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German Pages 236 [239] Year 2004
Studienreihe der Stiftung Kreditwirtschaft Hrsg.: Prof. Dr. Joh. Heinr. v. Stein
Manuela A. E. Schäfer
Prozessgetriebene multiperspektivische Unternehmenssteuerung
Verlag Wissenschaft & Praxis
Prozessgetriebene multiperspektivische Unternehmenssteuerung
Studienreihe der Stiftung Kreditwirtschaft an der Universität Hohenheim Herausgeber: Prof. Dr. Joh. Heinr. v. Stein
Band 41
Manuela A. E. Schäfer
Prozessgetriebene multiperspektivische Unternehmenssteuerung Beispielhafte Betrachtung anhand der deutschen Bausparkassen
Verlag Wissenschaft & Praxis
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
D100 ISBN 3-89673-230-7 © Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2004 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094
Alle Rechte vorbehalten Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany
VORWORT DES HERAUSGEBERS
5
Vorwort des Herausgebers Mit der Studienreihe möchte die Stiftung Kreditwirtschaft Arbeiten, die an der Universität Hohenheim zu bank- und finanzwirtschaftlichen Themen entstanden sind, einem interessierten Fachpublikum zugänglich machen. Die veröffentlichten Schriften sollen den Gedankenaustausch zwischen Universität und Praxis fördern. Wachsende Anforderungen an die Leistungs- und Anpassungsfähigkeit der Unternehmensorganisation haben die Prozesse als Gegenstand der Organisation in Wissenschaft und Praxis ins Blickfeld gebracht. Dabei wurde nicht nur ein theoretisches Defizit, sondern auch ein dringender Bedarf an praxistauglichen Lösungen sichtbar. Auch zeigte sich das Potenzial für die Steigerung der Leistungsfähigkeit, wenn der organisatorischen Bedeutung von Prozessen Rechnung getragen wird. Entsprechend hatten bereits frühe Repräsentanten der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre, wie F. Nordsieck, diesen wichtigen Zusammenhang erkannt. Ein theoriegestütztes Konzept für die Prozessgestaltung fehlte bisher weitgehend. Für die zentralen Aufgaben der Unternehmenssteuerung in der Struktur- und Prozessgestaltung ist es jedoch notwendig. Dementsprechend legt Schäfer eine organisationstheoretische Grundlage für ein strategisches, multiperspektivisches Unternehmenssteuerungsmodell, das neben den aufbau- und ablauforganisatorischen Anforderungen auch diejenigen der Vertriebswege einbezieht. Auf der erarbeiteten theoretischen Basis wird ein Kennzahlensystem für Bausparkassen entwickelt. Aus den organisationstheoretischen und praxeologischen Erkenntnissen folgen nicht nur Impulse für die Weiterentwicklung von Strukturen in Bausparkassen, sondern es werden auch ein Vorgehensmodell und Optionen für die informationstechnische Gestaltung der Unternehmung vorgestellt. Ich wünsche der Arbeit gute Verbreitung und eine anregende, fruchtbare Wirkung in Wissenschaft und Praxis.
Hohenheim, im März 2004
Prof. Dr. Joh. Heinrich von Stein
6
VORWORT DER VERFASSERIN
Vorwort der Verfasserin Die vorliegende Arbeit entstand am Lehrstuhl für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen der Universität Hohenheim berufsbegleitend zu meiner Tätigkeit in deutschen Kreditinstituten, so dass ich die ideale Kombination von betriebswirtschaftlicher Theorie und Praxis erleben, erforschen und nutzen konnte. An dieser Stelle möchte ich allen Personen, die zum Gelingen dieser Dissertation beigetragen haben, herzlich danken. An erster Stelle gilt der Dank meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Johann Heinrich von Stein, der mir eine berufsbegleitende Promotion erst ermöglichte. Einerseits gewährte mir Prof. von Stein für die Ausarbeitung der Dissertation große Freiräume, andererseits konnte ich jederzeit auf seine fachkundige Unterstützung zurückgreifen. Gleichzeitig danken möchte ich Herrn Prof. Dr. Helmut Kuhnle für seine Tätigkeit als Zweiter Berichter und als Prüfer im Kolloquium sowie Herrn Prof. Dr. Hans-Peter Burghof für die Übernahme des Prüfungsvorsitzes im Kolloquium. Ein ganz besonderer Dank gilt meinen Vorgesetzten, die mir immer dann Urlaub gewährt haben, wenn es im Rahmen des Forschungsvorhabens erforderlich war, sowie meinen Kollegen, die mich in dieser Zeit kompetent vertreten haben. Diese Dissertation wäre aber nie zustande gekommen ohne die nachhaltige mentale Unterstützung durch meine Eltern, Anna-Luise und Heinfried Schäfer, die mir eine exzellente Ausbildung im In- und Ausland ermöglicht haben, die finanzielle Unterstützung durch meine Großeltern, Adolfine und Johann Jörz, sowie den umfassenden IT-Support meines Computers durch meine Schwester Sabine und ihren Freund. Daher ist diese Arbeit meiner Familie gewidmet.
Worms, 08.03.2004
Manuela A. E. Schäfer
INHALTSVERZEICHNIS
7
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ....................................................................................... 11 Tabellenverzeichnis............................................................................................ 14 Abkürzungsverzeichnis ...................................................................................... 15 A Einleitende Betrachtung ................................................................................ 17 I
Motivation .............................................................................................. 17
II
Wissenschaftliche Zielsetzung ............................................................... 19
III Methodenkonzept ................................................................................... 22 IV Aufbau der Arbeit................................................................................... 24 B Multiperspektivische Organisationstheorie .................................................. 27 I
Rahmenbedingungen der Organisationstheorie ..................................... 27 1 Organisationsbegriff.......................................................................... 27 2 Aufbau- und Ablauforganisation ...................................................... 30
II
Begründung der Notwendigkeit eines prozess- und kanalorientierten multiperspektivischen Ansatzes................................. 32
III Theoretische Fundierung eines prozess- und kanalorientierten multiperspektivischen Ansatzes................................. 38 1 Der Situative Ansatz (Kontingenztheorie)........................................ 38 2 Der Betriebswirtschaftliche Informationsverarbeitungsansatz......... 42 3 Die Prozessorientierung .................................................................... 43 4 Problematik der theoretischen Fundierung eines prozess- und kanalorientierten multiperspektivischen Ansatzes............................ 47 5 Virtuelle Organisationsstrukturen ..................................................... 50 IV Dialektische Herleitung der drei Kernhypothesen der Multiperspektivischen Organisationstheorie.......................................... 54
8
INHALTSVERZEICHNIS
V Deduktion und Hypothesenprüfung ....................................................... 59 1 Ableitung singulärer, überprüfbarer Folgerungen ............................ 59 2 Empirische Überprüfung der singulären Folgerungen...................... 63 VI Wissenschaftlicher Erkenntnisfortschritt durch die Multiperspektivische Organisationstheorie............................................ 72 1 Kernaussagen und Grundannahmen einer Multiperspektivischen Organisationstheorie ......................................................................... 72 2 Kritische Bewertung der Multiperspektivischen Organisationstheorie ......................................................................... 79 C Das PFK-Strategie-Modell als Leitlinie zur praktischen Umsetzung der Multiperspektivischen Organisationstheorie .......................................... 85 I
Das PFK-Strategie-Modell zur flexiblen Unternehmenssteuerung ....... 85
II
Die Prozesssicht als favorisierte Präferenzstruktur................................ 87 1 Gestaltungsaspekte der Prozessorientierung bzw. der Prozesssicht................................................................................. 87 2 Umsetzung der Prozessorientierung bzw. Prozesssicht durch Business (Process) Reengineering ................................................... 91 3 Probleme und Gefahren bei der Umsetzung der Prozesssicht als Präferenzstruktur ......................................................................... 94
III Kennzahlensysteme zur Abbildung der Präferenz- und Sekundärstrukturen................................................................................. 98 1 Kennzahlen zur Unternehmenssteuerung ......................................... 98 2 Das Konzept der Balanced Scorecard (BSC) als prozessorientiertes Kennzahlensystem ........................................... 100
INHALTSVERZEICHNIS
9
IV Anpassung des Konzepts der Balanced Scorecard an die spezifischen Anforderungen der Multiperspektivischen Organisationstheorie............................................................................. 111 1 Von der Balanced Scorecard zum Balanced Scorecube (BSCu) im PFK-Strategie-Modell................................................................ 111 2 Institutionalisierung der kontinuierlichen Überprüfung der Unternehmensgesamtsicht durch Kopplung des Balanced Scorecubes an das EFQM-Modell .................................................. 114 V Entwicklung eines bausparspezifischen Kennzahlensystems gemäß dem PFK-Strategie-Modell....................................................... 121 1 Entwicklung einer bausparspezifischen Prozessorientierten Balanced Scorecard (ProBSC) ........................................................ 121 2 Entwicklung einer bausparspezifischen Funktionsorientierten Balanced Scorecard (FunBSC) ....................................................... 131 3 Entwicklung einer bausparspezifischen Kanalorientierten Balanced Scorecard (KanBSC) ....................................................... 140 4 Integration der Kennzahlensysteme im PFK-Strategie-Modell...... 151 5 Kennzahlenerfassung und Controlling – Ansatzpunkte für eine technische Bereitstellung ................................................... 157 VI Wirkungsweise der übrigen Einflussgrößen im Modell ...................... 160 VII Kritische Würdigung des PFK-Strategie-Modells im Kontext der Multiperspektivischen Organisationstheorie .............. 162 D Abschließende Betrachtung ....................................................................... 167 I
Zusammenfassung ................................................................................ 167
II
Ausblick und weiterer Forschungsbedarf ............................................ 170
10
INHALTSVERZEICHNIS
E Anhang .......................................................................................................... 173 I
Befragung der deutschen Bausparkassen zu den Ansätzen der Multiperspektivischen Organisationstheorie ................................. 173 1 Wahl der Befragungsform............................................................... 173 2 Layout des Fragebogens.................................................................. 174 3 Vorgehensweise bei der Befragung ................................................ 181 4 Auswertung und Befragungsergebnisse.......................................... 182
II
Experteninterview mit Dipl.-Kfm. J. Gödecke, Leiter Strategische Planung & Strategisches Controlling, Dresdner Bank AG, Private Kunden Inland / E-Commerce ................ 220
Literaturverzeichnis.......................................................................................... 223
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
11
Abbildungsverzeichnis Abb. A.1:
Überblick über die Zielsetzung der Arbeit ................................
21
Abb. B.1: Abb. B.2:
Definitionsmöglichkeiten des Organisationsbegriffs ............................................................... Die funktionale Organisation ...................................................
29 31
Abb. B.3:
Fünf-Ebenen-Modell von Venkatraman ...................................
33
Abb. B.4:
Das Forschungsprogramm des Situativen Ansatzes .................
39
Abb. B.5:
Anteil der verschiedenen Steuerungskennzahlen und deren Kombination ............................................................
64
Abb. B.6:
Anwendungsgrad von Prozesskennzahlen ................................
65
Abb. B.7:
Steuerungsperspektiven und ihre Erfassungshäufigkeit ...........
67
Abb. B.8:
Organisationen und ihre Ausrichtungshäufigkeit ...................... 68
Abb. B.9:
Kostenstellenstrukturen der deutschen Bausparkassen .............
69
Abb. B.10: Vorgehensweise zur Gestaltung eines Unternehmens nach den Maßgaben der Multiperspektivischen Organisationstheorie ................................................................
76
Abb. B.11: Grade der Prozessorientierung .................................................
82
Abb. C.1:
Das PFK-Strategie-Modell zur flexiblen Unternehmenssteuerung ...........................................................
85
Abb. C.2:
Beispielhafte Aggregationsstruktur ..........................................
99
Abb. C.3:
Die vier Perspektiven der Balanced Scorecard ......................... 102
Abb. C.4:
Beispielhafte Ursache-Wirkungs-Kette strategischer Ziele .................................................................... 103
Abb. C.5:
Die Managementbausteine der Balanced Scorecard ................. 105
Abb. C.6:
Die Managementbausteine der Balanced Scorecard im Detail ..................................................................................
107
Anwendungsgrad der Balanced Scorecard in deutschen Bausparkassen .........................................................................
108
Abb. C.7: Abb. C.8:
Balanced Scorecube ………………………………………….. 113
Abb. C.9:
Das EFQM-Modell für Excellence ........................................... 114
Abb. C.10: Beziehung zwischen EFQM-Modell und ProBSC .................... 117
12
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abb. C.11: Multiperspektivisches Qualitätsmodell auf der Basis des EFQM-Modells .................................................................
119
Abb. C.12: Wirkungsverbund von Multiperspektivischem Qualitätsmodell, BSCu und Reengineering-Konzepten ............ 120 Abb. C.13: Prozessranking bezüglich der Wichtigkeit zur Umsetzung der strategischen Ziele einer Bausparkasse .............................. 122 Abb. C.14: Prozessbezogene Unternehmenssteuerungszusammenhänge ... 125 Abb. C.15: Ursache-Wirkungs-Beziehungen einer bausparbezogenen Prozessorientierten Balanced Scorecard ................................... 130 Abb. C.16: Beispielhafte Funktionale Gliederung für eine Bausparkasse ...................................................................
132
Abb. C.17: Funktionsbezogene Unternehmenssteuerungszusammenhänge ....................................................................... 133 Abb. C.18: Ursache-Wirkungs-Beziehungen einer bausparbezogenen Funktionsorientierten Balanced Scorecard ............................... 139 Abb. C.19: Kanalnutzung in den deutschen Bausparkassen ........................ 142 Abb. C.20: Beispielhafter Ablauf der Geschäftsbeziehung zwischen Kunde und Bausparkasse in der Leistungs-Kanal-Matrix ........ 143 Abb. C.21: Kanalbezogene Unternehmenssteuerungszusammenhänge ...... 145 Abb. C.22: Ursache-Wirkungs-Beziehungen einer bausparbezogenen Kanalorientierten Balanced Scorecard ...................................... 151 Abb. C.23: Ursache-Wirkungs-Beziehungen einer bausparbezogenen Balanced Scorecard auf Gesamtunternehmensebene ................ 157 Abb. C.24: Gemeinkostenrechnung versus Prozesskostenrechnung ........... 161 Abb. E.1:
Fragebogen – Seiten 1-8 .......................................................... 177
Abb. E.2:
Organisationsformen und ihre Ausrichtungshäufigkeit ............ 183
Abb. E.3:
Anteil der verschiedenen Erhebungsperspektiven und deren Kombinationen ........................................................ 185
Abb. E.4:
Steuerungskennzahlen und ihre Erfassungshäufigkeit .............. 186
Abb. E.5:
Gliederungskriterien der Kostenstellen von Bausparkassen und ihre Häufigkeit .................................................................. 188
Abb. E.6:
Kostenstellenstrukturen von Bausparkassen ............................. 188
Abb. E.7:
Sicherungsmaßnahmen in Bausparkassen ................................. 190
Abb. E.8:
Prozessbewertung bezüglich der Wichtigkeit für die Umsetzung der strategischen Ziele einer Bausparkasse ............ 194
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
13
Abb. E.9:
Anwendungsgrad der Prozesskostenrechnung .......................... 195
Abb. E.10:
Anwendungsgrad von Prozesskennzahlen ................................ 196
Abb. E.11:
Anzahl der genannten Prozesskennzahlen ................................ 197
Abb. E.12:
Kanalnutzung in den deutschen Bausparkassen ........................ 201
Abb. E.13:
Transaktionskostentransparenz im Kanal ................................. 202
Abb. E.14:
IT-Kostentransparenz im Kanal ............................................... 203
Abb. E.15:
Transparenz über die Deckungsbeiträge je Kanal ..................... 203
Abb. E.16:
Anwendungsgrad von Kanalkennzahlen ................................... 205
Abb. E.17:
Anzahl der genannten Kanalkennzahlen ................................... 205
Abb. E.18:
Anwendungsgrad Funktionaler Kennzahlen ............................. 210
Abb. E.19:
Anzahl der genannten Funktionalen Kennzahlen ...................... 210
Abb. E.20:
Anwendungsgrad von Unternehmenssteuerungskennzahlen .... 214
Abb. E.21:
Anzahl der genannten Unternehmenssteuerungskennzahlen .... 215
Abb. E.22:
Anwendungsgrad der Balanced Scorecard ............................... 219
14
TABELLENVERZEICHNIS
Tabellenverzeichnis Tab. C.1:
Wesentliche Unterschiede der Balanced Scorecard zu anderen Kennzahlensystemen ............................................. 101
Tab. C.2:
Beispielhafte Generierung unternehmensspezifischer Messgrößen ............................................................................
104
Tab. C.3:
Prozesskennzahlen der deutschen Bausparkassen ................... 126
Tab. C.4:
Bausparbezogene Prozessorientierte Balanced Scorecard (ProBSC) ................................................................................
129
Tab. C.5:
Funktionale Kennzahlen der deutschen Bausparkassen ........... 135
Tab. C.6:
Bausparbezogene Funktionsorientierte Balanced Scorecard (FunBSC) ...............................................................................
138
Tab. C.7:
Kanalkennzahlen der deutschen Bausparkassen ...................... 146
Tab. C.8:
Bausparbezogene Kanalorientierte Balanced Scorecard (KanBSC) ...............................................................................
Tab. C.9:
149
Tab. E.1:
Unternehmenssteuerungskennzahlen der deutschen Bausparkassen ........................................................ 152 Bausparbezogene Balanced Scorecard auf Gesamtunternehmensebene ..................................................... 156 Ergebnisse der Prozesspriorisierung ........................................ 192
Tab. E.2:
Überblick über die genannten Prozesskennzahlen ................... 197
Tab. E.3:
Überblick über die genannten Kanalkennzahlen ...................... 206
Tab. E.4:
Überblick über die genannten Funktionalen Kennzahlen ........ 211
Tab. E.5:
Überblick über die genannten Unternehmenssteuerungskennzahlen .............................................................
Tab. C.10:
215
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
15
Abkürzungsverzeichnis BCR
Business Channel Reengineering
BFR
Business Functions Reengineering
BPR
Business Process Reengineering
BSC
Balanced Scorecard
BSCu
Balanced Scorecube
BspK
Bausparkasse
CIR
Cost Income Ratio
CRM
Customer Relationship Management
CTP
Customer Touch Point
DV
Datenverarbeitung
EAI
Enterprise Application Integration
E-Commerce
Electronic Commerce
EFQM
European Foundation of Quality Management
EPK
Ereignisgesteuerte Prozessketten
e-Unternehmen FunBSC
Unternehmen mit größtenteils rein elektronischer Geschäftsabwicklung Funktionsorientierte Balanced Scorecard
IKS
Internes Kontrollsystem
IT
Informationstechnik
KanBSC
Kanalorientierte Balanced Scorecard
KVP
Kontinuierlicher Verbesserungsprozess
m-Commerce
Mobile Commerce
MA
Mitarbeiter
MPO
Multiperspektivische Organisationstheorie
PFK-StrategieModell
Strategisches Prozess-Funktions-Kanal-Modell zur flexiblen Unternehmenssteuerung
ProBSC
Prozessorientierte Balanced Scorecard (entspricht der BSC von Kaplan/Norton)
QM
Quality Management / Qualitätsmanagement
16
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
RAROC
Risk Adjusted Return on Capital
RoA
Return on Assets
RoE
Return on Equity
RoI
Return on Investment
SGE-Management
Management der strategischen Geschäftseinheiten
TQM
Total Quality Management
UML
Unified Modelling Language
VP
Verbesserungsprozess
WAP
Wireless Application Protocol
EINLEITENDE BETRACHTUNG
17
A Einleitende Betrachtung I
Motivation
Die Prozessorientierung als Ansatz für die Unternehmensorganisation und Grundlage für ein Unternehmenssteuerungssystem existiert in der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre genau genommen seit den 1930er Jahren, als Nordsieck und Henning zum ersten Mal zwischen Aufbau- und Ablauforganisation unterschieden.1 So stellte z.B. Nordsieck fest, dass der „Betrieb in Wirklichkeit ein fortwährender Prozeß, eine ununterbrochene Leistungskette ist. Die wirkliche Struktur des Betriebes ist die eines Stromes“.2 Doch erst in den 1990er Jahren als Reaktion auf Veränderungen im Unternehmensumfeld (z.B. Globalisierung oder technologischer Fortschritt), die zu einem gestiegenen Konkurrenzdruck und einer großen Marktmacht des Kunden führten, hat diese stark auf interne Abläufe bezogene Sichtweise unter dem Begriff „Prozessmanagement“ oder „Prozessorientierung“ an Bedeutung gewonnen. Ziel ist es hierbei, die Unternehmenseffizienz durch Beseitigung der Nachteile der bis dahin vorherrschenden funktionalen Unternehmensgliederung zu steigern. Die Folgen einer stark segmentierten Ablauforganisation mit vielen aufbauorganisatorischen Schnittstellen manifestieren sich in redundanter Aufgabenerfüllung, geringer Prozess- und Produktqualität oder auch langen Durchlaufzeiten; diese negativen Auswirkungen sollen und können durch konsequente, durchgängige Prozesse reduziert werden. Darüber hinaus ermöglicht die Berücksichtigung der Informationstechnik im Rahmen der Einführung einer IT-unterstützten Prozessorganisation die Realisierung weiterer Produktivitätszuwächse. Die Behandlung der Prozessorientierung oder Prozessorganisation in der heutigen Literatur umfasst sowohl die theoretischen Grundlagen der Strukturierung3 als auch detaillierte Gestaltungsempfehlungen für eine prozessorientierte Organisation sowie für die unterstützenden IT-Systeme mit dem Ziel der funktionsübergreifenden Abbildung und Steuerung ganzheitlicher Abläufe.4 Es manifestiert sich hierin ein Paradigmenwechsel in der Organisationstheorie weg vom 1 2 3 4
Vgl. Nordsieck, F.: Organisation, S. 158 – 162; Nordsieck, F.: Aufgabenverteilung, S. 204 – 210 sowie Henning, K.W.: Organisationslehre. Nordsieck, F.: Betriebsorganisation, Sp. 9. Vgl. Gaitanides, M.: Prozeßorganisation; Scholz, R.: Geschäftsprozeßoptimierung sowie Nippa, M.: Bestandsaufnahme. Vgl. Scheer, A.-W.: Referenzmodelle.
18
EINLEITENDE BETRACHTUNG
tayloristischen Prinzip der effizienten Erfüllung von Einzelaktivitäten hin zur ganzheitlichen Strukturierung von Arbeitsaufgaben.5 Im Kontext des Situativen Ansatzes ist die Prozessorganisation damit eine Struktur, die den Fortbestand eines Unternehmens in einem sich schnell wandelnden, komplexen Umfeld sichert und die durch ein passendes, die Struktur ergänzendes IT-System zu unterstützen ist. Vor diesem Hintergrund ergibt sich die Frage, ob die Fokussierung allein auf die Prozesse eines Unternehmens geeignet ist, der Komplexität und Wandlungsfähigkeit des Umfelds Rechnung zu tragen und wenn ja, unter welchen Bedingungen. So sehen sich die Bausparkassen auch mit neuen technologiegetriebenen Vertriebskanälen wie z.B. dem Internet (E-Commerce) oder Vertriebswegen im Rahmen neuer Mobilfunkstandards (m-Commerce) sowie der Neuordnung von Wertschöpfungsketten und dem daraus resultierenden Entstehen neuer Geschäftsmodelle (unter anderem Direkt-Bausparkassen wie z.B. die Quelle Bausparkasse oder reinen Produktionsbanken wie z.B. Kreditwerk) konfrontiert. Als Konsequenz des daraus resultierenden gesteigerten Wettbewerbs und Margenverfalls wird den Bausparkassen zunehmend Flexibilität und Kostenoptimierung abverlangt. Darüber hinaus fordern politische und gesetzliche Vorgaben wie z.B. Basel II Prozesstransparenz zur besseren Einschätzung des organisationalen Risikos. In der Folge steigt zwar insgesamt die Bedeutung des Konzepts der Prozessorientierung für die Weiterentwicklung der Bausparkassen an, aber auch die gezielte Steuerung der Vertriebskanäle wird zunehmend wichtiger. Damit ist kritisch zu hinterfragen, ob durch eine reine Bereitstellung prozessorientierter Kennzahlen den Entscheidern im Unternehmen alle wesentlichen Informationen zur erfolgreichen (Weiter)führung der Organisation verfügbar gemacht werden können oder ob es nicht eher notwendig ist, das Unternehmen zu jedem Zeitpunkt aus der Perspektive betrachten und bewerten zu können, die für die zu treffende Entscheidung am besten geeignet ist. Dies kann zum einen die Prozessperspektive sein, zum anderen spielt aber die funktionale Sichtweise in vielen Unternehmen mit hybrider Organisationsstruktur weiterhin eine wesentliche Rolle, ergänzt um die Multi-Kanal-Sicht als Folge der Erweiterung der (Vertriebs-)kanäle durch Kooperationspartner, E-Commerce und m-Commerce.
