeschäfte gegen die Maßregel, von der sie eine Verteuerung der Waren befürchten, sich aussprechen, so sollte dieser Widerspruch an der Bedeutung dieses Geschäftszweiges für die allgemeine wirtschaftliche Stellung des Kiautschou-Gebietes gemessen werden. Ihn als berechtigt gegenüber den Wünschen der Großfirmen anzuerkennen, geht nur an unter der Voraussetzung, daß die bedeutenden Auslagen des Reiches in Qingdao gemacht sind, um einem Detailhandel in Qingdao selbst für die wenigen Bewohner des Schutzgebietes zu genügen; er läßt sich nicht aufrechterhalten, wenn als Ziel der Entwicklung die wirtschaftliche Einbeziehung des mächtigen Hinterlandes mit seinen ungeheuren Massen in die Interessen des Schutzgebietes vorausgesetzt wird. Als Nachteil dieser Regelung der Zollfrage könnte die damit verbundene Verzollung von Waren erscheinen, welche aus dem Ausland bezogen werden, obwohl sie für den Verbrauch im Schutzgebiet bestimmt sind. Indes wird dadurch, daß dieser Zoll dem Schutzgebiete zufallt, eine Einnahmequelle geschaffen, welche zugleich die einfachste, ergiebigste und einzig kostenlose Form der Besteuerung darstellt. Daß die Kolonie neben der bestehenden Grundsteuer noch einer weiteren Steuer bedarf, muß jeder Einsichtige anerkennen. Mit der Zeit werden die nötigen Verwaltungsabgaben, welche bis jetzt das Reich getragen hat, von der Kolonie getragen werden müssen, schon allein im Interesse der Aufrechterhaltung und Hebung ihres eigenen Kredites. Jede andere Steuer würde abgesehen von ihrer geringeren Ergiebigkeit mit Belästigungen und daher wirtschaftlichen Nachteilen für das Schutzgebiet verbunden sein. Diesen gegenüber lassen die Vorteile des Zolls sich kurz dahin zusammenfassen: 1. Verzollung in großen Stapeln; Fortfall der Zollkontrolle außerhalb der scharf bestimmten Zollgrenze und Beschränkung der inneren Kontrolle auf ein Mindestmaß. Befreiung der Bahnstationen von Zollämtern; ungehinderter Warenverkehr mit dem Hinterlande; dadurch Förderung auch des direkten Einfuhrhandels aus Europa unter größerer Mitbeteiligung des nicht-chinesischen Elements am Einführhandel. 2. Schaffung ergiebiger Steuereinnahmen für das Schutzgebiet in einfachster Form für die Steuerzahler und das Gouvernement ohne kostspieligen Verwaltungsapparat. Die Steuer als

368 solche stellt das Schutzgebiet wirtschaftlich nicht schlechter als irgendeinen Hafen an der chinesischen Küste. 3. Ersparung von Mühe und Zeit für alle Beteiligten sowohl hinsichtlich des Zolls wie des Steuerverfahrens. An Eure Exzellenz richten die Unterzeichneten die ganz gehorsame Bitte, unter Belassung des Freihafen-Charakters von Qingdao im Interesse der Entwicklung des Einfuhrhandels eine Einschränkung des Freihafengebietes nach dem Vorbild von Hamburg und Bremen gestatten zu wollen. Indem die Unterzeichneten Eurer Exzellenz diese Bitte vortragen, geben sie sich zugleich der Erwartung hin, daß die Heranziehung des im Schutzgebiet zugelassenen Seezollamtes zu den Einkünften der Kolonie den Vorteilen entspricht, die dem Seezollamt selbst aus dieser Neuregelung erwachsen; ferner daß der Bürgerschaft im Verhältnis zu der höheren Beisteuer zu den Einnahmen des Gouvernements auch ein Einfluß auf die Verwendung der öffentlichen Gelder gewährt wird, gez. Carlowitz. (Hier folgen Unterschriften der europäischen Firmen und Unterschriften von 63 chinesischen Firmen.)16 Β AP, DBC, Nr. J250, Bl. 146-149.

105 Abänderung der Übereinkunft über die Errichtung eines Seezollamtes in Qingdao (1.12.1905) Die chinesische und deutsche Regierung haben in dem Bestreben, die Übereinkunft vom 17. April 189917 zu verbessern und die Beziehungen zwischen dem Schutzgebiet und dem chinesischen Zollamt auf eine noch bessere Grundlage zu stellen, den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Verbesserungen zugestimmt. Die Grundlage dieses Abkommens ist, daß die chinesische Regierung ihrerseits 1. sich verpflichtet, an das Gouvernement von Kiautschou einen bestimmten Prozentsatz der Einfuhrzölle auf Waren, die ins deutsche Gebiet gebracht werden, zu zahlen, sowie 2. den in den folgenden Artikeln enthaltenen Abweichungen von dem in den chinesischen Vertragshäfen üblichen Zollverfahren zustimmt, und daß die deutsche Regierung ihrerseits in Anbetracht dieser Zahlung und Zustimmung seitens Chinas es übernimmt, die Ausübung des

16 Das Dokument enthält keine Aufzählung einzelner Namen. Der Zusatz in Klammern findet sich so im Dokument. 17 Siehe Dok 101.

369 Dienstes des Kaiserlich Chinesischen Zollamts im deutschen Schutzgebiet zu erleichtern und zur Sicherung der gesetzmäßigen Zolleinkünfte ihre Unterstützung zu gewähren. Zur Ausführung der nötigen Abänderungen haben beide Parteien sich über die folgenden Punkte geeinigt: Artikel 1. Nach Beschränkung des Qingdao-Freibezirks durch deutsche Behörden wird das im Schutzgebiet ansässige Seezollamt alle Zölle auf Waren erheben, welche den Freibezirk verlassen, und die chinesische Regierung wird jährlich an die deutschen Behörden in Qingdao 20 Prozent der Nettoeinfuhrzölle, wie sie in den Statistiken des Kiautschou-Zollamts nachgewiesen werden, als ihren Beitrag zu den Ausgaben des Schutzgebiets abfuhren. Dieser Betrag wird provisorisch zunächst auf 5 Jahre festgelegt werden; die Überweisung erfolgt in vierteljährlichen Raten postnumerando. Wünscht zu irgendeiner Zeit eine Seite eine Änderung dieses Betrages von 20 Prozent, so hat sie die- 1andere vor dem Anfang des fünften Jahres behufs 8 weiterer Verhandlungen zu benachrichtigen. Artikel 2. Die Begrenzung des an den großen Hafen zu verlegenden Freibezirks und dessen spätere Erweiterung infolge des fortschreitenden Hafenausbaus werden unter möglichster Berücksichtigung der Bequemlichkeit der Zollerhebung erfolgen. Artikel 3. Auf die tarifmäßige Zollfreiheit genießenden Artikel wird kein Zoll erhoben. Zollfrei sind: für die deutschen Truppen: a) Gegenstände, welche zur Bewaffnung, Ausrüstung und Bekleidung bestimmt sind, soweit sie von den Militär- und Marinebehörden direkt beschafft werden, aufgrund einer Bescheinigung des Kaiserlichen Gouvernements. b) Materialien und Proviantvorräte, welche von den Militär- und Marinebehörden im Interesse der Kriegsbereitschaft beschafft werden, aufgrund einer Bescheinigung des Kaiserlichen Gouvernements. Allgemein zollfrei sind: c) Maschinen und maschinelle Anlagen sowie die zum Fabrikations-, gewerblichen- und landwirtschaftlichen Betrieb erforderlichen Werkzeuge und Geräte oder Teile derselben; ferner Baumaterialien und Einrichtungen für öffentliche und fiskalische Anlagen. Eine schriftliche Verpflichtung über den Wert der Waren ist in jedem einzelnen Falle dem Zollamt mit der Erklärung einzureichen, daß die Artikel ausschließlich zum Gebrauch im Schutzgebiet dienen. Werden sie später nach China verschickt, so ist dem Zollamt Meldung zu erstatten und Zoll zu zahlen. Im Nichtachtungsfall verfällt der zweifache Zoll entsprechend dem in der Zollverpflichtung angegebenen Werte. d) Der gewöhnliche Reparaturverkehr zwischen Freigebiet und Zolland; den Zollbeamten ist in jedem Falle Meldung zu machen.

18 Es kam bis 1914 zu keiner Änderung des in Artikel 1 festgelegten Verfahrens.

370 e) Einkommende, zum Privatgebrauch im Schutzgebiete bestimmte Postpakete, soweit der laut beiliegender Zolldeklaration zu erhebende Zoll Dollar 1 (Wert Dollar 20) nicht übersteigt. Dem Zollamt steht es frei, gelegentlich Revisionen der Deklarationen und des Inhalts der Pakete vorzunehmen. f) Das Privatgepäck von Reisenden auf die Erklärung hin, daß es keine zollpflichtigen oder Konterbandewaren enthält; nur in Fällen, wo die Zollbehörden es für besonders erforderlich erachten, tritt eine Revision ein. Artikel 4. Die Bestimmungen in Artikel 5, 7 und 9 der Übereinkunft vom 17. April 1899 über Erhebung des Einfuhrzolls werden sinngemäß dahin abgeändert, daß die Zollfreiheit nur für den Freibezirk besteht. Die Verzollung der Waren erfolgt demnach entweder bei dem Austritt aus dem Freibezirk oder der Einfuhr über See ohne Berührung des Freibezirks. Mit der Verzollung gehen die Waren in den freien Verkehr über und aus der Zollkontrolle heraus. Da auf diese Weise genügende Vorkehrungen für eine wirksame Zollerhebung in Qingdao getroffen sind, so sind Zollstationen an oder in der Nähe der Grenze unnötig, und von der Errichtung solcher kann vorläufig abgesehen werden; ausgenommen sind Stationen, welche zur Kontrolle des Dschunkenverkehrs dienen. Artikel 5. Soweit die für die Ausfuhr arbeitenden industriellen Betriebe nicht in den Freibezirk verlegt werden können, sind Vorkehrungen zu treffen, welche die Fabrikate nicht schlechter stellen als stammten sie aus dem Freibezirk. Die im Schutzgebiet geleistete Arbeit bleibt grundsätzlich zollfrei; somit unterliegen im Schutzgebiet hergestellte Fabrikate aus Rohwaren, welche aus dem Hinterland oder über See in das Schutzgebiet eingeführt sind, bei der Weiterversendung nur insoweit der Verzollung, als China vertragsmäßig auf den Zoll für die Rohwaren Anspruch erheben kann. Eine Liste der als Rohwaren angesehenen Artikel wird, falls erforderlich, vom Gouvernement und Zollamt aufgestellt und am Schlüsse jeden Jahres revidiert werden. Artikel 6. Alle Handels- und Schiffahrtserleichterungen, welche in chinesischen Küstenplätzen gewährt werden, finden sinngemäß im Kiautschou-Gebiet Anwendung. Artikel 7. Das bei Zolldefraudationen und bei Verstößen gegen die Zollbestimmungen zu beobachtende Verfahren wird dahin geregelt, daß die Bestimmungen über gemeinschaftliche Untersuchungen vom 31. Mai 1868 sinngemäß Anwendung finden. An die Stelle des Konsuls tritt ein Beamter des Gouvernements. Artikel 8. Diese Abänderung ist erfolgt gemäß Artikel 20 der Übereinkunft über die Errichtung eines Seezollamtes in Qingdao. Mit Ausnahme der Stellen, welche durch diese Abänderung ausdrücklich getroffen werden, bleibt die Übereinkunft in Kraft.

371 Peking, den 1. Dezember 1905 Α. ν. Mumm

Robert Hart

Friedrich Wilhelm Mohr, Handbuch für das Schutzgebiet Kiautschou,

Tsingtati 1911,

S.309-312.

106 Kommentar des Ostasiatischen Lloyd (18.6.1909) 19 Der Etat des Kiautschou-Gebietes In kurzem wird der Etat des deutschen Schutzgebietes Kiautschou fur das Jahr 1910-11 dem Gouvernementsrat in Qingdao zur Beratung vorgelegt werden. Bei seiner Prüfung sind den Vertretern der Bürgerschaft dieses Mal besondere Aufmerksamkeit und Vorsicht, bei seiner Besprechung ist ihnen ihres Zieles klar bewußte Energie zu empfehlen. Die Verhandlungen in der Budgetkommission des Reichstags im März dieses Jahres haben bewiesen, daß den Abgeordneten aller Parteien, mehr als früher, begründete und berechtigte Kritiken über die Verwaltung und ihre Fehler, über unfruchtbare und überflüssige Ausgaben für einzelne Ressorts und die Kolonie im ganzen zugehen, und daß dadurch beim Reichstag das Nachdenken über die Kolonie eindringender, das Urteil über ihren Wert und ihre Zukunft reifer geworden ist. Aber von einer auch nur halbwegs genügenden Kenntnis ostasiatischer Wirtschaftsverhältnisse und von einer hinreichenden Bekanntschaft mit den Zuständen und Leistungen in ostasiatischen Kolonien anderer Völker ist der Reichstag leider noch ebenso weit entfernt, wie von einer ausreichenden Einsicht in die wirklichen Zustände des deutschen Schutzgebietes und von einem Vertrautsein mit beachtenswerten Stimmungen und lebendigen Strömungen in seiner Bürgerschaft und bei den chinesischen Schutzgenossen. Je länger, je mehr vermißt man doch eigene Anschauung und Einzelkenntnisse in bezug auf bedenkliche Positionen des Etats, Unternehmungen, die dem Reiche sowohl wie der Bevölkerung der Kolonie fortgesetzt schwere finanzielle Opfer auferlegen, ohne sich in absehbarer Zeit als fruchtbar erweisen zu können. Das kann freilich kaum anders sein! Der Reichstag unterrichtet sich, wie die Verhandlungen zeigen, hauptsächlich aus den amtlichen Denkschriften, die in der Kolonie von allen gründlichen Kennern der Dinge, von Beamten und Nicht-Beamten, als von zweifelhaftem Werte angesehen werden, und aus Erklärungen der Vertreter des Reichsmarineamts, die als Zeugnisse in eigener Sache und beeinflußt durch Berichte gleichen Charakters von der Behörde des Schutzgebiets sich mit der Wirklichkeit, die die Abgeordneten doch kennen lernen möchten, bei weitem nicht immer decken. Mitteilungen und Kritiken aber, die Abgeordneten von einzelnen Persönlichkeiten aus Qingdao zugehen, oder Besprechungen in der Presse werden oft, je zutreffender sie sind, um so nachdrücklicher von der Behörde als

19 Der Kommentar, der auf der Titelseite erschien, ist nicht namentlich gezeichnet.

372 von Mißvergnügen ausgehend, als unrichtig oder übertrieben und einer ernsthaften Widerlegung nicht wert bezeichnet. Je kühner und abweisender die Vertreter der Behörde unbequemes Material oder wohl angebrachte Beschwerden behandeln, desto leichter lassen sich die immer nur mangelhaft unterrichteten Abgeordneten verblüffen. Denn in dieser besten aller kolonialen Welten dürfen Mißtöne nicht laut, Übelstände nicht anerkannt werden. So will es die Überlieferung. Wer zum Beispiel kann die Beschönigung der ungeheuren und mehr als ärgerlichen Vergeudung von hundertzweiundvierzigtausend Mark für den Gouverneurspark lesen, ohne über die Unkenntnis und die daraus folgende Leichtgläubigkeit des Vorsitzenden der Budgetkommission des Reichstags zu lächeln, der, schlecht unterrichtet, von anderem Anfechtbaren abgesehen, der staunenden Welt zu verkünden weiß, daß in „Städten" solche „Lungen" nötig seien? Dreihundert Meter in gerader Linie vom Meere entfernt und nur mit wenigen freiliegenden Häusern bebaut! Dem Spiel der luftreinigenden Seewinde und der Sonne ohne Unterlaß ausgesetzt! Wer muß nicht die Geschicklichkeit bewundern, mit der, vor einem mangelhaft unterrichteten Auditorium, die Bedeutung und die schädliche Wirkung des Boykotts des Hafens bestritten und kühn mit einem Sturm im Glase Wasser verglichen wurde? Wie ge20

wandt wird die allseitige Zufriedenheit mit der Kajenordnung unter Verschweigung der Tatsache betont, daß diese Ordnung in wesentlichen Punkten unter dem kräftigen Druck des Boykotts und der europäischen Interessenten geändert werden mußte, ehe Zufriedenheit eintrat? Und ist es nicht bedauerlich, daß die Behauptungen des Staatssekretärs über eine Abnahme der Einkünfte in Hongkong und eine Zunahme der Einnahmen in Qingdao, als Zeichen der schlechteren Wirtschaftslage dort und der besseren Lage hier, nicht auf ihren wahren Wert zurückgeführt worden sind? Keinem Abgeordneten war leider die einfache Aufklärung möglich, daß Hongkongs Einnahmen auf Befehl des britischen Kolonialamtes durch Aufhebung aller Opiumkneipen im Mai vergangenen Jahres plötzlich um mehr als hundertfiinfzigtausend Dollars gekürzt worden waren. Wir sind sehr geneigt zu glauben, daß der Staatssekretär bei einer solchen Antwort dem Herrn nicht gerade dankbar gewesen wäre, der ihn durch mangelhafte Informationen bloßgestellt hätte. Von anderen „Bluffs" schweigend, stellen wir nur fest, daß ihnen und ihren Urhebern gegenüber ein selbständigeres Urteil des

20 Die „Kajen- und Lagerhausverordnung" vom 2.9.1908 (in: Mohr 1911:367-374) regelt die Nutzung der öffentlichen Hafenanlagen und Hafeneinrichtungen (Lade- und Löschvorrichtungen, Lagerhäuser usw.) durch private Kaufleute und Unternehmen. Diese Verordnung, die gleichzeitig mit der Fertigstellung des Großen Hafens erlassen wurde, war wegen ihrer deutlich erhöhten Gebühren bei den chinesischen Kaufleuten auf Ablehnung gestoßen. Nachdem das Gouvernement sich jedoch nicht bereit gezeigt hatte, die Verordnung zu ändern, organisierten die chinesischen Kaufleute im Herbst des Jahres 1908 einen allgemeinen Boykott der chinesischen Bevölkerung gegen alle deutschen Geschäfte und Waren Am 30. September 1909 erließ das Gouvernement dann eine neue Gebührenordnung fur den Betrieb am Hafen mit reduzierten Tarifen (vgl. Bekanntmachung betreffend Gebührenordnung, 30.9.1909, in: Mohr 1911:375-383).

373 Reichstages, das auf eigenen Erkundigungen beruht, dringend erwünscht ist, ebenso dringend aber auch eine Abweisung solcher „Scherze"! [...] Die Arbeit der Budgetkommission und des Plenums des Reichstags stand im vergangenen Frühjahr unter einem doppelten Zwang. Nachdem angesichts der Vorgänge im englischen Parlament der Marineetat vom Reichstag ohne die übliche gründliche Einzelprüfung und ohne Generaldebatte angenommen22 und dem Staatssekretär in erhebender, die Herzen aller Patrioten erfreuender Weise das allgemeine Vertrauen bezeugt worden war, mußte eine rückhaltlose Kritik des Etats des Kiautschou-Gebiets, so angebracht sie manchem Abgeordneten zu sein schien, unterbleiben. Sie hinderte aber auch der Umstand, daß die Zeit zur Annahme des Etatgesetzes überhaupt drängte. Nur wenige Tage waren fur wichtige Abschnitte noch geblieben. Das Reichsschatzamt stand, wie wir aus dem Reichstag gehört haben, gleichsam mit der Peitsche hinter den Beratungen, und erst drei Tage vor dem Ende des Etatjahres erschien der Etat des Kiautschougebiets auf der Tagesordnung. In wenigen Stunden mußte er in der Kommission, in noch kürzerer Zeit im Plenum erledigt werden. Wünsche in bezug auf die Aufstellung des Etats, wie sie die Bürgerschaft seit Jahren hegt, und wie sie die Qingdaoer Presse vertritt, konnten überhaupt nicht vorgebracht werden. Man begnügte sich mit einer Kritik der Amtsführung des Gouverneurs und einer Reihe wohlgerechtfertigter Ausstellungen an seiner Verwaltung, nahm eine Reihe von Abstrichen persönlicher und sachlicher Art vor und machte der, wie ausdrücklich bemerkt wurde, immer noch viel zu sehr aus dem Vollen wirtschaftenden Schutzgebietsverwaltung größere Sparsamkeit zur Pflicht. Leider wurden aber nur die Außenwerke angegriffen. Das eigentliche Problem des Etats schien keinem der Redner aufgegangen zu sein, und es blieb daher unberührt. Die Gesamtstimmung jener politisch bewegten Tage beherrschte die Beratung; die Kritik trat naturgemäß zurück. Um so dringender ist die Pflicht, nachzuholen, was der Reichstag versäumt hat. [,..]23 Wer unserer Kritik anhand des Etats gefolgt ist, wird mit uns einer Meinung darüber sein, daß die sogenannten Erwerbsbetriebe des Gouvernements schon jetzt als Verlustbetriebe anzusetzen sind, und erst recht dann, wenn die Marineverwaltung ihr Versprechen auf kaufmännische Buchführung und Rechnungslegung erfüllt haben wird. Die Bürgerschaft der Ko-

21 Hier folgt eine Kritik daran, daß die Bürgerschaft in Qingdao nicht an der Aufstellung des Haushalts der Kolonie beteiligt werde. 22 Als Antwort auf die deutschen Bemühungen zum Aufbau einer großen Schlachtflotte in der Nordsee ließ das britische Parlament im Herbst 1908 eine Vorlage der Regierung passieren, mit deren Hilfe neue Steuern zur Finanzierung der englischen Flottenrüstung erhoben wurden. Die deutsche Reichsleitung reagierte darauf ihrerseits mit einer Erhöhung des Bautempos der deutschen Flotte von drei auf vier Schiffe pro Jahr, die mit dem im Frühjahr 1909 eilig verabschiedeten Etat in die Wege geleitet wurde. Die Ereignisse markieren einen Wendepunkt im deutsch-englischen Rüstungswettlauf, der sich danach in verhängnisvoller Weise beschleunigte. Siehe hierzu Berghahn 1988:14; Nipperdey 1992:670ff. 23 Im folgenden wird die finanzielle Lage der Kajenverwaltung, der Werft- und Dockbetriebe, des Schlachthofes sowie des Wasserwerkes in Kiautschou erörtert. Bei diesen Betrieben handelt es sich um staatliche geleitete Unternehmen. Der Verfasser kritisiert, daß diese trotz hoher Gebühren unwirtschaftlich und unrentabel arbeiten wurden.

374 lonie wird also mit größter Energie dahin wirken müssen, daß die Rechnung dieser Betriebe vollkommen aus dem Etat der Zivilverwaltung ausgeschieden wird. Der Reichstag möge die Einlösung des gegebenen Versprechens fordern und darüber wachen, daß anstelle „großzügiger" Ideen nun endlich kaufmännische Nüchternheit und Achtung vor den Zahlen der Bilanzen tritt. Wie man Gemeindebetriebe nach kaufmännischen Grundsätzen leitet, konsoldiert und, den Bedürfnissen folgend, erweitert, wie ein Mittelding zwischen kameralistischer und kaufmännischer Buchführung beschaffen ist, wie man darauf eine auch kaufmännischen Anforderungen genügende Rechnungslegung aufbaut, das ist heute bei der Verwaltung vieler deutscher Großstädte zu lemen. Sie kennen längst kaufmännische Rechnungslegung, meist zum Segen des Stadtsäckels. Die Kolonie möge dem Fiskus die angemessenen Gebühren fur seine Leistungen zahlen, darüber hinaus nichts! Sie hat weder Dock noch Werft, weder die Palastgebäude des Schlachthofs noch andere Anlagen gewünscht oder in der vorhandenen, den Bedürfnissen weit vorauseilenden Größe als notwendig angesehen. Nicht die gegenwärtige, sondern vornehmlich die kommende Generation möge also die Lasten fur Annehmlichkeiten tragen, die im Hinblick auf sie und die Entwicklungsmöglichkeiten ferner Zukunft von der Regierung geschaffen worden sind. Die bei jeder Gelegenheit gepriesene großzügige Politik und Vorsorge frir die Zukunft ist finanziell gesehen eine Politik der Gedankenlosigkeit. Deshalb muß endlich einmal dem uneingeschränkten Lob ein Ende gemacht werden. Wo sind jemals Äußerungen der Behörden laut geworden, die erkennen lassen, daß sie an eine gerechte Verteilung der durch jene Politik verursachten Lasten zwischen der gegenwärtigen und kommenden Generation denken? Darüber haben sie niemals nachgedacht. Es ist bequemer, sich auf den immer bewilligungsbereiten Reichstag zu verlassen, als den Anfang mit einer systematischen Finanzwirtschaft und Finanzpolitik zu machen. Dafür sind die Verhältnisse im Schutzgebiet durchaus reif. Die Auseinandersetzung zwischen Staatsverwaltung und den Anfangen der kommenden Kommune ist nicht aufzuhalten. Es wird der Bürgerschaft immer, gleichsam als Schreckensbild, vorgehalten, daß eine grössere Selbständigkeit und eine Ausdehnung der Selbstverwaltung Opfer erforderten. Opfer an Zeit, Arbeitskraft und Steuerleistungen. Wir glauben, daß die Qingdaoer Bürgerschaft soviel auf sich selbst hält, um dazu bereit zu sein. Was sie dann aber verlangen wird, ist eine Führung der Geschäfte der Kolonie, die Zahlen und geschäftliche Verhältnisse zu beurteilen und zu rechnen versteht, die sich, kaufmännisch betrachtet, sehen lassen kann. Es ist in der Qingdaoer Presse kürzlich der Ruf nach einem Zivilgouvemeur laut geworden. Die Forderung nach einem Retter aus fiskalischer Umgarnung ist berechtigt, aber seine Titulatur halten wir nicht fur richtig, sie ist zu hoch, da es sich schließlich nur um ein kommunales Oberhaupt handeln kann. Nicht in der scharfen Trennung von Zivil- und Militäretat liegt das große Heil fur die Bürgerschaft, so sehr sie auch gerade darüber und in diesem Jahre besonders scharf wachen soll. Viel wichtiger ist eine Änderung der Verfassung des Gouvernementsrates im Sinne einer Erhöhung der Rechte der Bürgerschaftsvertreter - der unabhängigen Bürgerschaftsvertreter, nicht des zum größten Teil aus abhängigen Beamten gebildeten Gouvernementsrates. Die Einnahmen aus den Leistungen der Bürgerschaft an

375 Steuern und Gebühren dürfen nicht zum Zwecke des Fiskus, am wenigsten für seine unrentablen Unternehmungen verwandt werden. An Abstimmungen und Wünsche der Bürgerschaftsvertreter über die Verwendung jener Einnahmen ist der Gouverneur zu binden. Überschüsse aus diesen Einnahmen gegenüber der Veranschlagung sind nach den Beschlüssen der Bürgerschaftsvertreter zu verwenden oder sicher anzulegen. Eine Einigung über das, was als Steuerleistung fur Zwecke der bürgerlichen Gemeinde anzusehen ist und was als fiskalische Einnahmequelle gilt, ist herbeizufuhren. In diesem Sinne an der Lösung der Vorfragen zu arbeiten, heißt, die endliche Selbstregierung und Selbstverwaltung auf wirtschaftlich gesunder Basis herbeifuhren. Noch kann der letzte Schritt nicht getan werden, aber von der Energie und Klarheit, mit der die Bürgerschaft sich dieses Mal zur Beratung des Etats stellt, wird es in hohem Maße abhängen, für welchen Zeitpunkt das Ziel als erreichbar angesehen werden kann. Die Höflichkeiten, die man dem auf Urlaub reisenden Gouverneur [Truppel] erwiesen hat, können nicht über die wahre Stimmung in der Kolonie täuschen, die unzweideutig in den Worten des Festredners der Bürgerschaft zum Ausdruck gekommen ist. Uns liegen Berichte ähnlicher Art vor; sie schließen aber nicht mit der Hoffnung auf Abhilfe durch den jetzt in Europa weilenden Gouverneur. Der kann ja auch nicht helfen. Die wirtschaftliche Basis der Kolonie liegt im Handel mit dem Hinterland. Der Löwenanteil daran fällt den Chinesen zu. Darauf müssen alle Verhältnisse in der Kolonie zugeschnitten und zurückgeschraubt werden. Pflicht der Kaufleute ist es, die Vorsicht und die Sparsamkeit, die sie in der Art ihrer eigenen Etablierung in Eurer Zeit zeigten, auch der Regierung zu empfehlen. Die Zeit der Offiziere und eines glänzenden Auftretens ist vorbei. „Kaufleute vor an die Front!" Deutsche und Chinesen! Der Ostasiatische Lloyd, Shanghai, 23:25 (18.6.1909), S. 1201-1206.

107 Bericht des Gouverneurs von Kiautschou, Truppel, an das Verwaltungsdepartement des Reichsmarineamts (16.4.1909)24 H. Ausfuhr. Deutlich machen sich Anzeichen einer beginnenden wirtschaftlichen Erstarkung des Hinterlandes bemerkbar. Auch die Kaufmannschaft von Jinanfü beurteilt die Aussichten für dieses

24 Es handelt sich bei dem folgenden Dokument um einen Auszug aus dem Tätigkeitsbericht des Gouverneurs an das Reichsmarineamt für den Monat März 1909.

376 Jahr recht günstig, wie anläßlich des Besuches Seiner Exzellenz bei Gouverneur Yuan Shuxun festgestellt wurde. 25 Zum Vergleich seien herangezogen:

Datteln, schwarze Glaswaren Erdnüsse Erdnußkerne Erdnußöl Melonenkerne Strohborten Schafwolle Talg Kuhhäute

Piculs26 >?

55 55 55 55 55

1. Ouartal 07 917 744 486 3335 1444 989 11041 —

55

353 4754

55 55

1. Ouartal 08 410 950 3083 2024 22363 182 15625 143 2961 3000

1. Ouartal 09 3499 1877 5727 35250 52235 1103 16648 801 5154 5462

Es erhellt deutlich, daß die chinesische Bevölkerung des Hinterlandes den ihr von der Bahn gebrachten Nutzen nunmehr erkannt hat und inne geworden ist, daß die Bahn ihr die Ausfuhr von Artikeln ermöglicht, welche auf dem Landtransport wegen der erstehenden Spesen bislang auszufuhren sich von selbst verbot. Die Ausfuhr der Kohlen hat betragen:

Tonnen

1. Quartal 07 5601

1. Quartal 08 3600

1. Quartal 09 20487

Allerhöchst mit der Stellvertretung beauftragt. Meyer-Waldeck. Β ΑΜΑ, RM3 6761, Bl. 292-293.

108 Satzungen für die Chinesische Handelskammer in Qingdao (17.8.1910) In Qingdao ist eine chinesische Handelskammer zugelassen worden. Die Satzungen und Zusatzbestimmungen derselben, denen das Gouvernement seine Genehmigung erteilt hat, werden nachstehend zur allgemeinen Kenntnis gebracht.

25 Der Gouverneur von Shandong, Yuan Shuxun, besuchte im Oktober 1908 Kiautschou, siehe Truppel an Reichsmarineamt, 4.11.1908, in: BA/MA, RM 3/6721, Bl.220-223. 26 1 Picul gleich 60,453 kg.

377

Qingdao, den 17. August 1910 Kaiserliches Gouvernement Satzungen fur die Chinesische Handelskammer in Qingdao § 1. Die Vereinigung fuhrt den Namen „Chinesische Handelskammer von Qingdao". §2. Zweck der Handelskammer ist der engere Zusammenschluß der Kaufmannschaft, Förderung des Handels und Erweiterung kaufmännischen Wissens. In allen Angelegenheiten ist nach den vom Ministerium veröffentlichten und vom Thron genehmigten Bestimmungen sowie nach den Vorschriften des Gouvernements zu verfahren. Jede Beteiligung an Boykottbestrebungen ist streng verboten. §3. Die Handelskammer wählt einen ersten, einen zweiten Vorsitzenden, sowie 18 Vorstandsmitglieder. Wählbar sind nur chinesische Kaufleute des Schutzgebiets, die den für die Wählbarkeit aufgestellten Bedingungen entsprechen. Die Vorsitzenden bedürfen der Bestätigung durch das Gouvernement. §4. Die Handelskammer stellt einen Sekretär an, der den amtlichen Schriftverkehr und sonstigen Briefwechsel besorgt, einen Sekretär zur Prüfung der Rechnungen, Erkundung der Handelsverhältnisse und Besorgung von aller Art Angelegenheiten, sowie einen Rechnungsfuhrer, der die Ausgaben und Einnahmen der Handelskammer unter sich hat und bei der Abschrift von Briefen mithilft. §5. Es finden ordentliche, außerordentliche und Jahresversammlungen der Handelskammer statt. Die ordentlichen Versammlungen werden jeden Sonntag abgehalten. In wichtigen Fällen, die einen Aufschub nicht vertragen, wird auf schriftlichen begründeten Antrag, der dem ersten Vorsitzenden einzureichen ist, bei Zustimmung von mehr als 6 Vorstandsmitgliedern eine außerordentliche Versammlung einberufen. Jährlich am 2. Tage des 2. Monats findet eine Jahresversammlung statt, zu der sämtliche Vorstandsmitglieder erscheinen. In dieser Versammlung wird Rechnung über die Einnahmen und Ausgaben des verflossenen Jahres gelegt und der Etat fur das neue Jahr beraten. Am 16. Tage desselben Monats findet eine zweite Versammlung statt in welcher der Handelsbericht für das verflossene Jahr bekanntgegeben und über notwendige Maßnahmen im neuen Jahre beraten wird. Die laufenden gewöhnlichen Angelegenheiten der Handelskammer werden von den Vorstandsmitgliedern vom Tage erledigt. In wichtigen Fällen ist die Entscheidung des ersten Vorsitzenden schriftlich nachzusuchen. §6. Jeder Versammlung haben der erste, der zweite Vorsitzende sowie die übrigen Vorstandsmitglieder beizuwohnen. Der Sekretär (Ii shi) legt die zur Beratung stehenden Sachen vor, die der Reihe nach beraten werden. Der Sekretär fur den Schriftverkehr protokolliert die wesentlichen Punkte.

378 §7. Bei der Beratung hat jedes Vorstandsmitglied das Recht, sein Für oder Wider abzugeben, muß sich indes für eines von beiden entscheiden. Meinungsverschiedenheiten können in der Handelskammer erörtert werden, dürfen aber nicht zu Streit und privater Erörterung hinter dem Rücken der anderen fuhren. §8. Den Versammlungen darf kein Vorstandsmitglied, auch der Vorsitzende nicht, grundlos fernbleiben. Im Falle der Behinderung durch Krankheit oder sonstige von dem Willen des Betreffenden unabhängige Umstände kann der Betreffende einen Vertreter bestellen, dem er eine Vertretungsvollmacht auszustellen hat. §9. Wenn der erste oder zweite Vorsitzende vor Ablauf seiner Amtszeit wegen eines von seinem Willen unabhängigen Grundes vom Amt zurückzutreten wünscht, so hat die Gesamtheit darüber zu beraten und zu beschließen, auch muß sie einen den Bedingungen entsprechenden Ersatzmann wählen und, nachdem zuvor Bestätigung durch das Gouvernement erfolgt ist, dies dem Ministerium melden, das die Wahl bestätigt. § 10. Wenn ein Gegenstand der Beratung den ersten oder zweiten Vorsitzenden oder ein sonstiges Vorstandsmitglied betrifft, so kann der Betreffende erklären, daß er der Beratung fernbleiben wolle, um auf diese Weise Anzweifelungen zu vermeiden. §11. Zum Eintritt in die Handelskammer sind nur chinesische Kaufleute berechtigt, die in Qingdao gesetzmäßigen Handel treiben und Geschäftsinhaber sind. Qingdaoer Vertreter von Firmen, die nicht in Qingdao ansässig sind, können ebenfalls in die Handelskammer eintreten. §12. Chinesische Kaufleute in Qingdao, die nur mit kleinem Kapital arbeiten, brauchen sich, falls sie es wünschen, nicht in die Liste eintragen zu lassen und in die Handelskammer einzutreten. In diesem Falle aber haben sie keinen Anteil an den durch die Handelskammer gewährten Vergünstigungen. §13.

Wer in fremdem Dienste den Inhaber des Geschäfts oder einen Geschäftsgenossen vorsätzlich betrügt, wird auf Beschluß der Handelskammer aus der Kaufmannschaft ausgestossen. Auch wird dies den Haupt- und Nebenhandelskammern allerorts mitgeteilt zwecks Bekanntgabe, daß die Kaufmannschaft den Ausgestoßenen nirgends anstellen darf. Kaufleute, die ein anrüchiges Gewerbe betreiben oder deren Führung nicht einwandfrei ist, dürfen nicht 27 in die Handelskammer eintreten. [...] §20.

Wenn ein einzelnes Vorstandsmitglied in eigener Sache in einer Zeitung etwas veröffentlicht oder sonst eine Sache hat, die für den hiesigen Platz von Nachteil sein kann, so darf er sich

27

§ § 1 4 - 1 9 behandeln die Finanzen der Handelskammer.

379 nicht des Namens der Handelskammer bedienen. Tut er dies dennoch, so wird er wegen Übertretung der Handelskammerbestimmungen zurechtgewiesen und mit einer Buße belegt. §21.

Die Handelskammer hat von Zeit zu Zeit über die Handelsverhältnisse in Qingdao sowie über die von ihr bearbeiteten Sachen dem Ministerium und dem Gewerbedaotai Bericht zu erstatten. Vorher ist Abschrift des Berichts jedesmal sofort dem Gouvernement Kiautschou zu übersenden zur Genehmigung der Absendung. §22. Die Handelskammer hat zu geeigneter Zeit mit den Handelskammern von Jinan und Zhifu Fühlung zu nehmen, damit gegenseitiges Verstehen und Hilfsbereitschaft herrsche. In wichtigen Angelegenheiten können sie gemeinsam vorgehen, damit der Handel aufblühe und man gemeinsam den allgemeinen Nutzen erstrebe. Die vorstehend entworfenen „zweckmäßigen Satzungen" bedeuten einen Versuch auf der Grundlage der hiesigen Verhältnisse. Satzungsänderungen sind mit Genehmigung des Gouvernements zulässig. Wenn künftig Zusätze oder Streichungen notwendig werden, so ist dies dem Ministerium für Ackerbau, öffentliche Arbeiten und Handel zu melden. Amtsblattfitr das Schutzgebiet Kiautschou 1910, S.213.

109 Handelsstatistik für das Gouvernement Kiautschou (1897-1913) 1. Wert des Dschunkenhandels (in Taels)28

Jahr

Einfuhr

Ausfuhr

Gesamtwert

1901

2.231.774

2.438.763

4.770.537

1902

2.003.308

1.430.311

3.443.619

Zahl der eingelaufenen Dschunken

28 Der Kurs des Taels betrug zwischen 3,36 Mark (1906) und 2,66 Mark (1909). Er schwankte im Durchschnitt um ca. 3 Mark. Die folgenden Zahlen entstammen der Statistik des chinesischen Seezollamts in Kiautschou. In der Seezollstatistik wird der Handel nach Dschunken und Dampfern getrennt. Die Gesamtshandels-Statistik unterscheidet nur zwischen Waren aus chinesischen und nicht-chinesischen Herkunftsorten, der genaue Ursprungsort der Waren wird nicht ausgewiesen. In bezug auf den Anteil des deutsch-chinesischen Handels am Gesamthandel Qingdao können nur Schätzungen angestellt werden Für 1910 ermittelte das Seezollamt von Qingdao eine Gesamteinfuhr aus Deutschland in Höhe von 6 819.693 Taels, davon waren ca die Hälfte Handelswaren.

380

Jahr 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1914

Einfuhr 2.591.548 2.166.038 2.947.070 2.955.448 3.390.588 3.346.486 3.528.648 3.976.361 3.341.909 4.473.793 4.323.820 2.304.307

Ausfuhr 1.754.691 2.410.412 2.343.902 2.137.181 2.052.291 2.442.044 1.720.989 2.001.396 1.799.006 1.856.944 1.638.074 951.322

Gesamtwert 4.346.236 5.576.450 5.290.972 5.092.629 5.442.879 5.788.530 5.249.637 5.977.757 5.140.915 6.330.737 5.961.894 3.255.629

Zahl der eingelaufenen Dschunken

10.490 10.030 4.489

2. Wert des Dampferhandels (in Taels)

Jahr 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1914

Einfuhr nichtchinesischer Einfuhr chinesi- Ausfuhr chinesischer Waren scher Waren Waren 323.107 232.551 3.403.187 839.081 257.790 5.845.729 1.577.353 235.289 8.452.668 3.838.659 724.321 8.746.268 4.881.356 1.348.509 10.830.947 6.333.733 2.282.604 17.014.885 8.478.325 3.813.750 16.606.545 12.033.307 4.076.247 15.980.031 14.736.629 5.914.181 19.600.119 17.174.415 5.691.699 20.877.294 19.853.669 5.827.021 21.139.956 24.999.360 7.133.409 24.197.452 25.692.373 8.289.124 26.767.353 16.597.990 3.910.150 18.434.342

Gesamtwert 3.958.854 6.942.600 10.265.310 13.309.248 17.060.812 25.631.222 28.898.620 32.089.765 40.250.929 43.743.408 46.820.286 56.330.221 60.748.850 38.942.482

Friedrich Wilhelm Mohr, Handbuch für das Schutzgebiet Kiautschou, Tsingtau 1911, S.459-460; Jiao'ao zhi (Die Lokalchronik von Jiaozhou), Qingdao 1926, S.784-791; Imperial Maritime Customs, Returns of Trade and Trade Reports, Peking 1900-1914; Reichsmarineamt, Denkschriften betreffend die Entwicklung des Kiautschou-Gebiets, Berlin 1898-1909.

Kapitel 7

Die deutschen Eisenbahn- und Bergbauunternehmen in Shandong

Für die deutsche Regierung als auch fiir Teile der deutschen Wirtschaft waren neben der Besetzung des eigentlichen „Stützpunktes" vor allem diejenigen Pachtvertragsbestimmungen bedeutsam, die der deutschen Wirtschaft de jure eine Bevorzugung bei Bau und Betrieb von Eisenbahnen und Bergwerken in der Provinz Shandong ermöglichten. Die vertraglich garantierten Sonderrechte versprachen der beteiligten deutschen Wirtschaft (Banken, Stahlindustrie, Schiffahrt) relativ sichere Gewinne. Für die Regierung war insbesondere der rasche Bau einer Eisenbahn nach Kiautschou wichtig, weil angenommen wurde, daß die erfolgreiche Entwicklung von Kiautschou als Handelskolonie unmittelbar abhängig vom Bau und Betrieb von Eisenbahnen und auch vom Erfolg der deutschen Bergwerksuntemehmen sei. Aus diesem Grund waren die möglichst umfassende Förderung und politische Absicherung des Eisenbahnbaus und der Bergwerksunternehmen ein zentrales Anliegen des Gouvernements und der damit befaßten staatlichen Stellen in Berlin wie Auswärtiges Amt und Reichsmarineamt. 1899 wurden die Shandong-Eisenbahngesellschaft und die Shandong-Bergbaugesellschaft gegründet, die sich um die Nutzungsrechte der vertraglich garantierten Konzessionen bewarben.1 Bei den Bergbau- und Eisenbahnunternehmen handelte es sich um die beiden zentralen ökonomischen Interessen der deutschen Expansion in Shandong, die den beteiligten deutschen Wirtschaftskreisen hohe Profite ermöglichten. Die große ökonomische Bedeutung von Eisenbahn- und Bergbauunternehmen wurde auch von der chinesischen Regierung und Wirtschaft gesehen. Durch den Abschluß der sog. Regulativen im März 1900 versuchte der Gouverneur von Shandong zunächst, ein Vertragswerk

1

Die Shandong-Eisenbahngesellschaft erhielt die Konzessionen fur den Bau der Eisenbahnstrecke Qingdao-Jinan. Die im Pachtvertrag erwähnte Linie Qingdao-Yizhou wurde nie gebaut. Die ShandongBergbaugesellschaft besaß die Konzession fur die Errichtung von Bergwerken in einer Zone von 30 Li entlang der beiden ursprünglich konzessionierten Eisenbahnlinien. Die Bergwerksrechte wurden im Laufe der Zeit an China zurückgegeben, so daß am Ende nur zwei Minen bei Hongshan und Weixian übrigblieben. Außer diesen beiden Gesellschaften gab es noch die im Jahre 1900 gegründete „Deutsche Gesellschaft fur Bergbau und Industrie im Auslande", die in Süd-Shandong Bergbau-Konzessionen erworben hatte. Es kam jedoch nie zu konkreten Minengründungen. Auch diese Konzessionen wurden an China zurückgegeben.

382 fur Eisenbahnbau und Anlage von Bergwerken durchzusetzen, das die deutschen Unternehmen an die Einhaltung bestimmter Verfahrensweisen band. Die Versuche zur Rückgewinnung der verlorenen Rechte bei Eisenbahn und Bergbau und damit zur Wiedererlangung der Kontrolle über die wirtschaftliche Entwicklung Shandongs standen dann ab 1900 im Mittelpunkt der chinesischen Politik gegenüber Kiautschou. Es entstand eine breite regionale politische Bewegung, deren Ziel die Annullierung der deutschen Sonderrechte und die Wiederherstellung der chinesischen Souveränität war. Die Mittel, die diese Bewegung anwandte, waren vielfältig: Den deutschen Unternehmen wurden nach Möglichkeit administrative Schwierigkeiten bereitet, die chinesischen Minen erhielten massive staatliche Unterstützung, mit Hilfe von Aktienkäufen sollte Einfluß auf die deutschen Unternehmen gewonnen werden. Dem ökonomischen Widerstand sowie der Konkurrenz chinesischer Unternehmen sowohl bei der Eisenbahn, aber vor allem beim Bergbau gelang es, die deutsche Regierung zum Verzicht wesentlicher Bestandteile des Vertrages vom 6. März 1898 zu bewegen.

Die Bildung der Shandong-Bergbaugesellschaft und der ShandongEisenbahngesellschaft Für die der deutschen Regierung zugesicherten Konzessionen gab es aufseiten der deutschen Wirtschaft viele potentielle Interessenten. Es bildeten sich verschiedene Syndikate, die sich um die Konzessionen zum Bau der Eisenbahn und den Betrieb der Bergwerke bewarben: ein Bankenkonsortium, hinter dem verschiedene deutsche Großbanken standen; das ShandongSyndikat, an dem die großen China-Handelshäuser wie Carlowitz & Co., aber auch Unternehmen der Schwerindustrie aus dem Ruhrgebiet beteiligt waren; das Magnaten-Syndikat preußischer Großgrundbesitzer und das „Deutsche Industrie-Syndikat zur Erschließung Kiautschou's und des Hinterlandes", an dem die Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg und andere Industrieunternehmen beteiligt waren 2 Das Auswärtige Amt, in dessen Geschäftsbereich die Eisenbahn- und Bergbauangelegenheiten fielen, bemühte sich zunächst darum, die aus finanziellen Gründen als schädlich empfundene Konkurrenz einzelner Unternehmen zu beenden und unter Beteiligung möglichst vieler ein gemeinsames kapitalkräftiges Syndikat zu gründen (Dok 110). Am 24. Mai bewarben sich dann die verschiedenen Gruppen gemeinsam beim Reichskanzler um die Konzession für Eisenbahn und Bergbau in Shandong. Jedoch wurde das Syndikat im wesentlichen von der Deutsch-Asiatischen Bank dominiert. Die schnelle Errichtung einer Bahnlinie, die Kiautschou mit dem ökonomischen Zentrum der Provinz Shandong am Kaiserkanal um die Hauptstadt Jinan verbinden sollte, war von vitalem Interesse für die deutsche Kolonie. Daher sollte zunächst vor allem die Jinan-Qing-

2

Vgl. Schmidt 1976:65.

3

Vgl. Schmidt 1976:65f.

4

Hinter der Deutsch-Asiatischen Bank standen vor allem die Deutsche Bank und die Disconto-Gesellschaft, die beiden größten deutschen Geldinstitute. Beteiligt waren unter anderem auch die Preußische Seehandlung, die Norddeutsche Bank und die Bank fur Handel und Industrie, Darmstadt; vgl. Stöcker 1958:207f.

383 dao-Bahn errichtet werden, über den zeitlichen Rahmen der Errichtung der anderen im Pachtvertrag zugesicherten Bahnlinie von Qingdao nach Yizhou sollte später entschieden werden. Am 1. Juni 1899 übertrug der Reichskanzler dem vom vereinigten Syndikat gebildeten Unternehmen „Shandong-Eisenbahngesellschaft" die Konzession zum Bau und Betrieb der Bahnlinie zwischen Jinan und Qingdao (Dok. 112). Die Konzession zur Anlage und zum Betrieb von Bergwerken in der 30-Li-Zone beiderseits der Eisenbahntrasse wurde am 1. Juni 1899 der „Shandong-Bergbaugesellschaft" übertragen, die von demselben Syndikat gebildet worden war. 5 Beide Unternehmen waren Aktiengesellschaften. Die Kapitalausstattung der am 14. Juni 1899 gegründeten Shandong-Eisenbahngesellschaft betrug 54 Millionen Mark. Die Shandong-Bergbaugesellschaft wurde am 10. Oktober 1899 gegründet und verfugte über ein Grundkapital von 12 Millionen Mark. 6 Obwohl es sich bei beiden Unternehmen nach dem Vertrag vom 6. März 1898 eigentlich um deutsch-chinesische Gemeinschaftsunternehmen handeln sollte, wurden keine konkreten Maßnahmen unternommen, um chinesischen Interessenten Aktienverkäufe zu ermöglichen.7 Neben diesen beiden Unternehmen gab es außerdem die ,.Deutsche Gesellschaft fur Bergbau und Industrie im Auslande", die die Ausbeutung von Kohlevorkommen in Shandong plante. Die Gesellschaft war vom Adelssyndikat und vom Chinahandelshaus Arnold Karberg & Co. gegründet worden. Im Jahr 1900 wurde, unter Druck des deutschen Gesandten, der im selben Jahr gegründeten Gesellschaft von China das Recht verliehen, in fünf großen Zonen in Shandong Minen zu eröffnen. 8

Der Abschluß der Eisenbahn- und Bergbauregulativen Im Vertrag vom 6. März 1898 (II. Teil, Artikel III) wurde festgelegt, daß zur Regelung von Einzelheiten bezüglich Eisenbahnbau und Bergbau besondere Verträge abgeschlossen werden sollten. Die deutsche Seite war jedoch an solchen Vertragsabschlüssen nicht interessiert, obgleich der Gouverneur von Shandong mit Hinweis auf den Vertrag vom 6. März 1898 immer wieder ein solches Abkommen forderte (Dok. I I I ) 9 Es wurde befürchtet, daß jede weitere vertragliche Regelung den Spielraum der deutschen Unternehmen einengen würde. Schwierigkeiten sollten nach den Plänen der deutschen Unternehmen daher eher von Fall zu Fall als durch ein Abkommen generell gelöst werden. 10 Nach Gründung der beiden Gesell-

5

Siehe BA, kl. Erw. 623, Bd. 2. Die Konzession für den Bergbau hat dieselben Bestimmungen wie jene für die Eisenbahn, sie ist daher hier nicht abgedruckt.

6

Vgl. Schrecker 1971:104 u. 124.

7

Zwischen der Shandong-Eisenbahngesellschaft und den Behörden in Jinan gab es einen langjährigen Streit über die Frage des Verkaufs von Aktien an China, siehe Dok. 95.

8

Die Zonen befanden sich in Süd-Shandong und überschnitten sich nicht mit den der Shandong-Bergbaugesellschaft übertragenen Konzessionen, siehe dazu Stichler 1989:144. Die Gesellschaft hat aber nie Minen eröffnet, siehe dazu weiter unten.

9

Zhang Rumei an ZLYM, 30.12.1898, in: Κ WD 11:918-920. Während des ganzen Jahres 1899 forderte das ZLYM beim deutschen Gesandten immer wieder Verhandlungen.

10 Gaedertz an Auswärtiges Amt, 21.10.1899, in: BAP, DBC, Nr. 1294, BI.38-40.

384 Schäften wurde sogleich mit den Arbeiten vor Ort begonnen. Diese Vorgehensweise, die faktisch eine Realisierung der Eisenbahn- und Bergbauprojekte ohne Absprache und Kooperation mit der chinesischen Seite bedeutete, war mit ein Faktor fur den vehementen Widerstand der chinesischen Bevölkerung und von Teilen der Administration in den Jahren 1899 und 1900.11 Die Erfahrungen, daß auf diese Weise mit dauernden Konflikten gerechnet werden müsse, und die Weigerung der deutschen Regierung, auf Dauer Militäraktionen in Shandong durchzuführen, 12 führten dazu, daß sowohl der deutsche Gesandte Ketteier als auch der Gouverneur von Kiautschou, Jaeschke, auf Weisung aus Berlin die Eisenbahn- und die Bergbaugesellschaft dazu drängten, Verhandlungen mit dem Gouverneur von Shandong über den Abschluß eines Abkommen zu beginnen.13 Anläßlich der fortdauernden Konflikte beim Eisenbahnbau in Gaomi untersagte der Gouverneur von Shandong, Yuan Shikai, der Shandong-Eisenbahngesellschaft schließlich im Februar 1900 die Fortsetzung der Arbeiten ohne Abschluß eines Spezialabkommens. Faktisch erzwang er mit dieser Politik Verhandlungen mit den deutschen Unternehmen, denn jede Verzögerung der Arbeiten war fur jene äußerst kostspielig. Yuan Shikai beabsichtigte, durch ein Vertragswerk die schwierige Situation, die durch die fur ihn unkontrollierbare Vorgehensweise der deutschen Unternehmen im Innern Shandongs entstanden war, zu bewältigen.16 Die Verhandlungen, die im März 1900 in Jinan stattfanden, wurden geführt zwischen dem Betriebsdirektor der Shandong-Eisenbahngesellschaft, Heinrich Hildebrand, und dem Gouverneur von Shandong, Yuan Shikai. Als Bevollmächtigter der Zentralregierung war der Generalleutnant und Deutschlandkenner Yin Chang abkommandiert worden. Als Beobachter des Gouvernements Kiautschou und als Militärattache war Kapitän von Buttlar bei den Verhandlungen zugegen. Die Verhandlungen selbst gestalteten sich schwierig. Bereits in der ersten Gesprächsrunde erklärte Yuan Shikai „in bestimmtester Weise, daß nur nach vertraglicher Festlegung des Verhältnisses zwischen dem Eisenbahnunternehmen und der chinesischen Regierung ein ungestörter Fortgang der Eisenbahnarbeiten und ein wirkungsvoller Schutz derselben durch die Behörden der Provinz Shandong möglich seien" 17 . Nach langen Verhandlungen über ein-

11 Siehe hierzu Kapitel 4. 12 Siehe Einleitung zu Kapitel 4 und Dok. 74. 13 Die Diskussionen auf deutscher Seite, ob Verhandlungen mit Yuan Shikai begonnen werden sollten oder ob dies besser zu unterbleiben habe, werden ausfuhrlich wiedergegeben bei Schrecker 1971:116120. 14 Siehe Einleitung zu Kapitel 4. 15 Siehe dazu Schrecker 1971:116; Schmidt 1976:77. 16 Siehe hierzu auch Kapitel 5. Die konkreten Ziele von Yuan Shikai bestanden aus: 1.) der Wiederherstellung der Souveränität 2.) der Wiederherstellung der Verfugungsmöglichkeiten über wirtschaftlichen Profit, 3.) Kontrolle der Deutschen, 4.) Erlangung von Vorteilen dir das Volk, siehe Yuan Shikai an ZLYM, 1.4.1900, in: QJWJSL 142:12ff. 17 Erläuterungen zu den Eisenbahn-Rgulativen RM3/6780, Bl. 181 -187.

von Heinrich Hildebrand, 7.4.1900,

in: BA/MA,

385 zelne Bestimmungen wurden am 27. März mit der Bergbau-Regulative (Dok. 113) und der Eisenbahn-Regulative zwei privatrechtliche Abkommen zwischen den deutschen Unterneh18 men und dem chinesischen Staat geschlossen. Die Abkommen legten den deutschen Unternehmen bestimmte Verpflichtungen in bezug auf Bau und Betrieb von Eisenbahn und Bergwerken auf, insbesondere bei Landkauf und Beilegung von Konflikten zwischen den beiden Gesellschaften und der ansässigen Bevölkerung. Als Gegenleistung erklärte sich der Gouverneur von Shandong bereit, den Schutz der deutschen Anlagen außerhalb der „neutralen Zone" zu gewährleisten. Yuan Shikai hatte ursprünglich auch die Absicht, erstens eine Mitsprache bei der Streckenwahl bzw. Ortswahl bei Anlage von Bergwerken und zweitens eine größere wirtschaftliche Kontrolle über die Unternehmen, z.B. durch Aktien, zu erhalten. Beides ist am Widerspruch Hildebrands gescheitert. Auf der anderen Seite mußten die deutschen Unternehmen bestimmte Einschränkungen hinnehmen, wie z.B. die Verpflichtung, vor der Reise ins Innere Shandongs Pässe bei den chinesischen Behörden zu beantragen oder die Verpflichtung, bei den einzelnen Bauten die Auswirkungen auf die Bevölkerung und die Landwirtschaft mit den Gemeindefiihrern und den örtlichen Beamten zu besprechen. 19 Der Abschluß der Eisenbahn- und Bergbau-Regulativen war ein großer persönlicher Erfolg fur Yuan Shikai und die Basis seines Aufstiegs zu einer der wichtigsten politischen Persönlichkeiten Nord-Chinas im Zeitraum von 1900 bis 1916.20 Die Bedeutung dieser Abschlüsse liegt darin, daß sie der chinesischen Politik eine Methode aufzeigten, mit dem wirtschaftlichen Vordringen der imperialistischen Mächte umzugehen. Mit den Abkommen gelang es Yuan Shikai, weitere gewalttätige Konflikte beim Eisenbahnbau und Bergbau nach 1900 zu verhindern, allerdings um den Preis, daß Yuan Shikai chinesische Truppen gegen die eigene Bevölkerung einsetzte, die rigoros jeden Protest unterdrückten. Dennoch war Yuan Shikai kein willenloses Werkzeug in den Händen der ausländischen Imperialisten. Unter der Voraussetzung stabiler Verhältnisse begannen er und seine Nachfolger mit einer Politik der massiven Förderung einheimischer Industrie- und Handelsunternehmen, die den deutschen Unternehmen Konkurrenz machen sollten. Mit der Politik Yuan Shikais begann ein Prozeß des wirtschaftlichen Widerstandes, an dessen Ende die Annullierung der meisten deutschen Sonderrechte stand.

18 Die Eisenbahn-Regulative ist hier nicht abgedruckt. Sie enthält 28 Artikel, die inhaltlich identisch sind mit den Artikeln der Bergbau-Regulative. Die Bergbau-Regulative wurde ausgewählt, weil sie Bestimmungen bezüglich des Fortbestehens chinesischer Unternehmen enthält, deren Auslegung sich später als äußerst kontrovers herausstellte. Die Eisenbahn-Regulative findet sich in: Schmidt 1976:154-161. Die von Yuan Shikai mit der Bergbau- und der Eisenbahn-Regulative zugleich vorgelegten Bestimmungen für den Verkehr zwischen den Behörden in Jinan und Qingdao werden in Kapitel 5 diskutiert. 19 Zum Verlauf der Gespräche siehe Schrecker 1971 78-82. 20 Vgl. Buck 1978:40ff.

386

Bau und Betrieb der Jinan-Qingdao-Eisenbahn Die Vermessungsarbeiten für die Linienführung der Eisenbahntrasse Qingdao-Jinan begannen im Sommer 1899. Mit den ersten Erdarbeiten wurde am 23. September 1899 in Qingdao begonnen. Fast das gesamte Baumaterial für den Eisenbahnbau wurde aus Deutschland geliefert. 21 Die Shandong-Eisenbahngesellschaft hatte im Sommer 1899 bereits Verträge im Wert von 25 Millionen Mark mit deutschen Firmen über die Lieferung von Materialien abgeschlossen.22 Die Arbeiten wurden zum Teil von chinesischen Subunternehmen durchgeführt (z.B. Erdaufschüttungen, Transportarbeiten usw.), zum Teil von chinesischen Arbeitern unter deutscher Leitung (Konstruktionsarbeiten usw.). Zeitweise arbeiteten zwischen 20.000 und 25.000 chinesische Arbeiter an der Bahnlinie 2 3 Ihre Lebens- und Arbeitsumstände waren bedrückend. Die Arbeiter lebten in einfachsten, in die Erde gegrabenen Strohütten zu je zwanzig und mehr Personen. Unter diesen armseligen Verhältnissen breiteten sich anstekkende Krankheiten wie Typhus und Cholera leicht aus und forderten viele Menschenleben. Auch nach der Niederschlagung der Widerstandsbewegung 1899/190025 gab es immer wieder Konflikte um die Vorgehensweise der Shandong-Eisenbahngesellschaft: Das Unternehmen schloß z.B. Verträge mit Firmen, die Arbeiter von außerhalb Shandongs anwarben, zum Teil unter Lohnversprechen, die später nicht eingehalten wurden. 26 Die chinesischen Wanderarbeiter gerieten häufig in Konflikt mit der ansässigen ländlichen Bevölkerung. Einen weiteren Streitpunkt stellten die teilweise betrügerischen Praktiken und die verbreitete Korruption bei der Vergabe von Aufträgen an chinesische Firmen dar. Diese Mißstände wurden 27

auch von den deutschen Behörden stark kritisiert (Dok. 114). Durch den massiven Schutz der Eisenbahn durch deutsches Militär in der „neutralen Zone" und durch chinesische Polizei28 außerhalb der Zone schritt der Bau der Eisenbahn rasch voran. Der erste Streckenabschnitt wurde im April 1901 zwischen Qingdao und Jiaozhou in Betrieb genommen. Der reguläre Verkehr auf der gesamten, 394 km langen Strecke zwischen Jinan und Qingdao wurde am 1. Juni 1904 aufgenommen. Damit war eine Bestimmung der Konzession, nämlich die Fertigstellung der Eisenbahn innerhalb von fiinf Jahren, eingehalten worden. Zur Erschließung der Kohlenfelder wurde außerdem eine Zweigbahn nach Boshan errichtet. Die gesamten Baukosten beliefen sich auf ca. 52 Millio-

21 In der Eisenbahn-Konzession war die Verwendung deutscher Materialien verpflichtend festgeschrieben, vgl. Dok. 112, §4, Abs.III. 22 Vgl. Schmidt 1976:70. 23 Siehe Stichler 1989:138. 24 Genaue Zahlen liegen darüber nicht vor. Die Zustände werden beschrieben bei Falkenberg 1986:125. 25 Siehe Kapitel 4. 26 Siehe hierzu Dok. 83. 27 Auch der Gouverneur von Kiautschou kritisierte die Shandong-Eisenbahngesellschaft deshalb, siehe Schmidt 1976:87. 28 Der Gouverneur Zhou Fu ersetzte 1903 die Truppen durch eine Bahnpolizei, siehe Schmidt 1976:86.

387 29

nen Mark, blieben somit um zwei Millionen Mark unter dem ursprünglichen Ansatz. Mehr als die Hälfte der Gelder für die Baukosten ist in Form von Lieferaufträgen nach Deutschland zurückgeflossen, nur ca. 30% der Bausumme kamen nachweislich der chinesischen Wirtschaft zugute.30 Der Personenverkehr der Jinan-Qingdao-Bahn entwickelte sich von Beginn an positiv (Dok. 124). Für die Strecke mit insgesamt 56 Haltestationen benötigte die Bahn ca. zwölf Stunden, während zuvor ca. zehn bis zwölf Tage dafür benötigt worden waren. Das Frachtgütergeschäft blieb hingegen zunächst hinter den Erwartungen zurück. Das lag zum einen daran, daß die deutschen Minen nicht so große Transportvolumina in Anspruch nahmen wie ursprünglich gehofft worden war, zum anderen waren die Frachtsätze zu hoch. Chinesische Händler zogen daher andere, traditionelle Transportwege (z.B. über den Kaiserkanal nach Südchina, oder über den Xiaoqing-Fluß nach Nordchina) vor. 31 Auch hier zeigte sich, wie konkurrenz- und widerstandsfähig die traditionellen Verkehrsstrukturen aufgrund ihres Kostenvorteils lange Zeit waren. 32 Nach 1908 verzeichnete jedoch auch das Frachtgeschäft kräftige Zuwachsraten, weil nun die gute, von der Shandong-Bergbaugesellschaft bei Boshan geförderte Kohle zu transportieren war. Die finanziellen Gewinne der Shandong-Eisenbahngesellschaft waren jedoch eher bescheiden, bedenkt man die Risiken einer solchen Investition. 1905 wurde eine Dividende von 3,25% ausgeschüttet, bis 1913 stieg die Dividende auf 33 5% plus 2,5 % Superdividende.

Der Konkurrenzkampf zwischen deutschen und chinesischen Bergwerksunternehmen In den Jahren 1899 und 1900 ließ die Shandong-Bergbaugesellschaft Untersuchungen und Probebohrungen in Weixian und Yizhoufu anstellen. Nachdem die anfänglichen Probleme mit dem Landankauf gelöst worden waren, gab es seitens der chinesischen Bevölkerung keinen Widerstand mehr gegen die Bergwerksunternehmen. Der Betrieb von Bergwerken beeinflußte ein räumlich viel kleineres Gebiet als der Eisenbahnbau. Außerdem wurde seit Jahrhunderten an denselben Stellen Bergbau betrieben, und es existierten an den meisten Orten bereits chinesische Minen. Nach Abschluß des Kiautschou-Vertrages hatte der Gouverneur von Shandong, Zhang Rumei, in einem Edikt vom Mai 1898 die chinesischen Kaufleute und Händler dazu aufgefordert, Minen und Bergwerke zu eröffnen, um die Monopolisierung des Kohlenabbaus in Shandong durch deutsche Firmen zu verhindern.34 29 Für Heinrich Hildebrand war dies ein großer Erfolg, er erhielt eine Prämie von 20.000 Mark. Siehe Funke an RMA, 10.6.1904, in: BA/MA, RM3/6715, BI.166-173. 30 Siehe Schmidt 1976:89. 31 Siehe hierzu die Ausführungen des Gouverneurs von Shandong, Zhou Fu, gegenüber dem Gouverneur von Kiautschou, Truppel, Dok. 95. 32 Vgl. hierzu auch Kapitel 6. 33 Siehe Schmidt 1976:92. 34 In: KWD II:107f.

388 Da der Bau der Bahnlinie Qingdao-Yizhoufü zunächst nicht begonnen wurde, konzentrierte die Shandong-Bergbaugesellschaft ihre unternehmerischen Aktivitäten auf zwei Reviere an der Qingdao-Jinan-Bahn. 1902 wurden die Förderanlagen an der Fangzi-Grube bei Weixian in Betrieb genommen. 1907 begann die Kohleförderung in der Hongshan-Grube bei Boshan. Bei beiden Gruben wurde mit modernen Anlagen Steinkohle abgebaut. Die Arbeit unter Tage wurde von chinesischen Arbeitern durchgeführt, deren Arbeit von chinesischen Subunternehmern beaufsichtigt und organisiert wurde. 1912, in ihrem letzten Geschäftsjahr als eigenständiges Unternehmen, beschäftigte die Shandong-Bergbaugesellschaft in Weixian 2.330 und in Boshan 3.082 chinesische Arbeiter, sowie insgesamt 73 deutsche Angestellte.35 1907 ereignete sich im Fangzi-Schacht eine Gasexplosion, bei der mehr als hundert chinesische Arbeiter getötet wurden. 36 Auch hier lebten die chinesischen Arbeiter unter ärmsten Umständen. Die Hongshan-Kohle war von guter Qualität und konnte an den großen chinesischen Handelsplätzen wie Shanghai, Tianjin, aber auch Qingdao abgesetzt werden. Die Kohle aus der Fangzi-Grube erwies sich jedoch als nicht verwendungsfahig für die Eisenbahn und die Dampfschiffahrt. Da die Kohle auf dem nationalen chinesischen und internationalen Markt nicht absetzbar war, sollte der regionale und lokale Markt damit beliefert werden. Dem diente die Errichtung eine Kohlenwaschanlage und einer Brikettfabrik im Jahr 1906. Allerdings konnten auch die fur den Hausbrand produzierten Briketts nicht mit der ungleich billigeren Kohle aus den chinesischen Minen konkurrieren. Hier wirkte sich außerdem eine für das deutsche Unternehmen verhängnisvolle Bestimmung in der Bergbau-Regulative (Dok. 113, Artikel 17) aus, in der den bestehenden chinesischen Unternehmen der Weiterbetrieb zugesichert wurde. In der Folge wurden die chinesischen Betriebe, insbesondere nach Fertigstellung der Eisenbahn, modernisiert und erweitert. Die Shandong-Bergbaugesellschaft protestierte wiederholt dagegen und versuchte auch, das Auswärtige Amt und die deutsche Gesandtschaft zu einer Intervention zu veranlassen (Dok. 115). Der Gouverneur von Shandong ebenso wie das chinesische Außenministerium wiesen jedoch den Protest unter Hinweis auf den Artikel 17 der Bergbauregulative zurück. Im Januar 1905 begannen zwar Verhandlungen zwischen dem deutschen Konsul Betz und dem Gouverneur von Shandong, bei denen sich auch herausstellte, daß der unklar formulierte Artikel 17 unterschiedlich ausgelegt wurde. 38 Für die chinesische Seite aber ließ der Artikel eine Erweiterung und Modernisierung der bestehenden chinesischen Anlagen durchaus zu.

35 Siehe Geschäftsbericht der Shandong-Bergbaugesellschaft fur das Geschäftsjahr 1911/1912, Berlin 1912, S.10. 36 Vgl. Merklinghaus an Gesandtschaft, 20.8.1907, in: BAP, DBC, Nr. 1295, B1.176. Nach Zhao Zhenmin kamen 169 Arbeiter ums Leben, siehe Zhao Zhenmin 1986:77ff. 37 Der Gouverneur von Shandong, Yang Shixiang, hatte gegen die Aufstellung dieser Maschinen protestiert, offensichtlich um die chinesischen Betriebe zu schützen. Yang argumentierte, daß die Verträge nur den Abbau von Kohle vorsähen, nicht aber die Inbetriebnahme industrieller Einrichtungen, siehe Merklinghaus an Goltz, 14.8.1906, in: BAP, DBC, Nr. 1295, B1.95; vgl. auch Schrecker 1971:189. 38 Siehe Betz an Mumm, 26.1.1905, in: BAP, DBC, Nr. 1295, Bl.14-15.

389 Daher endeten die Verhandlungen, ohne daß eine von der Shandong-Bergbaugesellschaft gewünschte Neufassung erzielt werden konnte. Die chinesischen Unternehmer, Kaufleute und Beamte arbeiteten immer enger zusammen, um wirtschaftliche Schlüsselsektoren wie Bergbau und Eisenbahn unter einheimische Kontrolle zu bringen. Es entstand eine organisierte regionalistische Bewegung, die versuchte, die deutschen Sonderrechte zu bekämpfen (Dok. 117).39 Ein Ergebnis dieser wichtigen und einflußreichen Bewegung waren die zunehmenden staatlichen Hilfestellungen für die chinesischen Minen. Die chinesischen Bergbaubetriebe erneuerten weiterhin ihre Anlagen z.T. mit staatlicher Unterstützung und erhöhten ihre Förderung 4 0 Für die Shandong-Bergbaugesellschaft bedeutete dies, daß die Aussichten auf eine solide und eigenständige Geschäftsgrundlage immer weiter zurückgingen. Bis 1912 ergab sich bereits ein Verlustsaldo von 1,23 Millionen Mark (Dok. 123). Eine außerordentliche Generalversammlung am 29. Oktober 1912 beschloß schließlich, die Aktien der Shandong-Bergbaugesellschaft der Shandong-Eisenbahngesellschaft anzubieten. Am 1. Januar 1913 wurde die Bergbaugesellschaft von der Eisenbahngesellschaft übernommen, ohne daß die Shandong-Bergbaugesellschaft jemals eine Dividende ausbezahlt hätte.