5
Vgl. Krickl, O.-C.: Business Redesign, S. 85.
EINLEITENDE BETRACHTUNG
19
Neben den bereits genannten Perspektiven wie Funktionale Sicht (Aufbauorganisation), Prozesssicht (Ablauforganisation) oder Kanalsicht (Vertriebskanäle) können z.B. auch eine Forschungs- und Entwicklungssicht oder eine Kundensicht für das Unternehmen von Bedeutung sein, so dass ein mehrdimensionales Entscheidungsmodell entsteht. Bei der nachfolgenden Betrachtung im Rahmen dieser Arbeit erfolgt eine Konzentration auf die drei Perspektiven •
Funktionale Sicht,
•
Prozesssicht und
•
Kanalsicht,
da sie für die meisten Unternehmen – und für die Bausparkassen im besonderen – zutreffend sind.6 Somit wird von einer dreidimensionalen Sichtweise auf das Unternehmen ausgegangen. Da bisher keine bestehende Organisationstheorie und kein Unternehmenssteuerungs- oder Organisationsentwicklungskonzept alle drei Sichtweisen gleichermaßen berücksichtigt, ergibt sich die Notwendigkeit eines neuen, ganzheitlichen Ansatzes.
II Wissenschaftliche Zielsetzung Ziel der Arbeit ist die organisationstheoretische Fundierung eines multiperspektivischen Unternehmenssteuerungsmodells, das der Komplexität der Entscheidungssituation in Unternehmen – respektive Bausparkassen – Rechnung trägt, indem die bisher vorherrschende Systematik einer ein-7 bzw. zweidimensionalen8 organisationstheoretischen Betrachtungsweise um weitere entscheidungsrelevante Perspektiven, insbesondere die (Vertriebs-)kanalsicht, erweitert wird. Die Herleitung dieses multiperspektivischen organisationstheoretischen Ansatzes basiert auf der Evaluierung bestehender Organisationstheorien und antizi-
6
7 8
So hat z.B. die Forschungs- und Entwicklungsperspektive nur bei forschungsintensiven Unternehmen wie beispielsweise Chemie- oder Pharmakonzernen genügend Gewicht, um einbezogen zu werden. Aufbauorganisation. Aufbau- und Ablauforganisation.
20
EINLEITENDE BETRACHTUNG
piert aktuelle Entwicklungen sowohl auf den Märkten als auch bezüglich der Informationstechnik. Da dieser Arbeit das Verständnis der Betriebswirtschaftslehre als problem- und anwendungsorientierte Sozialwissenschaft zugrunde liegt, soll über den reinen Beitrag zum wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt hinaus auch die Umsetzbarkeit der entwickelten Theorien – vor allem im Hinblick auf die Bausparkassen – im Vordergrund stehen: „Es ist auf alle Fälle wichtig, uns daran zu erinnern, dass die wissenschaftlichen Theorien bezwecken, Wahres über die Welt festzustellen und uns zu nützlichen Handlungen zu bewegen.“9 Unter Berücksichtigung der Potentiale der Prozessorganisation und der Beschränkung der Mehrdimensionalität der unternehmerischen Entscheidungssituation auf die drei Perspektiven Prozesssicht, Funktionale Sicht und Kanalsicht bedarf es folglich eines strategischen Prozess-Funktions-Kanal-Modells zur flexiblen Unternehmenssteuerung aus der Organisationstheorie heraus. Dieses effiziente, prozessorientierte dynamische Kennzahlensystem bildet die Grundlage eines unternehmensweiten multiperspektivischen Steuerungs- und Controllinginstrumentariums, das es erlaubt, Entscheidungen und Richtungsänderungen schneller umsetzen zu können und für die jeweilige Entscheidungssituation die richtige Perspektive auf das Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Das strategische Prozess-Funktions-Kanal-Modell zur flexiblen Unternehmenssteuerung – kurz PFK-Strategie-Modell – soll zur praktischen Anwendung der Multiperspektivischen Organisationstheorie entworfen werden mit dem Ziel, ein aktives, interdependentes Controlling- und Unternehmenssteuerungsinstrumentarium bereitzustellen, das permanent unternehmensweit Informationen über die Qualität und Effizienz der Prozesse, funktionalen Einheiten und Kanäle liefert und sich in die bestehenden Management- und Controllingsysteme einfügt bzw. diese (in Teilen) ersetzt. Bei der Gestaltung des PFK-Strategie-Modells soll hierbei ein skalierbarer Ansatz gewählt werden, der es dem Unternehmen erlaubt, das Instrumentarium sowohl in seiner Gesamtheit als auch in Teilen, z.B. als Ergänzung zu bereits bestehenden Systemen, einzuführen. Für die Umsetzung der Multiperspektivischen Organisationstheorie wird in Ergänzung zum PFK-Strategie-Modell ein allgemeines Vorgehensmodell abgeleitet, das als Leitfaden die notwendigen Schritte bei der Herleitung und Imple9
Bertrand Russel, zitiert aus Lang, R.: Technologiekombination, S. 5.
EINLEITENDE BETRACHTUNG
21
mentierung des Steuerungsinstrumentariums im Unternehmen getrennt nach Perspektiven sowie in der Gesamtheit der vernetzten Strukturen und Sichten aufzeigt.
Methodisch/Theoretisch
Erkenntnisziel
Gestaltungsziel
•
Evaluierung bestehender Organisationstheorien
•
Evaluierung der Prozessorientierung als alleiniges Unternehmenssteuerungskriterium
•
Herleitung einer Multiperspektivischen Organisationstheorie
•
Entwicklung eines skalierbaren PFK-StrategieModells zur flexiblen Unternehmenssteuerung, inklusive Vorgehensmodell und Optionen für eine IT-technische Umsetzung im Unternehmen
Praktisch/Funktional
•
Überprüfung der Praktikabilität der Multiperspektivischen Organisationstheorie durch Anwendung des PFKStrategie-Modells auf den Bausparkassensektor
•
Entwicklung bausparspezifischer Kennzahlensysteme gemäß dem PFK-Strategie-Modell
•
Impuls zur Weiterentwicklung der bestehenden Strukturen der Bausparkassen hin zu transparenten, multiperspektivisch steuerbaren, IT-unterstützten Organisationen über einen Zeitraum von 3-5 Jahren
Abb. A.1: Überblick über die Zielsetzung der Arbeit Exemplarisch soll ein zwischen den Perspektiven interdependentes, für den Bausparsektor ausgestaltetes Kennzahlensystem hergeleitet werden, das direkt quantifizierbar an die strategischen Ziele des Unternehmens gekoppelt ist. Der Strategiefindungsprozess wird hierbei nicht näher beleuchtet; die Existenz qualifi-
22
EINLEITENDE BETRACHTUNG
zierter und quantifizierter strategischer Unternehmensziele wird als gegeben vorausgesetzt10. Unberücksichtigt bleiben außerdem die Gestaltungsträger im Unternehmen, d.h. auf die Zuordnung von Kompetenzen und Rollen im Gestaltungsprozess und bei der Umsetzung des PFK-Strategie-Modells im Unternehmen sowie daraus resultierende Problemstellungen wird nicht detailliert eingegangen, da dies den Rahmen der Arbeit sprengen würde. Die Erkenntnis- und Gestaltungsziele der vorliegenden Arbeit sind noch einmal zusammenfassend in Abbildung A.1 visualisiert. Letztendlich soll ein Impuls zur Weiterentwicklung der bestehenden Strukturen der Bausparkassen hin zu transparenten, multiperspektivisch steuerbaren, IT-unterstützten Organisationen über einen Zeitraum von ca. 3-5 Jahren ausgelöst werden.
III Methodenkonzept Das Methodenkonzept des Forschungsprozesses beginnt im Theoriezusammenhang und dient zunächst der Herleitung und Überprüfung der Hypothesen der Multiperspektivischen Organisationstheorie. Sollten diese durch wissenschaftliche Methoden nicht falsifiziert werden, erfolgt die Übertragung der theoretisch nachgewiesenen Zusammenhänge in ein praxisorientiertes Anwendungsmodell. Unter einer wissenschaftlichen Methode versteht man hierbei ein systematisches Verfahren der Erkenntnisgewinnung, das diesen Prozess – auch unter Rückgriff auf bereits dokumentiertes Wissen anderer – transparent, nachvollziehbar und damit überprüfbar gestaltet. Die für die vorliegende Arbeit relevanten Methoden der Erkenntnisgewinnung sind Dialektik, Induktion und hypothetisch-deduktive Methode. Die Methoden der Dialektik und Induktion werden zur Herleitung der Hypothesen verwendet, die mit Hilfe der hypothetisch-deduktiven Methode überprüft werden sollen.
10
Für eine detaillierte Darstellung des Strategieentwicklungsprozesses siehe Macharzina, K.: Unternehmensführung, S. 197ff, Kotler, P.; Bliemel, F.: Marketing-Management, S. 85ff und S. 467ff oder Hill, C.W.L.; Jones, G.R.: Strategic Management.
EINLEITENDE BETRACHTUNG
23
Dialektik11 Die Dialektik – oder die „Kunst, einen Dialog zu führen“ – ist gekennzeichnet durch ein dreistufiges Vorgehensschema, die dialektische Triade: Einer Behauptung oder Hypothese – der These – wird deren Negation – die Antithese – gegenübergestellt, um in der Synthese den bestehenden Widerspruch aufzulösen. Die so gewonnene neue Erkenntnis führt über These und Antithese hinaus und kann selbst wiederum zum ersten Schritt einer neuen dialektischen Triade werden. Die Synthese sollte, wenn möglich, als Hypothese empirisch überprüft werden, um gedankliche Fehler bei der Auflösung des bestehenden Widerspruchs aufzuspüren. Induktion12 Die Induktion ist ein Verfahren der Erkenntnisgewinnung durch empirische Forschung, bei dem aus Beobachtungen und Experimenten Verallgemeinerungen und Gesetzmäßigkeiten aus den Daten und Merkmalen vieler Einzelfälle abgeleitet werden, d.h., es wird von den Ausprägungen einer möglichst großen Anzahl von Einzelfällen auf das darin erkennbare Allgemeingültige geschlossen. Da allerdings nicht alle Einzelfälle beobachtbar sind, kann im Rahmen der Induktion nicht bewiesen werden, dass ein Zusammenhang, der häufig gefunden wurde, grundsätzlich gilt. Damit wird die Induktion nur als Methode zur Herleitung von Hypothesen akzeptiert. Hypothetisch-deduktive Methode13 Die hypothetisch-deduktive Methode besteht aus folgenden Einzelschritten: •
Aufstellung bisher unbegründeter, empirisch gehaltvoller Hypothesen mit theoretischem Charakter, indem Beobachtungen objektiver Daten verallgemeinert werden (Induktion, d.h. vom Einzelnen zum Allgemeinen).
•
Ableitung singulärer Folgerungen, d.h. Prognosen eines Sachverhaltes, aus der Hypothese (Deduktion, d.h. vom Allgemeinen zum Einzelnen).
•
Empirische Überprüfung der singulären Folgerungen durch Konfrontation mit der Realität, z.B. über Experimente. Fällt diese Prüfung positiv
11
Die Beschreibung der Methode „Dialektik“ erfolgt in Anlehnung an Seiffert, H.: Wissenschaftstheorie, S. 273 ff. Die Beschreibung der Methode „Induktion“ erfolgt in Anlehnung an Wild, J.: Methodenprobleme, Sp. 2666 f und Scheibler, A.: Methodik, S. 83-84. Die Beschreibung der Hypothetisch-deduktiven Methode erfolgt in Anlehnung an Wild, J.: Theorienbildung, Sp. 3894 ff.
12 13
24
EINLEITENDE BETRACHTUNG
aus, gilt die Hypothese als vorläufig bestätigt bzw. als nicht falsifiziert. Hierzu wird im Rahmen der Arbeit eine empirische Befragung aller deutschen Bausparkassen zu den aus der Multiperspektivischen Organisationstheorie abgeleiteten singulären Folgerungen durchgeführt.14 •
Anwendung der Theorie durch Umformung der überprüften UrsacheWirkungs-Beziehung in eine Ziel-Mittel-Beziehung.
Bei der Anwendung der genannten wissenschaftlichen Methoden ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich anhand der beschriebenen Vorgehensweise die im Rahmen der vorliegenden Arbeit aufgestellten Hypothesen zwar vorläufig bestätigen, aber nicht endgültig beweisen lassen: Zum einen wird die Befragung nur für Bausparkassen durchgeführt; zum anderen ist die Stichprobe – obwohl sie die Gesamtheit der Bausparkassen umfasst – statistisch klein, was eingeschränkte Auswertungsmöglichkeiten zur Folge hat.15 Das Ergebnis der Hypothesenprüfung kann damit nur eine Indikation sein, die so lange Gültigkeit behält, bis sie falsifiziert wird.
IV Aufbau der Arbeit Die vorliegende Arbeit beginnt im Rahmen der Entwicklung und Ausgestaltung der Multiperspektivischen Organisationstheorie mit der Klärung der Rahmenbedingungen der Organisationstheorie (Kapitel B.I), um sich danach mit der Begründung der Notwendigkeit eines prozess- und kanalorientierten multiperspektivischen Ansatzes (Kapitel B.II) sowie der Problematik der theoretischen Fundierung eines solchen Ansatzes (Kapitel B.III) zu beschäftigen. Anschließend erfolgt die theoretische Herleitung und Begründung der Multiperspektivischen Organisationstheorie (Kapitel B.IV) über Deduktion und Hypothesenprüfung (Kapitel B.V) bis hin zur Bewertung des erzielten wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritts (Kapitel B.VI). Zur empirischen Überprüfung der Hypothesen wurde hierbei eine schriftliche Befragung der deutschen Bausparkassen gewählt, deren Ergebnisse unter anderem in Kapitel B.V einfließen und die im Anhang (Kapitel E.I) sowohl bezüglich der Methodik als auch der Auswertung der Ergebnisse ausführlich dargestellt ist.
14 15
Eine ausführliche Beschreibung der Ausgestaltung und Durchführung der Befragung der deutschen Bausparkassen befindet sich im Anhang (Kapitel E.I). Für eine weitergehende kritische Betrachtung siehe Kapitel B.VI.3.
EINLEITENDE BETRACHTUNG
25
Unter Berücksichtigung der gewonnenen Erkenntnisse und Kernaussagen wird im nächsten Schritt das strategisch ausgerichtete Prozess-Funktions-KanalModell zur flexiblen Unternehmenssteuerung – kurz PFK-Strategie-Modell – als Operationalisierung und Leitlinie zur praktischen Umsetzung der Multiperspektivischen Organisationstheorie im Rahmen eines ganzheitlichen Ansatzes erarbeitet (Kapitel C.I). Besondere Bedeutung kommt hier der Wahl der Prozesssicht als der favorisierten Präferenzstruktur (Kapitel C.II) und der Entwicklung von Kennzahlensystemen zur Beschreibung der Präferenz- und Sekundärstrukturen (Kapitel C.III) zu, wobei vor allem das Konzept der Balanced Scorecard an die spezifischen Anforderungen der Multiperspektivischen Organisationstheorie angepasst wird (Kapitel C.IV). Nach der Entwicklung eines bausparspezifischen Kennzahlensystems gemäß dem PFK-Strategie-Modell (Kapitel C.V) und der Betrachtung der Wirkungsweise der übrigen Einflussgrößen im Modell (Kapitel C.VI) wird das PFKStrategie-Modell im Kontext der Multiperspektivischen Organisationstheorie kritisch gewürdigt (Kapitel C.VII). Abschließend erfolgt eine Zusammenfassung der Erkenntnisse (Kapitel D.I) sowie ein Ausblick mit Ansatzpunkten für weiteren Forschungsbedarf (Kapitel D.II). Im Anhang findet sich neben der detaillierten Beschreibung der Befragung der deutschen Bausparkassen zu den Ansätzen der Multiperspektivischen Organisationstheorie und zu Struktur, Art und Umfang der Kennzahlenerfassung (Kapitel E.I) noch ein Experteninterview zur Untermauerung getroffener Aussagen im Rahmen der Multiperspektivischen Organisationstheorie (Kapitel E.II).
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
27
B Multiperspektivische Organisationstheorie I
Rahmenbedingungen der Organisationstheorie
1
Organisationsbegriff
Der Organisationsbegriff wird in der Literatur unterschiedlich interpretiert: • Ein Unternehmen hat eine Organisation (Instrumenteller Organisationsbegriff): Die Organisation wird funktional als Instrument aufgefasst, das die im Rahmen der Planung entworfene Ordnungsstruktur durch fallweise und generelle Regelungen umsetzt. Damit wird Organisation zur Leitungsaufgabe, die ein optimales Gleichgewicht zwischen Freiräume und Komplexität schaffenden fallweisen Regelungen und zwischen einengenden und Komplexität reduzierenden grundsätzlichen Regelungen anstrebt bzw. zu einer Strukturierungstechnik, mit deren Hilfe die Unternehmensziele unter Implementierung eines dauerhaften Regelwerkes, dem Organisationssystem, erreicht werden können. • Ein Unternehmen ist eine Organisation (Institutioneller Organisationsbegriff): Das Unternehmen wird als Ausprägung eines bestimmten Organisationstyps, d.h. eines sozialen Systems mit differenzierbaren Charakteristika wie Entstehung, Ziel und Zweck, Grund und Art der Mitgliedschaft sowie Qualität der Verhaltenserwartungen verstanden. Es wird außerdem davon ausgegangen, dass die Organisation als soziales System die Fähigkeit zur Informationsgewinnung und –verarbeitung besitzt.16 North, Schreyögg und v. Hayek definieren in diesem Zusammenhang folgende vier Merkmale als prägend dafür, dass eine Institution zur Organisation wird: 1) Eine Organisation besteht aus Personen und ihren Spielregeln, wobei die Spielregeln selbst bereits eine Institution bilden.17
16 17
Vgl. Heinen, E.: Grundfragen, S. 49. Vgl. North, D.C.: Institutionen, S. 5.
28
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
2) Zur Identifikation der beteiligten Personen, d.h. zur Unterscheidung zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern, zwischen Organisation und Umwelt, bedarf es stabiler Grenzen.18 3) Die Organisationsmitglieder streben die Erreichung mindestens eines bestimmten gemeinsamen Ziels an, d.h. sie verbindet ein gemeinsamer Zweck. Dieses Merkmal kann allerdings auch im Sinne der Ausrichtung der Mitglieder auf ein gemeinsames Ziel als Organisationsaufgabe verstanden werden.19 4) Organisationen werden „vorsätzlich geschaffen“, indem Teile nach einem vorliegenden Plan oder Konzept zueinander in Beziehung gesetzt werden. Allerdings können Organisationen auch von selbst im Zeitablauf entstehen.20 Neuere Untersuchungen zur Organisationstheorie kombinieren den institutionellen und den instrumentellen Organisationsbegriff zu einer Organisationsauffassung. So folgert z.B. Hoffmann: „Die beiden Entwicklungsstufen, die Unternehmung hat und ist eine Organisation, können in einer Art Synthese verbunden werden. Organisation als Funktion stellt einen (Meta-) Entscheidungs- und Realisierungsprozeß zur Differenzierung und Integration von Aufgaben und Aufgabenträgern dar, dessen Ergebnis eine Struktur, d.h. ein relativ invariates Beziehungsmuster als Mittel zur Reduktion von Unternehmensproblemen ist.“21 Hierbei werden – in Analogie zu Ulrich22 – besonders auch die Aspekte der Komplexität, Mehrstufigkeit und Multidimensionalität von Organisationen betont. • Organisation bezeichnet eine Tätigkeit bzw. einen Prozess im Unternehmen, wodurch Ordnung entsteht (Tätigkeitsorientierter Organisationsbegriff): Organisation wird hierbei interpretiert als zielorientiertes Strukturieren von Ganzheiten entweder durch bestimmte Personen, die Organisatoren, die den Organisationsmitgliedern eine verbindliche, rational entwickelte Ordnung vorgeben, oder durch die verschiedenen Formen der Selbstorganisation. Damit bezeichnet der tätigkeitsorientierte Organisationsbegriff ganz allgemein den Prozess der Entstehung von Ordnung.23
18 19 20 21 22 23
Vgl. Schreyögg, G.: Organisation, S. 10f. Vgl. North, D.C.: Institutionen, S. 87 und Schreyögg, G.: Organisation, S. 9. Vgl. North, D.C.: Institutionen, S. 4f und Hayek, F. A. v.: Recht, S.34. Hoffmann, F.: Organisationsforschung, S. 64f. Siehe hierzu Ulrich, H.: Unternehmung, S. 40 bzw. S. 222. Vgl. Bea, F.X.; Göbel, E.: Organisation, S. 3f.
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
29
Ein Unternehmen hat eine Organisation.
Instrumentell
Organisation
Institutionell
Ein Unternehmen ist eine Organisation.
Tätigkeitsorientiert
Organisation bezeichnet eine Tätigkeit bzw. einen Prozess im Unternehmen, wodurch Ordnung entsteht.
Abb. B.1: Definitionsmöglichkeiten des Organisationsbegriffs
Fasst man alle drei Organisationsbegriffe zu einem neuen Begriff zusammen, so bedeutet Organisation „eine Institution, in der eine abgrenzbare Gruppe von Personen (die Organisationsmitglieder) ein auf Dauer angelegtes Regelsystem planvoll geschaffen hat, um gemeinsame Ziele zu verfolgen und in der Ordnung auch von selbst entstehen kann.“24 Dieser umfassende Organisationsbegriff unterstützt das allgemeine Hauptziel der verschiedenen Ansätze und Auffassungen in der Organisationstheorie: die Entwicklung begründeter Gestaltungsanweisungen unter Berücksichtigung des Faktors Mensch, d.h. die dauerhafte, optimale Regelung der von Menschen ausgeführten zielgerichteten Aufgabenerfüllungsprozesse im Unternehmen.25 Daher soll dieses komplexe Organisationsverständnis auch Grundlage für die vorliegende Arbeit sein.
24 25
Bea, F.X.; Göbel, E.: Organisation, S. 6. Vgl. Grochla, E.: Organisation, S. 1796.
30 2
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
Aufbau- und Ablauforganisation
Besonders im Rahmen des instrumentellen Organisationsbegriffs wird trennscharf zwischen Aufbau- und Ablauforganisation unterschieden. Die Aufbauorganisation unterteilt das Unternehmen unter funktionalen, d.h. aufgabenbezogenen Gesichtspunkten in Subsysteme und stellt deren Koordination durch Leitungs-, Informations- und Kommunikationsbeziehungen sicher.26 Eine Funktion ist demnach ein aufgabenbezogenes Subsystem in der Aufbauorganisation des Unternehmens. Je nach Aggregationsniveau kann ein Subsystem hierbei sowohl eine Organisationseinheit, die wiederum aus weiteren Subsystemen wie z.B. Geschäftsbereichen oder Abteilungen bestehen kann, als auch eine einzelne Stelle als unterste Aggregationsstufe sein.27 Sieht die zweite Hierarchieebene des Unternehmens bzw. des Geschäftsbereichs eine Spezialisierung nach Sachfunktionen vor, wodurch das Gesamtsystem des Unternehmens funktional geprägt wird, so bezeichnet man eine solche Aufbauorganisation als Funktionale Organisation oder Funktionale Gliederung (vgl. Abb. B.2)28 Wenn im weiteren Verlauf der Arbeit von Aufbauorganisation gesprochen wird, so ist hierbei immer die Funktionale Gliederung gemeint. Der Betrachtungsgegenstand der Ablauforganisation ist die zielgerichtete, koordinierte Durchführung der Aufgaben im Rahmen der Leistungserstellung unter Berücksichtigung der sachlogischen, zeitlich-räumlichen und personellen Zusammenhänge. Die zentralen Elemente der Ablauforganisation sind hierbei die Unternehmensprozesse, die als Aufgabenerfüllungsfolge zu verstehen sind.29
26 27 28 29
Vgl. Kosiol, E.: Organisation, S. 32. Für eine ausführliche Beschreibung dieser Thematik siehe u.a. Schmidt, G.: Methode und Grochla, E.: Grundlagen. Vgl. Schreyögg, G.: Organisation, S. 130f. Vgl. Kosiol, E.: Organisation, S. 185.
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
31
Geschäftsleitung
Forschung und Entwicklung
Einkauf
Produktion
Marketing
Abb. B.2: Die funktionale Organisation Eine allgemeingültige Definition dafür, was genau ein Prozess ist, gibt es bisher in der Literatur nicht. Aus den bestehenden Definitionen z.B. von Nordsieck30, Hammer/Champy31, der European Foundation of Quality Management32 oder der Firma Vaillant33 konnten für die Prozessbeschreibung allerdings sechs Kriterien als maßgeblich identifiziert werden: •
Folge von Arbeitsschritten, die zeitlich und sachlogisch zusammenhängen,
•
definierter Input und nachgefragter Output,
•
zielgerichtet,
•
inhaltlich abgeschlossen,
•
wertschöpfend und
•
sich wiederholend
Damit ergibt sich folgende Definition, die für die vorliegende Arbeit gültig sein soll: Ein Prozess ist die sich wiederholende zielgerichtete, inhaltlich abgeschlossene Folge von zeitlich und sachlogisch zusammenhängenden Arbeitsschritten, die wertschöpfend aus einem definierten Input einen vom Kunden nachgefragten Output generiert.
30 31 32 33
Nordsieck, F.: Organisationslehre, S. 34. Hammer, M.; Champy, J.: Reengineering, S. 35. EFQM: Selbstbewertung, S. 37. Schwarz, M.; Braun, A.: Unternehmensprozessgestaltung, S. 25.
32
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
Die abgegrenzte Betrachtung von Aufbau- und Ablauforganisation in der institutionellen Organisationsauffassung unter Ausblendung von Raum und Zeit ist allerdings problematisch, da sich Aufbau- und Ablauforganisation normalerweise gegenseitig bedingen.
II Begründung der Notwendigkeit eines prozessund kanalorientierten multiperspektivischen Ansatzes Bei der Betrachtung von Organisationen ist es wichtig, die Umwelt miteinzubeziehen, da diese die Findung einer „optimalen“ Organisationsstruktur entscheidend beeinflusst. Hierbei spielen vor allem die Gegebenheiten auf den für das Unternehmen relevanten Märkten eine wesentliche Rolle, wobei Unternehmen flexibel durch Anpassung ihrer Strukturen auf deren Veränderungen reagieren können müssen. Gegenwärtig sehen sich die Unternehmen mit einer sich schnell wandelnden Umwelt konfrontiert: Neben der zunehmenden Globalisierung und der damit einhergehenden Intensivierung des Wettbewerbs kommt hierbei, vor allem auch im Rahmen der Prozessorientierung, der Informations- und Kommunikationstechnik eine wesentliche Rolle zu. Macharzina verdichtet in diesem Zusammenhang sechs Urteile von Experten aus Theorie und Praxis zu der Schlussfolgerung: • „Die Informations- und Kommunikationstechnik stiftet Wettbewerbsvorteile. • Der Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnik im Unternehmen bedarf eines gezielten Informationsmanagements. • Die Konzeptualisierung der Informations- und Kommunikationstechnik im Unternehmen ist eine strategische Aufgabe.“34 Die unterstellte nachhaltige Auswirkung der Informations- und Kommunikationstechnik auf die Neugestaltung von Unternehmen wird in der Literatur bereits
34
Macharzina, K.: Unternehmensführung, S. 649.
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
33
von anderen Autoren, wie z.B. Venkatraman beschrieben, der die Unternehmensveränderungen durch die Informations- und Kommunikationstechnik im Hinblick auf die beiden Dimensionen „Transformation von Unternehmensaktivitäten“ und „Reichweite des potentiellen Nutzens“ in einem Fünf-EbenenModell prognostiziert (vgl. Abb. B.3).35
hoch 5. Neudefinition des Geschäftszwecks
4. Neugestaltung des Geschäfts-Netzwerkes Transformation von Unternehmensaktivitäten
3. Neugestaltung von Geschäftsprozessen
2. Unternehmensinterne Integration
1. Innerbetriebliche Insellösung niedrig niedrig
Reichweite des potentiellen Nutzens
hoch
Abb. B.3: Fünf-Ebenen-Modell von Venkatraman36
Die Auswirkungen der Neugestaltung von Geschäftsprozessen im Rahmen der Unternehmensveränderung durch die Informations- und Kommunikationstechnik werden hierbei auf Ebene 3 angesiedelt; weitergehende Reorganisationen ergeben sich durch unternehmensübergreifende IT-Vernetzung und, damit verbunden, durch die Neudefinition des Kerngeschäfts, da Teile des Unternehmens im Rahmen der Aufsplittung der Wertschöpfungsketten gegebenenfalls kostengünstiger ausgelagert werden können.37
35 36 37
Vgl. Venkatraman, N.: IT-Induced Business, S. 122 – 158. Ebd., S. 127. Die Betrachtung von Outsourcing-Entscheidungen wird in der Organisationstheorie umfassend durch die Ansätze der Neuen Institutionenökonomie abgedeckt, so dass hier nicht näher darauf eingegangen wird. Zur unternehmensübergreifenden IT-Vernetzung im Rahmen von Extranets bzw. virtuellen Unternehmen siehe Kapitel B.III.5.
34
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
Viele Unternehmen haben inzwischen die Bedeutung der Prozessorientierung38 für die Steigerung der Effizienz ihrer Arbeitsabläufe und damit für die Generierung von Einsparpotential im Bereich der Kosten erkannt und daher die Optimierung der Prozesse sowohl ablauforganisatorisch als auch IT-technisch zum Leitthema ihrer Organisationen gemacht.39 Die klassische Aufbauorganisation im Sinne einer funktionalen Gliederung tritt zunehmend in den Hintergrund, da die damit verbundenen typischen Probleme die Arbeitsabläufe im Unternehmen intransparent, ressourcenintensiv und schwer steuerbar werden lassen. Als regelmäßige Gestaltungsprobleme gelten hierbei insbesondere:40 • die hohe Zahl an Schnittstellen, die sowohl zu Abstimmungsschwierigkeiten zwischen den einzelnen Funktionsabteilungen („Ressortegoismus“) als auch zu geringer Flexibilität als Folge hoher Kommunikationsaufwände und Entscheidungsprozesse führt, • die starke Arbeitsteilung, die sowohl Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Erfolgsbeitrags des einzelnen Mitarbeiters – und damit eine Suboptimierung im Sinne der Konzentration auf die Ergebnisoptimierung der einzelnen Funktion und nicht auf die Optimierung des Gesamtergebnisses – als auch Zuordnungsprobleme von Ad-hoc-Aufgaben, die bisher keiner Funktion eindeutig zuzurechnen sind, mit sich bringt, • die sinkende Arbeitsmotivation als Folge einer hochgradigen Spezialisierung oder Arbeitszerteilung (uninteressante Arbeitsinhalte, Monotonie, fehlende Sinnbezüge, etc.) sowie • die Komplexität einer funktionsübergreifenden Koordination auf der obersten Führungsebene, die mit steigender Heterogenität des Produktprogramms kaum mehr bewältigt werden kann. Diese Entwicklung von der Aufbau- hin zur Dominanz der Ablauforganisation findet sich auch in den neueren Publikationen zur Organisationstheorie wieder: So definiert Gaitanides die Prozessorganisation als eine Organisationsstruktur, „in der die Stellen- und Abteilungsbildung unter Berücksichtigung spezifischer Erfordernisse des Ablaufs betrieblicher Prozesse im Rahmen der Leistungserstellung und –verwertung“41 vollzogen wird und widerspricht damit dem klassi38 39 40 41
Die Erläuterung des Konzepts der Prozessorientierung und der daraus resultierenden Vorteile erfolgt in Kapitel B.III.3. Zu dieser Einschätzung kommt unter anderem auch die Gartner Group. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse findet sich bei: IDS Scheer: Business, S. 5 – 6. Vgl. Schreyögg, G.: Organisation, S. 131. Gaitanides, M.: Prozeßorganisation, S. 62.
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
35
schen Vorgehen Kosiols, die Prozess- bzw. Ablaufstrukturierung erst nach Festlegung der aufbauorganisatorischen Stellen durchzuführen. Nur so kann das Ziel erreicht werden, den Informations- und Aufgabenstrom des Unternehmens durchgehend zu modellieren und zu unterstützen.42 Doch es sind nicht allein die (internen) Geschäftsprozesse, die durch die Weiterentwicklung der Informations- und Kommunikationstechnik und der damit verbundenen Möglichkeiten der Effizienzsteigerungen verändert werden: Neue Vertriebskanäle und Geschäftsmodelle (z.B. die Quelle Bausparkasse als reine Direkt-Bausparkasse im Internet) etablieren sich, wobei die elektronischen Medien federführend sind. Unter einem Kunden- oder Vertriebskanal (kurz: Kanal) versteht man hierbei den Kontaktpunkt oder Zugangsweg, über den einerseits der Kunde mit dem Unternehmen in Verbindung tritt, kommuniziert und seine Produkte bzw. Service-Leistungen nachfragt und über den andererseits der Vertriebsmitarbeiter den Kunden ansprechen und erreichen kann. Begünstigt durch die neuen Technologien stehen dem Kunden dabei inzwischen unterschiedliche Wege zur Verfügung, mit dem Unternehmen zu kommunizieren. Dies sind für die Filial-Banken und Bausparkassen vor allem: •
der persönliche Kontakt in der eigenen Filiale oder bei Vertriebspartnern,
•
schriftlich per Post oder Fax,
•
das Call-Center oder direkter telefonischer Kontakt mit dem Berater,
•
das Internet,
•
der mobile Vertrieb oder
•
das Handy im Rahmen neuer Mobilfunkstandards.
Von diesen Kanälen nutzen vor allem junge und profitable Kunden nicht nur einen, sondern in der Regel drei bis vier.43 Der (Vertriebs-)Kanal-Mix gewinnt in letzter Zeit branchenübergreifend unter Stichworten wie „Multi-Kanal-Management“, „Multi-Kanal-Controlling“ oder
42 43
Vgl. Bellmann, K.B.: Arbeitsteilung, S. 85. Vgl. Yulinsky, C.: Multi-Channel-Marketing, S.1 sowie N.N.: Multikanal-Strategie, S. 18.
36
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
„Multi-Channeling“ verstärkt an Bedeutung, besonders aufgrund der unterschiedlichen Ertrags- und Kostenlage der einzelnen Kanäle:44 Mit der Etablierung der neuen, meist elektronischen Vertriebskanäle rückt damit auch im Finanzdienstleistungssektor die Koordination der einzelnen Zugangswege in den Mittelpunkt des Interesses, denn es gilt, den aufgrund der vielfältigen Informationsmöglichkeiten vergleichenden und oftmals preisbewussten Kunden den gewünschten Absatzmix bei minimaler Kostenstruktur für das Unternehmen bereitzustellen.45 So ist es für das Management unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten von Interesse und Relevanz zu wissen, wie viele Kunden nur einen oder mehrere Kanäle nutzen und welche Kanäle dies sind, wie viele Transaktionen die Kunden pro Kanal tätigen und mit welchem Volumen, wie teuer eine Transaktion oder Beratung über den Kanal ist, welche Kosten der jeweilige Kanal verursacht, welchen Return on Investment er bringt bzw. wie sich das investierte Kapital amortisiert und wie effizient der Kanal insgesamt genutzt wird. Auf Basis dieser Informationen können Maßnahmen abgeleitet werden, deren Ziel es ist, Einsparpotentiale durch gezielte Verlagerung von Kundenaktivitäten auf die jeweils kostengünstigsten Kanäle zu generieren und somit die Ertragskraft des Unternehmens zu steigern.46 Gleiches gilt für strategische Entscheidungen darüber, welche Kanäle wie stark auf-, aus- oder abgebaut werden, d.h. wie sich das Unternehmen im MultiKanal-Markt und gegenüber den Kunden positioniert.47 Hierbei ist zu beachten: „Die Notwendigkeit einer Integration verschiedener Kanäle auf strategischer, prozessualer und informationstechnischer Ebene hängt von der Häufigkeit der Kundeninteraktion und der Substituierbarkeit der Kanäle ab“48.
44
45 46
47 48
Für eine Einführung in diese Thematik, vor allem auch unter IT-Gesichtspunkten, siehe Gronover, S.; Riempp, G.: Multi-Channel-Management und Gödecke, J.: Multikanal, S. 20 – 22 sowie ergänzend z.B. Kühn, H.: Bank und Mund, J.: Multi Channel Business. Vgl. Stäger, C.: Multi-Channel Management, S. 11f. Dies setzt natürlich voraus, dass das Unternehmen über mindestens zwei verschiedene Vertriebskanäle verfügt. Für die Bausparkassen kann diese Bedingung nach Analyse der Ergebnisse der Befragung der deutschen Bausparkassen als gegeben angesehen werden, wobei für die Bausparkassen sieben Vertriebskanäle identifiziert wurden, die von den einzelnen Bausparkassen mehr oder weniger stark genutzt werden. Siehe hierzu Kapitel E.I, Auswertungsergebnisse der Frage C.1. Vgl. Schröder, G.A.: Multikanalstrategie, S. 20 – 21. Gronover, S.; Riempp, G.: Multi-Channel-Management, S. 10.
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
37
Gerade bei Finanzdienstleistern wie z.B. Bausparkassen ergibt sich eine hohe Integrationsnotwendigkeit, da nahezu alle Geschäfte über jeden Kanal abgewickelt werden können und die Kanäle damit leicht substituierbar sind. Dies bedeutet, dass sowohl einerseits durchgängige, effiziente Prozesse für die einzelnen Kanäle unter Berücksichtigung möglicher Synergieeffekte, wie z.B. Nutzung zentraler Abwicklungseinheiten für mehrere Kanäle, definiert und gesteuert als auch andererseits regelmäßig strategische Entscheidungen zur Ausrichtung und Nutzung der Kanäle getroffen und überprüft werden müssen. Beide Informationsbedarfe sind durch IT-Systeme zu unterstützen, die idealerweise miteinander vernetzt sind. Insgesamt wird deutlich, dass sich die Entscheider in Unternehmen heute mit den folgenden drei Fragestellungen beschäftigen müssen: (1)
Sind die Geschäftsprozesse hinreichend effizient?
(2)
Stimmt der Multi-Kanal-Mix des Unternehmens?
(3)
Welche Auswirkungen ergeben sich aus Änderungen bezüglich der Prozesse und Kanäle auf die (oftmals noch vorhandene) funktional ausgerichtete Aufbauorganisation?
Konsequenterweise folgt daraus sowohl eine dreidimensionale Entscheidungsals auch eine dreidimensionale Strukturierungsproblematik, die es erforderlich macht, für jede Perspektive geeignete (entscheidungs-)unterstützende Informationen unter Berücksichtigung der Interdependenzen zwischen den Perspektiven zur Verfügung zu stellen. Eine rein aufbau- und/oder ablauforganisatorische Betrachtung, wie in den meisten Organisationstheorien üblich, ist also heute nicht mehr ausreichend, da z.B. die Tatsache, dass der Vertriebsprozess in einem Kanal effizient läuft und von entsprechenden Funktionsträgern entsprechend der Leistungsvorgaben abgewickelt wird, nichts darüber aussagt, ob der Vertriebskanal richtig im Markt positioniert und in den Multi-Kanal-Mix des Unternehmens eingebunden ist. Es bedarf hierzu vielmehr der Entwicklung eines prozess- und kanalorientierten multiperspektivischen Ansatzes unter Antizipation der oftmals noch bestehenden funktional ausgerichteten Aufbauorganisation und damit der Erweiterung der bestehenden Organisationstheorien.
38
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
III Theoretische Fundierung eines prozess- und kanalorientierten multiperspektivischen Ansatzes 1
Der Situative Ansatz (Kontingenztheorie)
Mit den Zusammenhängen zwischen den Änderungen der Umwelt und den Auswirkungen auf die Organisationsstrukturen beschäftigt sich in der Literatur vor allem der Situative Ansatz, der auch als Kontingenztheorie bezeichnet wird. Die Kontingenztheorie entstand in der Managementlehre der 1950er Jahre aus der Erkenntnis heraus, dass es keine allgemeingültigen Organisationsprinzipien für Unternehmen geben kann, sondern dass die Wahl und Ausprägung der Organisationsstruktur jeweils situativ unter Beachtung interner und externer Faktoren anzupassen ist. Hierbei wurde von folgenden grundlegenden Annahmen ausgegangen:49 •
Die formale Organisationsstruktur nimmt starken Einfluss auf die Effizienz der Organisation.
•
Es existieren keine universell effizienten Organisationsstrukturen, d.h. es gibt keine optimale Organisationsmethode.
•
Organisationen müssen ihre Struktur ihrer konkreten Situation anpassen, um ihre Ziele erreichen zu können.
Um diese Annahmen zu überprüfen, wurde ein dreistufiger Ansatz gewählt:50 1) Beschreibung und Operationalisierung von Organisationsstrukturen, d.h. Entwicklung einer operationalisierbaren Konzeption der Organisationsstruktur 2) Identifikation relevanter situativer Faktoren oder Einflussgrößen zur Erklärung von Unterschieden zwischen Organisationsstrukturen, d.h. Entwicklung einer operationalisierbaren Konzeption der Situation 3) Auswirkung unterschiedlicher Situation-Struktur-Konstellationen auf Ressourceneinsatz, Mitarbeiterverhalten und Effizienz, d.h. Entwicklung einer
49 50
Vgl. Kieser, A.: Organisationstheorien. Vgl. ebd.
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
39
operationalisierbaren Konzeption von Mitarbeiterverhalten und Organisationseffizienz Unter Anwendung von Hypothesen bezüglich der Auswirkung der Situation auf die Organisationsstruktur sowie der Auswirkung von Situation und Struktur auf das individuelle Verhalten der Mitarbeiter wurden im Rahmen unterschiedlicher Forschungsprojekte (besonders Woodward, Burns/Stalker, Pugh/Hickson, Kieser und Lawrence/Lorsch) unter anderem Organisationsgröße, Alter, Fertigungstechnik, Informationstechnik, Rechtsform, Kundenstruktur, Branchengegebenheiten sowie Komplexität und Dynamik des Umfeldes als Einflussfaktoren auf die Situation des Unternehmens identifiziert, die simultan zu berücksichtigen sind.51
Situation der Organisation
Formale Organisationsstruktur
Verhalten der Organisationsmitglieder
Effizienz der Organisation
Abb. B.4: Das Forschungsprogramm des Situativen Ansatzes52
51
52
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchungen und der daraus abgeleiteten theoretischen Erkenntnisse sind z.B. dargestellt in: • Kieser, A.: Organisationstheorien. • Lawrence, P.; Lorsch, J.W.: Organizations. • Schreyögg, G.: Organisationstheorie. Kieser, A; Kubicek, H.: Organisation, S. 57.
40
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
In bezug auf kontingenztheoretische Ansätze wurden in der Literatur bereits verschiedene grundlegende Kritikpunkte geäußert, von denen hier eine Auswahl in skizzierter Form genannt wird:53 •
Die Möglichkeit des absichtsvollen Gestaltens der Situation bzw. Umwelt durch die Organisation selbst wird nicht berücksichtigt. Tatsächlich kann ein Unternehmen seine Umwelt aber z.B. über Marketingmaßnahmen zur Steigerung der Nachfrage aktiv beeinflussen.
•
Die Option des absichtsvollen Gestaltens der Organisationsstruktur durch das Unternehmen selbst wird vernachlässigt. In der Realität kann die Organisation ihre Struktur aber bewusst z.B. durch Hinzukaufen oder Abstoßen von Geschäftsfeldern oder durch Restrukturierungsmaßnahmen formen. Dieser Einwand – unter anderem durch Child54 und Mintzberg55 – führte zusammen mit der bereits erläuterten Erkenntnis, dass Unternehmen ihre Situation absichtsvoll gestalten können, zur Entwicklung von ManagementAnsätzen wie Porter’s Five Forces56, deren Intention es ist, das Unternehmen innerhalb der Gegebenheiten des Marktes optimal zu positionieren – sei es durch Beeinflussung der Umwelt oder durch Anpassung der eigenen Struktur. Zur Hilfestellung entwirft Mintzberg fünf idealtypische Organisationstypen, die je nach Situation unterschiedlich proportioniert werden können. Als Dimensionen unterscheidet er Organisationsbereiche (Operative Core/ Operativer Kern, Strategic Apex/Strategische Spitze, Middel Line/Mittleres Management, Technostructure/Technostruktur und Support Staff/ Hilfsstäbe), bestimmte Koordinationsinstrumente sowie unterschiedliche Formen und Grade der Zentralisierung und Dezentralisierung.57
•
Es wird die Annahme getroffen, dass es für jede Situation (d.h. unter bestimmten Rahmenbedingungen) nur eine richtige, die Lebensfähigkeit der Organisation erhaltende Strukturform geben kann. Tatsächlich können benötigte Systemanforderungen nicht nur durch eine, sondern durch mehrere in ihrer Funktion äquivalente Strukturen erfüllt werden, d.h. es existieren funktionale Äquivalente.
53
Vgl. zur Erläuterung sowohl des Ansatzes als auch der kritischen Betrachtung unter anderem Kieser, A.: Ansatz, S. 169 – 198. Vgl. Child, J.: Organizational structure, S. 1 – 22. Vgl. Mintzberg, H.: Organizations, S. 332 – 353. Vgl. Porter, M.E.: Competitive Forces, S. 60 – 69. Zur weiteren Erläuterung von Porter’s Five Forces siehe Hill, C.W.L.; Jones, G.R.: Strategic Management, S. 72 – 84. Vgl. Mintzberg, H.: Mintzberg-Struktur.
54 55 56 57
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
41
•
Es wird kein Konzept oder Modell zur Verfügung gestellt, durch das die Anpassung der Organisationsstruktur an die Situation erklärt und in die Praxis übertragbar gemacht wird.
•
Moderne Formen der Organisationsgestaltung als Konsequenz der Entwicklung neuer Technologien werden nicht berücksichtigt. Der Situative Ansatz ist vergangenheitsorientiert, indem er nur die organisatorischen Lösungen erfasst und bewertet, die bereits in Unternehmen umgesetzt wurden. Die Vorausplanung innovativer Organisationsstrukturen unter Antizipation neuer Technologien wird nicht unterstützt.
•
Der Situative Ansatz geht von einer „objektiven“ Konzeptionierung und Erfassung von Organisationsstrukturen aus. Das heißt, Wahrnehmungen, Intentionen und Handlungen der Organisationsmitglieder sind nicht zu berücksichtigen. Interpretative Ansätze der Organisationstheorie sehen das Handeln der Organisationsmitglieder dagegen als Ergebnis von Verständigungsprozessen und konzentrieren sich eher auf Ideologien und Werte als auf formale Strukturen.
Zusätzlich zu den genannten Kritikpunkte ergibt sich aus dem Situativen Ansatz vor allem die Frage: Wie können die Entscheider im Unternehmen überhaupt erkennen, dass sich die Umwelt geändert hat bzw. dass eine Änderung der Organisationsstrukturen notwendig wird?
Zwar erkennen moderne Weiterentwicklungen des Situativen Ansatzes wie z.B. der Gestaltansatz an, dass nicht nur einzelnen oder wenige Variablen die Organisationsstruktur determinieren, sondern dass aufgrund der Komplexität des Zusammenspiels struktureller, verhaltensbezogener und umweltbedingter Faktoren die multikausale Analyse von Variablen notwendig ist.58 Doch es fehlt die Berücksichtigung des Bindeglieds, das es den Organisationen ermöglicht, alle für sie relevanten Zustände und Veränderungen von Variablen zu erkennen: die Beschreibung und Konkretisierung der Informationsbeschaffung und der Interpretation der erhaltenen Zahlen, Daten und Fakten.
58
Vgl. Macharzina, K.; Engelhard, K.: Paradigm Shift, S. 23 ff.