Die Liquidierung der deutschen Sonderrechte in Shandong China war auf Grund der seit 1900 unternommenen zahlreichen politischen und wirtschaftlichen Reformen 41 immer mehr in der Lage, in wirtschaftspolitischen Fragen aus einer gestärkten Position heraus zu agieren. Ein Beispiel für diese wirtschaftspolitische Erstarkung Chinas stellt das Scheitern der „Deutschen Gesellschaft für Bergbau und Industrie im Auslande" dar. Das deutsche Unternehmen erhielt die konkreten Konzessionen in Süd-Shandong zum Betrieb von Bergwerken für die ihr 1900 zugesprochenen Gebiete erst nach fünfjährigen Verhandlungen im Jahre 1906.42 Diese Konzessionen allerdings stellten die Gesellschaft mit chinesischen Betrieben gleich, so daß das deutsche Unternehmen keine wie auch immer gearteten Vorrechte mehr beanspruchen konnte: So wurde ihm z.B. kein Gebietsmonopol eingeräumt. Beharrlich hatten sich die chinesischen Behörden geweigert, der Vergabe von Sonderrechten zuzustimmen. 1909 verzichtete die Gesellschaft auf ihre Rechte gegen eine Zahlung von 340.000 Mark. Zwei Jahre später gab auch die Shandong-Bergbaugesellschaft ihre Sonderrechte auf. Aufgrund der starken Konkurrenz chinesischer Minen erklärte sich die Shandong-Bergbaugesellschaft 1911 bereit, gegen eine Entschädigungszahlung auf die ihr noch zustehenden, aber bisher nicht genutzten Rechte zur Eröffnung von Minen in der 30-Li-Zone entlang aller 39 Zu dieser Bewegung siehe Li Enhan 1978:177ff; Spence 1990:252ff; Zhao Zhenmin 1986:90-95. Landesweit gab es neunzehn solcher Gruppen, die sich zum Ziel gesetzt hatten, die verlorenen Rechte bei Eisenbahn oder Bergbau in einer Region zurück zu erkämpfen. 40 Siehe Schrecker 1971:190. 41 Siehe Fairbank 1992:247-249. 42 Siehe Schrecker 1971:196ff.

390 im Vertrag von 1898 genannten Eisenbahnstrecken vollständig zu verzichten (Dok. 121, 122). Ein anderes Beispiel ist der Zhongxin-Bergwerksbetrieb in Yixian. Hier sollte eine deutsch-chinesische Mine betrieben werden, wobei der frühere Seezollinspektor Detring ermächtigt war, Aktien dieser Gesellschaft in Deutschland zu verkaufen. Die Form eines deutsch-chinesischen Gemeinschaftsunternehmens war gewählt worden, damit die Mine in der dem Deutschen Reich vertraglich zugesicherten „Interessensphäre" ungehindert operieren konnte. Bei der Zhongxin-Mine handelte es sich um eines der erfolgreichsten Bergbauunternehmen in Shandong überhaupt. 1909 wurden mehr als 250.000 Tonnen hochwertiger Kohle gefördert. Im selben Jahr wurde die Bezeichnung „deutsch-chinesisch" im Firmennamen gestrichen (Dok. 116), ein offenkundiger Hinweis darauf, daß die deutschen Ansprüche nicht mehr als wirksam angesehen wurden. Damit war es gelungen, das ergiebigste Flöz in Shandong vor dem imperialistischen Zugriff zu bewahren und einem chinesischen Unternehmen zu sichern.43 Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß 1911 - bis auf den Betrieb von zwei Minen in Fangzi und Hongshan - sämtliche anderen Rechte in bezug auf deutsche Bergwerksvorhaben in Shandong erloschen waren (mit Ausnahme einer Option auf die Beteiligung an einem deutsch-chinesischen Stahlwerk in Jinling). Auch im Hinblick auf die Eisenbahnrechte war China erfolgreich in dem Bemühen, die deutschen Privilegien zu annulieren. Von den im Vertrag von 1898 erwähnten drei Konzessionen für Eisenbahnlinien konnte durch die Shandong-Eisenbahngesellschaft nur eine genutzt werden. Die Abschnitte Yizhoufu-Jinan und Jinan-Dezhou sollten als Teilstücke der Tianjin-Pukou-Bahn von einem deutsch-englischen Konsortium errichtet werden. Hier setzte China in den Verhandlungen zum Vertragsabschluß im Juni 1908 durch, daß diese Teilstücke ebenso wie die gesamte Strecke als chinesische Staatsbahn gebaut werden sollten, das heißt, daß die Rechte in bezug auf Eigentum, Verwaltung und Betrieb bei China lagen, nur Finanzierung und Bau hingegen durch das deutsch-englische Konsortium erfolgten. 44 Bezüglich der Eisenbahn Gaomi-Yizhou und einer westlichen Verlängerung von Jining nach Kaifeng setzte China 1909 durch, daß die Bahnen als chinesische Staatsbahnen gebaut werden sollten, allerdings unter Hinzuziehung deutscher Ingenieure und Technik (Dok. 118, 120). Außer zu einer Absichtserklärung, diese Bahnen bauen zu wollen, hatte sich die chinesische Regierung jedoch zu nichts verpflichtet 45 Im Juni 1909 hielt der deutsche Gesandte daher fest, daß aufgrund seiner Erfahrungen eine Politik der Interessensphäre in China nicht mehr praktikabel sei und regte sogar die Rückgabe der gesamten Jinan-Qingdao-Bahn an China an

43 Schreiben der Wirtschaftsabteilung des Gouvernements Shandong an das Ministerium fiir Landwirtschaft, Industrie und Handel, 16.3.1908, in: AS/JYS 06-24-02-1-(2). 44 Stingi 1978:709. Der deutschen Volkswirtschaft sind allerdings durch die Aufträge zum Bau der Bahn ca. 45 Millionen Reichsmark zugeflossen. 45 Erst im Mai 1913 erzielte der Gesandte Haxthausen in Verhandlungen mit dem Präsidenten der Republik China, Yuan Shikai, einen Durchbruch und erhielt die konkrete Verpflichtung, die Bahnlinie Gaomi-Yizhou mit deutschen Anleihen, deutschem Material und deutschen Technikern zu bauen, siehe Stingi 1978:712f.

391 (Dok. 119). Dieser Vorschlag fand jedoch in Berlin kein Gehör, seine Realisierung hätte das Eingeständnis bedeutet, daß die Politik der erzwungenen Sonderrechte wirtschaftlich gescheitert war. Die 1898 dem Deutschen Reich eingeräumten Prioritätsrechte waren 1914 somit bis auf die Qingdao-Jinan-Eisenbahn und zwei Minen bei Fangzi und Hongshan sowie einige Optionen (auf Aufträge beim Bau der Eisenbahnlinie Goami-Yizhou sowie Beteiligung an einem Stahlwerk in Jinling) vollständig annulliert worden. Diese Entwicklung zeugt von der politischen und wirtschaftlichen Stärkung, die China in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhundert über die Revolution von 1911 hinweg erreichte. Der Prozeß der Reorganisation, Reform und des wirtschaftlichen Aufbaus wurde in Shandong 1914 gewaltsam unterbrochen. Mit Japan drang emeut eine imperialistische Macht nach Shandong vor. Nach der Besetzung Kiautschous im November 1914 beschlagnahmte Japan zugleich alle deutschen Unternehmen in Shandong. Die Shandong-Eisenbahngesellschaft protestierte gegen die Beschlagnahme ihrer Einrichtungen und erhob Schadensersatzforderungen an Japan und für den Fall, daß Japan die Forderungen nicht erfülle, an China, weil es als Vertragspartner haftbar sei und zugelassen habe, daß japanische Truppen den Angriff auf Kiautschou durch chinesisches Hoheitsgebiet gefuhrt hätten (Dok. 125).46 Die chinesische Regierung lehnte aber jede Haftung ab. Im Vertrag von Versailles 1919 mußte Deutschland dann formell auf die Rechte an den Einrichtungen in Shandong verzichten. Da die Bahn jedoch Privateigentum war, durfte sie nach dem Völkerrecht nicht vom Kriegsgegner konfisziert werden. Japan zog deshalb als Kaufpreis für die Bahn von der deutschen Kriegsentschädigung 53 Millionen Mark ab. Die Shandong-Eisenbahngesellschaft wurde daraufhin vom deutschen Staat entsprechend entschädigt. Erst 1922 wurde auf der Washingtoner Konferenz schließlich die endgültige Rückgabe der Jinan-Qingdao-Bahn an China vereinbart: China hatte als Kaufpreis 40 Millionen Yen an Japan zu zahlen. 47

46 Seihe Betz an Jiaosheju, Jinan, 5.1.1915, in: BAP, DBC, Nr.1314, B1.225. 47 Siehe dazu Godshall 1929:522ff; Schmidt 1976:99f.

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110 Schreiben des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes, Bülow, an Kaiser Wilhelm II. (27.1.1899) Berlin, den 27. Januar 1899 Eurer Kaiserlichen und Königlichen Majestät erstatte ich, in Befolgung des durch Eurer Majestät Marinekabinett mir zugegangenen Allerhöchsten Befehls, nachstehend alleruntertänigst Bericht über den Stand der Eisenbahnfrage in der chinesischen Provinz Shandong. Durch den Vertrag vom 6. März 18981 hat Deutschland von China u.a. die Konzession zum Bau von drei Eisenbahnlinien in Shandong erhalten. Alsbald nach Eintreffen des Vertragsinstruments ist das Auswärtige Amt mit dem Reichsmarineamt und den übrigen wegen der verschiedenen technischen Fragen beteiligten Ressorts in Verbindung getreten und hat auf Grund der gepflogenen Erörterungen einen Konzessionsentwurf ausgearbeitet, welcher im Juli v.J. jeder der vier Gruppen, die sich um die Verteilung der Konzession bewarben, mitgeteilt wurde. Inzwischen ist es den eindringlichen Bemühungen des Auswärtigen Amts gelungen, eine Vereinigung dieser vier Gruppen zu einem Syndikate herbeizufuhren, in dem sich nunmehr unsere bedeutendsten gewerblichen und Kapitalkräfte mit erfahrenen Kaufhäusern Ostasiens zusammengefunden haben. Das Syndikat hat erst im Anfang vorigen Monats seine Gegenvorschläge auf den Entwurf vom Juli v.J. eingereicht und diese seither mehrfachen Abänderungen unterzogen. Bei den mit den Vertretern des Syndikats gepflogenen mündlichen Verhandlungen hat das Auswärtige Amt, im Einverständnis mit dem Reichsmarineamt, sich auf den Standpunkt stellen zu müssen geglaubt, daß der zu bildenden Eisenbahngesellschaft zwar die weitestgehende Bewegungsfreiheit gewährt werden muß, daß aber andererseits den Bestrebungen des Syndikats insoweit entgegenzutreten ist, als dasselbe für das Verkehrs- und Gewerbsleben in Shandong eine monopolartige Stellung beansprucht, die Mißbräuche zum Nachteile der allgemeinen Interessen zur Folge haben könnte. Da der Erwerb von Kiautschou einer auf Eurer Majestät Befehl erfolgten Aktion Eurer Majestät Marine zu verdanken ist, und da ferner die wirtschaftliche Entwicklung des Eisenbahnunternehmens erst durch die großen Häfen und anderen, auf Reichskosten im Kiautschou-Gebiete zu schaffenden Anlagen ermöglicht wird, so erscheint es billig, daß die Vorteile aus dem Unternehmen nicht ausschließlich den beteiligten Privatkapitalisten, sondern

1

Siehe Dok. 40.

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Siehe hierzu die Einleitung zu Kapitel 7. Die vier Gruppen waren ein Bankenkonsortium, hinter dem verschiedene deutsche Großbanken standen, das Shandong-Syndikat mit Beteiligung der großen ChinaHandelshäuser wie Carlowitz & Co., das Magnaten-Syndikat preußischer Großgrundbesitzer und das „Deutsche Industrie-Syndikat zur Erschließung Kiautschou's und des Hinterlandes", an dem die Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg und andere deutsche Industrieunternehmen beteiligt waren.

393 zugleich auch der Allgemeinheit zugute kommen. Demgemäß ist in dem Konzessionsentwurf vorgesehen, daß für den Fall ausreichender Erträge des Bahnbetriebes dem Reiche eine Entschädigung, in der Form angemessener Gewinnbeteiligung, zufällt. Die Bemessung dieser Vergütung, sowie die Festsetzung der erwähnten Sicherungsmaßregeln haben langwierige Verhandlungen mit dem Syndikat zur Folge gehabt. Es steht nunmehr aber zu hoffen, daß die Unterhandlungen, zu denen auch femer Vertreter des Reichsmarineamts und anderer Behörden herzuzuziehen sind, baldigst, aller Wahrscheinlichkeit nach im Laufe des nächsten Monats zum Abschluß gelangen werden. Durch die schwebenden Verhandlungen wird übrigens die Förderung des Werkes selbst nicht aufgehalten, da das Syndikat bereits seit Monaten durch landes- und sprachkundige deutsche Ingenieure, die schon Erfahrungen im Eisenbahnbau in China gesammelt haben, die Vorarbeiten zum Bahnbau betreibt. Eine Gefahr, daß inzwischen der Verkehr von Shandong anderswohin abgelenkt werden könnte, dürfte nicht bestehen, da durch die uns von China im Vertrage eingeräumten Vorrechte, sowie durch die von England bei der Inbesitznahme von Weihaiwei3 uns gemachten Zusicherungen andere Staaten an dem Bau von Bahnen in Shandong gehindert werden und da ferner die maßgebenden Kreise des deutschen Syndikats, gemeinsam mit einer britischen Gruppe, die Errichtung der Eisenbahnlinie von Tianjin nach Jinjiang, der einzigen, die für eine solche Ablenkung in Frage käme, planen. Bülow BA/MA, RM2'1837,

Bl.225-227.

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Schreiben der Prinzen und Minister des Zongli Yamen an den deutschen Gesandten Heyking (21.3.1899) 4 Note vom 21.3 .1899 an den Deutschen Gesandten v. Heyking: Wir erhielten einen Bericht des Gouverneurs von Shandong vom 9.3.1899, in dem es heißt: Der Kreispräfekt von Zichuan meldete: „Am 22.1.1899 erschien ein Herr Schmidt von der Firma Carlowitz & Co. in Begleitung seines Sekretärs Huang Guoxiang auf meinem Amt und stattete mir einen Besuch ab. Er erklärte, daß er die Firma Carlowitz & Co. in Shanghai und anderen Orten betreibe. Dieses Mal sei er in den Norden von Zichuan gekommen, um

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Weihaiwei war von 1898 bis 1930 an England verpachtet. England versicherte 1898 dem Deutschen Reich, daß die im Pachtvertrag garantierten deutschen Sonderrechte bei Eisenbahnbau und Bergbau respektiert würden, siehe Dong Jinyi 1992:437-443.

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Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker

394 die Pacht des Berges von Tangzidi anzutreten. Dort wolle er eine Kohlegrube errichten. Er hätte ein Terrain von 828 Mu zu einem Preis von 12.500 Taels gepachtet. Dann legte er den Vertrag in zweifacher Ausführung vor und bat um eine amtliche Beglaubigung. Dadurch sollten spätere Unstimmigkeiten und Konflikte vermieden werden. Ich habe den Vertrag studiert. Ursprünglich wurde der Berg von Bi Wencheng u.a. aus unserem Kreis gepachtet. Da diese sich außerstande sahen, die Pacht selbst weiterzufuhren, sahen sie sich nach einem Unterpächter um. Bi Wencheng ist also nicht der eigentliche Besitzer des Berges. Die Fläche von über 800 Mu gehört auch nicht einem Eigentümer allein. Ich befurchte ernsthaft, daß die Eigentümer nicht einer Meinung sind, so daß später Streitigkeiten entstehen könnten. Erst nachdem mit allen Eigentümern des Berges die Angelegenheit restlos geklärt ist, kann darüber weiter befunden werden. Das habe ich dem Vertreter von Carlowitz schonend mitgeteilt. Hinsichtlich der Absicht der Firma Carlowitz & Co., in unserem Kreis Kohle zu fördern, und der amtlichen Beglaubigung des Vertrages ersuche ich Euch um Weisung, um entsprechend verfahren zu können." Ich habe mir den Fall der Kohlegrube im Kreis Weixian in den Akten angesehen. Das Zongli Yamen informierte darüber, daß der Deutsche Gesandte in einer Note mitgeteilt habe, daß am Anfang aller Bergbauunternehmungen die Förderung von Kohle stehe, und daß er darum bitte, die Kreisbeamten anzuweisen, alle Störungen aus dem Weg zu räumen. Ich erhielt von Euch ein Telegramm, diese Order an die entsprechenden Kreisbeamten weiterzuleiten. Ich habe entsprechend gehandelt und darüber Notiz in den Akten gemacht. Ich bin der Ansicht, daß entsprechend dem Vertrag erst die Abfassung von Regulativen abgewartet werden muß, ehe weiter entschieden werden kann. Das entspricht voll und ganz den Abmachungen zwischen Deutschland und China. Nun sind die Regulativen aber noch nicht ausgearbeitet worden. Außerdem hat die deutsche Firma keinen chinesischen Teilhaber. Deshalb können wir dem Ersuchen der Firma nicht entsprechen. Des weiteren handelt es sich bei Bi Wencheng und den anderen nur um Pächter und nicht um die Besitzer. Wir können nicht wissen, ob es unter diesen Meinungsverschiedenheiten gibt. So befürchtet der Kreispräfekt Unstimmigkeiten, die zu Streit unter der Bevölkerung und so zu viel Ärger fuhren können. Deshalb können wir natürlich dem Ansinnen der Firma auf Beglaubigung des Vertrages nicht zustimmen. Ich habe den Kreispräfekten angewiesen, daß die Firma sich zuerst mit allen Besitzern des Berges verständigen soll. Ich erwarte in dieser Angelegenheit Eure weiteren Weisungen. Außerdem bitte ich darum, den Deutschen Gesandten in Peking schleunig darum zu ersuchen, die Firma Carlowitz & Co. anzuweisen, sich an die Vertragsregelungen zu halten. Die Regulativen fur die deutsch-chinesischen Bergbau- und Eisenbahnuntemehmungen sollten schnellstens ausgearbeitet und mir zur Kenntnis gebracht werden, um mir eine Grundlage für mein Vorgehen zu geben." Was nun die jüngsten Aktivitäten deutscher Firmen im Norden der Eisenbahnstrecke Qingdao-Jinan angeht, wie z.B. im Falle der Bergbauunternehmungen in Weixian, Boshan u.a. Orten, so muß es sich um gemischt deutsch-chinesische Unternehmen handeln. Die Bergbau-Regulativen müssen extra vereinbart werden. Nun hat aber die Firma Carlowitz & Co. nicht die Ausarbeitung der Regulativen abgewartet; auch hat sie keinerlei chinesische

395 Teilhaber. Ihr Vorgehen, in Zichuan Land zu pachten und dort Bergbau zu betreiben, steht aufs schärfste im Gegensatz zu den vertraglichen Regelungen. Deshalb ersuchen wir den Herrn Minister, der Firma zu übermitteln, einstweilen mit der Pacht des Gebietes und der Inangriffnahme der Bergbauarbeiten zu warten. Nach der Festlegung der Regulativen soll über eine den vertraglichen Regelungen entsprechende Lösung verhandelt werden. Hiermit bitten wir Eure Exzellenz, die Angelegenheit zur Kenntnis zu nehmen und die entsprechende Order an die Firma Carlowitz & Co. weiterzuleiten. AS/JYS 0J-J8-80-(4),

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112 Bau- und Betriebskonzession für die Shandong-Eisenbahngesellschaft (1.6.1899) Nachdem von der Deutsch-Asiatischen Bank, in Vertretung des Syndikats, welches sich zur Gründung einer deutsch-chinesischen Gesellschaft unter der Firma „Shandong-Eisenbahngesellschaft" gebildet hat, darauf angetragen worden ist, dieser Gesellschaft die Konzession zum Bau und Betrieb einer Eisenbahn in der chinesischen Provinz Shandong von Qingdao über Weixian nach Jinanfu, mit Zweigbahn von einem Punkt dieser Hauptlinie nach Boshan, zu erteilen, will die Kaiserliche Regierung diese Konzession nach Maßgabe der in dem deutsch-chinesischen Vertrage vom 6. März 1898 getroffenen Vereinbarungen und unter den nachstehenden Bedingungen erteilen: §1Der Bau und der Betrieb der Bahn hat durch eine von dem Syndikate auf Grund des anliegenden Gesellschaftsvertrages zu bildende deutsch-chinesische Aktiengesellschaft zu erfolgen. Diese Gesellschaft wird ihren Sitz zunächst in Berlin nehmen, denselben jedoch binnen sechs Monaten, vom Tage der Erteilung der Konzession an gerechnet, nach Qingdao verlegen. §2. Das fur den Bau und Betrieb der Bahn aufzubringende Aktienkapital ist auf 54 Millionen Mark festgesetzt. Für die öffentliche Zeichnung der Aktien der Gesellschaft ist darauf Bedacht zu nehmen, daß sich daran sowohl Deutsche wie Chinesen beteiligen können. Insbesondere soll die Zeichnung auf die Aktien auch in geeigneten Handelsplätzen Ostasiens eröffnet werden, und es sollen die dort gezeichneten Beträge eine angemessene Berücksichtigung finden.

396 §3. Die oberste Betriebsleitung der Bahn soll ihre Sitz in Qingdao haben. Die Wahl des Vorsitzenden der Direktion sowie des obersten Betriebsleiters bedarf der Bestätigung der Kaiserlichen Regierung. §4. Für den Bau der Eisenbahnen gelten folgende Bestimmungen: I. Für den Bau der Bahnlinien sollen die speziellen Vorarbeiten maßgebend sein, durch welche der besttunliche Anschluß der wichtigsten Kohlengebiete, insbesondere derjenigen von Weixian und Zichuan, sowie der durch Zahl der Bevölkerung oder sonstige Bedeutung hervorragenden Städte und Ortschaften zwischen Qingdao und Jinanfu an den Eisenbahnverkehr vorzusehen ist. Bei Anlage des Bahnhofes in Jinanfu ist auf die Verbindung mit dem Huanghe und die Fortsetzung der Bahn, einerseits nach der Südgrenze der Provinz Shandong in der Richtung nach Guazhou, andererseits nach der Nordgrenze der Provinz in der Richtung nach Tianjin und Zhengding, Rücksicht zu nehmen. Die Gesellschaft hat für die hiernach zu bestimmende Führung der Bahnlinien innerhalb des Kiautschou-Gebietes die Genehmigung des Kaiserlichen Gouverneurs und außerhalb dieses Gebietes die Genehmigung des Kaiserlichen Gesandten in Peking einzuholen. Die Bahnen können eingleisig hergestellt werden; jedoch ist der Grunderwerb für ein Doppelgeleise vorzusehen. Die Spurweite soll 1,435 Meter betragen. II. Für den Bau der Bahnlinien ist nach Möglichkeit deutsches Material zu verwenden. III. Die Vollendung und Inbetriebnahme der Hauptbahn von Qingdao nach Jinanfu und der Zweigbahn nach Boshan muß innerhalb einer Frist von fünf Jahren, die der Bahnstrecke von Qingdao nach Weixian innerhalb einer Frist von drei Jahren, vom Tage der Erteilung der Konzession an gerechnet, erfolgen. Wird die Gesellschaft durch Eintritt höherer Gewalt an der Erfüllung dieser Verpflichtungen verhindert, so sollen die gesetzten Fristen entsprechend verlängert werden. §5. Für den Betrieb der Bahnlinien gelten folgende Bestimmungen: I. Die bevorstehende Eröffnung des Betriebes auf einer Strecke ist mindestens drei Tage vor dem in Aussicht genommenen Zeitpunkt dem Gouverneur des Kiautschou-Gebietes anzuzeigen. II. Die Bahn ist mit Betriebsmitteln in angemessener Zeit so auszurüsten, wie es das Verkehrsbedürfnis erheischt. Die Betriebsmittel sollen tunlichst deutscher Herkunft sein. Die Gesellschaft ist verpflichtet, die Eisenbahnen dauernd ordnungsmäßig zu betreiben und zu diesem Behufe die Bahnanlagen, einschließlich der Telegraphenanlagen, und die Betriebsmittel in solchem Zustande zu erhalten, daß die Beförderung mit Sicherheit und auf die

397 der Bestimmung des Unternehmens entsprechende Weise erfolgen kann. Sie kann hierzu von der Kaiserlichen Regierung angehalten werden; jedoch sollen außerhalb des Schutzgebiets strengere Vorschriften nicht erlassen werden dürfen, als sie auf der Mehrzahl anderer in China unter ähnlichen Verhältnissen gebauter und betriebener Bahnen bestehen. Innerhalb des Schutzgebietes kommen für den Bahnbetrieb die für das Schutzgebiet geltenden gesetzlichen und bahnpolizeilichen Bestimmungen zur Anwendung. III. Die Anzahl der abzulassenden Züge wird der Gesellschaft anheimgestellt; jedoch hat dieselbe dem Verkehrsbedürfnis nach Möglichkeit zu genügen. Im übrigen unterliegt die Feststellung und Abänderung des Fahrplans der Genehmigung des Gouverneurs des KiautschouGebietes mit der Maßgabe, daß von der Gesellschaft keine höheren Leistungen beansprucht werden sollen, als die Mehrzahl anderer in China unter ähnlichen Verhältnissen gebauter und betriebener Bahnen aufweist. Der Fahrplan ist in geeigneter Weise öffentlich bekannt zu machen. IV. Die Bestimmung der Preise für den Personen- und Güterverkehr bleibt auf jeder Bahnstrecke für die ersten zehn Jahre nach dem auf die Betriebseröffhung der Strecke folgenden 1. Januar der Gesellschaft überlassen; doch dürfen hinsichtlich der Kohlenbeförderung die von der Kaiserlichen Regierung, nach Anhörung der Gesellschaft, festzustellenden Höchstsätze nicht überschritten werden. Für die Folgezeit steht es der Kaiserlichen Regierung frei, wiederkehrend von fünf zu fünf Jahren, Höchstsätze für die einzelnen Personenwagenklassen und Güterklassen festzusetzen, in deren Grenzen die Gesellschaft befügt sein soll, die Beförderungspreise zu bestimmen. Alle von der Kaiserlichen Regierung festzusetzenden Höchstsätze dürfen jedoch nicht unter die Höchstsätze der Mehrzahl anderer in China unter ähnlichen Verhältnissen gebauter und betriebener Bahnen hinuntergehen. Die Beförderungspreise, sowie die Änderungen derselben, sind vor ihrer Einführung dem Gouverneur des Kiautschou-Gebietes anzuzeigen und in geeigneter Weise öffentlich bekannt zu machen. Erhöhungen in den Beförderungspreisen treten, falls sie nicht vom Gouverneur genehmigt sind, erst drei Monate nach erfolgter öffentlicher Bekanntmachung in Kraft. V. Die Benutzung der Bahn ist jedermann unter gleichen Bedingungen zu gewähren. Insbesondere haben die angesetzten Beförderungspreise gleichmäßig für alle Personen oder Güter derselben Art Anwendung zu finden. Erleichterungen der Beförderung, welche nicht unter Erfüllung der gleichen Bedingungen jedermann zugute kommen, sind unzulässig. Ausnahmetarife bedürfen der Genehmigung des Gouverneurs des Kiautschou-Gebietes. Die Gesellschaft ist auf Verlangen der Kaiserlichen Regierung verpflichtet, anderen Unternehmern den Anschluß an die Bahn mittels Privatanschlußgleisen oder Anschlußbahnen gegen Ersatz der der Gesellschaft daraus erwachsenden Kosten zu gestatten, sofern die Gesellschaft die Anschlußgleise oder Anschlußbahnen nicht binnen angemessener Frist selbst herstellt. Auch ist die Gesellschaft verpflichtet, auf den anschließenden Privatanschlußgleisen den Betrieb, unter Beistellung der erforderlichen Transportmittel, gegen angemessene Vergü-

398 tung zu übernehmen und ferner den Übergang geeigneter Transportmittel der Anschlußbahnen ebenfalls gegen angemessene Vergütung zu gestatten. [...] §8. Solange die in dieser Urkunde erteilte Konzession besteht, wird die Kaiserliche Regierung einem andern Unternehmer die Anlage einer Eisenbahnstrecke, welche neben den verliehenen Bahnlinien in gleicher Richtung auf dieselben Orte oder unter Berührung mehrerer Hauptpunkte derselben laufen würde, nicht konzessionieren. §9. Das Kaiserliche Gouvernement des Kiautschou-Gebietes wird die zum Bahnbau erforderlichen, im Schutzgebiete gelegenen Grundstücke, soweit sie im Eigentum des Reiches stehen und iur Reichszwecke nach pflichtgemäßer Erklärung des Gouverneurs nicht unentbehrlich sind, der Gesellschaft gegen Erstattung des ortsüblichen Preises, welcher insgesamt den Betrag von 125.000 Mark nicht übersteigen soll, abtreten. Zum Erwerb des außerdem erforderlichen Grund und Bodens, sei er im Schutzgebiet oder in der Provinz Shandong gelegen, werden die Kaiserlichen Behörden der Gesellschaft auf ihren Antrag, soweit angängig, behilflich sein. §10.

Die Kaiserliche Regierung wird der Gesellschaft auf deren Antrag, unter Bedingungen, die denen dieser Urkunde entsprechen, auch die Konzession zum Eisenbahnbau und Betrieb: 1. von Jinanfu nach Yizhoufu und 2. von Qingdao nach Yizhoufu erteilen. Hinsichtlich dieser Bahnlinien steht der Gesellschaft der Antrag bis zum Ablauf des Jahres 1908 frei. Die nicht rechtzeitig nachgesuchten Konzessionen kann die Kaiserliche Regierung anderweitig verleihen. § 11-

Als Beitrag zu den Aufwendungen des Reichs für die Hafenanlagen in der Kiautschou-Bucht und zu den allgemeinen Verwaltungskosten des Schutzgebietes hat die Gesellschaft von dem jährlichen Reineinkommen der Eisenbahnunternehmungen eine Abgabe zu zahlen, welche wie folgt zu berechnen ist: Wenn nach Eröffnung des Betriebes auf der Bahnlinie Qingdao-Jinanfu der aus den Erträgen der Eisenbahnunternehmungen zu verteilende Reingewinn die Auszahlung einer Jahresdividende von mehr als 5% des für die Eisenbahnuntemehmungen eingezahlten und verwendeten Aktienkapitals gestatten würde, so ist für das betreffende Betriebsjahr von dem Mehrbetrage über 5% bis zu 7% der zwanzigste Teil, von dem Mehrbetrag über 7% bis zu 8% der zehnte Teil, von dem Mehrbetrage über 8% bis zu 10% der fünfte Teil, von dem Mehrbetrag über 10% bis zu 12% der dritte Teil und von dem Mehrbetrag über 12% die Hälfte an die Kasse des Gouvernements des Kiautschou-Gebietes zu zahlen.

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§ § 6 und 7 legen fest, daß bei Verletzungen der in der Konzession der Gesellschaft auferlegten Verpflichtungen Vertragsstrafen erhoben werden können. Im Streitfalle entscheidet ein Schiedsgericht.

399 § 12. Die Kaierliche Regierung behält sich das Recht vor, die von der Gesellschaft auf Grund dieser Konzession zu erbauenden Eisenbahnen nach Ablauf von 60 Jahren, von dem Tage der Erteilung der Konzession an gerechnet, und weiterhin nach Ablauf von je 5 zu 5 Jahren, einschließlich einer vorhergehenden einjährigen Kündigungsfrist, mit allen Anlagen, allen Betriebsmitteln, allem Zubehör, einschließlich der aus den Eisenbahnunternehmungen angesammelten Reserve- und Erneuerungsfonds, gegen Erstattung des fünfundzwanzigfachen Betrages der im Durchschnitt der letzten fünf Jahre aus den Erträgen der Eisenbahnunternehmungen zur Verteilung gelangten Dividenden, mindestens jedoch gegen Ersatz des gewerblichen Wertes der vorhandenen Eisenbahnanlagen, Werkstätten und Betriebsmittel, käuflich zu übernehmen. Die Ermittlung des Wertes hat, falls Zweifel über seine Höhe obwalten, durch ein nach §7 zu bildendes Schiedsgericht zu erfolgen. Erlangt keine Summe die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, so gilt diejenige Summe fur angenommen, welche dem Durchschnitt der von den einzelnen Schiedsrichtern genannten Summen am nächsten kommt. Die Entscheidung des Schiedsgerichts ist endgültig. § 13. Die völlige oder teilweise Übertragung der nach dieser Urkunde der Gesellschaft erteilten Konzession, der ihr in Ausübung dieser Konzession zustehenden Rechte und Pflichten unter Aufrechthaltung ihrer Eigenschaft als Konzessionär, sowie jede Abänderung des Gesellschaftsvertrages bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung der Kaiserlichen Regierung. Eine Übertragung der Konzession selbst oder einzelner ihrer Teile an eine andere als eine deutsche oder deutsch-chinesische Gesellschaft ist ausgeschlossen. § 14. Die Kaiserliche Regierung behält sich die Bestellung eines Kommissars gemäß Art. II des zweiten Teils des deutsch-chinesischen Vertrags vom 6. März 1898 vor. § 15. Eine Ausfertigung dieser Konzessionsurkunde wird der Gesellschaft ausgehändigt werden, sobald sie ordnungsmäßig durch das Syndikat gebildet ist. § 16.

Etwaige Kosten dieser Urkunde, insbesondere etwaige Stempelgebühren, trägt die Gesellschaft. Baden-Baden, den 1. Juni 1899 Der Reichskanzler (gez.) Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst BA, kl.Erw. 623, Bd.2,

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113 Bergbau-Regulative zwischen der Shandong-Bergbaugesellschaft und dem Gouverneur von Shandong, Yuan Shikai (21.3.1900) Zwischen dem Gouverneur der Provinz Shandong, Sr. Exzellenz Yuan Shikai und dem von Sr. Majestät, dem Kaiser von China auf Antrag des Gouverneurs von Shandong zu den nachstehenden Verhandlungen abgesandten Generalleutnant, Sr. Exzellenz Yin Chang, einerseits und der Direktion der Shandong-Bergbaugesellschaft zu Qingdao, vertreten durch deren Direktoren H. Michaelis und C. Schmidt, andererseits, sind in der Absicht, bei den Bergwerksunternehmungen Unruhen und Störungen jeder Art vorzubeugen und ein gutes freundliches Einvernehmen zwischen der Bevölkerung der Provinz und dem Bergbau-Unternehmen dauernd zu erhalten, die nachstehenden Bergbau-Regulative betreffend die gemäß Artikel 4 des Kiautschou-Vertrages innerhalb der 30 Li-Zone, d.h. in einer Ausdehnung von 30 Li zu beiden Seiten der zu bauenden Eisenbahn-Linien, deutschen Unternehmern von der Kaiserlich Chinesischen Regierung konzessionierten und vorbehaltenen bergbaulichen Unternehmungen, vorbehaltlich der Genehmigung des Aufsichtsrates der Shandong-Bergbaugesellschaft in Berlin, vereinbart und in deutscher und chinesischer Sprache übereinstimmend niedergeschrieben worden. Artikel 1. Nach dem Artikel 4, Absatz 2 des genannten Kiautschou-Vertrages soll eine deutsch-chinesische Bergbaugesellschaft errichtet werden, welche Aktien an Deutsche und Chinesen nach Maßgabe der Gesellschaftsstatuten ausgibt. Diese Gesellschaft soll vorläufig allein unter deutscher Aufsicht verwaltet werden. Jedes halbe Jahr soll sie dem Amt für fremde Verkehrsangelegenheiten in Jinanfu bekannt geben, wie viel Aktien von Chinesen erworben sind. Wenn der Wert dieser Aktien den Betrag von Taels 100.000, einunderttausend Taels, erreicht hat, soll von dem Gouverneur der Provinz Shandong ein chinesischer Beamter nach dem Sitz der Shandong-Bergbaugesellschaft abgeordnet werden, der bei derselben zur Wahrung der Interessen der chinesischen Aktionäre mitwirkt. Artikel 2. Wenn etwa im Verlaufe der Zeit Zweigniederlassungen der Bergbaugesellschaft in Shandong errichtet werden, wird zu jeder derselben ein chinesischer Beamter delegiert. Artikel 3. Für die zu den Voruntersuchungen der bergbaulichen Unternehmungen wie Schürflöcher, Bohrlöcher, Versuchsschächte und dergleichen in Anspruch genommenen Landflächen soll eine entsprechende Pacht bezahlt werden, sofern die Bergbauverwaltung die betreffenden Grundstücke nicht eigentümlich erwerben will; die Eigentümer sollen für beschädigte Feld-

401 früchte oder sonstigen verursachten Schaden nach ortsüblichen Preisen voll entschädigt werden. Von der Vornahme solcher Arbeiten ist dem Ortsbeamten 15 Tage vorher Anzeige zu machen, damit die Bevölkerung darüber unterrichtet werden kann. Artikel 4. Bei der Bestimmung der Bauplätze für die zu den Grubenanlagen gehörigen Schächte, Werkstätten, Arbeitshäuser, Lagerplätze und dergl. sollen angesehene Bürger oder Beamte zu Rate gezogen werden, damit durch die Grubenanlagen die Interessen der Bevölkerung möglichst wenig geschädigt werden. Die Verhandlungen darüber werden, um Schwierigkeiten zu vermeiden, chinesischerseits von dem von dem Gouverneur von Shandong dazu bestimmten chinesischen Beamten gefuhrt. Die technische Feststellung und Auswahl der Grubenbezirke und der Plätze für die an der Oberfläche zu errichtenden baulichen Anlage bleibt den Ingenieuren der Bergbau-Gesellschaft überlassen. Ein Situationsplan dieser Anlage ist dem Gouverneur von Shandong im Maßstabe 1:25.000, eins zu funfundzwanzigtausend, zur Kenntnis einzusenden. Dann erst ist mit dem Landankauf zu beginnen und nach Ausfertigung der Verkaufsurkunden des Landes darf erst mit den Bauten begonnen werden. Der Kauf des Landes soll in friedlicher und rascher Weise vor sich gehen, und es soll keine Verzögerung des Bergbaues durch Landkauf oder durch Schwierigkeiten mit den einzelnen Besitzern entstehen dürfen. Um allen derartigen Schwierigkeiten vorzubeugen, übernimmt der obenerwähnte chinesische Beamte die Vermittlung des Landkaufs und die Schlichtung etwa entstehender Zwistigkeiten. Es soll in ehrlicher Weise gekauft und fur das Land der ortsübliche Preis bezahlt werden. Es darf fur die Bergwerksunternehmung nicht mehr Land erworben werden, als für die an der Oberfläche des Bodens zu errichtenden Schacht- und Gebäudeanlagen und die nötigen Lagerplätze, Ladegleise und Zufuhrwege und etwaige künftige Erweiterungen nötig ist. Für die unter der Oberfläche der Erde befindlichen Grubenanlagen soll das Land an der Oberfläche nicht erworben werden. Für die unter der Erde von der Bergwerksgesellschaft abzubauenden Kohlen und sonstigen Mineralien steht dem Landbesitzer kein Entschädigungsanspruch zu. Artikel 5. Tempel, Gräber, vor allem vornehme, umfriedete und mit Baumpflanzungen bestandene, den Notabein gehörige Grabstätten, Dörfer, Häuser und Gehöfte sollen nach Möglichkeit nicht für die Errichtung von Baulichkeiten des Bergbaubetriebes an der Erdoberfläche in Anspruch genommen werden. Sofern es nicht möglich sein sollte, dieselben zu vermeiden, soll dies zwei Monate vorher den Besitzern durch den Ortsbeamten angezeigt und eine Entschädigung vereinbart werden, die so zu bemessen ist, daß der Besitzer an anderer Stelle dieselben wieder in der früheren Beschaffenheit ohne Geldverlust errichten kann.

402 Artikel 6. Die zu den Gruben gehörigen Häuser, Schuppen, Schachtöffhungen und Lagerplätze müssen so gelegt werden, daß Stadtmauern, Befestigungen, öffentliche Gebäude und wichtige Ortschaften dadurch nicht an der Oberfläche der Erde berührt werden. Artikel 7. Unter den der Kaiserlichen Familie zugehörigen Grabstätten, Tempeln, Parkanlagen und Palästen darf kein Bergbau betrieben werden. Artikel 8. Beim Grunderwerb wird zum Messen des Landes der Gong6 benutzt: ein Gong ist fünf Beamtenfuß lang, ein Fuß gleich 338 Millimeter, und ein Mu wird zu 360 Gong angenommen gleich 9000 Quadratfuß. 7 Bezüglich der Entrichtung von Grundsteuern für das von der Bergbaugesellschaft erworbene Land soll nach denselben Grundsätzen verfahren werden, wie dies bei einer andern meistbegünstigten fremden Bergbaugesellschaft an einem andern Orte Chinas geschieht. Artikel 9. Das Gehalt der von den Ortsbeamten der Bergbaugesellschaft auf deren Wunsch zur Verfugung gestellten Hilfskräfte ist von der Gesellschaft besonders zu bezahlen und ist nicht im Kaufpreis des Landes mitenthalten. Der Landpreis ist von der Bergbau-Verwaltung zu Händen des Kreisvorstehers zu zahlen, der seinerseits die Verantwortlichkeit für die richtige Auszahlung an die einzelnen Empfangsberechtigten übernimmt und der Bergbau-Verwaltung die Eigentumsurkunde über das erworbene Land ausstellt. Artikel 10. Im Falle[, daß] d i e Bergbaugesellschaft zum Schutze der Voruntersuchungen und des Bergbau-Eigentums und Betriebes den Gouverneur der Provinz Shandong um Entsendung einer Schutztruppe ersucht, soll einem solchen Ansuchen sogleich und in wirksamer Weise entsprochen werden; zum Schutze der Bergwerke sollen daher außerhalb der 100-Li-Zone keine fremdländischen Truppen verwandt werden dürfen; inwieweit die Bergbaugesellschaft zur Tragung der der Schutztruppe für die Zeit ihrer Entsendung entstehenden Ausgaben mit heranzuziehen ist, soll späterer Vereinbarung vorbehalten werden. Artikel 11. Beim Kauf von Materialien für den Bergbau soll in billiger Weise und nach marktgängigen Preisen gekauft und bezahlt werden und nötigenfalls die Unterstützung des Kreisvorstehers dazu erbeten werden. Artikel 12. Sofern die Bergbaugesellschaft in der Nähe der Arbeitsstellen Wohnungen und Büros zu mieten wünscht, ist ein Antrag bei dem Kreisvorsteher zu stellen, der das Mieten geeigneter Wohnräume und den Abschluß des Mietvertrages vermitteln wird.

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Chinesische Geodätische Längenmaßeinheit. Ein Gong entspricht, wie im Dokument angegeben, 5 Chi (Fuß).

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Bei dem „Quadratfüß" handelt es sich um eine auf dem Chi (Fuß) basierende Flächenmaßeinheit.

403 Artikel 13. Überall da, wo Bergwerke angelegt werden, sollen die Eingeborenen nach Möglichkeit zu den Arbeiten und Lieferungen von Materialien herangezogen und in ortsüblicher Weise bezahlt werden. Im Falle eines Streites zwischen den Bergarbeitern und dem Volke hat der Ortsbeamte das Recht, die Schuldigen festzunehmen und zu bestrafen. Unter keinen Umständen ist es gestattet, daß die Bergarbeiter unbefugterweise in die Häuser der Einwohner eindringen, widrigenfalls gegen sie strenge Strafen verhängt werden. Artikel 14. Bei dem Betriebe der Bergwerke übernimmt die Bergbaugesellschaft die Verantwortung für bei Unglücksfallen entstandene Beschädigungen von Menschenleben und Eigentum und hat den Ortsgebräuchen entsprechend Schadenersatz fur geschädigte oder getötete Personen und, nach noch näher von der Bergbaugesellschaft zu erlassenden und öffentlich bekannt zu machenden Bestimmungen, für beschädigtes oder zerstörtes Eigentum zu leisten. Ebenso haftet die Bergbaugesellschaft für die bei den Schürf- und Bohrversuchen durch ihre Schuld entstandenen Beschädigungen von Personen oder Sachen. Artikel 15. Die Bergbaugesellschaft übernimmt die volle Haftpflicht für durch den Betrieb der Bergwerke hervorgerufene Beschädigung von Feldern, Häusern, Brunnenanlagen und sonstigen Baulichkeiten und hat für durch ihre Schuld entstandene Schäden Vergütungen nach ortsüblichen Preisen zu bezahlen. Der Abfluß der Grubenwasser muß in solcher Weise geregelt werden, daß die Anwohner und deren Ackerland dadurch keinen Schaden erleiden, widrigenfalls entsprechende Entschädigungen zu vergüten sind. Artikel 16. Ausländer, welche im Innern der Provinz Shandong reisen wollen, haben sich mit einem von der zuständigen chinesischen und deutschen Ortsbehörde gesiegelten Paß zu versehen, um besseren Schutz zu genießen; ist kein solcher Paß ausgestellt worden, so können die Ortsbeamten keine Verantwortlichkeit übernehmen. Die deutschen und chinesischen Angestellten der Bergbaugesellschaft sind mit einer Legitimationskarte, welche von der Bergbauverwaltung und dem Ortsbeamten mit ihren Siegeln beglaubigt ist, zu versehen, um sich nötigenfalls über ihre Amtsbefugnis ausweisen zu können. Bei den Voruntersuchungen soll ein Beamter des Kreisvorstehers die Ingenieure begleiten, dessen Gehalt von der Bergwerksverwaltung bezahlt wird und nötigenfalls mit Polizei zum Schutze der Arbeiten behilflich sein. Solche, die sich betrügerischer Weise für Angestellte der Bergbaugesellschaft ausgeben, sollen von den Ortsbehörden festgenommen und bestraft werden. Artikel 17. Außerhalb der 30-Li-Zone dürfen keine bergbaulichen Betriebe ohne besondere Genehmigung des Gouverneurs von Shandong eingerichtet werden. Innerhalb der in einer Breite von je 30 Li auf beiden Seiten der Eisenbahn gelegenen Zonen steht, abgesehen von den vorhan-

404 denen chinesischen Grubenbetrieben, der deutschen Bergbaugesellschaft das Recht zu, Kohlen und sonstige Mineralien anzubauen und zu gewinnen. Den zur Zeit noch im Betriebe befindlichen chinesischen Gruben bleibt das Recht gewahrt, ihre Betriebe in der bisherigen Weise, jedoch so weiter zu fuhren, daß die Grubenbetriebe der Bergbau-Gesellschaft dadurch nicht geschädigt werden. Damit die unter diesen Gruben liegenden Bergbauanlagen der Bergbaugesellschaft nicht in beständige Gefahr kommen, soll es der Bergbaugesellschaft freigestellt sein, sich mit den bisherigen Grubenbesitzern über den Ankauf ihrer Gruben zu einigen, wozu nötigenfalls die Vermittlung des Kreisvorstehers von der Gesellschaft angerufen werden soll. Bezüglich innerhalb der 30-Li-Zone schon vorhandenen größeren chinesischen Grubenanlagen soll es bei dem Ankauf derselben durch die Bergbaugesellschaft den bisherigen Grubenbesitzern frei stehen, sich fur den vereinbarten Kaufwert ihrer Gruben Aktien der Bergbaugesellschaft überweisen zu lassen. Sollten die Eigentümer solcher vorhandenen Gruben abgeneigt sein, ihre Unternehmungen zu verkaufen, so dürfen dieselben in ihren Grubenbetrieben nicht gestört werden. Artikel 18. Den Bewohnern der den Gruben nahegelegenen Ortschaften sollen, sobald der Bergbaubetrieb sich günstig und erfolgreich gestaltet hat, zu ihrem eigenen Hausbedarf Brennkohlen zu ermäßigten Preisen abgelassen werden. Artikel 19. In dem außerhalb des deutschen Pachtgebietes gelegenen Teile der Provinz Shandong werden die landeshoheitlichen Rechte von dem Gouverneur in Jinanfii wahrgenommen. Die bei den Bergwerksbetrieben angestellten chinesischen Beamten und Arbeiter unterstehen daher bei Vergehen gegen die chinesischen Gesetze der Gerichtsbarkeit des betreffenden Ortbeamten. In Fällen von Beschwerden gegen bei der Bergwerksgesellschaft angestellte Ausländer wird nach den dafür bestehenden gesetzlichen Bestimmungen zu verfahren sein. Artikel 20. Zu welcher Zeit und zu welchen Bedingungen die Bergwerke künftig von der chinesischen Regierung übernommen werden können, soll späteren Vereinbarungen vorbehalten bleiben. Vorstehende Bestimmungen sollen nach Genehmigung derselben der Provinz Shandong und den Bergbaubeamten bekannt gegeben werden, und darnach soll gehandelt werden. Sollte es sich künftig notwendig erweisen, Änderungen einzelner Artikel oder Zusätze zu den vorstehenden Bestimmungen vorzunehmen, so kann dies nur auf Grund beiderseitiger Vereinbarung zwischen dem jeweiligen Gouverneur der Provinz Shandong und der Shandong-Bergbaugesellschaft geschehen. Jinanfu, den 21.3.1900 Der Gouverneur der Provinz Shandong (Siegel und Unterschrift des Gouverneurs der Provinz Shandong)

405 Der Kaiserliche Abgesandte, Generalleutnant gez. Yin Chang Die Direktion der Shandong-Bergbau-Gesellschaft BAP, DBC, Nr. 1309, Bl. 38-41.

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Schreiben des stellvertretenden Konsuls in Jinan, Wedel, an den deutschen Gesandten Mumm (6.2.1904) Jinanfu, den 6. Februar 1904

Geheim

Ew. pp. beehre ich mich über den gegenwärtigen Stand der Arbeiten beim Bau der Eisenbahn Qingdao-Jinanfu sowie über die Stellung des Eisenbahnpersonals zu den Chinesen gehorsamst folgendes zu berichten. Die Eröffnung der Eisenbahn bis Jinanfu wird jetzt mit Bestimmtheit am 1. April [1904] erwartet. Augenblicklich ist die Bahn bis Zhoucun (ca. 100 km von Jinanfu) dem Verkehr übergeben; von dort bis Longshan (ca. 65 km von hier) verkehren Bauzüge. Das Gleis ist bereits bis auf ca. 3-4 km von Jinanfu-Bahnhof flüchtig vorgestreckt. Die Verzögerung des Bahnbaus liegt an den noch immer in großem Maßstabe vorkommenden Diebstählen von Schrauben und Laschen, gegen die, wie Bauinspektor Hildebrand behauptet, der Gouverneur Zhou Fu nicht mit der nötigen Energie vorgeht. Durch derartige Diebstähle wird nicht nur der Bau der Eisenbahn aufgehalten, sondern [werden] auch Eisenbahntransporte in hohem Maße gefährdet. Noch vor wenigen Tagen wurden während der Nacht an einer Stelle nicht weniger als 16 Laschen ausgeschraubt und gestohlen. Zufallig bemerkten einige auf einer Draisine die Strecke abfahrende Beamte den Schaden, und nur dadurch wurde größeres Unheil verhütet, denn eine Entgleisung des Zuges wäre unvermeidlich gewesen. Auch Telegraphenstangen werden häufig beschädigt oder die Isolatoren mit Steinen kaputtgeworfen, während der daneben stehenden chinesischen Telegraphenleitung nichts geschieht, weil die Beschädigung dieser mit dem Tode bestraft wird. Dem gegenüber erklärt Zhou Fu, daß die meisten Diebe sich unter den Eisenbahnarbeitern selbst befänden. Hildebrand habe seinerzeit mit Yuan Shikai ein Abkommen9 vereinbart, wonach er sich verpflich8

Handbetriebenes Eisenbahnfahrzeug zur Streckenkontrolle.

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Gemeint ist die Eisenbahn-Regulative vom 21.3 1900, die zwischen der Direktion der Shandong-Eisenbahngesellschaft und dem Gouverneur von Shandong, Yuan Shikai, abgeschlossen wurde, siehe Einleitung zu Kap. 7 Die Bestimmung, auf die hier Bezug genommen wird, findet sich in Artikel 20 der Re-

406 tete, nur Shandong-Leute als Unternehmer für den Bahnbau zu engagieren; diese sollten dann die gewöhnlichen Arbeiter unter ihren Landsleuten dingen. Dieses Abkommen sei aber nie innegehalten worden; infolgedessen sei alles mögliche Gesindel aus Henan, Zhili und andern Provinzen ins Land gekommen, die häufig wieder entlassen [worden] seien und sich dann ohne Geld arbeits- und heimatlos als Räuber im Lande herumtrieben. Diese Leute seien es auch hauptsächlich, die die Diebstähle an der Eisenbahn verübten. Meines Erachtens hat Zhou Fu im wesentlichen recht; es ist eine Tatsache, die auch von den Beamten der Eisenbahngesellschaft zugegeben wird, daß die meisten Eisenbahnarbeiter aus anderen Provinzen sind, weil die Shandong-Leute schlecht und langsam arbeiten sollen, auch ist es wahrscheinlich, daß die Diebstähle vorzugsweise von früheren und auch von angestellten Eisenbahnarbeitern verübt werden, weil nur diese das Losschrauben der Laschen verstehen. Zhou Fu hat für die Eisenbahn entschieden großes Interesse; was er auch dadurch bewiesen hat, daß er zur Erleichterung des Verkehrs mit der Eisenbahn kostspielige Chausseen nach europäischem Muster baut. Der Bau dieser Straßen, die zum Teil auf hohen Dämmen durch sumpfiges Gelände fuhren, wird von dem bei der Provinzialregierung angestellten deutschen Bauführer Herrn Castell geleitet und hat bis jetzt ca. 10.000 Taels pro Kilometer gekostet (Skizze von Castell gezeichnet). Fertig gebaut sind etwa 3 km, die den Ostbahnhof Jinanfu mit der Stadt einerseits und mit dem am Xiaoqinghe gelegenen Dschunkenhafen und Salzumladeplatz, Huangtaiqiao andererseits verbinden; die Straße soll bis Guojiakou, einem Dschunkenhafen des Huanghe, verlängert werden und von dort bis zu dem eigentlichen Dschunkenhafen [von] Jinanfu (am Huanghe), Loukou, weitergeführt werden. Von Loukou aus soll dann noch eine solche Straße zum Westbahnhof gebaut werden, und dieser dann durch je eine Straße mit Westtor und Ostbahnhof verbunden werden. Daß es sein Wille ist, jetzt auch mit größter Energie gegen die Eisenbahndiebstähle vorzugehen, hat Zhou Fu dadurch bewiesen, daß er gestern den zur Reorganisation des Polizeiwesens hier angestellten Deutschen, Herrn Sterz, und einen Daotai nach Weixian geschickt hat mit der Vollmacht, Eisenbahndiebstähle mit dem Tode zu bestrafen. An der Schwierigkeit, die Eisenbahn zu schützen, trägt das Eisenbahnpersonal selbst Schuld. Die große Unbeliebtheit, der [sich] besonders die subalternen Beamten [ausgesetzt sind], die sich aber naturgemäß auf die Gebrüder Hildebrand überträgt, ist allgemein bekannt. Es kursiert hier ein Gerücht, dessen Wahrheit sich meiner Beurteilung entzieht, daß die Chinesen dem Bau der Baiin Tianjin-Jinanfu besonders darum Schwierigkeiten entgegenstellen, weil sie sich an der Person Hildebrands und seines Personals stoßen. Der Hauptgrund dieser Unbeliebtheit der Eisenbahn ist die bedauerliche, aber unter Chinesen und Europäern allgemein bekannte Tatsache, daß von vielen subalternen Eisenbahn-Beamten ein regelrechter Squeeze nach chinesischem Muster betrieben wird. Es ist dies ein Gerücht, daß man von so vielen Seiten hört, daß sicher viel Wahres daran ist. Manche Subalternbeamte gulative und lautet: „Bei den Bauarbeiten sollen die Bewohner der den Bahnstrecken nächst gelegenen Ortschaften tunlichst sowohl zu den Arbeiten wie zu den Lieferungen von Materialien herangezogen werden" (BAP, DBC, Nr. 1309, B1 35).

407 schließen überhaupt nur dann mit chinesischen Unternehmern Kontrakte ab, wenn ihnen vorher eine gewisse Summe Geld bezahlt wird. Andere haben Lieferungskontrakte, z.B. fur Steine oder dergleichen abgeschlossen, und nachdem Wagenladungen angefahren waren, haben sie die Lieferung fur unbrauchbar erklärt und die Annahme verweigert, sich schließlich aber doch überreden lassen, sie für den halben Preis anzunehmen. Wieder andere zahlen prinzipiell nur 50-75% des kontraktlich vereinbarten Preises. Hildebrand hat zwar zuweilen Beamte wegen solcher Vorkommnisse entlassen, sich aber stets gescheut, die Sache an die große Glocke zu hängen. Die natürliche Folge war, daß neuankommende Beamte sehr bald auch das lukrative Verfahren der alten anwandten. So wird es weitergehen, bis einmal ein Exempel statuiert wird, dem deutschen Ansehen schadet es aber ungeheuer, da die chinesischen Beamten jede Kleinigkeit erfahren und sich daraus ihr Urteil über die Deutschen bilden. Ein anderer Punkt, der änderungsbedürftig ist, sind die hohen Frachtsätze, die mit daran Schuld sind, daß die Chinesen jetzt ernstlich an die Vertiefung des Xiaoqinghe-Kanals denken, wofür bereits zwei Dampfbagger, die im Frühjahr in Tätigkeit gesetzt werden sollen, vorhanden sind. Zhou Fu erwartet jetzt 30.000 Säcke Reis fur Jinanfu und hat der Eisenbahnverwaltung folgendes Ultimatum gestellt: Heruntersetzung des Frachttarifs oder Beförderung dieser und aller staatlichen Reissendungen auf dem Xiaoqinghe. Die Entscheidung steht noch aus. Abschrift dieses gehorsamsten Berichtes sende ich an das Kaiserliche Generalkonsulat zu Shanghai, gez. Graf Wedel BAP, DBC, Nr. 1310, Bl. 150-151.

115 Schreiben der Direktion der Shandong-Bergbaugesellschaft an den Reichskanzler Bülow (5.7.1904) Berlin, den 5. Juli 1904 Eurer Exzellenz haben wir bereits bald nach Errichtung unserer Gesellschaft unterm 20. Oktober 1899 uns gestattet über unser Verhältnis zu den innerhalb der uns durch die Konzession vom 1. Juni zur bergmännischen Ausbeutung verliehenen Zone vorhandenen und neu zu errichtenden chinesischen Bergwerksbetrieben Vortrag zu halten. Wir machten damals geltend, daß in dem Maße, in welchem unsere Bahnprojekte bekannt werden und der Bahnbau fortschreitet, chinesische Unternehmer sich bestreben würden, innerhalb der 30-Li-Zone Mineralvorkommen abzubauen, deren Abbau durch die Errichtung der deutschen Bahn vielfach überhaupt erst ermöglicht würde. Daran knüpften wir die Bitte, die Chinesische Regierung

408 davon abzuhalten, daß sie fernerhin die Erlaubnis zur Anlage und zum Betriebe von neuen oder zur Erweiterung von bereits vorhandenen Bergwerken innerhalb der 30-Li-Zone erteile. In dem uns mitgeteilten Bericht des Kaiserlichen Gesandten in Peking vom 8. Januar 1900 hieß es, chinesischerseits werde für selbstverständlich erklärt, daß innerhalb der 30-Li-Zone Konzessionen nicht mehr erteilt werden dürften. Die tatsächliche Entwicklung steht jedoch mit dieser Erklärung keineswegs im Einklang. Wir sind vielmehr bereits wiederholt genötigt gewesen, Ew. Exzellenz Schutz gegen chinesische Versuche, Bergwerke innerhalb der 30-Li-Zone anzulegen und zu vergrößern, anzurufeil. Nach einem vor wenigen Tagen hier eingegangenen Bericht unserer Bergbaudirektion hat der Betrieb der innerhalb der 30-Li-Zone vorhandenen chinesischen Kohlengruben im B o shan-Tale durch die Eröffnung der Zweigbahn, die dieses Tal aufschließt, einen erheblichen Aufschwung genommen; es sind eine Reihe von neuen Schächten eröffnet worden, und es schweben zur Zeit Verhandlungen zur Bildung eines chinesischen Konsortiums, das in der Nähe der deutschen Bahn, also innerhalb der uns verliehenen Bergwerkszone, eine größere Bergwerksanlage in Angriff nehmen will, zu deren Errichtung das Engagement eines europäischen Bergtechnikers ins Auge gefaßt ist. Wir haben unsere Bergbaudirektion angewiesen, gegen dieses Vorgehen bei dem Gouverneur der Provinz Shandong unter Hinweis auf die uns zustehenden Rechte Einspruch zu erheben und sich wegen wirksamer Verhinderung der geplanten Anlagen, durch welche unser Recht in der empfindlichsten Weise beeinträchtigt wird, mit dem Kaiserlichen Herrn Konsulatsverweser ins Benehmen zu setzen. Ew. Exzellenz bitten wir ehrerbietigst, den Herrn Gesandten in Peking dahin instruieren zu wollen, daß das Konsulat in Jinanfu angewiesen wird, das Vorgehen unserer Bergbaudirektion gegen die Errichtung neuer und die Erweiterung bestehender chinesischer Bergwerksanlagen innerhalb der 30-Li-Zone nachdrücklich zu unterstützen. In Ehrerbietung Shandong-Bergbaugesellschaft gez. Fischer Β AP, DBC, Nr. 1294, BI.149.

Krause

409

116 Schreiben des chinesischen Außenministeriums an das Ministerium für Landwirtschaft, Industrie und Handel (29.10.1908) 10 Hiermit gestattet sich das Außenministerium, auf Euer Schreiben vom 6.10.1908 zu antworten. Im Schreiben hieß es: „Der Superintendent der Nördlichen Handelshäfen erhielt einen Bericht von Zhu Dao und Zhong Qi, zwei Aktionären der Zhongxing-Gruben in Yixian, Provinz Shandong. In diesem Bericht heißt es: Die Zhongxing-Gruben in Yixian wurden im Jahre 1880 vom damaligen Minister der Nördlichen Handelshäfen, Li Hongzhang, mit kaiserlicher Genehmigung gegründet. Da damals das eingesetzte Kapital unzureichend war, zeitigte das Unternehmen keinerlei Erfolge. Deshalb wurde der Betrieb im Jahre 1895 eingestellt. Im Jahre 1899 ersuchten der damalige Superintendent der Nördlichen Handelshäfen Yu [Xian] und der damalige Verantwortliche für die Beaufsichtigung von Bergwerksunternehmungen in der Provinz Zhili, Zhang, in einer Eingabe an den Kaiser, die Zhongxing-Grube als chinesisch-deutsches Unternehmen mit beschränkter Haftung fortzufuhren. Zhong Qi und andere Herren brachten nacheinander Kapital ein. Das erfolgte in der Hoffnung, durch die vermehrte Förderung von Kohle und den Ausbau der Verkehrswege den Absatz einheimischer Kohle zu fördern, um den Import ausländischer Kohle einzuschränken und die eigenen Ressourcen zu entwickeln. Nach zehn Jahren haben sich beachtliche Erfolge eingestellt. Das Ministerium für Landwirtschaft, Industrie und Handel wird nun darum ersucht, Zhang Yun und Si Lianfen zu leitenden Managern des Unternehmens fur die Aktivitäten in der Provinz Shandong zu bestellen. Außerdem soll der Daotai Dai Xuwan probeweise als Stellvertretender Manager agieren. Bei späteren Wechseln der leitenden bzw. stellvertretenden Manager soll die Nominierung durch die Versammlung der Aktionäre erfolgen und danach um Bestätigung beim Ministerium für Landwirtschaft, Industrie und Handel nachgesucht werden. So können die Angelegenheiten umsichtig geregelt werden. Gleichzeitig wird beantragt, das chinesisch-deutsche Unternehmen umzuwandeln. Ursprünglich hatte sich Detring bereit erklärt, daß sich der deutsche Aktienanteil auf 40% belaufen sollte. Doch im Jahre 1900 vertrat Detring die Ansicht, daß die Bedingungen in den Statuten zu hart seien und deshalb keine deutschen Unternehmer an einer Aktienbeteiligung Interesse hätten. So haben bis heute keine deutschen Unternehmer Aktien an der Gesellschaft erworben. Mittlerweile ist das Kapital des Unternehmens ausreichend, und es bedarf keinerlei ausländischer Aktienbeteiligung mehr. Deshalb wird das Ministerium für Landwirtschaft, Industrie und Handel darum ersucht, der Streichung der Bezeichnung „chinesisch-deutsch" zuzustimmen und das Unternehmen fortan unter dem Namen „Zhongxing-Kohlegruben mit beschränkter Haftung in Yixian, Provinz Shandong" firmieren zu lassen. Unser Unternehmen bemüht sich um Glaubwürdigkeit und einen guten Ruf. Obwohl Detring nicht die erforderlichen deutschen Aktien aufbringen konnte, sollten seine 10 Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker

410 Verdienste bei der Gründung des Unternehmens in Erwägung gezogen werden. Außerdem hat Detring fur uns den deutschen Ingenieur Fu 11 angeworben, der in Yixian geologische Untersuchungen durchführte. Entsprechend den ursprünglichen Vereinbarungen stehen Detring 30.000 Yuan zu. Bei Addierung der Zinsen ergäbe sich insgesamt eine Summe von 47.000 Yuan. Um Detring eine außerordentlich bevorzugte Behandlung zuteil werden zu lassen, sollten ihm gleich den chinesischen Aktionären Zinsen ausgezahlt werden. Hiermit reichen wir ergebenst unseren Bericht ein und ersuchen um Zustimmung.' Ich bitte darum, entsprechend dem Bericht in dieser Angelegenheit zu entscheiden." Wir haben den Anträgen stattgegeben und angeordnet, entsprechend zu verfahren". Unser Ministerium möchte nun Ihrem Ministerium mitteilen, daß wir den vorstehenden Vorgang zu den Akten genommen haben. Hochachtungsvoll an das Ministerium für Landwirtschaft, Industrie und Handel. 29.10.1908 AS (/YS 06-24-02-1-(2),

unfoliiert.

117 Flugblatt der Gesellschaft zur Rückgewinnung der Bergwerksrechte in Shandong (1908) 12 Eine kleine Abhandlung fur die Herren Landsleute, Gelehrte und Kaufleute, die hier in der Fremde13 wohnen. Ihr Väter und Brüder aus Shandong, wißt Ihr auch, wie es mit unserer Provinz steht? Welche Gefahren uns drohen? Seit der Gründung des Hafens an der Jiaozhou-Bucht haben sich die Verwicklungen, in die das Binnenland geraten [ist], täglich gemehrt. Die Shandong-Bahn ist vollendet und die Finanzhoheit der Provinz zu Ende. Jene haben Land aus drei Kreisen und Unterpräfekturen herausgeschnitten:14 Welche Unterdrückung hat das Volk dieses Landes

11 Die Person konnte nicht ermittelt werden. 12 Das Flugblatt wurde beim Gouvernement in Kiautschou übersetzt. Die Übersetzung ist nicht namentlich gezeichnet, auch wurde keine Quelle angegeben. Laut beiliegendem Anschreiben von Gouverneur Truppel an den deutschen Gesandten Rex, 19.11.1908, (BAP, DBC, Nr. 1252, B1.141) wurde das Flugblatt in Shanghai gedruckt und von dort verteilt. Die „Gesellschaft zur Rückgewinnung der Bergwerksrechte in Shandong" wurde von Angehörigen der lokalen Elite in Shandong 1908 gegründet, siehe Li Enhan 1963:364. 13 Mit „Fremde" ist Shanghai gemeint. 14 Gemeint ist das deutsche Pachtgebiet und die sog „neutrale Zone".

411 nicht zu leiden?! Wie wird es nur geschädigt?! Die einen haben es am eigenen Körper erfahren, die anderen es mitangesehen: Wir alle wissen es und können es sagen, darum brauchen wir dies nicht auszuführen. Auch das wissen wir Landsleute alle und empfinden es mit Schmerz, daß die Berghoheit in der 30-Li-Zone längs der Bahn durch Vertragsabschluß in den Gewaltbereich der Deutschen hinübergeglitten ist. Davon brauchen wir nicht zu reden, und täten wir es, brächte es uns doch keinen Bruchteil Nutzen. Und wenn die Deutschen sich damit zufrieden gäben und nicht nach mehr Verlangen trügen, so ist doch unser Reichsganzes von ihnen zerstückelt, und wir Nachkommen der Altvorderen müssen uns von ihnen regieren lassen. Wo Chinesen und diese Europäer beieinander wohnen, begegnen sie einander mit Mißtrauen, und wenn eines Tages Verwicklungen erwachsen, dann hängt Shandongs Unglück unmittelbar über uns. Ach, ihr Landsleute, wir stehen täglich auf einem Holzstoß, auf Explosivgeschossen, die jederzeit in Flammen aufgehen mögen. Aber macht den Deutschen keine Vorwürfe! Daß der Starke über den Schwachen siegt, ist ein unumstößlicher Grundsatz. Wenn ich selbst in Schwäche beharre, wie soll ich da anderen wehren, überlegen zu sein? Wenn ich mich unterlegen sein lasse, wie kann ich anders dafür zur Rechenschaft ziehen, daß ich nicht obsiege? In der Lehre von der Schwere heißt es: Gleiche Kräfte heben sich auf. Wenn aber wir Shandongleute, ungeeint und ungebunden, wie lockerer Sand und lose Steine, den Europäern begegnen, wie sollten wir da nicht die Schwächeren sein, wie sollten wir da nicht unterliegen? Aber noch weiter! In den letzten Jahren ist noch Schürfen und Betrieb der fünf Bergwerkszonen hinzugekommen.15 Die Bergwerke innerhalb 30 Li längs der Tianjin-PukouBahn sollen ferner eine Belohnung bilden.16 Die Qingdao-Jinan-Bahn erstreckt sich von Osten nach Westen über eine tausend Li weite Entfernung. Kiautschou, Laizhoufu, Qingzhoufu, Jinanfü werden restlos dadurch umfaßt, und was noch fehlt, ergänzen die 5 Bergwerkszonen, so daß Dengzhoufü und Yizhoufü jetzt auch dazu gehören. Östlich von Jinan ist uns nichts mehr übrig geblieben. Kommt jetzt noch das Land längs der Tianjin-Pukou-Bahn hinzu, so haben wir auch westlich von Jinan nichts mehr. Wie sollte da nicht unser Shandong-Volk verarmen, unser Reichtum erschöpft sein?! Das Volk aber vermehrt sich, und ein jedes Reich leidet an Übervölkerung. Daß man aber nur mit dem Ackerbau nicht durchkommen kann, weiß auch der dumme Bauer. Die größten Einnahmequellen sind Eisenbahn und Bergbau. Sind die von Fremden an sich gerissen, wie kann da der Einheimische noch sein Leben fristen? Und wenn sie selbst bestenfalls uns dazu nicht noch ganz niedermähen, sondern ein paar von uns am Leben lassen, werden diese ihnen doch als Sklaven und Knechte, als Vieh dienen müssen. Deshalb haben wir Gesellschaftsmitglieder, die Vergangenheit im Herzen tragend, mit dem Wunsch künftiges Unheil zu verhindern, in der Befürchtung, daß unsere Existenz gefährdet und die Gefahr, die uns von außen droht, erkennend, in dem Bewußtsein, daß hier für 15 Die „Deutsche Gesellschaft für Bergbau und Industrie im Auslande" erhielt die Konzessionen zum Betrieb von Bergwerken in ihr bereits 1900 zugesicherten fünf Zonen nach langen Verhandlungen im Jahre 1906, siehe Einleitung zu Kapitel 7. 16 Siehe hierzu Dok. 119.

412

Shandong solch hohe Interessen auf dem Spiele stehen, wie nie seit alten Zeiten, deshalb also haben wir mit den Gleichgesinnten der ganzen Provinz diese Gesellschaft gegründet, die den Namen „Gesellschaft zur Erhaltung der Bergwerksgerechtsame von Shandong" fuhrt. Ihr Zweck ist, Mittel zu finden, um das Verlorene wiederzuerlangen und nicht einen Zoll nachzugeben, und weiter ein großes Kapital aufzubringen, die Bergwerke zurückzubekommen und selbst zu betreiben. Möchten doch unsere Landsleute hier in der Fremde bei dieser Kunde sich ermannen! Dann werden uns noch mehr Helfer erstehen, und nicht nur wird der allgemeine Wille wie eine Mauer fest dastehen, wir werden es so auch vermeiden können, als lockerer Sand und lose Steine verspottet zu werden. Haben wir erst später die Bergwerke zurück und betreiben sie selber, so brauchen wir nicht mehr zu furchten, gar kein Fundament zu haben, um uns daraufstützen zu können. Die in Peking sich aufhaltenden Shandong-Leute bilden „die Gesellschaft zur Erhaltung der Bergwerksgerechtsame der Provinz Shandong in Peking", die in Shanghai sich aufhaltenden bilden „die Gesellschaft zur Erhaltung der Bergwerksgerechtsame der Provinz Shandong in Shanghai" und so entsprechend weiter. Sind diese alle erst ins Leben gerufen, werden wir um Annullierung der Verträge bitten. Sind wir alle fest entschlossen, dann wird der Tag sicher kommen, wo unsere Absicht sich verwirklicht. Und wenn nicht, so mögen wir zu Tode geschunden und gestochen werden oder in Knechtschaft sterben! Denn sterben müssen wir auf jeden Fall, und besser noch, als künftig weitere Schmach zu erdulden und doch zu sterben, ist es jetzt, wo wir diese Schmach noch nicht erfahren, im voraus unser Leben aufs Spiel zu setzen. Ach, Ihr Landsleute, wißt Ihr auch, daß in Zukunft Shandong die Provinz sein wird, der die meisten Verwicklungen zufallen werden? Denn es hat nicht bei Bergbau und Eisenbahn sein Bewenden. Alles, was den Fremden Vorteil bringt, gereicht uns Shandong-Leuten zum Schaden. Auf dem Gebiete des Handels, der öffentlichen Arbeiten, der Landwirtschaft, des Schulwesens, der Regierung können jederzeit und allerorten Verwicklungen entstehen. Und tritt solch ein unglücklicher Fall ein, werden die Fremden gewiß neuen Boden gewinnen, wir aber Schritt für Schritt zurückweichen. Unsere Landsleute indessen werden es wieder nicht wissen, oder, wenn sie es wissen, sich nicht rühren, und, rühren sie sich, wird sich ihre Einheit auflösen und auseinander laufen. Unser Aufruf wird ungehört verhallen, und uns bleibt nichts als Seufzen. Wenn unsere Gesellschaft jetzt Anwerbungen macht, Briefe und Telegramme nach allen vier Himmelsrichtungen schickt oder direkt Parteigenossen in die Präfekturen und Kreise entsendet, die persönlich über Vorteil und Schaden sprechen sollen, so gehen doch die Fortschritte, die wir machen, auch nicht weiter. Und das liegt daran, daß wir die Energie der Gesamtheit nicht auszulösen vermögen, weil uns die rechte Triebkraft dazu fehlt. Die Triebkraft aber muß sein: den Nichtwissenden Wissen geben, die Wissenden zum Handeln drängen. Ohne vollkommene Zeitungen kein Erfolg. Die Vorteile der Presse sind ja allgemein bekannt. Wer die Angelegenheiten des Auslandes verstehen will, muß sie aus den ausländischen Zeitungen entnehmen, wer die inländischen verstehen will, muß sich an die chinesischen Zeitungen halten. Allein, wenn bei der Lektüre der in- und ausländischen Zeitungen die Heimat zu kurz käme, würden wir wirklich lieblos gegen die Heimat handeln. Es liegt aber im Menschen die Heimatliebe, und wer sie liebt, fühlt sich stets als zu ihr gehörig.