42
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
2
Der Betriebswirtschaftliche Informationsverarbeitungsansatz
Am Punkt der Informationsbeschaffung und deren Interpretation setzen neuere entscheidungsorientierte Ansätze an, bei denen das Informationsmanagement expliziter Forschungsschwerpunkt ist. Während der Informationsinterpretationsansatz auf die umfassende Analyse des Informationsverarbeitungsverhaltens der Entscheider abzielt59, konzentriert sich der Betriebswirtschaftliche Informationsverarbeitungsansatz darauf, die Informations- und Datenflüsse im Unternehmen transparent zu machen, um so die Qualität der unternehmerischen Entscheidung durch den Einsatz von Informationstechnik steigern zu können. Ziel ist hierbei die Umsetzung der Anforderungen der strategischen Unternehmensplanung in eine geeignete IT-Systemarchitektur. Aufgrund der instrumentellen Sichtweise der Informationsverarbeitung werden jedoch motivationale und soziale Komponenten vernachlässigt.60 Der Betriebswirtschaftliche Informationsverarbeitungsansatz ist insgesamt stark technikorientiert und vernachlässigt die Unterstützungsfunktion der IT zugunsten der Realisierung eines maximalen datenseitigen Rationalisierungspotentials. Auch fehlt die organisatorische Fundierung der Interdependenzen zwischen Informationssystemen und Organisationsstruktur: So wird „die EDV weniger als Chance für die Nutzung bzw. Einführung neuer Organisationsstrukturen und als Unterstützung für die Organisation gesehen, sondern sie ist das Ziel der Gestaltungsmaßnahmen. Es werden lediglich Informationsflüsse und Informationsbeziehungen untersucht, aber darauf aufbauend keine weiteren organisatorischen Gestaltungsspielräume gesucht.“61 Vor allem die Tatsache, dass bei der Gestaltung der Informationsflüsse sowohl die gegebene Stellenstruktur als auch existierende Prozesse akzeptiert und nicht bezüglich der Hebung von Effizienzsteigerungspotentialen kritisch bei der Einführung neuer IT-Systeme hinterfragt werden, führt dazu, dass im Rahmen des Betriebswirtschaftlichen Informationsverarbeitungsansatzes vorhandene Gestaltungsoptionen nicht voll genutzt werden.62
59 60 61 62
Vgl. z.B. Daft, R.L., Weick, K.E.: Model of Organizations, S. 284 ff. Vgl. Mangler, W.-D.: Organisation, S. 43 f. Kalenborn, A.: Prozeßorganisation, S. 40. Vgl. Kalenborn, A.: Prozeßorganisation, S. 40.
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
3
43
Die Prozessorientierung
Mit der Realisierung von Effizienzsteigerungen im Rahmen der Neustrukturierung und informationstechnischen Unterstützung von Organisationen beschäftigen sich die Mitte der 1980er Jahre entstandenen Ansätze der Prozessorientierung. Der Grundgedanke der Prozessorientierung besteht darin, die funktionale Arbeitsteilung im Unternehmen mit ihren bekannten Nachteilen (Schaffung von Schnittstellen und, daraus folgend, Erhöhung des Koordinationsbedarfs sowie Verlangsamung der Unternehmensabläufe) durch eine am Kunden orientierte, IT-technisch unterstützte Prozessstruktur, d.h. durch Bildung von organisatorischen Einheiten mit Prozessverantwortung, zu ersetzen.63 Daher wird die Prozessorientierung – und mit ihr das daraus resultierende Prozessmanagement – heute weitgehend als Leitbild bzw. Instrument einer kundenorientierten Unternehmensführung interpretiert.64 Der Zusammenhang zwischen Prozessorientierung und Kundenorientierung erklärt sich hierbei dadurch, dass erst eine hohe Qualität der einzelnen Arbeits- und Detailprozesse65 einen hochqualitativen Ablauf des gesamten Geschäftsprozesses ermöglicht, der wiederum aufgrund des unter Qualitätsgesichtspunkten optimierten Arbeitsergebnisses Kundenzufriedenheit generiert. Damit bilden • Qualitäts- und Serviceverbesserungen (Prozessqualität), • Kostensenkungen (Prozesskosten) und • Zeiteinsparungen und erhöhte Produktivität (Durchlaufzeit) die ersten drei wichtigen Grundlagen und Ziele der Prozessorientierung.66 Um allerdings langfristig am Markt wettbewerbsfähig bleiben zu können, müssen Unternehmen darüber hinaus über •
die Fähigkeit zur Entwicklung innovativer Produkte und Dienstleistungen (Innovationsfähigkeit) und über
63
Vgl. Bea, F.X.; Göbel, E.: Organisation, S. 349 – 350 und 355 – 358. Vgl. z.B. Gaitanides, M.; Scholz, R.; Vrohlings, A.: Prozeßmanagement, S. 13. Ein Geschäftsprozess lässt sich in einzelne Arbeitsprozesse aufsplitten, die erneut in Detailprozesse – die eigentlichen operativen Prozesse – unterteilt werden können. Vgl. Schwarz, M.; Braun, A.: Unternehmensprozessgestaltung, S. 12.
64 65 66
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• die Flexibilität, angemessen schnell auf veränderte Kundenanforderungen reagieren zu können (Kundenorientierung und Flexibilität), verfügen.67
Prozessqualität Prozessqualität bedeutet einerseits den fehlerfreien Ablauf des Prozesses selbst, andererseits aber auch die Erfüllung der vom Kunden definierten Anforderungen durch den Prozessoutput. Damit lässt sich Prozessqualität über Fehlerraten erfassen, wobei Fehler enttäuschte Erwartungen interner und externer Kunden repräsentieren. Verbesserungen der Prozessqualität lassen sich daher über eine Minimierung von Fehlerraten, die Eliminierung von Fehlleistungskorrekturen und -kosten sowie eine Reduktion von Prozessverzögerungen erreichen.68
Prozesskosten Zur Optimierung der Prozesskosten bedarf es der Identifikation von kostenintensiven, unwirtschaftlichen Prozessen und der anschließenden Eliminierung von darin enthaltenen nicht-wertschöpfenden Tätigkeiten. Unwirtschaftliche Prozesse zeichnen sich hierbei in der Regel durch ineffiziente Abläufe, häufige Iterationen bzw. Redundanzen und einen geringen Mechanisierungsgrad aus. Darüber hinaus verursachen Abweichungen zwischen Aufbau- und Ablauforganisation zusätzliche Koordinationskosten wie z.B. Informationsspeicherung, Transportkosten oder Rüstkosten, da neben den Prozessschnittstellen auch organisatorische Schnittstellen existieren. Außerdem können gegenläufige Organisations- und Prozessziele den kostenoptimalen Ablauf eines Prozesses negativ beeinflussen, da z.B. Ressourcen und Kapazitäten unterschiedlich gewichtet und bereitgestellt bzw. nachgefragt werden.69
67 68 69
Vgl. Schwarz, M.; Braun, A.: Unternehmensprozessgestaltung, S. 12. Vgl. Scholz, R.; Vrohlings, A.: Prozeß-Redesign, S. 104-105. Vgl. ebd., S. 106.
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Ein geeignetes Hilfsmittel, um Unwirtschaftlichkeiten bei den Prozessen aufzudecken und dem Gedanken der Prozesstransparenz Rechnung zu tragen, ist hierbei die Prozesskostenrechnung70.
Durchlaufzeit Da viele Kunden inzwischen qualitative Produkteigenschaften und konkurrenzfähige Preise als Hygienefaktoren voraussetzen, die erfüllt sein müssen, um keine Unzufriedenheit auszulösen, aber deren Vorhandensein keine Zufriedenheit an sich generiert, wird die Durchlaufzeit eines Prozesses zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor, da der Kunde eine schnelle Bearbeitung des Kundenwunschs und Bereitstellung des Arbeitsergebnisses honoriert. 71 Die Durchlaufzeit eines Prozesses lässt sich in Bearbeitungs-, Transport- und Liegezeiten aufspalten und umfasst damit die gesamte Zeitspanne vom prozessauslösenden Input bis hin zur Verfügbarkeit des Produktes bzw. der Dienstleistung für den Kunden.72 • Die Bearbeitungszeit repräsentiert den Zeitaufwand, der benötig wird, um das Prozessergebnis in seiner Substanz zu erstellen, wobei sowohl wertschöpfende als auch nicht-wertschöpfende (wie z.B. prüfende) Arbeitsschritte beinhaltet sind. • Die Transportzeit wird benötigt, um Prozessergebnisse sowohl intern als auch extern vom entsprechenden Lieferanten zum jeweiligen Kunden zu überführen. • Die Liegezeit entspricht der Zeit, in der ein Vorgang unbearbeitet im Prozess verweilt (z.B. im Bearbeitungsstapel auf dem Schreibtisch). Da das Verhältnis von Bearbeitungszeit zu Gesamtdurchlaufzeit eines Prozesses eine wichtige Maßgröße für die Prozessqualität darstellt, ist es das Ziel der Prozessorientierung, die Durchlaufzeit zu reduzieren, indem nicht-wertschöpfende Maßnahmen minimiert und wertschöpfende Arbeitsschritte optimiert werden.
Innovationsfähigkeit Die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens erstreckt sich auf zwei Dimensionen: den Prozess und das Produkt.
70
71 72
Eine Einführung in die Grundlagen der Prozesskostenrechnung geben unter anderem Scholz, R.; Vrohlings, A.: Prozeß-Leistungs-Transparenz, S. 76 – 86 sowie Mayer, R.: Prozeßkostenrechnung, S.3 - 27. Vgl. Schwarz, M.; Braun, A.: Unternehmensprozessgestaltung, S. 15. Vgl. Gaitanides, M.; Scholz, R.; Vrohlings, A.: Prozeßmanagement, S. 14 - 15.
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Ziel der Prozessinnovation ist es, den Ablauf von Prozessen effizienter und schneller zu gestalten. Durch Produktinnovation wird zukünftigen Marktanforderungen und deren erfolgreicher Umsetzung durch die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen oder die Erschließung neuer Märkte Rechnung getragen. Beide Dimensionen müssen erfüllt sein als Voraussetzung für ein innovatives Unternehmen.73
Kundenorientierung und Flexibilität Kundenorientierung bedeutet, sowohl die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden zu identifizieren als auch diese Belange zu befriedigen. Dazu ist mitunter ein hohes Maß an Flexibilität erforderlich, da Sonderwünsche kurzfristig umsetzbar sein sollen. Flexibilität erstreckt sich hierbei sowohl auf die Fähigkeit, schnell (und überhaupt) auf veränderte Kundenanforderungen im Rahmen der Produktentwicklung reagieren zu können als auch auf die Möglichkeit, durch einen geringen Standardisierungsgrad der Prozesse auf die Anforderungen des Kunden einzugehen. In bezug auf den Standardisierungs- und Formalisierungsgrad von Prozessen muss allerdings das Optimum zwischen Flexibilität und Produktivität angestrebt werden.74 Ergeben sich aus den erläuterten fünf Faktoren auf den ersten Blick bei gleichzeitiger Zielverfolgung Interessenskonflikte und Interdependenzen, so wird bei genauerer Betrachtung deutlich, dass diese Ziele komplementär zueinander wirken: So können z.B. Qualitätsverbesserungen und Innovationen im Prozess die Kostenstruktur positiv beeinflussen.75 Genauso wie eine Verkürzung der Durchlaufzeit dazu beiträgt, die Prozesskosten zu reduzieren und die Flexibilität des Unternehmens zu erhöhen. Das Optimum der Produktivitätssteigerung durch Prozessorientierung wird aber erst dadurch erreicht, dass die organisatorischen Auswirkungen, die sich aus der Umsetzung der beschriebenen Ziele auf die Gestaltung und Bedeutung der Prozesse im Unternehmen ergeben, informationstechnisch unterlegt und weitergetrieben werden.
73 74 75
Vgl. Schwarz, M.; Braun, A.: Unternehmensprozessgestaltung, S. 16. Vgl. ebd. Vgl. ebd., S. 12.
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47
Den Ansätzen der Prozessorientierung, denen in der Praxis bereits eine große Bedeutung zukommt, fehlt jedoch eine umfassende organisationstheoretische Fundierung, so dass die Prozessorientierung nicht als etablierte Organisationstheorie angesehen werden kann. Diese Problematik prozessgetriebener Ansätze wurde in der Literatur unter anderem bereits von Thomaschewski/Krotz erkannt: „Festzustellen ist, dass ein allgemeingültiger umfassender organisationstheoretischer Bezugsrahmen fehlt. Die vorliegenden Ansätze beschreiben mehr oder weniger umfangreich Teile des Gesamtspektrums von Organisationsentwicklungsprozessen und -strukturen.“ 76 Im Bereich der organisatorischen Entscheidungsforschung und der Systemtheorie gibt es zwar durchaus einige Ansätze in Richtung Prozessorientierung; in den entscheidungslogisch-mathematischen Ansätzen ist jedoch die Übertragbarkeit der Modellanalysen auf die Praxis der Organisationsgestaltung bisher nicht gelungen.77 In den systemtheoretischen Ansätzen wurde der Umformungsprozess von Ressourcen über den Zyklus Input – Throughput – Output identifiziert und im Ressourcen-Abhängigkeits-Theorem78 konkretisiert; der Schwerpunkt liegt hierbei allerdings auf der Entwicklung von Kooperationsstrategien zur Steigerung der Umweltkontrolle und Reduktion der Auswirkungen der Abhängigkeit von externen Ressourcen. Eine reine Konzentration der Organisationsentwicklung auf Konzepte zur Prozessorientierung des Unternehmens erscheint im Hinblick auf den spezifischen Informationsbedarf bezüglich der Kanalsicht, aber auch bezüglich der aufbauorganisatorischen Sichtweise zur Kontrolle der Zielerreichung funktionaler Einheiten insgesamt als zu kurz gegriffen. Hier schafft der Ansatz der Multiperspektivischen Organisationstheorie Abhilfe.79
4
Problematik der theoretischen Fundierung eines prozess- und kanalorientierten multiperspektivischen Ansatzes
Die Problematik der theoretischen Fundierung eines prozess- und kanalorientierten Unternehmenssteuerungskonzepts anhand der bestehenden Organisations76 77 78 79
Thomaschewski, D.; Krotz, J.: Organisationsentwicklung, S. 17. Vgl. Schreyögg, G.: Organisation, S. 70f. Vgl. hierzu Pfeffer, J.: Resource dependence, S. 25 – 55; Pfeffer, J.; Salancik, G.R.: External control sowie Thompson, J.P.: Organizations. Siehe hierzu insbesondere Kapitel B.VI.1.
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theorien80 bzw. deren aktueller Weiterentwicklungsansätze ergibt sich demnach daraus, dass in der Regel nur die Aufbau- und Ablauforganisation, aber keine Kanäle betrachtet werden und dass grundsätzlich die Aufbauorganisation vor der Ablauforganisation gesehen wird. Auch die Integration informationstechnischer Konzepte wurde noch nicht effizienzsteigernd vollzogen. Keiner der organisationstheoretischen Ansätze geht (hinreichend) gleichermaßen auf die Bedeutung der Kanäle für die Organisationsgestaltung, die Fokussierung auf die interne Prozesseffizienz sowie insgesamt auf die Zusammenhänge zwischen Organisationsgestaltung und Unternehmenssteuerung und insbesondere auf die aus den Erfordernissen der Unternehmenssteuerung resultierenden Anforderungen an die Organisationsgestaltung und die zugrundeliegenden ITSysteme ein. Vor allem die Strukturierung des Unternehmens nach Kanälen wird nicht betrachtet, sondern nur die reine (funktionsorientierte) Aufbau- und prozessorientierte Ablauforganisation. Ein geeigneter organisationstheoretischer Ansatz zur Unterstützung einer multiperspektivischen Strukturierungsentscheidung steht damit derzeit nicht zur Verfügung. Vor dem Hintergrund der bezüglich Prozess-, Kanal- und IT-Orientierung nur unzureichenden Weiterentwicklung der Organisationstheorie wird insgesamt deutlich: • Die theoretische Betrachtung von Konzepten zur Prozessorientierung mit der Zielsetzung der Steigerung der internen Effizienz durch gezieltes Prozessmanagement ist noch nicht ausreichend genug dargelegt worden. • Weder die etablierten Organisationstheorien noch deren Weiterentwicklungen berücksichtigen explizit das Management von Vertriebs- oder Kundenkanälen. • Die Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnik wurden bisher organisationstheoretisch nur unzureichend erschlossen und berücksichtigt, d.h. sowohl die zentrale Stellung von IT-Systemen bei der Unterstützung und Kontrolle des Menschen bei der Aufgabenerfüllung als auch die selbständige Durchführung von Prozessen im Rahmen der Automatikverar-
80
Als bestehende bzw. etablierte Organisationstheorien werden angesehen: Bürokratieansatz, Tayloristischer Ansatz, Human Relations-Ansatz, Strukturtechnischer Ansatz, Situativer Ansatz (Kontingenztheorie), Entscheidungstheoretischer Ansatz, Property-Rights-Ansatz, Transaktionskostenansatz, Principal-Agent-Ansatz, Evolutionstheoretischer Ansatz, Interpretativer Ansatz und Selbstorganisationsansatz. Vgl. hierzu auch Bea, F.X.; Göbel, E.: Organisation, S. 205 – 207.
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beitung und Workflow-Steuerung durch IT-Systeme findet nicht genügend Antizipation.81 • Bezogen auf die praktische Anwendbarkeit der Organisationstheorie fehlt ein Modell zur perspektivenübergreifenden82 Kennzahlenerfassung bzw. ein System zur konsequenten, den IT-technischen Möglichkeiten gerecht werdenden Erhebung von Kennzahlen sowie ein Verfahren zur Verknüpfung der gewonnenen Kennzahlen zu einem einzigen großen interdependenten Unternehmenssteuerungssystem unter Hebung von Effizienzsteigerungspotentialen durch organisatorische Veränderungen im Rahmen seiner Einführung. Darüber hinaus bleiben unter Berücksichtigung der gegebenen Notwendigkeit einer multiperspektivischen Sichtweise auf das Unternehmen zusätzlich folgende Fragestellungen offen: • Wie erkennt der Entscheider, ob die Informationen, die (durch ITSysteme) entlang der bisher im Unternehmen bestehenden Strukturen (z.B. der bestehenden Prozesse) und am Markt erhoben werden, ausreichend sind, um auf alle Veränderungen der Umwelt reagieren zu können? • Unterschiedliche Entscheidungssituationen fordern unterschiedliche Sichtweisen auf das Unternehmen (z.B. Prozesssicht zur Beurteilung der internen Kostensituation, Kanalsicht zur Überprüfung und Steuerung des MultiKanal-Mixes des Unternehmens). Wie deckt sich dies mit der Annahme der Organisationstheorien, dass Organisationsstrukturen im Unternehmen real umgesetzt sein müssen, wenn sie zur Gewinnung von Informationen, Herleitung von Handlungsanweisungen und Unterstützung strategischer Entscheidungen herangezogen werden sollen? Reale Umsetzung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Organisationsstruktur mit Hierarchieebenen, Stellen, Leitungs- und Informationsflüssen etc. hinterlegt wurde und damit im Unternehmen „gelebt“ wird.
81
82
Dies hängt wohl sehr wahrscheinlich damit zusammen, dass die IT zum Zeitpunkt der Entwicklung der etablierten Organisationstheorien noch nicht bekannt war bzw. noch keine nennenswerte Rolle gespielt hat. Es gibt aber keinen Grund, die inzwischen zentrale Stellung von IT-Systemen sowohl bei der Unterstützung und Kontrolle des Menschen bei der Aufgabenerfüllung als auch die selbständige Durchführung von Prozessen im Rahmen der Automatikverarbeitung und WorkflowSteuerung von IT-Systemen weiterhin – provokant formuliert – zu ignorieren. Mit dem Betriebswirtschaftlichen Informationsverarbeitungsansatz wurde bereits ein erster Schritt in diese Richtung unternommen. Perspektivenübergreifend bedeutet hierbei die Berücksichtigung sowohl der Funktionalen Perspektive als auch der Prozess- und der Kanalperspektive im Rahmen der Gewinnung von Kennzahlen zur Unternehmenssteuerung.
50
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• Können Organisationsstrukturen in diesem Zusammenhang auch rein virtuell abgebildet und geändert werden?
5
Virtuelle Organisationsstrukturen
Aufgrund der technischen Auswertungsmöglichkeiten von Informationen ist es inzwischen möglich, Organisationsstrukturen, die in dieser Form im Unternehmen nicht real existieren, zur Unterstützung der strategischen Entscheidungsfindung rein virtuell abzubilden. Das heißt, in einem Unternehmen, das z.B. funktional nach Abteilungen gegliedert ist, könnten als Folge der IT-technischen Auswertung von Unternehmensdaten und Automatik-Abläufen ein rein virtuelles prozess- oder kanalspezifisches Kennzahlensystem generiert werden, das es den Entscheidern erlaubt, das Unternehmen so zu sehen, als wäre es tatsächlich real nach Prozessen oder Kanälen gegliedert. Damit werden auch Kennzahlen erfasst, die nicht zu den üblichen funktionalen Steuerungsgrößen zählen; ein Beispiel hierfür wären z.B. die Kosten je Transaktion im Kanal. Eine Virtuelle Organisationsstruktur, wie sie in der vorliegenden Arbeit verstanden wird, ist damit • ein Abbild der bestehenden Organisation, betrachtet aus und virtuell organisiert nach einer neuen Perspektive und damit • grundsätzlich als Ergänzung zur real umgesetzten Organisationsstruktur gedacht, • abgeleitet aus Daten in IT-Systemen (Kennzahlenermittlung) sowie aus Rollen- und Berechtigungskonzepten (virtuelle [Personal-]Struktur), • entstanden als Auswertungsergebnis einer zentralen Kennzahlen-Datenbank des Unternehmens bzw. eines umfassenden oder mehrerer, ggf. integrierter IT-Systeme, • auf Dauer als eine permanente Entscheidungsunterstützung angelegt und • auf unterschiedlichen Detaillierungsebenen einsetzbar (Abbildung des Gesamtunternehmens, eines Bereiches, eines Produktes, etc.).
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Die technische Grundlage für virtuelle Organisationsstrukturen liefern z.B. multidimensionale Datenbanken83, Data Warehouse-Konzepte84, Enterprise Application Integration-Systeme85 sowie insbesondere Workflow-Management-Systeme, die es erlauben, repetitive, exakt definierte Geschäftsprozesse softwaretechnisch zu modellieren, auf der Grundlage programmierter Ablaufregeln automatisch zu steuern und über Schnittstellen die gewonnenen Informationen in andere Applikationen zu integrieren.86 In der Konsequenz ist es also bei entsprechender Definition von Messstrecken in Arbeitsabläufen und damit dem Vorhandensein der benötigten Daten theoretisch denkbar, für das Unternehmen eine vollständig dokumentierte und nachvollziehbare virtuelle Organisationsstruktur nach einer für das Unternehmen aus strategischen Gesichtspunkten notwendigen bzw. sinnvollen Perspektive (z.B. Kanalperspektive) – völlig losgelöst von der real existierenden Organisationsform (z.B. funktionale Organisation) – als Entscheidungsgrundlage zu erzeugen.87 Voraussetzung hierfür ist allerdings, • dass alle Arbeitsabläufe im Unternehmen IT-technisch unterstützt sind, • die entsprechenden Daten in den Systemen hinterlegt sind und • diese bei Bedarf in die auswertenden Systeme übertragen werden können (Stichwort: Schnittstellenproblematik und Kompatibilität der Systeme).
83 84
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86 87
Etabliertes Beispiel für multidimensionale Datenbanken sind z.B. die ALEA-Datenbanken der Firma MIS AG. Data Warehouse-Konzepte führen Daten aus unterschiedlichen Quellen des Unternehmens (z.B. aus Geschäftstransaktionen und Prozessen gewonnene Informationen) zusammen und organisieren diese für statistische Auswertungen zur Unterstützung von Managemententscheidungen und zur Geschäftsprozesssteuerung sowie zur Erweiterung der betrieblichen Wissensbasis. Für weitere Informationen zu diesem Thema siehe Berning, R.: Prozessmanagement, S. 109 – 114. Enterprise Application Information-Systeme stellen eine Integrationsplattform zur Verfügung, um alle IT-Ressourcen des Unternehmens (z.B. Anwendungssysteme, Datenbanken, Internet- und Mainframe-Applikationen oder Middleware-Technologien) miteinander zu verknüpfen. Ziel ist es hierbei, Schnittstellen zu reduzieren, die Datenlandschaft zu harmonisieren, Prozesse zu beschleunigen, prozessorientierte Informationsflüsse in Form von Kennzahlen auch aus unterschiedlichen Systemen heraus generieren zu können sowie insgesamt die Flexibilität der Organisation zu erhöhen. Vgl. hierzu auch IDS Scheer: Anwendungsintegration, S. 2 – 4, Kurdelski, L.-P.: EAI, S. 4; Meyer, M.; Weingärtner, S.: Integration, S. 199 – 229; Dangelmaier, W; Buhl, L.; Christ, J.; Pape, U.; Rüther, M.: Systementscheidung, S. 231 – 254 sowie Hunsicker, M.: Integrationsplattform, S. 255 – 266. Vgl. Berning, R.: Prozessmanagement, S. 103 – 109. Zu diese Einschätzung kommen auch verschiedene Experten und Praktiker aus dem Bankwesen. Eines der geführten Gespräche mit Herrn Dipl.-Kfm. Jürgen Gödecke, Leiter Strategische Planung und Strategisches Controlling / E-Commerce im Bereich Private Kunden Inland der Dresdner Bank AG in Frankfurt / Main, wurde im Anhang dokumentiert.
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MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
Wie die Befragung der Bausparkassen ergab, sind aber nur durchschnittlich 84% und nicht 100% der Abläufe in den zentralen Dienstleistungs- und Produktionsprozessen des Bauspargeschäfts IT-technisch unterstützt.88 Sollten Daten aus den verbleibenden 16% der Aufgaben benötigt werden, müssten diese manuell erfasst und eingepflegt werden, was unter Umständen mit erheblichem Zeit- und Kostenaufwand verbunden sein kann. Dass es grundsätzlich möglich ist, Geschäftsabläufe im Finanzdienstleistungsbereich virtuell zu modellieren, zu messen und zu steuern, wird am Beispiel der Direkt-Bausparkasse von Quelle oder anderen Direktbanken deutlich. Wenngleich dieses Geschäftsmodell nicht universell anwendbar ist, so zeigt die Tatsache, dass diese Unternehmen einen Großteil ihres Geschäftes virtuell, d.h. ITtechnisch, abbilden und steuern, ohne reale Strukturen in Teilgebieten ihres Geschäftes (z.B. reale Geschäftsstellen im Vertrieb) zu schaffen, aber zumindest, dass virtuelle Organisationsstrukturen prinzipiell realisierbar und funktionsfähig sind. In der Literatur beschäftigten sich bereits Davidow und Malone, die 1992 den Begriff der virtuellen Unternehmung (Virtual Corporation) einführten89, mit der Virtualität von Organisationen. Der Begriff der virtuellen Unternehmung ist hierbei allerdings definiert als „ein zeitlich begrenzt kooperierendes Netzwerk aus selbständigen Unternehmen (Kunden, Lieferanten, Konkurrenten), die über komplementäre Kompetenzen verfügen und gemeinsam ein Projekt abwickeln.“90 Charakteristische Merkmale dieser virtuellen Unternehmung sind die Verbindung der einzelnen Unternehmen rein über die Informationstechnologie, das Fehlen von Hierarchien und vertikaler Integration sowie die auf Kurzfristigkeit ausgelegte Zeitspanne der Zusammenarbeit. Mertens und Faisst identifizieren hierbei die hochentwickelte Informationsinfrastruktur als entscheidenden Erfolgsfaktor.91 Unternehmensintern wurden ebenfalls bereits Formen virtueller Organisation benannt, die sich vor allem durch eine starke IT-technische Unterstützung der Zusammenarbeit auszeichnen92: Dynamische Netzwerke durch Miles und 88 89 90 91 92
Ergebnis der Befragung der deutschen Bausparkassen. Für weitere Informationen siehe Kapitel E.I. Vgl. Davidow, W.; Malone, M.: Virtual Corporation. Bea, F.X.; Göbel, E.: Organisation, S. 369. Vgl. Mertens, P.; Faisst, W.: Virtuelle Unternehmen, S. 280. Vgl. Garrecht, M.: Entstehung, S. 103 – 130.
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Snow93, virtuelle Abteilungen durch Scholz94 sowie die Projektorganisation durch Peters95. In den bestehenden Organisationstheorien beschäftigen sich vor allem die Ansätze der Neuen Institutionenökonomie, d.h. die Property-Rights-Theorie, die Principal-Agent-Theorie und die Transaktionskostentheorie mit der Koordination arbeitsteiliger Prozesse über Institutionen und damit auch mit der Bildung virtueller Unternehmungen.
Mit der für diese Arbeit gültigen Definition, dass die virtuelle Organisationsstruktur als Ergänzung zur real eingesetzten Organisationsstruktur zu verstehen ist, wird implizit bereits darauf hingewiesen, dass die virtuelle Organisationsstruktur nicht die leitende Organisationsform ist, anhand derer sich die Menschen sowohl in e-Unternehmen mit einem hohen Maß an IT-Unterstützung als auch in traditionellen Firmen orientieren bzw. organisieren können. Der Grund dafür ist, dass diese virtuelle Struktur nicht real mit Kompetenzen, Entscheidungswegen, Informations- und Kommunikationskanälen etc. hinterlegt und umgesetzt ist. Die virtuelle Organisationsstruktur stellt damit gewissermaßen eine Sekundärstruktur im Unternehmen mit dem Ziel der Entscheidungsunterstützung in Ergänzung zur tatsächlich vorhandenen, nach einem oder mehreren anderen Ordnungskriterien ausgerichteten Primärstruktur dar. Auch zum Prinzip der Sekundärstruktur gibt es bereits ähnliche Denkansätze in der Literatur, die ebenfalls das Ziel verfolgen, die bestehende Organisationsstruktur für bestimmte Sonderaufgaben zu ergänzen. Der Gedanke, dies rein virtuell zu tun, wurde bisher aber nicht aufgegriffen: „Die Aufgaben der Sekundärorganisation bestehen in der schnittstellenübergreifenden Koordination und in der Bearbeitung von innovativen oder selten auftretenden Spezialaufgaben.“96 Ausprägungen hierfür sind z.B. Produktmanagement, Key-Account-Management (Kundenmanagement), Projektmana-
93 94 95 96
Vgl. Miles, R.E.; Snow, C.C.: Network Organization, S. 66f. Vgl. Scholz, C.: Virtualisierung, S. 321. Vgl. Peters, T.: Hierarchien, S. 223ff. Bea, F.X.; Göbel, E.: Organisation, S. 337.
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gement oder Management).
Management der strategischen Geschäftseinheiten (SGE-
Während die (real existierende) Sekundärorganisation in der Literatur also vor allem hierarchieergänzende und/oder hierarchieübergreifende Aufgaben wahrnimmt, konzentriert sich die sogenannte „stabile“ oder primäre Organisationsstruktur auf die effiziente Abwicklung des Tagesgeschäfts und dessen Koordination über hierarchische Leistungsbeziehungen.97 Damit dient auch hier die Sekundärorganisation zur Gewinnung von zusätzlicher Transparenz und von entscheidungsunterstützenden Informationen für die Unternehmensführung außerhalb der bestehenden Strukturen. Problematisch bei der Überlagerung der Primärorganisation durch eine real umgesetzte Sekundärorganisation sind allerdings die dadurch oftmals provozierten Abstimmungs- und Zuständigkeitskonflikte. In einer rein virtuell bestehenden Sekundärstruktur tritt dieses Problem dagegen nicht auf. Durch die Anerkennung virtueller Sekundärstrukturen zur Entscheidungsunterstützung des Managements wird sowohl das in der Literatur vorherrschende Verständnis von virtuellen Organisationen und von Sekundärorganisationen erweitert als auch das in der Organisationstheorie bestehende Paradigma der realen Existenz von Organisationsstrukturen als Basis der Unternehmenssteuerung durchbrochen. Für die notwendige Entwicklung eines prozess- und kanalorientierten Ansatzes ergeben sich somit völlig neue Gestaltungsmöglichkeiten, die zur Komplexitätsbewältigung der multidimensionalen Betrachtungsweise des Unternehmens beitragen können.
IV Dialektische Herleitung der drei Kernhypothesen der Multiperspektivischen Organisationstheorie Unter Berücksichtigung der heutigen Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnik sowie der Notwendigkeit einer multiperspektivischen kanal- und prozessorientierten Sichtweise auf das Unternehmen sind vor allem
97
Vgl. Schulte-Zurhausen, M.: Organisation, S. 273.
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drei Prämissen in den bestehenden Organisationstheorien in ihrer ursprünglichen Form so nicht mehr haltbar:98 a) Aufbau- und Ablauforganisation sind die beiden bestimmenden Organisationstypen, wobei die Aufbauorganisation die Ablauforganisation dominiert. b) Organisationsstrukturen müssen im Unternehmen real99 umgesetzt sein, wenn sie zur Gewinnung von Informationen, Herleitung von Handlungsanweisungen und Umsetzung strategischer und operativer Entscheidungen herangezogen werden sollen. c) Der Mensch steht im Mittelpunkt der Organisationstheorie, da er den Prozess der Informationsgewinnung und -verarbeitung sowie die Ausführung der operativen Prozesse entscheidend beeinflussen kann.
a) Aufbau- und Ablauforganisation als bestimmende Organisationstypen In den etablierten Organisationstheorien sind Aufbau- und Ablauforganisation die beiden bestimmenden Organisationstypen, wobei die Aufbauorganisation die Ablauforganisation dominiert. Beobachtung 1:
Prozessorientierung ist zum Leitthema vieler Organisationen geworden.100
Beobachtung 2:
Organisationen richten sich auch nach Kunden- bzw. Vertriebskanälen aus.101
Neben der Konzentration auf die Prozessorientierung zur Steigerung der internen Unternehmenseffizienz und Prozesstransparenz ist es besonders für Dienstleistungsunternehmen wie Bausparkassen inzwischen notwendig, das Unternehmen nach einem weiteren Kriterium, dem Vertriebskanal, zu strukturieren und zu steuern. 98 99 100 101
Die ausführliche Beleuchtung und kritische Diskussion dieser drei Prämissen findet im Rahmen von Kapitel B.VI.2 statt. Real bedeutet, die Organisationsstruktur wurde mit Hierarchieebenen, Stellen, Leitungs- und Informationsflüssen, etc. hinterlegt und wird damit im Unternehmen „gelebt“. Diese Beobachtung wurde bereits ausführlich in den Kapiteln B.II und B.III.3 erläutert. Diese Beobachtung wurde bereits ausführlich in Kapitel B.II erläutert.
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Demnach ist es offenbar nicht ausreichend, Unternehmen allein im Hinblick auf Aufbau- und Ablauforganisation zu untersuchen, wenngleich diese beiden dominierenden Organisationsformen nicht vernachlässigt werden dürfen; es bedarf vielmehr der Ergänzung um eine eigenständige Kanalkomponente. Folgerung:
Neben den beiden dominierenden Kriterien Aufbau- und Ablauforganisation können auch Kundenkanäle bestimmende Ordnungskriterien in Organisationen sein.
b) Reale Umsetzung von Organisationsstrukturen In den etablierten Organisationstheorien müssen Organisationsstrukturen im Unternehmen real umgesetzt sein, wenn sie zur Gewinnung von Informationen, Herleitung von Handlungsanweisungen und Unterstützung strategischer Entscheidungen herangezogen werden sollen. Annahme:
Organisationsstrukturen können auch rein virtuell umgesetzt werden.102
Um für jede Entscheidungssituation die richtige Perspektive auf das Unternehmen zur Verfügung stellen zu können, ermöglicht die Informations- und Kommunikationstechnik die Generierung virtueller Kennzahlensysteme und Strukturen unabhängig von der real existierenden Unternehmensorganisation. Folgerung:
102
Eine bestimmte Organisationsform sollte als leitende Primär- oder Präferenzstruktur real umgesetzt werden, weitere Sekundärstrukturen können zur zusätzlichen Informationsgewinnung virtuell abgebildet werden.
Dies wurde bereits ausführlich in Kapitel B.III.5 beleuchtet.
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c) Der Mensch als Mittelpunkt der Organisationstheorie Der Mensch steht im Mittelpunkt der etablierten Organisationstheorien, da er den Prozess der Informationsgewinnung und -verarbeitung, die Ausführung der operativen Prozesse sowie die Entscheidungsprozesse bestimmt. Beobachtung:
Die Informationstechnik gewinnt zunehmend an Bedeutung, da sie den Menschen bei der Informationsgewinnung und -verarbeitung sowie der Ausführung der operativen Prozesse nicht mehr nur unterstützt, sondern im Rahmen automatisierter Abläufe auch mehr und mehr ersetzt.
Das Menschenbild, das einer Organisationstheorie zugrunde liegt, wirkt sich entscheidend auf den Struktur-Verhaltens-Zusammenhang aus, d.h. auf die Art und Weise der zielorientierten Regulierung des Verhaltens der Organisationsmitglieder durch die Struktur. Die Identifikation und Annahme einer bestimmten Natur des Menschen, z.B. begrenzte Rationalität, Ehrlichkeit, Opportunismus oder grundsätzliche Arbeitswilligkeit birgt hierbei einerseits das Problem der Generierung und Ableitung von Verhaltensannahmen des Menschen in der Organisation, andererseits ist die Annahme und damit die Beschränkung auf eine bestimmte Natur des Menschen nicht realistisch, da sich keine einfachen Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zwischen Verhalten und Struktur finden lassen. Die Bedeutung sozialer Komponenten im Unternehmen nimmt allerdings mit zunehmender Kontrolle und Aufgabenübernahme durch die IT ab: Mit fortschreitender Automatisierung und informationstechnischer Hinterlegung der Unternehmensprozesse sinken die Einfluss- und Fehlermöglichkeiten des Humanfaktors sowohl auf Informationsgewinnung und –verarbeitung als auch in bezug auf die Ausführung der operativen Prozesse. So ist es inzwischen möglich, durch Definition von Messstrecken und Messpunkten in IT-Systemen unabhängig von menschlicher Unterstützung Informationen zu generieren und zu verarbeiten bzw. angestoßene Prozesse automatisch durchzuführen.103 Selbst im Vertriebsbereich, der bisher eher personalintensiven Kundenschnittstelle, bieten sich gerade auch im Rahmen von CRM-Systemen Möglichkeiten 103
Die dahinterliegende Verfahrenslogik der IT-Systeme erfolgt hauptsächlich über Konditionaloder Routineprogramme, die nach dem Kausalgesetz modelliert sind, so dass dem Eintreten eines bestimmten Ereignisses eine gewünschte Wirkung folgt. Vgl. hierzu Schreyögg, G.: Organisation, S. 167ff.
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der automatischen Initiierung von standardisierten Vertriebsprozessen. So ist es z.B. denkbar, dass das System automatisch einen Kunden, dem gerade ein Darlehen zugeteilt wurde (auslösendes Ereignis), per e-mail oder Brief anschreibt und ihm den Abschluss eines neuen Bausparvertrags z.B. für seine vermögenswirksamen Leistungen oder zur Ausnutzung der Wohnungsbauprämie empfiehlt.104 Eine weitere Entwicklung, durch die Fehler- und Einflussmöglichkeiten des Menschen (auch im Vertrieb) reduziert werden, ist die wachsende Bedeutung elektronischer Vertriebskanäle wie z.B. dem Internet. Insgesamt entstehen neue Möglichkeiten der operativen Effizienzkontrolle und der Gewinnung strategisch interessanter und relevanter Daten. Aufgrund der abnehmenden Bedeutung der sozialen Komponente durch die Einführung von IT-Systemen wird in der vorliegenden Arbeit – dem Ansatz Kosiols folgend – der Mensch nur als abstrakter Aufgabenträger interpretiert: „Die soziologisch-psychologischen Probleme werden in ihrer Bedeutung nicht übersehen, wohl aber ausgeklammert“,105 d.h. dieser gedachte Aufgabeträger erfüllt reibungslos die ihm zugewiesenen Tätigkeiten. Die Kritik, die Kosiol selbst an der Betrachtungsweise des Menschen als abstraktem Aufgabenträger äußert, ist angebracht, da es grundsätzlich unrealistisch und ethisch nicht vertretbar ist, den Menschen als reines Produktionsmittel zu behandeln.106 Die menschliche Komponente muss z.B. immer bei der Gestaltung von Stellen berücksichtigt werden, da sich unter anderem eine ausgeprägte Arbeitsteilung negativ auf Sinngehalt, Interesse und Freude des Menschen an der zu verrichtenden Arbeit auswirkt. Die Fiktion des abstrakten Aufgabenträgers ist letztendlich nur eine nützliche Vereinfachung, um die organisatorische Problematik der Entwicklung eines effektiv steuerbaren, flexiblen Unternehmens und des dazugehörigen Instrumentariums leichter bearbeiten zu können. In der Praxis ist es aber unabdingbar, „dass von einem guten Organisator in einem sehr weiten Umfange technisches und menschliches Verständnis ... verlangt werden“.107
104
105 106 107
Nichtsdestotrotz werden die Vertriebsprozesse mehrheitlich teilautomatisiert bleiben; ab der Schnittstelle vom Menschen zum System werden die Eingaben des Menschen vom IT-System allerdings auf Plausibilität hin überprüft. Während der Mensch damit hauptsächlich auf die Beratung fokussiert ist, erledigt das System die Verifizierung, Weiterverarbeitung, Auswertung und Abwicklung der Daten. Kosiol, E.: Organisation, S. 22. Vgl. ebd., S. 26. Kosiol, E.: Organisation, S. 239.
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Als Annäherung an die Realität wird daher davon ausgegangen, dass zumindest die Entscheider im Unternehmen zwar abstrakt agieren, aber generell umweltoffen und lernfähig sind, um sinnvoll und zweckorientiert planen, entscheiden, reagieren und handeln zu können. Denn unternehmerische Entscheidungen sind durch die Möglichkeiten der Informationstechnik zwar weniger intuitiv zu treffen und können durch konkrete Zahlen und Auswertungen hergeleitet und belegt werden; sie müssen aber in letzter Konsequenz vom Menschen getroffen werden. Folgerung:
Der IT-technisch gebildete, handlungsfähige und kontrollierte Mensch steht als abstrakter Aufgabenträger sowohl als Entscheider als auch als Mitarbeiter im Mittelpunkt der Organisationstheorie.
V
Deduktion und Hypothesenprüfung
1
Ableitung singulärer, überprüfbarer Folgerungen
Um den Wahrheitsgehalt der drei benannten Kernhypothesen (zumindest für den deutschen Bausparsektor) überprüfen zu können, bedarf es der Ableitung logisch konsistenter, methodisch neutraler und inhaltlich bewährter Folgerungen, d.h. Prognosen eines Sachverhalts, der sich z.B. im Rahmen einer Fragebogenerhebung empirisch überprüfen lässt. Aus Hypothese a): „Neben den beiden dominierenden Kriterien Aufbau- und Ablauforganisation können auch Kundenkanäle bestimmende Ordnungskriterien in Organisationen sein“ lässt sich folgern: „Die betrachteten Organisationen erheben sowohl Daten bezüglich ihrer Aufbau- und ihrer Ablauforganisation als auch bezüglich ihrer Kundenkanäle.“108
108
Hierbei wird davon ausgegangen, dass die Bausparkassen die Bedeutung aller drei Perspektiven erkannt haben und damit tendenziell in mehr als zwei Perspektiven Kennzahlen erfassen. Da nicht angenommen werden kann, dass alle Bausparkassen die gleichen Organisationsformen, Informationsbedürfnisse und Entwicklungsstände aufweisen, wäre es aber unrealistisch zu unterstellen, dass alle Bausparkassen in allen drei Perspektiven Daten erheben.
60
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
Die Operationalisierung dieser Hypothese erfolgt über die Kennzahl „Steuerungskomplexität“, d.h. die Summe der Anzahl der Erhebungsperspektiven je Bausparkasse geteilt durch die Anzahl der Bausparkassen:
n
Steuerungskomplexität =
∑ Anzahl _ der _ Erhebungsperspektiven _ je _ BspK i =1
Anzahl _ der _ BspK
>2
Die Steuerungskomplexität gibt Auskunft darüber, in wie vielen Perspektiven des Unternehmens (voraussichtlich neben den traditionell betrachteten Perspektiven „Funktionale Gliederung“ und „Prozessorganisation“ noch die KanalPerspektive) Kennzahlen erhoben werden und damit wie viele Perspektiven auf das Unternehmen die Entscheider bei der aktiven Unternehmenssteuerung berücksichtigen. Die Steuerungskomplexität sollte größer 2 sein; d.h., dass in mehr als zwei Perspektiven Kennzahlen zur Unternehmenssteuerung erhoben werden.
Hypothese b): „Eine bestimmte Organisationsform sollte als leitende Primäroder Präferenzstruktur real umgesetzt werden, weitere Sekundärstrukturen können zur zusätzlichen Informationsgewinnung virtuell abgebildet werden“ setzt voraus: „Die betrachteten Organisationen richten sich nach einer leitenden Primäroder Präferenzstruktur aus.“ Die Operationalisierung dieser Hypothese erfolgt über die Kennzahl “Organisationskomplexität“, d.h. die Summe der Anzahl der real umgesetzten Organisationsformen je Bausparkasse geteilt durch die Anzahl der Bausparkassen:
n
Organisationskomplexität =
∑ Anzahl _ der _ Organisationsformen _ je _ BspK i =1
Anzahl _ der _ BspK
=1
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
61
Die Organisationskomplexität zeigt auf, wie viele Organisationsformen, z.B. funktionale Gliederung oder Prozessorganisation, parallel nebeneinander oder verknüpft miteinander in den Bausparkassen real umgesetzt wurden. Die Organisationskomplexität sollte gleich 1 sein, d.h. es gibt genau eine bestimmte Organisationsform im Unternehmen.
Hypothese b) impliziert weiterhin: „Die betrachteten Organisationen gewinnen zusätzliche Steuerungsinformationen in mindestens einer virtuellen Sekundärstruktur, nach der sie sich in ihrer Struktur real nicht ausgerichtet haben.“ Die Operationalisierung dieser Hypothese erfolgt über die Kennzahl „Sekundärkomplexität“, definiert als Steuerungskomplexität minus Organisationskomplexität :
Sekundärkomplexität = Steuerungskomplexität − Organisationskomplexität
wobei Sekundärkomplexität > 0
sein muss. Die Sekundärkomplexität macht deutlich, in wie vielen weiteren Perspektiven ein Unternehmen zusätzliche Kennzahlen auswertet in Ergänzung zu den Kennzahlen, die es in seiner Primärstruktur, d.h. der real umgesetzten Organisationsform, erhebt. Bei Analyse von Kennzahlen in Perspektiven, die nicht der Perspektive der Primärstruktur entsprechen, wird der Wert der Sekundärkomplexität größer 0.
62
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
Hypothese c): „Der IT-technisch gebildete, handlungsfähige und kontrollierte Mensch steht als abstrakter Aufgabenträger sowohl als Entscheider als auch als Mitarbeiter im Mittelpunkt der Organisationstheorie“ bedeutet: „Die Informationstechnologie ist wesentlicher Aufgabenträger in der Organisation.“ Die Operationalisierung dieser Hypothese erfolgt über die Kennzahl „IT-Unterstützungsquote“, d.h. bezogen auf die Gesamtheit aller in Dienstleistungs- und Produktionsprozessen zu verrichtenden Aufgaben: die Summe der Prozentsätze109 der unterstützten Aufgaben in Dienstleistungs- und Produktionsprozessen, geteilt durch die Anzahl der Bausparkassen:
n
IT − Unterstützungsquote =
∑ % _ unterstützte _ Aufgaben _ in _ Dienstleistungs − und _ Pr oduktionsprozessen i =1
Anzahl _ der _ BspK
Die IT-Unterstützungsquote gibt Auskunft darüber, wie stark die Dienstleistungs- und Produktionsprozesse der Bausparkassen IT-technisch unterstützt und damit erfassbar sind. Die IT-Unterstützungsquote sollte möglichst hoch sein und mindestens 50% betragen, um dem Anspruch, dass die IT ein wesentlicher Aufgabenträger im Unternehmen ist, gerecht zu werden. Hypothese c) besagt weiterhin: „Fehlerpotentiale des Menschen mit hoher Eintrittswahrscheinlichkeit und/oder hoher Auswirkung auf den Unternehmenserfolg werden ITtechnisch durch Sicherungsmaßnahmen ausgeschaltet.“ Die Operationalisierung dieser Hypothese erfolgt über die Kennzahl „ITAbsicherungsquote“, bezogen auf die Gesamtheit aller Sicherungsmaßnahmen, 109
Die Verwendung von Prozentsätzen ist deshalb notwendig, da nur durch die Bestimmung des Anteils der IT-technisch unterstützten Aufgaben die Vergleichbarkeit zwischen den Bausparkassen sichergestellt werden kann: Sowohl die Anzahl der Dienstleistungs- und Produktionsprozesse als auch der zu einem Prozess zusammengefassten Aufgaben kann (z.T. in Abhängigkeit des Aggregationsniveaus von Aufgaben und Prozessen) von Bausparkasse zu Bausparkasse stark variieren.
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
63
definiert als die Summe der Anteile der IT-gestützten Sicherungsmaßnahmen je Bausparkasse geteilt durch die Anzahl der Bausparkassen:
n
IT − Absicherungsquote =
∑ Anteil _ der _ IT − gestützten _ Sicherungsmaßnahmen _ je _ BspK i =1
Anzahl _ der _ BspK
Die IT-Absicherungsquote zeigt auf, wie stark bei der Vermeidung möglicher schwerwiegender Fehler des Menschen auf IT-Unterstützung zurückgegriffen wird. Auch die IT-Absicherungsquote sollte möglichst hoch sein und mindestens 50% betragen, um die Annahme einer wesentlichen Bedeutung der IT in diesem Zusammenhang zu rechtfertigen.