413 Gelangt einer im Heimatdorf zu literarischen Ehren, so strahlen alle vor Freude, und hat einer etwas Schönes getan, so erzählen alle es freudig weiter. Wenn der Soldat im Feldlager, der Reisende unterwegs einen Brief von [zu] Hause oder von einem Freunde erhält, so liest er ihn wie etwas Kostbares und, wenn er auch nur Geringfügiges vermeldet, mit Aufmerksamkeit und merkt sich den Inhalt genau. Und weshalb? Weil der Mensch seinen Ursprung nicht zu vergessen vermag, und sein Ursprung ist die Heimat. Das läßt erkennen, daß auch Sie, meine Herren, die Sie in der Fremde weilen, stets und ständig die alte Heimat im Herzen tragen. Außerdem leben wir heute glücklicherweise in der Zeit, wo Vorbereitungen für die Verfassung getroffen werden. 17 Alle Provinzen streben danach, selbst an der Wohlfahrt des Landes mitzuarbeiten, und man hat mit dem alten Schlendrian gebrochen. Es ist uns bekannt, wie die Herren Landsleute, als sie in den letzten Jahren davon hörten, wie Jiangsu und Zhejiang die fremden Darlehen abgelehnt (Suzhou-Hangzhou-Ningbo-Bahn)18, sich für das Volk von Jiangsu und Zhejiang gefreut, und ebenso für Shanxi, als man las, wie man dort die Bergwerke zurückerlangt hatte (Shanxi-Syndikat).19 Auch mit Anhui empfand man gleiche Freude in der Tongguanshan-Angelegenheit.20 Freut man sich aber bei Fremden, wird man gewiß bei der eigenen Heimat Schmerz empfinden. Jetzt können wir Shandong-Leute aber mit Freude daran gehen, es jenen drei Provinzen gleichzutun und an Handeln denken, und Freude erwartet uns. Und so wollen wir unserer Pflicht nachkommen und energisch werden, auf daß stete Freude, nicht aber Kummer unser Los sei. Wir blicken hierbei hoffnungsvoll auf Euch, Väter und Brüder unserer Heimat. Bezüglich der Bestimmungen über Anteilzeichnung verweisen wir auf unsere Satzungen. Die Gesellschaft zur Erhaltung der Bergwerksgerechtsame von Shandong. 17 Seit 1906 wurde an einer Verfassung gearbeitet Eine provisorische Verfassung, die nach einer neunjährigen Übergangszeit in Kraft treten sollte, wurde 1908 veröffentlicht. Der erste Schritt hin zur einer konstitutionellen Monarchie erfolgte 1909 mit der Bildung von Provinzparlamenten, siehe Spence 1990:245-249 18 Nach mehrjährigen Verhandlungen mit Großbritannien erreichte China 1908, daß die Eisenbahnlinie Suzhou-Hangzhou-Ningbo mit einem Darlehen der gemischten „British & Chinese Corporation" gebaut werden solle im Gegensatz zu einer zuvor von England geforderten rein englischen Finanzierung. Der Kreditvertrag wurde am 6.3.1908 unterzeichnet, siehe Lee 1977:25. Die Verhandlungen stehen im Zusammenhang mit einer seit 1904 zu beobachtenden, breiten Bewegung in den Provinzen, deren Ziel es war, den Bau von Eisenbahnen mit chinesischen Geldern und unter chinesischer Leitung durchzufuhren, siehe Rosenbaum 1982:320-329. 19 Am 11 1 1908 kaufte die Provinzregierung von Shanxi die sich seit 1901 in englischem Besitz befindlichen Bergbaurechte in der Provinz Shanxi zurück, siehe Li Enhan 1963:261f. 20 Seit 1904 betrieb die Firma „London and China Co." Minen bei Tongguanshan. Laut Vertrag vom 25 5.1904 sollte ein größerer Teil der Aktien dieser Firma von chinesischen Anteilseignern gehalten werden Da diese Zusage von dem englischen Unternehmen niemals eingehalten wurde, entstanden immer wieder Konflikte zwischen China und England in bezug auf die Minen bei Tongguanshan. Seit 1908 fanden Verhandlungen mit England um eine stärkere Beteiligung chinesischer Investoren an den Minen statt. 1910 wurden die Minen und Bergwerksrechte bei Tongguanshan von China zurückgekauft Siehe Li Enhan 1963:163-176.

414 Gedruckt bei der Commercial Press, Shanghai. BAP, DBC, Nr. 1252, Bl. 150-152.

118 Schreiben des deutschen Gesandten Rex an das chinesische Außenministerium (6.5.1909) 21 Am 6.5.1909 erhielten wir eine Note des Deutschen Gesandten Graf von Rex, in der es heißt: „Eure Noten vom 24.1.1908 und vom 5.2.1908 habe ich damals umgehend meiner Regierung zugeleitet und bin nun beauftragt worden, den verehrten Prinzen gegenüber wie folgt eine Erklärung abzugeben: 1. In den Noten vom 24.1. und vom 5.2.1908 hat die chinesische Regierung zugestimmt, bis zum Jahre 1922 zwei Eisenbahnstrecken von Dezhou nach Zhengdingfu und von Yanzhou, bzw. einem anderen auf der Tianjin-Pukou-Linie gelegenen Ort, nach Kaifeng, wobei Jining durchquert werden soll, zu errichten. Sollten für den Bau der beiden Eisenbahnlinien ausländische Kredite benötigt werden, so kann darüber mit der Deutsch-Asiatischen Bank verhandelt und können deutsche Ingeniere mit der Ausführung beauftragt werden. Die deutsche Regierung erklärt hiermit, daß die im Absatz 1 des Paragraphs 2 des Kiautschou-Vertrags festgeschriebenen Rechte in bezug auf den Bau von Eisenbahnen von Jiaozhou nach Yizhou bzw. an die Westgrenze der Provinz Shandong an die chinesische Regierung abgetreten werden. Außerdem wird zugestimmt, daß diese Eisenbahnlinien durch die chinesische Regierung errichtet und von der Bahnbehörde fur die Tianjin-Pukou-Strecke beaufsichtigt werden können. Allerdings sollte beim Bau der Strecke von Jiaozhou nach Yizhou noch einmal überdacht werden, an welcher Stelle die Linie auf die Hauptstrecke stößt. Sollte nicht anstelle von Jiaozhou besser Gaomi gewählt werden? 2. Die deutsche Regierung erklärt eigens, daß bereits am Tag der Fertigstellung der Eisenbahnlinie von Jiaozhou nach Yizhou diese vollständig der Kontrolle durch die chinesische Regierung untersteht. Die Rechte an der Eisenbahn können allerdings nur unter der Bedingung abgetreten werden, daß bei Bedarf an ausländischen Krediten diese von der DeutschAsiatischen Bank vermittelt und deutsche Ingenieure mit dem Bau der Strecke beauftragt wurden. 3. Der Paragraph 4, Absatz 2 des Kiautschou-Vertrages gestattet deutschen Unternehmen, 30 Li längs der Bahnlinien von Jiaozhou nach Yizhou bzw. von Jinan an die Westgrenze der Provinz Shandong Bergwerke zu betreiben. Obgleich die beiden Eisenbahnstrecken der vollständigen Kontrolle durch die chinesische Regierung unterstellt werden, sollen die

21 Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker.

415 Rechte zum Betreiben von Bergwerken entsprechend den alten vertraglichen Regelungen erhalten bleiben. Ich erlaube mir, diese drei Punkte der chinesischen Regierung zur Kenntnis zu bringen und bitte um Antwort, ob dem zugestimmt werden kann." AS/JYS 02-03-5-0),

unfohieri.

119 Schreiben des deutschen Gesandten Rex an den Reichskanzler Bülow (25.6.1909) 25. Juni 1909 Zu dem beifolgenden durch meine Hand geleiteten Bericht des Konsuls Betz beehre ich mich, das Nachstehende zu berichten: Die Note an den Prinzen Qing ist nunmehr in der von Eurer Durchlaucht genehmigten Form abgegangen. Unter II ist der Verzicht auf die Bahnstrecke Jiaozhou-Yizhoufu an die Bedingung geknüpft, daß die chinesische Regierung dieselbe bis 1. Januar 1915 als chinesische Staatsbahn herstellt. Eine Antwort ist auf die Note noch nicht erfolgt. Möglicherweise kann dieselbe noch einige Zeit auf sich warten lassen und die von Dr. Betz gewünschte baldige Verständigung über die künftige Eisenbahnpolitik in Shandong sich noch länger hinausziehen. Ich teile die Ansicht des Dr. Betz, daß eine möglichst baldige Klärung erwünscht wäre. Andererseits glaube ich nicht, daß die von uns in der vorerwähnten Note gemachten Konzessionen bei den Chinesen sehr schwer wiegen werden. Ich furchte daher langwierige Verhandlungen und zweifle an einem befriedigenden Resultat. Dies legt den Gedanken nahe, ob nicht zweckmäßigerweise die Verhandlungen mit den Chinesen gleich auf einer wesentlich breiteren Basis zu fuhren wären. Ich darf daher zu Eurer Durchlaucht geneigter Erwägung stellen, ob die Rückgabe der Shandong-Eisenbahn an die Chinesen in Betracht zu ziehen wäre. Daß die Shandong-Bahn in einer nicht allzu fernen Zukunft einmal an die Chinesen zurückfallen muß, liegt in der allgemeinen Entwicklung der Verhältnisse in China. Auf chinesischer Seite liegt ferner ein Interesse vor, daß der Rückkauf möglichst früh erfolgt, damit die zu erwartende Zunahme des Verkehrs nicht weiter den Preis der Bahn steigert. Das Geschäft würde sich in Form einer aufzunehmenden Anleihe verhältnismäßig leicht erledigen. Ich glaube somit, daß der Rückkauf der Shandong-Bahn den Chinesen je eher, um so willkommener wäre. Nach Äußerungen des Herrn Cordes erscheint es mir andererseits sehr wahrscheinlich, daß die hinter der Shandong-Eisenbahngesellschaft stehenden Finanzkreise die Shandong-

416 Bahn, deren Aktien sich noch ganz in den Portefeuilles der Banken befinden, gern bei sich bietender Gelegenheit verkaufen würden. Vom allgemeinen politischen Standpunkt aus wäre die Rückgabe der Bahn nur zu begrüssen, da sie die Liquidierung einer heute nicht mehr durchführbaren Politik der Interessensphäre bedeuten würde, gegen welche die Chinesen, wie erst kürzlich die Vorgänge anläßlich der Huguang-Bahnanleihe22 gezeigt haben, besonders empfindlich sind. Es ergibt sich eigentlich nur noch die Frage, welches ist der geeignete Zeitpunkt zur Rückgabe. Wie sich diese Frage vom finanziellen Standpunkt aus beantwortet, mag hier unerörtert bleiben. Dazu müßten sich die beteiligten Finanzkreise selber äußern. Unter dem politischen Gesichtspunkt aber spricht manches dafür, die eventuellen Rückkaufsverhandlungen nunmehr emstlich in Betracht zu ziehen. Wie eingangs hervorgehoben, ist eine baldige Klärung der Eisenbahnpolitik in Shandong im Interesse Qingdaos dringend erwünscht. Je eher der Bau der drei von uns gewünschten Bahnstrecken: Dezhou-Zhengdingfu, Yanzhoufu-Jiningzhou-Kaifengfu, Jiaozhou- bzw. Gaomi-Yizhoufu zu erreichen ist, umso besser fur die Entwicklung Qingdaos. Ferner ist unser Verhältnis zur chinesischen Regierung augenblicklich freundschaftlicher, als es je früher war. Die Chinesen würden jetzt zu Konzessionen eher bereit sein in dem Gefühl, sie einem politischen Freunde zu machen. Eine freundschaftliche Auseinandersetzung über unsere Rechte in Shandong würde aber ganz zu der allgemeinen Richtung unserer erfolgreich begonnenen Versöhnungspolitik mit China passen. Speziell die Deutsch-Asiatische Bank hat sich durch ihre Haltung bei der Hukuang-Bahnanleihe eine sehr günstige Position bei der chinesischen Regierung geschaffen. Aber auch diese günstigen Umstände sind nicht bestimmt, ewig zu dauern. Mit dem Wechsel von Personen und Verhältnissen werden sich die deutsch-chinesischen Beziehungen auch wieder abkühlen. Mir scheint daher, wir sollten die vielleicht nicht so bald wiederkehrende Gunst der Stunde ausnutzen. Allerdings ist zu erwägen, daß der Rückkauf der Shandong-Bahn auf die Shandong-Bergbaugesellschaft zurückwirken würde. Ich habe in meinem Bericht vom 19. v.M. auf die Schwierigkeiten hingewiesen, mit denen die Shandong-Bergbaugesellschaft zu kämpfen hat. Die Gesellschaft ist mit der Shandong-Eisenbahn so eng verbunden, daß die Rückgabe der letzteren an die Chinesen ihre Geschäftslage noch sehr erschweren müßte. Eine Umwandlung der bisher rein deutschen in eine deutsch-chinesische Bergwerksgesellschaft mit Betei22 Bei der Anleihe zur Finanzierung der Hunan-Guangdong-Eisenbahn bemühte sich China darum, mit den ausländischen Banken günstigere Konditionen aushandeln und sich die Bedingungen nicht mehr diktieren zu lassen. Insbesondere wurde Wert daraufgelegt, daß die Anleihe von einem internationalen Bankenkonsortium gezeichnet werde, um damit eine mögliche finanzielle Abhängigkeit von nur einer Großmacht zu vermeiden. Die Verhandlungen über die Anleihe zogen sich über mehrere Jahre hin. Erst am 20 5.1911 kam es zu einer Einigung. Die Anleihe mit 5% Verzinsung und einer Laufzeit von 40 Jahren wurde zu gleichen Teilen von vier Banken gegeben: Hongkong & Shanghai Banking Corporation. (brit ), Banque de la Indo-Chine (frz.), Deutsch-Asiatische Bank (dt ), International Banking Corporation (amerik), vgl. Lee 1977:25. 23 Nicht in den Akten.

417 ligung der Provinzialregierung würde wohl die Konsequenz der durch eine etwaige Rückgabe der Shandong-Bahn geschaffenen Lage sein müssen. Diese Perspektive wird möglicherweise die beteiligten Kreise wenig angenehm berühren. Wer jedoch seine Unternehmungen in China heil durch alle [Gefährlichkeiten der kommenden Zeiten hindurchbringen will, der muß das Interesse von Chinesen mit dem seinigen verschmelzen. Die Verhandlungen über Rückgabe der Shandong-Bahn würden sich somit zu einer umfassenden Revision unserer Shandong-Politik auswachsen. Die von unserer Seite dabei zu erreichenden Vorteile wären: 1. Schaffung günstiger Eisenbahnverbindungen für Qingdao. Die Rückgabe der Shandong-Bahn würde ein solches Entgegenkommen unsererseits bedeuten, daß sie als Grundlage fur ganz neue Bedingungen benutzt werden könnte. Es wäre zu erwägen, ob nicht zu verlangen wäre, daß die drei in der Note an den Prinzen Qing geforderten Strecken oder wenigstens eine derselben, z.B. die Strecke JiaozhouYizhoufii, wesentlich früher oder mittels einer deutschen Anleihe nach Maßgabe des TianjinPukou-Vertrages hergestellt werden müßten. Eventuell wären aber diese auf dem Gebiet des Eisenbahnwesens zu erreichenden Vorteile als ein genügendes Äquivalent noch nicht zu betrachten, und es wäre zu prüfen, welche sonstigen Zugeständnisse zweckmäßigerweise unsererseits noch zu fordern wären. Die Eisenbahn ist der letzte große Trumpf, den wir den Chinesen gegenüber in der Hand haben. Derselbe muß daher voll ausgenutzt werden. 2. Die Beruhigung der Bevölkerung von Shandong und eine zunehmende Aussöhnung der Chinesen mit Qingdao. Die Stimmung der Bevölkerung von Shandong ist immer noch eine bald latente, bald offen hervortretende Feindseligkeit gegen die Deutschen. Es läge im Interesse unserer allgemeinen chinesischen Politik diese gefährliche Reibungsfläche in Shandong möglichst zu entfernen. Das auf chinesischer Seite gegen Qingdao bestehende Odium würde wesentlich schwinden, wenn die Chinesen am Ertrag der Bahn und somit am Aufblühen des Hafens mit interessiert wären. Qingdaos ganze Zukunft hängt aber davon ab, daß die Chinesen an dem Hafen und der Kolonie ein eigenes Interesse gewinnen. 3. Bezüglich der Shandong-Eisenbahn die Liquidierung, bezüglich der Shandong-Bergbaugesellschaft die Verbesserung finanziell bisher nicht glänzender Unternehmungen. Wenn Eurer Durchlaucht nach Benehmen mit den beteiligten Finanzkreisen und mit dem Reichsmarineamt zu dem Ergebnis kommen sollten, daß der hier gegebenen Anregung Folge zu geben wäre, so würde allerdings an die Einleitung der Verhandlungen nur mit großer Vorsicht heranzutreten sein. Es wäre meines Erachtens daran festzuhalten, daß der erste offizielle Schritt von den Chinesen auszugehen hätte. Auch müßte man sich Gewißheit über die Persönlichkeit des chinesischen Unterhändlers verschaffen und feststellen, ob er die genügende Autorität der eigenen Regierung gegenüber besitzt. Rex BAP.DBC, Nr. 1312, Bl. 194-198.

418

120

Schreiben des deutschen Gesandten Rex an das chinesische Außenministerium (5.2.1910)24 Am 5.2.1910 erhielten wir eine Note des Deutschen Gesandten Graf von Rex, in der es heißt: „Eure Note vom 21.8.1909 habe ich nach Erhalt umgehend meiner Regierung zugeleitet. Wie bereits verlautbart, begrüßt die deutsche Regierung den Bau der Eisenbahnstrecke von Qingdao über Yizhou mit Anschluß an die Tianjin-Pukou-Bahn sowie der beiden Nebenstrecken von Dezhou nach Zhengdingfu und von Yizhou über Jining nach Kaifeng. Wir denken, daß diese Entscheidung China zufriedenstellt und auch für Deutschland von Nutzen ist. Die Angelegenheit wird daher nicht schwer zu regeln sein. Diese Verfahrensweise hat nicht nur fur die wirtschaftliche und politische Entwicklung Chinas Vorteile, sondern vertieft auch die einvernehmlichen Beziehungen zwischen China und Deutschland. Die deutsche Regierung begrüßt freudig den fiir beide Seiten entstehenden Nutzen. Neben der Übermittlung der oberstehenden Ausführungen an die hochverehrten Prinzen des Zongli Yamen erlaube ich mir, im folgenden ausführlich zur Note vom 21.8.1909 Stellung zu nehmen: 1. Deutschland hat noch nicht auf die im Jiaozhou-Vertrag, Absatz 1, Paragraph 2 festgeschriebenen Rechte hinsichlich der Errichtung von Eisenbahnlinien von Jiaozhou nach Yizhou bzw. an die Grenzen von Shandong verzichtet. Der Bau der Strecken kann erst erfolgen, wenn all unseren Forderungen, die in der Note vom 6.5.1909 25 erhoben werden, entsprochen wird. Aus Eurer Note vom 21.8.1909 26 ist aber zu ersehen, daß unsere Forderungen nicht vollständig akzeptiert worden sind. 2. Die deutsche Regierung ist mit allen Kräften bestrebt, mit der chinesischen Regierung zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. Mittlerweile sind der Verlauf der drei Eisenbahnstrecken und deren Anfangs- und Endpunkte festgelegt. Das bedeutet, daß die Strecke Kaifeng-Jining-Yanzhou nach den beschlossenen Plänen ausgeführt werden muß oder der Anfangspunkt der Zweiglinie nach Kaifeng innerhalb der Provinz Shandong liegen soll. 3. Wenn die deutsche Regierung auf ihre Rechte beim Bau der Yizhou-Strecke verzichtet, so glaubt sie, daß der Endpunkt der Jiaozhou-Yizhou-Linie auf der Jiaozhou-Jinan-Strecke, am besten bei Gaomi, liegen sollte. 4. Ungeachtet dessen, ob die chinesische Regierung deutsche Kredite in Anspruch nimmt, sollten beim Bau der drei Strecken deutsche Ingenieure mit dem Bau beauftragt werden. 5. Bei der Aussage in Eurer Note vom 21.8.1909, daß keine deutschen Unternehmer die Gründung von Bergwerksunternehmungen längs der Jiaozhou-Yizhou-Strecke beantragt hätten, handelt es sich um ein Mißverständnis. Der deutschen Regierung ist sehr daran gele-

24 Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker. 25 Siehe Dok. 118. 26 Nicht in den Akten.

419 gen, die Bergwerksrechte längs der Jiaozhou-Yizhou-Linie ein fur allemal zu klären und für beide Länder eine befriedigende Lösung zu finden. Aus den obenstehenden Erläuterungen können die hochverehrten Prinzen des Zongli Yamen ersehen, wie sehr die deutsche Regierung versucht hat, in freundschaftlicher Weise auf die Note vom 21.8.1909 zu antworten. Wir hoffen zutiefst, daß nach den Vorschlägen unserer Note verfahren wird. Das wird zum beiderseitigen Vorteil sein und die Zentralregierung in die Lage versetzen, ihren Einfluß im nationalen Eisenbahnbau noch weiter auszudehnen." AS/JYS 02-03-5-Q),

unfoliiert.

121 Schreiben des Dolmetschers am deutschen Konsulat Jinan, Holzhauer, an den Reichskanzler Bethmann-Hollweg (7.11.1910) Jinan, 7. November 1910 Wie Eurer Exzellenz bereits anderweitig bekannt ist, sind die schon seit längerer Zeit vom Gouverneur Sun Baoqi erwogenen Verhandlungen über eine definitive Regelung der deutschen Bergbauberechtigungen in der Provinz Shandong nunmehr tatsächlich in Fluß gekommen. Den Anstoß dazu gab die Mitteilung an Gouverneur Sun, daß die Shandong-Bergbaugesellschaft nunmehr mit der Vorbereitung der Betriebseröffhung im Dawenkou-Feld vorzugehen beabsichtige. Die Antwort fiel ablehnend aus unter Berufung auf den alten Einwand, daß der Shandonger Provinzialregierung bisher keine Instruktionen von Peking über die 30Li-Zone längs der Tianjin-Pukou-Bahn zugegangen seien. Bevor ich dagegen offiziellen Einspruch erhob, machte ich den Gouverneur vertraulich darauf aufmerksam, daß, falls er Vorschläge der oben erwähnten Art zu machen gedenke, dieselben, um die ganze Angelegenheit nicht unnötig zuzuspitzen und etwaige spätere Verhandlungen dadurch zu erschweren, im allseitigen Interesse jetzt gemacht werden müßten. Daraufhin hat nunmehr der Gouverneur durch den Gewerbe-Daotai, der mich zu diesem Zweck in seinem Auftrag aufsuchte, die bereits gemeldeten Verhandlungen, zunächst in Form einer unverbindlichen Vorbesprechung, offiziell eröffnet. Als Grundlage hat Sun Baoqi folgende Vorschläge gemacht: 1. Die beiden Bergwerksunternehmungen der Shandong-Bergbaugesellschaft in Fangzi und Hongshan verbleiben im alleinigen Eigenbetriebe der Gesellschaft. Die Verwertung des Eisenerzvorkommens bei Jinlingchen wird in Form eines deutsch-chinesischen Gesellschaftsuntemehmens mit beiderseitiger Kapitalbeteiligung in Angriff genommen. 2. Längs der Linien der noch nicht in Angriff genommenen Yizhoufu-Bahn und der noch nicht fertigen Tianjin-Pukou-Bahn soll die Ausbeutung von zwei Kohlenvorkommen, welche als die ergiebigsten und aussichtsvollsten festgestellt werden, durch chinesische Bergwerksgesellschaften erfolgen. Wenn fur diese beiden chinesischen Bergwerksunternehmungen chi-

420 nesisches Kapital nicht in ausreichender Höhe aufzutreiben ist, soll deutsches Kapital in Form von Anleihen herangezogen werden. Deutschland soll ein Vorzugsrecht erhalten bezüglich der Lieferung der benötigten Maschinen und der Gestellung bergmännischer Fachleute. 3. Die Ausgaben, welche der Shandong-Bergbaugesellschafit durch Untersuchungen und Vermessungen in den im Süden gelegenen Bergwerksfeldern sowie durch Erwerb von Grundstücken erwachsen sind, sollen zusammengestellt und ihr von China zurückerstattet werden. 4. Sobald auf der vorstehend dargelegten Grundlage ein bindendes Abkommen zustandekommt, verzichtet Deutschland auf die ihm früher zugestandenen Bergbauprivilegien in den sämtlichen 30-Li-Zonen. Gouverneur Sun will seine Vorschläge, alsbald über die praktische Ausgestaltung derselben und über ihre definitive Form ein vorläufiges Einvernehmen mit dem Konsulat und mit der Shandong-Bergbaugesellschaft erzielt worden ist, dem Waiwubu [Außenministerium] unterbreiten, von welchem dann die definitiven Verhandlungen mit der Kaiserlichen Gesandtschaft in Peking zu fuhren sein würden. Zu der Angelegenheit der Yizhoufu-Bahn hat das Pekinger Verkehrsministerium, dessen Prüfung, wie Eurer Exzellenz zu melden ich bereits die Ehre hatte (Bericht vom 24. v.Mts., J.7.I 2368/142), 27 gegenwärtig der Bericht über die erste Trassenvermessung unterliegt, noch keine Stellung genommen. Sun Baoqi hat daher diese Frage noch nicht mit in den Rahmen der von ihm vorgeschlagenen Verhandlungen einbezogen, um deren Eröffnung aus den eingangs erwähnten Gründen nicht länger hinauszuschieben. Mir scheinen die von Sun Baoqi gemachten Vorschläge eine durchaus geeignete erste Grundlage für die auch in unserem Interesse sehr erwünschten Verhandlungen über eine endgültige Regelung der darin angeschnittenen Fragen darzustellen. Ob sich dieses Ziel erreichen lassen wird, wird davon abhängen, welche praktische Ausgestaltung im einzelnen den bisher nur in den allgemeinsten Umrissen vorliegenden Vorschlägen weiterhin gegeben wird. Vor allem wird voraussichtlich unsererseits Wert darauf gelegt werden müssen, daß bei der von Gouverneur Sun angestrebten definitiven Regelung auch die Frage der YizhoufuBahn ihre Lösung findet und daß unsere sonstigen mit den Bergbauangelegenheiten in Zusammenhang stehenden Wünsche, insbesondere die dauernde Befreiung der Kohlenförderung der Shandong-Bergbaugesellschaft von Inlandzöllen und die Auseinandersetzung mit dem chinesischen Bergbau in der Umgebung ihrer bisherigen Anlagen, namentlich im Boshan-Tal, ausreichend berücksichtigt werden. In diesem Sinne als dem Ausdruck meiner rein persönlichen vorläufigen Ansicht habe ich auch den mit der Überbringung der Vorschläge Suns beauftragten Gewerbe-Daotai geantwortet. Der Gewerbe-Daotai hat Auftrag, in den nächsten Tagen nach Qingdao zu fahren, wo er die kürzlich an dortige Beamte und Offiziere verliehenen chinesischen Ordensauszeichnungen überbringen soll. Bei dieser Gelegenheit soll er auch mit der Qingdaoer Direktion der

27 Nicht in den Akten.

421 Shandong-Bergbaugesellschaft über die vom Gouverneur Sun gemachten Vorschläge Rücksprache nehmen. Einen Bericht über die Weiterentwicklung der Angelegenheit, in welcher ich mich Eurer Exzellenz Instruktionen gewärtig halte, darf ich mir gehorsamst vorbehalten. Abschrift dieses Berichts geht nach Peking und Shanghai. Der Bergbaudirektion der Shandong-Bergbaugesellschaft in Qingdao habe ich von seinem Inhalt vertraulich Kenntnis gegeben, gez. Holzhauer BAP, DBC, Nr. 1297, Bl. 18-21.

122 Schreiben des deutschen Konsuls in Jinan, Betz, an den Reichskanzler Bethmann-Hollweg (26.7.1911) Jinanfu, den 26. Juli 1911 Eurer Exzellenz beehre ich mich in der Anlage den deutschen Text des vorbehaltlich der Genehmigung der beiderseitigen Regierungen am 24. d.Mts. unterzeichneten Abkommens zwischen der Shandong-Bergbaugesellschaft und der Provinzialregierung von Shandong zu überreichen. Zu Gunsten der Bergbaugesellschaft und deutscher Interessen im allgemeinen ist im wesentlichen folgendes erreicht worden: 1. Feste Abgrenzung des Konzessionsgebiets der Gesellschaft und Gewährleistung ihres ausschließlichen Bergbaurechts innerhalb desselben. Die wenigen z.Zt. noch vorhandenen Chinesenschächte sollen schon innerhalb eines Monats nach der Ratifizierung des Abkommens geschlossen werden; die Öffnung neuer Schächte ist verboten. Damit kann der leidige ΛΟ

Streit um die Auslegung des Artikels 17 der alten Regulative, der jahrelang eine nie versiegende Quelle von Protesten und Gegenprotesten gebildet und dadurch die deutsch-chinesischen Beziehungen gestört hat, wohl als endgültig erledigt angesehen werden. 2. Fernhaltung einer emstlichen Konkurrenz entlang der Shandong-Bahn durch das Verbot chinesischer Großbetriebe bis zum Jahre 1920. Diese Klausel wurde für den Kreis Boshan, als den z.Zt. bedeutendsten chinesischen Bergbaubezirk der Provinz, erst ganz zuletzt zugestanden. 3. Bevorzugung deutschen Kapitals, deutschen Materials und deutscher Ingenieure bei chinesischen Bergwerken innerhalb der zurückgegebenen Felder, und zwar nicht nur bei Staats- sondern auch bei Privatbetrieben.

28 Siehe Einleitung zu Kapitel 7 und Dok. 115

422 Wenn sich die Chinesen künftig auf Grund dieser Vertragsbestimmung an deutsche Firmen in China wenden, so werden die letzteren bei ihrer bekannten und zum Teil auch nicht ganz ungerechtfertigten Vorliebe für englische und amerikanische Maschinen, die sie als Vertreter englischer und amerikanischer Häuser zu fuhren pflegen, solche und nicht deutsche Fabrikate liefern. Die Chinesen ihrerseits werden glauben, vertragsgemäß gehandelt zu haben, wenn sie bei deutschen Firmen kaufen, ohne weiter nach dem Ursprung der Ware zu fragen. Da nachträgliche Proteste gegen die Einschmuggelung nichtdeutscher Maschinen für alle Beteiligte immer etwas sehr Mißliches sein werden, dürfte es sich vielleicht empfehlen, unsere größeren Chinafirmen unter der Hand auf die Bestimmung in Artikel II Ziffer 4 hinzuweisen; es geschieht dies am wirksamsten und unauffälligsten durch Benachrichtigung der Stammhäuser in Deutschland. Bergwerksmaschinen sind bisher hauptsächlich von Arnhold, Karberg & Co., Carlowitz & Co., H. Diederichsen & Co. und Sietas, Plambeck & Co. nach Shandong geliefert worden. 4. Angemessener Ersatz fiir die Aufwendungen der Gesellschaft in den freigegebenen Feldern. Wenn die bewilligte Summe von 210.000 Dollars um 70.000$ hinter der ursprünglichen Forderung der Gesellschaft zurückgeblieben ist, so ist zu berücksichtigen, daß die Forderung einen Zinszuschlag von 55% enthielt und es sich um Aufwendungen handelt, welche die Gesellschaft sonst wahrscheinlich ä fonds perdu 29 hätte abschreiben müssen. 5. Die Beseitigung prinzipieller Hindernisse gegen die Errichtung eines deutsch-chinesischen Eisen- und Stahlwerks bei Jinlingchen. Wenn auch der Wortlaut des Artikel IV eher wie die Bewilligung einer chinesischen Forderung klingt, handelt es sich tatsächlich doch um die Erfüllung eines deutschen Wunsches. Denn ohne eine chinesische Beteiligung darf das Eisenwerk überhaupt nicht im Innern errichtet werden und könnten seine Fabrikate schwerlich auf genügenden Absatz in China rechnen. Es ist bei den Verhandlungen von den chinesischen Kommissaren ausdrücklich betont worden, daß ohne chinesische Beteiligung eine industrielle Verarbeitung des Erzes nur in Qingdao, bzw. einem sonstigen den Ausländern geöffneten Hafen zulässig sei. Die - von uns allerdings nicht anerkannte - chinesische Auffassung ging dahin, daß schon die Verarbeitung des Erzes zu Roheisen, also ein bloßer Hochofenbetrieb, eine Industrie darstelle und deshalb verboten sei. Eine vom Gouverneur zuletzt noch beabsichtigte Festlegung dieses Standpunktes in dem Abkommen ist auf mein Betreiben unterblieben. Die Frage wird ja wohl auch kaum mehr praktisch werden. So viel Mühe es auch anfangs gekostet hat, den Gouverneur und den Landtag fiir eine Beteiligung an dem Eisenwerk zu interessieren, und obwohl es mir erst im letzten Moment gelungen ist, eine wenigstens annähernd ziffernmäßige Festlegung dieser Beteiligung durchzusetzen, so habe ich doch den Eindruck gewonnen, daß namentlich Sun Baoqi ernstlich an die Verwirklichung eines deutsch-chinesischen Unternehmens denkt. Seine Unterhändler haben ein solches wiederholt als aussichtsvoll bezeichnet und geäußert, daß Nordchina ein eigenes Eisenwerk brauche und nicht auf die Nanyang-Werke sich verlas-

29 Frz. „unwiederbringlich".

423 sen könne. Weder in Shanxi noch in Zhili sind die Erzvorkommen so reichhaltig, hochwertig und günstig gelegen wie das von Jinlingchen. Kommt ein gemeinsames Unternehmen zustande, so wird das den Absatz der Fabrikate in China, die ja dann in den Augen der Chauvinisten nicht fremde, sondern einheimische Erzeugnisse sein werden, wesentlich erleichtern. Ich kann nur empfehlen, daß die Gesellschaft die augenblicklich besonders günstige Konstellation durch rasches Handeln ausnutzt und die weiteren Verhandlungen über die Organisation des Unternehmens wenigstens soweit fördert, daß ein Gouverneurswechsel in Shandong nicht mehr störend wirkt. Für China bedeutet das Abkommen zweifellos einen nicht geringen politischen Gewinn. Es hat in den umfangreichen, an Grund und Boden haftenden deutschen Eisenbahn- und Bergwerkskonzessionen in Shandong immer nur eine versteckte Okkupation erblickt. Gegenüber dieser Furcht hat der Unmut über die wirtschaftliche Unfreiheit in dem 30-Li-Gürtel und die deutsche Konkurrenz im eignen Lande stets nur eine sekundäre Rolle gespielt. Daß Bahn und Bergwerk den Wohlstand der Provinz gefördert haben, wird eingesehen, wenn auch nicht allzu laut zugegeben. Die jetzige Neuregelung der Verhältnisse bedeutet wirtschaftlich nicht viel für die Chinesen, da aus den freigegebenen Feldern bergbaulich nicht viel zu holen sein wird. Dagegen ist das politische desinteressement Deutschlands in Shandong, das in den Augen der Chinesen die Räumung des größten Teils der 30-Li-Zone bedeuten muß, bei unsrer diesmaligen Abrechnung ein so wertvoller Saldo zu Gunsten Chinas, daß wir dessen endgültige Verbuchung nur Zug um Zug gegen die Erfüllung unserer Eisenbahnwünsche zugestehen sollten. Durchschlag dieses Berichts und seiner Anlage geht nach Peking und Shanghai, gez. Betz Abkommen (Übersetzung) Die Provinzialregierung von Shandong ist mit der Shandong-Bergbaugesellschaft auf Grund der stattgehabten Verhandlungen über ein Verfahren zur gegenseitigen klaren Auseinandersetzung bezüglich der an den Eisenbahnlinien in der Provinz Shandong bestehenden Bergbaurechte übereingekommen, folgendes Abkommen zu schließen. Artikel I. 1. Zwischen der Provinzialregierung von Shandong und der Shandong-Bergbaugesellschaft wird vereinbart, daß die Bergbaudistrikte von Fangzi und Zichuan, sowie der nördliche Teil der Shandong-Bahn innerhalb der 30-Li-Zone von Jinlingchen bis Changdian sich erstrekkende Bergbaudistrikt der Shandong-Bergbaugesellschaft zur alleinigen Ausbeutung verbleiben. 2. Die vorbezeichneten für die eigenen Betriebe der Bergbaugesellschaft reservierten Bergwerksfelder sind in besonderen Karten genau angegeben, die einen wesentlichen Bestandteil dieses Abkommens bilden. In den bezeichneten Bergwerksfeldern steht der Bergbaugesellschaft das alleinige Recht zur Gewinnung der vorhandenen Bergbaumineralien zu. Chinesen dürfen in diesen Feldern keinen Bergbau betreiben.

424 3. Abgesehen von den Rechten bezüglich der hiernach der Shandong-Bergbaugesellschaft fur ihre eigenen Betriebe reservierten Mineralvorkommen erlöschen hiermit die sämtlichen von China früher der Bergbaugesellschaft zugestandenen Bergbaurechte innerhalb der 30-LiZonen längs der bereits im Betriebe befindlichen Shandong-Bahn, der noch nicht vollendeten Tianjin-Pukou Bahn, und der eben erst vermessenen Jiaozhou-Yizhoufu-Bahn. 4. Die ursprüngliche Absicht der Gesellschaft ging dahin, die an sich in die 30-Li-Zone fallenden Bergbaurechte in den beiden Kreisen Boshan und Zichuan vollständig fur sich zu reservieren. Als besonderen Freundschaftsbeweis aber will die Gesellschaft nunmehr zugeben, daß die Mineralvorkommen im Kreise Boshan vollständig zurückgegeben werden. Auch im Bergbaudistrikt von Zichuan soll der südliche Teil, begrenzt durch eine schräge Linie vom Daguishan über Longkoushan nach Nordwesten bis in den östlichen Teil des Kreises Zichuan gleichfalls als chinesischen Unternehmern zur freien Ausbeutung überlassenes Bergwerksgebiet zurückgegeben werden. 5. Der Bergwerksdistrikt von Fangzi im Kreise Weixian erstreckt sich nach der 30-Li-Zone zusammenhängend auch noch in das Gebiet der beiden Kreise Changle und Anqiu hinein. Als besonderen Freundschaftsbeweis will die Gesellschaft die Rückgabe des nordwestlichen Teils des Kreises Anqiu zugestehen. Die in gerader Linie von Fangzi 10 Li entfernten Mineralvorkommen von Xingshanhua im Kreise Changle verbleiben der Gesellschaft. [...] Artikel II. 1. In den längs der Shandong-Bahn in den 3 Kreisen Zhangqiu, Zichuan und Boshan gelegenen von der Gesellschaft zurückgegebenen Bergwerksfeldern dürfen vor dem Jahre 1920 Chinesen vorläufig keine ganz großen Bergwerksbetriebe eröffnen. Nach Ablauf dieser Frist ist die Eröffnung solcher Betriebe dem Ermessen chinesischer Beamter und Kaufleute überlassen. 2. Nachdem das gegenwärtige Abkommen der chinesischen und der deutschen Regierung eingereicht und von ihnen durch Austausch amtlicher Noten genehmigt sein wird, sind innerhalb eines Monats sämtliche in den Bergwerksfeldern der Bergbaugesellschaft noch im Betrieb befindlichen chinesischen Schächte ohne Ausnahme zu schließen. 3. Den von der Bergbaugesellschaft betriebenen Bergwerken werden die chinesischen Behörden auch fernerhin in Gemäßheit der im Jahre XXVI Guangxu, d.i im Jahre 1900 vereinbarten Bergbauregulative nachdrücklichen Schutz angedeihen lassen. 4. Wenn in den hierdurch zurückgegebenen Bergwerksfeldern die chinesische Regierung oder chinesische Kaufleute Bergwerke eröffnen, fur welche nicht genügendes Kapital vorhanden ist, muß dasselbe von Deutschland entliehen werden. Wenn ausländisches Material oder ausländische Maschinen gebraucht werden, müssen deutsche Erzeugnisse Verwendung finden. Wenn fremde Ingenieure engagiert werden sollen, müssen Deutsche angestellt werden.

30 Hier folgt ein Abschnitt über das zum Vertrag gehörige Kartenmaterial.

425 Artikel III. Als Entschädigung fiir die früher von der Bergbaugesellschaft fur Schürfzwecke, Vermessung der Feldergrenzen, Ankauf von Grundstücken usw. gemachten Aufwendungen verpflichtet sich China, den Betrag von Zweihundertzehntausend mexikanischen Dollars zu zahlen. Die Zahlung erfolgt innerhalb eines Jahres nach der Unterzeichnung dieses Abkommens in zwei Raten. Nach der Unterzeichnung dieses Abkommens wird die Bergbaugesellschaft unverzüglich die Karten und Gutachten über die von ihr vorgenommenen Schürfungen und die von ihr gekauften Grundstücke an China zurückgeben. Artikel IV. Die Ausbeutung des Eisenvorkommens bei Jinlingchen hat in Gemäßheit des Bergbauregulativs vom 26. Jahre Guangxu [1900] zu erfolgen. Wenn China in der Nähe dieses Vorkommens ein Eisenwerk zu errichten wünscht, kann dies unter gemeinschaftlicher Kapitalbeteiligung geschehen und zwar chinesischerseits mit etwa 500.000 Taels. Nähere Bestimmungen sollen s.Zt. besonders getroffen werden. Von diesem Abkommen werden je vier chinesische und deutsche Textexemplare ausgefertigt, die auf ihre sinngemäße Übereinstimmung verglichen sind, sowie je vier Exemplare der zugehörigen Felderkarten. Jede Partei erhält als Grundlage für die Innehaltung dieses Abkommens ihre Exemplare zur Aufbewahrung übersandt. Jinanfu, den 24. Juli 1911= Xuantang 3. Jahr 6. Monat 29. Tag Die Kaiserlich Chinesischen bevollmächtigten Kommissare: Der nach Mukden versetzte Gewerbe-Daotai Xiao (Unterschrift)

Der etatsmäßige Daotai in Shandong Yu (Unterschrift)

Die Direktion der Shandong-Bergbaugesellschaft gez. M. Brücher Der Kaiserlich Deutsche Konsul in Jinanfu gez. Dr. H. Betz. BAP, DBC, Nr. 1297, Bl. 107-116.

123 Geschäftsbericht der Shandong-Bergbaugesellschaft (1913) Im Berichtsjahr hat unsere Steinkohlenförderung aus der Fangzigrube 205.185 t gegen 194.897,5 timVoijahr aus der Hongshangrube 283.208,5 t gegen 237.544,35 timVoijahr zusammen

488.393,5 t gegen 432.441,85 t im Voijahr

426 betragen. Der Ertrag aus Kohlenverkäufen nach Abzug der Betriebs- und Verwaltungskosten stellte sich auf Μ 491.078,84 gegen Μ 247.719,15, wovon wieder mehr als zwei Drittel auf die Hongshan-Grube entfallen. Gegenüber den Ergebnissen des Vorjahres stieg also die Förderung der Fangzi-Grube um 5,3%, die der Hongshan-Grube um 19,2%, die Gesamtförderung um 12,9% und der Ertrag um 98,2%. Diesem Mehrertrag steht eine Erhöhung der regelmäßigen Abschreibungen gegenüber, zu der wir namentlich bei den Werten der neueren Anlagen am Annie-Schacht schreiten zu müssen geglaubt haben. Es ergibt sich für das Berichtsjahr ein Verlust von Μ 273.799,86, durch den sich der Verlustsaldo auf Μ 1.237.111,23 erhöht. Die ersten vier Monate des laufenden Geschäftsjahres haben bei einer Gesamtförderung von 167.531 t einen Ertrag von etwa Μ 313.000 gebracht. Die politischen Umwälzungen in China, die im vorigen Herbst einsetzten, haben in Shandong nur zu verhältnismäßig geringen Störungen der Ruhe geführt und den Fortgang unseres Betriebes dank dem guten Einvernehmen mit der Bevölkerung nicht behindert. Immerhin brachten sie, namentlich durch den fortwährenden Wechsel der Regierungsbeamten, ein Gefühl der Unsicherheit mit sich, das den Absatz und den Geldumlauf sowie das Arbeiterangebot zeitweilig ungünstig beeinflußte. Das Abkommen über unsere Bergbaurechte, das wir, wie im vorigen Bericht erwähnt, im Sommer 1911 mit der Provinzialregierung geschlossen haben, hat in wichtigen Punkten schon jetzt zur Behebung von Unklarheiten gegenüber den chinesischen Behörden gedient, obgleich mangels einer anerkannten Zentralregierung über die Ratifizierung noch nicht weiter verhandelt werden konnte. Fühlbarere Erschwernisse sind in der ersten Hälfte des Berichtsjahres neben den Nachwirkungen der Pest durch schlechte Witterung eingetreten, die die Wege fiir den Landabsatz unfahrbar machte und unregelmäßiges Anfahren der Belegschaft veranlaßte. Im August und September wurde durch Überschwemmungen die Eisenbahnverbindung der Gruben mit Qingdao zweimal unterbrochen und der Wasserzufluß in den Grubenbauen erheblich vermehrt. Während der Betrieb der Hongshan-Grube im Boshan-Revier sich andauernd sehr hoffnungsvoll entwickelt, haben sich die Aussichten der Fangzi-Grube im Weixianfelde durch die schwierigen Betriebsverhältnisse, das völlige Ausbleiben guter Aufschlüsse in den tieferen Sohlen und die beschränkte Absatzfähigkeit der Fangzikohle derart gestaltet, daß eine Rentabilität der dort errichteten, umfangreichen Anlagen nicht mehr erwartet werden kann, und daß erhebliche, außerordentliche Abschreibungen an dieser Stelle zur Gesundung unserer ganzen Unternehmungen nötig sind. Die danach zu treffenden Entschließungen sind durch ausfuhrliche Gutachten eines Sachverständigen, Bergrat Wilke, der im Auftrage des Verwal-

31 Gemeint ist die Revolution von 1911, die zum Sturz der Qing-Dynastie führte. Siehe auch Einleitung zu Kapitel 9. 32 Siehe Dok. 123.

427 tungsrats in diesem Frühjahr in Shandong weilte, vorbereitet worden. 3 3 Herr Wilke hat die günstigen Aussichten der Hongshan-Grube vollauf bestätigt und sich auch mit den zu unseren Bergbaugerechtsamen gehörigen Eisenerzen bei Jinlingchen eingehend beschäftigt. [...] Geschäftsbericht der Shandong-Bergbangesellschaft 31.3.1912. Berlin 1913, S . l f f .

für

das dreizehnte

Geschäftsjahr,

1.4.1911-

124 Statistik über den Personen- und Frachtverkehr auf der Eisenbahnlinie Jinan-Qingdao (1901-1913) Einnahmen Einnahmen Gesamtaus dem Peraus dem Gümenge der sonenverkehr Mex.$ beförd. Güter terverkehr Mex.$ int

Jahr

Anzahl der beförd. Personen insgesamt

1901

59.912

-

1902

221.197

1903

363.400

1904

558.868

Gesamt-einnahmen Mex.$

Prozentuale Steigerung

5.473

-

51.858,12

-

13.845

-

211.425,29

-

44.000

-

-

-

179.270

-

1.246.036,83

77,1%

310.482 1.299.396,41 1.912.295,66

41,5%

-

111,2% 40,0%

1905

804.527

533.408,21

1906

846.840

559.695,22

381.649 1.488.135,39 2.168.897,27

13,4%

1907

896.027

615.617,81

409.430 1.613.598,77 2.359.185,42

8,8%

1908

828.735

626.425,70

486.981 1.862.716,22 2.614.078,58

9,7%

616.663,37

696.280 2.693.291,48 3.411.793,54

30,5%

1909

641.279

1910

654.128

654.991,42

769.129 2.968.346,60 3.730.342,12

9,3%

1911

909.065

714.204,55

717.189 2.741.807,86 3.511.105,60

-5,7%

1912

1.230.043

970.246,52

852.601 3.229.969,37 4.239.664,01

17,0%

1913

1.317.438

951.848,50

946.610 3.123.324,49 4.130.161,75

-2,6%

Geschäftsberichte der Schantung-Eisenbahn-Gesellschaft, Berlin 1901-1914; Heinrich Betz, Die wirtschaftliche Entwicklung der Provinz Shantung seit der Eröffnung Tsingtaus (1898-1910), Hamburg 1912, S.l 1; Vera Schmidt, Die deutsche Eisenbahnpolitik in Shantung, 1898-1914, Wiesbaden 1976, S.90-93; Friedrich Wilhelm Mohr, Handbuch für das Schutzgebiet Kiautschou, Qingdao 1911, S. 454-456.

33 Aufgrund des ausbleibenden wirtschaftlichen Erfolges der Shandong-Bergbaugesellschaft wurde Bergrat Wilke von Seiten des Aufsichtsrats in Berlin beauftragt, ein Gutachten über die betrieblichen Verhältnisse der einzelnen Kohlengruben zu erstellen. Das Gutachten wurde am 5. August dem Aufsichtsrat der Shandong-Bergbaugesellschaft vorgelegt Es enthält im wesentlichen die im Dokument angefahrten Urteile, darüber hinaus legt es dar, daß der oben erwähnte Annie-Schacht keine brauchbare Kohle liefern wird und daher der Betrieb dort eingestellt werden sollte. Vgl. Wilke, Gutachten über die Verhältnisse der Shandong-Bergbaugesellschaft, 12.8.1912, in: BA, kl. Erw. 623, Bd. 3. 34 Der Bericht geht nun detailliert auf die Situation der einzelnen Schächte ein.

428

125 Note des Staatssekretärs des Äußeren, Sun Baoqi, an den deutschen Gesandten Haxthausen (16.1.1915)35 Peking, d. 16. Januar 1915 Ergebenst bestätigt wird der Empfang der gefälligen Note vom 29. Dezember v.Js. und der beigefügten Aufstellung der Shandong-Eisenbalingesellschaft über die von ihr angeblich erlittenen Verluste, die mir zur weiteren Veranlassung übersandt wurde. Ich bemerke: Aus der Eingabe geht hervor, daß die Gesellschaft eine Aufstellung aller erlittenen Schäden dem amerikanischen Botschafter in Japan übermittelt hat mit der Bitte, von der Japanischen Regierung Schadenersatz zu fordern; sollte die Japanische Regierung ablehnen, so werde von der Chinesischen Regierung Ersatz des vollen Schadens verlangt werden. Die Shandong-Eisenbahn ist ein chinesisch-deutsches Gesellschaftsunternehmen. Wenn Japan jetzt mit Waffengewalt das Eigentum der Bahn okkupiert hat, so erleidet China auch zugleich Schaden. Was die Frage des Schadensersatzes anbetrifft, so muß selbstverständlich die Japanische Regierung dafür verantwortlich gemacht werden. Eine Abschrift der Eingabe ist dem japanischen Gesandten übersandt worden. Im übrigen bitte ich Ew.pp., die in der Note des Waijiaobu [Außenministeriums] vom 18. November v.Js. niedergelegte Meinung zu beachten. Die Eingabe ist zu den Akten genommen worden, doch darf hieraus nicht auf stillschweigende Anerkennung der Schadensersatzpflicht geschlossen werden. Schlußformel. Β AP, DBC, Nr. 1314, BI.229.

35 Die Note wurde an der deutschen Gesandtschaft in Peking übersetzt. Die Übersetzung ist nicht namentlich gezeichnet.

Kapitel 8

Kultur und Mission in Qingdao

Die Idee der christlichen Mission zur Bekehrung der Heiden sowie Vorstellungen über eine weltliche Kulturmission („mission civilatrice") sind grundlegende Elemente in der Motivationsstruktur und in der konkreten Praxis des europäischen Imperialismus. Auch in Kiautschou spielte neben militärischer Machtpolitik und wirtschaftlichem Profitstreben die kulturelle und religiöse Expansion eine wichtige Rolle.1 Grundsätzlich sind dabei drei Unterscheidungen zu treffen. Erstens gab es die religiös motivierten Aktivitäten der katholischen und protestantischen Missionen, die faktisch seit 1898 innerhalb und noch früher außerhalb des deutschen Pachtgebietes Missionsschulen und Priesterseminare unterhielten. Zweitens entstand seit etwa 1905 eine eigenständige säkulare Kulturpolitik der staatlichen Stellen, die begannen, im deutschen Pachtgebiet schulische Einrichtungen für die chinesische Bevölkerung zu etablieren. Das wichtigste Projekt hierbei war die deutsch-chinesische Fachhochschule, die von China als Institution höherer Bildung anerkannt wurde. Drittens war der Kulturmission ein bestimmtes zivilisatorisches Sendungsbewußtsein inhärent. Dabei spielten spezifische Bilder eine Rolle, die von China und der chinesischen Kultur verbreitet wurden sowie die Demonstration eines bestimmten kulturellen Selbstverständnisses. Hier verbirgt sich ein imperiales Programm der Darstellung und Wertung anderer Kulturen, das in den Metropolen über die historische Epoche des Kolonialismus hinaus wirksam war. In diesem Zusammenhang ist auch die Etablierung der Sinologie als gegenwartsbezogene Wissenschaft zu sehen.2 Der Kolonialismus führte zu einem erhöhten Bedarf an ausgebildeten Chinaspezialisten ebenso wie an konkreten Informationen. Im zweiten und letzten Jahrzehnt der Existenz Kiautschous wurde der Faktor Kultur immer wichtiger. Als Ziel der Entwicklung Kiautschous wurde nun von der Verwirklichung eines „deutschen Kulturzentrums"3 gesprochen, das mit Mitteln der Kulturpolitik der wirtschaftlichen und politischen Einflußnahme dienen sollte. Auch die christlichen Missionen änderten die Art und Weise ihrer Evangelisierungsbemühungen. Einrichtung und Unterhalt 1

Die wichtige Rolle der Erziehungspolitik in Kiautschou betont Zhou Dongming 1991:145f. Insgesamt wurden in den 17 Jahren deutscher Herrschaft eine Gouvernementsschule, 26 Elementarschulen, zehn Missionsschulen, vier Berufsschulen und eine Fachhochschule gegründet.

2

Die Sinologie war bis dahin in Deutschland vor allem als Sprachwissenschaft und Philologie betrieben worden, vgl. Leutner 1987:31-38.

3

Die Formulierung entstammt der Denkschrift von 1907, siehe Dok. 57. Vgl. auch Leutner/Mühlhahn 1994:412-416.

430 von Schulen hatten nun Priorität vor der Gründung weiterer Missionsstationen oder dem Bau von Kirchen in den ländlichen Gebieten. Für diese Entwicklung sind Tendenzen in Deutschland wie die Formierung einer systematischen auswärtigen Kulturpolitik, die Auffassung, daß die wirtschaftliche durch die kulturelle Expansion begleitet werden müsse, der Aufstieg des deutschen Idealismus usw. zu berücksichtigen. Aber es war vor allem die beginnende Reform des Erziehungswesens in China nach der Boxerbewegung, die die ausländischen Staaten mit der für sie einmaligen Chance konfrontierte, dieses sich gerade herausbildende neue System beeinflussen zu können. Zugleich macht dies verständlich, warum von chinesischer Seite den deutschen Schulen großes Interesse entgegengebracht wurde. Natürlich wußten die chinesischen Behörden um das eigentliche Motiv der deutschen Kulturmission, aber die chinesische Administration war bereit, für einen möglichst zügigen Aufbau eines modernen Erziehungssystems mit den ausländischen Institutionen, sowohl der Mission als auch der Staaten, zu kooperieren.

Die Tätigkeiten der Missionen in Kiautschou und Shandong im Bereich des Schulwesens Die Aktivitäten der Mission bei Erziehung und Gesundheitsfürsorge nach dem Boxeraufstand 1900/1901 standen im Zusammenhang mit einer Neuorientierung der Missionsarbeit. Die Evangelisierung sollte nun eher indirekt verlaufen, d.h. es sollten attraktive soziale Einrichtungen geschaffen werden, die insbesondere Gruppen mit höherem sozialen Status zur Mission fuhren würden. 4 Dies stand im Gegensatz zur davor praktizierten direkten Missionierung, die auf die schnelle Schaffung christlicher Gemeinden in den Dörfern zielte. Darüber hinaus verpflichteten sich die Missionen beider Konfessionen explizit der Verbreitung des „Deutschtums" im Zuge der Evangelisierung, d.h. der deutschen Sprache sowie deutscher Bildungsgüter. Dies brachte ihnen die Förderung staatlicher Stellen des Deutschen Reiches ein, die fur eine rein religiös orientierte Mission nach 1900 nicht mehr eingetreten wären, ebenso wie die Spenden der Kirchenbesucher in Deutschland. 6 Im Kontext der Umorientierung der Missionsmethode begann der in Shandong tätige katholische Missionsorden SVD nach dem Boxeraufstand Überlegungen anzustellen, neben dem bestehenden Priesterseminar in Yanzhoufu, das hauptsächlich der Bildung eines chinesischen Klerus diente, auch Schulen für die chinesische Bevölkerung zu betreiben. Bischof Anzer verhandelte zu diesem Zweck 1901 mit dem Gouverneur von Shandong, Yuan Shikai, über die Bedingungen von Schulgründungen durch die Missionsanstalt. Ziel der Verhandlungen war eine Anerkennung solcher Schulen durch China. Yuan Shikai machte jedoch deutlich, daß in bezug auf Anerkennung und Förderung der Schulen durch den chinesischen Staat zwei Bedingungen zu berücksichtigen wären: Erstens dürfte in den Schulen Religion nicht als 4

Die indirekte Missionierung wurde insbesondere vom deutschen Protestantismus befürwortet, vgl. Warneck 1910:86-89.

5

Vgl. Hammer 1978:90.

6

Siehe dazu Rivinius 1994:166.

431 Pflichtfach unterrichtet werden, sondern es müßte den Schülern freistehen, den christlichen Religionsunterricht zu besuchen. Zweitens sollte der Lehrplan so gestaltet sein, daß nachmittags die chinesischen Klassiker unterrichtet werden konnten. Auf dieser Grundlage wurde am 10. März 1902 eine Mittelschule in der Missionsresidenz Yanzhou eröffnet. Am 31. Oktober wurde eine ähnliche Mittelschule in Jining gegründet. 7 Unter Anzers Nachfolger, Bischof Henninghaus, wurde der Bereich der Erziehung seit 1903 schließlich zu einem zentralen Betätigungsfeld der katholischen Mission in Shandong. 1903 wurde ein kaiserliches Edikt erlassen, nach dem der Aufbau moderner Schulen in Shandong intensiviert werden sollte. In vielen Gebieten aber fehlten dazu die Lehrkräfte. Der Nachfolger von Yuan Shikai, Zhou Fu, schlug daher 1903 vor, die Mittelschule der Mission mit dem in Planung stehenden chinesischen Gymnasium in Yanzhou zu vereinen. Nach Verhandlungen wurde im Mai 1903 ein Vertrag über die „chinesisch-europäische Schule in Yanzhoufii, die teils Staats-, teils Missionsschule ist", 8 geschlossen. Die Schule in Jining erhielt denselben Rechtsstatus. Die Anstalten bestanden faktisch aus einer vom chinesischen Staat finanziell geförderten und anerkannten Schule, mit deren Abschluß der Schüler die Befähigung zum Studium an einer chinesischen Hochschule erworben hatte, und aus zwei Internaten, eines unter der Verwaltung der Mission, eines unter der Verwaltung eines chinesischen Beamten. Im September 1906 erließ das Unterrichtsministerium einen landesweiten Erlaß, nach dem die Abschlüsse ausländischer Schulen nicht mehr anzuerkennen seien. 9 Damit wollte die Zentralregierung die Prüfungsordnungen fur das ganze Land auf einer neuen Grundlage einheitlich regeln. Dieser Erlaß wurde zum Ausgangspunkt einer Neuorganisation des gesamten Schulwesens des SVD. Die Verträge für die bisherigen Anstalten wurden durch Henninghaus gekündigt, weil durch den Wegfall der Anerkennung durch den chinesischen Staat der Besuch der Schulen stark zurückging. Der SVD beschloß, neue Schulen zu gründen, wobei nun die religiöse Unterweisung im Mittelpunkt der Missionsschulen stehen sollte. In Daijia wurde 1906 daher eine Zentralschule eröffnet, die vor allem die Kinder chinesischer Christen aufnahm. Dem wurde ein vierjähriges sog. Lehrerseminar angegliedert, das künftige Lehrer ausbilden sollte. Der SVD plante außerdem, das Missionsgebiet mit einem Netz von christlichen Volksschulen zu überziehen. 10 Die Lehrkräfte für die Elementarschulen sollten am Lehrerseminar in Daijia ausgebildet werden. Die erste Klasse wurde im Herbst 1910 eröffnet. 1909 war bereits das St. Franziskus-Xaverius-Kolleg in Jining eröffnet worden. Der Religionsunterricht war fur die chinesischen Christen obligatorisch, fur die Nichtchristen war ein Ethikunterricht vorgesehen. Die Schulen waren bis 1911 reine Missionsschulen, die weder von China finanziell gefördert noch anerkannt wurden. Nach der Xinhai-Revolution 1911, die die Qing-Dynastie stürzte und eine Republik ausrief, erhielten sie 1912 wieder die

7

Siehe Rivinius 1994:54-56, siehe außerdem Anzer an Mumm, 6.11.1902, in: PAA, China 6, Bd.51.

8

Vertragstext bei Rivinus 1994:183-185.

9

Siehe Franke 1911:204.

10 Zu Henninghaus vgl. Rivinius 1994:75ff.

432 offizielle Anerkennung durch den chinesischen Staat (Dok. 136)." In den Schulen unterrichteten hauptsächlich deutsche Missionare, aber es gab auch chinesische Lehrer sowohl für naturwissenschaftliche als auch für die klassischen chinesischen Fächer. In Qingdao wurden von der katholischen Mission die deutsch-chinesische Knabenschule sowie eine Eisenbahnschule12 und außerdem seit 1905 ein Krankenhaus betrieben. Im eigentlichen Pachtgebiet waren hauptsächlich die protestantischen Missionen aktiv. Die sog. Berliner Missionsgesellschaft (Gesellschaft zur Beförderung der evangelischen Mission unter den Heiden zu Berlin) war seit 1898 hier vertreten. Sie unterhielt verschiedene Elementar- und Mittelschulen in den ländlichen Gebieten Kiautschous sowie ein Krankenhaus in Jimo (außerhalb des deutschen Gebietes). Auch der Allgemeine Evangelisch-protestantische Missionsverein (Weimarer Mission) war bereits seit 1898 in Kiautschou im Schulwesen sowie bei der medizinischen Versorgung der chinesischen Bevölkerung tätig (Dok. 132,137). Die Missionen in Kiautschou nahmen damit wichtige soziale Dienste für verschiedene Gruppen der chinesischen Bevölkerung des Pachtgebietes wahr. Das Engagement der Missionen im Bereich des Schulwesens war von weitreichender Bedeutung. Kaum ein anderer Sektor missionarischer Aktivitäten hatte eine vergleichbar langfristige Wirkung auf die chinesische Gesellschaft. Es gingen insgesamt Tausende von Schülern aus den deutschen Missionsschulen hervor. Vermittelt über die Missionsschulen, wurden westliches Wissen und westliche Pädagogik eingeführt. Breite Schichten der ländlichen Bevölkerung kamen somit mit dem fremden Wissen und den neuen Ideen in Kontakt. Daher zeigen viele der im frühen zwanzigsten Jahrhundert unternommenen Reformen in Politik, Erziehung, Wohlfahrt usw. den Einfluß der Missionare.13 Auf der anderen Seite waren die Missionsschulen in den Augen der chinesischen Bevölkerung stets mit der christlichen Religion verbunden. Die überwiegende Mehrzahl der Schüler in den Missionsschulen entstammte Familien, die das Christentum angenommen hatten. Nur sehr selten schickten nicht-christliche Familien eines ihrer Kinder auf eine Missionsschule. Darüber hinaus zielten viele der chinesischen Reformen gerade darauf ab, Umfang und Wirkung der ausländischen Missionsschulen in China zu beschränken. Insofern gab es auf seiten verschiedener sozialer Gruppen auch nach 1900 erhebliche Vorbehalte gegen die Mission und ihre Einrichtungen.14

Die staatliche auswärtige Kulturpolitik und die Gründung der deutschchinesischen Fachhochschule In den ersten Jahren wurden in Kiautschou vor allem solche kulturellen Institutionen geschaffen, die den unmittelbaren aktuellen Bedürfnissen nach schulischer bzw. kultureller Versor11 Am 6.11.1912 wurden von der republikanischen Regierung alle privaten Schulen anerkannt, wenn sie dem offiziellen Lehrplan entsprachen, siehe Gao Qi 1994:91ff. Damit bot sich den Missionsschulen wieder die Möglichkeit der staatlichen Anerkennung, die die deutschen Schulen dann auch nutzten. 12 An der Schule wurden Schüler für den Eisenbahndienst vorbereitet, siehe Denkschrift 1902:2895. 13 Vgl. Cohen 1978:576-590. 14 Vgl. Borthwick 1983:55f.; Cohen 1978:590.

433 gung entsprachen. 1899 wurde eine Gouvernementsschule fur deutsche Kinder gegründet,15 die 1902 in eine höhere Schule reorganisiert wurde und nun den Anforderungen eines deutschen Reformrealgymnasiums entsprach. 1913 hatte diese Gouvernementsschule 227 Schüler. Eine andere Institution betraf die Versorgung der militärischen Besatzung mit Lesestoff: Aus Spenden der deutschen Bevölkerung wurde dafür die „Kiautschou-Bibliothek" eingerichtet. In den späteren Jahren stand diese Bibliothek auch der chinesischen Bevölkerung offen. Sie sollte einen Überblick über das gesamte zeitgenössische deutsche Bildungsgut vermitteln und Zugang zu den Wissenschaften aller Disziplinen bieten. 16 Neben der Bibliothek wurden im Laufe der Zeit auch andere Erziehungs- und Ausbildungseinrichtungen fur die chinesische Bevölkerung geschaffen bzw. zugänglich gemacht. Sie dienten einem praktischen Zweck: Es sollten geeignete Arbeitskräfte zur Verwendung in den deutschen Betrieben und Behörden ausgebildet werden, die der deutschen Sprache mächtig waren. So wurde zum Beispiel bereits 1898 durch das Gouvernement die Gründung einer Schule für Chinesen durch die Berliner Mission angeregt und finanziell unterstützt mit dem Ziel, deutsch sprechende Arbeitskräfte auszubilden.17 Das Gouvernement benötigte aber auch technisch gut ausgebildete Arbeitskräfte. An der Werft in Qingdao wurde daher eine Lehrlingsschule gegründet, die im April 1902 erstmals Lehrlinge aus Kiautschou und Shandong aufnahm (vgl. auch Dok. 134). Morgens und abends sah der Ausbildungsplan den Besuch der Schule vor. Unterrichtet wurde Chinesisch, Deutsch und Naturwissenschaften. Tagsüber arbeiteten die Lehrlinge in der Werft. Insgesamt nahm die Lehrlingsschule in zehn Jahrgängen 1.200 Lehrlinge auf. Aber nur rund die Hälfte beendete die Ausbildung und 18 machte die Gesellenprüfung. Eine ähnliche Lehrlingsschule war bei den Reparaturwerkstätten der Shandong-Eisenbahngesellschaft in Sifang angegliedert. Durch Bau von Wohnungen versuchte man, die ausgebildeten Gesellen in Kiautschou zu halten, aber viele zogen es vor, gut bezahlte Arbeitsplätze in Shandong anzunehmen.19 Im Gegensatz zu diesen pragmatisch orientierten und begrenzten Maßnahmen hatte die ab 1905 durchgeführte systematische Kulturpolitik eine wesentlich breitere Intention. Beeinflußt von den Kulturdebatten in Deutschland nach 1900 ging sie von der großen Wirkung einer breit angelegten Kulturpolitik aus, die neben der Diplomatie und der Außenwirtschaftspolitik eine dritte Säule in den Beziehungen zu China werden sollte. Die Kulturpolitik sollte die Leistungen und Erfolge der deutschen Kultur und Wissenschaft demonstrieren und dazu beitragen, ein positives Bild von Deutschland in China zu vermitteln.20 Die eigenständige säku15 Siehe Denkschrift 1900:2837. 16 Gründungs- und Spendenaufruf in BA/MA, RM2/1836, Bl.65/66. Hier heißt es: „Durch viele Tausende von Meilen von der Heimat getrennt, in einem Lande stationiert, dessen Sprache sie nicht kennen und nicht lernen können, unter einem Volke, dessen Anschauungen, Lebensweise und Ordnung ihnen völlig fremd sind, werden sie [die deutschen Soldaten, K.M.] manches vermissen müssen, was selbst die kleinste deutsche Garnisonsstadt bietet." 17 Siehe Dok. 46; zur Gründung der Schule siehe Denkschrift 1899:564. 18 Siehe hierzu ausfuhrlich Seelemann 1982:352-389. 19 Siehe Denkschrift 1908:31. 20 Siehe dazu Klosterhuisl994:17ff; vom Bruch 1982:26ff.

434 lare Kulturpolitik des Staates, die im Gegensatz stand zu den religiös motivierten Aktivitäten der Missionen in den ländlichen Gebieten, sollte insbesondere zukünftige Eliten in Schlüsselpositionen ansprechen und bei ihnen eine pro-deutsche Einstellung verbreiten. Schließlich bot die mit der Abschaffung des traditionellen Prüfungssystems 1905 einsetzende tiefgreifende Reform des chinesischen Schulwesens eine gute Möglichkeit, gerade durch eine positive Kultur- und Schulpolitik in Kiautschou und Shandong Einfluß auszuüben.21 Aus diesen Gründen begannen die deutschen Kolonialbehörden in Qingdao seit 1904/1905, aus eigener Initiative entsprechende Konzeptionen zu entwickeln. In einem grundlegenden Positionspapier des Gouvernements vom 27. Januar 1905 wurde die Kulturpolitik nun als eine der wichtigsten Aufgaben für die deutsche Politik in China und Kiautschou genannt (Dok. 127). Eine erste Maßnahme war daher die Einrichtung von Volks- und Hauptschulen in den ländlichen und städtischen Gebieten Kiautschous. Die vom Gouvernement unterhaltenen Schulen unter22

richteten nach dem neuen chinesischen Lehrplan von 1904. Noch mehr als diese Maßnahmen in der Elementarausbildung sollte aber die Gründung einer Institution höherer Bildung in Qingdao in der Lage sein, zukünftige Eliten Chinas zu erreichen.23 Der Plan ging zurück auf eine Idee des deutschen Gesandten Rex, die vom Staatssekretär des Reichsmarineamtes, Tirpitz, stark befürwortet wurde (Dok. 128). Tirpitz' Unterstützung ist auch im Zusammenhang mit der allgemeinen Neuorientierung der deutschen Chinapolitik zu sehen, die sich seit 1905 auch im Bereich der Politik, des Handels, der Eisenbahn- und Bergbauunternehmen um eine kooperative Politik gegenüber China bemühte.25 Hingegen gab es im Gouvernement zunächst einige Vorbehalte gegenüber diesem Plan. Zum einen würde eine solche Gründung sehr 26teuer werden. Zu ihrer Realisierung müßten daher anderweitig Gelder eingespart werden. Zum anderen wollte man im Gouvernement weiterhin lieber praktisch orientierte Schulprojekte durchführen, die der Kolonialmacht gut ausgebildete Arbeitskräfte zur Verfügung stellen würden. Die chinesischen

21 Zur Abschaffung des traditionellen Prüflings- und Titelsystems siehe Ichiko 1980:376-383; Franke 1960:53-67. Die Motivation der Einflußnahme auf das chinesische Erziehungssystem wird explizit angesprochen in der Denkschrift 1908:15f 22 1904 war ein neues Curriculum fur die Elementarschulausbildung dekretiert worden, siehe dazu Bailey 1990:31-35; Fairbank 1992:241-244. Dieses war im wesentlichen nach den Vorstellungen von Zhang Zhidong entwickelt worden. 23 Die deutsch-chinesische Fachhochschule gehört zu den am besten erforschten Institutionen in Kiautschou, siehe die Arbeiten von Kreissler 1989:131-138; Stichler 1989:261-291; Reinbothe 1992:192230; Huang 1995:158-163. 24 Der deutsche Gesandte spielte eine wichtige und aktive Rolle in dieser Angelegenheit, siehe Reinbothe 1992:195ff. 25 Siehe hierzu die Einleitungen zu Kap.5, Kap.6 und Kap.7. 26 Seit 1907 gab es im Deutschen Reich eine allgemeine Sparpolitik aufgrund der angespannten Haushaltslage wegen der Weltwirtschaftskrise 1905/1906. Die Reichszuschüsse zum Haushalt des Pachtgebiets wurden daher laufend verringert, siehe Dok. 63.

435 Absolventen einer Hochschule hingegen würden im Pachtgebiet selbst keine Verwendung finden können. 27 Unabhängig von der Haltung des Gouvernements beschloß Tirpitz, die Pläne zur Gründung einer Hochschule weiter zu verfolgen. Die Gründung einer Hochschule hatte fur Tirpitz den Vorteil, das Konzept der „Musterkolonie" zu ergänzen. Am 11. Dezember 1907 wurde daher der chinesische Gesandte in Deutschland, Sun Baoqi, über die Pläne der deutschen Regierung informiert. Es wurden konkrete Verhandlungen über ein gemeinsames Statut betreffend der Gründung einer höheren Schule in Qingdao vorgeschlagen. 28 Auf chinesischer Seite stand man dem deutschen Ansinnen generell mit Interesse gegenüber, aber bereits Ende Januar wies das Erziehungsministerium in einer Stellungnahme darauf hin, daß die deutsche Schulgründung keinesfalls als ausländische Universität anerkannt werden könne. 2 9 Im April 1908 wurde Otto Franke, der frühere Gesandtschaftsdolmetscher und spätere Professor fur Sinologe am Kolonialinstitut (später: Universität) in Hamburg, zum Sonderkommissar des Reichsmarineamtes bestellt mit dem Auftrag, die Verhandlungen mit China über die Gründung einer höheren Schule in Qingdao zu fuhren. Ziel der Verhandlungen sollte sein, daß China die Schule finanziell unterstützt und die Abschlüsse der Schule als ausländische Universität anerkennt. Die Verhandlungen zwischen Otto Franke und dem in dieser Angelegenheit zuständigen Leiter des Erziehungsministeriums, Zhang Zhidong, begannen Ende Mai 1908. 3 0 Obgleich auf chinesischer Seite prinzipiell eine Beteiligung und die Anerkennung der Schule zugestanden wurde, gab es langwierige Verhandlungen über Standort, Organisation und Stellenwert der Schule (Dok. 129, 131). Beide Seiten mußten Zugeständnisse machen, aber die Hauptforderung der deutschen Seite, nämlich die Gleichstellung der Schule mit einer ausländischen Hochschule, wurde nicht in die Statuten für die Hochschule aufgenommen (Dok. 132). Mit der Ernennung eines chinesischen Co-Direktors sowie der Auswahl der Schüler durch China wurde darüber hinaus China ein weitgehender Einfluß auf die Schule ermöglicht. Als das Gouvernement von den Abmachungen erfuhr, übte Gouverneur

27 Zu den Planungen des Gouvernements siehe Denkschrift des Gouvernements über die Einrichtung deutscher Schulen im Schutzgebiet, 25.2.1908, in: BAP, DBC, Nr. 1258, Bl.29-48. Über die Differenzen zwischen Gesandtschaft und Gouvernement zur Schulpolitik siehe Rex an Bülow, 12.5.1908, in: BAP, DBC, Nr. 1258, Bl.88-95. Die Pläne des Gouvernements zur Eröffnung von Fach- oder Marineschulen stellt Stichler 1989:263-267 dar. 28

Siehe Sun Baoqi an Waiwubu, 14.12.1907, in: YSG, Waiwubu, Nr. 1512. Sun wertete den Plan als „in schulischer Hinsicht interessant" (yu xuewu you yi). Als Begründung für den deutschen Plan wurde angegeben, daß Deutschland vorhabe, „in Tsingtau eine Bildungsanstalt zu errichten, welche es jungen Chinesen, insbesondere auch solchen, denen die Mittel zu kostspieligen Studienreisen nach Europa nicht zu Gebote stehen, ermöglichen soll, sich an Ort und Stelle mit den geistigen Errungenschaften der modernen westländischen Kultur vertraut zu machen". Rex wiederholte diese Begründung wörtlich am 15.1.1908 und bat die chinesische Regierung um Unterstützung sowie um Anerkennung der Schulabschlüsse, siehe Rex an Prinz Qing, 15.1.1908, in: YSG, Waiwubu, Nr. 1512.

2 9 Siehe Xuebu an Waiwubu, 31.1.1908, in: YSG, Waiwubu, Nr. 1512. 30 Zu den Verhandlungen siehe Franke 191 l : 2 0 4 f f , der allerdings die Schwierigkeiten unterschlägt; und Stichler 1989:276-278.

436 Truppel vehement Kritik daran, daß China in bezug auf Mitsprache bei der Hochschule so großes Entgegenkommen gezeigt worden sei.31 Die Fachhochschule wurde am 25. Oktober 1908 eröffnet. Die Schule gliederte sich in eine Ober- und eine Unterstufe, sowie vier Abteilungen fur Staats- und Rechtswissenschaften, Medizin, Ingenieurwissenschaften und Forst- und Landwirtschaft. 1912 unterrichteten 26 deutsche und sechs chinesische Lehrer an der Fachhochschule.32 Die Schule war ausgestattet mit Büchereien, Laboratorien, einem Museum und einem landwirtschaftlichen Versuchsgelände. Zu Anfang wurden 54 Studenten aufgenommen. Ihre Zahl wuchs kontinuierlich auf mehr als 400 im Jahre 1914. Georg Keiper, ein Professor für Geologie und Beamter der Ma33

rine, wurde zum deutschen Direktor der Schule ernannt. Das Gouvernement bemühte sich auch darum, die deutsche Kulturpolitik nach Shandong auszudehnen. So wurde 1911 in Jinan eine deutsch-chinesische Schule eröffnet. Die Schule bestand aus zwei Abteilungen: einer Mittelschule und einer reinen Sprachschule.34 Außerhalb der deutschen Interessensphäre fanden sich ähnliche deutsch-chinesische Mittelschulen, zum Beispiel in Tianjin, Guangdong und Chengdu.35 In Shanghai gab es ein zweites wichtiges Vorhaben, eine höhere Schule einzurichten: 1907 wurde dort, angeschlossen an das deutsche Tongji-Krankenhaus, die „Deutsche Medizinschule für Chinesen" eröffnet, der 1912 die „Deutsche Ingenieurschule für Chinesen" (heute: Tongji-Universität) angegliedert wurde. Im Gegensatz zur Fachhochschule in Qingdao erfolgte der Unterricht hier generell in deutscher Sprache. 36

Chinabilder und das imperiale Programm: Konzeptionen zur deutschen Kulturmission in China Die kulturellen Aktivitäten in und um Kiautschou standen in engem Zusammenhang mit weit verbreiteten Auffassungen über die zivilisatorische Mission Deutschlands in China. Als typische Legitimationsstrategie des neuzeitlichen Kolonialismus findet sich diese Wahrnehmung der eigenen deutschen Rolle als dominantes Argumentationsmuster auch in deutschen Quellen zu Kiautschou.38 Besonders charakteristisch ist diese Perzeption fur die in dieser Zeit erstmals in großem Umfange entstehende Populärliteratur zu Kiautschou und China, aber sie kursierte auch in der bildungsbürgerlichen Öffentlichkeit. Daneben existierte aller31 Siehe Truppel an Tirpitz, 18.9.1908, in: BAP, DBC, Nr. 1258, Bl.215-219. 32 Vgl. Zhou Dongming 1991:151. 33 Siehe Pyenson 1985:256. 34 Siehe Huang 1995:157f. 35 Seihe Huang 1995:164-167; Reinbothe 1992:136. 36 Zu dem Schulen in Shanghai siehe Kreissler 1989:139-167; Eckart 1989:145-164, 1992:141-191; Huang 1995:170-178.

Reinbothe

37 Vgl. Leutner 1986:420-426. 38 Die sendungsideologische Rechtfertigung ist ein integraler Bestandteil des modernen Kolonialismus, vgl. Osterhammel 1994:19ff.

437 dings auch eine Wahrnehmung, die aus christlichen, humanistischen oder sozialistischen 39

Vorstellungen heraus von der Gleichwertigkeit der Kulturen ausging. Die Existenz einer Kolonie in China führte bei der breiten Öffentlichkeit in Deutschland zu einem gesteigerten Interesse an China, Shandong und natürlich dem Pachtgebiet selbst. Vor allem die Jugend-, Abenteuer- und Reiseliteratur nahm sich der Sujets China und „DeutschChina" an. 40 Dabei wurde Kiautschou sehr häufig als Ort der kulturellen Identitätsfindung interpretiert. In dem Jugendroman von Paul Lindenberg zum Beispiel erfahrt der jugendliche Protagonist nach einer Irrfahrt durch das ihm völlig fremde und unverständliche China in Kiautschou, was es bedeutet, ein Deutscher zu sein und welche Vorzüge die deutsche Kultur charakterisieren (Dok. 126). Kiautschou wurde darüber hinaus auch in zahlreichen Zeitschriftenartikeln, populären Darstellungen und Romanen als Platz porträtiert, an dem deutsche Kultur sich beweisen und akzentuieren würde. 41 Die Wahrnehmung des Pachtgebiets in der bildungsbürgerlichen Öffentlichkeit stand in engem Zusammenhang mit der großen Bedeutung des Kulturbegriffs in Deutschland. Zeitgenössische Publizisten und Wissenschaftler wie Soziologen, Ethnologen und auch Sinologen betonten einstimmig die ausschlaggebende Rolle der Kultur fur die Entwicklung einer Gesellschaft. 4 2 In bezug auf die deutsche Rolle in China wurde daher in Übereinstimmung mit einer solchen Argumentation vor allem die kulturelle Dimension der deutschen kolonialen Präsenz hervorgehoben. Der Missionar Paul Rohrbach, ein Wortführer bei der Forderung nach der deutschen Kulturmission, betonte allgemein die prinzipielle Rolle und Aufgabe deutscher Kultur in dem historischen Prozeß der Hinwendung Chinas zur Moderne (Dok. 130) 4 3 In der Fähigkeit zur Kulturmission in China erwies sich fur Rohrbach die Reife der deutschen Kultur und die Fähigkeit zu weltpolitischem Handeln. Institutionell wurden diese Aktivitäten von zahlreichen deutschen Auslandsvereinen getragen. 1906 zum Beispiel wurde in Berlin der „Ausschuß zur Förderung der deutschen Kulturarbeit in China" gegründet, der besonders die Medizin-Schule in Shanghai durch Spenden unterstützte.44 1909 wurde der 39 Leutner 1986:407. 40 Ein besonders bekanntes Beispiel stellt der Roman „Die Abenteuer des Fliegers von Tsingtau" von Günther Plüschow dar. Die ersten beiden Auflagen von 1916 und 1927 betrugen zusammen 618.000 Exemplare. Dieser Roman ist damit eines der meistverkauften Bücher seiner Zeit, siehe Verlagsvorwort zur Neuausgabe von 1927 beim Ullstein Verlag. Die Handlung des Romans schildert die Abenteuer eines Piloten bei der Verteidigung Kiautschous gegen die japanischen Angriffe 1914 sowie seine Gefangennahme und die Geschichte seiner listenreichen Odyssee bis zur Rückkehr nach Deutschland. Zu Jugendliteratur und China siehe Leutner 1995, zum Chinabild in der deutschen Literatur der Wilhelminischen Epoche allgemein vgl. Lange 1986; Lange 1992; Fang Weigui 1992. In und nach dem Ersten Weltkrieg entstand auch das Genre des exotistischen China-Romans (Hsia 1992, Li Changke 1992), in dem die weitere typische Chinawahrnehmung der Verklärung zur Geltung kam, vgl. Leutner 1986:407. 41 Überblick über die Darstellungen bei Hetze 1987; Leutner/Yü-Dembski 1990; Bräuner/Leutner 1990, Heuer 1995, Leutner 1995; vgl. außerdem auch Leutner/Mühlhahn 1994, Mühlhahn 1996. 42 Dies ist allgemein dargestellt bei vom Bruch 1982:14ff 43 Zu Rohrbach siehe vom Bruch 1982:73ff 44 Siehe Klosterhuis 1994:720-722.

438 sog. „Chinesisch-Deutsche Verkehrsausschuß" gegründet, der das Studium chinesischer Studenten in Deutschland förderte. 45 Ein konkretes Ergebnis solcher privater Tendenzen stellte die Gründung der Shufan-Mädchen-Schule46 in Qingdao dar, die im wesentlichen von Paul Rohrbach initiiert wurde. Rohrbach war es auch, der die notwendigen Gelder in einer aufwendigen Sammel- und Werbeaktion in Deutschland auftrieb. Unterstützung erhielt das Projekt von dem 1900 gegründeten Ostasiatischen Verein. Ein gemeinsames „Komitee" entwarf 1910 einen Spendenaufruf zu Gunsten der deutsch-chinesischen Mädchenschule, mit dessen Hilfe innerhalb eines Jahres die notwendigen Gelder gesammelt werden konnten. 47 Die Schule wurde im Herbst 1911 mit zwanzig Schülerinnen eröffnet. Der zugrundeliegende Gedanke war, daß die Frau in China eine so wichtige Rolle bei der Erziehung der Kinder spiele, daß über sie eine effektive Einflußnahme auf die chinesische Kultur möglich sei (Dok. 133). Die Schule wandte sich daher insbesondere an die Töchter besserer Familien. Im Lehrplan sollte ausdrücklich kein Religionsunterricht verpflichtend vorgeschrieben werden. Die Aufmerksamkeit gegenüber dem Faktor Kultur konnte aber auch, jenseits kulturimperialistischer Bestrebungen, zu einem Kulturaustausch fuhren. In diesem Zusammenhang ist die wissenschaftliche Tätigkeit des lange Jahre in Qingdao tätigen Missionars Richard Wilhelm im Bereich der Erforschung und Übersetzung der klassischen chinesischen Kultur zu sehen. Richard Wilhelm rief 1913 eine Konfuziusgesellschaft ins Leben, die sich dem deutsch-chinesischen Kulturaustausch widmete (Dok. 135). Allerdings waren solche Aktivitäten, die von einer prinzipiellen Gleichrangigkeit der Kulturen ausgingen, eher die Ausnahme. 48 Das hier entwickelte zivilisatorische Selbstverständnis resultierte in einem bestimmten dominanten Chinabild: Charakteristisch sind die Perspektiven auf das „chinesische Problem" (Stagnation, Rückständigkeit, siehe Rohrbach, Dok. 130) und der sich daraus ergebenden Aufgaben fur Deutschland. Dieses Chinabild hat weit über die Kolonialepoche hinaus Bestand gehabt. Vorstellungen von der kulturellen Superiorität und der zivilisatorischen bzw. modernisierenden Mission deutscher Kultur prägten bis weit ins zwanzigste Jahrhundert die Vorstellungen von China in Deutschland.49

Sinologie und Kolonialismus Das koloniale Engagement des Deutschen Reiches in China führte zu einem großen Bedarf an konkretem Wissen und Informationen über China sowie zu einem Bedarf an Beamten, die 45 Die Zahl der chinesischen Studenten war allerdings gering. 1902 zählte der „Club chinesischer Studenten in Berlin", nur zwanzig Mitglieder. Erst ab 1906 sandte China vermehrt Studenten nach Europa und besonders nach Amerika, siehe D o n g Shouyi 1985:325. 1914 waren an der Friedrich-Wilhelms Universität in Berlin fünfzehn chinesische Studenten immatrikuliert, vgl. Felber/Hübner 1988. 46

Shufan bedeutet Vorbild edler Weiblichkeit.

47

Siehe Reinbothe 1992:234.

48

Siehe Leutner 1986:427ff.

4 9 Siehe Leutner/Mühlhahn 1994.

439 des Chinesischen kundig waren. Die Anfänge der systematischen wissenschaftlichen Beschäftigung mit Geschichte und Gegenwart Chinas in Deutschland lassen sich daher auf die deutsche Kolonialzeit in China zurückverfolgen. An dem 1887 gegründeten „Seminar für Orientalische Sprachen" erhielten viele Beamte und Offiziere, die fur den Dienst in Kiautschou bestimmt waren, eine Zusatzausbildung in chinesischer Sprache sowie chinabezogener Realienkunde (Landeskunde, politische Organisation, Wirtschaft). 50 In Kiautschou selbst hatten Sinologen und Dolmetscher wie Wilhelm Schrameier, Emil Krebs, Friedrich Wilhelm Mohr, Heinrich Mootz und Erich Michelsen wichtige Positionen als Beamte inne, die fur die Regelung aller die chinesische Bevölkerung betreffenden Angelegenheiten zuständig wa51

ren. Der Notwendigkeit der Wissens- und Informationsbeschaffung entsprach auch die Tätigkeit der an der deutsch-chinesischen Fachhochschule beschäftigten Lehrkräfte. Die verschiedenen Abteilungen gaben Schriftenreihen heraus, in denen von Fachleuten über aktuelle Entwicklungen in Politik, Landwirtschaft, Rechtssystem, Kultur usw. informiert wurde. Auch die Schaffung sinologischer Lehrstühle in Deutschland, wie z.B. 1909 am Kolonialinstitut in Hamburg, auf den der ehemalige Gesandtschaftsdolmetscher Otto Franke berufen 53 wurde, ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Die Tätigkeit der Sinologen vermehrte zweifellos Wissen und auch Verständnis gegenüber China. In vielerlei Weise aber blieben auch sie den dominanten Perspektiven verhaftet. Otto Franke sah zum Beispiel in der Kulturmission, und nicht etwa in den wirtschaftlichen und politischen Sonderrechten, das eigentliche Wesen und die historische Bedeutung des deutschen kolonialen Projekts in Shandong, das er durchweg positiv beurteilte (Dok. 138).

Chinesische Perspektiven auf die Kulturmission Seit etwa 1900 wurden in China große Anstrengungen unternommen, das Erziehungssystem zu reformieren. Insbesondere ging es darum, westliche Wissenschaften in China zu etablieren. Mit der Abschaffung des kaiserlichen Prüfungssystems begann auch institutionell eine Reform des Schulsystems.54 Die Auseinandersetzung mit dem Bildungssystem des Westens spielte dabei von Anfang an eine wichtige Rolle. Von konservativen Reformern wurde dabei häufig Deutschland als Orientierungsmarke genannt. 1898 verwies Kang Youwei in seinen Throneingaben während der 1 OO-Tage-Reform auf die preußische Bildungsreform als Vorbild für Chinas Reformbemühungen im Bereich des Erziehungswesens.55 Seit 1900 gab es ein wachsendes Interesse daran, sich in Fragen von Erziehung und Wissenschaft mit auslän50 Zur sinologischen Zusatzausbildung der Kiautschou-Beamten, siehe Seeleman 1982:53; zum Seminar für Orientalische Sprachen siehe Leutner 1987:38ff. 51 Siehe Stichler 1991; Mühlhahn 1997. 52 Detaillierte Darstellung der Reihen und Verfasser bei Reinbothe 1992:213ff. 53 Siehe Leutner 1987:45. 54 Siehe Borthwick 1983:87-203. 55 Siehe Huang 1995:222.

440 dischen Systemen auseinanderzusetzen. Das Bestreben der chinesischen Politik war es dabei, eine einseitige Anlehnung an nur ein einziges System oder „Vorbild" zu vermeiden. Die politischen Motive der deutschen Aktivitäten im Bereich von Kultur und Erziehung waren in China wohl bekannt. Das Edikt von 1906, das die Anerkennung von Zeugnissen ausländischer Schulen beendete, war eine Reaktion auf die unkontrollierten Bemühungen der Großmächte, über das Schulwesen politischen Einfluß auszuüben. Auf der anderen Seite wird aus dem Bericht von Zhang Zhidong zur Gründung der Fachhochschule deutlich, daß nicht generell jede Zusammenarbeit auf dem Feld des Schulwesens abgelehnt wurde (Dok. 131). China wollte Zugang zu westlichem Wissen, auch für Studenten, die sich kein teures Studium im Ausland leisten konnten oder wollten. Jedoch wurde Wert auf Mitsprache sowohl in Fragen der Organisation als auch der Lehrinhalte gelegt. Nach 1911 kamen als Ergebnis der Revolution viele hohe ehemalige Beamte nach Qingdao. Von seiten dieser gebildeten Bevölkerung gab es ebenfalls ein großes Interesse an den deutschen Schulen, da das Erlernen von spezialisiertem Wissen als wichtig und nützlich erachtet wurde (Dok. 134). Nach 1911 stieg die Zahl der Schüler in den deutschen Schulen im Pachtgebiet stark an. 56 Dabei schätzte die Qing-Elite den konservativen und disziplinorien57 tierten Charakter des deutschen Ausbildungssystems.

56 Vgl. Lu Hai 1981. 57 Siehe Felben 1996.

441

126 Auszug aus einem Jugendroman von Paul Lindenberg (1899) 1 Fritz sah sich im Laufe des Vormittags zunächst im Lager selbst etwas um; er war durch Zufall in das Ost-Lager gekommen, in dessen Nachbarschaft sich noch das Artillerie-Lager mit mehreren von den Chinesen zurückgelassenen Krupp'schen Geschützen befand, während die beiden anderen, das Höhen-Lager und das Strand-Lager, auf den Höhenzügen jenseits des in einem Talkessel sich ausdehnenden Dorfes Qingdao lagen. Jedes dieser Lager, welche bisher die chinesischen Truppen beherbergt hatten, bildet ein größeres Viereck, das von etwa fünf Meter hohen Lehmwällen, die unten beträchtlich stark sind, sich aber nach oben, wo ein schmaler Gang für die Posten entlangfuhrt, bedeutend verjüngen, umgeben wird. Durch ein größeres, aus schweren Basaltsteinen errichtetes Tor gelangt man in die Umwallung, innerhalb welcher sich eine ganze Zahl niedriger, teils langgestreckter, teils kürzerer Häuschen erhebt, die den Truppen zum Aufenthalt dienten. Mehr nach der dem Tore gegenübergelegenen Rückseite des Lagers zu trifft man auf das „Yamen" (Wohnsitz) des Lager-Kommandanten, aus einem mit etwas höherem Dache versehenen einfachen Gebäude bestehend, das innen mehrere Räume enthält. Auch in diesem Lager hatte man das „Yamen" zur Offiziersmesse umgewandelt, zu dem Speise- und Versammlungsort der die Besatzung dieses Lagers befehligenden Offiziere. Tische und Stühle beziehentlich Bänke waren hineingestellt worden, an den Wänden hingen Bilder des Kaisers und des Prinzen Heinrich, auch einige grüne Girlanden waren als freundlicher Schmuck angebracht, abends sorgten eine Lampe und einige aus Papier gefertigte chinesische Lampions für die Beleuchtung. Überall im Lager sah man schon merkliche Ergebnisse der unermüdlichen Arbeiten unserer hier einquartierten Matrosen- und Marine-Infanterie-Mannschaften, denn alles, was nicht zum Wacht- und Patrouillendienst gebraucht wurde, mußte mit Schaufel und Axt, Hammer und Säge, Kelle und Pinsel wie sonstigen Handwerksgeräten eine gründliche Wandlung zum Bessern in diesen chinesischen Schmutznestem schaffen. Hier legte man Dielen, dort wurden statt der Papierfenster Glasscheiben eingesetzt, da kalkte und strich man die Wände, dann wurden kleine eiserne Öfen aufgestellt und Kochherde geschaffen, und selbst an die Herstellung von Möbeln, von Tischen, Stühlen, Schränken, Bänken etc. hatte man sich bereits gemacht, denn es war erst ein Dampfer mit Vorräten aus Shanghai eingetroffen, und diese hatten bei weitem nicht ausgereicht, so daß man mit Sehnsucht der nächsten Sendungen harrte. War es doch keine Kleinigkeit, über tausend Menschen unterzubringen, zumal der Winter vor der Tür stand, und wenn die Offiziere und Soldaten auch nicht durch das Leben an Bord

1 Der Roman schildert die Abenteuer des sechzehnjährigen Schiffsjungen Fritz Vogelsang in China. Das erste Kapitel berichtet, wie der Protagonist durch einen Schiffbruch an die chinesische Küsten verschlagen wird. Es schließt sich eine lange Odyssee durch das als fremd und rätselhaft beschriebene China an. Nach vielen Abenteuern gelangt der Held schließlich in das von Deutschland besetzte Pachtgebiet Kiautschou, wo er zusammen mit den deutschen Soldaten Weihnachten feiert. Der folgende Auszug beschreibt die ersten Beobachtungen des Protagonisten in Kiautschou.

442

verwöhnt waren, so wollte man die Wohnstätten etwas behaglich zu machen versuchen, würden doch mehrere Wochen, vielleicht gar Monate verstreichen, ehe Ersatz-Mannschaften aus Deutschland eintreffen konnten. Vor dem von einem Posten bewachten steinernen Eingangstor des Ost-Lagers erstreckte sich ein kleinerer Exerzierplatz, der freilich von den chinesischen Mannschaften nicht allzu eifrig benutzt worden sein mochte. Von ihm aus hatte Fritz einen prächtigen Überblick auf die Kiautschou-Bucht und das Dorf Qingdao sowie dessen Umgebungen, die nach der nördlichen Seite zu von hohen Bergen, jenen, die Fritz hatte überwinden müssen, eingerahmt wurden. Die Bucht war gegen die Stürme durch Vorsprünge und Inseln gut geschützt, sie zerfiel durch eine schmale, bergige Landzunge in zwei Häfen, einen nördlichen und einen südlichen; in den nördlichen reichte eine aus Stein und Eisen erbaute Landungsbrücke weit hinein, sie war noch ein Werk der Chinesen, die hier einen Kriegshafen hatten anlegen wollen. Und welch' stolzer Anblick fur Fritz: unten auf den Wellen vier stattliche deutsche Kriegsschiffe ruhen zu sehen, deren weißer Anstrich weit herüberleuchtete; es waren der „Kaiser", die „Prinzeß Wilhelm", die „Irene" und „Arcona", auf denen die deutschen Wimpel lustig im Winde flatterten. Der Stand war flach und ermöglichte kleineren Fahrzeugen ein bequemes Landen. Nicht fern vom Ufer erhoben sich die ersten Häuser des Dorfes, das, soviel Fritz von oben her sehen konnte, sich in nichts von ähnlichen chinesischen Orten unterschied - doch halt, dort bei einem von mehreren zugehörigen Gebäuden umgebenen Hause wehte an hohem Mast die deutsche Kriegsflagge mit dem Adler in der Mitte und dem Eisernen Kreuz in der schwarzweiß-roten Ecke. Dort war das Yamen des Kommandanten, durch von unserer Marine sofort nach der Landung eingerichtete Fernsprecher mit den einzelnen Lagern verbunden; von ihm aus konnte man auch nach Peking und über Shanghai nach Berlin telegraphieren. Zu den Schiffen wurden die Befehle durch Signalflaggen gegeben, die von einer am Höhenlager angebrachten Station an den entsprechenden Masten aufgehißt respektive von Matrosen mittels bestimmter Fahnenschwenkungen ausgeführt wurden; auf gleiche Weise verständigte man sich von den Schiffen zum Land herüber. Den anderen Verkehr vermittelten schmucke Dampfpinassen, die flink durch die Wogen schössen und die regelmäßig zu bestimmten Stunden an der Landungsstelle lagen. Von fernher ertönte jetzt kriegerische Marschmusik, Hörnerklänge vermischten sich mit dem Schall von Trommeln, und in einzelnen Zügen sah man die schmalen Linien der Truppen vom Strand her näherkommen, die Flintenläufe blitzten in der Sonne und Staub wirbelte unter den taktmäßigen Schritten der Soldaten und Matrosen auf. Wie freudig dieser Anblick Fritz bewegte, wie er hätte aufjubeln mögen in dem stolzen Empfinden, ein Deutscher zu sein, wie er gleich hätte eintreten mögen in Reih und Glied, nun mitzumarschieren bei den hehren Tönen des „Deutschland, Deutschland über alles", die jetzt der Wind zu ihm herübertrug! Die einzelnen Züge bezogen ihre Lager, lebhaft ging es in denselben, die bisher wie ausgestorben gewesen, plötzlich zu, denn die Gewehre mußten gereinigt und die Vorbereitungen zum Mittagessen getroffen werden. Fritz wurde von den Offizieren an ihren Tisch genommen

443 und mußte wiederum viel von seinen Fahrten erzählen; er hörte von ihnen, daß man in einzelnen Häusern des unterhalb des Pulvermagazins gelegenen Dorfes, dessen Einwohnerschaft man schon längst als verdächtig betrachtet, mancherlei Waffen gefunden und auch einzelne der Bewohner verhaftet hätte. Der Kommandant werde infolge des nächtlichen Angriffes eine Proklamation erlassen, in welche er jeden Angriff auf Deutsche oder auf von ihnen besetztes Gebiet mit den schwersten Strafen bedrohe; dann verlautete auch etwas von einem Streifzuge nach Shazikou, das an der äußersten Grenze des deutschen Gebietes lag, um die dort versammelten chinesischen Trupp zu vertreiben. Den Nachmittag widmete Fritz einem Besuche des Dorfes Qingdao, das eigentlich nur aus einer breiteren Hauptstraße bestand, um deren niedrige Häuser sich ziemlich regellos weitere Gebäude gruppierten. In den ersten Tagen nach der Besitzergreifung waren viele Chinesen geflohen, weil sie fürchteten, daß sie allerhand Erpressungen und Mißhandlungen ausgesetzt werden könnten; da aber nichts davon zu ihren Ohren drang, waren sie zurückgekehrt, und mit ihnen waren aus den nahen Ortschaften viele Tagelöhner und Marktleute gekommen, die ersteren, um sich den neuen Herren, welche nach chinesischen Begriffen sehr gut bezahlten, zur Verfügung zu stellen, die letzteren, um ihre Waren an den Mann zu bringen. Diese hatten auf der Hauptstraße bereits ihre Tischchen aufgestellt und boten Eier, Erdnüsse, Hirse, Gerste, Weizengebäck, Enten und Hühner, daneben kleine Götzenfiguren und Götzenbilder, chinesische Schuhe und Briefbogen, Tabak, Zwirn, chinesische Tusche wie Pinsel und ähnliches feil. Matrosen und Seesoldaten, vom Dienst befreit, standen handelnd und prüfend umher, und die gegenseitige Verständigung, die meist auf Zeichensprache beruhte, bot der komischen Zwischenfälle manche. Auch einzelne Kaufleute hatten ihre Läden wieder geöffnet, und an einem prangte sogar eine von einem gefälligen Matrosen angefertigte Holztafel mit deutscher

Aufschrift:

„Fleisch,

Konserven,

Tabak,

Bier",

darunter

der Name

des

betreffenden Chinesen. „Ling-Pao". Auch im Dorfe selbst vernahm man den Lärm reger Arbeit, überall ward gehämmert, gehobelt, gefeilt, gemeißelt, gemalt und unsere braven Blaujacken zeigten ungeahnte Talente zur Ausschmückung von Wohnräumen. Scharen von chinesischen Arbeitern waren unter dem Befehl von Unteroffizieren und Soldaten tätig, um die Straßen zu säubern, die Wege zu ebnen, hier Trümmer von eingefallenen Häusern fortzureißen, dort Steine zum Bau neuer Gebäude heranzukarren, da alte Telegraphenstangen durch neue zu ersetzen, und man hatte allerorten das frohe Gefühl, daß in kurzer Zeit mit reger Umsicht und unermüdlichem Fleiß viel geleistet wurde und daß man mit Erfolg bestrebt war, sich möglichst schnell hier häuslich einzurichten. Auch die Chinesen schienen mit dem Wandel der Dinge sehr zufrieden; Fritz knüpfte mit einigen von ihnen Unterhaltungen an und hörte nur anerkennende Äußerungen über seine Landsleute. „Wir haben zu tun und bekommen unser Geld," so lautete fast immer die Auskunft, „niemand belästigt oder schlägt uns, wie früher unsere Soldaten und Offiziere es oft getan, wenn sie betrunken waren. Wir fürchteten sehr, daß der neue, fremde Mandarin noch das letzte Geld von uns erpressen würde, aber im Gegenteil, er hat die Armen beschenkt und er hat seine klugen Männer (Ärzte) zu den Kranken geschickt."

444 Paul Lindenberg, Fritz Vogelsang. Die Abenteuer eines deutschen Schiffsjungen in Kiautschou, 1899, S.269-275.

Berlin

127 Denkschrift des stellvertretenden Gouverneurs von Kiautschou, Jacobson, an das Reichsmarineamt (27.1.1905) Qingdao, den 27. Januar 1905 Nach der Bekanntmachung betreffend Verwaltung von Taidongchen vom 15. August d.Js. (Amtsblatt Nr. 34 vom 20.8.) sollen die Einnahmen dieses Gemeinwesens unter anderem für notwendige Gemeindeeinrichtungen verwendet werden. Die Einnahmen des der Selbsterhaltung zustrebenden Platzes haben sich nach der Sanierung des Verwaltungskörpers derart gehoben, daß es nicht nur möglich ist, die laufenden Ausgaben zu bestreiten, sondern auch einen Teil allgemeinen Zwecken zuzuwenden. So erhält sich z.B. das dort gegründete Hospital, welches unter zwei europäisch angelernten chinesischen Ärzten bei deutscher Beaufsichtigung steht, selbst und erfreut sich eines stets wachsenden Zuspruchs (über 1200 Patienten uii Monat Dezember). Nunmehr soll, wie ich bereits in meinem Berichte vom 8. Oktober 4969 B 2 - gefordert habe, auch der Versuch der Gründung einer chinesischen Gemeindeschule gemacht werden. Die umfangreichen Vorarbeiten haben zur Aufstellung eines Schulplanes für eine Volksschule mit 5jährigem Kursus geführt, der, obwohl er von dem gewöhnlichen chinesischen System abweicht, doch eine Form zur Lösung der auch in den neuen chinesischen Reformedikten angestrebten Ziele bietet und, falls er sich bewährt, Aussicht hat, über die Grenzen des Schutzgebietes hinaus Geltung zu erlangen. Die abgeschlossene Bildung einer Volksschule ist in China im allgemeinen unbekannt. Der Schüler, der Lesen und Schreiben beginnt, sieht sich im Geiste bereits als Peking-Graduierter der höchsten Ehren teilhaftig. Das Studium hört beim Chinesen niemals auf; unermüdlich strebt er weiter, um nach den verschiedenen Provinzialexamina zur großen Prüfung in der Hauptstadt des Landes zugelassen zu werden. Fällt er in einer Prüfung durch, so beginnt er seine Arbeit von neuem; es ist nicht selten, daß drei verschiedene Generationen sich um die höchsten Auszeichnungen bewerben, welche die nachgewiesene Bildung gewährt. [...] Der Lehrplan der chinesischen Volksschule für das Schutzgebiet ist nunmehr folgendermaßen formuliert worden:

2 Nicht in den Akten. 3

In den Ausführungen beschreibt der Verfasser das klassische chinesische Ausbildungssystem, das im wesentlichen nur mechanisches Auswendiglernen der Schüler fördere.

445 1. Das Memorieren der Klassiker fällt weg. Die ethisch und religiös bedeutsamen Stellen in den heiligen Schriften Chinas sind nach Art des in den deutschen Volksschulen üblichen Sprachbuches zusammenzustellen und vom Schüler nach vorangegangener Erklärung auswendig zu lernen. 2. Die Übungen im Schreiben haben möglichst früh zu beginnen. Die gelernten Zeichen sind sofort zur Bildung von Sätzen, erst in der Umgangssprache, dann in der Schriftsprache zu verwenden. 3. In den vorgeschrittenen Klassen hat ein grammatikalischer Unterricht in die Gesetze der Bildung der Sprache einzuführen. 4. Die ganze Zeit über ist durch Fibel und Lehrbücher fur brauchbare Muster guten Stils zu sorgen. Die höheren Jahrgänge werden in die chinesische Literatur im Zusammenhange eingeführt, wobei die Lektüre der Klassiker ihrer Bedeutung nach eine Stelle einzunehmen hat. Die Lehrmittel müssen zum größten Teile erst hergestellt werden. Es existieren zwar Bücher, die zunächst provisorisch verwendet werden könnten, indes sind sie zur Durchführung des hier aufgestellten Lehrplans nicht ganz geeignet. In Hongkong ist der Anstoß zu den neuen Lehrmitteln von dem verdienten deutschen Schulmann, dem Inspektor der englischen Schulen Dr. Eitel ausgegangen. Die „Hongkong Serie" der Fibeln und Lehrbücher gehört mit zu den besten bis jetzt bestehenden. Ihr gleich kommt an Bedeutung die „Nanyang Serie", bestehend aus Schreibbüchem, Fibeln, Lehrbüchern und Werken für Fortgeschrittene. Diese Serie hat den Vorzug, daß sie praktisch durchprobiert ist, ehe sie der Veröffentlichung übergeben wurde. Auch Chinesen haben sich mit der Ausgabe von Lembüchern auf Grundlage europäischer Methoden befaßt, z.B. Herr Wang in Shanghai; seine Bücher leiden jedoch unter der unnötigen Hervorhebung eines unverdauten Christentums. Von Wert ist die in letzter Zeit aufgekommene Japanische Serie". Zur Ausarbeitung der hier erforderlichen Lehrmittel: Spruchbuch, Fibel und Lesebuch mit Beispielen aus der guten chinesischen Literatur, einer Grammatik und einer Literaturgeschichte sind bereits Vorkehrungen getroffen. Herr Pfarrer Wilhelm4 vom Allgemeinen Evangelisch-protestantischen Missionsverein, dessen Erfahrungen und Kenntnisse diesem Projekte in weitgehendster Form nutzbar gemacht worden sind, hat seine Mithilfe für die Arbeiten bereitwilligst in Aussicht gestellt. Selbstverständlich müssen auch die Lehrer für die einzelnen Klassen erst herangebildet werden. Auch in diesem Punkte wird auf den in der Wilhelmschen höheren Schule erzogenen Stamm zurückgegriffen werden müssen. Dadurch ergibt sich von selbst, daß, obwohl jeder Missionseinfluß als solcher der Schule ferngehalten werden soll, Herrn Wilhelm eine beratende Stimme für den Unterricht gewahrt bleiben wird. Mit den Geschäften des Schulinspektors wird der Dolmetscher Dr. Wirtz unter der Aufsicht des Kommissars für chinesische Angelegenheiten betraut werden. Diese Personen werden neben der Inauguration der Schulen für die allmähliche Schaffung der Lehrmittel - auch für die Klassikerausgaben mit Schulkommentar u s w. - zu sorgen haben.

4

Zum Wirken von Richard Wilhelm vgl. Einleitung zu Kapitel 8 sowie Dok. 135.

446 Die Schule wird sich von unten auf allmählich entwickeln. In die höheren Klassen kann nur der Schüler aufgenommen werden, der den Lehrplan der unteren absolviert hat. Somit wird die Schule erst in 5 Jahren ausgebaut sein. Da es sich um eine rein chinesische Schule, den Ersatz der jetzigen Gemeindeschulen, handelt, so fällt der Unterricht in westländischen Fächern, mit Ausnahme von Rechnen, das bis zu Brüchen und Regeldetrie geführt wird, weg. Selbstverständlich werden die Studien, welche für Geographie angesetzt sind, sowie die Lehrbücher Gelegenheit geben, dem Schüler das ihn umgebende Deutschtum näher zu bringen und einen Einblick in die Entwicklung des expansiven Europas gegenüber dem starren Chinesentum zu verschaffen.5 Würde die deutsche Sprache selbst gelehrt, so würde der Zweck der Schule, Ausbildung der Jugend im Lesen und Schreiben und Rechnen in der Weise, daß sie klar denken und in ihrer eigenen Sprache einen verständlichen Brief schreiben und lesen lernt, vereitelt werden. Die Ausbildung der Volksschule gilt als in sich abgeschlossen, genau wie dieses bei unserer Volksschule der Fall ist. Strebt der Schüler weiter, so bieten ihm dazu die anderen Schulen des Schutzgebietes, welche im Laufe der Zeit sich an den Lehrplan der Volksschule anschließen müssen, sowie dieses noch nicht geschehen ist, Gelegenheit. Es ist nicht zu bezweifeln, daß dieser Versuch einer wirklichen praktischen Reform im Schulwesen sich nutzbringend den vielen praktischen Reformen chinesischer Einrichtungen, mit denen das Schutzgebiet vorgegangen ist, anschließen wird. Den Lehrplan der Volksschule, dessen einzelne Punkte im Laufe der Zeit wohl noch einige Änderungen erfahren werden, fuge ich bei. Der Einfluß Deutscher auf das chinesische Erziehungswesen ist bis jetzt gering. Hat auch kaum ein Ausländer die Schwächen der chinesischen Methoden so klar erkannt und dargestellt wie Dr. Faber, so sind die praktischen Erfolge, welche deutsche Bildung über China davongetragen hat, im Vergleich zu anderen Nationen verschwindend. Was wollen z.B. die paar deutschen Missionsschulen in Südchina und Shandong (hier erst in allerjüngster Zeit) gegenüber den Reihen amerikanischer oder englischer Institute, die sich von dem Christian College in Kanton zu dem North China College in Dengzhou über das ganze Reich hinzieht und solche blühenden Anstalten wie das College in Weixian, früher Dengzhoufu, die von Methodisten unterhaltenen Universitäten in Nanking und Peking, St. John's College in Shanghai, das Tongwu College in Suzhou und alle die anderen in Fuzhou, Xiamen, Wuchang usw. einschließt -, besagen!6 Es handelt sich hierbei nicht um spezifisch theologische Seminare, sondern um solche Schulen, welche eine moderne und universelle Bildung auf christlicher Grundlage zu verbreiten suchen. Haben wir Deutsche den einen Faber, dessen Werk Pastor Kranz in Shanghai mit großer Hingebung fortzusetzen sucht, so können Engländer

5

Es handelt sich hier um ein dominantes Chinabild jener Zeit. China wird als stagnierendes Land dem dynamischen Europa entgegengesetzt. Vgl. Einleitung zu Kapitel 8 sowie Dok.130.

6

Es handelt sich hier um Beispiele für Schulgründungen von vor allem amerikanischen protestantischen Missionaren in China, die verstärkt nach 1900 einsetzten. Die amerikanische Regierung verzichtete auf die Entschädigungszahlungen aus dem Boxerprotokoll von 1901 und stellte die Gelder statt dessen für Schulen in China zur Verfugung. Zu den ausländischen Schulen vgl. Tabelle mit Gründungsdaten bei Lutz 1971:53 Iff sowie den Überblick bei Feuerwerker 1983:165-177.

447 und Amerikaner mit Stolz auf ihren Dr. W.A.P. Martin, Dr. C.W. Mateer, Dr. D.Z. Sheffield, ihren Tenney und Ferguson, ihren Timothy Richard, Parker, Allen und andere als hervorragende Lehrmeister der Chinesen blicken. Immerhin ist es noch keinem von ihnen gelungen, einen Chinesen als Organisator auf dem Felde der Erziehung heranzubilden. Moderne Erziehung ist für China ein allzu neuer Begriff und noch mit zu vielen Vorurteilen und Halbheiten verbunden, als daß der Boden für den Mann, der mit richtigem Blick die Forderung der Gegenwart auf nationaler Grundlage zu erfüllen vermöchte, bereitet wäre. So praktisch Engländer und Amerikaner sein mögen, so fehlt ihnen vielfach pädagogisches Wissen, das die Praxis belebt und ergänzt und zum wahren Erfolge notwendig ist. Ganz außergewöhnlich günstige Bedingungen waren der Kolonie Hongkong zur Beeinflussung Chinas auf dem Gebiete des Schulwesens geboten. Ein Strom reicher, die alten Formen Chinas mit neuem Inhalte durchdringender Geisteskräfte hätte sich von der kleinen Insel über das Nachbarreich ergießen können. Man hat sich darauf beschränkt, Handels- und Geschäftsinteressen bei der Erziehung in der Kolonie ausschlaggebend sein zu lassen. Sie bleibt bei den rohesten Formen der Bildung stehen. Daß sie über die engen Grenzen des englischen Gebietes hinaus keinen nachhaltigen Eindruck auf Charakter und Weltanschauung ausgeübt hat, ist unter diesen Umständen begreiflich. Der Zweck des Unterrichts in Hongkong ist die Befähigung zur Erlangung einer gutbezahlten Stellung in einem kaufmännischen oder technischen Büro; ehe die Geistesbildung hat einsetzen können, haben die Schüler die Schulbänke verlassen. Weder für den im Auslande geborenen Europäer noch für die Chinesen bietet die Kolonie Gelegenheit zu einem über die elementarsten Kenntnisse hinausreichenden Studiengang. Immerhin dürfen die Anstrengungen, welche die Kolonie gemacht hat, nicht gering angeschlagen werden. Von dem im Jahre 1873 zuerst eingeführten Prämiensystem hebt die staatliche Fürsorge für Schulanstalten in Hongkong an. Mit der Ausdehnung dieser Fürsorge ist der Name unseres Landsmannes, Dr. Eitel, für alle Zeiten ruhmvoll verbunden. Hongkong zählt heute 229 Schulen mit 10.940 Zöglingen. Hiervon sind ungefähr 110 chinesische Privatschulen auf der Grundlage konfuzianischer Bildung, 95 christliche Missionsschulen, 35 Gouvernementsschulen (diese Zahlen sind 1 Jahr alt). 1890 wurde eine staatliche Mädchenschule (meistens für Eurasier) gegründet. Die Hauptschule, Queens College, verfügt über eine Schülerzahl von 1.500 Knaben (gemischt, Europäer, Eurasier und Chinesen); die Unterhaltung kostete 60.000 Dollars 1904, von denen 29.000 Dollars durch Schulgeld aufgebracht wurden. Nach dem Urteil der von der Regierung eingesetzten Prüfungskommission - ich verweise auf die in der Government Gazette veröffentlichten Berichte zuletzt „Report by the Examiners of Queens College vom 10. Sept. 1904" (Gov.Gaz.81.10.04) - läßt der Unterricht, wie bei der Zusammensetzung der Schülerzahl kaum anders zu erwarten ist, sehr viel zu wünschen übrig und kommt über einen halben Erfolg auf allen Gebieten nicht heraus. In China hat sich von modernen Regierungsschulen das Nanyang College in Shanghai 7 , welches 1897 auf Grund eines Kaiserlichen Edikts aus Mitteln der chinesischen Telegra7

Der eigentliche Name der Schule lautete „Öffentliche Nanyang-Schule" (Nanyang gong xue). Sie wurde, wie richtig im Dokument angegeben, von dem Minister fur Post und Verkehr, Sheng Xuanhuai,

448 phengesellschaft und der China Merchants S.N. Co. durch den Eisenbahnminister Sheng Xuanhuai gegründet wurde, einen gewissen Ruf zu erhalten gewußt. Das von Sir Robert Hart in Peking errichtete Tongwenguan8 hat nur geringe Erfolge aufzuweisen gehabt. Einen eigenartigen Ursprung hat das großartig gedachte College in Tai'anfu . Nach den Boxerunruhen wandte sich Dr. Timothy Richard an den Gouverneur von Shanxi und die chinesischen Friedenskommissare mit dem Antrag, statt einer zu zahlenden Indemnität einen regelmäßigen Beitrag von Tis. [Taels] 50.000 fur die Gründung einer großen Staatsschule auf 10 Jahre lang in Shanxi zu zahlen. Die ersten Summen wurden im Jahre 1901 Dr. Richard zur Verfugung gestellt und zum Bau und zur Errichtung einer Schule verwandt. Im Jahre 1903 erschien der erste Annual Report of the Imperial University of Shanxi, China, welcher eine Fülle wertvoller Statistiken über den Umfang des modernen Erziehungswerks in der Provinz Shanxi, der Übersetzungstätigkeit unter Leitung des Dr. Richard und der mit den Unterrichtsanstalten verbundenen wissenschaftlichen Bibliothek und Museen erkennen läßt. Es kann wohl behauptet werden, daß Shanxi allen anderen Provinzen, vielleicht abgesehen von Zhili, in bezug auf moderne Erziehung nicht nur infolge der reichlich strömenden Mittel, sondern vor allem durch die kraftvolle und aufopferungsreiche Arbeit des Dr. Richard weit voraus ist. Außer diesen Schulen sind auf europäischer Seite noch die „Society for the diffusion of Christian and General Knowledge" 10 in Shanghai und die „Educational Association of China" 11 am Werke, um China europäisches Wissen zugänglich zu machen. Bei der letzten Jahresversammlung der erstgenannten Gesellschaft trat ein Ereignis ein, welches die Erfolge, auf welche die Gesellschaft stolz sein zu können glaubte, in den Schatten stellte gegenüber den Bestrebungen der Nation, welche sich als den Lichtgeber fur China mehr und mehr betrachtet - Japan. Mit dürren Worten führte der japanische Generalkonsul Oagiri der Gesellschaft die Verdienste, welche Japan sich um die Erziehung Chinas erworben habe, vor, denen gegenüber die der westlichen Nationen zurückträten, „in runden Zahlen befinden sich augenblicklich ungefähr 5.000 chinesische Studenten in Japan, und auf den Antrag der chine-

1897 gegründet, vgl. Lutz 1971:84. Es handelt sich um den Vorgänger der bekannten technischen „Nanyang-Universität". 8

Das Tongwenguan war eine Sprachen- und Übersetzungsschule, an der chinesische Dolmetscher und Übersetzer ausgebildet wurden. Sie wurde 1862 gegründet, siehe dazu Kuo/Kwang 1978:525ff.

9

Vgl. hierzu Latourette 1929:379.

10 Dieser von englischen Protestanten geleitete Verein, gegründet 1887 von Alexander Williamson und unter der Leitung von Timothy Richard seit 1891, sollte Literatur und Informationen über den Westen und den Beitrag des Christentums zum allgemeinen Fortschritt unter chinesischen Beamten und Gelehrten verbreiten. 1906 wurde der Verein umbenannt in „Christian Literature Society for China", vgl. Lutz 1971:46. 11 Die „Educational Association of China" wurde 1890 gegründet. Sie sollte die Aktivitäten der in China engagierten amerikanischen protestantischen Orden auf dem Bereich der Erziehung koordinieren, vgl. Latourette 1929:642.

449 12

sischen Regierung sind Lehrer von Japan nach China geschickt worden. Die Zahl der Lehrer beträgt 70, von denen einige zu den bedeutendsten Professoren der Universitäten Japans zählen, auf welche Japan nur ungern selbst verzichtet. Japans Wunsch ist noch mehr Studenten von China zu erhalten und noch mehr und bessere Lehrer nach China zu senden." In der Tat ist der früher dominierende Einfluß der westländischen Nationen auf dem Gebiete der Erziehung in China gebrochen und durch Japan von seiner ersten Stelle auf die zweite gedrängt worden. Wenn auch die japanischen Bemühungen und Erfolge sich auf alle Arten Schulen erstrecken, so sind es doch vor allem die Lehrerseminare oder Normalschulen, deren sie sich bemächtigt haben. Hier wird ihnen keine Konkurrenz geboten, denn leider hat der „Weiße", mit Ausnahme der Missionare, nur die „höchsten" Schulen als seiner Tätigkeit würdig erachtet. Vielfach sind die chinesischen Studenten, die nach dem Lande der aufgehenden Sonne gezogen sind, um dort den Morgentau moderner Bildung in sich einzusaugen, zurückgekehrt als vergiftete Männer, Aufruhr gegen die Institutionen ihres eigenen Landes, Haß gegen alles Fremde im Herzen tragend. Der überwältigende Einfluß, den Japan in dem letzten Jahre auf das chinesische Erziehungswesen gewonnen hat, darf weder in Hinsicht auf die Sympathien noch auf die wirtschaftliche Stellung, welche in ihrem Gefolge gewesen sind, unterschätzt werden. „Sind auch andere Männer (die Logik der Vergangenheit, Ostasiatischer Lloyd vom 6. Januar 1905, S.16) an der Arbeit, die mit systematischer Genauigkeit Schritt fur Schritt die chinesische Lebensauffassung mit der europäischen abzugleichen suchen, so ist ihr Häuflein doch nur sehr schwach, und unter ihnen gibt es leider nicht wenige, die selbst mit schwerfälliger Halbheit zu Werke gehen. Wenn das zur gesunden Entwicklung notwendige Gleichgewicht in China erhalten werden soll, so sind Männer erforderlich, die in sachgemäßer Erkenntnis des eigenen Werdeganges und auf Grund einer nach Ursache und Wirkungen geklärten Weltgeschichte verstehen, sich in die jungfräulichen Verhältnisse hineinzudenken und zugleich die Blüten einer jahrtausende alten Kultur schätzen und lieben zu lernen. Diese wissenschaftliche Überlegenheit über und erne numerische Gleichheit mit den Söhnen des Mikadoreiches allein können jene Früchte zeitigen, die wir (Deutsche) in China erwarten." Die Aufgaben, die uns Deutschen in dieser Kolonie auf diesem wichtigsten Gebiet des Kulturlebens modemer Völker, dem Erziehungswesen, gestellt sind, lassen sich nach dem Vorhergehenden kurz zusammenfassen. Soll deutscher Einfluß über die engen Grenzen unseres Gebietes hinaus in Shandong, sich bahnbrechen, so gilt es, den Mächten, die dort am Werke sind, durch planmäßige und tatkräftige Interessenvertretung ein Gegengewicht zu schaffen. In unserer Kolonie dürfen wir uns nicht wie in Hongkong darauf beschränken, solche Chinesen heranzuziehen, die in der Schulbildung nur das Rüstzeug zu einem leichteren Lebensunterhalte finden, wir sollen vielmehr in umfassender Weise auf Geist und Charakter einwirken und das Mittel sein zu einer Durchtränkung der ganzen Provinz, des von Qingdao wirtschaftlich abhängigen Hinterlandes mit deutschem Wissen und deutschem Geiste. So 12 In Europa befanden sich um 1908 ca. 500 chinesische Studenten, davon studierten in Deutschland ca. 77, siehe Wang Qisheng 1992:57. Der „Club chinesischer Studenten in Deutschland" zählte zum Zeitpunkt seiner Gründung 1902 insgesamt zwanzig Mitglieder, vgl. Felber/Hübner 1988:148.

450 leicht wie der englischen Kolonie ist unsere Aufgabe nicht mehr. Je größer der Vorsprung ist, den andere vor uns gewonnen haben, um so gründlicher muß unsere Arbeit einsetzen, damit wir uns den Anteil an dem wirtschaftlichen Wohlstand, der unserem Aufwand und unserer Stellung entspricht, noch sichern. Der Anfang ist gemacht, nicht, wie sonst wohl in China, mit der Universität oder dem College, sondern mit einer nach modern pädagogischen Prinzipien geleiteten Elementarschule, der Wurzel und Quelle aller Bildung. Ist sie auch bestimmt, vorbildlich zu wirken und allmählich die anderen Privat- und Gemeindeschulen des Gebietes zu verdrängen, so ist sie doch nicht nur Selbstzweck; sie soll das Material liefern, fur die höheren Schulen, Missionsund Staatsschulen, an erster Stelle für die Lehrer-Seminare, deren Einrichtung nach heimischer Methode, wohl einer der besten, ins Auge gefaßt werden wird. Hier soll der Same ausgestreut werden, dessen Frucht in der Provinz aufzugehen bestimmt sind, von hier sollen die Männer ausgehen, welche das hier eingeführte Erziehungssystem über die Nachbarprovinz verbreiten. Die Erziehung der Volkslehrer ist das Ziel, dessen Erreichung an erster Stelle uns obliegt; können wir uns auch nicht der Gründung wissenschaftlicher Schulen und höherer Fachschulen für gewisse Berufszweige entziehen, so sollte darüber doch niemals dasjenige, was wichtiger ist, nämlich die Ausbildung eines nach deutscher Methode geschulten, deutsche Gründlichkeit im chinesischen Mutterlande verbreitenden Lehrerstandes versäumt werden. Fangen wir in unserer Kolonie stets von der Wurzel an, beschränken wir uns auf eine aus chinesischem Wesen hervorgegangene und auf chinesischer Kultur beruhende, jedoch mit deutschem Ideengehalt und deutscher Methode durchsetzte Bildung; enthalten wir uns allen störenden Beiwerks, welcher der Natur der Elementarbildung widerspricht und zur Halbheit und Verflachung führt, wie Erlernung fremder Sprachen; befolgen wir nach heimischem Vorbilde bei allen hier im Laufe der Zeit entstehenden Bildungsanstalten für Chinesen ein systematisches Vorgehen, eine organische Entwicklung, bei der eine Anstalt sich aus der anderen loslöst oder auf die andere aufsetzt; vor allem trachten wir mit unseren kulturellen Einrichtungen für Chinesen genau wie bei wirtschaftlichen Dingen über die engen Grenzen des Schutzgebietes hinaus und fassen als Ziel mehr die Millionen des deutschem Einfluß zu gewinnenden Hinterlandes ins Auge als die dieser Aufgabe gegenüber doch nur geringen Interessen des Schutzgebietes selbst; so wird es uns bei unermüdlicher, rastloser Arbeit noch gelingen, in die Schichten des chinesischen Volkes hineinzudringen; den Strom bildungsbedürftiger Jugend, der jetzt über Qingdao hinweg seinen Weg nach Japan nimmt, in unseren Mauern zurückzuhalten; die Sympathien des Volkes zu gewinnen und damit auch materielle Erfolge. Nur in kurzen Zügen mag der weitere chinesische Studiengang, welcher für die Kolonie in Aussicht genommen werden soll, angedeutet werden. Derjenige, welcher die Volksschule mit Erfolg absolviert hat, wird drei Möglichkeiten zu seiner weiteren Ausbildung vor sich haben: Entweder er besucht

451 a) die vorhandenen Missionsseminare, die ihrem Zwecke entsprechend neben einer Vertiefung in die chinesische Literatur eine Kenntnis des Christentums und europäischer Wissenschaften vermitteln; oder er nimmt Teil an dem b) noch vom Gouvernement einzurichtenden Fortbildungsunterricht, welcher die Heranbildung von Kommis 1 3 , Schroffs, Kompradors 1 4 , technischer Zeichner, Werkmeister bei der Bahn, in Fabriken und industriellen Unternehmungen bezweckt und deshalb neben einer Fachausbildung das Gewicht auf Erlernung des Deutschen legt, soweit es für den Hausgebrauch erforderlich ist; oder aber er tritt in die c) vom Gouvernement zu gründenden Seminare ein. Können fiir die Fortbildungsschulen 2 Jahre angesetzt werden, so wird dem Seminar ein Kursus von 4 Jahren zu Grunde gelegt werden müssen. Der Schulplan des Seminars umfaßt gründliche Beherrschung der chinesischen Literatur, Pädagogik im modernen Sinne, Deutsch in den oberen Klassen, Arithmetik, Geographie, Geschichte und Naturwissenschaften. Eine besondere Selekta mag der Vertiefung in die deutsche Sprache dienen und das Bindeglied zwischen dem hauptsächlich chinesischen Studiengang und dem europäischen Lehrplan der Hochschule sein. Die Schüler des Seminars sollten soweit gebracht werden, daß sie zur Ablegung des Juren-Examens 15 fähig sind. Ist der Schul- und Lehrplan erst so weit gediehen, so wird es unvermeidlich sein, daß eine höhere Schule für Fachwissenschaften gegründet wird. Der Studiengang könnte nach Art der deutschen Universitäten unter Anpassung an das englischen Hochschulen eigene Aufsichtssystem - dem Alter und der Bildungsstufe der Zöglinge entsprechend - eingerichtet werden. Dazu miißten auch Schüler von auswärts, welche über hinreichende Vorkenntnisse verfugen, zugelassen werden. Ich stelle mir vor, daß an dieser höheren Schule Vorträge staatswissenschaftlichen, philosophischen, medizinischen, historischen Inhaltes durch dazu geeignete Beamte des Gouvernements und Zivilpersonen, unter Umständen gegen Entschädigung (nach Art der früheren Vorträge auf der Tokio-Universität durch Ausländer), stattfinden und im übrigen die Schüler unter Aufsicht deutscher und chinesischer Lehrer zum selbständigen Arbeiten angehalten werden. Praktische Kurse für Medizin könnten im Faberhospital, 16 für

13 Frz. „Handlungsgehilfe" 14 Chinesische Kaufleute, die als Zwischenhändler zwischen ausländischen Händlern in den geöffneten Häfen und den chinesischen Käufern bzw. Lieferanten im Landesinnern füngierten. Fast der gesamte China-Handel hing von den Kompradoren ab, vgl Spence 1990:224. 15 Mittlere Stufe des dreigliedrigen klassischen Prüfüngssystems. Die Juren-Prüfüngen wurden von den Provinzen durchgeführt. Das Bestehen der Provinzprüfüngen bedeutete in der Regel die offizielle Ernennung zum Beamten in der kaiserlichen Administration. Die Priifüngen auf der Kreisebene (Shengyuan) waren hingegen nicht ausreichend für eine Anstellung in der Administration. Das Bestehen der Priifüngen in der Hauptstadt (Jinshi) ermöglichte den Aufstieg in die höchsten Positionen der Regierung. 16 Das Faberhospital wurde von dem in Qingdao tätigen Missionsarzt des Allgemeinen Evangelisch-protestantischen Missionsvereines Dr Ernst Faber geplant und nach seinem Tode 1901 als „Faberhospital" gegründet. Es war das erste Missionskrankenhaus für die chinesische Bevölkerung in Kiautschou und konnte ca. hundert Patienten stationär betreuen, vgl. Eckart 1989:119-128.

452 Lehrer im Seminar eintreten; ferner könnten Strafrecht, bürgerliches Gesetzbuch, Zivilprozeßordnung und andere wichtige Gesetze praktisch durchgesprochen und anhand von Prozessen der Bezirksämter eingeübt werden. Hierdurch würden wir einen entscheidenden Einfluß auf chinesisches Denken und chinesische Reformen gewinnen. Daß aber neben dem persönlichen Unterricht eine reiche Auswahl von Lehrmitteln, Bibliotheken, Karten, vor allem Sammlungen von Modellen auf allen Gebieten der Erfindungen, der technischen und industriellen Leistungen und Vervollkommnungen vorhanden sein müssen, ist selbstverständlich. Über die Verwirklichung des letzteren Gedankens, der unabhängig von den Schuleinrichtungen sich durchführen läßt, werde ich noch besonders berichten. Ich verhehle mir nicht, daß der konservative, bäuerischen Verhältnissen entsprungene Chinese des Schutzgebietes nicht ohne weiteres für diese Schulpläne zu gewinnen sein wird. Pflegte doch auch der verstorbene Bischof von Anzer zu erzählen, daß nach Errichtung seiner höheren Schule,17 welche auf direkte Anregung und unter Mitwirkung der chinesischen Provinzialbehörden erfolgte, sich kein Schüler eingestellt und er deshalb kurz entschlossen zuerst Leute von der Straße aufgelesen und auf die Schulbank gesetzt habe, nur um beginnen zu können. Erst allmählich seien Schüler eingetroffen. Es ist ins Auge zu fassen, ob nicht früher oder später auch eine Art Schulzwang fur Chinesen im Schutzgebiet eingeführt wird. In diesem Punkte sollen Erhebungen angestellt werden. Zur Durchführung dieses Lehrplanes erachte ich 10 Jahre für hinreichend. Nach dem chinesischen Neujahr werden zunächst 2 Klassen in Taidongchen und für den Landbezirk in Fahaisi eröffiiet. Die graduelle und organische Erweiterung erfolgt jährlich. Die geringen Kosten werden von der Gemeinde Taidongchen aufgebracht und für den Landbezirk aus der erhöhten Grundsteuer gedeckt. Aus dem Ertrage der Grundsteuer von ungefähr $20.000 jährlich (früher $ 5-6.000) ist ein kleiner Betrag bis zu $5.000 in diesem Jahre für Bedürfnisse der Landgemeinde (Wegebau, Deichbau, Schulen usw.) zur Verfügung gestellt worden - Bericht vom 8. Oktober 1904 - 4969 Β -, über dessen Verwendung noch berichtet und dessen künftige Erhöhung besonders beantragt werden wird. Die Absicht ist, die Gemeinden für die Kosten vorläufig selbst aufkommen zu lassen; indes kann dieses, falls die Einrichtung einen größeren Umfang annimmt, nur zum Teil geschehen, und eine Beihilfe des Reiches ist unerläßlich. Mit der Zunahme der eigenen Einnahmen des Schutzgebietes wird es möglich sein, gewisse Summen für derartige Kulturaufgaben der Kolonie zur Verfügung zu stellen. Es ist anzunehmen, daß, sollte die Kolonie sich weiter so entwickeln wie bisher, in drei Jahren eine Million Mark an eigenen Einnahmen aufgebracht wird. Könnte von diesen Einnahmen jährlich 5%, d.h. bei einer Million eigener Einnahmen 50.000 Mark für chinesische Erziehungs- und Lehrzwecke hergegeben werden, so ist anzunehmen, daß der oben skizzierte Plan sich ohne Beschwerden in der vorgeschlagenen Zeit durchführen läßt. Aus dieser Summe würden die Unterhaltungskosten der Volksschule, des Seminars, der Fachschulen,

17 Hier ist wahrscheinlich die Mittelschule des SVD in Yanzhoufu gemeint, die 1902 eröffnet wurde, siehe hierzu und zu anderen Schulen der Steyler Mission Einleitung zu Kapitel 8 sowie Dok. 136.

453 der höheren Schule und die Prämien für gute Leistungen der Missionsschulen und des Faberhospitals bestritten werden. Denn daß auch diese Schulen für die im Interesse und zum Wohle der Kolonie aufgewendete Mühe je nach den Leistungen Anspruch auf Entschädigung haben, erscheint recht und billig. Einen genauen Lehrplan des Seminars, der Fachschule und der Hochschule jetzt schon beizufügen, würde verfrüht sein, obwohl gewisse Grundsätze hier bereits niedergelegt sind. Soviel läßt sich sagen, daß weder der von dem Committee of the Educational Association aufgestellte Stundenplan (Standard Course of Study in English and Chinese) noch die von dem Education Bureau in Shanxi verfolgte Methode (Annual Report 1903) als deutscher Art entsprechend übernommen werden können. Wir werden systematischer vorzugehen haben. An Männern fehlt es der Kolonie augenblicklich nicht mehr, welche diesen Bestrebungen Interesse und Verständnis entgegenbringen und welche die Fähigkeiten besitzen, den Gedanken einer chinesischen Volkserziehung und Volksbeeinflussung von der Kolonie aus auf breitester Grundlage zu verwirklichen. E.E. bitte ich die generelle Zustimmung zu diesem Plane und zur Bereitstellung von Mitteln zu erteilen und mich zu ermächtigen, für die nächsten Jahre die etatmäßige Verrechnung der anzufordernden Summen im Rahmen des eben entwickelten Planes und im Verhältnis zu den eigenen Einnahmen der Kolonie vorzunehmen. Zum Schluß melde ich gehorsamst, daß die Sache vom Herrn Gouverneur Truppel angeregt worden ist und daß ich annehme, daß diese immerhin wichtige Angelegenheit dem Herrn 18 Gouverneur zur Stellungnahme zugesandt werden wird. Der Kaiserliche Gouverneur. In Vertretung gez. Jacobson. BAP, DBC, Nr. 1241, Bl. 198-219.

128 Schreiben des Staatssekretärs des Reichsmarineamts, Tirpitz, an das Auswärtige Amt (4.10.1907) Berlin, den 4. Oktober 1907 Von der Anregung des Kaiserlichen Gesandten in Peking hinsichtlich der Begründung höherer deutscher Bildungsanstalten für Chinesen in Qingdao habe ich mit Interesse Kenntnis genommen. Die Vorschläge des Gesandten berühren sich mit Plänen, die meinerseits bereits seit einer Reihe von Jahren erwogen werden. Ich beabsichtige in der Tat im Sinne der vom 18 Gouverneur Truppel befand sich 1905 auf Heimaturlaub in Deutschland.

454 Gesandten angeführten politischen Erwägungen alsbald vorzugehen und die mir unterstellte Verwaltung des Schutzgebietes fur die Schaffung einer Bildungsstätte größeren Stiles im Interesse unseres Einflusses in China zur Verfügung zu stellen. Eure Exzellenz werden aber mit mir die Schwierigkeiten nicht verkennen, die sich durch die Anforderung erheblicher Etatmittel sowie durch die administrative Belastung der Schutzgebietsverwaltung ergeben, und ich vermag deshalb das geplante Unternehmen nur dann ins Leben zu rufen, wenn auch Euer Exzellenz dasselbe in jeder Weise fördern und insbesondere die Organe des Auswärtigen Dienstes in ganz China anweisen, die neue Organisation nach Kräften zu unterstützen. Insbesondere erscheint es als eine Vorbedingung der Lebensfähigkeit und besonders der gewünschten politischen Wirksamkeit der geplanten Bildungsanstalten, daß von vornherein sowohl die chinesische Zentralregierung als [auch] die wichtigsten Provinzgouvemeure über die Zwecke und Vorzüge der geplanten Anstalten aufgeklärt und soweit an denselben interessiert werden, daß sie ihnen geeignetes Schülermaterial zuweisen und für die Anerkennung der in Qingdao abzulegenden Prüfungen und das spätere Vorwärtskommen der dortigen Schüler nach Möglichkeit Sorge tragen. Demgegenüber würde ich es für zulässig und sogar für erwünscht erachten, die zuständigen chinesischen Behörden von vornherein bei der Aufstellung der Lehrpläne usw. mitwirken zu lassen. Da die Erfahrungen, welche China mit seinen nach Japan, aber auch mit den nach Europa entsandten Studenten gemacht hat, soweit hier bekannt, nach verschiedener Richtung recht unerfreuliche sind, so möchte ich annehmen, daß es möglich sein müßte, die genannten chinesischen Regierungsstellen für unser Unternehmen zu interessieren. Ich beabsichtige deshalb, den künftigen Leiter der Schule, der eine wissenschaftlich hervorragende und auch bei den Chinesen selbst in Ansehen stehende Persönlichkeit wird sein müssen, zu beauftragen, sich gleich bei Beginn seiner Tätigkeit mit den für das Unterrichtswesen zuständigen chinesischen Stellen ins Benehmen zu setzen, und bitte Euer Exzellenz schon jetzt, ihm zur Erreichung dieses Zweckes die Unterstützung des Kaiserlichen Gesandten und der Kaiserlichen Konsuln zuteil werden zu lassen. So sehr ich auch meinerseits den politischen Zweck des ganzen Unternehmens für maßgebend erachte, scheint es mir doch angezeigt, nach außen hin, nicht nur den Chinesen und dritten Mächten gegenüber, sondern auch bei der Vertretung der Forderungen im Reichstage jenes Moment tunlichst ganz zurücktreten zu lassen und lediglich die kulturellen Ziele der geplanten Maßnahmen in den Vordergrund zu stellen, die übrigens sich mit Anschauungen decken, die in der Budgetkommission des Reichstages selbst bereits hervorgetreten sind. Für den Etat 1908 habe ich zunächst unter den laufenden Ausgaben 75.000 Μ und unter den einmaligen Ausgaben 300.000 Μ als Pauschalforderungen eingestellt. Die erstere Summe wird sich in den folgenden Jahren mit dem weiteren Ausbau der Schulen naturgemäß steigern. Beabsichtigt sind, ohne daß ich einen endgültigen Plan schon jetzt festlegen will: 1. eine Realschule, 2. eine technische Schule mit Abteilungen für Schiffs- und Maschinenbau, Hochbau, Eisenbahnwesen und Bergbau, 3. eine Medizinschule. In bezug auf diese würde es allerdings erwünscht sein, die deutschen Anstrengungen auf das deutsche Schutzgebiet zu konzentrieren und die jetzt auf die

455 Medizinschule in Shanghai verwandten Mittel und Kräfte gleichfalls zur Stärkung des neuen Unternehmens zu verwenden, da in Qingdao die sachlichen und personellen Verhältnisse nicht nur günstiger sind wie in Shanghai, sondern vor allem die deutsche Arbeit dort deutlicher in Erscheinung tritt als in dem internationalen Settlement des letztgenannten Ortes. 4. Eine Verwaltungs- und Rechtsschule. Für eine solche Anstalt, die sich insbesondere die praktische Einführung in europäische, insbesondere deutsche Verfassungs- und Verwaltungseinrichtungen, in das Etatwesen, Finanzrecht, Eisenbahnrecht usw. zur Aufgabe setzen muß, scheint bei den Chinesen ein besonders starkes Bedürfnis vorzuliegen, und ich möchte gerade von dieser Schule den unmittelbarsten politischen Einfluß erwarten. Voraussetzung wird namentlich auch hier die Mitwirkung der chinesischen Regierungsstellen sein müssen, um jeden Verdacht von vornherein zu verbannen, als ob auf der deutschen Anstalt ähnlich wie auf den japanischen Universitäten politisch unbequeme Elemente großgezogen würden. Vielmehr hoffe ich, daß gerade infolge der ungünstigen Erfahrungen mit den in Japan Studierenden eine gewisse Neigung der chinesischen Behörden fur unsere, in gemäßigt-konservativem Sinne zu organisierende Verwaltungsschule vorhanden sein wird. 5. Eine Forst- und Landwirtschaftsschule. Eine solche wird von dem Kaiserlichen Gouverneur nach einem jüngst eingegangenen Telegramme gerade zum gegenwärtigen Zeitpunkt fur günstigst erachtet, da die Gouverneure von Shandong und Mukden deutsche Hilfe fur die Aufforstung ihrer Provinzen erbeten haben, um die bisherige japanische Hilfskraft entbehrlich zu machen. Der Kaiserliche Oberförster des Schutzgebietes hat das Projekt einer solchen Schule bereits in Jinanfu und in Mukden besprochen. Über alle Einzelheiten behalte ich mir je nach dem Fortschreiten der Vorarbeiten weitere Mitteilungen ergebenst vor. Schon jetzt aber beehre ich mich, Eure Exzellenz um Zusicherung Ihrer Unterstützung der geplanten Organisation zu bitten, gez. von Tirpitz ΒAP, DBC, Nr. 1258, Bl.3-5.