2
Empirische Überprüfung der singulären Folgerungen
Die im vorigen Kapitel abgeleiteten singulären Folgerungen bedürfen nun der empirischen Überprüfung. Hierzu wurde eine schriftliche Befragung aller Bausparkassen gewählt, die zu folgenden Ergebnissen führte:110
Operationalisierte Hypothese a) „Die betrachteten Organisationen erheben sowohl Daten bezüglich ihrer Aufbau- und ihrer Ablauforganisation als auch bezüglich ihrer Kundenkanäle.“ Für die Kennzahl „Steuerungskomplexität“ ergibt sich folgender Wert:111 Steuerungskomplexität = 2,05 > 2
110 111
Zur Begründung der Erhebungsform, dem Aufbau des Fragebogens und einem Überblick über die Auswertungsergebnisse siehe Kapitel E.I im Anhang. Ergebnis der Befragung der deutschen Bausparkassen. Für eine detailliertere Ausführung siehe hierzu Kapitel E.I.
64
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
Die Tatsache, dass der Wert der Steuerungskomplexität nur so knapp über 2 liegt, hängt mit den widersprüchlichen Angaben zur Prozesssicht zusammen: Bezüglich der Relevanz der Ablauforganisation haben zwar nur 33% der Bausparkassen angegeben, Prozesskennzahlen zu erheben, die immense Bedeutung der Ablauforganisation wurde in den Bausparkassen aber bereits erkannt: Indiz dafür ist, dass 55% der befragten Bausparkassen teilweise oder durchgängig eine Prozesskostenrechnung verwenden sowie weitere 9% deren Einführung planen und dass in Ergänzung zu den 13,6%, die bereits eine Balanced Scorecard112 im Unternehmen nutzen, weitere 36,4% die Einführung eines solchen prozessorientierten Kennzahlensystems planen.113
Anteil der verschiedenen Erhebungsperspektiven und deren Kombinationen
Prozess/Funktion/ Kanal 33%
Nur Funktion 19%
Nur Kanal 10% Nur Prozess 0%
Funktion/Kanal 38%
Abb. B.5: Anteil der verschiedenen Steuerungskennzahlen und deren Kombination114
112 113 114
Zur Erklärung des Konzepts der Balanced Scorecard siehe Kapitel C.III.2. Ergebnisse der Befragung der deutschen Bausparkassen. Für eine detailliertere Ausführung siehe hierzu Kapitel E.I. Ergebnis der Befragung der deutschen Bausparkassen. Für eine detailliertere Ausführung siehe hierzu Kapitel E.I.
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
65
Außerdem konnten immerhin 86,4% der Bausparkassen wesentliche Kennzahlen zur Steuerung von Prozessen im Unternehmen nennen (siehe Abb. B.6).
Anwendungsgrad von Prozesskennzahlen
nein 14%
ja 86%
Abb. B.6: Anwendungsgrad von Prozesskennzahlen115 Hieran wird deutlich, dass die gemachten Angaben zur Prozesssicht als Erhebungsperspektive in einigen Fällen nicht zutreffend waren. Gründe hierfür könnten z.B. sein, dass die Frage nicht verstanden oder fehlerhaft beantwortet wurde. Insgesamt ist davon auszugehen, dass der Wert der Steuerungskomplexität tatsächlich höher als 2,05 liegt. Errechnet man die Steuerungskomplexität auf Basis des Prozentsatzes der Prozesskostenrechnung, so ergibt sich folgender Wert:116 Steuerungskomplexität b = 2,35 > 2 115 116
Ergebnis der Befragung der deutschen Bausparkassen. Für eine detailliertere Ausführung siehe hierzu Kapitel E.I. Verteilt man die noch nicht berücksichtigten 31% der 64% der Bausparkassen mit Prozesskostenrechnungsansätzen anteilig gemäß der genannten Struktur der Erhebungsperspektiven, so ergeben sich folgende Ausprägungen: Prozess/Funktion/Kanal: 50%; Funktion/Kanal: 21%; Nur Kanal: 5%; Kanal/Prozess: 5%; Nur Funktion: 10%; Funktion/Prozess: 9%.
66
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
Bei Hochrechnung auf einen 86%igen Anwendungsgrad von Prozesskennzahlen ergibt sich sogar eine Steuerungskomplexität von 117 Steuerungskomplexität c = 2,57 > 2 Nachfolgend wird mit einem Wert der Steuerungskomplexität von 2,35 weitergerechnet, da dieses Ergebnis durch die Angaben zur Prozesskostenrechnung plausibilisiert wurde und – wie die Angaben zum Anwendungsgrad von Prozesskennzahlen zeigen – sichergestellt ist, dass dieser Wert nicht zu hoch gegriffen ist. Damit wird deutlich, dass die Bausparkassen tendenziell in mehr als zwei Perspektiven Daten zur Unternehmenssteuerung erheben. Hierbei handelt es sich – wie bereits vermutet – um Kennzahlen aus den Perspektiven Prozess, Funktion und Kanal. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Kanal-Komponente einen durchaus dominanten Part in der Unternehmenssteuerung einnimmt (siehe Abb. B.5 und B.7), denn: 81% der befragten Bausparkassen erheben Steuerungskennzahlen in der Perspektive „Vertriebs- und Kundenkanal“. Mit diesem Ergebnis liegt die Kanal-Perspektive nur relativ knapp hinter der funktionalen Perspektive mit 90%, während die Prozesssicht mit 64% etwas abfällt. Eine Kennzahlenerfassung ausschließlich in der Prozesssicht findet nicht statt, sondern es werden bei Erhebung von Prozesskennzahlen immer auch noch zusätzlich Kennzahlen der Funktions- und/oder Kanalsicht erhoben. Offensichtlich ist das Kriterium Kanal neben der Funktionalen Gliederung der Aufbauorganisation sowie der Prozesssicht in der Ablauforganisation ein bestimmendes Steuerungskriterium in Bausparkassen und damit bei realer Umsetzung auch Ordnungskriterium, d.h. den Vertriebskanälen sind Personen und ITSysteme fest zugeordnet und werden über die Kennzahlen der Kanalperspektive 117
Verteilt man die noch nicht berücksichtigten 53% der 86% der Bausparkassen mit Prozesskennzahlenkenntnis anteilig gemäß der genannten Struktur der Erhebungsperspektiven, so ergeben sich folgende Ausprägungen: Prozess/Funktion/Kanal: 63%; Funktion/Kanal: 8%; Nur Kanal: 2%; Kanal/Prozess: 8%; Nur Funktion: 4%; Funktion/Prozess: 15%.
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
67
gesteuert. Die Kanalsicht muss damit bei der Entwicklung von Unternehmenssteuerungskonzepten und bei der Strukturierung von Organisationen Berücksichtigung finden.
Steuerungskennzahlen und ihre Erfassungshäufigkeit
Prozess 100%
80%
64% 60%
40%
20%
0%
Kanal
81%
Funktion 90%
Abb. B.7: Steuerungsperspektiven und ihre Erfassungshäufigkeit118
Hiermit wird also die Ursprungshypothese bestätigt: „Neben den beiden dominierenden Kriterien Aufbau- und Ablauforganisation können auch Kundenkanäle bestimmende Ordnungskriterien in Organisationen sein.“
118
Ergebnis der Befragung der deutschen Bausparkassen, wobei für die Prozesssicht der Prozentsatz der Prozesskostenrechnung angesetzt wurde. Für eine detailliertere Ausführung siehe hierzu Kapitel E.I.
68
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
Operationalisierte Hypothese b) – Teil 1 „Die betrachteten Organisationen richten sich nach einer leitenden Primäroder Präferenzstruktur aus.“ Für die Kennzahl „Organisationskomplexität“ ergibt sich folgender Wert:119 Organisationskomplexität = 1,14 ≈ 1 Dies bedeutet, dass sich die Bausparkassen in der Regel nach einem Organisationskriterium bzw. einer leitenden Primärstruktur ausrichten. Die Abweichung von 0,14 ergibt sich hierbei vor allem dadurch, dass zwei der befragten Bausparkassen über Matrix-Strukturen in den Dimensionen Funktion/Kanal bzw. Prozess/Funktion/Kanal verfügen. 120
Organisationsformen und ihre Ausrichtungshäufigkeit
Matrix Prozess/Funktion/Kanal
5%
Matrix Funktion/Kanal
5%
Funktionale Organisation mit regionaler Überlagerung
5%
Funktionale Organisation mit prozessorientierter Überlagerung Kanalorientierte Organisation
9% 0% 77%
Funktionale Gliederung
Prozessorganisation 0%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
Abb. B.8: Organisationsformen und ihre Ausrichtungshäufigkeit121 119 120 121
Ergebnis der Befragung der deutschen Bausparkassen. Für eine detailliertere Ausführung siehe hierzu Kapitel E.I. Ein weiterer Grund für die Abweichung sind Rundungsdifferenzen. Ergebnis der Befragung der deutschen Bausparkassen. Für eine detailliertere Ausführung siehe hierzu Kapitel E.I.
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
69
Darüber hinaus haben drei Bausparkassen sowohl ein Primär- als auch ein Sekundärkriterium für ihre Organisationsausrichtung benannt und als solche kenntlich gemacht.122 In der Konsequenz existieren zwei primäre Organisationsformen mit zusätzlicher Überlagerung durch ein Sekundärkriterium (siehe Abb. B.8). Die leitende Präferenzstruktur ist aber die Funktionale Gliederung, nach der sich 77% der Bausparkassen eindeutig und ausschließlich ausrichten.
Kostenstellenstrukturen Prozess 100% 80% 60% 40% 20%
Projekt
5%
0%
29%
10%
Funktion 95%
Kanal
Abb. B.9: Kostenstellenstrukturen der deutschen Bausparkassen123
Untermauert wird diese Aussage durch die Tatsache, dass 95% der Bausparkassen über funktionsorientierte Kostenstellenstrukturen verfügen (siehe Abb. B.9); davon sind die Kostenstellen in 61% der befragten Bausparkassen rein funktional organisiert, in den übrigen Bausparkassen ergeben sich die Kombinationen Funktion/Kanal (5% der Bausparkassen), Funktion/Projekt (19%), Funkti122
123
Die Sekundärkriterien wurden nicht als eigenständige primäre Organisationskriterien gewertet, da sie – wie auf den Fragebögen vermerkt – nur Teilbereiche der funktionalen Organisationsstrukturen weiter aufgliedern, so z.B. die Aufsplittung der Funktion Vertrieb nach Regionen. Ergebnis der Befragung der deutschen Bausparkassen. Für eine detailliertere Ausführung siehe hierzu Kapitel E.I.
70
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
on/Prozess (5%) sowie Funktion/Kanal/Projekt (5%). Weitere 5% der Bausparkassen verfügen über eine rein projektorientierte Kostenstellenstruktur.124
Operationalisierte Hypothese b) – Teil 2 „Die betrachteten Organisationen gewinnen zusätzliche Steuerungsinformationen in mindestens einer virtuellen Sekundärstruktur.“ Für die Kennzahl „Sekundärkomplexität“ ergibt sich folgender Wert:125 Sekundärkomplexität = 1,21 > 0 Dies bedeutet, dass die Bausparkassen in Ergänzung zu den Kennzahlen, die sie in ihrer Primärstruktur erheben, in 1,21 weiteren Perspektiven zusätzliche Kennzahlen auswerten. Da diese zusätzlichen Perspektiven nicht real umgesetzt sind126, liegen die derart erhobenen Daten nur als virtuelle Kennzahlen in Form von Dateien vor. Kombiniert man die vorwiegende Tendenz von Bausparkassen, sich nach einem Organisationskriterium auszurichten, mit den identifizierten Bestrebungen, Sekundärstrukturen (wenngleich auch real) zu schaffen und der Tatsache, dass die Bausparkassen nicht nur in der vorherrschenden Organisationsform „Funktionale Gliederung“, sondern in mindestens einer weiteren Perspektive Steuerungskennzahlen erheben, so lässt sich folgern: „Eine bestimmte Organisationsform sollte als leitende Primär- oder Präferenzstruktur real umgesetzt werden, weitere Sekundärstrukturen können zur zusätzlichen Informationsgewinnung virtuell abgebildet werden“.
124 125 126
Ergebnisse der Befragung der deutschen Bausparkassen. Für eine detailliertere Ausführung siehe hierzu Kapitel E.I. Ergebnis der Befragung der deutschen Bausparkassen. Für eine detailliertere Ausführung siehe hierzu Kapitel E.I. Berechnungsbasis: Steuerungskomplexität b - Organisationskomplexität. Die real umgesetzte(n) Primärstruktur(en) wurde(n) gemäß der Definition der Kennzahl „Sekundärkomplexität“ über den Ausdruck der Organisationskomplexität bereits subtrahiert.
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
71
Operationalisierte Hypothese c) – Teil 1 „Die Informationstechnologie ist wesentlicher Aufgabenträger in der Organisation.“ Für die Kennzahl „IT-Unterstützungsquote“ ergibt sich folgender Wert:127 IT-Unterstützungsquote = 84% > 50% Damit wird deutlich, dass die IT in den zentralen Dienstleistungs- und Produktionsprozessen des Bauspargeschäfts ein wesentlicher Aufgabenträger ist, der die Mitarbeiter bei ihren Aufgaben zum Teil unterstützt, zum Teil aber auch im Rahmen der Workflow-Steuerung eigenständig Aufgaben bearbeitet und Prozesse anstößt.
Operationalisierte Hypothese c) – Teil 2 „Fehlerpotentiale des Menschen mit hoher Eintrittswahrscheinlichkeit und/ oder hoher Auswirkung auf den Unternehmenserfolg werden IT-technisch durch Sicherungsmaßnahmen ausgeschaltet.“ Für die Kennzahl „IT-Absicherungsquote“ ergibt sich folgender Wert:128 IT-Absicherungsquote = 60% > 50% Dies bedeutet, dass der IT auch im Rahmen der Sicherungsmaßnahmen zur Vermeidung menschlicher Fehler bei der Ausführung wesentlicher Aktivitäten in den Dienstleistungs- und Produktionsprozessen eine wichtige Rolle zuteil wird.
Nichtsdestotrotz ist es noch immer der Mensch, der einen Teil der Aufgaben erledigt bzw. die IT-Systeme so programmiert, dass sie automatisch Vorgänge bearbeiten und steuern bzw. prüfen können. 127 128
Ergebnis der Befragung der deutschen Bausparkassen. Für eine detailliertere Ausführung siehe hierzu Kapitel E.I. Ergebnis der Befragung der deutschen Bausparkassen. Für eine detailliertere Ausführung siehe hierzu Kapitel E.I.
72
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
Aus der Interdependenz von IT und Mensch ergibt sich unter Berücksichtigung der wesentlichen Bedeutung der IT und der Unverzichtbarkeit des Menschen im Prozess: „Der IT-technisch gebildete, handlungsfähige und kontrollierte Mensch steht als abstrakter Aufgabenträger sowohl als Entscheider als auch als Mitarbeiter im Mittelpunkt der Organisationstheorie.“
Die erzielten Befragungsergebnisse untermauern die Forderung nach einer Weiterentwicklung der bestehenden Organisationstheorien in Richtung eines multiperspektivischen, IT-, prozess- und kanalgetriebenen Ansatzes. Wichtig ist an dieser Stelle zu berücksichtigen, dass die oben beschriebenen Ergebnisse die zugrunde liegenden, allgemein gehaltenen Hypothesen nicht endgültig beweisen: Zum einen wurde die Befragung nur für Bausparkassen durchgeführt; zum anderen ist die Stichprobe – obwohl sie die Gesamtheit der Bausparkassen umfasst – statistisch klein, wodurch sich eingeschränkte Auswertungsmöglichkeiten ergeben.129
VI Wissenschaftlicher Erkenntnisfortschritt durch die Multiperspektivische Organisationstheorie 1
Kernaussagen und Grundannahmen einer Multiperspektivischen Organisationstheorie
Zur Realisierung eines multiperspektivischen, IT-, prozess- und kanalgetriebenen Ansatzes geht die Multiperspektivische Organisationstheorie – aufbauend auf den drei nicht falsifizierten Kernhypothesen – von folgenden grundlegenden Aussagen und Annahmen aus: •
129
Strategie und Struktur bedingen sich gegenseitig (in Analogie zu Mintzberg). Das heißt einerseits, je nach Wahl der Unternehmensstrategie ist es teilweise notwendig, die Struktur des Unternehmens anzupassen. Soll z.B. die Prozesseffizienz und Transparenz im Unternehmen erhöht werden Für eine kritische Auseinandersetzung siehe Kapitel B.VI.2.
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
73
und wird das Unternehmen bisher nach funktionalen Einheiten gesteuert, so ist es langfristig notwendig, prozessbezogene Ordnungs- und Steuerungskriterien in den Vordergrund zu stellen und – gegebenenfalls über den Zwischenschritt einer Matrixorganisation – eine Transformation der realen Unternehmensstruktur hin zur Prozessorganisation zu vollziehen. Andererseits lässt die Struktur eines Unternehmens, die in der Regel nicht kurzfristig komplett veränderbar ist, nur eine bestimmte Bandbreite an Strategien zu. So wird z.B. aus einem Nischenspezialisten, der hohe Preise für seine Produkte und Service-Dienstleistungen in einem begrenzten Segment erzielen kann und dessen Strukturen auf hohe Qualität, umfassenden Wartungsservice und intensive Kundenbetreuung ausgerichtet sind, nicht von heute auf morgen ein auf Skaleneffekte durch Massenproduktion abzielender Billiganbieter im Gesamtmarkt. •
Organisationen können ihre Strukturen absichtsvoll gestalten und den Gegebenheiten des Marktes anpassen bzw. die Gegebenheit des Marktes teilweise beeinflussen. Durch gezieltes Hinzukaufen, Aufbauen oder Abstoßen von Geschäftseinheiten sowie durch interne Optimierungsmaßnahmen wie Reorganisation, Prozessoptimierung oder auch flexible Arbeitsmodelle wie z.B. (teil-)autonome Gruppen kann das Unternehmen seine Struktur selbst so gestalten, dass sie den Anforderungen des Markt- und Wettbewerbsumfelds optimal gewachsen ist. Darüber hinaus kann das Unternehmen z.B. über Marketingmaßnahmen, Pressemitteilungen oder Sponsortätigkeiten die Nachfrage nach seinen Produkten und Dienstleistungen sowie sein Image in der Gesellschaft aktiv beeinflussen und gestalten.
•
Der Informationsbedarf der Entscheider zur effizienzsteigernden, flexiblen Unternehmenssteuerung und die Informationstechnologie sind zentrale Elemente der Multiperspektivischen Organisationstheorie. Um das Unternehmen optimal entsprechend den Gegebenheiten des Marktes auszurichten, ist es für die Entscheidungsträger unerlässlich, umfassend über die interne Unternehmenssituation informiert zu sein, um fundierte Strategien entwickeln zu können. Die Informationstechnik leistet hierbei einen nachhaltigen Beitrag, da sie neue, teilweise automatisierte Wege der Informationsgewinnung und -aufbereitung erschließt.
•
Organisationsstrukturen entsprechen Perspektiven auf das Unternehmen aus Sicht der Entscheider. Die Strukturen des Unternehmens müssen so aufgebaut sein, dass sie den Entscheidungsträgern im Unternehmen die Informationen liefern, die benötigt werden, um das Unternehmen effizient zu steuern und an den Gegebenheiten des Marktes auszurichten. Eine real umgesetzte Organisationsstruktur liefert dabei vorwiegend Informationen entlang dem gewählten Ordnungskriterium (z.B. Abteilungskennzahlen bei Funktionaler Gliederung) und entspricht damit einer Sichtweise (im obigen Beispiel: funktionale Perspektive) auf das Unternehmen.
74
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
•
Entscheider müssen Informationen entlang den Organisationsstrukturen bzw. Perspektiven auf das Unternehmen erhalten, die aus ihrer Situation heraus als Entscheidungs- und Entwicklungsgrundlage wichtig sind. Mitunter kann es die Markt- oder Wettbewerbssituation erfordern, dass Informationen aus einer anderen Perspektive oder Organisationsstruktur (z.B. über die Effizienz der Kanäle) als der real umgesetzten (z.B. Funktionale Gliederung) benötigt werden, um schnell und flexibel reagieren zu können. Falls sie einen nachhaltigen Beitrag zur Unternehmenssteuerung liefern können, müssen auch diese Perspektiven abgebildet, mit Kennzahlen hinterlegt und ausgewertet werden.
•
Im Rahmen der Berücksichtigung aller relevanten Perspektiven bedarf es zunächst der Wahl einer real umgesetzten Präferenzstruktur. Jedes Unternehmen benötigt eine real umgesetzte, die Strategie des Unternehmens nachhaltig unterstützende primäre Organisationsstruktur, innerhalb derer sich die Mitarbeiter wiederfinden und organisieren können. Entlang dieser sogenannten Präferenzstruktur laufen die Hierarchieebenen, Informations-, Kommunikations- und Weisungsströme des Unternehmens und erfolgt die primäre Umsetzung der Unternehmensziele. Zur Erhöhung der Transparenz und Steuerbarkeit der Unternehmensabläufe wird die Prozessorganisation im Rahmen der Multiperspektivischen Organisationstheorie als Präferenzstruktur favorisiert.
•
Organisationsstrukturen bzw. Perspektiven auf das Unternehmen müssen nicht real umgesetzt sein, sondern können unter Einsatz der Informationstechnik auch rein virtuell abgebildet werden. Zum Zweck der Informationsgewinnung im Rahmen der Entscheidungsunterstützung des Managements können weitere, für die Belange des Unternehmens sinnvolle Perspektiven als virtuelle Organigramme und Kennzahlenssysteme dargestellt werden. Diese virtuellen Perspektiven dienen nicht der Mitarbeiterführung, sondern der Schaffung von Transparenz bezüglich der Situation des Unternehmens intern und im Vergleich zum Wettbewerb. Ergeben sich aus diesen virtuellen Perspektiven Managemententscheidungen mit Auswirkung auf die Mitarbeiter, so sind diese entlang der gewählten Präferenzstruktur umzusetzen.
•
Die Relevanz der Perspektiven ist unternehmensspezifisch. Während einige Perspektiven wie z.B. die funktionale Sicht, die Prozesssicht oder auch die Kanalsicht für viele Unternehmen von Interesse sein dürften, gibt es andere Perspektiven wie z.B. die Forschungs- und Entwicklungssicht, die nur für bestimmte Unternehmen bedeutsam sind. Welche der Perspektiven letztendlich aber für das Unternehmen relevant sind, hängt von den für jedes Unternehmen individuell gestalteten Informationsbedürfnissen der Entscheidungsträger, der strategischen Ausrichtung des Unternehmens so-
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
75
wie den Anforderungen zur Sicherung der effizienten internen Leistungserstellung ab. •
Der Einfluss des Faktors Mensch sinkt mit zunehmendem Einsatz von IT und Automatisierung und konzentriert sich auf die Präferenzstruktur. Durch automatische Kontrollen in IT-Systemen sowie durch automatisierte Standardprozesse werden Fehlermöglichkeiten des Menschen immer mehr reduziert. Darüber hinaus nehmen IT-Systeme dem Menschen bereits wesentliche Entscheidungen bzw. Aktivitäten ab, wie z.B. die automatische Zuteilung von Blanko-Darlehen oder die Prüfung und Vorentscheidung von Kreditanträgen über IT-basierte Scoring- und Rating-Systeme. Der Mensch als Mitarbeiter wird zunehmend mehr zum austauschbaren, abstrakten, durch die IT kontrollierten Aufgabenträger; die soziale Komponente wird vernachlässigt und spielt fast nur noch am Rande für die Informations-, Kommunikations- und Weisungsströme der Präferenzstruktur eine Rolle. Besonders für die Abbildung der Sekundärstrukturen ist der Einfluss des Menschen als Mitarbeiter vernachlässigbar gering, da sich die virtuellen Kennzahlensysteme und Organigramme idealerweise als Ergebnisse der Auswertung von Datenbanken und IT-Systemen mit (größtenteils) automatisch generierten Informationen ergeben. Für den Menschen als Entscheider eröffnet die IT allerdings neue umfassende Möglichkeiten der Informationsgewinnung und Effizienzkontrolle als Grundlage für fundierte unternehmerische Entscheidungen.