129 Schreiben des Sonderbeauftragten Otto Franke an den Staatssekretär des Reichsmarineamts, Tirpitz (18.7.1908) Peking, den 18. Juli 1908. Die Verhandlungen über die Schulangelegenheit nahmen in der Sitzung vom 9. d.M., in der vor allem die Frage eines Kostenbeitrages der chinesischen Regierung erörtert werden sollte,

456 eine unerwartete Wendung.19 Nachdem wir mehrere Punkte von geringerer Bedeutung durchgesprochen hatten und auch zu einem Einvernehmen darüber gekommen waren, erklärten die beiden Vertreter Zhang Zhidongs 20 , daß die Frage einer finanziellen Unterstützung der Schule durch China sich leicht werde regeln lassen, jedoch von Zhang an zwei Bedingungen geknüpft würde, nämlich daran, daß die Anstalt nicht in Qingdao, sondern in Jinanfu errichtet würde und daß sie ferner neben dem deutschen Direktor, der den europäischen Unterricht zu leiten habe, einen chinesischen zur Leitung des chinesischen Unterrichts erhielte. Bei Annahme dieser Bedingungen würde ein jährlicher Kostenbeitrag bis zur Hälfte der im ersten deutschen Entwürfe angesetzten laufenden Ausgaben, also etwa 40.000 M, geleistet werden. Ich erwiderte hierauf, daß ich auf dieser völlig neuen Grundlage nicht weiter verhandeln könne und daß namentlich die erste Forderung ein gänzlich verändertes Unternehmen darstelle, daß ohne besondere Weisung Eurer Exzellenz für mich überhaupt nicht erörterungsfahig sei. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, daß die beiden neuen Forderungen nicht ganz ernst gemeint wären, sei es, daß Zhang Zhidong sie unter dem Drucke des wenig günstig gesinnten Waiwubu [Außenministeriums] gestellt hatte, sei es, daß sie ein taktisches Manöver bedeuteten, bei dem später gegen Aufgabe der ersten Forderung Zugeständnisse hinsichtlich des chinesischen Direktors eingehandelt werden sollten. Der Sitzung wohnte ein Beamter des Waiwubu bei, der allen Vorschlägen gegenüber eine verdrossene und ablehnende Haltung einnahm, ein Umstand, der die obige Vermutung bestärkte. Ich habe jedoch geglaubt, Eure Exzellenz für alle Fälle um den chinesischen Kostenbeitrag bitten zu sollen. Desgleichen erbat und erhielt ich von dem Kaiserlichen Gesandten die Erlaubnis, in seinem Auftrage während der nächsten Sitzung die in Abschrift beigefugte schriftliche Erklärung zu übergeben, in der auf die beiden genannten Forderungen nur versteckt hingedeutet wurde. Die nächste Sitzung fand gestern statt. Nachdem ich den Sekretären auf ihr Befragen wiederholt erklärt hatte, daß die Errichtung der Anstalt in Jinanfu für mich außerhalb des Bereichs der Erörterung liege, ließen sie kurzerhand die Forderung fallen, behaupteten aber, dafür auf der Ernennung des chinesischen Direktors bestehen zu müssen. Um diesen Punkt entspann sich nunmehr eine lange und lebhafte Debatte. Da nach den Weisungen Eurer Exzellenz vom 2. April21 eine unmittelbare Teilnahme an der Leitung und Verwaltung der Anstalt den Chinesen nicht zugestanden werden sollte, so stellte ich mich auf den Standpunkt, daß eine Schule mit gleichberechtigten Direktoren nach deutschen Begriffen ein Unding sei, daß eine solche Doppelköpfigkeit die Einheit der Organisation zerstöre, Mißhelligkeiten herbeiführen müsse und das Gedeihen der Anstalt ernstlich in Gefahr bringen würde. Nach Abgabe der schriftlichen Erklärung wurde schließlich folgender Kompromiß vereinbart: Der Direktor (deutscher) ist der alleinige Leiter der Anstalt, die Chinesen haben das Recht, unter ihm 19 Die Verhandlungen über die Statuten für die zu gründende höhere Bildungsanstalt fanden seit Mai 1908 in Peking statt, siehe Einleitung zu Kapitel 8. 20 Die konkreten Verhandlungen mit Otto Franke fährten zwei Sekretäre aus dem Erziehungsministerium, Yang Xingxian und Chen Zengshou, siehe Stichler 1989:276. 21 Nicht in den Akten.

457 einen Studieninspektor zu bestellen, dessen genau abgegrenzte Funktionen folgende sind: Berichterstattung an die chinesische Behörde über den vertragsmäßigen Betrieb der Anstalt, Aufsicht über den chinesischen Unterricht, der einheimischen Lehrer und Überwachung der chinesischen Studien der Schüler. Es läßt sich nicht leugnen, daß es besser gewesen wäre, wenn man die Anstalt von einem solchen Zwitterwesen hätte freihalten können, aber seine Zulassung ist der Mindestpreis, der fur den Kostenbeitrag der chinesischen Regierung zu zahlen war. Zudem braucht man seine Bedeutung bei geschickter Behandlung und gutem Schülermaterial nicht eben hoch einzuschätzen. Der Kostenbeitrag (abgesehen von Schulgeld) soll nunmehr auf etwa 40.000 Μ jährlich fur 10 Jahre festgesetzt werden; entwikkelt sich die Anstalt gut, so kann nach einigen Jahren eine Erhöhung in Frage kommen. 22

Uber die sonstigen in meinem Berichte No.3 vom 24. Juni erwähnten Streitpunkte sind vorläufig folgende Vereinbarungen getroffen. Die Überweisung der Schüler durch die Unterrichtsbehörde von Shandong hat sich als verwaltungstechnisch notwendig erwiesen, da die Anstalt oder das Gouvernement nicht mit allen Provinzialregierungen unmittelbar verkehren kann. Das Unterrichtsministerium wird aber die letzteren von der Errichtung der Anstalt in Kenntnis setzen, damit diese auch Schüler aus anderen Provinzen erhält wenngleich auch nach Ansicht des Ministeriums die Dialektverhältnisse hier eine natürliche Grenze ziehen. Die Rechte des Gouvernements auf Zuweisung von Schülern, namentlich aus den Kreisen der Bevölkerung des Pachtgebiets, sind anerkannt worden; nur soll die Unterrichtsbehörde von Shandong die Befugnis haben, die Prüfung der Aufzunehmenden im Chinesischen zu überwachen. Auch das Recht des Gouvernements, Lehrer fur die chinesischen Wissenschaften auszuwählen, ist anerkannt. Die Frage der Berechtigung der Schüler, die mit dem Abgangszeugnis die Anstalt verlassen, war nicht leicht zu lösen, da die Chinesen hier angeblich durch Kaiserliches Statut gebunden waren. Außerdem ist es eine von Zhang Zhidongs Lieblingsideen, die ihre Wurzel in der Erinnerung an das alte literarische Prüfungssystem hat, daß in Peking und nur hier allein, eine bevorrechtigte Reichs-"Universität" bestehen müsse, in die alle „Hochschulen" des Landes die Schüler zu entsenden hätten. Trotz aller Bemühungen ist es vorläufig nicht gelungen, der Anstalt in Qingdao eine Ausnahmestellung zu erringen: Die von ihr Abgehenden müssen, wenn sie einen literarischen Grad erwerben wollen, zunächst um Aufnahme in die „Universität" nachsuchen, wozu ihnen das Abgangszeugnis die Berechtigung gibt; später können sie dann die Prüfung um den Grad ableisten. Der Versuch, die Abgehenden mit den aus dem Auslande zurückgekehrten Studenten gleichzustellen, die ohne weiteres die Gradprüfung ablegen können, scheiterte ebenfalls an dem Hinweis auf das „Statut". Dafür ist aber wenigstens die wichtige Zusicherung eingetauscht worden, daß die von den Abgehenden, die nicht willens oder nicht imstande sind, in die „Universität" einzutreten, auch ohne dies fur die Verwendung im Staatsdienste Berücksichtigung finden sollen. Bei dem ganz unfertigen Zustande des chinesischen Unterrichtswesens ist eine spätere Abänderung oder Erweiterung dieser Berechtigungen nicht ausgeschlossen. 22 Siehe Franke an Tirpitz, 24.6.1908, BAP, DBC, Nr. 1257, B1.134ff.

458 Jedenfalls hat die Anstalt schon jetzt Vorrechte erhalten, wie sie kein anderes fremdes Lehrinstitut in China besitzt, die einzige bisher noch staatlich überhaupt anerkannte Schule, das anglo-amerikanische Union Medical College in Peking 23 , das auf viel kleinerer Grundlage ruht, mit eingeschlossen. Die Verhandlungen haben über allen Zweifel dargetan, daß fur Zhang Zhidong der Plan der Kaiserlichen Regierung ganz außerordentlich gelegen gekommen ist und daß er große Hoffnungen auf ihn setzt zur Überwindung der Schwierigkeiten, die ihm die Neuordnung des höheren Unterrichts bietet. Auch das Waiwubu hat - aus Gründen, die ich noch nicht habe feststellen können - seinen Widerstand offenbar aufgegeben. Sein Vertreter, der auch der letzten Sitzung wieder beiwohnte, nahm diesmal bei Ausgleichung der Schwierigkeiten regen Anteil, und es bedurfte nicht einmal einer Anregung, um die Chinesen zu dem Vorschlage zu veranlassen, unseren Vereinbarungen in den nächsten Tagen die endgültige Fassung und durch Notenaustausch zwischen dem Kaiserlichen Gesandten und dem Waiwubu die vertragliche Form zu geben. Nach diesem Austausch beabsichtige ich, nach Qingdao zurückzukehren, um dort die Denkschrift über die Errichtung der Anstalt auszuarbeiten. Voraussichtlich werde ich mich dann im September noch einmal für einige Zeit nach Peking zur Besprechung mehrerer Einzelheiten begeben müssen. Dem Kaiserlichen Gouverneur berichte ich gleichlautend. Abschrift habe ich dem Kaiserlichen Gesandten überreicht, gez. Otto Franke ΒAP, DBC, Nr. 1258, Bl. 158-163.

130 Ausführungen des Publizisten Paul Rohrbach (1909) [,..]24 Auf diese ganze Religions- und Geisteswelt trifft jene weiter oben gegebene Charakteristik als des nach Art und Wesen nur dem Begriff der Antike adäquaten Daseins ebensosehr zu, wie auf die Formen, in denen sich Wirtschaft, Verwaltung, Rechtspflege, Wissen-

23 Das „Peking Union Medical College" wurde 1906 als Einrichtung amerikanischer protestantischer Missionare gegründet und bildete auch in kleinerem Umfang chinesische Ärzte aus, vgl. Eckart 1989:143. 24 Die folgenden Ausführungen entstammen dem ersten Kapitel der Schrift von Rohrbach mit dem Titel „Das Chinesische Problem". Darin wiederholt er eine auf Ranke und Hegel zurückgehende Auffassung, daß China sich seit Jahrhunderten in einem Zustand ausbleibender historischer Entwicklung und der Stagnation befinde. Der folgende Absatz faßt diese Argumentation noch einmal zusammen. Zu diesem sehr dominanten Chinabild vgl. Leutner 1987:405ff, Mackerras 1991:50ff.

459 schaft und soziales Denken von Anbeginn bis auf den heutigen Tag in China bewegt haben. Daran haben auch die vielen äußeren und inneren Erschütterungen nichts geändert, die das Land im Lauf der vier Jahrtausende, während derer wir seine Geschichte verfolgen können, durchgemacht hat. Nichts wäre verkehrter, als sich China seit Vorzeiten in einem äußeren Beharrungszustande befindlich vorzustellen. China hat etwa in der Mitte seiner bisherigen Geschichte den tiefgreifenden Übergang vom Lehns- und Feudalwesen zur absolutistischpatriarchalischen Beamtenregierung erlebt; es ist Jahrtausende lang abwechselnd in ein großes Staatswesen geeint und wieder in eine Menge von Teilherrschaften aufgelöst gewesen; es hat Zeiten des nationalen Aufschwungs und der Fremdherrschaft gesehen, hat sich der Nomadenwelt im Osten und Norden abwechselnd mit Glück erwehrt und ist dann wieder eine Beute der Hochasiaten geworden; es hat in der Wissenschaft und den Künsten des Friedens eine lange Entwicklung erlebt, hat in ihnen geblüht und ist in Verfall gesunken - aber nie sind dabei in den Mutterboden seiner Zivilisation Keime gesenkt worden, die emporwachsend und sich ausbreitend eine wesenhafte Veränderung seiner inneren Struktur angebahnt und eine innere Krisis über das historisch fest gewordene Wesen dieses Volkstums heraufgefiihrt hätten. Für den Westen bezeichnen diese Epochen des Altertums, des Mittelalters und der Neuzeit jedesmal eine prinzipiell andersartige Orientierung des Menschen gegenüber den Fragen der Natur- wie denen der Geisteswelt, mit allen daraus entspringenden Folgeerscheinungen auf dem Gebiet der Religion, der Moral, der Politik, des Wirtschaftslebens, und der sozialen Daseinsform. Das ist es, was dem chinesischen Volke bisher fremd gewesen ist - und die Tatsache, daß es sich jetzt zum ersten Male sehenden Auges und mit überwältigender Plötzlichkeit für ein subjektives Empfinden in das ungeheure Erlebnis einer elementar herandrängenden zwangsweisen Umwertung seiner alten Kulturwerte hinein geschleudert sieht: das ist es, was wir das Chinesische Problem genannt und was wir als eine der großen konstitutiven Umwälzungen der Weltgeschichte bezeichnet haben. Vor der Macht des Neuen, das China jetzt bevorsteht, werden die alte chinesische Religion, der Familienglaube, die Philosophie, die Naturanschauung, die Staats- und Gesellschaftsverfassung, wird mit einem Wort der ganze, wenn auch in der Gegenwart verarmte, so doch alte und einheitliche Kulturbesitz Chinas in eine Erschütterung geraten, deren Ausgang und deren Folgen bei den Dimensionen, die der jetzt eben sich entspinnende Prozeß annehmen wird, noch fur niemanden übersehbar sind. Je mehr es den Chinesen gelingt, das Neue an das Alte zu knüpfen und eins mit dem andern innerlich durch organisch einwachsende Übergangsformen zu verbinden, desto mehr dürfen nicht nur sie, sondern auch wir hoffen, daß die Krise nicht zur Katastrophe wird. Für die abendländisch-christliche Kultur und die autonom-imperativische Idee des Christentums handelt es sich dabei um ein Großes: zu sehen und zu begreifen, was ein mächtiger historischer Moment - der größte, seit zum ersten Mal von Jesus in griechischer Sprache gepredigt wurde - bietet und fordert. [...]

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25 Nach der Analyse des „chinesischen Problems" stellt Rohrbach fest, daß auch in China selbst die Notwendigkeit von Reformen inzwischen aufgrund der offenkundigen Unterlegenheit gegenüber dem fortgeschrittenem Westen erkannt werde

460 Ob und aufweiche Weise es China gelingen wird, die Krise, in der es sich befindet, auch nach ihrer ethisch-religiösen Seite hin glücklich zu überstehen, das wird in erster Linie davon abhängen, wie es mit einer Sache fertig wird, die noch viel schwieriger ist als Verwaltungsund Finanzreformen: Gewinnung einer organisch verbindenden Methode in der Aneignung der vaterländisch-chinesischen und der modernen westlichen Bildung. In dieser Frage liegt der innerste und härteste Kern des heutigen Chinesischen Problems verborgen. Für die Chinesen wie für uns Abendländer, namentlich uns Deutsche, ist es dabei gleich bedeutsam, auf welche Weise die Fragen, die sich aus der Auseinandersetzung Chinas mit der europäischen Wissenschaft bisher ergeben haben und noch ergeben werden, von den europäischen Nationen begriffen und praktisch angefaßt werden. So wichtig die technischen Kulturfragen sein mögen: Militär- und Seewesen, Währungs- und Bankangelegenheiten, Eisenbahnen und Bergwerke, Verwaltungs- und Steuerreform - am wichtigsten von allem ist doch die Zukunft des chinesischen Schulwesens. Wir müssen es daher an dieser Stelle als unsere Aufgabe im besonderen Sinne ansehen, dieses Thema: die Beteiligung der Nationen an der Zukunft Chinas durch Mitarbeit an der Reorganisation des chinesischen Unterrichtswesens, näher zu behandeln. Gerade hier setzen auch unsere Konkurrenten auf dem chinesischen Markt ihre Hebel mit besonderer Energie an. 26 Wir werden sehen, daß sie dabei auch vor Mitteln nicht zurückscheuen, die wir als unfaire bezeichnen müssen, aber es wird gut sein, wenn wir uns von Anfang an darüber klar sind, daß es durchaus nicht nur jene minder loyalen Wege sind, auf denen die anderen uns den Rang in China abzulaufen suchen, sondern daß wir auch auf dem Gebiet des praktischen Verständnisses und der weitblickenden, zugleich patriotischen und geschäftsklugen Opferwilligkeit noch sehr viel von ihnen zu lernen haben. Erst wenn wir das tun, werden auch wir beim Verfolg unserer nationalen Interessen in China daraufrechnen dürfen, einen entsprechenden Aufschwung zu erleben. [...] Wie nun aber sollen wir, angesichts des großen Vorsprunges in der Rührigkeit, der Opferwilligkeit und der großen Mittel der Engländer und Amerikaner - von dem japanischen Wettbewerb ganz abgesehen - es praktisch uns vorstellen, daß wir gleichfalls zu unserem Anteil an der Regeneration Chinas gelangen? Darüber dürfen wir uns keiner Täuschung hingeben: Die Zeit der machtpolitischen Druckmittel China gegenüber ist vorbei, und die Nationen, die sich heute noch nicht von dem Gedanken an diese Methode freimachen wollen, wie die Japaner und Franzosen, werden sich über kurz oder lang zu ihrem Schaden davon überzeugen, daß sie irrten. Es gibt für absehbare Zukunft keinen anderen Weg zur Verfolgung loyaler und legitimer Interessen in China, als die Überzeugung der Chinesen, daß sie durch die nähere Verbindung mit diesem oder jenem unter den westlichen Völkern auch ihren eigenen Vorteil finden. Dabei muß, wie gesagt, der Gedanke an politische Bevormundung oder Kontrolle, sei es ganz Chinas, sei es einzelner Teile des Reichs, mit vollkommener Aufrich26 Rohrbach spielt hier auf das große Engagement insbesondere amerikanischer und englischer Missionare bei der Gründung von Schulen in China an, vgl. hierzu Feuerwerker 1983:165ff. 27 In den hier ausgelassenen Teilen geht Rohrbach nun näher auf die Konkurrenz der Großmächte um kulturellen Einfluß in China ein. Für Rohrbach stellt der kulturelle Einfluß die Basis für wirtschaftlichen und politischen Einfluß in China dar.

461 tigkeit ausscheiden. Es handelt sich, kurz gesagt, darum, die Chinesen davon zu überzeugen, daß sie bei der Riesenarbeit der Reorganisation ihres Staatswesens, die sie im vollen Ernste vorhaben, das beste und solideste Rüstzeug aus der Werkstatt des deutschen Geistes beziehen können. Nur auf diesem Wege wird es möglich sein, neben dem angelsächsischen auch dem deutschen Wesen einen gebührenden Einfluß auf die chinesische Kultur zu verschaffen. Dabei kann es für uns bei kluger Benutzung der Verhältnisse von großer Bedeutung werden, was die vom Studium der westlichen Staaten neuerdings in ihre Heimat zurückgekehrten chinesischen Auslandskommissare betont haben: daß die staatlichen und gesellschaftlichen Einrichtungen Deutschlands von allen europäischen Ländern am meisten annehmbar fur die chinesische Geisteswelt seien! Nur dürfen wir nicht glauben, daß es so einfach sein wird, wirkliche Erfolge in der angestrebten Richtung zu erzielen. Es wird dazu vor allen Dingen eines ähnlich verständnisvollen und bewundernswerten, aber von uns leider erst sehr wenig geübten Zusammenarbeitens zwischen amtlicher Politik, Presse und privater Initiative bedürfen, wie Amerika, namentlich aber England es aufweist; außerdem aber wird sich die öffentliche Meinung bei uns viel eingehender mit den ostasiatischen Angelegenheiten beschäftigen müssen, als es bisher der Fall ist. Man weiß bei uns viel zu wenig von China, und man hat viel zu wenig eine Vorstellung davon, was jetzt in China geschieht, von welcher weltgeschichtlichen Wichtigkeit der Vorgang der Modernisierung Chinas ist und wie tiefgreifend schon in naher Zukunft die Folgen der Beteiligung oder Nichtbeteiligung an diesem Prozeß fur jedes der 28 westlichen Völker sein werden. [.. .] Paul Rohrbach, Deutsch-Chinesische Studien, Berlin 1909, S. 11-12, S. 40-41, S.52-53.

131 Bericht des Erziehungsministers Zhang Zhidong an die Minister des Staatsrats (14.8.1909) 29 Ich, der Verantwortliche fur die Aufsicht über die Höheren Bildungsanstalten, Zhang Zhidong, erlaube mir, in der Angelegenheit der Gründung einer Lehranstalt für die Höhere Spezialausbildung in Qingdao (Provinz Shandong) einen Bericht zu verfassen. Darin möchte ich Eurer Majestät über den Verlauf der Verhandlungen, die vereinbarten Statuten und Gelder Bericht erstatten. Eine Abschrift der Statuten füge ich bei. Unser Ministerium erhielt vom Außenministerium ein Schreiben, in dem berichtet wird, daß Sun Baoqi, unserem Gesandten in Deutschland, eine Note des deutschen Außenministeriums zugestellt wurde. In dieser heißt es, daß in den letzten Jahren die chinesischen Gebil28 Das zweite Kapitel befaßt sich mit Qingdao und den deutschen Erfolgen beim Aufbau der Kolonie. 29 Aus dem Chinesischen Obersetzt von Peter Merker.

462 deten das Studium der westlichen Wissenschaften äußerst hochschätzen würden. Die deutsche Regierung plane deshalb, in Qingdao eine Hochschule einzurichten, an der der chinesische Nachwuchs ausgebildet werden könne. Außerdem solle damit all jenen, die gern ins Ausland gehen, aber nicht über die entsprechenden finanziellen Mittel verfugen würden, die Chance gegeben werden, alle Bereiche des neuen westlichen Wissens auch im Heimatland studieren zu können. Zunächst denke man daran, eine Hochschule mit einem Propädeutikum und vier Fachzweigen, und zwar 1. Ingenieurswissenschaften, 2. Medizin, 3. Staatsrecht, 4. Land- und Forstwirtschaft, einzurichten. Man rechne mit jährlichen Kosten von 75.000 Mark. Für die Inbetriebnahme brauche man 300.000 Mark. Man hoffe darauf, daß die chinesische Regierung sich daran beteiligt und bei der Auswahl von befähigten Schülern hilft. Gleichzeitig soll chinesischerseits garantiert werden, daß das Abschlußzeugnis der Hochschule allgemein anerkannt wird. Wir hatten uns gerade des Falles angenommen, als uns ein neues Schreiben unseres Gesandten in Deutschland erreichte, in dem betont wurde, daß die Absicht der deutschen Regierung, in Qingdao eine Hochschule zu errichten, den lautersten Absichten entspräche. Man würde einen des Chinesischen mächtigen Vetreter nach Beijing zum Aushandeln der Statuten schicken. Das alles wäre als ein Beweis größter Freundschaft aufzufassen, der eine tatkräftige Unterstützung erfordere. Die benötigten Geldmittel könnten aus dem Jahresfond der Zuschüsse fiir die Provinz Shandong entnommen werden. Nun studierte ich alle ähnlich gelagerten Fälle in den Akten unseres Ministeriums. Bisher haben wir alle Schulgründungen von Ausländern nicht zur Registrierung zugelassen. Wir haben die Registrierung verweigert, weil ihre Grundsätze stark von den unsrigen abweichen. Doch bei der jetzigen deutschen Absicht, eine Hochschule in Qingdao zu errichten, handelt es sich um kein Privatunternehmen, sondern um eine Initiative der deutschen Regierung. Auch läßt sich die in Aussicht gestellt hohe Summe sowie die Entsendung eines Sonderbeauftragten zu Unterhandlungen nicht mit den bisherigen Aktivitäten von privaten Schulgründern vergleichen. Wir haben mit dem Außenministerium mehrfach beratschlagt und schließlich entschieden, die Ankunft des deutschen Sonderbeauftragten abzuwarten und dann durch unser Ministerium mit ihm in Verhandlungen zu treten. Sollten keine unlauteren Absichten vorliegen und die Lehrinhalte unseren Bedingungen entsprechen, wollten wir einen Beauftragten zur Überprüfung an die Hochschule senden. Selbstverständlich würden wir danach der Registrierung zustimmen. Außerdem kalkulierten wir die jährlich benötigten Geldmittel. Die Löhne für das Lehrpersonal sollten je nach Lage der Nation festgelegt werden. Auch der Ort für die Prüfungen wurde mit dem Außenministerium vereinbart. Kurz darauf traf der deutsche Sonderbeauftragte Otto Franke hier ein und überreichte einen Entwurf der Statuten. Dieser uns vom Außenministerium zugeleitete Entwurf wurde von mir sorgfältig geprüft. Im großen und ganzen ist die Lehranstalt in zwei Teile gegliedert: ein Vorbereitungsseminar und die eigentliche Hochschule. Der Plan sah vor, daß alle Verantwortlichen der Hochschule von der deutschen Regierung nominiert und nicht durch die chinesische Seite ausgewählt werden. Bei den Prüfungen sollten Vertreter der Bildungsministe-

463 riums lediglich als Kontrolleure anwesend sein. Das alles widersprach den Prinzipien unseres Ministeriums. Allein durch die Tatsache, daß keine missionarischen Aktivitäten vorgesehen und auch das chinesische Wissen seinen festen Platz im Lehrbetrieb finden sollte, unterschied sich in diesem Entwurf die deutsche Lehranstalt von anderen durch Ausländer gegründete Schulen. Obwohl sich im Entwurf einige Überspitzungen fanden, so war das Gesamtanliegen doch ein gutes. Wir haben unsrerseits gemeinsam beraten. Ich meinte, daß man die Bezeichnung „Universität" nicht allzu leichtfertig vergeben darf. Wenn nicht chinesischerseits die Kontrolle über die Schule ausgeübt wird, so besteht die Gefahr, daß sich die Bestimmungen über die Lehrinhalte und die Statuten der Lehreinrichtung nach und nach in hohle Phrasen verwandeln. Werden die Studenten nicht durch den dafür Verantwortlichen der Provinz Shandong ausgewählt, so ist ernsthaft zu befürchten, daß das chinesische Grundlagenwissen nicht ausreichend ist. Und wenn die Prüfungen nicht gleichzeitig auch von chinesischen Beauftragten abgenommen wird, so wird es am Ende des Studiums nur so von Nichtgeeigneten wimmeln. Auf Grund dieses Niveaus wäre es wohl kaum angebracht, solche Leute weiter studieren zu lassen oder mit einem verantwortungsvollen Posten zu betrauen. Die obengenannten Punkte sind äußerst wichtig. Wenn wir hier keine Vereinbarungen erreichen, können sehr große Mißstände auftreten. Deshalb beauftragten wir unseren Vertreter, der deutschen Seite unsere Bedenken kundzutun. Nach mehrmaligen Verhandlungen wurde die Bezeichnung „Höhere Lehranstalt für Spezialwissenschaften mit besonderem Charakter" 30 vereinbart. Die Aufnahme der Studenten und ihr Studienabschluß wird jeweils vom dafür Beauftragten Shandongs geprüft. Die Lehrer für die chinesischen Fächer werden ebenfalls von dem Beauftragten ausgewählt bzw. diesem vorgeschlagen. Die Prüfungen werden von Vertretern des Bildungsministeriums abgehalten. Die Leitung der Lehranstalt erfolgt wie im Entwurf vorgeschlagen. Unser Ministerium entsendet einen Verantwortlichen, der sich ständig an der Schule aufhalten wird. Er kontrolliert die Lehrmethoden, die Einhaltung der Statuten und die chinesischen Lehrer. Die Überwachung der Studenten obliegt nicht seinen Pflichten. Studenten, die danach an einer chinesischen Universität weiterstudieren, sollen auch nach Studienabschluß eine entsprechende Förderung erhalten. Denjenigen, die nicht weiter studieren wollen, soll von den chinesischen Behörden eine angemessene Anstellung zugewiesen werden. Wir haben sämtliche Vereinbarungen gewissenhaft geprüft und festgestellt, daß sie nichts Unzulässiges enthalten. Die Einrichtung der Lehranstalt wird der Zukunft unseres Bildungswesens förderlich sein. Außerdem läßt sie sich für diplomatische Zwecke nutzen. Deshalb teilte unser Verhandlungsvertreter auf schnellstem Wege Herrn Franke mit, daß, wenn die Gründung der Lehranstalt auf der Grundlage der vereinbarten Statuten erfolge, das Bildungsministerium dieser mit Freuden

30 Der vollständige chinesische Ausdruck lautete „tebie gaodeng zhuanmen xuetang". Der Zusatz „besonderer Charakter" sollte deutlich machen, daß es sich nach chinesischer Auffassung somit nicht um eine reguläre Schule, d.h weder um eine Mittelschule noch um eine Hochschule handelte, vgl. Einleitung zu Kapitel 8.

464 zustimme. Für die Gründung der Schule könnten sofort 40.000 Mark und für die jährlichen Betriebskosten, begrenzt auf zehn Jahre, ebenfalls 40.000 Mark bereitstellt werden. Daraufhin änderte die deutsche Seite einiges an den 18 Klauseln der Statuten iur die Lehranstalt. Diese revidierte Fassung wurde uns vom Außenministerium zugeleitet. Ich unterzog sie einer ausfuhrlichen Prüfung und konnte feststellen, daß die Abänderungen wie in den Verhandlungen besprochen erfolgt waren. Die Statuten wurden von unserem Ministerium akzeptiert und die Lehranstalt offiziell registriert. Wir baten das Außenministerium, die deutsche Gesandtschaft davon in Kenntnis zu setzen, daß die Schule im Oktober dieses Jahres ihren Betrieb aufnehmen könne. Nun habe ich alle Dokumente geordnet. Zuerst möchte ich Eurer Majestät die Statuten der Lehranstalt in einer Abschrift zur Kenntnis bringen. Was nun die Bereitstellung der Gelder anbetrifft, so sollen die für die Inbetriebnahme der Schule erforderlichen 40.000 Mark von unserem Ministerium aufgebracht worden. Da unsere finanziellen Möglichkeiten begrenzt sind, haben wir in der Angelegenheit der Jahresbeträge von 40.000 Mark telegraphisch mit den Provinzgouverneuren von Zhili und Shandong korrespondiert. Wir einigten uns darauf, daß unser Minsterium 10.000 und die beiden Provinzgouverneure jeweils 15.000 Mark an den Gesamtkosten tragen werden. Nun steht die Eröffnung der Schule unmittelbar bevor. GBY, Qingdai jtmji zmizhe dang (Eingaben an den Großen Staatsrai in der Qing-Zeit), Nr. 179643, unfoliiert.

132 Statut für die Hochschule in Qingdao, vereinbart zwischen der Kaiserlich Deutschen und der Kaiserlich Chinesischen Regierung (1909) Artikel 1. Die Lehranstalt, fur die dieses Statut gilt, wird von der deutschen und chinesischen Regierung gemeinsam betrieben. Zu den Einrichtungskosten trägt China die Summe von 40.000 Μ bei, zu den laufenden Ausgaben jährlich ebenfalls 40.000 M. Der chinesische Beitrag zu den laufenden Ausgaben wird jedoch nur fur den Zeitraum von zehn Jahren gewährt. Nach Ablauf dieser Frist kann eine neue Vereinbarung getroffen werden. Artikel 2. Die Anstalt fuhrt den Namen „Hochschule für Spezialwissenschaften mit besonderem Charakter" und wird in Qingdao errichtet. Sie gliedert sich in zwei Teile: eine Unterstufe, in der die allgemeine Vorbildung vermittelt wird, und in eine Oberstufe, die in die höheren Spezialwissenschaften einfuhrt. Neben dem abendländischen Bildungsgange läuft in beiden Stufen parallel der chinesische.

465 Artikel 3. Die Unterstufe (oder Vorbereitungs-Abteilung) hat einen sechsjährigen Lehrgang. Lehrfächer sind: Deutsch, allgemeine Geschichte und Geographie, Mathematik, Botanik, Zoologie, Physik, Chemie. Über den Unterricht in den chinesischen Klassikern, sowie in der chinesischen Sprache, Ethik, Moral, Geschichte und Geographie werden besondere Bestimmungen erlassen. Die Abteilung endet mit einer Abgangsprüfung. Artikel 4. Die Oberstufe besteht aus vier Abteilungen: einer staatswissenschaftlichen, einer medizinischen, einer technischen, einer forst- und landwirtschaftlichen. Der Unterricht im Deutschen und Chinesischen wird in allen Abteilungen fortgesetzt. In der staatswissenschaftlichen Abteilung dauert der Unterricht drei Jahre. Lehrfächer sind: Völkerrecht, allgemeines Staatsund Verwaltungsrecht, Etatrecht, Eisenbahnrecht, National-Ökonomie und Finanzwissenschaft. In der medizinischen Abteilung dauert der Unterricht vier Jahre, daran schließt sich noch ein Jahr praktischer Ausbildung. Zu Übungen dient das (Faber-)Hospital in Qingdao. In der technischen Abteilung dauert der Unterricht drei bis vier Jahre. Lehrfächer sind: Maschinenbau, Hochbau, Eisenbahnbau, Bergbau und Elektrotechnik. Die Werkstätten der Werft, der Bergbau- und Eisenbahngesellschaft werden als Anschauungsmaterial benutzt. In der forst- und landwirtschaftlichen Abteilung dauert der Unterricht drei Jahre. Außer der Waldwirtschaft werden gelehrt: Viehzucht, die Verwendung landwirtschaftlicher Maschinen u.a. Jede der vier Abteilungen schließt mit einer Prüfung ab. Über die chinesischen Lehrfächer in den Abteilungen werden besondere Bestimmungen erlassen. Artikel 5. Die Schüler werden durch die Unterrichtsbehörde von Shandong der Schule zugewiesen, und zwar sollen die aus den „niederen Schulen der höheren Stufe" 31 abgehenden als die aufnahmefähigen gelten. Falls die deutschen Behörden Schüler der Anstalt überweisen wollen, muß zunächst die Unterrichtsbehörde von Shandong feststellen, ob ihre Kenntnisse denen der aus einer „niederen Schule der höheren Stufe" abgehenden entsprechen. Danach wird die genannte Unterrichtsbehörde sie der Anstalt überweisen. Artikel 6. Alle Schüler der Anstalt sollen innerhalb derselben wohnen. Sie haben die mit Kaiserlicher Genehmigung vorgeschriebene Uniform der Zöglinge der Staatsschulen zu tragen. Artikel 7. Die in die unterste Klasse der Unterstufe Aufzunehmenden sollen wenigstens dreizehn und höchstens fünfzehn Jahre alt sein und eine „niedere Schule der höheren Stufe" beendet haben. In bezug auf Kenntnisse in fremden Sprachen und Wissenschaften sollen zunächst keine Anforderungen an sie gestellt werden.

31 Gemeint sind die Absolventen der Abschlußklassen der Mittelschulen.

466 Artikel 8. Die Abgangsprüfung in der Unterstufe berechtigt zum Eintritt in eine beliebige Abteilung der Oberstufe. Schüler, die eine andere Schule mittleren Grades beendet haben und in die Oberstufe einzutreten wünschen, müssen sich einer Prüfung unterziehen. Wird dabei festgestellt, daß ihre Kenntnisse denen der aus der Unterstufe abgegangenen entsprechen, so erfolgt ihre Aufnahme. Artikel 9. Das Schul- und Kostgeld in Unterstufe wie Oberstufe, sowie der besondere Zuschlag, den die Schüler der medizinischen Abteilung zu zahlen haben, muß alle halbe Jahr im voraus bezahlt werden. Diejenigen, die die Anstalt zu verlassen wünschen, müssen dies drei Monate vorher anmelden. Eine Rückzahlung des fur ein Halbjahr vorausbezahlten Schulgeldes findet jedoch in keinem Falle statt. Artikel 10. Neben der geistigen soll auch die körperliche Ausbildung der Schüler gepflegt werden. Es sollen daher Turn- und Spielplätze mit der Anstalt verbunden werden. Artikel 11. Hinsichtlich der Lehrpläne der verschiedenen Klassen sowie hinsichtlich der allgemeinen Ordnung werden besondere Vorschriften erlassen werden nach Maßgabe der von der Chinesischen Regierung erlassenen Schulregulationen. Artikel 12. Schüler, die sich gegen die bestehenden Vorschriften vergehen, werden je nach der Schwere des Falles mit den Strafen belegt, die in den mit Kaiserlicher Genehmigung erlassenen Schulverordnungen vorgesehen sind. Artikel 13. Religiöse Propaganda darf in der Anstalt nicht stattfinden. Artikel 14. Die Anstalt untersteht einem Direktor. Er wird von der deutschen Regierung ernannt und fuhrt die Oberleitung über die gesamte Anstalt. Vom Direktor an abwärts erhalten sämtliche Beamte, sowie alle europäischen und chinesischen Lehrer ihr Gehalt von der Anstalt. Ferner befindet sich an der Anstalt dauernd ein Studieninspektor, den die chinesische Regierung ernennt. Er soll darüber wachen, ob der Betrieb der Anstalt dem vereinbarten Statut entspricht und der chinesischen Unterrichtsbehörde darüber Bericht erstatten. Ferner soll er die Lehrer des chinesischen Unterrichts überwachen, auch den Fleiß, die Leistungen und das Betragen der Schüler beobachten und den Direktor von seinen Beobachtungen in Kenntnis setzen. Der Studieninspektor ist dem Direktor nicht disziplinarisch unterstellt. Artikel 15. Die Lehrer, die Unterricht erteilen in der Lehre der chinesischen Klassiker sowie in der chinesischen Sprache, Ethik, Moral, Geschichte und Geographie sollen von der Unterrichtsbehörde von Shandong ausgewählt und zur Anstellung vorgeschlagen werden. Falls den deutschen Behörden besonders tüchtige chinesische Lehrkräfte bekannt sind, können auch diese

467 sie vorschlagen. Die Unterrichtsbehörde von Shandong soll aber vor ihrer Anstellung ihre Qualifikation feststellen. Artikel 16. Die Anstalt wird von der chinesischen Regierung ausdrücklich als solche amtlich anerkannt. Gelegentlich soll sie von sachverständigen Vertretern der Provinzialregierung von Shandong oder des Unterrichtsministeriums in Peking besichtigt werden. Zur Teilnahme an den Prüfungen entsendet das Unterrichtsministerium in Peking einen Vertreter. Die Abgangszeugnisse werden dann von ihm gemeinsam mit dem Direktor und dem Studieninspektor unterzeichnet. Artikel 17. Die Schüler, die die Abgangsprüfung bestanden haben, können auf ihren Wunsch in die Kaiserlich Chinesische Universität eintreten und erhalten dort nach Beendigung ihrer Studien ebenso wie die anderen Zöglinge der Universität die literarischen Grade. Diejenigen, die nicht willens oder nicht imstande sind, in die Universität einzutreten, erhalten zwar keine Grade, die chinesischen Behörden können aber trotzdem ihre Verwendung im Staatsdienste in Aussicht nehmen. Artikel 18. Sobald wie möglich soll der Anstalt ein Übersetzungsbüro angeschlossen werden, in dem die chinesische Beabeitung deutscher Lehr- und Handbücher betrieben wird. Amtsblatt für das Schutzgebiet Kiautschou 1909, S.205.

133 Gründungsbericht der deutsch-chinesischen Mädchenschule zu Qingdao(1911) SHUF AN 32 -SCHULE. Die Ereignisse der letzten Zeit haben China in unvorhergesehener Weise dem allgemeinen Interesse nahegebracht. Der große Umwandlungsvorgang, der China in den europäischen Kulturkreis einbeziehen wird, und der schon seit Jahren eingesetzt hat, hat nun eine ungeahnte Beschleunigung erfahren. Denn ganz abgesehen davon, was das Endergebnis der gegenwärtigen Revolution sein wird. Das neue China, das aus den Wirren hervorgehen wird, ist freier von den alten Traditionen und wird wesentliche Kulturelemente des europäischen Westens in seinen Neuaufbau aufzunehmen haben. Unter den Punkten, die einer gründlichen Revidierung nicht werden entgehen können, steht obenan die Stellung der Frau im Volksganzen. Das alte China war, wie jeder antike Staat, ein Männerstaat. Immer mehr im Lauf der Jahrhunderte hatte sich ein Zustand heraus-

32 Chin „Vorbild edler Weiblichkeit", siehe auch weiter unten im Text.

468 gebildet, der für die Frauenwelt große Mißstände hatte. Von einer eigentlichen Erziehung der Mädchen war unter diesen Verhältnissen im allgemeinen nicht die Rede. Die Ausbildung der künftigen Gattin fand ihren äußeren Ausdruck in der Fußverkrüppelung. Darüber hinaus bedurften die Mädchen nur noch der Geschicklichkeiten, die im Haushalt ihre Arbeit wertvoll machten. Auf geistigem Gebiet herrschte eine der Fußverkrüppelung ähnliche Verkrüppelung insofern, als der einzige Gesichtspunkt der war, daß das heranwachsende Mädchen von früh an auf jede eigene Persönlichkeit zu verzichten habe, damit es sich widerstandslos der neuen Familie, in die es einzutreten berufen war, einordnen konnte. Mit der Heirat schied die Tochter aus der väterlichen Familie vollständig aus. Seitdem die europäische Kultur in Berührung mit China kam, sind diese Übelstände aufs schärfste empfunden worden. Auch in kaufmännischen und Beamten-Kreisen innerhalb der fremden Handelsniederlassungen sind humanitäre Einrichtungen erstanden um den Mißständen innerhalb der chinesischen Frauenwelt abzuhelfen, so z.B. die Vereinigung gegen die Fußverkrüppelung, die unter der tätigen Propaganda von Mrs. Archibald Little die weitesten Kreise zu interessieren suchte,33 oder der Verein zur Rettung von Sklavenmädchen, der schon seit einer Reihe von Jahren in Shanghai besteht. Zu diesen philantropischen Grundsätzen kam ein neuer Gesichtspunkt hinzu, als mit der Reform des Unterrichtswesens auch in chinesischen Kreisen daraufhingewiesen wurde, daß man auf die Dauer im Interesse der gesamten Volksbildung die künftigen Frauen und Mütter des Volkes nicht wie bisher vernachlässigen dürfe. Denn wenn auch dem äußeren Anschein nach die Frau in China durchaus rechtlos war, so war ihr Einfluß dennoch stets bedeutend. Die Kinder verbringen ihre ersten Lebensjahre ganz unter dem Einfluß der Mutter, und es ist klar, daß dieser Einfluß weniger günstig sein kann, wenn die Mutter selbst jeglicher Bildung entbehrt und auch sittlich auf einem niedrigen und unselbständigen Standpunkt steht. Ebenso wie es sich beobachten läßt, daß bedeutende Männer, die eine historische Stellung sich errungen haben, häufig Frauen zu Müttern hatten, die durch Gunst der Verhältnisse und eigene Begabung sich über das allgemeine Niveau erhoben, ist auch umgekehrt der Schluß berechtigt, daß Züge mangelnder Selbstdisziplin, wo sie auftreten, auf das Fehlen einer geregelten Erziehung im Elternhaus zurückzufuhren sind. Wie wenig weise es wäre, den tatsächlichen Einfluß der Frau in China zu unterschätzen, das zeigt sich nicht nur an historischen Beispielen, wie dem der verstorbenen Kaiserinwitwe, die jahrzehntelang die Zügel der Regierung Chinas in der Hand hatte, sondern auch umgekehrt an der traurigen Erfahrung, die keineswegs vereinzelt ist, daß tüchtige und hoffnungsvolle junge Männer unter dem Einfluß einer minderwertigen Frau häufig wieder zurücksinken in einen Zustand, dem sie vor ihrer Verheiratung schon entwachsen waren. In richtiger Erkenntnis dieser Verhältnisse haben sich denn auch schon seit einiger Zeit die Missionen des Mädchenschulwesens in China angenommen, namentlich in England und Amerika hat man sein Augenmerk auf diesen Zweig der Kulturtätigkeit gelenkt, und daß

33 Gegründet 1895 von zehn ausländischen Frauen, darunter Mrs. Archibald Little, siehe Latourette 1929:658.

469 diese Bemühungen auch von greifbaren Resultaten begleitet waren, zeigt sich z.B. darin, daß kürzlich, außer den von der Regierung gesandten Studenten, auch eine größere Anzahl von Studentinnen zur Vollendung ihrer Ausbildung nach Amerika reisten. Bei aller Hochachtung vor diesen Bestrebungen, die in großzügig idealem Geiste geleitet, dennoch auch reale Vorteile für die Nationen, von denen sie ausgingen, mit sich brachten, muß es dennoch in Betracht gezogen werden, daß auch Deutschland mit dieser Beziehung nicht zurückstehen darf, denn gerade in der Gestaltung des Familienlebens und in der Stellung, die die Frau einnimmt, weist die deutsche Kultur Seiten auf, die sie dem chinesischen Volk zugänglicher erscheinen lassen, als die weit radikaleren Verhältnisse, wie sie namentlich in Amerika herrschen. Bei einem organisierten deutsch-chinesischen Mädchenschulbetrieb werden daher neben dem Ziel, die Schülerinnen zu sittlich gefestigten und selbständigen Persönlichkeiten heranzuziehen, das wie überall die Grundlage wahrer Erziehung sein muß, noch zwei Gesichtspunkte in Betracht kommen: einmal der, daß die Schülerinnen, in denen wir zum ganz überwiegenden Teil künftige Hausfrauen und Mütter sehen, mit den höchsten Ergebnissen der deutschen Kultur bekannt werden, damit von diesen Einflüssen in ihren künftigen Familien etwas Gestalt gewinne. Außerdem aber muß auch dem chinesischen Schulwesen Rechnung getragen werden. Die Mädchenschule ist zwar etwas, das im heutigen China erst in seinen Anfängen besteht, aber sie ist ein Gebiet, das sicher von chinesischer Seite noch weiter ausgebaut werden wird. Daß dies nicht jetzt schon geschehen ist, daran trägt die Schuld der gänzliche Mangel an ausreichend vorgebildeten Lehrerinnen. Dieser Notlage aushelfend entgegenzukommen ist eine Unternehmung, die sicher den Dank Chinas finden wird, und es ist klar, daß den Nationen, die hier rechtzeitig eingreifen, ein weitgehender Einfluß auf die Ausgestaltung der chinesischen Kultur zukommen wird. Was besonders für diese Tätigkeit spricht, ist der Umstand, daß hier ein verhältnismäßig noch wenig bebautes Gebiet vorliegt. Daß im Knabenschulwesen in absehbarer Zeit der überwiegend englischamerikanische Einfluß vom deutschen Einfluß abgelöst werden wird, ist äußerst unwahrscheinlich. Wir müssen uns hier begnügen, dem Deutschtum einen seiner Stellung in China entsprechenden Platz zu reservieren. Dagegen ist eher die Hoffnung vorhanden, daß wir im Mädchenschulwesen vorankommen, wenn die heimischen Kreise rechtzeitig die Wichtigkeit der Aufgabe erkennen. Anfänge zu einem deutschen Mädchenschulwesen sind schon vorhanden.34 Die verschiedenen Missionen haben es nicht an Eifer fehlen lassen. Daß noch nicht mehr erreicht ist, daran ist nur Schuld der Mangel an Mitteln, an dem die deutschen Missionen besonders empfindlich kranken. So ist es denn mit besonderer Freude zu begrüßen, daß in Hamburg ein Komitee zusammengetreten ist, das zunächst einmal in Qingdao die Gründung einer höheren deutsch-chinesischen Mädchenschule ins Auge gefaßt hat. Die Mittel, die zusammengekommen sind, reichen aus, zunächst für eine Reihe von Jahren einen sachgemäßen Schulbetrieb zu sichern. Zu ihrer Verwaltung hat sich in Qingdao ein Kuratorium gebildet, das unter 34

Gemeint ist die Meiyi-Mädchenschule, die ebenfalls vom Allgemeinen

Evangelisch-protestantischen

Missionsverein unterhalten wurde, siehe D o k . 1 3 7 . Sie wurde 1 9 0 5 gegründet. Die Berliner Mission betrieb außerdem seit 1 9 0 2 eine Mädchenschule in Dabaodao, siehe Denkschrift 1 9 0 3 : 5 5 9 2 .

470 Mitwirkung des Allgemeinen Evangelisch-Protestantischen Missionsvereins die Gründung einer höheren deutsch-chinesischen Mädchenschule in die Wege geleitet hat. Diese Schule soll den Namen Shufan-Schule fuhren. Shufan bedeutet: Vorbild edler Weiblichkeit, und gibt für chinesische Begriffe das Ziel, dem die Schule dienen soll, an. Es ist beabsichtigt, daß neben begabten und bildungsfähigen Mädchen, die zu künftigen Lehrerinnen erzogen werden sollen, namentlich auch Schülerinnen aus einflußreichen chinesischen Kreisen Aufnahme finden sollen. Zu diesem Zweck soll sich das Kuratorium ergänzen aus Chinesen, die sich für die Sache interessieren und mit den genannten Kreisen Fühlung haben. Den Absichten der Stifter entsprechend soll, um jedes Mißtrauen der Chinesen zu vermeiden, die Schule von zwangsweiser religiöser Beeinflussung freigehalten werden. Religionsunterricht ist vom Lehrplan ausgeschlossen, doch ist den Schülerinnen, die sich dafür interessieren, die Möglichkeit geboten, in der benachbarten Missionsmädchenschule, die der Allg.-Evangel.-Protestantische Missionsverein - gesondert von der Shufan-Schule - weiterbetreibt, sich mit den Lehren des Christentums bekannt zu machen. Β A/M A, RM3 '6767, Bl. 3 J8-320.

134 Erinnerungen des Lehrers Luan Baode an das deutsche Bildungswesen in Qingdao (1905-1914)35 Unmittelbar nachdem die Deutschen 1897 unter Ausnutzung eines Missionszwischenfalls in Caozhou Qingdao annektiert hatten, gingen sie dort eifrig zu Werke. Um die Ressourcen der Provinz Shandong an sich zu reißen und ihre Herrschaft über Qingdao auf Ewigkeiten festzuschreiben, bauten sie Hafenanlagen, Küstenverteidigungsbatterien sowie eine Eisenbahnstrecke von Qingdao nach Jinan. Darüber hinaus betrieben sie aber auch eine kulturelle Aggression, was sich besonders auf dem Sektor des Schulwesens zeigte. Ich war seinerzeit in der von den Deutschen gegründeten Heilan-Universität (die Universität wurde so von den Einheimischen genannt, weil das Universitätsgebäude zuvor deutschen Truppen als Kaserne mit dem Namen Heilan gedient hatte) 36 als Hilfslehrer tätig. Einmal erspähte ich in den Universitätsakten einen Bericht des Professors Rumberry an die deutsche Regierung, in dem es hieß: „Erst wenn wir das Bildungswesen in unsere Hand bekommen, können wir in China

35 Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker. 36 Der Hügel, auf dem die Hochschule stand, hieß „Heilan-Hügel". Die Schule zog zunächst in die nicht mehr genutzten Kasernen der Feldbatterie ein, vgl. Denkschrift 1910:54f. Heilan-Universität war die umgangssprachliche chinesische Bezeichnung für die Deutsch-Chinesische Fachhochschule, vgl. Zhou Dongming 1991:149.

471 richtig Fuß fassen." Dieser Satz enthüllt wohl recht deutlich das Ziel der Imperialisten auf dem Gebiet des Bildungswesens in unserem Land. Ich kam 1905 nach Qingdao, wo ich zunächst die Richard-Wilhelm-Akademie und dann die Heilan-Universität besuchte. Nach Abschluß des Studiums verblieb ich als Hilfslehrer an der Universität. Erst kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges verließ ich die Lehranstalt. Deshalb bin ich über die deutschen Aktivitäten im Schulbereich recht gut im Bilde und möchte im nachfolgenden Bericht einige meiner Erinnerungen wiedergeben. 1. Die Richard-Wilhelm-Akademie Nach der Besetzung Qingdaos durch die Deutschen begaben sich nacheinander der deutsch-schweizer Allgemeine Evangelisch-protestantische Missionsverein, die Berliner Lutheraner Mission sowie die Katholische Mission an diesen Ort, um dort ihre Missionstätigkeit auszuüben. 1901 rief der Allgemeine Evangelisch-protestantische Missionsverein die Richard-Wilhelm-Akademie ins Leben, während ihrerseits die Berliner Lutheraner das Deutsch-Chinesische Seminar und die Katholische Mission die Fortbildungsklassen für die Deutsche Sprache gründeten. Die beiden letzteren wurden infolge der japanischen Besetzung Qingdaos 1914 aufgelöst. Nur die Richard-Wilhelm-Akademie konnte, da sie in Beziehung zur Schweiz stand, bis zur Gründung der VR China fortexistieren. Danach wurde sie von unserer Regierung in die 9. Mittelschule umgewandelt. Diese Schule stellt die älteste ihrer Art in Qingdao dar. (Nach der Besetzung betrieb die deutsche Marine noch eine Lehranstalt38 , an der eigens für die Schiffsreparaturwerkstatt Spezialisten ausgebildet wurden. Dabei wurde der Theorieunterricht mit praktischer Arbeit verbunden. Hinsichtlich der genauen Gegebenheiten bin ich aber im einzelnen nicht unterrichtet, so daß ich es bei diesem Hinweis bewenden lasse.) In ihrer Anfangsphase glich die Richard-Wilhelm-Akademie stark den damaligen Bildungsstätten unseres Landes. Es wurden Lehrer für die Grundstufe ausgebildet. Später wandelte sich die Anstalt in eine normale Mittelschule. Im Gegensatz dazu bildeten das Deutschchinesische Seminar und die deutschen Lehrklassen vorrangig Missionare, Kompradoren und Dolmetscher aus, woraus sich der besondere Nachdruck auf das Erlemen der deutschen Sprache ergab. Die Akademie wurde im Auftrag des Allgemeinen Evangelisch-protestantischen Missionsvereins von Richard Wilhelm betrieben. Wilhelm hatte in Deutschland Theologie studiert. Da er für sich in der Heimat aber keine Perspektive sah, hatte er sich schon frühzeitig für die Missionarstätigkeit in China entschieden. Wilhelm war ein Chinakenner, der mit den Landesverhältnissen äußerst vertraut war und auch hervorragend Chinesisch sprach.

37 Damit ist die vom Allgemeinen Evangelisch-protestantischen Missionsverein 1901 gegründete und unterhaltene Schule gemeint, vgl. Dok. 137. Richard Wilhelm und seine Frau unterrichteten hier. Der Name „Richard-Wilhelm-Akademie" wird in den deutschen Quellen nicht verwandt, sie heißt hier vielmehr „Deutsch-chinesische Mittelschule". Die Schule genoß in China einen besonders guten Ruf, vgl. Zhou Dongming 1991:147. 38 An der Qingdaoer Werft wurde im April 1902 eine Lehrlingsschule gegründet, die Lehrlinge aus Kiautschou und Shandong aufnahm; vgl. Einleitung zu Kapitel 8

472 Anfangs befand sich die Akademie an der Jiaozhou-, Ecke Yizhoustraße. Damals lebte in Qingdao ein Deutscher namens Blumenhardt, der ebenfalls China wie seine Westentasche kannte und sogar mehrere Bücher in Chinesisch verfaßt hatte. Er hatte auf dem XiaobaodaoBerg ein Haus errichtet. Auf Grund der schwarzen Farbe der Dachziegel nannte man es im Volksmund das „schwarze Haus". Blumenhardt übereignete das Haus testamentarisch dem Missionsverein als Schenkung. Daraufhin bezog die Richard-Wilhelm-Akademie das „schwarze Haus". Dort, in der Shanghaistraße, befindet sich auch heute noch die Schule. Der Lehrplan der Richard-Wilhelm-Akademie glich im großen und ganzen dem einer gewöhnlichen chinesischen Mittelschule. Der einzige Unterschied bestand darin, daß neben Mathematik, Physik, Chemie und Chinesisch auch Deutsch und deutsche Geschichte unterrichtet wurde. Die Lehrkräfte für die naturwissenschaftlichen Fächer wurden größtenteils aus dem von den Amerikanern betriebenen Penglai-Dolmetscher-Institut rekrutiert. Unter ihnen befanden sich u.a. Zhou Shuxun, Liu Yongxi, Zhang Ziqing und Li Buqing. Den ChinesischUnterricht übernahmen Scholaren, die die kaiserlichen Examina absolviert hatten. Allein in den Fächern Deutsch und deutsche Geschichte unterrichteten Muttersprachler. Eine wichtige Rolle spielten der Prediger W. [Wilhelm] Schuler sowie Wilhelms Frau und deren Schwester. Vormittags wurde im allgemeinen Unterricht in den Naturwissenschaften und Deutsch erteilt, während man am Nachmittag die klassischen chinesischen Schriften las. Jeden Morgen fand eine Zusammenkunft statt, die von Wilhelm persönlich geleitet wurde. Themen waren Maximen sittlicher Selbstvervollkommnung, die Lehren von Kongzi und Mengzi sowie christliche Glaubensinhalte. Im allgemeinen wurden in der Akademie keine religiösen Veranstaltungen abgehalten. Es existierten keine besonderen Auflagen für die Aufnahme der Schüler. Allerdings wurden die Schüler entsprechend ihrem Grad der Beherrschung des Chinesischen in zwei Abteilungen eingestuft. Die Schüler mit gewissen Grundkenntnissen gehörten der oberen Abteilung an. Das Niveau der Schüler war nicht einheitlich. Ich erinnere mich, daß damals eine Zeit von sechs Schuljahren bis zum Abschluß vorgeschrieben war. Gab es in den ersten drei Grundklassen noch über 40 Schüler, so wurden die Abschlußklassen nur von wenigen erreicht: Klasse Α hatte drei, Klasse Β vier und Klasse C, in der ich abschloß, fünf Schüler. 1905 genoß die Richard-Wilhelm-Akademie in der Provinz Shandong bereits einen besonders guten Ruf, so daß viele höhere Beamte ihre Kinder auf diese Schule schickten. Da die Sprößlinge der gutbetuchten Familien zumeist über gediegene Grundkenntnisse verfügten, gehörten sie in der Regel der oberen Abteilung an. Die obere und untere Abteilung unterschied sich hinsichtlich der Schulgebühren. Die Schüler der oberen Abteilung mußten 30 Dollar entrichten, während man von den Schülern der unteren Abteilung nur 15 verlangte. Kinder aus ärmeren Verhältnissen bekamen kostenlos Tusche, Pinsel und Papier zur Verfügung gestellt. 1905 entschloß sich der Evangelisch-protestantische Missionsverein dazu, neben der Knabenschule auch eine solche für Mädchen einzurichten. Diese Schule wurde ebenfalls Richard Wilhelm unterstellt. Wilhelm benannte das Lyzeum nach dem Namen seiner Frau Meiyi. Es

473 wurde von der Schwester von Wilhelms Frau geleitet. Mit den allgemeinen Verwaltungsaufgaben wurde meine Schwester Luan Peiqing beauftragt. Zu Beginn hatte das Lyzeum nur fünf Schülerinen. Eine von ihnen war Yang Yujie, die spätere Frau von Chen Duxiu. Das Lyzeum befand sich direkt neben der Richard-Wilhelm-Akademie. 1912 zog es in die WudingStraße um. Heute ist in diesem Gebäude die Klinik für TBC untergebracht. Nach der Richard-Wilhelm-Akademie und dem Lyzeum wurden von den Deutschen in Qingdao noch weitere 27 Schulen gegründet, so u.a. in Dongzhen, Licun, Fahaisi, Shazikou und Quejiadao. 39

2. Die Heilan-Universität Bereits vor der deutschen Besetzung Qingdaos hatte ein Amerikaner namens Mateer in Penglai in der Provinz Shandong eine Dolmetscher-Ausbildungsstätte ins Leben gerufen. Später wurde diese Schule nach Weixian verlegt und zu einer Universität ausgebaut. Als die Deutschen davon erfuhren, wollten sie mit den Amerikanern mithalten und in Qingdao auch eine Universität gründen. Die deutsche Regierung trat mit der chinesischen in Verhandlungen, konnte aber deren Zustimmung fur die Gründung einer Universität in Qingdao nicht erhalten. Schließlich einigte man sich auf eine gemeinsam betriebene Hochschule. 1909 wurde diese Hochschule an dem früheren Platz der deutschen Heilan-Kaserne eingerichtet, was ihr die Bezeichnung Heilan-Universität einbrachte. Die Qing-Regierung entsandte Zhang Kai als obersten Schulinspektor. Als Schuldirektor fungierte ein Deutscher namens Keiper, der in China bereits als Bergbau-Ingenieur gearbeitet hatte. An der Heilan-Universiät existierten vier Fakultäten, und zwar fur Technik, Landwirtschaft, Medizin und Rechtswissenschaften. An der ingenieurstechnischen Fakultät betrug die Studiendauer vier, an der medizinischen fünf und an den anderen beiden drei Jahre. Mit Ausnahme des Chinesischen wurden sämtliche Lehrveranstaltungen von Deutschen abgehalten. Der gesamte Unterricht erfolgte in Deutsch. Jeder Klasse war ein Dolmetscher zugeteilt. Außerdem mußte zu Beginn des Studiums ein einjähriges Propedeutikum in deutscher Sprache absolviert werden. 1912 verlegten die Amerikaner ihre Universität von Weixian nach Jinan und nannten sie fortan Qilu-Universität. Die Deutschen sahen sich außerstandes, mit der amerikanischen Universität in Konkurrenz zu treten. Einige Deutschen waren sogar für die Aufgabe der Heilan-Universität, andere hingegen plädierten energisch fur deren Weiterfuhrung. Unter ihnen befand sich auch der Lehrer Rosenberger, der sich in einem Schreiben an die deutsche Regierung wie folgt äußerte: „Die von den Engländern und Amerikanern betriebenen Hochschulen legen ihr Augenmerk vorrangig auf Theologie, Medizin und Physik. Allein es fehlt an einer ingenieurstechnischen Ausrichtung. Wenn wir uns einer solchen annehmen, 39 Siehe hierzu auch Einleitung zu Kapitel 8 und Dok 132. 40 Es handelt sich hierbei um eine protestantische Schule, die von Calvin Mateer 1882 als „Dengzhou College" (hervorgegangen aus der 1864 gegründeten Dengzhou Boys School) gegründet wurde. 1902 wurde die Schule mit anderen protestantischen Schulen in Weixian zusammengelegt unter dem Namen „Shandong Union College." 1904 wurde diese Einrichtung mit weiteren Schulen in Jinan vereint und unter dem Namen „Shantung Protestant University" weitergeführt, vgl Lutz 1971:21f, 28f, 58f.

474 können wir gewiß mit den Angelsachsen mithalten." Diese Ansicht fand umgehend die Zustimmung der deutschen Regierung. Der Gouverneur von Qingdao wandte sich an mehrere größere deutsche Industrieunternehmen und ersuchte diese um Unterstützung hinsichtlich der Ausstattung mit technischer Ausrüstung. Im Laufe des Jahres 1913 trafen nach und nach die von den Unternehmen gestifteten Ausrüstungen ein. In meiner Eigenschaft als Lehrer habe ich damals über 60 verschiedene Maschinen persönlich in Empfang genommen. Darunter befanden sich u.a. eine Lokomotive und mehrere Waggons. Es war beabsichtigt, rund um die Schule eine Versuchseisenbahnstrecke anzulegen. Allerdings gelangte dieser Plan aufgrund des Kriegsausbruches nicht mehr zur Realisierung. Damals lagerte die technische Ausrüstung in der Chaocheng-Straße, wo sich heute die Rundfimkanstalt befindet. Angesichts dieser Erweiterung der Heilan-Universität hatten die Amerikaner, um ihre Stellung zu verbessern, die Idee, die Qilu-Universität mit der Yanjing-Universität in Peking zu vereinigen. Diese in großem Maßstab aufgezogene Universität sollte die deutschen Aktivitäten in die Schranken weisen. Als die Heilan-Universität auf Grund der Kriegsereignisse ihren Betrieb einstellen mußte, gaben die Amerikaner ihre Vereinigungspläne wieder auf. Ltian Baode, Degiioren zai Qingdao ban jiaoyn de pianduan huiyi (Erinnerungen an die Erziehungspolitik der Deutschen in Qingdao), in: Wenshi ziliao xuanji 1(1982), S. 223-230.

135 Bericht des Missionars Richard Wilhelm (August 1914) Aus unserer Arbeit. KONFUZIUSGESELLSCHAFT. In China kam es je und je vor, daß ein Freundeskreis von Gelehrten sich an einem Orte zusammenfanden, der dann oft ein Mittelpunkt geistigen Lebens für lange Zeiträume geworden ist. Die Art dieser Vereinigungen erinnert in manchen Stücken an die griechischen Akademien. Es sind freie Zusammenkünfte, oft in einem Garten, oft in einem einsamen Pavillon, fernab vom Getriebe der Welt. Das Äußere tritt zurück, der geistige Wert gibt den Ausschlag. Bei den vielen Beziehungen zu den chinesischen Staatsmännern und Gelehrten, die sich aus dem unklaren Getriebe chinesischer Verhältnisse an den kühlen Meeresstrand in Qingdao zurückgezogen haben, legte sich der Gedanke nahe, einen Weg zu suchen, diese bedeutenden geistigen Kräfte zu einem gemeinsamen Werke zu vereinigen. Zunächst handelte es sich darum, eine Vereinigungsstelle zu schaffen, wo deutsche und chinesische Kultur und Wissenschaft in fruchtbaren Austausch treten könnten. Doch mißlang dieser Versuch. Die deutschen Kulturbestrebungen, soweit sie in die Öffentlichkeit treten, verfolgen doch wesentlich andere Ziele und da reklameartige Propaganda sich fur diese Arbeit von selbst ver-

475 bot, gelang es nicht, größere deutsche Kreise fur diese Sache zu interessieren, doch fand sich um so mehr Entgegenkommen bei den Chinesen. Die Vereinigung, die sich so bildete, hat darunter nicht zu leiden gehabt. Wir können unbehinderter eine Sammlung auf dem Boden ins Auge fassen, der uns vor allem doch am Herzen liegt und von dem intimeren Kreise, der sich hier zusammengefunden, können dann doch auch Wirkungen ins Weite und Große des chinesischen Volkes ausgehen. Der Zweck, um den es sich für mich bei dieser Vereinigung vor allem handelt, ist ein doppelter. Erstens soweit in unseren Kräften steht daran mitzuarbeiten, daß die höchsten und wertvollsten Erzeugnisse chinesischen Geistes nicht untergehen in dem Strom der Zerstörung, der augenblicklich das Land überflutet und dessen Wirkungen sich in einer erschreckenden Verwilderung zu zeigen beginnen. Der Bau der chinesischen Kultur ist wieder einmal ins Wanken geraten, wie zu den Zeiten als Konfuzius [Kongzi] und Menzius [Mengzi] in China lebten. Damals war es der Einbruch der Barbarei von Westen her, der in dem bekannten Qin Shihuang gipfelte und das Haus der chinesischen Gesittung zerstörte 41 Das Werk jener großen Weisen war es gewesen, die Pläne dieses Hauses zu retten, so daß auf Grund dieser Pläne eine Neuorganisation später möglich wurde. Heutzutage ist es der Einbruch der grob materialistischen Seiten der europäisch-amerikanischen Zivilisation, der in der Revolution ähnlich zerstörende Wirkungen gezeitigt hat. Gewiß liegt in diesem Umsturz ein notwendiges Gericht, denn die chinesische Kultur war in vieler Hinsicht in äußerem Formenwesen verflacht und hatte sich infolge ihrer inneren Schwäche in engem Abschluß von der Außenwelt versteift, so daß ihr der Lebensatem ausging. Ein Mangel an Ernst an den leitenden Stellen kam dazu, so daß die Kraft, diesen neuen Strömungen entgegenzutreten, nicht mehr vorhanden war und wie von einem Sturmwind der ganze Bau zertrümmert wurde. Man hat wiederholt die Frage aufgeworfen: Warum hat sich keiner von all den Gelehrten und Staatsmännern, die hier in Qingdao sitzen, energisch in den Riß gestellt und wie einst zur Zeit der Taiping-Rebellion das Übel abgewandt, anstatt die Regierung im Stich zu lassen und sich nach Qingdao in die Verborgenheit zurückzuziehen.42 Zur Erklärung dieser Erscheinung bedarf es einer Kenntnis des chinesischen Geistes. Jeder Mann hat seinen fest abgegrenzten Wirkungskreis, innerhalb dessen er Betätigung findet. Es steht ihm nicht zu, auf eigne Faust darüber hinaus zu handeln. Die Verantwortung des Regenten besteht in

41 Der erste Kaiser des geeinten chinesischen Reiches, Qin Shihuang (221-210 v.Chr), ließ die konfuzianischen Bücher verbrennen und, der Überlieferung zufolge, 460 konfuzianische Gelehrte bei lebendigem Leibe vergraben. Qin Shihuang lehnte den Konfiizianismus als Staatslehre ab und förderte statt dessen den Legalismus, nach dem der Herrscher vor allem über den Erlaß von Gesetzen und die Erhebung von Steuern das Volk regiert. Die Wertung, die Wilhelm hier wiedergibt, geht auf die spätere konfuzianische Geschichtsschreibung zurück, die die Herrschaft von Qin Shihuang als grausame Despotie beurteilte, vgl. Fairbank 1992:56f. 42 Während der Zeit der sog. Tongzhi-Restauration (Tongzhi zhongxin, 1861-1875) bemühten sich chinesische Beamte erfolgreich darum, durch Reformen eine militärische Stärkung der Qing-Dynastie zu erreichen. Diese Reformen setzten das chinesische Reich in die Lage, erfolgreich die Taiping-Rebellion (1850-1864) zu bekämpfen und die von den Rebellen besetzten Gebiete zurückzuerobern, vgl. Spence 1990:194fT Zur Flucht der Qing-Beamten in das deutsche Pachtgebiet nach dem Sturz der Qing-Dynastie 1911 siehe auch Einleitung zu Kapitel 3 und Dok 61.