Damit unterstützt die Multiperspektivische Organisationstheorie die Ansätze und Entwicklungen, die sich in letzter Zeit in vielen Unternehmen wiederfinden lassen und die auch aus den Ergebnissen der Befragung der deutschen Bausparkassen erkennbar wurden.130 Bei der (Neu-)Gestaltung eines Unternehmens nach den Maßgaben der Multiperspektivischen Organisationstheorie empfiehlt sich ein dreistufiges Vorgehensmodell: 1. Identifikation aller für das Unternehmen wichtigen Perspektiven 2. Auswahl einer Perspektive als Präferenzstruktur 3. Abbildung der übrigen Perspektiven in der IT-Landschaft als Sekundärstrukturen
130
Siehe hierzu die Ergebnisse der Befragung der deutschen Bausparkassen in Kapitel E.I.
76
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
1
Identifikation aller für das Unternehmen wichtigen Perspektiven
2
Auswahl einer Perspektive als Präferenzstruktur
3
Abbildung der übrigen Perspektiven in der IT-Landschaft als Sekundärstrukturen
Abbildung B.10: Vorgehensweise zur Gestaltung eines Unternehmens nach den Maßgaben der Multiperspektivischen Organisationstheorie
1. Identifikation aller für das Unternehmen wichtigen Perspektiven Zunächst werden – losgelöst von der bestehenden Organisationsstruktur des Unternehmens – alle aus Entscheidungs- und Steuerungsgesichtspunkten relevanten Perspektiven auf das Unternehmen identifiziert. Um hierbei zu einer sinnvollen und differenzierbaren Darstellung zu gelangen, bietet sich ein Brainstorming auf der oberen Führungsebene an, bei dem der Unternehmenszweck (z.B. Erstellung und Vertrieb von Bausparverträgen und -darlehen) in Verbindung zu den Informationsbedarfen gesetzt wird, die notwendig sind, um den Unternehmenszweck erfolgreich umsetzen und steuern zu können. Für die Bausparkassen werden so z.B. benötigt: • Informationen über die Effizienz der internen Abläufe, um kostengünstig produzieren zu können
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
77
• Informationen über die Zielerreichung/Auslastung bestimmter funktionaler Einheiten, um hier ggf. kapazitätsmäßige Anpassungen vornehmen zu können • Informationen über den jeweiligen Nutzungsgrad der einzelnen Vertriebskanäle sowie der Auswirkungen der Kundenerwartungen auf die Ausgestaltung der Angebote in den Kanälen (z.B. Kunde erwartet günstigere Konditionen bei Nutzung des Vertriebskanals „Internet“) Hieraus ergeben sich die drei Perspektiven Prozesssicht, Funktionale Sicht und Kanalsicht.131
2. Auswahl einer Perspektive als Präferenzstruktur Nachdem alle relevanten Perspektiven bestimmt sind, bedarf es der Auswahl der einen Perspektive, nach der das Unternehmen real strukturiert und (über Kennzahlen) gesteuert werden soll bzw. bereits wird: die sogenannte Präferenzperspektive bzw. Präferenzstruktur. Da die Effizienz des Unternehmens im Mittelpunkt stehen sollte und sich diese optimal über die Unternehmensprozesse beeinflussen lässt, empfiehlt sich hierbei die Prozessperspektive bzw. die Struktur der Prozessorganisation.132 Dieser Vorschlag wird bei der weiteren Betrachtung der Multiperspektivischen Organisationstheorie als gegeben vorausgesetzt.
3. Abbildung der übrigen Perspektiven in der IT-Landschaft als Sekundärstrukturen Die anderen Perspektiven werden IT-technisch als Datenmodelle in Form virtueller Kennzahlensysteme umgesetzt, um als Basis für Entscheidungen im Bereich dieser Perspektiven zur Verfügung zu stehen (z.B. bezogen auf die Kanalsicht, Entscheidungen wie: Nach welchem Kanal sollte sich das Unternehmen
131
Wie bereits in Kapitel A.I beschrieben, erfolgt bei der nachfolgenden Betrachtung im Rahmen dieser Arbeit eine Konzentration auf die drei Perspektiven Funktionale Sicht, Prozesssicht und Kanalsicht.
132
Vgl. Kapitel C.II.
78
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
stärker ausrichten? Arbeitet das Unternehmen in diesem Kanal gewinnbringend? Welche Kosten werden im Kanal verursacht?). Über diese sogenannten Sekundärstrukturen ist es den Entscheidern möglich, das Unternehmen immer in der Struktur bzw. aus der Perspektive zu betrachten, die gerade am interessantesten für sie ist, ohne dass dies Auswirkungen auf die real existierende Organisation mit sich bringt. Das heißt konkret, um ein Unternehmen regelmäßig z.B. aus der Kanalperspektive heraus betrachten zu können, muss es nicht vorher umstrukturiert und nach Kanälen gegliedert werden. Die im Rahmen der Sekundärstrukturen ermittelten Daten und Kennzahlen weisen hierbei eine genauso gute oder auch schlechte Qualität und Verlässlichkeit auf wie die Daten und Kennzahlen der Primärstruktur, da sie in der Regel aus den gleichen IT-Systemen gezogen werden. Die Qualität der Daten und Kennzahlen ist hierbei sowohl für die Primär- als auch für die Sekundärstrukturen abhängig von • korrekten manuellen bzw. aus anderen Systemen übernommenen Eingaben in die verarbeitenden, bestandsführenden und auswertenden Systeme, • der richtigen und vollständigen Definition der Messstrecken und zu zählenden Ereignisse, • des Zugriffs auf die richtigen Datenfelder im Rahmen der Auswertung, • der richtigen und vollständigen Identifikation und Definition der für das Unternehmen in der jeweiligen Struktur relevanten und aussagekräftigen Kennzahlen, • der richtigen Verknüpfung und Verdichtung der einzelnen Daten und Größen zu den gewünschten Kennzahlen sowie • der fehlerfreien Funktionsweise aller genutzten IT-Systeme.
Um die in Schritt 2 und 3 des Vorgehensmodells benötigten Messstrecken, Datenbanken, Kennzahlensysteme und Interaktionen zu generieren, bedarf es zu deren Konkretisierung eines Rahmenkonzepts, das sowohl alle als (für die Bausparkassen) relevant eingestuften Perspektiven als auch strategische und effizienzsteigernde Komponenten berücksichtigt.
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
79
Unter Einbeziehung der drei identifizierten Perspektiven Funktionale Sicht, Prozesssicht und Kanalsicht133 wurde hierzu das strategische Prozess-FunktionsKanal-Modell zur flexiblen Unternehmenssteuerung – kurz PFK-StrategieModell – entworfen, das in Abschnitt C ausführlich beschrieben und exemplarisch für die Bausparkassen umgesetzt wird. Das PFK-Strategie-Modell ist skalierbar und kann je nach identifizierten Perspektiven erweitert bzw. verkleinert werden, da der Aufbau zur Beschreibung der einzelnen Perspektiven identisch und standardisiert ist.
2
Kritische Bewertung der Multiperspektivischen Organisationstheorie
In Weiterentwicklung der etablierten Organisationstheorien vollzieht die Multiperspektivische Organisationstheorie den Schritt von der ein- bzw. zweidimensionalen Strukturierungsproblematik von Aufbau- und Ablauforganisation hin zu einer multidimensionalen Betrachtungs- und Gestaltungsweise des Unternehmens. Damit wird es erstmals möglich, das komplexe Zusammenspiel verschiedener Steuerungsebenen und –ziele (z.B. Prozesse für die Sicherstellung der internen Effizienz, Vertriebskanäle für die Justierung der Positionierung des Unternehmens im Markt und gegenüber dem Kunden) organisationstheoretisch zu antizipieren. Der Anspruch an die Organisation, die ein Unternehmen hat, ist dementsprechend die Schaffung von Transparenz für die Entscheider und die Gewährleistung einer effizienten (formalzielfördernden) Aufgabenerfüllung. In diesem Zusammenhang wird das Paradigma der realen Existenz von Organisationsstrukturen zugunsten der Akzeptanz virtueller Sekundärstrukturen erweitert, um so den Entscheidern des Unternehmens mit Hilfe von IT-Systemen zu jedem Zeitpunkt und für jede Problemstellung die benötigten Informationen zur Verfügung stellen zu können. Als Metapher für die Organisation verwendet die Multiperspektivische Organisationstheorie daher einen multidimensionalen Würfel. Durch die Anerkennung virtueller Organisationsstrukturen wird es letztendlich auch möglich, unter Verzicht auf eine reale Primärstruktur rein virtuelle Unter-
133
Ergebnis der Befragung der deutschen Bausparkassen. Für eine detailliertere Ausführung siehe hierzu Kapitel E.I.
80
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
nehmen organisationstheoretisch zu erfassen und damit auch Managementansätze für dynamische Kooperationen in virtuellen Netzwerken abzuleiten.134 Hierbei erkennt die Multiperspektivische Organisationstheorie die Bedeutung der Informationstechnik bei der Gestaltung der unternehmerischen Strukturen an, indem im Rahmen der Integration und Neuentwicklung von IT-Systemen die bestehenden Abläufe und Handlungsmuster analysiert, optimiert und ITtechnisch unterstützt werden. Die so konzipierten IT-Systeme ermöglichen die Generierung und Auswertung von Kennzahlen, anhand derer Entscheider bei richtiger Interpretation Trends in der Entwicklung der Umwelt und bezüglich der Effizienz des eigenen Unternehmens erkennen und so Rückschlüsse auf Anpassungsbedarf bei der Ausgestaltung der Organisationsstrukturen ziehen können. Die Organisation wird in der Multiperspektivische Organisationstheorie zum IT-getriebenen Aufgabenerfüllungssystem. Die Interpretation der durch die IT-Systeme bereitgestellten Informationen wird in der Multiperspektivischen Organisationstheorie nicht behandelt; hier wird vor allem auf den Informationsinterpretationsansatz verwiesen, der die Multiperspektivische Organisationstheorie sinnvoll ergänzt, insbesondere auf das Interpretationsmuster der Ermittlung.135 Die Multiperspektivische Organisationstheorie kann als wesensmäßig eigenständige Synthese verschiedener organisationstheoretischer Ansätze angesehen werden, vor allem des Situativen Ansatzes, des Betriebswirtschaftlichen Informationsverarbeitungsansatzes sowie der Ansätze zur Prozessorientierung, aber auch von Ideen aus den Anfängen der Organisationstheorie, allesamt erweitert um aktuelle organisationstheoretisch relevante Entwicklungen: So entsteht z.B. aus dem Verständnis der Multiperspektivischen Organisationstheorie heraus Ordnung im Unternehmen durch die rationale Wahl einer situativ passenden realen, prozessorientierten Präferenzstruktur, ergänzt durch situativ passende virtuelle Sekundärstrukturen. An dieser Stelle zeigen sich einerseits Parallelen zum Verständnis im Situativen Ansatz, andererseits werden auch die in der Literatur und in der Praxis vorhandenen Ansätze zur Prozessorientierung integriert. Der Bezug zum Strukturtechnischen Ansatz Kosiols wird deutlich, wenn in der Multiperspektivischen Organisationstheorie differenziert wird zwischen Entscheider 134
135
Die Anwendung der Multiperspektivischen Organisationstheorie auf virtuelle Netzwerke wurde in dieser Arbeit nicht vollzogen, da sie den Rahmen der vorliegenden Dissertation gesprengt hätte. Für eine Einführung in das Controlling in virtuellen Netzwerken siehe Ries, A.: Controlling. Für eine kurze Übersicht über den Informationsinterpretationsansatz siehe Macharzina, K.: Unternehmensführung, S. 87 ff. Grundlagenliteratur zu diesem Ansatz liefern Daft, R.L.; Weick, K.E.: Model of Organizations, S. 284 ff, Daft, R.L.; Steers, R.M.: Organizations sowie Putnam, L.L.: Interpretive Perspective, S. 31 ff.
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
81
und Mitarbeiter: Beide sind abstrakte Aufgabenträger, aber der Entscheider ist zusätzlich umweltoffen und lernfähig. Hier erfolgt also eine Synthese zwischen Situativem und Strukturtechnischem Ansatz. Bei der kritischen Betrachtung der Multiperspektivischen Organisationstheorie fallen besonders sechs endogene Kritikpunkte auf: • Die Gültigkeit der Multiperspektivischen Organisationstheorie außerhalb des Bausparsektors ist nicht sichergestellt. Die zum Theoriebeweis herangezogene statistische Erhebung kann zwar aufgrund der hohen Beteiligung bei der Befragung aller deutschen Bausparkassen136 (Vollerhebung) für den Bausparsektor als repräsentativ gewertet werden. Allerdings kann nicht bedenkenlos davon ausgegangen werden, dass sich die Ergebnisse der Befragung im Rahmen der Verallgemeinerung auf andere Organisationen und Branchen übertragen lassen und insbesondere, dass die Annahmen der Multiperspektivischen Organisationstheorie auch außerhalb des Bausparsektors gültig sind. • Die Multiperspektivische Organisationstheorie favorisiert die Prozessorganisation als Präferenzstruktur. Der Vorzug der Prozessorganisation vor anderen Strukturkriterien (z.B. funktionale oder kanalorientierte Gliederung) ist nicht experimentell beweisbar. Hierzu müsste man jeweils Unternehmen mit identischer Umfeldsituation und Ausgangslage (z.B. Mitarbeiterzahl, Produktangebot) nach je einem dieser Kriterien strukturieren, um dann in Vergleichsmessungen herauszufinden, welches Strukturierungskriterium tatsächlich die effizientesten Arbeitsabläufe gewährleistet. • Es fehlt eine Methode zur Festlegung, welcher Grad der Prozessorientierung für welches Unternehmen optimal ist. Je nach Ausgangslage des Unternehmens und bisher führendem Strukturierungskriterium (meist der funktionalen Gliederung) kann ein unterschiedlicher Grad an Prozessorientierung sinnvoll und realistisch sein (vgl. Abbildung B.11). Wie man diesen optimalen Grad der Prozessorientierung bestimmt, wird nicht aufgezeigt. Die Einschätzung bleibt dem Management überlassen.
136
Siehe hierzu im Anhang Kapitel E.I.
82
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
Funktionale Organisation
Funktionale Organisation mit prozessorientierter Überlagerung
Funktionale Organisation
Prozessorientierte Organisation mit funktionaler Überlagerung
Prozessorientierte Organisation
Prozessorganisation
Prozessorganisation
Abb. B.11: Grade der Prozessorientierung137 • Es fehlt eine Methode zur Interpretation der durch die IT-Systeme zur Verfügung gestellten Informationen im Rahmen der Entscheidungsfindung. Die Multiperspektivische Organisationstheorie beschäftigt sich damit, Informationen umfassend bereitzustellen, klammert aber den daran anschließenden Prozess der Interpretation und Entscheidungsfindung aus. Nur wenn aus den bereitgestellten Kennzahlen die richtigen Schlüsse gezogen werden, können jedoch die Entscheidungen getroffen werden, die den Fortbestand des Unternehmens langfristig sichern. Hierzu wird jedoch auf andere organisationstheoretische Ansätze wie z.B. den Informationsinterpretationsansatz verwiesen. • Grundsätzlich wird angenommen, dass sich der Informationsbedarf bezüglich der Sekundärperspektiven durch virtuelle Organisationsstrukturen optimal decken lässt, wobei unterstellt wird, dass IT-Systeme integrierbar bzw. neu zu entwickeln sind. Vor allem vor dem Hintergrund, dass einige IT-Anwendungen reine Insellösungen und damit schnittstellenuntauglich sind, stößt das Konzept der virtuelle Organisationsstrukturen, zumindest was die Integrierbarkeit im Rahmen von EAI-Systemen angeht, an seine Grenzen. Die Annahme der optimalen Deckung des Informationsbedarfs wird nicht experimentell bewiesen. Sie kann aber nur dann gerechtfertigt sein, wenn alle relevanten Informationsquellen berücksichtigt sind und zugleich zusätzlich im Rahmen der Integration bzw. der Neuentwicklung der IT-Systeme die bestehenden Strukturen und Datenquellen kritisch hinterfragt und optimiert wurden. Gerade der letzte Punkt ist neben Aspekten wie Komfortabilität und Einfachheit der Handhabung für den Nutzer ein wichtiges Argument dafür, warum eine auf den ersten Blick einfachere und kostengünstige Datengewinnung durch (manuelle) Zusammenstellung der in verschiedenen Systemen 137
VAICON: Prozessmanagement, S. 7.
MULTIPERSPEKTIVISCHE ORGANISATIONSTHEORIE
83
unabhängig voneinander bereits vorhandenen Informationen auf Dauer unterlegen ist. Bezogen auf die Überprüfung und Optimierung der Abläufe im Zuge der Einführung von EAI-Systemen beziffert z.B. die Meta Group Deutschland das mögliche Einsparpotential der Unternehmen auf der Kostenseite durch Prozessoptimierung auf 21 – 40%, die Gartner Group identifiziert sogar 26 – 59 %, wobei die Einsparungen bei komplexer Systemintegration am höchsten sind.138 • Die unterstellte sinkende Bedeutung des Faktors Mensch im Rahmen der Einführung komplexer IT-Systeme wird nicht kritisch bezüglich der Auswirkungen z.B. auf die Arbeitsmotivation hinterfragt.
Selbst vor dem Hintergrund dieser Kritikpunkte liefert die Multiperspektivische Organisationstheorie jedoch einen wesentlichen Beitrag zur theoretischen Fundierung aktueller organisatorischer Problemstellungen, die aufgrund neuer Entwicklungen vor allem im Bereich der Informationstechnik von den etablierten Organisationstheorien nicht mehr abgedeckt werden können. Um dem Anspruch gerecht zu werden, die Ansätze der Multiperspektivischen Organisationstheorie für die Praxis nutzbar zu machen, wird in Ergänzung des bereits beschriebenen dreistufigen allgemeinen Vorgehensmodells für die Umsetzung das PFK-Strategie-Modell zur Verfügung gestellt, das in Abschnitt C ausführlich erläutert und diskutiert wird.
138
Vgl. Meta Group Deutschland: Integration, S. 62 und Gartner Group: Model.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
85
C Das PFK-Strategie-Modell als Leitlinie zur praktischen Umsetzung der Multiperspektivischen Organisationstheorie I
Das PFK-Strategie-Modell zur flexiblen Unternehmenssteuerung
Basierend auf den Annahmen der Multiperspektivischen Organisationstheorie, ist das strategische Prozess-Funktions-Kanal-Modell zur flexiblen Unternehmenssteuerung folgendermaßen aufgebaut:
Strategie Strategie-ProzessKopplung
Strategie-KanalKopplung
Kennzahlen - Portal
Pro BSC
Kan BSC
Strategie-Funk tions-Kopplung
Kanalkosten
Kanalkennzahlen
VP
Kanaldefinition
Abteilungskosten
Abteilungskennzahlen
VP
Abteilungsdefinition
Prozesskosten
Prozesskennzahlen
Prozessdefinition
Fun BSC
Hybride Unternehmensstruktur
E.F.Q.M. - Selbstbewertung
VP: Verbesserungsprozess
Abb. C.1: Das PFK-Strategie-Modell zur flexiblen Unternehmenssteuerung
86
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
Ausgangspunkt ist eine hybride Unternehmensstruktur, die sowohl eine funktionale und eine prozessuale Sichtweise als auch eine (Multi-)Kanalsicht auf das Unternehmen entweder als Präferenz- oder Sekundärstruktur abbildet. Davon abgeleitet, existieren drei Komponenten zur flexiblen Unternehmenssteuerung: •
die Prozesskomponente, repräsentiert durch Prozessdefinition, Prozesskennzahlen und Prozesskosten, die in Form der Prozessorientierten Balanced Scorecard (ProBSC)139 zur Verfügung steht,
•
die Funktionale Komponente, bestehend aus Abteilungsdefinition, Abteilungskennzahlen und Abteilungskosten, die sich in der Funktionsorientierten Balanced Scorecard (FunBSC)140 widerspiegelt, und
•
die Kanalkomponente, die Kanaldefinition, Kanalkennzahlen und Kanalkosten in der Kanalorientierten Balanced Scorecard (KanBSC)141 abbildet.
Diese drei BSC-Systeme sind direkt an die Strategie, d.h. an die quantifizierten strategischen Ziele des Unternehmens, gekoppelt (Strategie-Prozess-Kopplung, Strategie-Funktions-Kopplung und Strategie-Kanal-Kopplung) und in Form einer gesamtunternehmensbezogenen Balanced Scorecard über ein KennzahlenPortal bzw. eine gemeinsame Datenbank miteinander verbunden.142 Zur ständigen Optimierung der BSC-Systeme läuft im Hintergrund ein fortlaufender Verbesserungsprozess (VP), um die Qualität und Effizienz der Abläufe in den drei Perspektiven nicht nur sicherzustellen, sondern auch kontinuierlich zu steigern.143 Die Qualität und Effizienz des Unternehmens lässt sich (insbesondere für die Prozesskomponente) über eine EFQM-Selbstbewertung gemäß dem Regelwerk der European Foundation of Quality Management – umfassender jedoch noch 139
140
141
142 143
Eine Beschreibung dessen, was genau unter einer Prozessorientierten Balanced Scorecard (ProBSC) zu verstehen ist, findet sich in Kapitel C.III.2 und C.IV.1. In Kapitel C.V.1 erfolgt beispielhaft für den Bausparbereich die Entwicklung einer Prozessorientierten Balanced Scorecard. Eine Beschreibung dessen, was genau unter einer Funktionsorientierten Balanced Scorecard (FunBSC) zu verstehen ist, findet sich in Kapitel C.IV.1. In Kapitel C.V.2 erfolgt beispielhaft für den Bausparbereich die Entwicklung einer Funktionsorientierten Balanced Scorecard. Eine Beschreibung dessen, was genau unter einer Kanalorientierten Balanced Scorecard (KanBSC) zu verstehen ist, findet sich in Kapitel C.IV.1. In Kapitel C.V.3 erfolgt beispielhaft für den Bausparbereich die Entwicklung einer Kanalorientierten Balanced Scorecard. Das Zusammenspiel der Kennzahlensysteme wird ausführlich in Kapitel C.V.4 betrachtet. Die Wirkungsweise des Verbesserungsprozesses wird in Kapitel C.VI erläutert.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
87
gemäß dem Multiperspektivischen Qualitätsmodell144 – evaluieren, wobei Schwachstellen und Ansatzpunkte für weitere Verbesserungen deutlich werden.145 Darüber hinaus fördert die EFQM-Selbstbewertung das Denken in Prozessen und damit die Komponente, die den Schwerpunkt der Betrachtungsweise im Unternehmen gemäß der Multiperspektivischen Organisationstheorie bildet. Mit dem PFK-Strategie-Modell steht ein Konzept für ein umfassendes Entscheidungsunterstützungssystem zur Verfügung, das die Ansätze der Multiperspektivischen Organisationstheorie operationalisiert und in die Praxis übertragbar macht.
II Die Prozesssicht als favorisierte Präferenzstruktur 1
Gestaltungsaspekte der Prozessorientierung bzw. der Prozesssicht
Die Wahl der Prozesssicht als favorisierte Präferenzstruktur in der Multiperspektivischen Organisationstheorie und damit im PFK-Strategie-Modell lässt sich anhand der Vorteile von Prozessorientierung und Prozessmanagement für die Transparenz und Effizienz in den Unternehmensabläufen herleiten.146 Für die Umsetzung der Prozessorientierung gibt es einige grundlegende Gestaltungsanforderungen, die berücksichtigt werden müssen:147 • Wertschöpfung • Interne Kunden-Lieferanten-Beziehungen
144 145 146 147
Für die Herleitung und Erläuterung des Multiperspektivischen Qualitätsmodells siehe Kapitel C.IV.2. Der Bezug zwischen Prozessorientierter Balanced Scorecard (ProBSC) und EFQM-Modell ist in Kapitel C.IV.2 dargestellt. Siehe hierzu Kapitel B.III.3. Die nachfolgenden Ausführungen erfolgen in Anlehnung an Maurer, G.: Prozeßorientierung, S. 7 ff.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
88 • Zielfokussierung • Messbarkeit
• Objektorientierte Organisationsstrukturen
Wertschöpfung Prozesse müssen an den Bedürfnissen der Kunden ausgerichtet sein und dürfen idealerweise nur wertschöpfende Aktivitäten enthalten, d.h. solche Tätigkeiten, die von den Kunden über die Gestehungskosten hinaus honoriert werden und die somit zur Kundenzufriedenheit und zum Unternehmenserfolg beitragen.148 Wichtig ist hierbei eine ganzheitliche Sichtweise auf die Prozesse, so dass auch die unternehmensinternen und externen Lieferanten mitbetrachtet werden müssen (Kunden-Lieferanten-Perspektive).