476 nichts anderem, als darin, die rechten Männer auszusuchen und ihnen die nötigen Vollmachten zu geben, um Ordnung zu schaffen. Innerhalb der Mandschu-Regierung nun waren in den letzten Jahren sehr starke Strömungen gewesen, die aus Habsucht eine Cliquenwirtschaft förderten und so die besten Kreise sich entfremdeten. Immerhin besaßen diese Kreise Loyalität genug, um bei Ausbruch der Revolution einem Ruf zur Tätigkeit unbedingt Folge zu leisten. Allein der damalige Prinzregent suchte in merkwürdiger Verblendung Yuan Shikai, den er kurz vorher tödlich beleidigt hatte, aus, um ihm die Vollmacht zur Wiederherstellung der Ordnung zu übertragen. Als nun Yuan Shikai seine Wege ging, da blieb gerade für die loyalsten Männer nichts anderes übrig, als sich zurückzuziehen und so die Treue gegen sich selbst zu wahren. So ist es denn keineswegs Feigheit oder Gleichgültigkeit, die diese Leute hierher gefuhrt hat. Ihre Hoffnung besteht nun eben darin, einen Weg zu finden, daß die Prinzipien der chinesischen Kultur erhalten bleiben, um später, wenn der Sturm vorüber ist, wieder Anwendung finden zu können. Daß dieses Bestreben alle Unterstützung verdient, ist ohne weiteres klar und das hat unserer Vereinigung, die nach Art eines wissenschaftlichen Vereins organisiert ist, eine ihrer Richtlinien vorgezeigt. Dazu kommt dann anderes. Damit das Evangelium in China in vollem Umfang in die Erscheinung treten kann, muß es einen Ausdruck finden, der aus dem chinesischen Geiste geboren ist. Niemals waren die Verhältnisse hierfür so günstig, wie jetzt in Qingdao. Gewiß sind früher auch schon von anderen Missionen bedeutende Versuche gemacht worden, die Verkündigung des Evangeliums dem Geiste der chinesischen Bildung nahezubringen. Aber was die Lage heute unterscheidet, ist das, daß wir nicht mühsam Anknüpfungspunkte suchen müssen, sondern daß die Chinesen von sich aus im Vertrauen sich uns anschließen zu gemeinsamer Arbeit an diesem Werk. Den Winter über hatten wir ungezwungene Zusammenkünfte, wie sie in China auch sonst üblich sind. Von der Wintersonnenwende bis zur Frühlingstagundnachtgleiche trifft man an jedem neunten Tag zusammen. Während der Schulferien konnten wir die Aula unseres Seminars für diese Zusammenkünfte benutzen. Die Vereinigungen wurden belebt dadurch, daß mancher der Freunde ein altes wertvolles Bild oder sonstige Kunstschätze mitbrachte, die dann gemeinsam bewundert wurden. Auch Vorträge wurden gehalten und freundschaftliche Unterhaltungen über alle möglichen Fragen gepflogen. Schon früher war der Gedanke besprochen worden, eine chinesische Bibliothek zu gründen, zur Sammlung der Schätze chinesischer Literatur, von denen viele in roher Weise vernichtet wurden während der Stürme der Revolution. Gleichzeitig sollte eine Stätte geschaffen werden zu zwanglosen Zusammenkünften und zu regelmäßiger Übersetzungsarbeit. Das Geld dafür kam ganz von selbst zusammen. Die Anregung hatte gerade den richtigen Zeitpunkt getroffen. Schon heute wäre es viel schwerer, eine solche Arbeitsstätte zu begründen, da inzwischen manche unserer Freunde sich dem staatlichen Leben wieder zugewandt haben. Als Abschluß unserer Zusammenkünfte dieses Winters konnten wir die Grundsteinlegung zu der chinesischen Bibliothek feiern, die als schmucker Bau in unserem Garen nun der Vollendung entgegengeht. Außer einer chinesischen Urkunde wurde auch je ein Exemplar unserer Zeitschrift und folgende Worte in dem Grundstein niedergelegt: „Infolge der Revolu-

477 tion des Jahres 1912 sammelten sich in Qingdao eine Reihe der bedeutendsten chinesischen Gelehrten und Staatsmänner, die gegenüber den radikalen Versuchen der Revolutionäre einig waren in der Erkenntnis, daß auch für eine künftige Gestaltung der Verhältnisse in China die durch die Meister der Vergangenheit geschaffenen Kulturgrundlagen nicht verlassen werden können. Von deutscher Seite kam dieser Erkenntnis der Gedanke entgegen, daß es im Sinne Christi liegt, zu erfüllen und nicht aufzulösen und daß, um wirkliche Beziehungen zwischen Orient und Okzident herzustellen, Einigkeit in den höchsten Gütern der Menschheit und Austausch der höchsten Errungenschaften der Geisteshelden beider Kulturen das einzige Fundament abgeben könne, das fest genug ist, den großen Bau der Menschheit als eines einheitlichen Ganzen zu tragen. So ging man denn in gemeinsamer Arbeit daran, eine Stätte zu schaffen, wo die in der Literatur niedergelegten Schätze der chinesischen Kultur aufbewahrt werden sollen und durch Übersetzungen die wichtigsten Dokumente chinesischer und europäischer Kultur gegenseitig zugänglich gemacht werden sollen. Im Aufblick zu Gott, der diesem Unternehmen seinen Segen verleihen möge, wird dieser Bau begonnen zur Mitarbeit an der Einigung der Menschheit in den höchsten Gütern des Geistes." Richard Wilhelm Richard Wilhelm, Konfuziusgesellschaft, in: Zeitschrift flir Missionskunde und Religionswissenschaft 8 (1914), S. 248-249.

136 Bericht des Schulbeirats der deutschen Gesandtschaft, Wilhelm Schmidt (3.9.1914) Ich verband die Besichtigung der deutschen Schulanstalten der katholischen Mission in SüdShandong mit meiner Reise zur Abschlußprüfung der Kaiser-Wilhelm-Schule in Shanghai. Meine Absicht war, mich über die Art und die Leistungen der Schulen der Mission zu unterrichten. Die Besichtigung fiel auf die Tage von Mittwoch, 16. Juni, bis Sonnabend, 19. Juni 1914. Am 16. Juni nachmittags besichtigte ich die Anlage der Station und der Schule in Jining , besonders die Räume der jetzigen und den Neubau der Mittelschule. Am 17. Juni fand von 8 Uhr bis 1 Uhr vormittags die Jahresschlußprüfung der Mittelschule statt, der ich zuhörte. Nachmittags wurde von 3 Uhr bis 5 Uhr die Mädchen-Elementarschule niederer Ordnung der 43 Die Mittelschule in Jining wurde 1902 eingerichtet. Sie wurde 1909 neu gegründet und führte den Namen „St. Franziskus-Xaverius-Kolleg"; zu den Gründen für die Umbennenung bzw. Neugründung siehe Einleitung zu Kapitel 8.

478 Mission in Jining besichtigt, wobei eine kurze Jahresschlußprüfung der drei Klassen vorgenommen wurde. Am 18. Juni besichtigte ich zwischen 10 Uhr und 3 Uhr die Missionsstation in Daijia und das dortige Lehrerseminar mit Oberelementarschule. Am 19. Juni sali ich mir dann die Missionsstation in Yanzhoufii und das dortige Priesterseminar wie auch die Waisenschule der Mission an.45 Die fur die deutschen Sprach- und Schulbestrebungen in China wichtigen Anstalten der Mission sind die Mittelschule in Jining und das Lehrerseminar mit Oberelementarschule in Daijia. Beide Anstalten sind nach den Vorschriften der chinesischen Schulverordnungen aufgebaut und als den chinesischen entsprechenden Anstalten gleichberechtigt anerkannt. Ihre Reife-Abgangszeugnisse erhalten den amtlichen Stempel. An beiden Anstalten ist als Fremdsprache Deutsch eingeführt; in Jining werden daneben in der obersten Klasse noch die Grundlagen des Englischen unterrichtet. Die Unterrichtssprache ist in erster Linie Chinesisch. Doch bedient man sich daneben in Jining auch des Deutschen als Unterrichtssprache, oft in recht umfangreicher Weise. Den Unterricht erteilen in beiden Anstalten zum größten Teil die Patres der Mission, an ihrer Spitze in Jining der seit langen Jahren im Unterricht an chinesische Schüler erfahrene Pater Stenz. [...]46 Die Leistungen der Jininger Schule müssen im allgemeinen als gute, zum Teil sogar als wirklich recht gute anerkannt werden. Das gilt vor allem von den deutschen Kenntnissen der Schüler. Naturgemäß liegt hier ihre Stärke mehr in der Beherrschung der Grammatik und im Verständnis der geschriebenen und gedruckten Worte. Dadurch aber erzieht die Schule wirklich gewandte und zuverlässige Übersetzer von guter allgemeiner Bildung. Mir wurden denn auch von deutscher kaufmännischer Seite die von der Schule empfohlenen Absolventen als äußerst brauchbar gelobt. Gegenüber den Leistungen in den sprachlich-ethischen Fächern stehen die Kenntnisse in den naturwissenschaftlichen Fächern zurück. Das schreibt sich einmal von dem Mangel an physikalischen und chemischen Lehrmitteln und Unterrichtsräumen her, andererseits auch davon, daß die unterrichtenden Patres niemals eine besondere pädagogische Schulung durchgemacht haben, viel weniger noch eine dem Stande des modernen naturwissenschaftlichen Unterrichts entsprechende Ausbildung. Es erübrigt sich um dieser Tatsache willen auch, auf die mannigfachen Verstöße gegen die Grandregeln der Unterrichtspädagogik einzugehen. Sie fallen nach meiner Auffassung gar nicht ins Gewicht gegenüber dem Ergebnis der Arbeit und gegenüber dem Geist, aus dem heraus die Arbeit geleistet wird. Das ist das Interesse fur die deutschen Bestrebungen und für den Unterricht. Als Vorbild für alle anderen Patres ist da besonders Pater Stenz zu nennen. Er hat seine ganze Arbeitskraft an diese Jininger Mittel44 Das „St. Josef-Kolleg" in Daijia mit Lehrerseminar und Oberelementarschule wurde 1906 eröffnet, siehe Rivinius 1994:134f und Einleitung zu Kapitel 8. 45 Das Priesterseminar diente der Ausbildung eines chinesischen Klerus. Mit der Verlegung der Bischofsresidenz 1896 zog in der Folge auch das Priesterseminar nach Fertigstellung der Seminargebäude 1901/1902 von Jining nach Yanzhoufü, vgl. Rivinius 1994:53ff. 46 Es folgen Ausführungen über die Jahresprüfüngen

479 schule gesetzt und tut das auch jetzt noch. Von durchaus glaubwürdiger Seite ist mir versichert worden, was ich aus Gesprächen mit Pater Stenz auch herauszuhören glaubte, daß er einen großen Teil seines Privatvermögens zur Einrichtung und zum Aufbau der Schule, zur Herstellung der Lehrbücher usf. verwendet hat, wie auch der Neubau der Mittelschule von ihm zum größten Teil, wenn nicht ganz, bezahlt wird. Wie die Leistungen und Kenntnisse der Schüler gut waren, obwohl offensichtlich sehr viel mehr mittelmäßige und schlechte Schüler als gute in der Prüfung herangenommen wurden, so war auch die Disziplin unter den Schülern sehr gut. Ich hatte freilich auch Gelegenheit zu beobachten, mit welcher Konsequenz der Pater Stenz und die älteren Patres diese Disziplin aufrechtzuerhalten verstehen, gegebenenfalls sogar mit rücksichtsloser Hand. Allerdings steht vor allem dem Pater Stenz eine ganz besondere Autorität dadurch zur Seite, daß er schon mehrere zweite, demnächst auch dritte Generationen eingesessener und angesehener Familien durch seine Schulerziehung hindurchgehen sieht. Die Zahl der Schüler in der Mittelschule in Jining beträgt etwa 200. Von den unterrichtenden Patres ist neben dem schon erwähnten Pater Stenz noch der Pater Horsthemke zu nennen. Das Lehrerseminar in Daijia wird von 25 Schülern besucht, die dazugehörige dreiklassige Oberelementarschule von 135 Schülern. Den Unterricht erteilen neben chinesischen Lehrern die Patres der Station. Ich sah die verschiedenen Klassen bei der gewöhnlichen täglichen Schularbeit, und zwar Oberelementarschule, Klasse III (unterste Klasse): Rechnen: Chinesische Lehrer, chinesische Unterrichtssprache: Dividieren und Multiplizieren im Zahlenkreise bis 1.000. Tafel- und Kopfrechnen, Heft-Rechnen. Erdkunde: Chinesische Lehrer, chinesische Unterrichtssprache: Heimatkunde von Shandong. Lehrerseminar (es ist ein Seminar zur Ausbildung von Lehrern für Elementarschulen), Klasse III (unterste Klasse): Physiologie: Die menschlichen Verdauungsorgane. Zum Vergleich wurden die Verdauungsorgane bekannter niederer und höherer Tiere herangezogen. Den Unterricht erteilte ein chinesischer Lehrer in chinesischer Sprache. Deutsch: Die Schüler haben ein halbes Jahr lang wöchentlich drei Stunden deutschen Unterricht gehabt: Lesen von deutschen Sätzen. Leichte grammatische Fragen. Übersetzen leichter deutscher Sätze. Übersetzen von chinesischen Fragen und Antworten ins Deutsche und umgekehrt. Das Lehrerseminar ist als deutsch-chinesische Schulanstalt erst in der Entwicklung, nachdem längere Zeit auf Verlangen der Shandonger Provinzialregierung Englisch die Fremdsprache gewesen ist. Das Bestreben, tüchtige chinesische Lehrer für die Elementarschulen heranzubilden, verdient Ermunterung und Unterstützung. Unsere deutsch-chinesischen Schulen werden davon, besonders im Hinblick auf die „Zubringerschulen", nur Vorteil haben können. Doch sollte einem solchen Lehrerseminar ein viertes Jahr angegliedert werden, das

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im wesentlichen der praktischen Unterrichtsunterweisung der Zöglinge gewidmet sein müßte. Als Übungsschule könnte die Elementarschule der Anstalt dienen. Nur zur Vervollständigung des Bildes von den höheren Schulanstalten der Mission füge ich einige Angaben über das Priesterseminar in Yanzhoufü hinzu. Dieses Seminar verlangt ein fünfzehnjähriges Studium, und zwar: zwei Jahre Präparandie sechs Jahre Humaniora zwei Jahre Philosophie ein Jahr Praktische Tätigkeit und vier Jahre Theologie. Die ersten acht Jahre umfassen die untere Abteilung. Sie wurde von 65 Schülern besucht. Der oberen Abteilung gehörten 24 Schüler an. Natürlich geht ein eindringliches Studium der chinesischen Klassiker und Sprache in allen Jahren neben dem Unterricht in westländischen Wissenschaften einher. Die Unterrichtssprache ist Chinesisch. Als Fremdsprache wird Lateinisch gelehrt. Die philosophischen und theologischen Lehrbücher sind alle in lateinischer Sprache abgefaßt. Nach Abschluß des vierjährigen theologischen Kurses erfolgt die Weihe zum Priester. Bei meiner Besichtigung der Anlagen und der Schulanstalten der Mission war auch Herr Bischof Henninghaus zugegen, der teilweise selbst in der liebenswürdigsten Weise den Führer machte, gez. Dr. Schmidt BAP, DBC, Nr.341, Bl. 173-180.

137 Ausführungen des Missionars August Kind über die protestantische Mission in Kiautschou (November 1914) DAS KIAUTSCHOU-GEBIET UND UNSERE MISSIONSARBEIT IN IHM. Von ausländischen Missionsgesellschaften haben nur die amerikanischen Presbyterianer eine Tätigkeit in dem Schutzgebiet entfaltet. Von deutscher Seite haben eine katholische (die Steyler) und zwei evangelische Missionsgesellschaften, nämlich Berlin I und der Allgemeine Evangelisch-protestantische Missionsverein, ihr Werk in Kiautschou betrieben. Die Denkschriften des Reichsmarineamts haben stets in unparteiischer Weise voll Anerkennung

47 Es handelt sich um die „Berliner Gesellschaft zur Beförderung der evangelischen Mission unter den Heiden". Sie war seit 1898 im Pachtgebiet vertreten und unterhielt vor allem die vom Gouvernement gegründete Schule für Chinesen, siehe hierzu Richter 1924:614-631.

481 über deren segensreiche zivilisatorische Arbeit berichtet. Ohne die Erfolge der anderen Missionen zu verschweigen oder herabsetzen zu wollen, sei an dieser Stelle nur der Entwicklung der Mission unseres Vereins gedacht. Das ist um so mehr berechtigt, als er sich sehr bald in China für eine eigenartige, für die sogenannte indirekte Methode der Mission entschieden hat. Diese besteht darin, daß man zunächst nicht auf Einzelbekehrung oder Gemeindegründung hinarbeitet, sondern durch Schul- und Hospitaltätigkeit und durch literarische Arbeit altherkömmliche Vorurteile entwurzeln und christlichen Geist überhaupt verbreiten und zur Anerkennung bringen will. Diese Art der Mission ist von den einen mißbilligt, von den andern mit Freuden begrüßt worden. Die bisher damit gemachten Erfahrungen konnten den Verein nur darin bestärken, auf dem eingeschlagenen Wege zu beharren. 1. Unsere Missionare D. Faber, seit 1885 im Dienst unseres Vereins, war der Begründer unserer Mission im Kiautschou-Gebiet. Seiner Wirksamkeit dort wurde nur zu bald ein Ende gesetzt. An sich von keiner festen Gesundheit, erkrankte er besonders infolge der mangelhaften Wohnungsverhältnisse und starb am 26. September 1899. Er hatte dem Allgemeinen Evangelisch-Protestantischen Missionsverein sein Barvermögen, seine wertvolle Bibliothek, seine sämtlichen Manuskripte und seine große Pflanzensammlung vermacht. Mit D. Faber verlor der Verein eine missionarisch hervorragende, mit chinesischem Wesen und chinesischer Literatur selten vertraute, in China wie auch in christlichen Ländern hochangesehene Persönlichkeit. In Qingdao hat er seine letzte Ruhestätte gefunden. Durch sein Grab schon ist uns der dortige Boden geweiht. Fabers Freunde und Verehrer in Deutschland und in China haben für ihn in Qingdao auf dem schönen, weithin das Meer überblickenden Friedhof ein Denkmal errichtet mit der Inschrift: „Em Bahnbrecher christlichen Glaubens und christlicher Kultur. Ein deutscher Forscher im fremden Lande". Mit D. Faber war Pfarrer Kranz, seit 1892 für unseren Verein tätig, nach Qingdao gegangen. Seine Stärke war die literarische Mission, der er sich mit großem Eifer widmete. 1902 löste er sein Verhältnis zu unserem Verein, da dieser ihm in dogmatischer Beziehung nicht streng genug gebunden erschien. Die Seele unserer Kiautschou-Mission wurde D. Wilhelm, der seit 1899 in dem Schutzgebiet wirkt. Er lebte sich bald in chinesisches Denken und Empfinden ein, verstand, mit den Chinesen umzugehen, und da er ihnen Vertrauen entgegenbrachte, gewann er ihr Vertrauen in weitgehendem Maße. Als 1900 während der Boxerunruhen eine deutsche Strafexpedition Gaomi beschoß und besetzte, wurde er von einem chinesischen Mandarin ersucht, die dortigen Bewohner zur Vernunft zu bringen. Mit Erlaubnis des deutschen Gouverneurs Jaeschke und in Begleitung seines Sprachlehrers, des von Amerikanern vorgebildeten Arztes Li, begab er sich nach Gaomi, brachte den Armen und Verwundeten Hilfe und beruhigte die Bevölkerung, so daß er bald an der Spitze von 100 Dorf-Bürgermeistern zu dem deutschen Befehlshaber ziehen und ihm eine Ergebenheitsadresse überreichen lassen konnte. 48 Dieser Erfolg und seine dabei bewiesene menschenfreundliche Art erwarben ihm in Gaomi und über

48

Siehe hierzu die Einleitung zu Kapitel 4 und Dok 80.

482 Gaomi hinaus viel Liebe und Verehrung. Reich an Gedanken und Plänen, war er unablässig tätig, unsere Arbeit immer weiter zu fuhren und immer mehr zu festigen. Sein Ausgangspunkt war die indirekte Missionsmethode, fur die er lebhaft eingetreten war. Er gewann vielseitige Beziehungen zu einflußreichen chinesischen Kreisen und erwarb sich auch bei den chinesischen Behörden hohe Achtung, so daß er 1906 zum Rang eines Mandarin erhoben wurde. Er vertiefte sich in die chinesische Literatur, und konnte daran gehen, deren klassische Schriften ins Deutsche zu übertragen. Es erschienen bisher: Kongfuzi, Gespräche (Lun Yü); Laozi, Daodejing; Liezi, Das wahre Buch vom quellenden Urgrund, und Zhuangzi, Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Das erfreuliche Gedeihen unserer Arbeit im Kiautschou-Gebiete ist in erster Linie das Werk D. Wilhelms. An seiner geistesverwandten Gattin hatte er eine treue Gehilfin, die sich besonders im Schulwesen fleißig betätigte. Ihm zur Seite trat Lie. Schüler, der 1900 ausgesandt wurde, 1902 Gouvernementspfarrer wurde, seit 1905 wieder ausschließlich fiir die Mission tätig war und im deutsch-chinesischen Seminar und Hospital, zeitweise auch in Gaomi, treu und selbstlos, von seiner Gattin unterstützt, wirkte. 1911 siedelte er nach Shanghai über, dort das Pfarramt zu übernehmen und zugleich missionarisch zu arbeiten. 1913 kehrte er gesundheitshalber nach Deutschland zurück und ist seit Ostern 1914 als Dozent am Orientalischen Seminar in Berlin angestellt. Pfarrer Benjamin Blumhardt traf 1902 in Qingdao ein, mußte aber infolge leidenden Zustandes bereits 1905 die Heimat wieder aufsuchen. Obwohl der Verein sein Verhältnis mit ihm löste, ging er 1906 von neuem nach Qingdao, um D. Wilhelm zu helfen, und wurde wieder in den Dienst des Vereins aufgenommen. Er hat sich in dem Seminar und Hospital in Qingdao und in der Kreisschule und dem Hospital in Gaomi redlich verdient gemacht. 1913 kehrte er nach Deutschland zurück und hat sich der Oberlehrerlaufbahn gewidmet. Fräulein Hanna Blumhardt trat 1906 an die Spitze der Mädchenschule in Qingdao und bewährte sich hier mit freudigem Eifer. Augenblicklich weilt sie in Deutschland. Der ausgebrochene Krieg verhinderte ihre Rückreise. Ihre Schwester, Fräulein Gottliebin Blumhardt - beide Schwägerinnen von D. Wilhelm befindet sich seit 1907 in Qingdao, hat nicht nur im Hause von D. Wilhelm sich nützlich gemacht, sondern ist auch fiir unsere Mission eine treue Helferin geworden, so daß unser Verein sie in seinen Dienst berufen hat und zu seinen eigentlichen Kräften zählt. Zwei neue Missionare konnten in den letzten Jahren ausgesandt werden. Seit Ende 1912 wirkt Pfarrer Seuffert in Qingdao, befleißigt sich der Erlernung der chinesischen Sprache und erteilt Unterricht am Seminar. Im März 1914 wurde Pfarrer Oberlehrer Dr. Bohner nach Qingdao abgeordnet. Beide berechtigen zu guten Hoffnungen. Für die Missionare war auf dem von der Regierung überlassenen Grundstück ein Wohnhaus Anfang 1900 fertiggestellt. Am 25. und 26. Mai dieses Jahres wütete ein furchtbarer Taifun und richtete schweren Schaden an dem neuen Wohnhaus an. Die Wiederherstellung erforderte einen Kostenaufwand von 10.000 Mark. Wohnräume sind später auch in dem Er-

4 9 Zum Orientalischen Seminar in Berlin siehe Einleitung zu Kapitel 8.

483 weiterungsbau des deutsch-chinesischen Seminars eingerichtet, gelegentlich gemietet worden. Sehr bald sind chinesische Hilfskräfte in unseren Dienst berufen worden. Allmählich ist ein stattlicher Stab solcher an unseren Schulen erwachsen. Wir dürfen uns vieler Treue und Anhänglichkeit ihrerseits rühmen. 2. Unsere Schulen In Dabaodao hatte der Verein ein Grundstück erworben und ein Haus erbaut. Im Juni 1901 wurde dort eine chinesische Tagesschule, die zugleich zu einem Erziehungsheim wurde, eröffnet. Sofort stellten sich dreißig Schüler ein, und ihre Zahl wuchs sehr bald. Es wurde daher der Bau einer neuen Schule auf dem Missionsgrundstück beschlossen. September 1902 konnte das in chinesischem Stile gehaltene Gebäude, der nunmehrige Sitz fiir das deutschchinesische Seminar, bezogen werden. Im Laufe der Zeit machten sich verschiedene Erweiterungsbauten notwendig, die zum Teil mit Geldern von Chinesen bestritten werden konnten. Die Schüler erhalten Unterricht in chinesischen Fächern wie in westlichen Wissenschaften; wochentags wird der Unterricht mit einer Andacht, an der alle teilnehmen müssen, eröffnet, Sonntag findet Gottesdienst statt, dessen Besuch freigestellt ist, aber meist erfolgt. Im Sommersemester 1913 betrug die Schülerzahl 141. An das Seminar wurde eine Elementarschule angegliedert. Für die chinesische Kreisschule in Gaomi, außerhalb, aber an der Grenze unseres Schutzgebietes, wurde unser Rat und Hilfe begehrt. Eine Reihe von Jahren wurde besonders der deutsche Sprachunterricht von einem unserer Missionare erteilt. Durch die Stürme der chinesischen Revolution löste sich 1911 die Verbindung der Kreisschule mit unserer Mission auf. Kleinere Schulen wurden vom Verein ins Leben gerufen in Shawo und Luanjiazhuang, beide bei Gaomi, und in Landi im Pingdu-Kreis, die letztere wurde bald zum Rang einer Kreisschule erhoben. Auch der Schulbildung des weiblichen Geschlechts wandte unsere Mission ihre Fürsorge zu. Aus kleinen Anfangen 1905 erwuchs die Meiyi-Schule, eine Volksschule für chinesische Mädchen, an die sich 1909 ein Kindergarten, 1911 kleine Vorschulen anschlossen. Allmählich kam der Gedanke auf, eine höhere chinesische Mädchenschule neben der Meiyi-Schule zu begründen. Die sogenannte Hamburger Spende, von Lie. Rohrbach und D. Meincke gesammelt, ermöglichte die Ausführung. 1911 konnte die neue Schule unter dem Namen Shufan-Schule 50 eröffnet und ihr sehr stattliches Heim eingeweiht werden. Anfang Januar 1914 befanden sich in beiden Mädchenschulen zusammen 89 Schülerinnen. An die ShufanSchule sind angegliedert folgende Vorschulen. 1. Weixian mit 20 Schülerinnen, 2. Taidongehen mit 18 Schülerinnen, 3. Taixichen mit 17 Schülerinnen. Eine Sammlung von Lehrmitteln ist unseren Schulen in Qingdao zur Verfugung gestellt worden. Besondere Lehrbücher wurden geschaffen von Frl. G. Blumhardt, D. Wilhelm und vom deutsch-chinesischen Seminar.

50 Siehe hierzu Dok.133.

484 3. Unsere Hospitaltätigkeit. Dr. Dipper ist der erste von uns angestellte Missionsarzt. Er ist der Begründer unserer ärztlichen Mission. Ende 1900 begann er seine Tätigkeit in Qingdao. Er fand bald auch in europäischen Kreisen eine umfangreiche Praxis. Unter seiner Leitung wurde 1901 das FaberHospital erbaut, das im folgenden Jahre während der Cholerazeit sehr gute, von der Regierung warm anerkannte Dienste leistete. Im März 1905 löste Dr. Dipper sein Verhältnis mit unserem Verein und widmete sich ganz seiner ausgedehnten Privatpraxis, war aber noch immer zu Hilfsleistung für das Faber-Hospital bereit. Als sein Assistenzarzt war Dr. Wiek im Oktober 1903 vom Verein nach Qingdao berufen worden. Er kehrte 1906 bei Anlaß der Neuorganisation des Faber-Hospitals in die Heimat zurück, um sich weiteren medizinischen Studien zu widmen. Dr. Dipper übernahm nun wieder die Leitung des Faber-Hospitals. Als er 1908 einen wohlverdienten Urlaub nach Deutschland antrat, wurde Dr. Wunsch sein vorläufiger, später sein endgültiger Nachfolger. Unter seiner eifrigen und warmherzigen Tätigkeit nahm das Faber-Hospital einen neuen Aufschwung. Zu allgemeinem Bedauern starb der erst 41jährige Mann im März 1911 am Typhus, mit dem er sich bei der Behandlung eines Chinesen angesteckt hatte. An seine Stelle trat Dr. Eyl. Am Faber-Hospital wirkte 1904 bis 1906 Schwester Jutta Stegemann, seit 1911 ist Schwester Margrith Wittwer dort tätig. Das Faber-Hospital erfuhr durch Umbauten und Neubauten mannigfache Veränderungen und hat sich sowohl in seiner Poliklinik, sowie von seiten von Innenpatienten eines regen Zuspruchs erfreuen können und durfte vielen Hilfe und Segen bringen. Für erkrankte Europäer wurde auf Anregung von Dr. Dipper das Faber-Krankenhaus erbaut und 1908 eröffnet. Ein Komitee der Qingdaoer Zivilgemeinde hatte die Mittel gesammelt und unser Verein hatte einen namhaften Beitrag beigesteuert. Das Faber-Krankenhaus, in dessen Kuratorium unser Verein vertreten ist, hat sich vortrefflich entwickelt. Der Gedanke, zu Ehren des verstorbenen Dr. Wunsch beim Faber-Hospital einen WunschPavillon zu errichten, erweiterte sich zu dem Plane, ein Hospital fiir Chinesen aus besseren Ständen zu schaffen. Das Geld kam wesentlich aus chinesischen Kreisen zusammen. Der Bau wurde 1914 fertiggestellt, doch fehlt es noch an der inneren Einrichtung. Das chinesische Hospital zu Taidongchen, das wesentlich Poliklinik ist, trat 1905 unter unsere Verwaltung und ärztliche Überwachung, ebenso 1906 das mit einer Opiumentziehungsanstalt verbundene Hospital zu Jiaozhou. Eine besondere Hospitaltätigkeit eröffnete sich uns in Gaomi. Aus Dankbarkeit für eine glückliche Augenoperation durch unseren Arzt Li schenkte eine reiche und menschenfreundliche Dame dieser Stadt uns ein Grundstück für ein Hospital. Es wurde 1905 eröffiiet. Es mußte bald durch einen Neubau außerhalb der Stadt erweitert werden. Die Kosten konnten im wesentlichen durch Gaben von Chinesen in Gaomi bestritten werden. Auch in Gaomi suchten viele Chinesen in unseren Hospitälern ihre Zuflucht, und Dankschreiben in großer Zahl bezeugten die ihnen widerfahrene Wohltat. Auch für unsere Hospitaltätigkeit sind, wie für unsere Schulen, eine Reihe chinesischer Kräfte angestellt worden.

485 4. Literarische Mission. Der Verein ließ sich die möglichste Verbreitung der Schriften des verewigten D. Faber angelegen sein. Um ihre Herausgabe und ihre Verbreitung hat sich Pfarrer Kranz ein hervorragendes Verdienst erworben. Für Deutsche und Chinesen zur Erlernung ihrer gegenseitigen Sprachen gab Kranz deutsch-chinesische Lektionen heraus, die von Wilhelm fortgesetzt und erweitert wurden, und von letzterem wurde auch ein deutsch-chinesisches Übungsbuch verfaßt. Beide bewährten sich und wurden viel gebraucht. In neuester Zeit wurden zwei Zeitschriften herausgegeben: eine chinesische religiöse Monatsschrift „Der Freund" und eine in zwangloser Folge erscheinende philosophische Zeitschrift „Blätter der Konfuzius-Gesellschaft" 51 , Qingdao. Ins Chinesische wurde übersetzt Kant, Von der Macht des Gemüts. Andere hervorragende deutsche Werke sollen folgen. Die durch die Revolution in China herbeigeführte Anwesenheit vieler gebildeter und gelehrter Chinesen in Qingdao ermöglichte D. Wilhelm, einen regen Gedankenaustausch zwischen deutsch-evangelischem und chinesischem Geiste anzubahnen. Ein geselliger Mittelpunkt zu zwanglosem Beisammensein wurde geschaffen. Gute und weitausschauende Pläne wurden in Aussicht genommen. Zunächst wurde daran gedacht, eine chinesische Bibliothek zu gründen, um die Schätze chinesischer Literatur, von denen so viele während der Stürme der Revolution in roher Weise vernichtet worden waren, zu sammeln und vor dem Untergang zu bewahren. Gleichzeitig sollte eine Stätte zu Zusammenkünften und zu regelmäßiger Übersetzungsarbeit errichtet werden. Das Geld dafür kam sehr bald wie von selbst zusammen. Im Garten unseres Missionshauses wurde die chinesische Bibliothek in Angriff genommen und erhebt sich bereits als schmucker Bau. Unsere Missionsarbeit im Kiautschou-Gebiet ist von viel Glauben und Hoffnung, von unermüdlichem Eifer und treuem Gebet getragen gewesen. Die draußen auf Vorposten gestanden, haben ihr Bestes eingesetzt, und die heimische Missionsgemeinde hat ihre Fortschritte mit herzlicher Teilnahme begleitet und suchte auf mannigfaltige Weise die Mittel fur das Werk in China aufzubringen. Segen ruhte auf unserem Wirken, Früchte begannen zu reifen, eine freundschaftliche Auseinandersetzung zwischen unserem christlichen und dem chinesischen Geiste war in die Wege geleitet. Durch den [japanischen] Angriff auf das Kiautschou-Gebiet ist unsere uns so liebgewordene Missionsarbeit dort jäh unterbrochen. Unsere Missionare Bohner und Seuffert trugen die Waffen, D. Wilhelm, der in Qingdao geblieben ist, hat ein Rotes Kreuz eingerichtet, Frau D. Wilhelm ist mit ihren Kindern und ihrer Schwester nach Jinanfu und später nach Peking geflüchtet, unsere Schulen und Hospitäler sind in Lazarette verwandelt worden. Nicht von China drohte uns die Gefahr. Japan, das so vieles Deutschland verdankt, und dem unser Verein auch unser Höchstes, unser Evangelium, zu bringen seit mehr als 25 Jahren sich bemüht hat, hat unser Schutzgebiet in Besitz genommen und will es behalten. Es tut

51 Zur Konfüziusgesellschaft siehe Dok. 13 5

486 dies auf Anstiften und mit Unterstützung Englands.52 England hat sich gern als eine Vormacht protestantischen Christentums gebärdet, England galt uns als vorbildlicher Träger evangelischer Mission, zu dem wir aufschauen und von dem wir lernen könnten, und England zeigt in seinem öffentlichen Leben die Missionsgesellschaften als eine einflußreiche Macht. Aber diese haben geschwiegen, als England sich nicht entblödete, wie anderwärts, auch im Kiautschou-Gebiete treue und gesegnete Missionsarbeit vernichten zu lassen. Ob unsere Tätigkeit in Qingdao fortgesetzt werden kann und wie sie sich in Zukunft gestalten wird, steht zur Zeit noch dahin. Wir dürfen aber gewiß sein, daß unsere bisherige Arbeit nicht vergeblich gewesen ist. Wie der Ausgang auch sein möge, es wird mit Gottes Hilfe der von uns ausgestreute Samen aufgehen und reifen. Wir haben beten gelernt: Nicht mein, sondern dein Wille geschehe, aber dürfen uns auch darauf verlassen, daß in Erfüllung geht unser Gebet: Dein Reich komme. August Kind, Das Kiautschou-Gebiet Religionswissenschaft

und unsere Mission in ihm, in: Zeitschrift flir Missionskunde

und

11 (1914), S.327ff.

138 Vortrag des Sinologen Otto Franke (29.1.1915) 53 Die Vertrauensstellung, die Deutschland während der letzten Jahre der monarchischen Regierung unzweifelhaft einnahm, gründete sich nicht zum wenigsten auf seine kulturelle Wirksamkeit, namentlich in Qingdao. Bei der Umformung seines staatlichen Gefiiges war China, vor allem bei der Heranbildung der Jugend und des neuen Beamtentums, in weitem Umfange auf die Hilfe der fremden Mächte angewiesen, und hierbei hat auch Deutschland - leider später als in seinem Interesse wünschenswert gewesen wäre - sein redliches Teil beizutragen gesucht. Durch Gründung von Schulen in verschiedenen Plätzen Chinas, durch Entsendung deutscher Lehrer und durch Aufnahme zahlreicher junger Leute in die deutsche Armee hat es den Chinesen reichlich Gelegenheit gegeben, deutsche Kultur, Wissenschaft und Arbeitsart kennen zu lernen. Ist auch hier nicht jedes Samenkorn aufgegangen, so hat die Saat doch

52 Unmittelbar nach der englischen Kriegserklärung an das Deutsche Reich (4.8.1914) drängte der britische Botschafter in Japan, Greene, bei dem japanischen Außenminister Kato auf militärische Unterstützung Japans gegen Deutschland in Ostasien. Dies implizierte wohl auch einen Angriff auf Kiautschou durch japanische Truppen. Das japanische Ultimatum an das Gouvernement vom 14.8.1914 hingegen wurde zu diesem Zeitpunkt ohne Wissen und Billigung Englands ausgesprochen, vgl. Godshall 1923:72f, Wang Shouzhong 1987:302f. Zur japanischen Besetzung von Kiautschou siehe auch Kapitel 9 und Dok. 147. 53 Franke war zu dieser Zeit Professor am Kolonialinstitut Hamburg. Der Vortrag wurde in Bonn gehalten. Er erschien in einer Reihe von Vorträgen, die sich mit den politischen Wirkungen des Weltkrieges in verschiedenen Regionen auseinandersetzen.

487 mehrfach gute Früchte getragen, wie sich jetzt unzweifelhaft herausstellt. Ungemein segensreich hat hier vor allem Qingdao gewirkt. 1908 wurde mit der Regierung in Peking die Einrichtung einer deutsch-chinesischen Hochschule in Qingdao vereinbart. Bei den Verhandlungen darüber traten die hohe Achtung vor deutscher Art und Arbeit und das Vertrauen in Deutschlands ehrliche Absichten recht augenfällig in die Erscheinung, indem der neuen Studienanstalt die Stellung und die Vorrechte einer chinesischen staatlichen Hochschule verliehen, und jährliche Zuschüsse in Geld zugebilligt wurden. Es war dies das erste Mal, daß die in dieser Erziehungsfrage sehr mißtrauische Regierung eine fremde Schule amtlich anerkannte und unterstützte. Man wußte in Peking und sprach es auch aus, daß die jungen Leute in Qingdao in guter Hut seien, und daß sie weder zu Deutschen gemacht noch zu zügellosen lärmenden Politikern erzogen werden würden. Das letztere war von besonderem Wert, denn die Erziehungsergebnisse der japanischen und amerikanischen Schulen hatten zu starken Bedenken Anlaß gegeben. Von dort her hatten die meisten der revolutionären Wirrköpfe ihre phantastischen Vorstellungen und politischen Schlagworte bezogen, mit denen sie das heimische Staatswesen in uferlose Abenteuer hineinrissen. I.J. 1911 brach die Revolution aus, die von Freiheit und Gleichheit, Menschenrechten und parlamentarischer Verfassung faselte, im folgenden Jahre die Monarchie beseitigte und die sogenannte Republik südchinesischer Prägung heraufführte. Diese Entwicklung blieb nicht ohne Einfluß auf das deutsch-chinesische Verhältnis. Von England und Amerika wurde die Bewegung zum mindesten mit Wohlwollen betrachtet, von Japan nachdrücklich unterstützt (die Gründe hierfür können hier unerörtert bleiben, idealer Natur waren sie nicht). In Deutschland haben sich zwar nicht wenige, und sogar emsthafte Leute, ebenfalls über das Wesen und den notwendigen Ausgang der Vorgänge vollständig getäuscht, aber die Regierung verhielt sich diesem Umsturz gegenüber grundsätzlich als unbeteiligter Zuschauer, vermied jede Förderung der wirkenden Kräfte, aber duldete im Schutzgebiet Kiautschou keinerlei politische Bestrebungen irgendwelcher Art. Die Folgezeit hat bewiesen, daß sie Recht daran getan hat. Ihren Aufgaben entsprechend wußte die deutschfeindliche Verbandspresse auch diese Haltung der deutschen Regierung wieder fur ihre vergiftende Tätigkeit nutzbar zu machen. Ohne Unterlaß wurde Deutschland den neuen Männern als Hort politischer Rückständigkeit und finsterer Reaktion, als Verbündeter der „verkommenen" Mandschus und als Feind der „freiheitbringenden" Jung-Chinesen 54 verlästert. Diese beständigen Verleumdungen haben in der Tat Deutschland bei der neuen republikanischen Regierung zunächst sehr mißliebig gemacht, und das fanatische Südchinesentum bemühte sich, die deutsche Stellung zu schwächen, wo immer sich eine Gelegenheit dazu bot. Dafür aber suchten die bisher führend gewesenen Männer, die wohl Monarchisten, aber durchaus nicht etwa fortschrittsfeindlich oder politisch unfähig waren, um so mehr Anlehnung an Deutschland und die Deutschen. Ein großer Teil von ihnen ging nach Qingdao, kaufte sich dort an und wartete hier der Weiterentwicklung der Dinge. Es währte nicht lange, bis die südchinesischen Bilderstürmer abgewirtschaftet hatten, und man die älteren erfahrenen Staatsmänner zur Rückkehr in die Re-

54

Damit sind die revolutionären Kräfte um Sun Yatsen gemeint.

488 gierung zu überreden suchte, aber wenige nur sind dem Rufe gefolgt, die meisten blieben in Qingdao, wo sie unter der musterhaften deutschen Verwaltung Sicherheit und Ordnung genossen und deutsche Kultur schätzen lernten. Das Schutzgebiet hatte sich in der Zwischenzeit auch zu einem wahren Musterlager deutscher kultureller Leistungen entwickelt. Es zeigte den Chinesen durch das lebendige Beispiel, wie eine gesunde und schöne Stadtanlage aussehen muß, wie sie verwaltet und gepflegt wird, wie zweckmäßige Hafen- und IndustrieBauten geschaffen werden, was die Forstkultur für das Land bedeutet, und manches andere dazu. Die neue Hochschule blühte so kräftig auf, daß man mit dem Bauen kaum Schritt halten konnte, aus allen Provinzen des Reiches strömten die Schüler herbei, und selbst die Männer der ersten republikanischen Regierung konnten beim Anblick dessen, was dort geleistet war und wurde, mit ihrer Anerkennung nicht zurückhalten. So war Kiautschou in der Tat geworden, was es sein sollte: ein Stützpunkt fur den friedlichen Handel, eine Einlaßpforte für deutsche Kultur, nicht zur Eroberung und Unterjochung bestimmt, sondern zur freundschaftlichen Annäherung an das chinesische Volk. Das Mißtrauen auch bei den nunmehr gemäßigter gewordenen Republikanern war geschwunden, von gewissen radikalen Kreisen vielleicht abgesehen, und die Hetzartikel der Verbandspresse blieben wirkungslos. Das Verhältnis zu China war seit der Revolution zusehends besser geworden, und die ehrliche deutsche Kulturarbeit, mit Qingdao als Mittelpunkt, die dem Interesse beider Länder diente, hatte eine aussichtsvolle Zukunft vor sich. Über die jungen Saaten ist der Kriegssturm hereingebrochen, das blühende Qingdao liegt in Trümmern, das Opfer eines feigen Raubzuges, die Beute gierigen Neides. Die Stellung Deutschlands in Ostasien sollte durch die Wegnahme von Kiautschou mit der Wurzel zerstört werden, wie es in der japanischen Presse und, mit etwas anderen Worten, in der Rede des Ministers Kato vom 5. September hieß. Es ist sehr zweifelhaft, ob Japan auch heute noch der Zweckmäßigkeit seines brutalen Überfalles sicher ist. Die Wirkung auf die Chinesen ist jedenfalls eine wesentlich andere gewesen als man erwartet hatte. Von der Bewunderung der furchtlosen Art, mit der das von vier Gegnern zugleich angefallene Deutschland in den Kampf ging, ist schon vorhin die Rede gewesen. Diese Bewunderung ist von Monat zu Monat gewachsen, und durch die heldenmütige Verteidigung von Qingdao gegen die vereinigten Streitkräfte von Japan und England wurde sie aufs höchste gesteigert. Daß die Verluste der japanischen Streitkräfte über doppelt so hoch waren wie die gesamte Besatzung, und daß selbst um diesen Preis der Platz nur unter grober Verletzung der Neutralität Chinas genommen werden konnte, hat den Ruhm der japanischen Waffen nicht erhöht. Dieses Deutschland war ein Staat von gewaltiger Kraft, das bezeugten nicht bloß die Berichte aus Vergangenheit und Gegenwart, sondern auch die Taten, die man selbst sah. Otto Franke, Deutschland und China vor, in und nach dem Kriege, Hamburg 1915, S. 14-18.

Kapitel 9

Die Stellung der Kolonie im Geflecht der deutsch-chinesischen Beziehungen

Die deutsch-chinesischen Beziehungen vor dem Ersten Weltkrieg waren in grundlegender Weise geprägt durch die Existenz des Pachtgebietes Kiautschou. Kiautschou stellte sich beiden Seiten als wichtigster Aspekt der bilateralen Beziehungen dar. Die deutsche Kolonie auf chinesischem Boden wurde sowohl in Deutschland als auch in China zum Anlaß genommen, mehr Informationen über den jeweils anderen zu sammeln und gegenseitige Kontakte zu verstärken. Insofern haben sich in der Zeit nach 1897 zweifellos Breite und Intensität der deutsch-chinesischen Beziehungen enorm entwickelt, wobei Kiautschou als Katalysator fungierte. Allerdings waren diese Beziehungen mehr oder weniger deutlich antagonistischer Natur. China als Objekt imperialistischer Politik bemühte sich um Wiedererlangung der Souveränität und Selbstbestimmungsrechte. Alle in den deutsch-chinesischen Beziehungen unternommenen chinesischen Initiativen verfolgten dieses Ziel. Auch für das Deutsche Reich waren die Kontakte zu China funktionalisiert, sie sollten der Stabilisierung und politischen Absicherung der angestrebten Vorherrschaft in Shandong dienen. Die außerhalb Shandongs stattfindenden Beziehungen waren ebenfalls in dieses antagonistische Grundmuster eingebunden. Das gilt eindeutig z.B. für die Entsendung eines deutschen Expeditionskorps nach China zur Niederschlagung der Boxerbewegung im Herbst 1900, die mit der Motivation geschah, die eigene Machtposition in China auszubauen. In der Frage der Anerkennung der 1911 ausgerufenen chinesischen Republik versuchte das Deutsche Reich wiederum, seine Sonderrechte zu erweitern. Nach dem Boxeraufstand und seiner Niederschlagung 1900 ist jedoch eine deutliche Stärkung Chinas in den beiderseitigen Beziehungen zu beobachten. Dies stand in Verbindung mit der Verwirklichung zahlreicher innenpolitischer Reformen, die in ihrer Gesamtheit die Position China in der internationalen Politik insgesamt aufwerteten. In besonderer Weise betrafen die eingeleiteten Reformen das Erziehungswesen durch Abschaffung der zentralen Beamtenprüfungen 1905 sowie die Wirtschaft durch die Implementierung einer aktiven Wirtschaftsförderung durch den Staat. Zur erfolgreichen Realisierung der Reformen sollte auch eine Kooperation mit dem Ausland in vielen Bereichen wie Erziehungswesen, Wirtschaft, Infrastruktur, Technologie usw. gesucht werden, aber es wurde zugleich Wert daraufgelegt, daß diese

490 Kooperation auf gleichberechtigter Basis erfolgte. 1 Nach 1900 gelang es daher keinem der imperialistischen Staaten mehr, China zusätzliche Interessensphären, Wirtschaftskonzessionen oder Pachtgebiete gegen seinen Willen abzuringen. Patriotische Kräfte, die sich um das Schicksal der Nation sorgten, gewannen beständig an Gewicht. Sie forderten auch weitgehende politische Partizipationsrechte fur die chinesische Bevölkerung. Neben den wichtigen außenpolitischen Wirkungen dieser Reformpolitik gab es somit auch erhebliche innenpolitische Konsequenzen: Im Herbst 1911 wurde durch einen kurzen Aufstand die Qing-Dynastie gestürzt und 1912 die Republik China ausgerufen. Im Zuge dieser Entwicklungen bot sich gegen Ende der Qing-Dynastie das Deutsche Reich konservativen politischen Kräften in China in vielerlei Hinsicht als Kooperationspartner an. Trotz des grundsätzlichen antagonistischen Verhältnisses war es beiden Seiten sehr wohl möglich, sich in einzelnen Sachfragen um Kooperation und Partnerschaft zu bemühen. Deutschland schien als konstitutionelle Monarchie mit sehr beschränkten demokratischen Elementen vom politischen System her für die Elite der Qing-Dynastie besser als Partner geeignet als die liberalen Demokratien der USA oder England. Selbst nach 1911 wurde von den national-revolutionären Kräften um Sun Yatsen die spät einsetzende, dafür aber ungemein schnelle Modernisierung Deutschlands als realistisches Vorbild fur China gesehen. Es ist deshalb festzustellen, daß gegen Ende des ersten Jahrzehnts des zwanzigsten Jahrhunderts Deutschland neben den USA als wichtigster politischer und wirtschaftlicher Kooperationspartner für China gesehen wurde. Dies war zum Teil ein Erfolg der neuen deutschen Chinapolitik nach 1905: Vor dem Hintergrund der zunehmenden Isolierung in Europa suchte das Deutsche Reich einen politischen und wirtschaftlichen Partner an der Peripherie. Die Regierung ersetzte daher die formelle imperialistische Politik durch eine aktive „friedliche" Kulturund Wirtschaftspolitik. 2 Aber den oppositionellen politischen Kräften in Deutschland ging dies nicht weit genug. Sie verlangten die Aufgabe der deutschen Sonderrechte sowie die Rückgabe Kiautschous an China. Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 ging die imperialistische Phase der deutsch-chinesischen Beziehungen endgültig zu Ende. Unmittelbar nach der japanischen Kriegserklärung an Deutschland besetzten japanische Truppen die Jiaozhou-Bucht und erklärten Kiautschou zu japanischem Hoheitsgebiet.

Die Mitwirkung deutscher Einheiten an der Niederschlagung der Boxerbewegung Im Frühjahr 1900 breitete sich die Boxerbewegung allmählich von Shandong nach Zhili aus. 3 Im Mai 1900 begannen die Boxer Eisenbahnlinien und Telegraphen bei Baodingfii zu zerstören und töteten ausländische Ingenieure. Am 11. Juni rückten sie in Peking ein, am

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Es handelt sich hierbei um eine der politischen Konstanten in der chinesischen Außenpolitik im zwanzigsten Jahrhundert, siehe Kirby 1994.

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Siehe hierzu Kapitel 8.

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Zur Entstehung der Boxerbewegung, der Rolle des Deutschen Reiches dabei und zu den Gründen des Vordringens nach Zhili, siehe Kapitel 4.

491 gleichen Tag wurde ein japanischer Legationssekretär von Mitgliedern der Boxer getötet. Die in China engagierten Mächte (England, Deutschland, Rußland, Frankreich, USA, Japan, Italien und Österreich) beschlossen angesichts des raschen Vordringens und der anti-ausländischen Parolen der Boxertruppen, eine alliierte Truppe zum Schutz der Gesandtschaften nach Peking zu entsenden (Dok. 139). Die alliierte Truppe wurde am 10. Juni unter Führung des englischen Admirals Seymour gebildet. Die Truppen begannen nach Peking vorzurücken, wurden aber unterwegs von Einheiten der Boxer gestoppt und zum Rückmarsch nach Tianjin 4

gezwungen. Im Juni 1900 hatte die zuvor über die Politik gegenüber den Boxern uneinige Qing-Regierung die Boxerbewegung offiziell als loyale patriotische Bewegung anerkannt und forderte die Boxer auf, sich als Milizen registrieren zu lassen. Am 19. Juni benachrichtigte das Zongli Yamen die ausländischen Gesandten, daß sie Peking verlassen sollten. Einen Tag später, am 20. Juni, wurde der deutsche Gesandte Ketteier auf offener Straße von Boxern getötet. Wiederum einen Tag später, am 21. Juni 1900, erklärte die Qing-Regierung den ausländischen Mächten den Krieg. Nachdem die Ermordnung Kettelers in Deutschland bekannt geworden war, bemühte sich Wilhelm II. persönlich darum, daß der Oberbefehl über die alliierten Streitkräfte in China einem deutschen General, nämlich Alfred von Waldersee, übertragen werde. Wilhelm II. wollte, daß die offizielle deutsche Führung der alliierten Streitkräfte die überseeische Großmachtrolle des Deutschen Reiches international bestätige. Das Einverständnis der anderen Mächte wurde im August 1900 eingeholt. Die von Kaiser Wilhelm zur Verabschiedung des Expeditionskorps in Bremerhaven gehaltene sog. „Hunnen-Rede" nimmt unter den Dokumenten machtpolitischer Demonstration im Wilhelminischen Zeitalter einen herausragenden Platz ein (Dok. 140). 6 Kaum eine andere Rede Wilhelms II. hat eine vergleichbare, bis heute anhaltende Aufmerksamkeit erregt. Auf den Eisenbahnwaggons, die im Juli 1900 weitere Soldaten nach Bremerhaven brachten, wurden in der Folge Parolen aufgebracht wie „Eilzug nach China", „Rache ist süß" oder „Pardon wird nicht gegeben". In der „Hunnen-Rede" kommt die gesamte rhetorische Mobilmachung zum Ausdruck, die das politische Klima in dieser Zeit prägte. Wilhelm II. beabsichtigte, mit dem martialischen und imperialistischen Ton breite Schichten der Bevölkerung aufzurütteln und hinter seiner Person zu „sammeln". Hier tritt deutlich die andere, innenpolitische Seite des Imperialismus zum Vorschein: die „kühl kalkulierte Instrumentalisierung der Expansionspolitik zu innenpolitischen Zwecken". 7 Die Rede bedient insofern bewußt tiefliegende Stereotypen und Vorurteile mit ihren im Hintergrund latent vorhandenen Anspielungen auf 4

Dies galt als großer Erfolg der Boxer. In den Augen der Zeitgenossen wurde damit erstmals seit den Opiumkriegen ein militärischer Sieg über die Ausländer errungen. Ende Juni griffen dann auch QingTruppen an der Seite der Boxer in die Kämpfe ein. Die Boxer erhielten nun verstärkt Zulauf, auch die Qing-Regierung änderte ihre zunächst unentschlossene und abweisende Haltung und begann die Boxer als regierungstreue Kraft anzuerkennen, siehe Leutner 1988; Li Dezheng u.a. 1990:76-89.

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Zur Person Kettelers siehe Fischer 1994.

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Vgl. hierzu Sösemann 1976; Sösemann 1991:80f.

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Wehler 1995:1139. Wehler bezeichnet dieses Phänomen in der zitierten und in früheren Arbeiten als Sozialimperialismus.

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die „Gelbe Gefahr" , ihren mythisierenden Anklängen zur Aufgabe und Rolle der deutschen Soldaten und der expliziten Rache- und Kreuzzugsmentalität. Die Entsendung von Feldmarschall Waldersee und des deutschen Expeditionskorps stellte die größte „seemilitärische Anstrengung des Deutschen Reiches vor dem Ersten Weltkrieg" dar. Für das deutsche Reich bedeutete dies eine große machtpolitische Demonstration, wobei auch auf die Möglichkeit weiterer territorialer Erwerbungen gehofft wurde. 10 Als allerdings das deutsche Expeditionskorps Ende September in China eintraf, hatten die Truppen unter Admiral Seymour Peking am 4. August bereits erreicht. Der Qing-Hof war geflohen, und die Boxerverbände waren aufgelöst. In seinen Erinnerungen gibt Waldersee ein desillusioniertes Bild der Vorgänge zur Niederschlagung der Boxerbewegung, betont aber die positive Rolle der disziplinierten deutschen Verbände (Dok. 141). Tatsächlich führten unter Waldersee die deutschen Truppen insgesamt 35 „Strafaktionen" durch, die genau kalkuliert waren und sich von den zugelassenen wilden Plünderungen der anderen Mächte unterscheiden sollten.11 Doch die in und um Peking herum durchgeführten Strafaktionen ähnelten denen des III. Seebataillons von Kiautschou in Shandong: Beschießung und Erstürmung von Dörfern in den „aufständischen" Gegenden. Unter den zahlreichen Todesopfern befanden sich auch Frauen und Kinder. 12 Nach der Einnahme Pekings durch die alliierten Truppen am 14. August änderte der QingHof abermals seine Politik gegenüber den Boxern. Die Kaiserinwitwe Ci Xi und der Hof hatten Peking verlassen und waren nach Xi'an geflohen. In Erlassen wurden die Aktionen der „Boxerbanditen" verurteilt und zur totalen Bekämpfung der Boxer aufgefordert. Außerdem wurde der Generalgouverneur von Guangdong und Guangxi, Li Hongzhang, beauftragt, Friedensverhandlungen zu fuhren. Diese resultierten in dem sog. Boxerprotokoll, das am 7. September 1901 unterzeichnet wurde. 13 Die wichtigsten Bestimmungen waren: Zahlung 8

Vgl. Gollwitzer 1963.

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Winzen 1991:211; Es wurden im Verlauf der gesamten Aktion rund 20.000 Mann entsandt, siehe genaue Aufstellung bei Felber/Rostek 1987:28.

10 Zunächst war daran gedacht worden, die Truppen des Expeditionskorps in Qingdao zu stationieren. Von hier aus sollte dann eine Erweiterung des deutschen Pachtgebietes vorgenommen werden, siehe Michael 1987:145. Der Plan wurde aufgegeben, weil zum einen die Boxerbewegung in Shandong von Yuan Shikai wirkungsvoll niedergeschlagen wurde, zum anderen weil der Oberbefehl Waldersees seine Anwesenheit in Peking erforderte, siehe Stichler 1987:172-174. 11 Siehe Zhang Shuimu 1986; Li Dezheng u.a. 1990:322-393. Felber/Rostek 1987:31 sprechen sogar von 75 Aktionen unter dem Oberkommando von Waldersee, wobei an 48 Aktionen ausschließlich deutsche Truppen beteiligt waren. Die Strafaktionen dauerten bis Mai 1901 an. Im selben Monat wurde das Expeditionskorps zurückbeordert. Detaillierte, allerdings verherrlichende Darstellung bei Admiralstab 1903. 12 Siehe hierzu Felber/Rostek 1987:31-33. Es gibt keine zuverlässige Schätzung der Opfer auf chinesischer Seite. Bei der letzten deutschen Aktion gegen Zhangjiakou im Mai 1901 - zu einem Zeitpunkt, als längst alle Boxerverbände aufgelöst waren - wurden mehrere hundert Menschen getötet, Li Dezheng u.a. 1990:391. Die deutschen Aktionen in Shandong werden in Kapitel 4 dargestellt. 13 Siehe Mühlberg an Bülow, 16. August 1901, in: GPEK XVI:446f, Nr.4941. Die Verhandlungen zogen sich in die Länge, da eine erhebliche Uneinigkeit bestand zwischen den ausländischen Mächten bezüglich der Höhe der Kriegsentschädigung und der Modalitäten der Bezahlung durch China. Die Verhand-

493 einer Kriegsentschädigung in Höhe von 450 Mill. Taels (zahlbar bis 1940), Bestrafung der Anführer der Boxer, Stationierung ausländischer Truppen an wichtigen Punkten in Zhili, Schleifung der Dagu-Forts bei Tianjin. Die Kriegsentschädigung stellt ein klassisches Beispiel fur den Finanzimperialimus dar, der in China von den Großmächten seit den letzten Jahren des neunzehnten Jahrhunderts praktiziert wurde. 14 Für die Zahlung der Entschädigung mußte China hochverzinsliche Anleihen bei ausländischen Banken aufnehmen. Als Sicherheiten wurden Steuer- und Zolleinnahmen verpfändet. Insgesamt zahlte China zwischen 1902 und 1938 669 Millionen Taels (ca. zwei Drittel der Gesamtsumme, die sich einschließlich Zinsen auf 980 Millionen Taels belief). Die Boxerentschädigung bedeutete eine gewaltige Belastung fur die chinesische Wirtschaft, da dringend notwendige Investitionen in Infrastruktur, Wasserwirtschaft und Landmeliorationen nicht mehr finanziert werden konnten. Die Sühnemission nach Deutschland fand im Spätsommer 1901 durch den Prinzen Chun, einen Bruder des Guangxu-Kaisers, statt (Dok. 142). Nach einem kurzen „Sühnezeremoniell", während dessen der Prinz das Entschuldigungsschreiben des chinesischen Kaisers verlas, wurde er formell als Staatsgast empfangen und absolvierte ein einmonatiges Besuchsprogramm in Deutschland, das ihn nach Berlin15, Ostpreußen (Stettin, Danzig), ins Ruhrgebiet (Essen) und an den Rhein führte. Er besuchte Fabriken, Bergwerke, Museen, Schlösser und Kirchen. Die deutsche Regierung bemühte sich, den Besuch des Prinzen politisch zu nutzen. Die eigentliche Sühnemission wurde auf ein außerordentlich kurzes, nicht öffentliches Zeremoniell im Neuen Palais in Potsdam beschränkt. Danach behandelte man den Prinzen als dynastischen Vertreter einer befreundeten Monarchie und demonstrierte in einem umfangreichen Programm den Stand von Technik, Wissenschaft und Kultur in Deutschland. Der freilich erzwungene Besuch eines Mitgliedes der Kaiserlichen Familie im westlichen Ausland war in der Tat ein in der Geschichte des kaiserlichen China einmaliger Vorgang. Die Eindrücke seiner Reise hat Prinz Chun in einem Tagebuch festgehalten, das ein einzigartiges Dokument darstellt, welches die Sicht eines hohen Mitglieds der kaiserlichen Familie auf Deutschland dokumentiert. Die positiven und vorteilhaften Ausführungen des Prinzen haben möglicherweise eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt fur die zu beobachtende, zunehmend prodeutsche Orientierung der chinesischen Außenpolitik in den letzten Jahren der Qing-Dynastie.

Die neue China-Politik des Deutschen Reiches und die politischen Reformen in den letzten Jahren der Qing-Dynastie Parallel zur Verbesserung der Beziehungen zwischen Jinan und Qingdao 16 nahm auch das Verhältnis zwischen Deutschland und China andere Formen an. Natürlich sollte die Chinalungen dauerten bis 1902/1903. Am Ende erhielt Deutschland 20% der Entschädigung. Den größten Anteil sicherte sich Rußland (29%), vgl. Ratenhof 1897:167. 14 Vgl. Osterhammel 1989:216ff. 15 Vgl. Hetze 1987a. 16 Siehe dazu Kapitel 5.

494 Politik weiterhin deutsche Interessen durchsetzen helfen, aber es gab eine allgemeine Übereinstimmung, daß dies nicht mehr mit militärischer Gewalt und gegen den Willen Chinas geschehen könne. 17 1907 schlug das Deutsche Reich zum Beispiel sogar eine amerikanischdeutsch-chinesische Entente vor, mit deren Hilfe Deutschland die sich anbahnende Isolierung in Europa kompensieren wollte. 18 Vor dem Hintergrund solcher Überlegungen stellte der Publizist Menge in einem weithin beachteten Artikel auch die Forderung auf, Kiautschou an China zurückzugeben (Dok. 143). Es kam daraufhin zu einer intensiven, in Zeitschriften und im Reichstag geführten Diskussion über die Rückgabe Kiautschous. 19 Auch die chinesische Politik war aus Gründen der Stabilität in Shandong an guten Beziehungen zu Deutschland interessiert. Während die national-revolutionären politischen Kräfte in China vor 1911 eher nach Amerika blickten, wurde für die konservative Elite Deutschland zum Kooperationspartner. Dies zeigt sich deutlich an der chinesischen Studienkommission, die sich ab Sommer 1908 für etwa ein Jahr in Deutschland aufhielt, um das politische System des Deutschen Reiches zu studieren (Dok. 144). 20 Bereits 1905 hatte die Kaiserinwitwe Ci Xi im Rahmen der Reformen erstmals die Bildung einer Studiengruppe zur Analyse verschiedener Verfassungen im Ausland befohlen. 21 Diese Kommission war 1906 nach Japan, Amerika und Europa gereist, um die Verfassungen jener Länder zu studieren. Im November 1906 wurde mit der Erarbeitung einer Verfassung begonnen, die aus dem chinesischen Reich eine konstitutionelle Monarchie machen sollte. Im Zuge der Arbeiten wurde 1908 schließlich eine weitere Kommission, diesmal jedoch ausschließlich nach Deutschland, entsandt, die eine Übersetzung der preußischen Verfassung und anderer relevanter Texte erstellen sollte. Die Kommission wurde von der deutschen Regierung tatkräftig unterstützt, z.B. wurden Gespräche mit fuhrenden Rechtswissenschaftlern in Deutschland organisiert. 22 Gegen Ende des Jahre 1908 kündigte der Qing-Hof an, daß eine konstitutionelle Regierung nach einer Vorbereitungszeit von neun Jahren eingesetzt werde. Insbesondere die Einrichtung von Provinzund Lokalparlamenten nach 1909 folgte deutschen Praktiken und Theorien bezüglich lokaler 17 Gründe dafür waren neben der politischen und wirtschaftlichen Stärkung Chinas auch weltpolitische Überlegungen. Je mehr das Deutsche Reich sich in Europa „auskreiste", desto mehr war es daran interessiert, an der Peripherie die politischen Beziehungen zu stabilisieren und dort Partner zu suchen. 18 Vgl. Pommerin 1991:144. Die Initiative konnte allerdings nicht verwirklicht werden. 19 Zu den Debatten im Reichstag siehe Schrecker 1971:219. Für eine Replik auf Menge vgl. Reventlow 1907, Corbach 1909. 20 Yu Shimei erhielt den Befehl zur Reise am 29.11.1907. Er traf am 7.6.1908 in Berlin ein. Während seines Aufenthaltes wurde er von dem chinesischen Gesandten Sun Baoqi betreut, siehe Yu Shimei an Thron, 18.6.1908, in: GBY, Kaocha xianzheng dang (Akten betreffend Prüfung einer konstitutionellen Regierung), Nr. 1. Sein letzter Bericht, in dem er die geplanten chinesischen Provinzparlamente mit den Landtagen des Deutschen Reiches vergleicht, datiert vom 31.8.1909, siehe Yu Shimei an Thron, 31.8.1909, in: GBY, Kaocha xianzheng dang (Akten betreffend Prüfung einer konstitutionellen Regierung), Nr.4. 21 Spence 1990:245-249. 22 Auf der Grundlage dieser Gespräche wurde ein umfangreicher Kommentar zur preußischen Verfassung erstellt, siehe Yu Shimei an den Thron, 14.3.1908, in: GBY, Kaocha xianzheng dang (Akten betreffend Prüfung einer konstitutionellen Regierung), Nr.2.

495 Verwaltung und Regierung. Zwei Charakteristika des deutschen politischen Systems waren für die chinesische Kommission von Interesse: Erstens die Stabilisierung der Monarchie durch die Einfuhrung begrenzter demokratischer Elemente 24 und zweitens, vielleicht wichtiger noch, die Berücksichtigung regionaler Unterschiede durch begrenzte politische Selbst25

Verwaltung bei gleichzeitiger Garantie einer ungefährdeten zentralen Regierung. Die bislang unbekannte einjährige Arbeit der Kommission macht deutlich, wie intensiv sich die Qing-Regierung in den Jahren vor der Revolution von 1911 mit Deutschland auseinandersetzte.

Die Anerkennung der Republik China durch das Deutsche Reich Im Jahre 1911 setzte die Xinhai-Revolution den Qing-Reformen zur Schaffung einer konstitutionellen Regierungsform ein Ende. Infolge der spontanen Erhebung in Wuhan am 10. Oktober 1911 kam es im Oktober und November zu einer immer weiter ausgreifenden Aufstandsbewegung in China gegen die Mandschu-Dynastie. Den Revolutionären schlossen sich die neugewählten Provinzparlamente in Südchina sowie Teile der „Neuen Armee" an. Der Qing-Hof sali angesichts dieser breiten Bewegung, daß er bestimmten Forderungen nach unverzüglichem Erlaß einer Verfassung und Wahlen zu einem Nationalparlament nachgeben müsse. Am 11. November 1911 wurde Yuan Shikai von der seit Herbst 1910 existierenden provisorischen Nationalversammlung 26 zum Premierminister gewählt und zugleich vom Hof in diesem Amt bestätigt. China schien sich somit auf eine konstitutionelle Monarchie hin zu bewegen. Yuan bemüht sich in der Folge, zwischen den Revolutionären und den Mandschus zu vermitteln. Mit der Wahl Sun Yatsens zum „Provisorischen Präsidenten" im Dezember 1911 von den Delegierten von sechzehn Provinzversammlungen jedoch wurde klar, daß die Vermittlungsbemühungen keine Aussicht auf Erfolg mehr hatten. Am 1. Januar 1912 trat Sun Yatsen sein Amt an, zugleich wurde damit die Republik China ausgerufen. Der neue Präsident jedoch wollte einen langwierigen Bürgerkrieg vermeiden. Er befürchtete, daß für eine militärische Auseinandersetzung die Revolutionäre nicht vorbereitet waren. Um die Revolution daher nicht zu gefährden, sandte er nach seiner Wahl ein Telegramm an Yuan Shikai, in 23 Thompson 1995:73-75. Es spielten auch japanische Vorbilder eine Rolle, die allerdings wiederum auf eine Auseinandersetzung mit Deutschland zurückgingen. 24 Vgl. Yu Shimei an Thron 18.6.1908, in: GBY, Kaocha xianzheng dang (Akten betreffend Prüfling einer konstitutionellen Regierung), Nr. 1. Hier betont Yu, daß die Verfassung des Deutschen Reiches keinen Grundrechtskatalog enthält. 25 Vgl. Yu Shimei an Thron, 21.6.1909, GBY, Kaocha xianzheng dang (Akten betreffend Prüfung einer konstitutionellen Regierung), Nr. 3 26 Im Oktober 1909 wurden, als ein erster Schritt hin zur Etablierung einer konstitutionellen Regierung, Lokalparlamente auf Provinzebene zugelassen. Nach einer Übergangszeit von neun Jahren sollte dann eine Verfassung erlassen und ein nationales Parlament geschaffen werden. Die Provinzparlamente entwickelten sich jedoch sehr bald zu einem wirkungsvollen politischen Forum für die Forderung nach weitergehenden politischen Reformen. Auf Druck der Provinzparlamente wurde im Oktober 1910 die provisorische Nationalversammlung, die über eine Verfassung für China beraten sollte, einberufen, siehe Spence 1990:249.

496 welchem er die Präsidentschaft seinem Kontrahenten anbot. Währenddessen verhandelte der Hof mit Yuan Shikai, um eine Absicherung fur seine Zukunft zu erhalten. Er erhielt das Recht auf Residenz in der Verbotenen Stadt und Besitz der kaiserlichen Schätze sowie einen Unterhalt von jährlich 4 Millionen Dollar. Am 12. Februar 1912 dankte Pu Yi als letzter Kaiser ab. Ein Edikt übergab Yuan Shikai die Regierungsgewalt und den Auftrag, eine provisorische republikanische Regierung zu etablieren. 1912 fanden die ersten landesweiten Wahlen fur ein nationales Parlament in Peking statt. Aber 1913 gelang es dem Präsidenten Yuan Shikai, die nationalistische Partei (Guomindang) von Sun Yatsen zu unterdrücken und von der 27

Regierung auszuschließen. Bereits am 17. Januar 1912 forderte die Republik China das Deutsche Reich und die ande28

ren Staaten auf, den neuen Staat offiziell anzuerkennen. Der Grund dafür lag in der Tatsache, daß jede neue Regierung in China wegen der hohen Staatsverschuldung und der Verpfandung der Zolleinnahmen (als Sicherheiten fur Kredite zur Begleichung der Boxerentschädigung und anderer Kriegsentschädigungen) finanziell auf die Unterstützung des Auslands angewiesen war. Schon im Dezember 1911 hatte sich Yuan Shikai um eine ausländische Anleihe bemüht. 29 Die westlichen Staaten hielten zunächst jedoch an ihrer Politik der Nichteinmischung und der Neutralität fest. Die deutschen Regierungsstellen interpretierten die Veränderungen in China überdies als eine politische Schwächung Chinas, aus der man seinen Nutzen ziehen wollte und Forderungen durchzusetzen hoffte, die vorher von den Qing-Behörden abgelehnt worden waren. Daher sollte die deutsche Gesandtschaft der neuen Regierung Chinas verdeutlichen, daß Deutschland fur eine Anerkennung bestimmte konkrete Gegenleistungen bei Eisenbahnbau usw. erwartete (Dok. 145). Diese Forderungen jedoch führten zu keinen Ergebnissen. Außerdem wollte das Deutsche Reich die Republik China nur bei der Wahl Yuan Shikais zum Staatspräsidenten anerkennen. Erst im Oktober 1913 erkannten dann die europäischen Großmächte, darunter auch Deutschland, sowie Japan die neue Regierung offiziell an, nachdem Yuan Shikai zum Staatspräsidenten gewählt worden war und zugesagt hatte, den internationalen Verpflichtungen Chinas nachzukommen.

Sun Yatsen in Qingdao Zu einem Teil der neuen politischen Kräfte (insbesondere Sun Yatsen, später Jiang Jieshi) in China hatte das Deutsche Reich ein ebenso gutes Verhältnis wie zu der politischen Elite der 27 Siehe Spence 1990:256-268. 28 Telegramm des Staatssekretärs des Äußeren, Wang Chonghui, an das Auswärtige Amt Berlin, 17.1.1912, in PAA, China Nr. l , B d . 94. 29 Siehe Stingl 1978:684. Die sog. Reorganisationsanleihe wurde im April 1913 in Höhe von 25 Millionen Pfund bei 5%iger Verzinsung abgeschlossen. An dem Konsortium zur Finanzierung war auch die Deutsch-Asiatische Bank beteiligt. 30 Schreiben des Unterstaatssekretärs des Auswärtigen Amtes,· Montgelas, an die chinesische Gesandtschaft 10.8.1913, in: GPEK XXXII, Nr. 11867. Siehe auch Stingl 1978:698f. Der Anerkennung vorangegangen war ein Alleingang der USA, die die Republik China am 2. Mai 1913 anerkannten, vgl. Männer 1988:209ff.

497 Qing-Dynastie. Hier spielte weniger die Idee der konservativen Großmacht als das von Deutschland bewußt verbreitete Bild des deutschen Sonderwegs eine wichtige Rolle. 31 Mit der Idee eines spezifisch deutschen Entwicklungsweges wurde die nachholende und beschleunigte Modernisierung im Deutschen Reich im späten neunzehnten Jahrhundert bezeichnet, die China (und anderen Ländern) gegenüber als vorbildlich dargestellt wurde. Die Entwicklung Kiautschous sollte dabei als unmittelbare Demonstration dieses Weges auf kolonialem Gebiet gesehen werden. Wilhelm Schrameier, der als Kommissar für chinesische Angelegenheiten am Aufbau des deutschen Pachtgebietes von Dezember 1897 bis Januar 1909 maßgeblich beteiligt war, schrieb: „Alle Einrichtungen des Schutzgebietes, Polizei- und Gefangniswesen, Aufforstungen, Schulen, von den vielen chinesischen Elementarschulen an bis zum deutschen Gymnasium, der Gerichtsbetrieb, die Eisenbahn mit ihren Werkstätten, die Wasserversorgung, Straßenbau und -Unterhaltung, Werften und Docks, Kanalisation alles ist gedacht und angelegt als Muster und Vorbild für Chinesen; überall hat der Gedanke der bewußten Beeinflussung der chinesischen Umgebung mitgesprochen.' Diese Politik war in einem gewissen Sinne sehr erfolgreich, wie der überraschende Besuch Sun Yatsens in Kiautschou im Oktober 1912 deutlich machte. Sun Yatsen äußerte sich bei seinem Aufenthalt außerordentlich positiv über den Aufbau Qingdaos und empfahl in einer Rede vor chinesischen Studenten Deutschland als Vorbild fur die Modernisierung Chinas (Dok. 146). Auch nach seinem Aufenthalt äußerte er sich entsprechend und sah im deutschen „Staatssozialismus" ein brauchbares Konzept für China. 33 Insbesondere in seinen Konzeptionen staatlicher Bodenpolitik hat Sun Yatsen die Idee der Wertzuwachssteuer, wie sie in Kiautschou praktiziert wurde, aufgegriffen. 34 Im März 1917 sprach sich Sun Yatsen daher gegen einen Eintritt Chinas in den Ersten Weltkrieg auf seiten der alliierten Mächte aus. In einem langen Artikel35 schieb er: „Allgemein hat China versucht, gute Beziehungen zu 31 Vgl. Felber 1996:154ff. Der Sonderweg-Gedanke erschien ideologisch häufig in dem Begriff des „Deutschtums". Seit dem letzten Drittel des neunzehnten Jahrhundert existierte in Deutschland die Idee eines spezifisch deutschen Entwicklungsweges, der dem anderer europäischer Länder überlegen sei. In den zeitgenössischen politischen Debatten (z.B. Max Weber, Friedrich Meinecke) war die Idee des deutschen Sonderweges in die Moderne somit durchaus positiv besetzt. Seit 1945 wird der Begriff „Sonderweg" jedoch als weitgehend negativ empfunden; vgl. Wehler 1995:46Iff. 32 Schrameier 1910:809. 33 Vgl. Felber 1991:86; Leutner 1986a. 34 Vgl. Matzat 1986:55ff. Nach Matzats These hätte sich Sun bereits auf einem kurzen, zehntägigen Besuch im Mai/Juni 1905 in Berlin fur die Landordnung Kiautschous interessiert. Sun hielt sich in Berlin bei Zhu Hezhong auf, der 1923 eine Übersetzung von Schrameiers Schrift über die Landordnung (Schrameier 1914) anfertigte. Zu dem Besuch Suns in Berlin siehe Felber/Hübner 1988:148fF. 35 Der Artikel trägt den Titel „The Question of China's Survival" (Sun Yatsen 1994:131-199). Er enthält eine sehr ausfuhrliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob China in den Ersten Weltkrieg eintreten sollte. Sun verneint diese Frage und fordert fur China die Einhaltung strikter Neutralität. Diese wichtige programmatische Schrift legt Suns außenpolitisches Konzept dar, in welchem Deutschland als enger politischer und wirtschaftlicher Partner eine außerordentlich wichtige Rolle zukam. Von hier aus zieht sich in der Deutschland-Politik der Guomindang eine kontinuierliche Linie bis in die 30er Jahre, als China versuchte, mit Hilfe des faschistischen Deutschland kapitalintensive Staatsindustrien zu entwikkeln; vgl. Introduction in: Sun Yatsen 1994:XXXII.

498 Deutschland zu unterhalten und sich bei den Deutschen einzuschmeicheln. Wir haben uns in allem auf deutsche Unterstützung verlassen - militärische Entwicklung, Erziehung, Wissenschaft. Nun, wo Deutschland in Schwierigkeiten ist, 'werfen wir Steine auf einen, der in einen Brunnen gefallen ist'. Nicht nur sind wir unfähig, richtig von falsch zu unterscheiden, sondern wir wissen auch nicht, wo unsere Interessen liegen, und wir sind undankbar. Wenn jemand einen Freund betrügt in der Hoffnung auf eigene Vorteile, wird der materielle Gewinn - selbst wenn er bekommt, was er will - nicht den spirituellen Verlust aufwiegen.' 1924 lud Sun Yatsen schließlich den ehemaligen Kommissar für chinesische Angelegenheiten in Kiautschou, Wilhelm Schrameier, nach Kanton ein, damit er dort eine Land- und Bodenpolitik ausarbeite.

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Die Übergabe Kiautschous an Japan Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges in Europa Anfang August 1914 brachte das baldige Ende des deutschen Kolonialreiches und beendete auch in Shandong die deutsche koloniale Präsenz. Japan nutzte die Umstände der Entwicklung in Europa, um seine Pläne für ein weiteres gewaltsames Vordringen in China mit englischer Unterstützung zu verwirklichen. Schon am 15. August verlangte Japan ultimativ, Qingdao bedingungslos bis zum 15. September zu räumen. 39 In einem Telegramm vom 19. August 1914 forderte Wilhelm II. die militärische Besatzung auf, Qingdao bis zum Äußersten zu verteidigen. Am 27. August begannen japanische und englische Schiffe eine Seeblockade gegen Kiautschou. Die ersten japanischen Einheiten landeten am 2. September bei Longkou auf chinesischem Gebiet im Norden und rückten von dort nach Kiautschou vor. Zwei Wochen später, am 17. September, begannen die Kämpfe an der Grenze des Schutzgebietes. In der Folge zog die japanische Armee einen immer engeren Belagerungsring um Qingdao. Ab dem 26. Oktober wurde Qingdao von See- und Landseite her unter Dauerfeuer genommen. Am 7. November kapitulierte der Festungskommandant Meyer-Waldeck (Dok. 147) 4 0 Auf deutscher Seite wurden 224 Tote und 400 Verletzte gezählt.41 Die überlebende Besatzung wurde in japanische Gefangenschaft genommen, aus der sie zum Teil erst 1919 nach Abschluß des Friedensvertrags von Versailles entlassen wurde.

36 Sun Yatsen 1994:197. 37 Vgl. Matzat 1986:55-61; Felber 1991:86. 38 Vgl. Wang Shouzhong 1987:302f. 39 Vgl. Artelt 1983:245. 40 Die Schilderung der japanischen Belagerung und des heroischen Widerstands der deutschen Truppen wurde in der deutschen Trivialliteratur und politischen Populärliteratur häufig aufgegriffen (vgl. Voßkamp 1915, Janson 1915, Wiesinger 1915, Plüschow 1916 (1927), Klehmet 1931). Insbesondere im Ersten Weltkrieg, als das Deutsche Reich sich ebenfalls einer militärischen Übermacht gegenübersah, bekam die Thematik des sog. „Falls von Qingdao" eine hohe symbolische Bedeutung. 41 Siehe Artelt 1983:255. Nach deutschen Angaben betrugen die Verluste auf japanischer Seite 12.000 Mann.

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139 Schreiben des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts, Bülow, an Kaiser Wilhelm II. (29.5.1900) Berlin, den 29. Mai 1900 1

Eurer Kaiserlichen und Königlichen Majestät Gesandter in Peking meldet in einem soeben eingetroffenen, von gestern datierten Telegramm: „4 bis 5 .000 Mann starkes aufrührerisches Gesindel der Boxer ist bis in unmittelbare Nähe von Peking gedrungen, hat beide Eisenbahnlinien Tianjin-Peking und Baodingfu-Peking, zirka 30 Kilometer von hier, besetzt, fremde Angestellte vertrieben und teilweise verwundet, Stationsgebäude verbrannt. Hiesige Regierung zu energischem Einschreiten mit Truppen unwillig und unfähig; deshalb haben Gesandte von England, Frankreich, Rußland, Italien, Japan, Österreich und Amerika Detachements von 50 oder mehr Marinesoldaten oder Matrosen hierher zu beordern beschlossen zum Schutz [der] Gesandtschaften, deren Mitglieder und hiesiger Staatsangehöriger. Ich halte es für unumgänglich, daß Kaiserliche Regierung gemeinsamer Maßregel sich anschließe, da Zurückhaltung mißverstanden werden würde und Lage in letzten Tagen bedenklich geworden, indem bisher nur gegen Chinesenchristen gerichteter Aufruhr jetzt offenbar gegen Fremde und fremde Unternehmen geht. Bitte Detachement von 50 Mann aus Qingdao hierher beordern und [an] Gouverneur2 beziehungsweise Chef des Kreuzergeschwaders entsprechende Weisung zu veranlassen. Zur Unterbringung treffe [ich] hier Vorbereitungen. [Ich] benachrichtige Admiral, der mit Kreuzergeschwader in Zhifu ist und mich hier besuchen wollte, und verständige auch Qingdao-Gouverneur, daß vorstehender Antrag von mir gestellt." Nachdem es gelungen war, in der uns am nächsten berührenden Provinz Shandong die Ordnung wiederherzustellen,4 hatten wir bisher der Ausbreitung des Aufruhrs nordwärts in der Provinz Zhili mit mehr Gelassenheit gegenüberstehen können, weil dort, soviel wir wissen, weder deutsche Missionare noch, abgesehen von Peking und Tianjin, deutsche Kaufleute und Gewerbetreibende in nennenswerter Zahl tätig sind. Nachdem aber jetzt, der Meldung des Freiherrn von Ketteier zufolge, die chinesische Hauptstadt selber ernstlich bedroht ist, möchte auch ich mit Eurer Majestät Gesandtem annehmen, daß Deutschland sich von den beschlossenen gemeinsamen Maßregeln, an denen sich sogar die beiden sonst in China rivalisierenden Staaten Rußland und England beteiligen wollen, nicht ausschließen darf.

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Freiherr von Ketteier (seit 12. Juli 1899).

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Kapitän zur See Jaeschke.

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Vizeadmiral Bendemann.

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Gemeint sind die deutschen Bemühungen zur Niederschlagung der Boxerbewegung in Shandong 1899/1900, siehe hierzu Kapitel 4

500 Eurer Majestät wage ich daher alleruntertänigst zu bitten, allergnädigst genehmigen zu wollen, daß ich [mich], dem Antrag des Freiherrn von Ketteier entsprechend, unverzüglich mit Eurer Majestät Staatssekretär des Reichsmarineamts wegen schleuniger Entsendung eines Detachements von der erforderlichen Stärke nach Peking5 ins Benehmen trete. Admiral Tirpitz habe ich über die Pekinger Meldung vorläufig au courant6 gesetzt. Bülow GPEKXV1, S.3-4, Nr.45IL

140 Rede Kaiser Wilhelms II. an das Expeditionskorps für China

(27.7.1900) Zum ersten Mal, seit das deutsche Reich wieder erstanden ist, tritt an Sie eine große überseeische Aufgabe heran. Dieselben sind früher in größerer Ausdehnung an uns herangetreten, als die meisten Meiner Landsleute erwartet haben. Sie sind die Folgen davon, daß das deutsche Reich wieder erstanden ist und damit die Verpflichtung hat, fur seine im Ausland lebenden Brüder einzustehen, im Momente der Gefahr. Mithin sind nur die alten Aufgaben, die das alte römische Reich nicht hat lösen können, von neuem hervorgetreten und das neue deutsche Reich ist in der Lage, sie zu lösen, weil es ein Gefuge bekommen hat, das ihm die Möglichkeit dazu gibt. Durch unser Heer, in 30jähriger angestrengter, harter Friedensarbeit, sind viele hunderttausende von Deutschen zum Kriegsdienst herangebildet worden. Ausgebildet nach den Grundsätzen Meines verewigten großen Großvaters, bewährt in drei ruhmvollen Kriegen, sollt ihr nunmehr auch in der Fremde drüben [Zeugnis] ablegen, ob die Richtung, in der wir uns in militärischer Beziehung bewegt haben, die rechte sei. Eure Kameraden von der Marine haben uns schon gezeigt, daß die Ausbildung und Grundsätze, nach denen wir unsere militärischen Streitkräfte ausgebildet haben, die richtigen sind, und an Euch wird es sein, es ihnen gleich zu tun. Nicht zum geringsten erfüllt es uns alle mit Stolz, daß gerade aus dem Munde auswärtiger Führer das höchste Lob unsern Streitern zuerkannt wurde. Die Aufgabe, zu der Ich Euch hinaussende, ist eine große. Ihr sollt schweres Unrecht sühnen. Ein Volk, das, wie die Chinesen, es wagt, tausendjährige Völkerrechte umzuwerfen und der Heiligkeit der Gesandten und der Heiligkeit des Gastrechts in abscheulicher Weise Hohn spricht, das ist ein Vorfall, wie er in der Weltgeschichte noch nicht vorgekommen ist und

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Das deutsche Detachement in der Stärke von einem Offizier und 50 Mann traf am 8. Juni gemeinsam mit dem österreichischen Detachement in Peking ein.

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Frz. „auf dem laufenden halten"

501 dazu von einem Volke, welches stolz ist auf eine vieltausendjährige Kultur. Aber Ihr könnt daraus ersehen, wohin eine Kultur kommt, die nicht auf dem Christentum aufgebaut ist. Jede heidnische Kultur, mag sie noch so schön und gut sein, geht zugrunde, wenn große Aufgaben an sie herantreten. So sende ich Euch aus, daß Ihr bewähren sollt einmal Eure alte deutsche Tüchtigkeit, zum zweiten die Hingebung, die Tapferkeit und das freudige Ertragen jedweden Ungemachs und zum dritten Ehre und Ruhm unserer Waffen und Fahnen. Ihr sollt Beispiele abgeben von der Manneszucht und Disziplin, aber auch der Überwindung und Selbstbeherrschung. Ihr sollt fechten gegen eine gut bewaffnete Macht, aber Ihr sollt auch rächen, nicht nur den Tod des Gesandten, sondern auch vieler Deutscher und Europäer. Kommt Ihr vor den Feind, so wird er geschlagen, Pardon wird nicht gegeben; Gefangene nicht gemacht. Wer Euch in die Hände fällt, sei in Eurer Hand. Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in der Überlieferung gewaltig erscheinen läßt, so möge der Name Deutschland in China in einer solchen Weise bekannt werden, daß niemals wieder ein Chinese es wagt, etwa einen Deutschen auch nur scheel anzusehen. Ihr werdet mit Übermacht zu kämpfen haben, das sind wir ja gewöhnt, unsere Kriegsgeschichte beweist es. Ihr habt es gelernt aus der Geschichte des Großen Kurfürsten und aus Eurer Regimentsgeschichte. Der Segen des Herrn sei mit Euch, die Gedanken eines ganzen Volkes begleiten Euch, geleiten Euch auf allen Euren Wegen. Meine besten Wünsche für Euch, für das Glück Eurer Waffen werden Euch folgen! Gebt, wo es auch sei, Beweise Eures Mutes, und der Segen Gottes wird sich an Eure Fahnen heften und es Euch geben, daß das Christentum in jenem Lande seinen Eingang finde. Dafür steht Ihr Mir mit Eurem Fahneneid, und nun glückliche Reise. Adieu Kameraden. Bernd Sösemann, Die sog. Hunnenrede Wilhelms II. Textkritische und interpretatorische Bemerkungen zur Ansprache des Kaisers vom 27.7.1900 in Bremerhaven, in: Historische Zeitschrift 222 (1976), S.349/.

141 Tagebuchaufzeichnungen des Oberbefehlshabers des Expeditionskorps für China, Waldersee (12.11.1900) Tagebuch, 12. November. Es herrscht hier ein großer Handel mit den bei den Plünderungen erworbenen Gegenständen. Schon längst haben sich Händler, namentlich aus Amerika, eingestellt, die dabei Vermögen erwerben. Am meisten angeboten werden alte Bronzen, Porzellan aus verschiedener Zeit, Jade, dann seidene Stoffe, Stickereien, Pelze, viel Cloisonne und auch Rotlack. In Silber und Gold ist wenig zu sehen. Ein Jammer ist es, wieviel kostbare Sachen in der rohesten Weise zerstört worden sind, unter anderem Holzschnitzereien von ganz unberechenbarem Wert. Mein Haus allein birgt davon Schätze. Noch ist alles intakt; wenn wir hinausgehen, so wird

502 es den chinesischen Plünderern anheimfallen und zum Schluß wohl verbrannt werden. Im Jahre 1860 ist es mit dem Sommerpalast ebenso gegangen; was die Franzosen und Engländer haben stehen lassen, wurde nach ihrem Abzüge von den Einwohnern niedergebrannt. Es ist eine sehr glückliche Fügung, daß deutsche Truppen an den offiziellen Plünderungen nicht haben teilnehmen können. Bei den Kämpfen um Tianjin waren nur etwa 300 Marinemannschaften von uns beteiligt, und von ihnen hat Kapitän v. Usedom niemand nach Tianjin hineingelassen, sondern sie in den europäischen Settlements zusammengehalten. Nach Peking sind deutsche Soldaten erst gekommen, als die Plünderungen längst vorüber waren. Ich sage, daß es ein Glück war, daß Deutsche nicht dabei sein konnten, denn was soll ein Befehlshaber tun, wenn er sieht, wie rings um ihn Soldaten jeder Nationalität rauben und plündern unter Zustimmung ihrer Offiziere, und wenn diese sogar das Beste für sich vorwegnehmen. Wie kann dann verhindert werden, daß einzelne Soldaten sich doch abzusondern wissen und ihre Gier nach Beute befriedigen? Wenn man bei uns zu Haus so harmlos ist zu glauben, es würde hier fur christliche Kultur und Sitte Propaganda gemacht, so gibt das einmal arge Enttäuschung. Seit dem Dreißigjährigen Kriege und den Raubzügen der Franzosen zur Zeit Ludwigs XIV. in Deutschland ist ähnliches an Verwüstungen noch nicht vorgekommen. Ich habe hier wohl etwas Ordnung geschaffen. Offizielle Plünderungen kommen nicht mehr vor. Man bemüht sich auf Grund meiner Befehle, den friedlichen Einwohnern Vertrauen einzuflößen. Aber ich kann nicht überall sein, und auch jetzt mag noch mancherlei passieren, was sehr zu beklagen ist. Wer hier Kritik übt, sollte nicht vergessen, daß die Truppen, die England hier hält, mit ganz geringen Ausnahmen Inder sind, also Heiden oder Mohammedaner, und daß das starke japanische Kontingent doch nur aus Heiden besteht. General Gaselee hat bei der Expedition nach Baodingfii seine Truppen - auf Grund meiner Befehle - nur in Zelten außerhalb der Orte lagern lassen, weil er weiß, daß er bei Belegung eines Ortes das Plündern nicht mehr verhindern kann. 7 Meissner, Hans Otto (Hrsg.), Denkwürdigkeiten Bd. III, Berlin 1923, S.47f.

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des General-Feldmarschalls

Alfred Graf von Waldersee,

Im April und Mai 1900 griffen Truppen der Boxer die Eisenbahn bei Baodingfii, Hauptstadt von Zhili, an, attackierten und töteten ausländische Ingenieure, zerstörten den Bahndamm und die Telegraphenleitung. Diese Aktion stellte den Beginn der direkt gegen alle Ausländer (nicht mehr nur Missionare) gerichteten Angriffe dar. Im Oktober befahl Waldersee daher eine Strafaktion gegen Baodingfii. Die Stadt wurde zerstört und drei hohe Würdenträger des Ortes zum Tode verurteilt, da sie versäumt hätten, die Aktionen zu unterbinden. Sie wurden am 4. Novemer 1900 enthauptet. Außerdem sollte die Stadt eine Entschädigung von einer halben Million Mark leisten, siehe Li Dezheng u.a. 1990:357-369.

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142 Tagebuchaufzeichnungen des Prinzen Chun (September 1901)8 2. September 1901 Ich erhielt ein Telegramm des Gesandten Lü, in welchem er mir mitteilte, daß der Deutsche Kaiser auf das Zeremoniell des Kotaus während der Audienz verzichtet habe. Nachmittags erschien der in Basel akkreditierte deutsche Konsul. Er setzte mich über den Inhalt eines Telegramms seines Außenministeriums in Kenntnis, nach welchem der Kaiser am 6. d. M. [1901] zu einer Inspektionsreise aufzubrechen beabsichtige. Da der Kaiser mich unbedingt noch vorher empfangen wolle, solle ich so schnell wie möglich nach Deutschland reisen. Auf den Kotau während der Audienz sei bereits verzichtet worden. So bestieg ich den Nachtzug nach Potsdam. Der Zug fuhr in rasendem Tempo, und nachts wurde es empfindlich kalt. Auf der Fahrt begleiteten mich Generalmajor Höpfiier und andere deutsche Herrschaften. 3. September 1901 Gegen 15 Uhr erreichte unser Zug Potsdam. Der Deutsche Kaiser hatte einige Würdenträger zum Ostbahnhof entsandt, die uns willkommen hießen. Ich bestieg eine Kutsche des Kaisers und wurde zur Orangerie des Schlosses von Sanssouci gefahren. In diesem Gebäudekomplex werden im allgemeinen die kaiserlichen Gäste untergebracht. Die Orangerie liegt etwa zwei Meilen vom Bahnhof entfernt. Unzählige Menschen säumten beide Seiten des Weges. Die Menschenkette riß bis zum Schloß nicht ab. Ganz gleich, ob es sich um Alt oder Jung handelte, die Leute lüfteten jedesmal die Kopfbedeckung zum Gruß, wenn ich mit dem Wagen vorbeifuhr. Als ich die Orangerie erreichte, war es bereits 19 Uhr. Vor dem Gebäude sind prächtige Blumenrabatten arrangiert und ringsherum stehen Bäume. Das Ensemble ist von ausgesuchter Schönheit. Wie ich erfuhr, hat hier bereits der französische Kaiser Napoleon logiert. 4. September 1901 Um 9 Uhr legte ich gemeinsam mit den Herren Zhang und Yin auf dem Grab der Kaiserinmutter einen Blumenkranz nieder, um damit meine Ehrerbietung zum Ausdruck zu bringen. Um 11 Uhr begab ich mich dann mit Herrn Yin Chang nebst Gefolge zum Neuen Palais, um dem Deutschen Kaiser das Schreiben unseres Kaisers zu überbringen. Das Neue Palais ist nicht allzu weit von der Orangerie entfernt. Im großen Saal des Neuen Palais verneigte ich mich dreimal vor dem Deutschen Kaiser und überreichte das Schreiben, nachdem ich dessen 8

Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker.

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Ursprunglich war der Kotau des Prinzen vor dem deutschen Kaiser als fester Bestandteil der Sühnemission vorgesehen. China und Prinz Chun lehnten dies jedoch ab. Erst auf Intervention des Reichskanzlers v. Bülow bei Wilhelm II wurde auf den Kotau verzichtet, siehe Hetze 1987:82f.

504 Inhalt vorher verlesen hatte. 10 Der Kaiser erwiderte einige Worte, und die Audienz war beendet. Der Kaiser entbot eine Eskorte von 200 Reitem, die mich zur Orangerie zurückgeleitete. Gegen 13 Uhr erwiderte der Kaiser meinen Besuch. Nach einer etwa halbstündigen Unterredung verabschiedete er sich. Um 15 Uhr fuhr ich mit Generalmajor Höpfner, Staatssekretär Richthofen sowie unseren Herren Zhang und Yin zum Babelsberg, der etwa 10 Meilen von der Orangerie entfernt liegt. Auf dem Berg befindet sich ein Schloß, welches Kaiser Wilhelm I. hat errichten lassen. Bei unserer Ankunft begleitete uns das Wachpersonal ins Schloß. Ich besichtigte eine größere Sammlung an Antiquitäten, Gemälden und Skulpturen; alles Schätze, die von der deutschen Kaiserfamilie über Generationen zusammengetragen worden sind. Das Schlafzimmer Wilhelms I. ist noch in seinem ursprünglichen Zustand erhalten. Die gesamte Ausstattung ist sehr geschmackvoll, aber einfach gehalten. Ich konnte mich gut in jene Zeit zurückversetzen, als der Monarch und die Würdenträger Deutschlands stets an die Sühne der nationalen Schmach dachten. Das Musikzimmer ist ebenfalls nicht übermäßig groß, dafür aber exquisit. Selten habe ich vollendeteres gesehen. Das Gebäude verfugt noch über einen Turm mit Aussichtszimmer, dessen Interieur ebenfalls noch aus der Zeit der Kaiserinmutter stammt. Überall ist zu spüren, wie der Geist der Vorfahren gebührend verehrt wird. Hier kann man sehen, daß es Gemeinsamkeiten zwischen China und dem Ausland gibt. Wilhelm I. war ein passionierter Jäger, der so manchen Hirsch erlegte. Das Geweih des größten von ihm bezwungenen Exemplars hängt mit einem Datumsschildchen versehen über dem Kamin. Es soll gleichsam an das tapfere und martialische Wesen des Herrschers erinnern. Nach der ausgiebigen Besichtigung wurde ich mit dem Wagen zu der vom Kaiser benutzten Bootsanlegestelle gefahren und bestieg dort das Motorschiff „Hohenzollem". Wir durchquerten die Havel. Zu beiden Seiten des Ufers erstreckt sich endloser, grüner Wald. Nach einer halben Stunde Bootsfahrt erreichten wir die Pfaueninsel. Wir begaben uns an Land. Die Insel ist nicht sehr groß und überall mit Bäumen bestanden. Wie es heißt, soll einer der Baumriesen bereits 1.200 Jahre alt sein. Inmitten des Waldes befindet sich ein Schlößchen, dessen Dachpartien einer Mauer nachgestaltet sind. An diesem Platz können die Besucher eine Ruhepause einlegen. Ein Stückchen entfernt ist ein Riesenrad aus Holz aufgestellt. Mit Hilfe einer Leiter kann man hinaufsteigen und Platz nehmen. Wird das Rad in Bewegung gesetzt, übertrifft es in seiner Geschwindigkeit sogar die einer Eisenbahn. Ich, Zhang, Yin, Höpfner und Richthofen haben alle das Riesenrad einmal ausprobiert. Dann sind wir wieder zur Orangerie zurückgekehrt. 5. September 1901 Um 6 Uhr früh begab ich mich gemeinsam mit den Herren Zhang und Yin zum außerhalb von Potsdam liegenden Truppenübungsplatz, wo derzeit etwa 1.200 Soldaten stationiert sind. 10 In diesem Schreiben (in: Jindaishi ziliao 73 (1989), S. 138f.) entschuldigte sich der chinesische Kaiser für die Ermordung des deutschen Gesandten Ketteier durch Boxertruppen am 20.6.1900 in Peking.

505 Bei meiner Ankunft waren die Mannschaften vollzählig angetreten und präsentierten zum Gruß den Säbel. Das Militär stand in seinen blitzblanken Uniformen in Reih' und Glied ausgerichtet. Obwohl es sich um keine größere Truppenparade handelte, konnte ich mir doch ein gutes Bild vom allgemeinen Zustand der deutschen Armee machen. Um 12 Uhr machten wir der Deutschen Kaiserin unsere Aufwartung. Um 16 Uhr fuhren wir mit dem Zug von Potsdam nach Berlin, wo uns am Bahnhof unser Gesandter Lü empfing. Ein vom Kaiser vorbereiteter Wagen brachte ins in die vorbereitete Unterkunft im Hotel „Bellevue". Gegen 17 Uhr wurde ich von Staatssekretär v. Richthofen empfangen. Nach meiner Rückkehr stattete er einen Gegenbesuch ab. 6. September 1901 Um 9 Uhr wurden ich, Zhang, Yin und Richthofen nebst Begleitung zu einer Gartenanlage gefahren, in der sich das Grab von Kaiser Wilhelm I. befindet. Auf dem Grab befinden sich vier Marmorskulpturen, und zwar vom Kaiser selbst, seiner Gattin sowie seinen Eltern. Dann besichtigte ich das Palais des bereits verstorbenen Obersten Julius Groß von Schwarzhoff. Zuletzt besuchte ich die Arbeits- und Wohnräume unseres Gesandten Lü. Er residiert in einem sehr schmucken Haus, das von Blumenbeeten und Bäumen umsäumt ist. Wie ich hörte, soll auch der japanische Gesandte in Deutschland ganz in der Nähe wohnen. Außerdem besuchte ich gegen 18 Uhr das Kaufhaus Wertheim. Dort finden sich alle Waren, die man zum Leben braucht, in großer Auswahl und zu geringen Preisen. 6. September 1901 Vormittags Besichtigung des Reichstags. Nach dem Mittagessen besuchte ich mit Zhang, Yin, Richthofen und unserem Gefolge den Berliner Zoologischen Garten. Dort gibt es an Tieren Tiger, Leoparden, Nashörner, Elefanten, Löwen, Bären, Kamele, Affen, Flußpferde, Seerobben, Bergziegen, Wildschweine, Zebras; an Vögeln Geier, Adler, Eulen, Papageien, Fasane. Es ist schier unmöglich, alle diese Tiere aufzuzählen. Außerdem gibt es noch die in China nicht vorhandenen Straußenvögel und Känguruhs. Im Zoologischen Garten tummeln sich recht viele Besucher. Die Eintrittskarte kostet eine Mark. Der Zoodirektor, der von meinem Kommen gehört hatte, begleitete mich während des gesamten Rundganges. 7. September 1901 Um 11 Uhr begab ich mich zur Gesandtschaft und speiste dort zu Mittag. Einer Einladung des Staatssekretärs v. Richthofen Folge leistend, nahm ich an einem Gartenkonzert im Auswärtigen Amt teil. Der Garten liegt direkt gegenüber des Amtsgebäudes und ist sehr ordentlich angelegt. Bei dieser Gelegenheit wurden mir die drei Söhne des Herrn Staatssekretärs v. Richthofen vorgestellt. Im Garten befanden sich Anlagen für Tennis und ähnliche Sportarten, bei denen man sich unter freiem Himmel etwas Bewegung verschaffen kann. Obwohl es sich um Vergnügungen handelt, kann man doch hier etwas vom aktiven Geist spüren.

506 8. September 1901 Um 10 Uhr Besichtigung des Schlosses, der Gemäldegalerie und des Marstalls. In dem eigens für den Kaiser unterhaltenen Marstall befinden sich 200 ausgesucht edle Pferde, die einzig und allein dem Kaiser vorbehalten sind. Mittags kehrte ich zurück in meine Unterkunft. Nach dem Mittagessen besichtigte ich um 13.30 Uhr das Aquarium, das Museum und das Wachsfigurenkabinett. Danach ging es in eine Feuerwehrwache, wo allerlei nützliche Geräte, die wir in China nicht kennen, ordentlich verwahrt wurden. Rückkehr um 17.30 Uhr. Um 19 Uhr folgte ich der Einladung von Staatssekretär v. Richthofen zu einem abendlichen Umtrunk, von dem ich um 21 Uhr zurückkehrte. 9. September 1901 Um 9 Uhr besuchte ich die Kadettenanstalt. Dort nahm ich an Lehrveranstaltungen der Infanterie und der Marine teil. Nach Besichtigungsende brachte mich der Chef der Kadettenanstalt nach Hause. Da beim letzten Mal die Zeit nicht ausgereicht hatte, fuhr ich um 15 Uhr noch einmal in das Museum und die Gemäldegalerie. Um 17 Uhr kehrte ich heim. 10. September 1901 Um 9 Uhr brach ich mit den Herren Zhang und Yin zur Besichtigung der Firma Siemens auf, wo wir eine viertel Stunde später ankamen. Dort hieß uns der Firmenchef, Herr Siemens, willkommen. Zur Begrüßung war das Werktor festlich mit Wimpeln und Fahnen geschmückt. Die Firma Siemens11 produziert in erster Linie Glühlampen, elektrische Geräte und Lokomotiven. Ingesamt sind hier etwa 4.000 Arbeiter beschäftigt. Die Jahresproduktion an Glühlampen liegt bei 40.000 Stück. Auch sah ich dort eine Maschine, die in einem unglaublich schnellen Tempo Steine zerstampfte. Dabei wird sicherlich ein neues Verfahren zur Anwendung kommen. Anschließend besuchte ich die Kanonenfabrik von Rheinmetall-Borsig, die etwa 3.000 Beschäftigte hat. Das Grundkapital beträgt 19 Millionen Mark. In diesem Werk werden die verschiedensten modernen Gewehre und Geschütze gefertigt. Die russische Regierung hat hier für ihre Armee mehrere Schnellfeuerkanonen bestellt. Ich erhielt die Gelegenheit, verschiedene Waffen auszuprobieren. Die schnellste brachte es auf 500 Schuß pro Minute. Das kann wohl als hochwirksames Kriegsgerät gelten. Um 13 Uhr fuhren wir zu einem Photoatelier. Es handelte sich um das erste Haus am Platze, das auch regelmäßig von der kaiserlichen Familie aufgesucht wird. Es genießt den 11 Die in der Elektroindustrie tätige Firma Siemens und Halske AG war seit 1872 im Chinageschäft aktiv. 1872 wurde mit Zeigertelegraphen erstmals der chinesische Markt beliefert. 1899 wurde von Siemens die erste elektrische Straßenbahn nach China ausgeliefert, vgl. Gransow 1987:108. 12 Dieses deutsche Unternehmen für Maschinen- und Anlagenbau, gegründet 1837, war seit Mitte der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts in China durch einen Handelsvertreter präsent. Neben Waffen verkaufte das Unternehmen insbesondere Lokomotiven, Dampfmaschinen und Kesselanlagen nach China, vgl. Gransow 1987:104

507 besten Leumund, weshalb die Preise auch entsprechend teuer sind. Anschließend war noch eine Stipvisite auf dem Zentralen Postamt angesagt. Auch dort bedient man sich der fortgeschrittensten Technik. Es gab zum Beispiel eine Strahlen aussendende Apparatur. Steckte man seine Hand hinein, so konnte man die einzelnen Knochen ganz deutlich erkennen. Dieses Verfahren ist in den westlichen Ländern auch erst seit einem Jahrzehnt bekannt. Um 15 Uhr besuchte ich noch ein Museum, in dem eine Vielzahl alter Bücher, Gemälde und anderer Ausstellungsstücke aufbewahrt wurde. Chun qinwang shi De riji (Tagebuch der Deutschlandreise (1989), S. 153-156.

des Prinzen Chun), in: Jindaishi ziliao 73

143 Ausführungen des Publizisten August Menge (Mai 1907) Damit sind wir bei dem gegenwärtigen Stande der chinesischen Verhältnisse angekommen. China hat angefangen, national zu empfinden. China ist zu der Erkenntnis gelangt, daß es im Interesse der Selbsterhaltung (gegen alle fremden Mächte ohne Ausnahme) Reformen einfuhren, die Verwaltung des Innern, die Justiz, die Finanzwirtschaft, das Bildungswesen, die Landesverteidigung und vieles andere modernisieren muß. Die Kaiserinwitwe, die in reaktionärer Gesinnung ihren Sohn entthront13 und die Unruhen von 1900 wesentlich mitverschuldet hat, ist fern von Peking zu der Überzeugung durchgedrungen, daß China auf neue Grundlagen gestellt und daher dem internationalen Verkehr erschlossen werden muß. In Peking weht ein anderer Wind. Die Folge dieser veränderten chinesischen Politik ist nun, daß ein viel umfangreicherer Import geistiger und materieller Güter nach China stattfindet als bisher; und wir haben die Aufgabe, uns an diesem Import einen entsprechenden Anteil zu sichern. Der Absatz unserer Industrieerzeugnisse hängt wesentlich davon ab, daß wir an dem geistigen Import beteiligt sind. Und dieser wiederum wird dann den größten Umfang erreichen, wenn es in unseren politischen Beziehungen zu China keinen Stein des Anstoßes gibt, China uns vielmehr politisch völlig uninteressiert sieht. Deshalb haben wir zunächst die Frage zu prüfen, ob wir etwa die Schutzherrschaft über das Kiautschou-Gebiet aufgeben. Diese Frage zerfallt wiederum in drei Fragen: 1. Hat uns der Besitz Kiautschous bisher Nutzen gebracht? 2. Wird uns der Besitz Kiautschous in Zukunft Nutzen bringen?, und falls diese Fragen mit „Nein" beantwortet sind, dann 13 Gemeint ist der Staatsstreich der Kaiserinwitwe Ci Xi von 1898, mit dem sie die Reformen des jungen Guangxu-Kaisers gewaltsam beendete. Der Kaiser befand sich bis zu seinem Tod 1908 unter Hausarrest

508 3. Können wir die Schutzherrschaft über Kiautschou unbeschadet unseres politischen Ansehens aufgeben?" Auf die erste Frage ist zu erwidern, daß der wirtschaftliche Gewinn in keinem Verhältnis zu den Kosten steht, die das Reich seit nahezu zehn Jahren für das Schutzgebiet aufgewandt hat. Die dortigen deutschen Import- und Exportgeschäfte sind Filialen alter Chinahäuser, die nicht auf Gewinn gerechnet, sondern es für ihre patriotische Pflicht gehalten haben, neben der deutschen Kriegsflagge die deutsche Handelsflagge zu hissen. Die Zolleinnahmen sind zwar im letzten Quartal des Jahres 1906 größer geworden als die von Zhifu, auf das man immer als Maßstab des Gedeihens von Kiautschou hingeblickt hat; aber Zhifu ist ein Handelsplatz von untergeordneter Bedeutung. Im Verhältnis zu dem deutschen Handel von Tianjin, der dort dem Handel aller anderen Nationen voransteht, ist der Handel von Kiautschou unbedeutend, verglichen mit dem von Shanghai verschwindend gering. Und doch wendet das Reich jährlich rund zwölf Millionen Mark für das Pachtgebiet auf, während die Internationale Niederlassung von Shanghai, die größte in Ostasien, nur etwa anderthalb Millionen Taels oder viereinhalb Millionen Mark verbraucht. Der Großhandel ist also zwar gewachsen, aber nicht derart, daß er den Aufwendungen des Reiches auch nur entfernt entspräche. Die Shandong-Bergbaugesellschaft, die (mit Einschluß von Frauen und Kindern) etwa 200 Weiße ernährt und gut gedeiht, ist ein unabhängiges Unternehmen. Daß eine Brauerei und einige kleine Fabrikbetriebe gute Geschäfte machen, will nichts sagen. Der Kleinhandel bezieht seine Einkünfte zum größten Teil aus der deutschen Reichskasse, da er an Beamte und Militärs verkauft, die vom Reich besoldet werden. Was wir erreicht haben, das ist die Schöpfung einer nach musterhaftem Plan angelegten und in prächtiger, abwechslungsreicher Architektonik aufgeführten Stadt, die deutsches Gepräge schönster Art trägt und sich in sanitärer und jeder anderen Beziehung vor allen Städten Ostasiens wie Asiens überhaupt auszeichnet. Was in dieser Beziehung über Kiautschou geschrieben ist, das verdient durchaus Glauben. Wir dürfen überzeugt sein, daß nicht nur alle Fremden, die die Stadt besuchen, sondern auch die Chinesen den Eindruck gewinnen, daß der praktische Sinn, die Ordnungsliebe, die Gewissenhaftigkeit der Deutschen unübertroffen dastehen. Der Handel aber, um deswillen alle diese Aufwendungen gemacht sind, hat sich bisher nicht entsprechend entwickelt. Das Angebot an neuen Häusern übersteigt die Nachfrage; die Wohnungen stehen zum Teil leer und sind durchgehende verhältnismäßig billig, während das Leben im übrigen teuer ist. Der Schiffsverkehr hat noch keinen großen Umfang angenommen, obwohl neuerdings neben den deutschen auch englische und japanische Schiffe im Hafen verkehren. Hat uns der Besitz Kiautschous bisher keinen Nutzen gebracht, so fragen wir weiter, ob sich die Zukunft günstiger gestalten wird. Hier ist zunächst darauf aufmerksam zu machen, daß sich die Stadt als Handelsemporium überhaupt nicht derartig entwickeln kann wie Hongkong und Shanghai. Diese Plätze haben ein ausgedehntes Hinterland und liegen an der Mündung der größten chinesischen Ströme, die die natürlichen Verkehrsadern des Landes sind. Die Bedeutung Hongkongs wird immer dieselbe bleiben, Shanghai sogar der erste Handelsplatz von ganz Asien werden; Kiautschou aber liegt an keiner natürlichen Verkehrsader, hat

509 wenig Hinterland und kann sich daher nur dann allmählich entwickeln, wenn es künstliche Verkehrsadern, das heißt weitreichende Eisenbahnverbindungen erhält. [...]14 Damit aber überhaupt etwas geschieht, muß zunächst der Groll und das Mißtrauen Chinas gegen Deutschland getilgt werden. Es ist eine unleugbare Tatsache, daß die deutsche Herrschaft über Kiautschou den Chinesen ein Ärgernis bereitet. Man hat sich zwar daran gewöhnt, daß in Qingdao die deutsche Reichsflagge weht, man ist ruhiger geworden; aber man empfindet die fremde Herrschaft auf chinesischem Boden heute nicht weniger peinlich als vor 10 Jahren. Dazu kommt die von unsem Neidern immer wieder wachgerufene Befürchtung, daß Deutschland in Shandong weitere Gebietserwerbungen zu machen wünsche. Man ist daher mißtrauisch gegen uns und vergibt an Angehörige anderer Nationen auch solche Unternehmungen, die man aus sachlichen Rücksichten lieber deutschen Händen anvertraute. Die Männer der Pekinger Zentralregierung bedauern das, und wir sollten das auch nicht nur bedauern, sondern auch abzustellen suchen, indem wir den Chinesen über unsere Absichten völlige Klarheit verschaffen. Da nun die Versicherung, daß wir jenseits der Grenzen des Pachtgebiets keine politischen Absichten verwirklichen wollen, auf die zum Mißtrauen geneigten Chinesen niemals einen überzeugenden Eindruck machen wird, so bleibt uns nichts übrig als den Tatbeweis dadurch zu erbringen, daß wir auf die Oberhoheit über Kiautschou verzichten. Dadurch kommt Klarheit in unsere ostasiatische Politik. Die Chinesen - man kann das nicht stark genug betonen - wissen dann, woran sie sind, und wir wissen auch, woran wir sind. Auf den Verhandlungen über wirtschaftliche Zugeständnisse lastet nicht mehr der Druck des Mißtrauens und der Hoffnungslosigkeit. Die Chinesen haben die für sie unerläßliche Überzeugung, daß wir politisch uninteressiert sind und nur wirtschaftliche Ziele verfolgen, die mit ihren eigenen Zielen der Entwicklung des Landes identisch sind. Der Chinese ist durch und durch Kaufmann und daher stets bereit, auf die rein wirtschaftliche Politik des „do, ut des" einzugehen, wie denn heute das kleine Belgien in China die besten Geschäfte macht, weil es als politischer Faktor nicht in Betracht kommt. Der Chinese ist auch ein reeller Kaufmann. Hat er Vertrauen, so kommt man mit ihm vorwärts. Vertrauen zu uns gewinnt er, sobald er uns politisch uninteressiert sieht, sobald wir die Oberhoheit über Kiautschou, die uns keinerlei Nutzen bringt, aufgeben; nicht früher und nicht später. Unser politisches Ansehen in der Welt im allgemeinen wie im fernen Osten insbesondere wird nicht darunter leiden. August Menge, Kiautschou, in: Preußische Jahrbücher 128:2 fifai 1907), Berlin, S.288-295.

14 Hier folgen Ausführungen über die Lage der Eisenbahnverbindungen in China und die Bestrebungen verschiedener Mächte auf diesem Gebiet.

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144 Bericht des Sonderbeauftragten zum Studium der Verfassungen anderer Länder, Yu Shimei (7.7.1908)15 Thronbericht des Abgesandten zum Studium der Verfassungen anderer Länder, Yu Shimei Ich, Yu Shimei, Beauftragter für das Studium fremder Verfassungen, überreiche hiermit untertänigst einen Bericht betreffs der erfolgten Übergabe eines Schreibens Seiner Majestät an den Deutschen Kaiser: Am 9.4.1908 erreichte ich mein Reiseziel. Darüber habe ich Eurer Majestät bereits Bericht erstattet.16 Der Deutsche Kaiser kehrte erst am 31.5. nach Berlin zurück. Umgehend gab er uns über das Auswärtige Amt Bescheid, daß er uns am Abend des 1.6. empfangen würde. So nahm ich das Kaiserliche Schreiben und begab mich gemeinsam mit dem Chinesisch-Kaiserlichen Gesandte Sun Baoqi und dem Dolmetscher zum Schloß des Deutschen Kaisers. Der Minister des Auswärtigen Amtes und der Zeremonienmeister begrüßten uns und hießen uns in einem Salon für kurze Zeit Platz nehmen. Der Kaiser trat aus dem Hauptportal und blieb in der nordwestlichen Ecke stehen. Ich nahm gemeinsam mit dem Gesandten und dem Dolmetscher in der südwestlichen Ecke Aufstellung. Nacheinander erwiesen wir dem Kaiser unsere Reverenz. Der Deutsche Kaiser war in Uniform erschienen. Er hatte einen Säbel umgeschnallt, trug aber keine Kopfbedeckung. Er erwiderte unsere Ehrenbezeigung mit einer leichten Verbeugung. Ich schritt zur Überreichung des Schreibens Seiner Majestät. Der Deutsche Kaiser nahm es eigenhändig in Empfang. Er erkundigte sich nach dem Befinden der Kaiserinwitwe und Seiner Majestät. Ich antwortete, daß beide wohlauf seien. Ich verlas entsprechend der Zeremonie Euer Schreiben, welches von unserem Dolmetscher ins Deutsche übertragen wurde. Der Deutsche Kaiser drückte sich in seiner Antwort ungefähr wie folgt aus: Was die Untersuchungen anbetreffen würde, so würde er uns gern nach Kräften helfen. Allein der Gegenstand der Verfassung sei ein äußerst schwieriger. Deshalb müßten wir umfangreiche und detaillierte Untersuchungen vornehmen. Auch sei er nicht recht davon überzeugt, daß die hier gemachten Untersuchungsergebnisse sich auf die chinesische Praxis anwenden lassen. Besonders parlamentarische Systeme seien nur schwer nachzuahmen. Vor- und Nachteile einer in China durchzuführenden Reform sollten gründlich abgewogen werden. Brauchbares könne übernommen, weniger Geeignetes hingegen vernachlässigt werden. Danach erkundigte er sich mit großer Anteilnahme nach den Strapazen, die uns die Reise bereitet hätte. Nach Beendigung des Zeremoniells zogen sich beide Seiten zurück.

15 Aus dem Chinesischen übersetzt von Peter Merker. 16 Nicht in den Akten.

511 Der Kaiser ist 48 bis 49 Jahre alt und ist seinem Aussehen nach ein Mann im mittleren Alter. Seine rosige Gesichtsfarbe deutet auf seine gute Gesundheit hin. Sein Bart ist leicht gezwirbelt. Insgesamt macht er einen sehr stattlichen und herrausragenden Eindruck. Sein Gang ist von sicherer und majestätischer Art. Er ist gewohnt, große Strapazen auf sich zu nehmen. Das ganze Jahr über ist er auf Inspektionsreisen im Land unterwegs. Nur wenn es diplomatische Aktivitäten erfordern, kehrt er in die Hauptstadt zurück. A n dem Tag, an dem er mich empfing, hatte er zuvor eine Truppenparade abgenommen. Dazu war er in aller Frühe aufgestanden und zum Exerzierplatz geritten. Von 8 bis 12 Uhr war er bei glühender Sonne ununterbrochen auf dem Pferd. Danach war das Staatsoberhaupt Schwedens nebst Familie und Gefolge zum Besuch erschienen. Später nahm der Kaiser noch an einem Festessen mit einem ausländischen Gesandten teil. Obwohl der Deutsche Kaiser den ganzen Tag überaus beschäftigt war, zeigte er keine Anzeichen von Verdruß oder Müdigkeit. Das Staatsgebiet Deutschlands hat die Fläche einer größeren bzw. zwei kleinerer Provinzen unseres Landes und entspricht somit in etwa dem Verwaltungsbereich eines Gouverneurs. Beherzt tritt Deutschland der Welt entgegen und gilt als eines der mächtigen Länder. Besonders der Deutsche Kaiser ist für sein Talent und sein weitsichtiges Regiment im W e sten berühmt. Seine Paläste und Villen in der Umgebung der Hauptstadt sind äußerst prächtig. Um den altehrwürdigen Stil zu wahren, wurden die Gebäude nicht mit neuen Farben versehen, sondern in ihrem Antlitz belassen. Aus den Fenstern der Gästezimmer kann man auf die belebten Straßen nach draußen blicken. Deutlich sind die Geräusche des Marktlebens und der vorbeifahrenden Wagen zu vernehmen. Die Beamten sind einfach gekleidet und versehen den ganzen Tag über eifrig ihren Dienst. Sie gleichen darin ganz dem Militär. Sie erfahren auch eine soldatische Behandlung. Privilegien, wie sie an den Yamen unserer Gouverneure existieren, gibt es nicht in diesem Umfang. A u f diesem Gebiet sind die Gewohnheiten und das Staatssystem bei uns und im Westen nicht gleich. Sie lassen sich nicht gewaltsam übertragen. 17

Die Antwort des Deutschen Kaisers überreiche ich untertänigst in einer Abschrift. Hiermit habe ich mir erlaubt, über alle mit der Überreichung des Kaiserlichen Schreiben in Zusammenhang stehenden Angelegenheiten Bericht erstattet zu haben. Der Hochgewohlgeborenen Kaiserinwitwe und Seiner Majestät, dem Kaiser am 7.7.1908 eingereicht. Anmerkung: Vom Kaiser zur Kenntnis genommen. GBY, Kaocha xianzheng dang (Akten betreffend Studium einer konstitutionellen Regierung), Bd.2, unfoliiert.

17 Nicht in den Akten

512

145 Schreiben des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts, KiderlenWächter, an den deutschen Gesandten Haxthausen (19.3.1912) Berlin, den 19. März 1912 Die Anerkennung der neuen Regierung in China, mit der sich die Mächte in absehbarer Zeit zu befassen haben werden, würde uns erleichtert werden, wenn die chinesische Regierung sich entschließen wollte, einige jener Forderungen zu erfüllen, die seit längerer Zeit der Gegenstand von Verhandlungen zwischen uns und China bilden. In erster Linie käme die Bahnfrage in Shandong in Betracht (Erlaß A.60 vom 6. Juni v.J.). Sodann wäre der Abschluß eines Kulivertrages zu erstreben (Erlaß Nr.62 vom 26. Februar 1908 II b 896). Ein weiterer Erlaß in dieser Frage wird Ew. pp. in den nächsten Tagen zugehen. Des weiteren wäre eine Vereinbarung erwünscht, daß die Abiturienten sowohl der Medizinschule in Shanghai 18 als der jetzt und etwa künftig von uns zu gründenden technischen Schulen den gleichen Anspruch auf Verwendung im chinesischen Staatsdienst haben wie die Zöglinge gleichartiger chinesischer Schulen. Endlich könnte auch noch der Wunsch nach Gleichstellung der deutschen Sprache mit der englischen an chinesischen Schulen Erwähnung finden. Ew. pp. ersuche ich ergebenst, sofern Sie dies für unbedenklich erachten, diese unsere Wünsche bei Yuan Shikai in möglichst vorsichtiger und durchaus freundlicher Form zur Sprache zu bringen, ohne jedoch dabei den Eindruck zu erwecken, daß wir die Erfüllung dieser Wünsche zu einer conditio sine qua non für die Anerkennung der neuen Regierung zu machen beabsichtigen. Vielmehr wäre zu betonen, daß wir der neuen Regierung Interesse entgegenbringen, ihr ohne jedes Vorurteil und mit Wohlwollen gegenüberstehen und auch gewillt sind, sobald die Verhältnisse in China als hinreichend gefestigt erachtet werden können, bei den übrigen Mächten für die Anerkennung der neuen Regierung ein gutes Wort einzulegen. Ein solcher Schritt werde uns jedoch wesentlich erleichtert werden, wenn die neue Regierung auch ihrerseits unseren Wünschen Entgegenkommen beweise. Zu Ihrer Information führe ich als weitere Wünsche, deren Erfüllung in Frage kommen könnte, noch an die Regelung der Währungsfrage, der Berggesetzgebung und des Markenschutzes, das Fallenlassen des Projektes der Inlandabgabe in Shandong und die Verbesserung der chinesischen Zollstatistik nach der Richtung, daß die deutsche Ein- und Ausfuhr ersichtlich gemacht würde. Während die erstgenannten Fragen alle Vertragsmächte interessieren und von diesen vorgebracht werden werden, könnten die Wünsche bezüglich der Inlandabgabe und der Zollstatistik eventuell verwertet werden, sofern Sie mit der einen oder der anderen der eingangs genannten Forderungen auf Schwierigkeiten stoßen sollten. 18 In Shanghai wurde 1907, angeschlossen an das deutsche Tongji-Krankenhaus, die „Deutsche Medizinschule für Chinesen" eröffnet, der 1912 die „Deutsche Ingenieurschule fur Chinesen" (heute: TongjiUniversität) angegliedert wurde, siehe hierzu die Einleitung zu Kapitel 8.

513 gez. Kiderlen-Wächter. GPEKXXXII,

S.30J,

Nr.11879.

146 Schreiben des Gouverneurs von Kiautschou, Meyer-Waldeck, an den Staatssekretär des Reichsmarineamts, Tirpitz (14.10.1912) Qingdao, 14. Oktober 1912 Dr. Sun Yatsen (= Sun Yixian = Sun Wen = Sun Zhongshan)19 der erste Präsident der provisorischen Republik China, traf am Samstag, dem 28. September abends mit dem fahrplanmäßigen Zuge in Qingdao ein. Seine ursprüngliche Absicht, seine Rückreise von Peking mit der Tianjin-Pukou Bahn zu machen, hat er wohl mit Rücksicht auf den noch immer in Yanzhoufu stehenden General Zhang Xun aufgegeben. Seine Ankunft wurde dem Gouvernement durch den Dudu 20 von Shandong telegraphisch angezeigt. In seiner Umgebung befanden sich eine Anzahl Sekretäre, darunter ein Bruder des früheren Generalresidenten in Tibet, der frühere Gesandte in Berlin und jetzige Direktor des Jinanfiier Fremdenamts Yang Zheng, ein Beamter des Verkehrsministeriums, sowie die Familie Dr. Suns. Ein chinesisches Empfangskomitee war ihm bis Gaomi entgegengefahren; auf dem Bahnsteig hatten sich neben einer großen Anzahl Neugieriger die engeren Landsleute Dr. Suns fast vollzählig versammelt, um iliren berühmten Landsmann zu empfangen. Vor dem Bahnhof hatten sich etwa 2.000 Zuschauer eingefunden, unter denen insbesondere die Schüler der verschiedenen chinesischen Schulen Qingdaos stark vertreten waren. Mäßiges Händeklatschen begrüßte ihn, als er in offenem Landauer durch die Menge zum Strandhotel fuhr, in dem er für sich und seine Begleitung 16 Zimmer belegt hatte. Das Gouvernement behandelte Dr. Sun, der ohne amtlichen Charakter und ohne amtlichen Auftrag in Qingdao weilte, als Privatmann. Es ließ ihm diejenige Achtung zuteil werden, die man überall Ausländern von Ruf und Bedeutung erweist. Am Sonntag Mittag gegen 2 Uhr machte er bei mir in Begleitung eines Sekretärs im Gouverneurswohnhause nach vorheriger Anmeldung seinen etwa eine Viertelstunde währenden Besuch. Ein Empfang durch Seine Königliche Hoheit, den Prinzen Heinrich von Preußen, fand nicht statt. In dem Gespräch

19 So im Text, allerdings mit anderer Umschrift. 20 Dudu ist die Bezeichnung fur Militärgouverneur. Während der Xinghai-Revolution wurden die sich von der Qing-Dynastie lossagenden Provinzen von Militärs der „Neuen Armee" übernommen. In der westlichen Forschung werden die Militärgouverneure, die es bis zur Herstellung einer starken Zentralregierung durch Jiang Jieshi Ende der zwanziger, Anfang der dreißiger Jahre gab, auch als Warlords bezeichnet.

514

wurden politische Fragen oder die augenblickliche Lage in China nicht berührt. Dr. Sun zeigte während des ganzen englisch geführten Gesprächs eine auffallende Zurückhaltung und beschränkte sich lediglich auf die Beantwortung der von mir gestellten Fragen. Bald darauf machte ich Dr. Sun im Strandhotel meinen Gegenbesuch, bei dem Dr. Sun sehr lebhaft wurde und sich äußerst anerkennend äußerte über die glänzende Entwicklung, die Qingdao in den ersten 14 Jahren seines Bestehens genommen habe. Besonders waren ihm die Aufforstungen, der Hafen, die Straßenanlagen und die Häuserbauten aufgefallen. Er bezeichnete Qingdao als „Model settlement" für China, nach dessen Vorbild man bei dem Aufbau des Reiches arbeiten müsse. Von der Deutsch-Chinesischen Hochschule21 schien er bis dahin nichts gehört zu haben; seine ganze Fragestellung bewies dies, als ich ihm einen Besuch der Hochschule empfahl. Vor dem deutschen Schulwesen im allgemeinen zeigte er große Hochachtung. So äußerte er, daß das englisch-amerikanische Schulsystem fur China absolut ungeeignet sei, da es zu sehr an dem Äußeren hafte und für den ganzen chinesischen Charakter zu wenig gründlich sei. Diesem trage das deutsche Schulsystem durch seine tiefe Gründlichkeit bei weitem mehr Rechnung und sei deshalb bei der Reorganisation des Schulwesens in erster Linie als Vorbild zu verwenden. Inwieweit diese Äußerungen nur eine Höflichkeit waren oder ob sie angesichts der ihm nur zu bekannten Erfolge englisch-amerikanischer Erziehungskunst seiner Überzeugung entsprachen, ist natürlich nicht feststellbar. Auch gab er mir gegenüber seiner Besorgnis über die politische Lage Chinas offen Ausdruck. Es sei in Peking wohl bekannt, daß in einem zwischen Japan und Rußland bestehenden Vertrage Japan nicht nur in der Mandschurei, sondern in ganz Nordchina freie Hand zugesichert sei und daß Japan demgemäß plane, neben der Mandschurei auch Tianjin und Peking mit Beschlag zu belegen. In Peking wisse man die Haltung Deutschlands, das, wie man wisse, an keinerlei Landerwerb denke, außerordentlich zu schätzen. Öffentliche Versammlungen politischen Charakters fanden nicht statt. Am Montag den 30. September machte Dr. Sun einige Besuche, darunter auch im Seezollamt und folgte dann mit seiner Begleitung und seinen Damen einer Einladung des Kantonklubs, zu der etwa 300 Eintrittskarten an Südchinesen, die Handelskammern und die anderen Klubs ausgegeben waren. Dr. Sun hielt hier nach erfolgter Vorstellung eine kurze Ansprache, in der er ungefähr folgendes ausführte. China sei Republik geworden; das Haus sei fertig gestellt, aber noch fehle der innere Ausbau. Jedermann aus dem Volke sei zur Mitarbeit verpflichtet, und jeder trage einen Teil der damit verbundenen Verantwortung. Ohne Kulturarbeit im westländischen Sinne sei ein Aufschwung unmöglich. Qingdao habe sich dank der unermüdlichen Kulturarbeit Deutschlands aus einem einfachen Fischerdorf binnen nur 14 Jahren zu einem glänzenden Platz mit bewundernswerten Anlagen entwickelt, der China als Vorbild dienen müsse. Eine derartige Arbeit und die Übertragung derartiger Arbeitsmethoden sei notwendig, wenn China sich in gleicher Weise entwickeln wolle. Um diese Entwicklung zu beschleunigen, beabsichtige er, den schnellen Ausbau des Eisenbahnnetzes zu fördern und fremder Arbeit in

21 Zur 1909 gegründeten deutsch-chinesischen Hochschule siehe Dok. 128,129,131,132 sowie die Einleitung zu Kapitel 8.

515 weitgehendstem Maße Zutritt zu gewähren.22 Dies Ziel sei nur zu erreichen unter Mitwirkung aller Handelskreise, deren Unterstützung keine Regierung entbehren könne. Auf die erste Meldung von der bevorstehenden Ankunft Dr. Suns hatten die Schüler der Deutsch-Chinesischen Hochschule das chinesische Theater in Dabaodao gemietet, um hier Dr. Sun zu Ehren eine große öffentliche Versammlung abzuhalten. Das Verbot dieser Versammlung führte an der Hochschule zu einigen unliebsamen Zwischenfällen, über deren Entstehung und Beilegung ein besonderer Bericht der Hochschulleitung vorgelegt werden wird. Die Deutsch-Chinesische Hochschule berichtete mir darüber kurz am 30. September, als ich gerade mit Seiner Königlichen Hoheit dem Prinzen Heinrich einer Besichtigung des III. Seebataillons auf dem Moltkeplatz beiwohnte. Darauf entsandte ich sofort den Zivilkommissar nebst einem Dolmetscher zu Dr. Sun, ließ ihm die Vorgänge mitteilen und ihn bitten, doch selbst auf seine jungen Landsleute einzuwirken, damit sie nicht durch übereiltes unverstandenes Handeln sich schärfere Maßnahmen von Seiten des Gouverneurs zuzögen. Ich hätte ihm ja schon am Tage vorher vorgeschlagen, die Deutsch-Chinesische Hochschule zu besuchen. Dieser Aufforderung ist Dr. Sun auf das loyalste nachgekommen. Vom Cantonclub aus begab er sich dorthin, besichtigte die Hochschule eingehend und mit lebhaftem Interesse. In der Aula richtete Dr. Sun dann an die mit sämtlichen Lehrern erschienenen Schüler folgende bemerkenswerte Ansprache: „Er sei vorgestern im Gebiet von Kiautschou eingetroffen und habe schon Gelegenheit gehabt, die große und schöne Stadtanlage zu bewundern. Gern sei er der Einladung der Hochschule gefolgt, ihr einen Besuch abzustatten und zu den Schülern zu sprechen. Chinas Regierungsform habe eine grundlegende Änderung erfahren. Doch stehe die junge Republik noch am Anfange ihrer Entwicklung, und es heiße jetzt, alle Kräfte anzusetzen, um sie zu einem vollkommenen Gebilde auszugestalten. Die Verfassung der Republik beruhe auf dem Grundgedanken der Freiheit und Gleichheit. Doch hier müsse man sich vor Irrtümern hüten. Die Freiheit und Gleichheit gelte nicht unbeschränkt. Sie gelte nicht fur den Beamtenstand, die Soldaten und die Schüler. Deren Pflicht und Verantwortlichkeit sei sehr viel schwerer in der heutigen Zeit geworden. Sie müßten ihre ganze Kraft aufbieten, um für die Allgemeinheit, fur die Menschheit wirken zu können. Namentlich aber die Schüler müßten mit Fleiß und Eifer und Selbstverleugnung ihren Studien obliegen, um dereinst nach Beendigung ihrer Schulzeit ins Leben hinauszutreten und mit ihren Kenntnissen dem Wohl des Volkes zu dienen. Es heiße dann für sie, Chinas Glück aufzubauen und auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens, sei es durch Erfindungen, organisatorische Arbeiten und dergleichen, für das Wohl des chinesischen Volkes sich einzusetzen. Davon hinge Chinas Entwicklung, Fortschritt und Zukunft ab. Hier in der Hochschule hätten die Schüler die schöne Gelegenheit, unter der Leitung bedeutender und namhafter deutscher Lehrer modernes Wissen sich anzueignen. Deutschland sei unter den Staaten der Welt durch seine Leistungen auf kulturellem und wis22 Die Eisenbahnpläne von Sun Yatsen stellten einen wichtigen Bestandteil des Modernisierungsprogrammes dar, das er fiir China entwickelt hatte Der Aufbau eines dichten Eisenbahnnetzes war für Sun insbesondere nur durch eine enge Kooperation mit dem Ausland, insbesondere auch Deutschland, durchfuhrbar, vgl. Sun Yasten 1994:xxxii.

516 senschaftlichem Gebiet, durch die Vollkommenheit seiner Gesetze das berühmteste Land. Die Schüler sollten sich Deutschland für das neue China zum Vorbild nehmen. Aber das Studium auf der Hochschule sollte fur die Schüler nicht die einzige Quelle der Bildung bleiben. Auch außerhalb der Mauern fände sich hier eine Fülle des Wissens und Nachahmenswerten. In den zwei Tagen, die er hier weile, habe er gesehen, daß China trotz tausendjähriger Kultur nichts geleistet habe, das sich mit dem vergleichen ließe, was Deutschland in einer Spanne von zwölf Jahren zustandegebracht habe. Straßen, Häuser, Hafenanlagen, sanitäre Einrichtungen, alles zeuge von Fleiß und Streben. Was die Schüler hier sähen, solle sie zur Nacheiferung anspornen, und es müsse ihr Ziel werden, dieses Musterbeispiel auf ganz China auszudehnen und ihr Vaterland in gleicher Vollendung auszugestalten." Nach der Ansprache in der Aula machte Dr. Sun, der auch von seinen Damen begleitet war, einen Rundgang durch sämtliche Anstalten. Nachdem Dr. Sun, der ja amerikanischer Christ ist, nachmittags einer kirchlichen Feier beigewohnt hatte, nahm er abends an einem Essen im Kantonclub teil, zu dem etwa 40 Einladungen ergangen waren und bei dem Ansprachen von Bedeutung nicht gehalten wurden. Den letzten Tag seines Aufenthalts benutzte er zu einem Ausflug in den Laoshan. Auch hier fielen ihm die fortschreitenden Aufforstungen sowie die Wegebauten in die Augen. Zu seinem Abschied hatte sich die chinesische Bevölkerung in der Hauptstraße Dabaodaos versammelt, so daß beim Dampfer kaum 20 Chinesen zugegen waren. Ich ließ ihm durch einen Offizier und einen Beamten eine glückliche Reise wünschen. Auch ihnen gegenüber sprach er sich außerordentlich befriedigt aus über seinen Aufenthalt in Qingdao, das, wie er später in Shanghai äußerte, größeren Eindruck auf ihn gemacht habe als Hongkong. Dr. Sun übte in Qingdao während seines ganzen Aufenthaltes eine anerkennenswerte, von jeder Agitation frei bleibende Zurückhaltung und vermied mit großem Takt jegliche Äußerung über politische Parteien und Fragen auswärtiger Politik, die zu unliebsamen Äußerungen hätte fuhren können. Sein persönlicher Eindruck war bei allen, mit denen er in Berührung kam, der denkbar beste. Seine Zurückhaltung und Bescheidenheit, sein Idealismus und seine große Beredsamkeit haben überall großen persönlichen Eindruck hinterlassen. In keiner seiner Ansprachen und Unterhaltungen sprach er von sich selbst oder seinem Anteil an der Revolution, sondern immer nur von der Arbeit, die in China noch zu leisten sei. Aber trotzdem hat er auch in Qingdao die Bevölkerung nicht zu überzeugen vermocht. Die Kaufmannschaft stand ihm, dem Südländer, durchweg sehr reserviert gegenüber, sie lehnt auch seine Eisenbahnpläne als undurchführbar ab. Das zeigt sich schon darin, daß die Handelskammer auf eine diesbezügliche Einladung des Kantonklubs hin nur zwei, der Jiangsuklub (ShanghaiLeute) gar nur einen offiziellen Vertreter zum Empfang auf den Bahnhof entsandte und daß

23 Ähnlich äußerte sich Sun Yatsen über Kiautschou auch in einem Interview, das er dem deutschen Journalisten Erich von Salzmann am 4.10.1912 gab, siehe Salzmann 1912:142-146. Die Aussagen von Sun Yatsen bestätigt außerdem ein Bericht in der regierungsunabhängigen Kiautschou-Post 5/1912, S.828f, auch zitiert bei Matzat 1986:58. Es wird gemeldet, daß Sun Reden hielt, „wobei er in geschickter und, soweit wir unterrichtet sind, sehr sympathischer Weise auf die deutsche Arbeit in Tsingtau und im Schutzgebiet Kiautschou im allgemeinen hinwies "

517 Nordchinesen auch nur in verschwindender Zahl an den Veranstaltungen des Kantonklubs teilnahmen. Der gute Eindruck, den Dr. Sun persönlich machte, wurde verwischt durch das ganze Gebaren seiner näheren Umgebung, die durchweg aus amerikanisierten Chinesen bestand. Ein mitreisender Claqueur gab bei allen Ansprachen das Zeichen zum Beifall, alle lebten mehr oder weniger gut auf Kosten der Republik. Wein und Zigarren, Oberhemden, Kragen und Lackschuhe wurden beschafft und bezahlt im „Dienste der chinesischen Republik", so daß sich die Gesamtausgaben Dr. Suns und seiner Begleitung in Qingdao neben der 1.000 $ betragenden Hotelrechnung noch auf weitere 1.000 $ „Nebenausgaben" beliefen. Der ursprünglich wohl nicht vorgesehene Besuch Dr. Suns in Qingdao hat jedenfalls dem Führer der südchinesischen Partei und seiner Begleitung Gelegenheit gegeben, die deutsche Arbeit in Qingdao aus eigener Anschauung kennenzulernen und sich von den friedlichen Bestrebungen Deutschlands in China zu überzeugen, Erfahrungen, die jedenfalls die künftige Haltung Dr. Suns Deutschland gegenüber günstig beeinflussen werden. Meyer-Waldeck ΒA/M A, RM3/6723,

B1.3J6-322.

147 Schreiben des Kaiserlichen Festungskommandanten, Meyer-Waldeck, an den Oberkommandierenden der japanischen Belagerungsarmee, Kamio (7.11.1914) Euer Exzellenz! Da meine Verteidigungsmittel erschöpft sind, beabsichtige ich, in Übergabe-Verhandlungen einzutreten. Wenn Euer Exzellenz diesem Vorschlage zustimmen, bitte ich, Bevollmächtigte zur Verhandlung über die Bedingungen der Übergabe und einen Ort bestimmen zu wollen, wo die beiderseitigen Bevollmächtigten zusammentreten können. Der Kaiserliche Festungs-Gouverneur Meyer-Waldeck BA B3550,

unfoliiert.

Abkürzungen

AA

Auswärtiges Amt

AS/JYS

Academia Sinica/Jindaishi yanjiusuo, (Archiv des Instituts für moderne Geschichte, Academia Sinica)

BA/MA

Bundesarchiv/Militärarchiv Freiburg

BA

Bundesarchiv Koblenz

BAP

Bundesarchiv, Abteilungen Potsdam

DBC

Deutsche Botschaft China

DQJSX

Deguo qinzhan Jiaozhouwan shiliao xuanbian (Ausgewählte historische Materialien zur deutschen Besetzung der JiaozhouBucht), hrsg. v. Qingdaoshi bowuguan (u.a.), Jinan 1986

DZYJHG

Diguo zhuyi yu Jiao Haiguan (Der Imperialismus und das Seezollamt in Jiaozhou), hrsg. Qingdaoshi dang'anguan, Beijing 1986

GBY

Gugong bowuyuan (Archiv des Kaiserpalast-Museums, Taibei)

GPEK

Die Große Politik der Europäischen Kabinette, 1871-1914, hrsg. v. Johannes Lepsius, Berlin \924ff.

HFD

Haifang dang (Akten betreffend die Küstenverteidigung), hrsg. v. Zhongyang yanjiuyuan jindaishi yanjiusuo, Taibei 1957

JWJAD

Jiaowu jiao'an dang (Akten betreffend Missionsangelegenheiten und Missionszwischenfälle), hrsg. v. Zhongyang yanjiuyuan jindaishi yanjiusuo, Taibei 1984

KWD

Kuang wu dang (Akten betreffend Berbauangelegenheiten) hrsg. v. Zhongyang yanjiuyuan jindaishi yanjiusuo, Taibei, o.J.

PAA

Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes

QJWJSL

Qingji waijiao shiliao (Dokumente zur Außenpolitik der Qing-Zeit), hrsg. von Wang Yanwei u. Wang Liang, Beijing 1932-1935

RMA

Reichsmarineamt

SBVR

Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichtags, Berlin 1897-1914

SJZ

Shandong jindaishi ziliao (Materialien zur neueren Geschichte Shandongs), hrsg. v. Shandong shixuehui, Jinan 1961

520 SJZXJ

Shandong jindaishi ziliao xuanji (Ausgewählte Materialien zur neueren Geschichte Shandongs), hrsg. v. Zhongguo shixue hui Jinan fenhui, Jinan 1959

YHTDS

Yihetuan dang'an shiliao (Archivalien zur Boxerbewegung), hrsg. v.Guojia dang'anju Ming Qing dang'anguan, Beijing 1959

YHTDSX

Yihetuan dang'an shiliao xubian (Archivalien zur Boxerbewegung; Supplementband), hrsg. v. Zhongguo Di Yi Lishi Dang'anguan, Beijing 1990

YHTDZ

Yihetuan diaochaziliao xuanbian (Ausgewählte Materialen einer Umfrage zur Boxerbewegung) hrsg. v. Shandong Daxue Lishixi, Jinan 1980

DHL

Guangxuchao donghua lu (Aufzeichnungen vom Östlichen Tor aus der Regierungszeit des Guangxu-Kaisers), hrsg. v. Zhu Shoupeng, Beijing 1958

YSG

Zhongguo Di Yi Lishi Dang'anguan (Erstes Historisches Archiv, Beijing)

ZLYM

Zongli Yamen

SchGG

Schutzgebietsgesetz

JAZD

Jiao'ao zhuandang (Spezialakten betreffend Jiao'ao-Bucht), hrsg. von Zhongyang yanjiuyuan jindaishi yanjiusuo, Taibei 1991

SVD

Societas verbi divini (Steyler Missionsorden)

MVB

Marineverordnungsblatt

CBOC

Choubi oucun (Zufällig erhaltene Aufzeichnungen), hrsg. von Zhongguo shehui kexueyuan jindaishi yanjiusuo, Beijing 1983

Quellen und Literatur

1.) Quellen a) deutsche Archive Bundesarchiv/Abteilungen Potsdam (BAP) Bestand Auswärtiges Amt Nr. 7229, Akten betreffend Kolonisationsprojekte in China Nr. 13036-13037, Akten betreffend die wirtschaftliche Erschließung von Kiautschou Nr. 32938-32939, Die staats- und völkerrechtlichen Verhältnisse des Schutzgebietes Kiautschou Nr. 51054, Akten betreffend das Kaiserliche Gouvernement in Kiautschou Nr. 38930-38931, Deutsche Unterrichtsveranstaltungen für Chinesen in Tsingtau, 1907-1909. Bestand Deutsche Botschaft China (R 9208) Nr. 313-335, Katholische Missionen, 1867-1917 Nr. 792-794, Deutsche Ärzte in China, 1886-1906 Nr. 1062, Handelsniederlassungen in Schantung, 1904-1913 Nr. 1238-1247, Pachtgebiet Kiautschou, 1901-1916. Nr. 1248-1253, Zoll-, Handels- und SchiffahrtsverhäJtnisse in Kiautschou, 1897- 1913 Nr. 1258-1260, Schulwesen in Tsingtau, 1907-1916. Nr. 1294-1297, Schantung-Bergbau-Gesellschaft, 1899-1915 Nr. 1308-1315, Schantung-Eisenbahn, 1899-1917 Nr. 1336-1339, Zweigbahnen in Schantung, 1911-1916. Bestand Reichsfinanzministerium Nr. 2898, Akten betreffend die Verwaltung von Kiautschou, 1900-1912 Bestand Reichskanzlei Nr. 923, Akten betreffend Kiautschou, 1900-1912 Nr. 934-936, Militärische Expeditionen nach Ostasien, 1900-1907 Bestand Reichstag Nr. 1123-1127, Akten betreffend das Schutzgebiet Kiautschou, 1898-1914

Bundesarchiv/Militärarchiv Freiburg (BA/MA) Bestand Reichsmarine/Marinekabinett (RM 2) Nr. 1835-1841, Erwerb und Verwaltung des Kiautschou-Gebietes sowie die Reise des Prinzen Heinrich nach Ostasien, 1895-1898. Bestand Reichsmarine/Reichsmarineamt; Allgemeines Marinedepartement (RM 3) Nr. 6692-6695, Erforschung und Erwerbung von Ländern in Ostasien, 1895-1907

522 Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr.

6696-6698, Besetzung der Station in China, 1895-1907 6699-6707, Organisation des Schutzgebietes, 1897-1923 6708-6713, Gesetze und Verordnungen betreffend Kiautschou, 1898-1914 6714, Verordnungen für das Schutzgebiet, 1909-1920 6717-6724, Allgemeine Gouvernementsangelegenheiten, 1898-1917 6725-6729, Handelsverhältnisse, 1898-1905 6730-6734, Handel und Schiffahrt, 1906-1921 6735-6743, Geschäftliche Unternehmungen, 1898-1921 6744-6767, Gouvernement Tätigkeitsberichte, 1898-1914 6776-6777, Grenzregulierung und Hoheitsgrenzen, 1898-1912 6778-6785, Unruhen in China - Ganz Geheime Angelegenheiten, 1899-1912 6786-6791, Unruhen in China - Offene Angelegenheiten, 1906-1914 7014-7022, Berg- und Eisenbahnbau, 1898-1904 7023-7027, Bergbau, 1905-1916 7028-7030, Eisenbahnbau, 1905-1907

Bestand Marinestation Ostsee (RM 31) Nr. 513-514, Kiautschou, 1897-1902 Bestand Kreuzergeschwader (RM 38) Nr. 30, Besetzung der Kiautschou-Bucht, 1897-1899 Nr. 31, Kriegstagebuch betreffend Besetzung Kiautschou des S M S. Kaiser, 1897/1898 Bestand Nachlaß Otto von Diederichs (N 255) Nr. 24, Bericht von Diederichs über die Besetzung von Tsingtau am 14. Nov. 1897, 1906-1908.

Bundesarchiv Koblenz (BA) Bestand Auswärtiges Amt, Abteilung II, Handelspolitische Abteilung Nr. R85/1223-1233, Die Shantung-Eisenbahngesellschaft Nr. R85/1234-1243, Die Shantung-Bergbaugesellschaft Bestand Kleine Erwerbungen Nr. 623, Shantung-Eisenbahngesellschaft Bestand Bildarchiv Nr. B3550 Schutzgebiet Kiautschou

Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes Bonn (PAA) China China China China China China

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1894-1917. China 22, Kiautschou und die deutschen Interessen in Schantung, 1899-1922. China 24, Aufstand in China; Einschreiten der Mächte, 1900-1918.

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s i ^ i h t z (Deutsch-chinesische Beziehungen:

Gugong bowuyuan ι Κ ί ί Μ ί ^ Κ (Archiv des Palastmuseum, Taibei, Taiwan, GBY) Junjichu dang 'ΐί/LÄt·^ (Bestand: Akten des Großen Staatsrats) Kaocha xianzheng dang (Akten betreffend Prüfung einer konstitutionellen Regierung), Bd. 1-4 Qingdai junji zouzhe dang ' W f t ^ f l Ä i S I S (Bestand: Eingaben an den Großen Staatsrat in der Qing-Zeit) Nr 179643, Zoubao Qingdao sheli gaodeng xuetang (Eingabe betreffend Errichtung einer höheren Schule in Qingdao)

Zhongyang yanjiuyuan, jindaishi yanjiusuo Φί^Φ^'Ε®. Institut für Moderne Geschichte, AS/JYS)

(Academia Sinica, Taiwan,

Zongli ge guo shiwu yamen dang , & ϊ ! # Ι Ι Ι ί ; & ί π τ Π : ( 9 (Bestand des Zongli Yamen) Nr. 01-18-80-(4), Shandong Zichuan xian De shang Liheyanghang zudi kai meijing an, Guangxu 25 UÜ^igäillÄeMLfn-^iTiaiÜlJF'JtS^1^· 25 (Akten betreffend Pacht von Grundstücken zur Eröffnung eines Kohlenfeldes durch die deutsche Firma Carlowitz & Co. im Kreis Zichuan, Shandong, 1899) Waiwubu dangan ^ h ^ n P l ä i l (Bestand des Außenministeriums) Nr. 02-11-13-(1), Zhou Fu michen Yantai ji Weihai jiao'ao Ying De zujie an, Guangxu 28/12 fäfS^ßfel® • 28/12 (Geheimer Bericht von Zhou Fu über Yantai, das englische Pachtgebiet Weihai und das deutsche Pachtgebiet Jiao'ao, Dezember 1902)

524 Nr 02-03-5-(l), Dezhou zhi Jinan tielu yu De shi shang gui Jinzhen guanlu banli, Guangxu 33- Xuantong 1 ^ W M ^ l t t t S S - t j ^ i i l S f i i f Ä ' S E i ' g & ^ ä , ^ 3 3 - ' g M 7 ü (Akten betreffend Durchführung von Verhandlungen mit dem deutschen Gesandten über die Rückgabe der Eisenbahnstrecke Dezhou-Jinan als Teil der Staatsbahn Tianjin-Zhenjiang, 1907-1909) Nr. 02-03-5-(2), Shandong lu kuang, Xuantong 1 l U M & T , "3Μτΐ> (Berbauangelegenheiten entlang der Eisenbahnstrecken in Shandong, 1909) Nonggongshangbu ΙΦ (Bestand des Ministeriums fur Landwirtschaft, Industrie und Handel) Nr. 06-24-02-1-(2), Meikuang: Zhongxing gongsi, Guangxu 34 Φ τ ^ ^ Ι . i t i f e 34 (Kohlegruben: Das Zhongxing-Unternehmen, 1908)

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(Aufzeichnungen vom östlichen Tor aus

Zibo meikuang shi i S t l l Ä i ^ i (Geschichte der Kohleminen in Zibo), hrsg. v. Zibo kuangwuju u Shandong daxue Ü j f i l j C ^ , Jinan 1986. Zou

Fanlin

Fandui

Waiguo

jiaohui qinlüe douzheng yu Yihetuan yundong (Der Widerstandskampf gegen das Eindringen der ausländischen Mission und die Boxerbewegung), in: Jindai Zhongguo jiao'an yanjiu i S f t ^ t 3 S Ü ^ S f ^ t (Studien zu den Missionszwischenfällen im modernen China), hrsg. v. Sichuansheng zhexue shehui kexue xuehui lianhehui E S J ^ ^ t i ^ ' Y i ^ ^ ^ ^ ^ K rTzi? u. Sichuansheng jindai jiao'anshi yanjiuhui Chengdu 1987, S.99-108.

Index der Personen und Institutionen1

Adalbert, Prinz von Preußen (1811-1873), deutscher Admiral, 1849-1871 Oberkommandierender der preußischen Kriegsmarine. 55 Alldeutscher Verband, einflußreiche politische Organisation im Deutschen Reich, gegründet 1891 mit dem Ziel der Förderung des Deutschtums im Ausland und einer aktiven Außen-, Flotten-, und Kolonialpolitik. 83 Allen, Young }., amerikanischer protestantischer Missionar, Herausgeber der Missionszeitschrift „Wangguo Gongbao", 1882 Mitbegründer des „Anglo-Chinese College" in Shanghai. 447 Anzer, Johann Baptist von (1851-1903), deutscher katholischer Missionar des SVD, 1882-1903 in China tätig, 1885 Missionsbischof, 1885-1903 Vikar des Missionsgebietes Süd-Shandong. 58-61, 84, 132f, 158, 243, 255, 258, 261, 271-273, 333, 339, 341,430f, 452 Asiatic Petroleum Company, englisches Unternehmen der petrochemischen Industrie. 230

1900-1902 Chef des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders. 499 Bethmann-Hollweg, Theodor v. (1856-1921), 1909-1917 deutscher Reichskanzler. 419, 421 Betz, Heinrich (1873-1944), deutscher Konsul, seit 1898 als Dolmetscher in China, 1909-1914 deutscher Konsul in Jinan, 1914 mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges Abberufung nach Deutschland, 1921 Rückkehr nach China als Generalkonsul in Tianjin. 302, 310, 388, 391, 415, 421, 423, 425 Bi Wencheng, chinesischer Bergwerksunternehmer. 394 Bismarck, Fürst Otto von (1815-1898), 1862-1870 preußischer Ministerpräsident, 1871-1890 deutscher Reichskanzler. 41, 53, 59-61, 235 Blanc, Louis von (1832-1903), deutscher Korvettenkapitän, 1881-1883 Chef des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders. 82 Blumenhardt, in Qingdao lebender Deutscher. 472

Bartels, Franz (1859-1928), deutscher katholischer Missionar des SVD, seit 1883 in Süd-Shandong tätig. 253 Baur, Georg (1859-1935), deutscher Firmenrepräsentant in China, 1889-1893 Vertreter der Firma Fried. Krupp in China, 1896-1905 Berater für Eisenbahnfragen bei Li Hongzhang in Tianjin, 1911 und 1913 längere Aufenthalte in China als Berater für Sun Yatsen. 144f Bebel, August (1840-1913), deutscher Politiker, seit 1871 Abgeordneter im Reichstag, seit 1892 Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei. 154, 160f, 163 Bendemann, Felix v. (1848-1915), deutscher Admiral, 1898 Stabschef im Oberkommando der Marine, 1899 Chef des Admiralsstabs der Marine,

Blumhardt, Benjamin, deutscher protestantischer Missionar, 1902-1913 in Qingdao tätig. 482 Blumhardt, Gottliebin, deutsche Missionsschwester. 482f Blumhardt, Hanna, deutsche Missionsschwester, Schwester von Salome Wilhelm, seit 1906 Leitung der Mädchenschule in Qingdao. 482 Bo Ji, chinesischer Beamter in der Kolonialverwaltung von Hongkong. 234 Böhm, von, deutscher Oberleutnant. 271 Bohner, Dr., deutscher protestantischer Missionar, seit 1914 in Qingdao tätig. 482, 485 Born, deutscher Wasserbau-Inspektor. 300, 302

Die für Offiziere im Index angegebenen militärischen Ränge beziehen sich stets auf den Zeitraum 18971914. Genannt werden nur jene Stellungen, die mit Kiautschou in Beziehung standen.

556 Brandt, Max von (1835-1920), deutscher Diplomat und Schriftsteller, 1860 Attache bei der Eulenburg-Mission nach China, 1875 bis 1893 deutscher Gesandter in Peking, zahlreiche Publikationen zu China und Ostasien. 60f, 88f Brücher, M., Betriebsdirektor der Shandong-Bergbaugesellschaft in Qingdao. 425

Zeitschrift „Neue Jugend" (Xin Qingnian), Gründungsmitglied der KP Chinas. 473 Chen Liu, chinesischer General. 147 Chen Zengshou (7-1949), Sekretär des Erziehungsministeriums. 456 Chiang Kaishek, siehe Jiang Jieshi.

Buddha (560-480 v.Chr), Ehrentitel fur Siddhartha Gautama, Stifter der nach ihm benannten Religion des Buddhismus. 288 Büchsei, Wilhelm, (1848-1920), deutscher Admiral, 1900-1902 Dezernent für die Angelegenheiten des Gouvernements Kiautschou beim Allgemeinen Marinedepartement im RMA, 1902-1908 Chef des Admiralstabs der Marine. 290, 295, 300 Bücker, Theodor (1856-1912), deutscher katholischer Missionar des SVD, seit 1883 in Süd-Shandong tätig. 264 Bülow, Bernhard von (1849-1929), deutscher Politiker, 1897-1900 Staatssekretär des AA, 19001909 Reichskanzler. 35, 62, 64, 102, 109, 1 Π Ι 14, 143-145, 147, 154, 156, 158, 160, 164, 170, 181, 244, 246, 249, 254, 310, 353, 392f, 407, 415, 435,492, 499f, 503 Buttlar-Brandenfels, siehe Treusch von ButtlarBrandenfels.

Caprivi, Leo Graf von (1831-1899), deutscher Politiker, 1890-1894 Reichskanzler. 41f, 59f Carlowitz, Richard von (7-1886), Kaufmann, Gründer der Firma Carlowitz & Co., 1847-1873 preußischer und sächsischer Konsul in Kanton. 55, 145, 349, 368, 382 Carlowitz & Co., deutsche Handelsfirma, gegründet 1846 in Kanton, 1866 Gründung einer Filiale in Hongkong, 1877 Filiale in Shanghai, seit 1880 umfangreiche Geschäfte mit chinesischen Regierungsstellen, insbesondere Lieferung von Anlagen und Maschinen aus Deutschland, 1898 Filiale in Qingdao. 57 Cassini, Graf Artur Pawlowitsch, russischer Diplomat, 1891-1897 russischer Gesandter in Peking. 66, 72, 94

Chong Qi (1829-1900), mandschurischer General und Bannerfiihrer, 1900 Selbstmord nach Niederlage gegen die alliierten Truppen zur Niederschlagung der Boxerbewegung. 147 Christ, Johannes (1854-1902), deutscher Major, 1900-1902 Kommandeur des III. Seebataillons. 280, 296 Christiani, deutscher Hauptmann, Führer der 4. Kompanie des III. Seebataillons. 297f Chun Zaifeng (1883-1951), mandschurischer Prinz, Bruder der Kaisers Guangxu, 1901 Sühnemission nach Deutschland als Stellvertreter des Kaisers, 1908-1912 als Prinzregent und leiblicher Vater des letzten Kaisers Puyi eigentlicher Machthaber in China. 493, 503 Ci Xi (1835-1908), mandschurische Kaiserinwitwe, offizielle Anrede fur die Xiaoqin Xian, 1851 als Konkubine des Kaisers Xianfeng ausgewählt, 1861-1908 Führung der Regierungsgeschäfte und eigentliche Herrscherin in China. 320, 337, 492, 494, 507 Conradi, deutscher Hauptmann, Führer der 3. Kompanie des III. Seebataillons. 250, 289f, 292, 295, 297 Cordes, Heinrich, deutscher Dolmetscher und Beamter, bis 1895 Dolmetschereleve, 1897-1901 Dolmetscher bei der Gesandtschaft in Peking, danach Aufsichtsratsmitglied der Deutsch-Asiatischen Bank und Direktor der Niederlassung der Deutsch-Asiatischen Bank in Tianjin und Peking. 415 Cosi, Eligio (1819-1885), italienischer katholischer Missionar, seit 1849 in China fur den Franziskanerorden tätig, 1865 Ernennung zum Missionsbischof, 1870-1885 apostolischer Vikar von Shandong. 59

Castell, deutscher Bauführer bei der ShandongEisenbahngesellschaft. 406

Dai Xuwan, chinesischer Beamter, Gewerbedaotai fur Shandong. 409

Chen Duxiu (1879-1942), chinesischer Intellektueller und Schriftsteller, wichtige Persönlichkeit der Vierten-Mai Bewegung 1919, gründete 1915 die

Damaschke, Adolf (1865-1935), deutscher Sozialpolitiker und Nationalökonom, seit 1898 Vorsitzender des „Bundes der deutschen Bodenrefor-

557 mer", Veröffentlichungen zur Bodenreform und Sozialpolitik. 175 Deimling (?-1905), deutscher Kapitänleutnant, 1894-1896 Flaggleutnant beim Ostasiatischen Kreuzergeschwader, 1898-1899 Leiter der Vermessungsabteilung in Kiautschou, 1903 Kommandant der SMS Tiger. 307, 315 Dessino, russischer Oberst. 333 Detring, Gustav (1842-1913), deutscher Beamter, 1866-1903 Direktor im chinesischen Zollinspektorat, seit 1872 Berater von Li Hongzhang. 60, 65, 95, 389, 409f Deutsch-Asiatische Bank, deutsche Auslandsbank, gegründet 1889 mit Sitz in Shanghai. 57 Diederichs, Otto von (1843-1918), deutscher Admiral, 1897-1898 Chef des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders, 1899-1902 Chef des Admiralstabs der Marine. 64, 106, 108f, 119f, 122, 124, 128, 146f, 172-176, 178f, 181, 184, 188, 190, 196f, 354 Ding Ruchang (1835-1895), 1888-1895 Oberkommandierender der chinesischen Marine, 1895 Selbstmord nach Niederlage gegen die japanische Flotte im chinesisch-japanischen Krieg 1894/95. 75f Dipper, Eduard, deutscher Missionsarzt des Allgemeinen Evangelisch-Protestantischen Missionsvereins, 1900-1905 in Qingdao als Leiter des „FaberKrankenhaus" tätig. 484 Dresky, Erich von (1880-?), deutscher Kapitän zur See, 1894-1896 Kommandant der SMS Irene beim Ostasiatischen Kreuzergeschwader. 64 Du Tingfang, chinesischer Beamter in Hongkong. 234 Dziobek, deutscher Leutnant in der 3. Kompanie des III. Seebataillons. 296f

Eiswaldt, Dr., deutscher Diplomat, 1894 Vizekonsul in Shanghai, 1896-1900 deutscher Konsul in Tianjin. 106 Eitel, E.J., Dr., Inspektor der englischen Schulen Hongkongs, Veröffentlichungen über Religion in China. 445, 447 Etzel (?-453), germanischer Name für Attila, 441453 König der Hunnen. 501

Eulenburg und Hertefeld, Philipp Fürst zu (18471921), deutscher Politiker, persönlicher Adjudant des Kaisers Wilhelm II., 1894 - 1903 deutscher Botschafter in Wien. 80 Eulenburg, Graf Friedrich zu (1815-1881), preußischer Staatsmann, 1860 bis 1862 Leiter der Preussischen Ostasienexpedition nach Siam, Japan und China, 1862-1878 preußischer Minister des Innern. 55, 108 Eyl, Dr., deutscher Missionsarzt des Allgemeinen Evangelisch-Protestantischen Missionsvereins, 1912-1914 in Qingdao. 484

Faber, Ernst (1839-1899), deutscher protestantischer Missionar, 1869-1880 im Dienst der Rheinischen Mission in China tätig; 1880 Entlassung aus der Rheinischen Mission, 1885 Aufnahme in den Allgemeinen Evangelisch-Protestantischen Missionsverein, zahlreiche Publikationen zur chinesischen Geschichte, Philosophie und zu den Aufgaben der christlichen Mission. 446, 451, 481, 485 Falkenhagen, deutscher Stabsoffizier. 307, 315 Falkenhayn, Erich von (1861-1922), deutscher General und Kriegsminister, 1896-1899 Militärinstrukteur an der chinesischen Militärschule Hankou, 1899-1902 Hauptmann im III. Seebataillon in Kiautschou, 1912 Generalstabschef, 1913-1916 Kriegsminister in Berlin. 246 Fan E, Kreisvorsteher von Mizhou. 69 Ferguson, John C., amerikanischer methodistischer Missionar, 1888 Gründungsrektor der NankingUniversität, Veröffentlichungen zur chinesischen Mythologie. 447 Fischer, Paul, Direktor der Shandong-Eisenbahngesellschaft in Berlin. 408 Franke, Otto (1863-1946), deutscher Sinologe, 1878-1888 Studium der chinesischen Sprache am Seminar fur Orientalische Sprachen in Berlin, 1888-1901 Dolmetscher an der deutschen Gesandtschaft in Peking, 1903-1909 Legationssekretär an der deutschen Gesandtschaft in Peking, 1909-1923 Professor für Sinologie am Hamburger Kolonialinstitut, 1923-1931 Professor für Sinologie an der Berliner Universität. 147, 435, 439, 455-458,462, 486, 488 Franzius, Ludwig (1832-1903), deutscher Wasserbauingenieur; 1897 Reise nach China zur Erkundung der Wasser- und Schiffahrtverhältnisse verschiedener Häfen. 66, 73, 177

558 Freinademetz, Joseph (1852-1908), deutscher katholischer Missionar des SVD, 1879 -1908 in SüdShandong tätig. 58, 106, 146, 243, 255-257, 264, 271-273 Freemantie, englischer Admiral. 80 Fröwis, Georg (1865-1934), deutscher katholischer Missionar des SVD, 1894-1923 in SüdShandong. 258 Funke, deutscher Kapitän zur See, Chef des Stabes beim Gouvernement Kiautschou. 311, 336, 386

Grünau, Kurt Freiherr von (1871-?), deutscher Diplomat, 1900-1902 Gesandschaftsattache in Peking, Kairo und St. Petersburg. 147 Grube, Friedrich Wilhelm (1855-1908), deutscher Sinologe, seit 1892 Professor fur Chinesisch und Mandschurisch an der Berliner Universität, Veröffentlichungen zur chinesischer Literatur, Religion und Volkskunde. 58 Grumbkow, von, deutscher Oberleutnant in der Matrosen-Artillerie-Abteilung in Kiautschou. 296f Gu Zuyu, chinesischer Gelehrter. 70

Gao Daqing, chinesischer Angeklagter im JuyeMissionszwischenfall. 130, 138f Gaselee, englischer General. 502 Ge Zhitan, chinesischer Beamter, 1898-1899 Magistrat des Kreises Gaomi. 267, 274-276 Gebhardt, Georg (1866-1920), deutscher katholischer Missionar des SVD, seit 1892 in Süd-Shandong tätig. 253 George, Henry (1839-1897), amerikanischer Journalist und Sozialreformer, Veröffentlichungen zur Bodenreform und zur Sozialpolitik. 175f Goltz, Konrad Freiherr von der (1857-1917), deutscher Militär und Diplomat, 1883-1887 Instrukteur bei der chinesischen Armee, 1890-1900 Dolmetscher im diplomatischen Dienst, seit 1900 Erster Legationssekretär an der deutschen Gesandtschaft in Peking, 1903 zeitweilig Geschäftsführer der deutschen Gesandtschaft, 1906 Gesandter in Kolumbien. 362 Gong Yixin (1833-1898), chinesischer Prinz, 1861-1884 leitender Minister des Zongli Yamen, 1884 Entlassung wegen Vorwürfen der falschen Behandlung des französischen Vordringens in Vietnam, 1894-1898 abermalige Ernennung zum Minister des Zongli Yamen und leitenden Ministers des Großen Staatsrats. 40, 71f, 100, 110, 136, 138, 147

Guangxu (1871-1908), chinesischer Kaiser, Regierungsname von Caitian, Neffen des Kaisers Xianfeng, 1875 Ernennung zum neunten Kaiser der Qing-Dynastie im Alter von vier Jahren, 1898 Befürwortung und Unterstützung der Reformen von Kang Youwei während der Hundert-Tage-Reform, Staatsstreich von Ci Xi im September beendet die Reformen von Guangxu gewaltsam, 1898-1908 unter Hausarrest. 111, 337, 493 Gülich, Kapitän zur See, Kommandant der SMS Kaiserin Augusta. 256 Gützlaff, Karl Friedrich August (1803-1851), deutscher protestantischer Missionar, seit 1826 in SüdChina, insbesondere Kanton tätig, 1844 Gründung der Chinesischen Union zur Ausbildung chinesischer Priester. 58 Guo Songtao (1818-1891), chinesischer Beamter und Diplomat, 1876-1879 chinesischer Gesandter in London. 40 Gutschmid, Felix, Freiherr von, 1891-1897 deutscher Gesandter in Tokyo. 62

Halske, deutsche Firma, siehe Siemens und Halske AG. Hanneken, Constatin von (7-1925), deutscher Leutnant, seit 1879 Militärberater bei Li Hongzhang und Generalinstrukteur der chinesischen Marine. 60

Greene, britischer Botschafter in Japan. 486 Gregor XIV. (1535-1591), römischer Papst. 58 Gregor XV. (1534-1623), römischer Papst. 59 Groß von SchwarzhofF, Julius, deutscher Generalmajor, 1900-1901 Chef des Generalstabs beim Armee-Oberkommando für Ostasien. 505

Hanneman, deutscher Leutnant in der 1. Kompanie des III. Seebataillons. 245, 258f Hart, Sir Robert (1835-1911), englischer Beamter, 1863-1907 Generalinspektor der chinesischen Seezollverwaltung. 332, 347, 357f, 361f, 371, 448 Hasenclever, deutscher Kapitänleutnant, seit 1879 Militärberater in China. 60

559 Hatzfeldt, Paul Graf von (1831-1901), 1881-1885 Staatssekretär im AA, 1885-1901 Botschafter in London. 83 Haxthausen, Eimershaus von (1858-1914), deutscher Diplomat, 1911-1914 Gesandter in Peking. 428, 512 He Zhaoxiong, chinesischer General. 147 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1770-1831), bedeutender deutscher Philosoph. 458 Heinrich, Prinz von Preußen (1862-1929), 18981900 Chef des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders. 114, 143, 162f, 244,261, 271, 273, 358, 441, 513, 515 Henle, Richard (1865-1897), deutscher katholischer Missionar des SVD, 1889-1897 in SüdShandong tätig, am 1.11.1897 in Juye ermordet. 107, 115-118, 132, 139,257 Henninghaus, Augustin (1862-1939), deutscher katholischer Missionsbischof des SVD, 1886 bis 1903 als Missionar in Süd-Shandong tätig, 19041935 Bischof und Vikar von Süd-Shandong (nach 1924 Yanzhoufu). 431 Hesse-Wartegg, Ernst von (1851-1918), deutscher Schriftsteller, Verfasser zahlreicher Reiseberichte u.a. auch zu China und Japan, 1894 und 1898 Reisen in China. 58 Heyking, Edmund, Freiherr von (1850-1915), deutscher Diplomat, 1896-1899 Gesandter in Peking. 64-66, 93, 101, 106-109, 111-113, 118f, 131, 133, 136, 140, 142-149, 168, 241, 243-245, 254, 261, 315f, 346f, 354, 361, 365, 393 Heyking, Elisabeth von (1861-1925), deutsche Schriftstellerin, 1896-1899 Aufenthalt in Peking als Gattin des Gesandten Edmund von Heyking, beschreibt China in einigen ihrer Werke. 142, 147 Hildebrand, Heinrich (1855-1925), deutscher Bauinspektor, seit 1886 Dolmetschereleve an der deutschen Gesandtschaft in Peking, 1892-1898 Berater für Eisenbahnangelegenheiten bei Zhang Zhidong, 1899-1907 Betriebsdirektor der Shandong-Eisenbahngesellschaft. 60, 281, 286, 340f, 384f, 386, 405-407 Hildebrand, Peter, deutscher Bauingenieur, 19071914 Betriebsdirektor der Shandong-Eisenbahngesellschaft. 406 Höpfher, Paul, (1849-?) deutscher Generalmajor der Marineinfanterie, 1900-1901 Kommandant der

3. Infanterie-Brigade im Ostasiatischen Expeditionscorps. 503f Hoffmann, Paul (1846-1917), deutscher Admiral, 1894-1896 Chef des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders. 88 Hohenlohe-Schillingsfurst, Fürst Chlodwig zu (1819-1901), deutscher Politiker, 1894 bis 1900 deutscher Reichskanzler. 42, 62, 65, 67, 80, 90, 93, 99, 102f, 108, 119, 174, 181f, 191, 205, 399 Hollman, Friedrich von (1842-1913), deutscher Admiral, 1890-1897 Staatssekretär des RMA. 43, 64, 81, 84f, 88 Holstein, Friedrich von (1837-1909), deutscher Diplomat, 1876-1906 Vortragender Rat im AA. 108 Holzhauer, Friedrich (1877-1918), deutscher Dolmetscher am Konsulat in Jinan. 419, 421 Horsthemke, Rudolf (1877-1914), deutscher katholischer Missionar des SVD. 479 Huang Guoxian, Sekretär von Herrn Schmidt der Firma Carlowitz & Co. 393 Hui Chaoxian, chinesischer Angeklagter im JuyeMissionszwischenfall. 138f Hui'eryaba, siehe Hui Chaoxian. Huss, deutscher Kapitänleutnant, Kommandeur der Matrosen-Artillerie-Abteilung in Kiautschou und Vorstand der Artillerieverwaltung. 280

Jaeschke, Paul (1851-1901), deutscher Kapitän zur See, 1899-1901 Gouverneur von Kiautschou. 172, 208, 213, 218, 241, 244-250, 255, 257-259, 261, 265-267, 269, 272, 278, 280f, 290f, 293f, 310, 322, 327, 33Of, 333, 347, 353, 384, 499 Jacobson, Leo (1862-1954), deutscher Korvettenkapitän, 1902-1905 Kommandeur der MatrosenArtillerie-Abteilung in Kiautschou, Artillerieoffizier vom Platz und Vorstand der Artillerieverwaltung. 444, 453 Janssen, Arnold (1837-1909), deutscher Bischof, 1975 Gründer der Steyler Missionsgesellschaft SVD, 1875-1909 Generalsuperior des SVD. 59 Ji Guifen, chinesischer Beamter, 1899 Magistrat von Gaomi. 279 Jia Dongyang, chinesischer Angeklagter im JuyeMissionszwischenfall. 138f

560 Jiang Jieshi (Chiang Kaishek) (1887-1975), chinesischer Offizier und Politiker, 1926-1975 Führer der Guomindang, 1950-1975 Präsident der Republik China auf Taiwan. 496, 513 Jiang Sanlü, chinesischer Angeklagter im JuyeMissionszwischenfall. 138f Jing Qing, mandschurischer General. 147

Kamio, Mitsuomi (1855-1927), japanischer General, 1894/1895 Divisionskommandeur im chinesisch-japanischen Krieg, 1914 Kommandeur der 18. Division bei der Belagerung und Einnahme von Qingdao, danach Chef der japanischen Garnisonstruppen in Qingdao. 517 Kang Youwei (1858-1927), konfuzianischer Gelehrter und Beamter, forderte seit 1895 tiefgreifende Reformen in Staat und Verwaltung, 1898 Eingaben an den Guangxu-Kaiser als Reaktion auf die Besetzung Jiaozhous durch Deutschland, die 1898 zur Hundert-Tage-Reform fuhren, 1898 nach dem Staatsstreich der Kaiserinwitwe Ci Xi Flucht aus China, 1904, 1907 und 1908 kurze Aufenthalte in Deutschland. 11 Of, 151, 439 Kangxi (1654-1722), 1661-1722 chinesischer Kaiser. 77 Kant, Immanuel (1724-1804), deutscher Philosoph der Aufklärung. 485 Karberg, Arnold. Arnold Karberg & Co, deutsche Handelsfirma, tätig in Reederei und Speditionsschiffahrt. 383 Kastner, deutscher Feldwebel beim III. Seebataillon. 298 Kato, Takaati (1860-1926), japanischer Diplomat und Außenpolitiker, 1900-1908 Außenminister, 1908-1912 Botschafter in London, 1914-1916 Außenminister. 486

Kiderlen-Wächter, Alfred von (1852-1912), deutscher Diplomat und Außenpolitiker, 1910-1912 Staatssekretär des Auswärtigen Amtes. 512f Kind, August, deutscher protestantischer Missionar. 480, 486 Klehmet, Reinhold (1859-?), deutscher Beamter, seit 1893 Legationsrat im AA. 63, 84f, 113, 123 Knorr, Eduard von (1840-1920), deutscher Admiral 1895-1899 Chef des Oberkommandos der Marine. 63-66, 94, 100, 105, 123f, 173, 181, 189, 194, 307, 346 Koester, Hans v. (1844-1928), deutscher Großadmiral, 1896-1899 Chef der Marinestation der Ostsee. 115 Konfuzius, siehe Kongzi. Kongfuzi, siehe Kongzi. Kongzi (Konfuzius, 551 v. Chr.-479 v.Chr.), bedeutender chinesischer Philosoph und Staatstheoretiker. 472, 475, 482 Kopka von Lossow, Oskar (1849-?), deutscher Generalmajor, 1896-1900 Kommandeur des II. Seebataillons. 307, 315 Kranz, deutscher protestantischer Missionar. 446, 481, 485 Krause, deutscher Direktor der Shandong-Bergbaugesellschaft in Berlin. 98, 408 Krebs, Emil, deutscher Dolmetscher und Kolonialbeamter, bis 1897 Dolmetscher an der deutschen Gesandtschaft in Peking, 1899-1900 Bezirksamtmann des Bezirksamtes Qingdao im Gouvernement Kiautschou, ab 1900 Dolmetscher an der Gesandtschaft in Peking, 1914 Legationsrat. 108, 439 Kretschmer, Ernst, deutscher Militärinstrukteur in China. 60

Keiper, Georg, deutscher Professor, 1909-1914 Direktor der Deutsch-chinesischen Hochschule in Qingdao. 436, 473

Kreyer, Dr. Karl Traugott, deutscher Beamter, 1896 Legationssekretär bei der chinesischen Gesandtschaft in Berlin und Petersburg. 84

Ketteier, Clemens von (1854-1900), 1880-1890 Dolmetscher und Legationssekretär an der deutschen Gesandtschaft in Peking sowie an mehreren Konsulaten in China, 1890-1899 Tätigkeit im diplomatischen Dienst in Deutschland, Marokko, Amerika, Mexiko, 1899-1900 deutscher Gesandter in Peking; am 20. Juni 1900 von Boxern in Peking ermordet. 241, 247, 249f, 310, 327, 332, 384, 491, 499f, 504

Krüger, Paul (gen. Oom, 1825-1904), Präsident von Transvaal. 161 Krupp, Firma Friedhelm Krupp, deutsches Unternehmen der Stahlindustrie, das seit 1869 mit Repräsentanten in China vertreten ist. 57, 145 Kuang, chinesischer Häftling. 227 Kublai-Kahn (1215-1294) ,1260-1294 Kaiser der Mongolischen Yuan-Dynastie (1280-1367). 77

561 Kusserow, von, deutscher Oberleutnant beim III. Seebataillon. 297f

Li Shi'en (7-1908), chinesischer Unternehmer, früherer Angestellter des Basler Mission in SüdChina, seit 1900 Herausgeber der Jiaozhou-Bao in Qingdao. 233, 342

Lamsdorff, Graf Wladimir Nikolajewitsch, russischer Diplomat und Außenpolitiker, 1897-1900 Adjunkt des russischen Außenministers, 1900 Verweser des Außenministeriums, 1901-1906 Außenminister. 102

Li Xijie, chinesischer Beamter, Daotai für Dengzhoufii, Laizhoufu und Qingzhoufu. 306-308, 315f, 335

Lan Daosheng, chinesischer Kadett der Marineakademie. 315 Lang, William, englischer Marineoffizier, Marineinstrukteur in China. 72, 75f Lange, Georg (1862-1904), deutscher Diplomat, 1901-1904 Konsul in Jinan. 333 Laozi (ca. 3. Jahrhundert v. Chr.), bedeutender chinesischer Philosoph des Daoismus. 482 Lei Jican, siehe Lei Xieshen. Lei Xieshen, chinesischer Angeklagter im JuyeMissionszwischenfall. 130, 138f Lenz, Dr. Philipp (1850-1930), seit 1881 Dolmetschereleve an der deutschen Gesandtschaft in Peking, 1887-1889 Dolmetscher an der deutschen Gesandtschaft, danach Vizekonsul in Shanghai, Amoy, Zhifü, bis 1917 Konsul in Zhifu. 94, 332

Li Xuezhen, chinesischer Fleischer im Dorf Houjietou, Kreis Rizhao. 264 Liebert, Eduard von (1850-1934), preußischer General und Kolonialpolitiker. 99 Liezi (440-360 v.Chr.), chinesischer Philosoph, Anhänger des Daoismus. 482 Little, Mrs. Archibald (7-1914), Führerin der Bewegung gegen das Füßebinden in Shanghai. 468 Lindenberg, Paul (1859-1943), deutscher Schriftsteller, Autor zahlreicher Reiseberichte und Jugendromane. 437, 441 Livonius, deutscher Vizeadmiral. 164 Liu Hanfang, chinesischer Admiral, Chef des Marinearsenals. 72, 74-76 Liu Kunyi (1830-1902), chinesischer Beamter, 1891-1902 Generalgouverneur für die Provinzen am Unteren Yangzi, Handelsminister für die südlichen Häfen. 110, 262

Li, chinesischer Arzt. 481, 484 Li Bingheng (1830-1900), chinesischer Beamter, 1894-1898 Gouverneur von Shandong, 1900 Selbstmord nach Niederlage gegen die alliierten Truppen zur Niederschlagung des Boxeraufstandes. 101, 109-111, 120, 129f, 133-135, 137-140, 142, 149, 152 Li Buqing, chinesischer Lehrer. 472 Li Hongzhang (1823-1901), chinesischer Beamter, 1870-1895 Generalgouverneur von Zhili und Handelsminister für die nördlichen Häfen, 1896-1898 Minister des Zongli Yamen, 1900-1901 Generalgouverneur von Guangdong und Guangxi, wichtiger politischer Führer der Selbststärkungsbewegung. 40, 60, 62, 65, 67f, 71f, 74, 76, 81, 96, 98, 110, 128, 137, 144f, 168, 309, 338, 409, 492

Liu Wenmu, Dorfvorsteher und Anfuhrer einer anti-christlichen Geheimgesellschaft. 264 Liu Yongxi, chinesischer Lehrer. 472 Lockhart, James Haidane Stewart (1858-7), englischer Kolonialbeamter, 1878-1902 Tätigkeit auf verschiedenen Posten in der Kolonialverwaltung von Hongkong, 1902-1921 als „Commissioner" an der Spitze der englischen Verwaltung in Weihaiwei. 336 Lossow, siehe Kopka von Lossow. Luan Baode, chinesischer Lehrer. 470, 474 Luan Peiqing, chinesische Lehrerin, Schwester von Luan Baode. 473

Li Mengsong, chinesischer Kadett der Marineakademie. 315

Ludwig XIV. (1638-1715), französischer König. 502

Li Quan, chinesischer Kaufmann. 70

Lü Haihuan, chinesischer Diplomat, 1897-1901 chinesischer Gesandter in Berlin. 246, 503, 505

562 Lü Bingyuan, chinesischer Beamter, Magistrat von Rizhao. 261, 266 Luo Zhishen, chinesischer Beamter, 1897-1899 Magistrat in Jiaozhou. 196f

Meyer-Waldeck, Alfred, deutscher Kapitän zur See (1864-1928), 1911-1914 Gouverneur von Kiautschou. 172, 222, 236f, 376, 498, 513, 517 Michaelis, Hermann, Betriebsdirektor der Shandong Bergbaugesellschaft. 400

Ma Dongwu, chinesischer Angeklagter im JuyeMissionszwischenfall. 139

Michelsen, Dr. Erich, deutscher Dolmetscher, 1911-1913 Bezirksamtmann des Bezirksamtes Lizun, 1914 Dozent an der Deutsch-chinesischen Fachhochschule. 439

Mao Zedong (1893-1976), chinesischer Revolutionsfuhrer und Politiker, 1943-1976 Vorsitzender der KP Chinas, 1954-1959 Staatspräsident der VR China. 49

Mohr, Friedrich Wilhelm, deutscher Dolmetscher und Geschäftsführer des Ostasiatischen Vereins. 439

Marschall von Bieberstein, Adolf Hermann (18421912), deutscher Diplomat, 1890-1897 Staatssekretär des AA, 1897-1912 Botschafter in Konstantinopel. 43, 61-63, 65, 73, 80-82, 84, 89f, 96, 101, 142 Martin, W.A.P. (1827-1916), amerikanischer protestantischer Missionar, Rektor des Tongwenguan (Institut für Fremdsprachen) in Peking. 447 Mateer, Calvin, amerikanischer protestantischer Missionar, seit 1863 in Dengzhou, Shandong, für die „American Presbyterians" tätig. 447, 473 Mauser, deutsches Unternehmen der Rüstungsindustrie. 57 Mauve, deutscher Hauptmann beim III. Seebataillon, Detachementsfuhrer des Detachements Gaomi. 247f, 274 Mei Dongyi, chinesischer General. 333, 335, 337, 341f Meincke. 483 Meinecke, Friedrich (1862-1954), deutscher Historiker. 497 Meissner, Hans Otto (1909-?), deutscher Diplomat und Schriftsteller, Verfasser von Reise- und Jugendliteratur. 502

Montgelas, Graf, Vortragender Rat beim Auswärtigen Amt. 496 Mootz, Heinrich, deutscher Dolmetscher, 19021914 Bezirksamtmann fur das Bezirksamt Qingdao im Gouvernement Kiautschou. 197, 245, 258f, 307, 340, 439 Mühlberg, Otto von (1847-1934), bis 1908 stellvertretender Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, 1908-1918 preußischer Gesandter beim Vatikan. 492 Müttling, Freiherr von, Kommandant der SMS Cormoran. 66 Mumm von Schwarzenstein, Philipp Alfons Freiherr (1859-1924), deutscher Diplomat, 1900-1906 deutscher Gesandter in Peking. 62, 241, 250f, 290, 302, 331, 371, 388, 405 Murawiew, Graf Michail Nikolajewitsch, russischer Diplomat, 1884-1893 Botschaftsrat in Berlin, 1893-1897 Gesandter in Kopenhagen, 18971900 Außenminister. 102f

Napoleon I., (1769-1821), französischer Kaiser und Militärführer der Französischen Revolution. 235, 503

Menge, August, deutscher Publizist. 494, 507

Nies, Franz Xaver (1859-1897), deutscher katholischer Missionar, 1889-1897 in Süd-Shandong tätig. 107, 115-118, 132, 139,257

Mengzi (372v. Chr. -289 v.Chr.), bedeutender chinesischer Philosoph. 472, 475

Nikolaus I., 1825-1855 russischer Zar. 66, 123

Merklinghaus, Peter (1868-1939), deutscher Dolmetscher und Diplomat, 1906-1909 Verwalter des Konsulats Jinan. 388

Nikolaus II., 1894-1917 russischer Zar. 102 Nottmeyer, Bergwerksdirektor der ShandongBergbaugesellschaft in Qingdao. 244, 256

Metternich, Clemens Graf Fürst von MetternichWinneburg (1773-1859), österreichischer Außenpolitiker und Staatsmann. 56 Oagiri, japanischer Generalkonsul. 448

563

Ohlmer, Erich (1847-1927), deutscher Beamter, 1868-1872 Anstellung in der chinesischen Seezollverwaltung in Shanghai, 1872-1880 Privatsekretär des Generalinspektors der Seezollbehörde, Robert Hart, 1887-1897 Seezollinspektor in Peking, 18981914 Seezollinspektor in der chinesischen Seezollbehörde in Kiautschou, 1914 Rückkehr nach Deutschland. 348f, 357f, 362, 364 Oppert, Ernst, deutscher Kaufmann in Shanghai. 58

Pan Minbiao, chinesischer Beamter, Magistrat von Pingdu. 306, 312

1898-1899

Pu Yi (1905-1967), letzter Kaiser der Qing-Dynastie, 1908 im Alter von drei Jahren zum Kaiser ernannt, 1912 Abdankung, 1932-1945 Präsident des von Japan dominierten Marionettenstaates Manzhuguo. 496

Qin Shihuang (269 v.Chr.-210 v.Chr.), 221 v.Chr 210 v.Chr. erster Kaiser des von ihm mit Waffengewalt geeinten chinesischen Reichs. 475 Qing Yikuang (1836-1918), mandschurischer Prinz, 1884-1911 Mitglied des Zongli Yamen und ab 1901 des Außenministeriums, 1903-1911 Mitglied des Großen Staatsrats, 1901 Unterzeichner des Boxerprotokolls. 147,415,435

Parker, A. P., amerikanischer protestantischer Missionar, 1871 Grunder des Buffington Institutes in Suzhou. 447 Pawlow, Alexander, 1897 Sekretär bei der russischen Gesandtschaft in Peking. 144

Radolin, Hugo Fürst von (1841-?), deutscher Diplomat, 1892-1895 Gesandter in St. Petersburg, 1895-1901 Gesandter in Paris. 62, 65, 99

Peng Jinshan, 1898 Garnisonskommandant Präfektur Laizhou. 274, 277, 279

Ranke, Leopold Historiker. 458

der

Peng Nianchen, chinesischer Beamter, Magistrat von Laizhou. 306 Peng Yusun, 1898 Daotai fur Süd-Shandong. 243, 258, 306-308, 315f

von

(1795-1886),

deutscher

Rehfües, Guido von, preußischer Diplomat, seit 1865 Gesandter in Peking, seit 1868 Gesandter des Norddeutschen Bundes in Peking, 1871-1873 Gesandter des Deutschen Reiches in Peking. 56 Rendenbach, deutscher Ingenieur. 282

Peulen, Hubert (1864-1928), deutscher katholischer Missionar des SVD. 116 Plessen, Hans G H. von (1841-?), deutscher General, 1892-1903 Generaladjutant von Wilhelm II., 1909-1913 Kommandant des Hauptquartiers. 123 Plüschow, Günther (1886-1931), deutscher Marineflieger, Verfasser zahlreicher Erlebnis- und Reiseberichte, darunter auch zu seinem Flug aus Kiautschou am 6.11.1914 auf Befehl des Gouverneurs, um Akten, Briefe und die Fahnenspitze des III. Seebataillons in das neutrale Ausland zu bringen. 437 Prinz Chun, siehe Chun Zaifeng, Prinz. Prinz Gong, siehe Gong Yixin. Prinz Heinrich von Preußen, siehe Heinrich, Prinz von Preußen. Prinz Qing, siehe Qing Yikuang. Prittwitz und GafFron von, deutscher Diplomat, 1896-1899 Erster Legationssekretär an der deutschen Gesandtschaft Peking. 111, 145

Rex, Arthur Graf von (1856-1926), deutscher Diplomat, 1906-1911 Gesandter in Peking. 410, 414f, 417f, 434f Rheinmetall-Borsig, deutsches Unternehmen im Maschinen - und Anlagenbau, gegründet 1837, seit Mitte der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts in China durch einen Handelsvertreter präsent, verkaufte Lokomotiven, Dampfmaschinen, Kesselanlagen und Kanonen nach China. 506 Richard, Timothy (1845-1919), englischer protestantischer Missionar, seit 1870 für die „Baptist Missionary Society" in China tätig, 1875 Gründung einer Missionsstation in Qingzhou, Shandong, gründete zahlreiche christliche Schulen und Universitäten in China. 447f Richter, Paul. 83 Richter, Eugen (1838-?), deutscher Schriftsteller und Parlamentarier, Mitglied der Fraktion der deutschen freisinnigen Volkspartei. 154, 163 Richthofen, Ferdinand Freiherr von (1833-1905), deutscher Geologe und Geograph, 1860-1862 geo-

564 logischer Begleiter der Preußischen Ostasienexpedition unter Graf Eulenburg, 1868-1872 geologische Forschungsreisen nach China, 1877-1912 Publikation der geophysikalischen Ergebnisse seiner Chinareisen, 1886-1905 Professor für Geographie an der Berliner Universität. 57f, 63-66, 73, 76, 80, 82f, 93 Richthofen, Oswald Freiherr von (1847-1906), deutscher Politiker, 1900-1906 Staatssekretär des Auswärtigen Amtes. 245, 504-506 Rohrbach, Paul (1869-?), deutscher Theologe und Publizist. 437f, 458-461, 483 Rong Lu (1836-1903), mandschurischer General und enger Vertrauter der Kaiserinwitwe Ci Xi, seit 1895 Leitung des Kriegsministeriums und Mitglied des Zongli Yamen, 1898 maßgeblich an dem Staatsstreich gegen die 100-Tage Reformen des Guangxu-Kaisers beteiligt, 1900 Eintreten für die Unterdrückung der Boxer und den Schutz der Gesandtschaften. 147,315 Rosenberger, deutscher Lehrer, in Qingdao tätig. 473

Schmidt, Wilhelm (1878-?),1913-1917 Schulbeirat der deutschen Gesandtschaft in Peking. 477, 480 Schüler, Wilhelm (1869-1935), deutscher protestantischer Missionar, seit 1900 in China tätig, 1902-1905 Gouvernementspfarrer in Qingdao, 1911-1913 Pfarrer in Shanghai, seit 1914 Dozent am Seminar für Orientalische Sprachen. 472, 482 Schöler, von, deutscher Oberleutnant beim III. Seebataillon, Kommandeur der Chinesen-Kompanie. 280, 294 Schrameier, Wilhelm (1859-1926), deutscher Dolmetscher und Kolonialbeamter, 1885-1890 Dolmetscheraspirant in Peking, 1890-1895 Dolmetscher im deutschen Konsulat Kanton, 1895-1897 Dolmetscher im deutschen Konsulat Shanghai, 1897-1900 Dolmetschertätigkeiten beim Gouvernement Kiautschou, 1900-1909 Kommissar fur chinesische Angelegenheiten beim Gouvernement Kiautschou, 1900-1915 zahlreiche Publikationen zu Kiautschou, 1924-1926 auf Einladung Sun Yatsens Berater für die Guomindang in Kanton. 174176, 222, 244, 254, 284, 307, 310, 327, 439, 497f Schulz, deutscher Matrose. 196

Rosendahl, Carl (1852-1917), deutscher Kapitän zur See, 1898 Gouverneur von Kiautschou. 172, 197, 206, 208, 308, 312-316, 346f, 352-354, 365 Rotenhan, Wolfram Freiherr von (1845-1912), deutscher Diplomat, 1890-1898 Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt, 1898-1908 Gesandter beim Heiligen Stuhl. 88f, 123 Rumberry, Professor. 470

Salzmann, Erich von, deutscher Journalist, Teilnehmer des Ostasiatischen Expeditionscorps, Verfasser von Reiseliteratur über China. 516 Schenck zu Schweinsberg, Gustolf Freiherr von (1843-?), deutscher Diplomat, 1893-1896 Gesandter in Peking. 61f, 82, 89, 101 Scheidtweiler, Peter, deutscher Ingenieur und Regierungsbaumeister, seit 1886 Dolmetschereleve an der deutschen Gesandtschaft in Peking, seit 1890 Berater von Zhang Zhidong in Hankou. 60 Schichau, deutsche Werft fur Torpedoboote. 144 Schmidt & Co., deutsche Handelsfirma. 57 Schmidt, Carl, deutscher Kaufmann, Vertreter von Carlowitz & Co in China, 1899-1914 kaufmännischer Direktor der Betriebsdirektion der Shandong-Eisenbahngesellschaft. 281, 393, 400

Schwarzenstein, siehe Mumm von Schwarzenstein. Seitz, deutscher Vize-Feldwebel beim III. Seebataillon. 298 Semmern, Ernst van (1858-?), 1899-1901 Dezernent für die Angelegenheiten des Gouvernement Kiautschou beim Allgemeinen Marinedepartement im RMA, 1903 beauftragt mit der Vertretung des Gouverneurs von Kiautschou, 1904-1905 Dezernent für die Angelegenheiten des Gouvernement Kiautschou beim Allgemeinen Marinedepartement im RMA, 1905-1906 beauftragt mit der Vertretung des Gouverneurs von Kiautschou. 251, 302 Senden-Bibran, Gustav Freiherr von (1847-1909), deutscher Admiral und Generaladjutant Wilhelms II., 1889-1906 Chef des Marinekabinetts. 63, 65, 100, 123 Seuffert, Wilhelm, deutscher protestantischer Missionar, seit 1912 in Qingdao. 482, 485 Seymour, Edward, englischer Admiral, 1900 Befehlshaber der alliierten Truppen zur Niederschlagung des Boxeraufstandes. 49 lf Shandong-Bergbaugesellschaft, deutsches Unternehmen, 1899 von einem Konsortium deutscher Firmen gegründet zur Nutzung der im deutsch-chinesischen Vertrag vom 6.3.1898 eingeräumten Sonderrechte zum Abbau von Bodenschätzen in der Provinz Shandong, 1913 nach ausbleibendem wirtschaftlichem Erfolg Übernahme durch die

565 Shandong-Eisenbahngesellschaft. 381-383, 387389, 400, 405, 407f, 416f, 419-421, 423-425, 427 Shandong-Eisenbahngesellschaft, 1899 von einem Konsortium deutscher Firmen gegründet zum Bau und Betrieb von Eisenbahnlinien in der Provinz Shandong, wie sie im deutsch-chinesischen Vertrag vom 6.3.1898 Deutschland zugesichert wurden, 1900-1904 Bau der Eisenbahnlinie QingdaoJinan, 1914 Beschlagnahme der Bahn durch japanische Truppen. 381-384, 386f, 389-391, 395, 415417, 428 Sheffield, D.Z., amerikanischer protestantischer Missionar, 1889-1900 Präsident des North China College in Peking. 447 Shen, chinesischer Minister. 132 Shen Qi, chinesischer Garnisonskommandant. 315 Sheng Xuanhuai (1844-1916), chinesischer Beamter, Unterstützer der Stelbststärkungsbewegung, 1898-1906 Generalbevollmächtigter fur den chinesischen Eisenbahnbau, 1907 -1911 Postminister. 447f Shenzong, chinesischer Kaiser der Song-Dynastie. 69 Shu Xian, chinesischer Kreisbeamter. 130, 138 Si Lianfen, chinesischer Unternehmer, Direktor der Zhongxin-Kohleminen. 409 Sima Qian (145-90 v.Chr.), chinesischer Historiker. 69 Siemens, Georg von (1839-1901), deutscher Ingenieur und Unternehmer. 506

Standard Oil Company, amerikanisches Unternehmen der petrochemischen Industrie, 1870 gegründet von John D. Rockefeiler. 230 Stegemann, Jutta, deutsche Missionsschwester, 1904-1906 am Faber-Hospital tätig. 484 Stenz, Georg Maria (1869-1928), deutscher katholischer Missionar des SVD, Verfasser ethnologischer Chinabücher. 115, 118, 132, 139, 243, 252, 254-258, 264-266, 271f, 478f Sterz, Richard, deutscher Polizeiinspektor im Kiautschou-Gebiet, in den 20er und 30er Jahren Vertreter der Junkerswerke in China. 406 Stubenrauch, Felix (1850-1931), deutscher Kapitän zur See, 1898-1899 Kommandant der SMS Kaiser, im Januar 1898 Oberbefehlshaber der Landungsstreitkräfte in Kiautschou. 190, 197 Stübel, Oskar von (1846-1921), deutscher Diplomat, 1891-1899 Generalkonsul in Shanghai, 19001905 Direktor der Kolonialabteilung im AA. 106, 174,191, 194, 354 Sun Baoqi (1867-1931), chinesischer Diplomat und Außenpolitiker, 1905-1908 chinesischer Gesandter in Deutschland, 1909-1912 Gouverneur von Shandong, 1913-1914 und 1924-26 Staatssekretär des Äußeren. 419-422, 428, 435, 461, 494, 510 Sun Jinbiao, chinesischer Garnisonskommandant von Zhifü. 131 Sun Yatsen (1866-1925), chinesischer Politiker, 1905 kurzer Aufenthalt in Berlin, 1912 erster Präsident der Republik China. 176, 487, 490, 495498, 513-517

Siemens, deutsche Firma, siehe Siemens und Halske AG. Teichmann, von, deutscher Leutnant. 270 Siemens und Halske AG, deutsches Unternehmen der Elektroindustrie, gegründet 1847, 1872 wurde mit Zeigertelegraphen erstmals der chinesische Markt beliefert, 1899 wurde von Siemens die erste elektrische Straßenbahn nach China ausgeliefert, im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhundert kam es zu umfangreichen Lieferungen von schwach- und starkstromtechnischen Allagen und Kraftwerken, 1910 wurde mit der „Siemens China Electrical Engineering Co." eine eigene Niederlassung in Shanghai gegründet. 144, 506 Sommer, deutscher Firmenrepräsentant in China. 144

Tenney, C.D., Missionar. 447

amerikanischer

protestantischer

Tirpitz, Alfred von (1849-1930), deutscher Konteradmiral, 1903 Admiral, 1911 Großadmiral; 1896-1897 Chef des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders, 1897-1916 Staatssekretär des RMA. 44, 64-66, 93f, 108, 113, 115, 123, 164, 170f, 174f, 182, 218, 220, 241, 244-246, 248f, 255, 269f, 273, 31 Of, 313, 322, 343, 345-347, 349, 351, 352f, 434-436, 453, 455, 457, 500, 513 Treusch von Buttlar-Brandenfels, Freiherr, deutscher Hauptmann , 1900-1901 Adjutant des Gene-

566 ralstabs des Ostasiatischen Expeditionscorps. 309f, 322, 384 Truppel, Oskar von (1854-1931), deutscher Kapitän zur See, 1898 Oberbefehlshaber von Kiautschou, 1901-1911 Gouverneur von Kiautschou. 172, 179f, 190, 197, 218-222, 225, 236, 238, 251, 300, 311, 331, 333-335, 337, 343f, 349, 375f, 387,410, 436, 453 Tschirschky und Bögendorf, Heinrich von (18581916), deutscher Diplomat, 1895-1899 Legationssekretär in Petersburg, 1900 Geschäftsträger der deutschen Gesandtschaft in Petersburg, 1906-1907 Staatssekretär des Auswärtigen Amts. 102

Usedom, Guido von (1854-1925), deutscher VizeAdmiral, 1898-1900 Kommandant der SMS Hertha, 1900 Kommandant des deutschen Landungscorps bei Tianjin. 502

Verein fur Handelsgeographie und Kolonialpolitik Deutschland. 83 Volpert, Anton (1863-1949), deutscher katholischer Missionar des SVD, seit 1889 in Süd-Shandong tätig. 254 Vorschulte, deutscher Bergwerksingenieur. 258f, 265, 274

Wahl, Rudolf, deutscher Industrieller und Reeder in Chinahandel. 90, 93 Waldersee, Alfred Graf von (1832-1904), deutscher General-Feldmarschall, 1900-1901 Oberbefehlshaber des Ostasiatischen Expeditionscorps. 48, 250, 290, 49 lf, 50 lf Wan Benhua, Garnisonskommandant von Caozhou. 13 Of, 146 Wang, chinesischer Christ, Verfasser von Lehrbüchern. 445 Wang Cengjun, chinesischer Beamter, Magistrat von Zhucheng. 315 Wang Chonghui, chinesischer Diplomat, Staatssekretär des Waiwubu. 496

1912

Wang Dajiao, chinesischer Angeklagter im JuyeMissionszwischenfall. 138f Wang Mang, siehe Wang Dajiao.

Wang Wenshao (1830-1908), 1895-1898 Generalgouverneur von Zhili und Handelsminister für die nördlichen Häfen, 1898-1900 Minister des Großen Staatsrats. 101, 109f, 122, 129 Wang Xiankui, chinesischer Angeklagter im JuyeMissionszwischenfall. 138 Wang Yichun, Anfuhrer einer Boxergruppe. 294 Wang Yingfii, chinesischer Christ. 264 Wang Yinghuan, chinesischer Christ. 264 Weber, Max (1864-1920), deutscher Professor und einflußreicher Sozialwissenschaftler, geht in seiner Arbeit zur Wirtschaftsethik auf China und den Konfuzianismus ein. 497 Wedel, Georg Graf von (1868-?), deutscher Militär und Diplomat, 1893-1895 Erster Militärattache an der deutschen Gesandtschaft in Tokyo, 19021903 an der Gesandtschaft Peking, 1904 stellvertretender Konsul in Jinan. 405, 407 Wen Dengxia, chinesischer General. 131 Weng Tonghe (1830-1904), chinesischer Beamter, 1882-1884 u. 1894-1898 Minister des Staatsrats und seit 1895 auch des Zongli Yamen, 1898 aus allen Ämtern entfernt wegen seiner Unterstützung für die 100-Tage Reform des Guangxu-Kaisers 1898. 110, 112, 140, 142-145, 147, 168 Wiek, Dr. Willy, deutscher Missionsarzt, 19031908 für den Allgemeinen Evangelisch-Protestantischen Missionsverein in Qingdao tätig. 484 Wilhelm I. (1797-1888), seit 1861 König von Preußen, 1871-1888 deutscher Kaiser. 235, 504f Wilhelm II. (1859-1941), 1888-1918 deutscher Kaiser, floh im November 1918 nach der sog. Novemberrevolution in Deutschland in das holländische Exil und verzichtete am 28.11.1918 auf den Thron. 42f, 53, 59, 61f, 64-67, 80, 99, 100, 102f, 105, 108, 112, 114, 119, 158, 161f, 171, 173, 189, 194, 203, 205, 244-246, 271, 347, 352, 392, 491, 498-500, 503 Wilhelm, Richard (1873-1930), deutscher protestantischer Missionar und Sinologe, 1899-1920 Missionar des Allgemeinen Evangelisch-Protestantischen Missionsvereins in Shandong, zahlreiche Übersetzungen klassischer chinesischer Werke ins Deutsche. 287f, 290, 307, 438, 445, 471f, 474, 477, 481-483, 485 Wilhelm, Salome, chin. Name Meiyi, Ehefrau Richard Wilhelms. 472, 485 Wilke, deutscher Ingenieur. 426f

567 Williamson, Alexander (7-1890), englischer protestantischer Missionar, Publikationen von Reiseerlebnissen und Beobachtungen über China. 76, 448 Wirtz, Dr., deutscher Dolmetscher und Kolonialbeamter, 1904-1911 Bezirksamtmann des Bezirksamtes Licun im Gouvernement Kiautschou, 19111914 Dozent an der Deutsch-Chinesischen Fachhochschule. 445 Wißmann, Hermann von (1853-1905), deutscher Kolonialbeamter und Schriftsteller, Verfasser von Reiseberichten zu Asien und Afrika. 155 Wittwer, Margith, deutsche protestantische Missionsschwester, 1911-1914 am Faber-Hospital tätig. 484 Wouters. 146 Wu Jingqi, mandschurischer General. 147 Wu Junhou, kaiserlicher Beauftragter. 69 Wunsch, Dr. Richard, deutscher Missionsarzt, 1909-1911 für den Allgemeinen Evangelisch-Protestantischen Missionsverein in Qingdao tätig. 484

Xu Wensu, chinesischer Beamter. 73 Xu Yanzhong, chinesischer Angeklagter im JuyeMissionszwischenfall. 264

Yang Shixiang (1860-1909), chinesischer Beamter, 1905-1907 chinesischer Gouverneur von Shandong, 1907-1909 Generalgouverneur von Zhili. 227, 302, 388 Yang Xingxian, chinesischer Sekretär des Erziehungsministeriums. 456 Yang Yaolin, chinesischer Beamter, 1899 Magistrat von Rizhao. 266 Yang Yujie, eine der ersten Schülerinnen des Lyzeums in Qingdao und spätere Ehefrau von Chen Duxiu. 473 Yang Zheng, Direktor des Jiaosheju in Jinan, 1912 Polizeidirektor für Shandong, nach 1913 Sekretär an der chinesichen Botschaft in Deutschland. 513 Yin Chang, mandschurischer Generalleutnant, Studium der Militärwissenschaft in Deutschland, 1901-1905 chinesischer Gesandter in Berlin. 149, 281, 322f, 384, 400, 405, 503-506

Xi Liang (1853-1917), chinesischer Beamter, 1897 Magistrat von Yizhou, 1898 Daotai fur WestShandong. 130, 138

Yong Yidao, chinesischer Beamter. 141

Xia Wenlin, chinesischer Priester. 264

Yu, chinesischer Beamter, Gewerbe-Daotai für Shandong. 425

Xia Xinyou (7-1908), chinesischer General, 18981900 Garnisonskommandant von Dengzhou. 129, 131,260-262 Xiao, chinesischer Beamter, Gewerbedaotai fur Jinan. 425 Xiao Shengye, chinesischer Angeklagter im JuyeMissionszwischenfall. 138f Xu, chinesischer Großwürdenträger. 147 Xu, chinesischer Beamter, Magistrat von Jimo. 294 Xu Jingcheng (1845-1900), 1884-1887 Chinesischer Gesandter für Frankreich, Holland, Deutschland, Italien und Österreich, 1891-1898 chinesischer Gesandter in Rußland, zugleich akkreditiert fur Berlin, 1900 während des Boxeraufstandes hingerichtet, weil er öffentlich für den Schutz der ausländischen Gesandtschaften eintrat. 62, 67, 71, 7375, 89, 101, 120, 142

Yu Lu (1844-1900), mandschurischer General, seit 1898 in Personalunion Minister des Staatsrats und des Zongli Yyamen, Generalgouverneur von Zhili und Minister für die nördlichen Handelshäfen, 1900 Befehlshaber der chinesischen Truppen, die gegen die Landung der alliierten Armee in Tianjin kämpften, nach seiner Niederlage gegen die alliierte Armee Selbstmord. 261 Yu Shimei, mandschurischer Beamter, Sonderbeauftragter zum Studium ausländischer Verfassungen. 494f, 510 Yu Xian (7-1901), chinesischer Bannerführer, 1895 Daotai für Süd-Shandong, 1896-1898 Provinzialrichter fur Shandong, 1899 Gouverneur von Shandong, 1901 auf Forderung der alliierten Truppen zur Niederschalgung der Boxerbewegung hingerichtet. 242, 245, 247, 249, 262f, 267, 274, 276, 279, 308f, 319 Yuan Shikai (1859-1916), 1900-1901 Gouverneur von Shandong, 1901 Generalgouverneur von Zhili und Minister der Nördlichen Handelshäfen; Be-

568 fehlshaber der Beiyang-Armee. 242, 249f, 279283, 290f, 293f, 296f, 299, 305, 309-311, 317, 321f, 327, 330, 332f, 339, 384f, 400, 405, 430f, 476, 492, 495f, 512

Generalgouverneur von Hubei und Hunan, 19071909 Erziehungsminister. 60, 106, 110, 339, 434f, 440, 456-458, 461 Zhang Ziqing, chinesischer Lehrer. 472

Yuan Shuxun (1847-1915), chinesischer Beamter, 1908-1909 Gouverneur von Shandong. 180, 376

Zhang Zuyou, chinesischer Beamter. 315

Yuan Ye, siehe Kangxi.

Zhao Tianji, Gründer der Dadaohui in Shandong. 117 Zhi Ge, chinesischer Dolmetscher. 315

Zeye, Hugo (1852-1909), deutscher Kapitän zur See, 1896-1898 Kommandant der SMS Kaiser, 1897-1898 Kommandeur des Landungscorps des Kreuzergeschwaders während und nach der Besetzung der Jiaozhou-Bucht. 127, 197, Zhang, Sekretär in der chinesischen Botschaft in Berlin. 504-506

Zhong Qi, Aktionär der Zhongxing-Kohleminen. 409 Zhou Fu (1837-1921), chinesischer Beamter, 1902-1905 Gouverneur von Shandong. 311, 333335, 337-343, 386f, 405-407, 431 Zhou Shuxun, chinesischer Lehrer. 472

Zhang, chinesischer Offizier. 282 Zhang Gaoni, chinesischer Angeklagter im JuyeMissionszwischenfall. 138f Zhang Gaoyuan, chinesischer General, Kommandeur des chinesischen Bataillons in Qingdao bis 1897. 72, 109, 122, 125f, 129, 135, 137, 152 Zhang Kai, chinesischer Schulinspektor an der Deutsch-chinesischen Hochschule. 473

Zhu, hingerichteter Anhänger der Boxerbewegung. 295 Zhu Dao, Aktionär der Zhongxing-Kohleminen. 409 Zhu Defa, chinesischer Angeklagter im Juye-Missionszwischenfall. 139 Zhu Hezhong, chinesischer Politiker, seit 1904 als Student in Berlin. 497

Zhang Qingchun, siehe Zhang Gaoni. Zhang Rumei, chinesischer Beamter, 1898-1899 Gouverneur von Shandong. 129, 131, 137, 140, 242f, 245, 257f, 260-263, 306-308, 310, 312f, 315, 383, 387 Zhang Xun (1854-1923), chinesischer General, 1899-1902 oberster Befehlshaber der chinesischen Streitkräfte in Shandong. 513 Zhang Yao (1832-1891), chinesischer Beamter, 1886-1891 Gouverneur von Shandong. 72 Zhang Yinhuan (1837-1900), chinesischer Diplomat, 1884-1885 und 1888-1898 stellvertretender Minister des ZLYM, 1885-1888 chinesischer Gesandter fur die USA, Peru und Spanien. 112, 140, 142-145, 147 Zhang Yun, Direktor der Zhongxin-Kohleminen. 409 Zhang Yun, chinesischer Angeklagter im JuyeMissionszwischenfall. 138f Zhang Zhidong (1837-1909), chinesischer Beamter und Reformpolitiker, 1884-1889 Generalgouverneur von Guangdong und Guangxi, 1889-1907

Zhu Ji, chinesischer Journalist, Chefredakteur der Peking Daily News. 180, 233, 235 Zhu Yixin (1846-1894), Sekretär im kaiserlichen Zensorat. 72 Zhu Yixiu, chinesischer Beamter, 1896-1899 Magistrat von Jimo. 196 Zhuangzi (?-300 v.Chr.), chinesischer Philosoph. 482 Ziegler, Josef (1864-1925), deutscher katholischer Missionar des SVD, seit 1895 in China tätig. 117, 132