Interne Kunden-Lieferanten-Beziehungen Während die Erwartungen an externe Lieferanten über Verträge klar spezifiziert sind, werden interne Kunden-Lieferanten-Beziehungen oftmals nicht präzise definiert.149 Interne Kunden-Lieferanten-Beziehungen treten dann auf, wenn ein Geschäftsprozess zugleich Dienstleister für einen Kunden oder Folgeprozess ist, aber auch selbst Leistungen von einem Vorgängerprozess oder Lieferanten bezieht. Zur Formalisierung von Art, Umfang, Lieferzeitpunkt und Qualität der bezogenen oder gelieferten Leistungen bieten sich sogenannte Service Level Agreements an, in denen wesentliche Daten wie Lieferant, Abnehmer, Liefertermin, Beschaffenheit der Leistung und gegebenenfalls der Verrechnungspreis im Zuge der internen Leistungsverrechnung sowie Verfahrensregeln und Sanktionsmaßnahmen bei Nichterfüllung der festgelegten Standards beschrieben sind.150
Zielfokussierung Neben dem primären Leistungsziel, d.h. der Realisierung von hoher Wertschöpfung, Kundenzufriedenheit, geringen Kosten, hoher Produktivität, Qualität und kurzen Durchlaufzeiten, gewinnt auch das Flexibilitätsziel zunehmend an Be148
149 150
Dieses Konzept der Wertschöpfungsketten wurde wesentlich geprägt durch: Porter, M.E.: Advantage, S. 64. Eine sehr anschauliche Erklärung des Wertschöpfungskettenmodells von Porter liefert: Berning, R.: Prozessmanagement, S. 26 – 43. In der Organisationstheorie werden Kunden-Lieferanten-Beziehungen intensiv von der PrincipalAgent-Theorie und der Transaktionskostentheorie beleuchtet. Vgl. Gaitanides, M.; Raster, M.; Rießelmann, D.: Synthese, S. 209 f.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
89
deutung. Flexibilität bedeutet in diesem Zusammenhang, dass sich die Prozesse schnell und flexibel an Veränderungen der Umwelt wie Einflüsse des Marktes und der Wettbewerber, Produktinnovationen oder Änderung der Kundenwünsche anpassen lassen. Ein weiteres Ziel ist die Prozessbeherrschbarkeit, d.h. der Prozess muss stabil und problemlos durchlaufen, was tendenziell eine geringere Prozesskomplexität, d.h. einfach gehaltene Prozessstrukturen, fördert. Eine Priorisierung dieser Ziele und die Fokussierung auf ein verfolgtes Hauptziel ist unabdingbar, da sich zum einen Zielkonflikte ergeben (z.B. Leistungsversus Anpassungsfähigkeit) und zum anderen die individuelle Situation des Unternehmens am Markt reflektiert werden muss (z.B. Zeit-151 versus Preiswettbewerb).
Messbarkeit Die Messbarkeit von Prozessen stellt die Grundlage für die Beurteilung, Beherrschung und Steuerung der Prozesse und damit der Marktleistung dar. Wie bereits in Kapitel B.III.3 ausführlich erläutert, sind hierbei Zeit, Kosten, Qualität, Produktivität und Kundenzufriedenheit die primären Messindikatoren, anhand derer sich die Prozess-Leistung ermitteln lässt.152
Objektorientierte Organisationsstrukturen Bereiche und Abteilungen, die auf Grundlage der bestehenden Prozesse gebildet werden, richten die Struktur des Unternehmens objektorientiert aus, wobei die Objekte Kunde, Lieferant und Produkt die zentrale Rolle spielen. Damit tritt die bisher häufig übliche Ausrichtung der Organisationsstruktur an der funktionalen Arbeitsteilung in den Hintergrund. Die Einführung von Prozessorientierung schlägt sich auch in weiteren Punkten in der aufbauorganisatorischen Gestaltung nieder: • Klare Prozessverantwortlichkeit, d.h. eine Führungskraft zeichnet für einen Prozess verantwortlich, so dass Entscheidungen schnell getroffen, Probleme gezielt gelöst und Kompetenzstreitigkeiten oder Zuständigkeitsfragen vermieden werden. 151
152
Zeitwettbewerb bezeichnet in diesem Kontext die Strategie eines Unternehmens, sich durch schnelle Produktions- und Lieferzeiten für seine Produkte (z.B. über Nacht) einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Für eine ausführliche Beschreibung der hier genannten primären Messindikatoren siehe Kapitel C.III.2.
90
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
• Verantwortungskonzentration, d.h. im Vergleich zu funktionsorientierten Organisationen sollten Kompetenzen und Verantwortung auf eine geringere Anzahl von Mitarbeitern bzw. idealerweise auf Teams konzentriert werden, so dass sowohl die vertikale als auch die horizontale Arbeitsteilung reduziert wird.153 Hierbei bewährt hat sich das Konzept der sogenannten Case Worker oder Case Teams154, bei dem ein Mitarbeiter bzw. ein Team durchgängig für die vollständige Abwicklung eines Prozesses oder einer Prozessvariante (Fälle, Cases) zuständig ist. Als Vorteile einer solchen Case-Worker-Lösung werden die hohe Problemnähe, verbunden mit einem hohen Verständnis für die spezifischen Anforderungen der Kunden, und das detaillierte Wissen der Mitarbeiter gesehen. • Flache Hierarchien, d.h. als Konsequenz abgegrenzter, selbständiger, prozessorientierter kunden- bzw. problemnaher Organisationseinheiten können flachere Hierarchien als in vergleichbaren funktionsorientierten Strukturen realisiert werden.155 Dies hat zur Folge, dass Entscheidungen aufgrund des geringeren Koordinationsaufwands schneller getroffen und Prozesse straffer organisiert und ganzheitlicher abgewickelt werden können, wobei aufgrund der zunehmenden Eigenverantwortlichkeit und Transparenz der Leistungserstellung die Arbeitsmotivation und –zufriedenheit der Mitarbeiter tendenziell steigt. • Prozessorientierte Adaption und Integration der IT, d.h. die DVLandschaft des Unternehmens muss sich permanent an die Erfordernisse der Prozesse anpassen und diese unterstützen. Hierbei ist es hilfreich, wenn die prozessorientierten Organisationsstrukturen anhand eines Prozessmodells formalisiert und visualisiert werden, das dann auch gleichzeitig als Grundlage für die Spezifikation der Informationssysteme dienen kann. Ein Ansatz, der sich in diesem Zusammenhang bewährt hat, ist das Konzept der Ereignisgesteuerten Prozessketten (EPK), das die betriebswirtschaftlich-fachliche Modellierung von Geschäftsprozessen aus Steuerungssicht insbesondere im SAP-Umfeld ermöglicht. EPK werden hierbei unter anderem zur Darstellung von Referenzmodellen verwendet, die bei SAP-Einführung die Modellierung der Geschäftsprozesse unterstützen bzw. den Abgleich zwischen bestehenden Geschäftsprozessen und Referenzmodell erlauben. Ein zweiter Ansatz ist die Entwicklung der Unified Modelling Language (UML), dem heutigen offiziellen Standard der Object Management Group. UML entstammt dem Bereich der Softwareentwicklung, wird aber immer häufiger auch zur Modellierung von Geschäftsprozessen als Vorstufe der 153 154 155
Vgl. Picot, A.; Maier, M.: Interdependenzen, S.8. Vgl. Engelmann, T.: Reengineering, S. 81 ff. Vgl. Theuvsen, L.: Reengineering, S. 67 und 69 f.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
91
Softwareentwicklung und –unterstützung eingesetzt. Damit lässt sich UML als Schnittstelle zwischen betriebswirtschaftlichem Fachkonzept und informationstechnischer Unterstützung interpretieren. 156
Zusätzlich zu den genannten Gestaltungsanforderungen im Rahmen der Umsetzung der Prozessorientierung gibt es noch zahlreiche weitere Aspekte, die zum einen generelle Ergänzungen (z.B. prozessbasierte Anreizsysteme oder prozessorientierte Führungskonzepte157), zum anderen spezifische prozessbasierte Konzepte (z.B. Variantenvielfaltoptimierung im Lean Management oder EnablerKonzept im Business Reengineering158) darstellen.
2
Umsetzung der Prozessorientierung bzw. Prozesssicht durch Business (Process) Reengineering
Methodische Vorgehensweisen und Konzepte, die einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Prozessorientierung – und damit der Realisierung der Prozesssicht – in der Praxis leisten, sind bereits vielfach im Einsatz und vor allem in produzierenden Unternehmen etabliert.159 Für die Umsetzung der Prozesssicht im Sinne der Multiperspektivischen Organisationstheorie eignen sich jedoch besonders die Ansätze des Reengineerings, da hier der Informationstechnik nicht nur eine Unterstützungsfunktion im Rahmen der Automatisierung bestehender Abläufe zukommt, sondern die Informationstechnik als Grundvoraussetzung und Treiber bei der Umsetzung innovativer Organisationsstrukturen verstanden wird.
156 157 158 159
Das Konzept der EPK und die UML sind anschaulich erläutert in: Berning, R.: Prozessmanagement, S. 88 – 96. Vgl. Theuvsen, L.: Reengineering, S.71 f sowie Stelling, J.N.: Kostenmanagement, S. 305 ff. Vgl. Theuvsen, L.: Reengineering, S. 73 – 74. Hierbei handelt es sich vor allem um qualitätsbezogene (Lean Management, Total Quality Management, Kaizen und Six Sigma) und strategiebezogene Ansätze (Hoshin Kanri/Policy Deployment). Für eine kurze Einführung in Lean Management siehe Schmelzer, H.J.; Sesselmann, W.: Geschäftsprozessmanagement, S.11 sowie Berning, R.: Prozessmanagement, S. 60. Für eine kurze Einführung in Total Quality Management und Kaizen siehe Schmelzer, H.J.; Sesselmann, W.: Geschäftsprozessmanagement, S. 13 bzw. ausführlicher S. 229 – 239, Rothlauf, J.: Total Quality Management, S. 295 - 331 sowie Berning, R.: Prozessmanagement, S. 60 – 63. Für eine kurze Einführung zu Six Sigma siehe Berning, R.: Prozessmanagement, S. 63 – 65. Für eine kurze Einführung zu Hoshin Kanri/Policy Deployment siehe Berning, R.: Prozessmanagement, S. 65 – 67.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
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Das Reengineering hat die Umgestaltung bestehender Organisationsstrukturen hin zu einer reinen Prozessorganisation zum Ziel, wobei nach Radikalität und Konsequenz der angestrebten Strukturveränderung zwischen einem evolutionären (Business Process Reengineering) und einem revolutionären Ansatz (Business Reengineering) unterschieden wird. Business Process Reengineering Ziel des Business Process Reengineerings ist die evolutionäre Steigerung der Effizienz der betrieblichen Abläufe durch Analyse, Optimierung, gezielte ReOrganisation und IT-technische Unterstützung der vorhandenen Unternehmensprozesse, basierend auf der Modellierung der Prozesse und Datenstrukturen.160 Dem Einsatz von IT-Systemen kommt hierbei bei der Realisierung von Rationalisierungspotentialen eine wesentliche Rolle zu. Da die IT-technische Unterstützung der vorhandenen Unternehmensprozesse im Vordergrund steht, findet Business Process Reengineering häufig im Zusammenhang mit der Einführung von Standardsoftware Anwendung.161
Business Reengineering Business Reengineering beginnt bei der Identifikation und Abgrenzung der relevanten Geschäftsprozesse des Unternehmens, die fundamental überdacht und radikal umgestaltet bzw. „redesigned“ werden, um „Verbesserungen um Größenordnungen in entscheidenden, heute wichtigen und messbaren Leistungsgrößen in den Bereichen Kosten, Qualität, Service und Zeit“162 zu erreichen. Business Reengineering ist dementsprechend eine Methode, die sprunghafte Steigerungen der Leistungsgrößen Qualität, Zeit, Kosten und Kundenzufriedenheit zu realisieren versucht, indem die bestehende, in der Regel funktional ausgerichtete Organisationsstruktur des Unternehmens grundsätzlich in Frage gestellt wird. Die resultierenden Maßnahmen im Rahmen eines generellen Change Managements erstrecken sich auf die Prozessstrukturen und die Prozessarchitektur, d.h., auch die informationstechnischen Systeme werden in die Betrachtung mit einbezogen.163 Ziel ist es hierbei, durch die Nutzung der Möglichkeiten der Informationstechnik innovative, zeitgemäße prozessorientierte Organisationsstrukturen unter Eliminierung überflüssiger Aufgaben und Prozesse einzuführen, in denen Organisation und IT aufeinander abgestimmt sind.
160 161 162 163
Vgl. Krickl, O.-Ch.: Business Redesign, S. 39ff. Vgl. Gaitanides, M.; Scholz, R.; Vrohlings, A.: Prozeßmanagement, S. 4. Hammer, M.; Champy, J.: Radikalkur, S. 48. Vgl. Berning, R.: Prozessmanagement, S. 68 – 71.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
93
Zur Ausrichtung des Unternehmens auf Kunden- und Prozessorientierung wird im Rahmen des Business Reengineerings eine systematische Vorgehensweise nach einem fünfstufigen Phasenmodell empfohlen:164 • Selektion, d.h. Identifikation und Definition der sogenannten Kernprozesse, d.h. der wesentlichen Geschäftsprozesse des Unternehmens, die durch intensive Ressourcennutzung und hohen Kundennutzen gekennzeichnet sind. • Analyse, d.h. Erhebung der Ist-Situation durch Analyse der Prozessstruktur und Erstellung einer Prozesslandkarte je Geschäftsprozess, aus der sich die einzelnen Arbeitsprozesse und deren Interaktion erkennen lassen. Sowohl für die Geschäftsprozesse als auch für die Arbeitsprozesse (gegebenenfalls auch für die Detailprozesse, die oftmals Varianten des Arbeitsprozesses darstellen) werden Prozessverantwortliche benannt und sowohl Ressourcenverbrauch als auch Durchlaufzeit der Prozesse ermittelt. • Synthese, d.h. Ableitung einer Soll-Prozessstruktur sowohl aus dem ermittelten Ist-Ablauf (z.B. im Rahmen einer Wertschöpfungsanalyse) als auch aus den strategischen Zielen des Unternehmens. • Implementierung, d.h. Einführung der Soll-Prozessstruktur mit allen damit verbundenen organisatorischen und IT-technischen Veränderungen (z.B. Abbau von Hierarchieebenen, Neustrukturierung von Abteilungen, Übertragung von Prozessverantwortung auf einzelne oder Gruppen). • Monitoring, d.h. Kontrolle und gegebenenfalls Anpassung der Soll-Prozessstrukturen, um eine kontinuierliche Prozessverbesserung zu erreichen. Die Reengineering-Ansätze erhalten einerseits ihre grundlegende organisationstheoretische Fundierung durch die Multiperspektivische Organisationstheorie, andererseits untermauern gerade sie die Machbarkeit der Umsetzung eines multiperspektivischen Unternehmenssteuerungsansatzes: So ist es im Rahmen der Neuentwicklung und Anpassung der prozessunterstützenden IT-Systeme leicht möglich, bei vorheriger Identifikation der relevanten Daten und Kennzahlen für andere Perspektiven die hierfür benötigten Auswertungskennzeichen zu integrieren und zusätzlich zu erhebende Daten zu definieren. Dies setzt allerdings voraus, dass das in den Reengineering-Ansätzen verfolgte Postulat der Einführung einer reinen Prozessorganisation bezüglich der Akzeptanz virtueller Sekundärstrukturen modifiziert wird. Kritikpunkte165 an den Reengineering-Ansätzen sind unter anderem, dass der anzustrebende Grad der Prozessorientierung oftmals nicht hinreichend genug 164 165
Vgl. Bea, F.X.; Göbel, E.: Organisation, S. 357. Weitere Probleme und Gefahren bei der Umsetzung prozessorientierter Ansätze werden im Rahmen des nächsten Kapitels dargestellt.
94
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
präzisiert wird166 oder auch die latente Gefahr, dass eine „Überdosierung von Prozeßregelung die Kräfte der Selbstorganisation behindert“167. Reengineering sollte aufgrund des hohen Unsicherheitspotentials durch die völlige Neustrukturierung des Unternehmens nur im Kontext eines umfassenden Prozessmanagementkonzepts zum Einsatz kommen.168
3
Probleme und Gefahren bei der Umsetzung der Prozesssicht als Präferenzstruktur
Im Konzept der Prozessorientierung sind implizit verschiedene Probleme und Gefahren enthalten, die bei der Umsetzung der Prozesssicht als Präferenzstruktur berücksichtigt werden müssen und daher im folgenden näher erläutert werden:169 •
Heterogenes Verständnis von Prozessorientierung im Unternehmen
•
Vernachlässigung von Anforderungen der Aufbauorganisation
•
Funktionsorientierte und starre IT-Unterstützung
•
Mitarbeiterbezogene Probleme
•
Verlust funktionalen Know-hows
•
Individualität der Geschäftsprozessidentifikation
•
Probleme bei der Messbarkeit innerhalb der Prozesse
•
Formalismus und Elitenbildung
Heterogenes Verständnis von Prozessorientierung im Unternehmen Ein grundlegendes Problem bei der Umsetzung der Prozessorientierung im Unternehmen ist, dass verschiedene Management-Konzepte wie z.B. Business Reengineering oder Total Quality Management existieren, die sich inhaltlich in 166 167 168 169
Siehe hierzu auch Kapitel B.VI.3. Reiß, M.: Reengineering, S. 15. Vgl. Schmelzer, H.J.; Sesselmann, W.: Geschäftsprozessmanagement, S. 12 und ausführlicher auf S. 214 – 220. Die nachfolgenden Ausführungen erfolgen in Anlehnung an Maurer, G.: Prozeßorientierung sowie Schwarz, M.; Braun, A.: Unternehmensprozessgestaltung, S. 17 – 20.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
95
einigen Punkten unterscheiden170. Darüber hinaus gestaltet sich auch die praktische Umsetzung von Prozessorientierung von Unternehmen zu Unternehmen z.B. in Abhängigkeit von Branche, Größe und Struktur unterschiedlich. Daher ist es wichtig, dass alle an der Einführung der Prozessorientierung im Unternehmen beteiligten Mitarbeiter die gleiche theoretisch-terminologische und inhaltliche Interpretation des Begriffs „Prozessorientierung“ besitzen. Das schließt auch das Maß der Prozessorientierung mit ein, das man implementieren möchte. So ist es nicht ausreichend, Funktionen wie z.B. Beschaffung und Vertrieb als Prozesse nur zu definieren, ohne sie auch entsprechend konsequent nach Prozesskriterien wie z.B. Kundenorientierung oder Wertschöpfung zu optimieren und auszurichten. Ansonsten besteht die Gefahr, dass das Unternehmen in der Funktionsorientierung – versehen mit dem Etikett der Prozessorientierung – verharrt.171 Genauso muss sich der Prozessgedanke auf alle Bereiche des Unternehmens erstrecken und ebenfalls z.B. Organisationsprozesse miteinbeziehen, um Brüche zwischen Prozessen zu vermeiden.172
Vernachlässigung von Anforderungen der Aufbauorganisation Bei einem Prozessverständnis, das davon ausgeht, dass die Prozessorientierung (Ablauforganisation) die Funktionsorientierung (Aufbauorganisation) dominierend überlagert, ist es möglich, dass bei der Prozessgestaltung wichtige Anforderungen aus der Aufbauorganisation vernachlässigt werden, die sich negativ auf die Prozessperformance auswirken. Ein Beispiel hierfür wäre die Inkompatibilität der bestehenden Stellenstruktur aus der Aufbauorganisation, z.B. bezüglich Qualifikationsprofil der Mitarbeiter, mit der Soll-Stellenstruktur, die sich aus der Prozessorientierung ergibt. Eine solche Inkompatibilität lässt sich in der Regel nur sehr zeit- und kostenintensiv abbauen.173 Um resultierende Nachteile wie z.B. schlechte Prozessperformance oder Mitarbeiterfrustration durch Überforderung zu vermeiden, sollten Aufbau- und Ablauforganisation schrittweise auf die jeweiligen gegenseitigen Anforderungen abgestimmt werden.
170
171 172 173
Für eine Gegenüberstellung der verschiedenen Prozessorientierten Managementansätze siehe Gaitanides, M.; Scholz, R.; Vrohlings, A.: Prozessmanagement, S. 11 – 13 sowie Kugeler, M.: Organisationsgestaltung, S. 59 – 94. Vgl. Wersch, M.: Workflow Management, S. 1. Vgl. Lorenz, W.-G.: Lean-Kur, S. 46. Vgl. Kortzfleisch, H.F.O. v.: Organisationsmodellierung, S. 39.
96
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
Funktionsorientierte und starre IT-Unterstützung Um eine Einschränkung der Organisationsform durch die (bestehenden) ITSysteme zu verhindern und die Organisationsgestaltung durch neue Technologien zu unterstützen, muss sich auch die IT des Unternehmens prozessorientiert ausrichten, indem IT-technisch unterstützte Geschäftsabläufe und deren Schnittstellen ausreichend gut beschrieben und gemäß der (internen und externen) Kundenanforderungen modelliert werden. Die Migration und laufende Anpassung der Informations- und Kommunikationssysteme von funktions- zu prozessorientierten Strukturen ist allerdings oftmals sehr zeit- und kostenintensiv, verbunden mit einem hohen Risiko durch Akzeptanzprobleme. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine gänzliche Reorganisation der DV-Strukturen (Hard- und Software, aber auch die DV-Abteilung selbst) vorgenommen werden muss. Nichtsdestotrotz sind diese Anpassungen notwendig, um eine konsequente Umsetzung der Prozessorientierung zu gewährleisten, da sich die Nutzung bestehender, nicht prozessorientiert ausgerichteter DV-Systeme hemmend auf die Realisierung innovativer bzw. optimierter Prozessabläufe auswirkt.
Mitarbeiterbezogene Probleme Eine prozessorientierte Organisation stellt an die Mitarbeiter erheblich höhere Anforderungen als eine funktionsorientierte: 1.
Das Denken in Prozessen: Die Mitarbeiter müssen sich vom bisherigen Denken in Funktionen und Abteilungen lösen und stattdessen über Abteilungsgrenzen und Schnittstellen hinweg in Prozessen denken. Hierbei bleiben die Prozesse nicht konstant, sondern müssen ständig im Sinne der Qualitätsverbesserung und Kundenorientierung weiterentwickelt und optimiert werden.
2.
Fachliches Qualifikationsniveau in der Breite: Während funktionales, spezielles Know-how nicht überflüssig wird, besteht doch der Trend zur Erweiterung des Aufgabenspektrums, der Kompetenzen und der Verantwortung der einzelnen Mitarbeiter, wofür ein breiteres fachliches Qualifikationsniveau über Abteilungs- und Funktionsgrenzen hinweg erforderlich ist.
3.
Teamfähigkeit und Lernbereitschaft in einem schnelllebigen Umfeld: Die Prozessorientierung und die gemeinsame Optimierung und Weiterentwicklung der Prozesse erfordert sowohl Teamfähigkeit als auch Eigenverantwortlichkeit, Leistungsorientierung, um die Prozessziele zu erreichen, Aufgeschlossenheit für neue IT-Techniken, schnelle und permanente Änderungsfähigkeit sowie Entscheidungsfreudigkeit.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
97
Durch diese Anforderungen können sich Mitarbeiter überfordert oder verunsichert fühlen und Akzeptanzprobleme bis hin zu aktiven Widerständen aufbauen, die bereits erste Einführungsprojekte der Prozessorientierung merklich blockieren können. Gibt es bereits vor Projektbeginn angekündigte (drohende) Personalfreisetzungen im Zuge der Prozessorientierung, verschärft sich die Situation umso mehr, da bereits eine Polarisierung in Gewinner und Verlierer in den Köpfen der Mitarbeiter stattfindet.
Verlust funktionalen Know-hows Wie bereits angesprochen, gewinnt eine breite Qualifikation zulasten eines tiefen speziellen, funktionalen Wissens zunehmend an Bedeutung. Hierbei gilt es, ein adäquates, effizienzförderndes Verhältnis zwischen funktionaler Arbeitsteilung und Prozessorientierung mit Schwerpunkt auf der Fähigkeit zur Prozessverbesserung zu entwickeln.
Individualität der Geschäftsprozessidentifikation Aufgrund der Unterschiedlichkeit der Unternehmen gibt es keine allgemeingültigen, d.h. betriebs- oder branchentypischen Prozesse, sondern nur Anhaltspunkte dafür, welche und wie viele Prozesse im Unternehmen vorhanden und notwendig sein könnten. Damit stellt die Geschäftsprozessidentifikation einen nicht formalisierbaren, individuellen und kreativen Prozess dar.
Probleme bei der Messbarkeit innerhalb der Prozesse Die Messbarkeit von Prozessen und die Entwicklung von Prozesskennzahlen sind zentral für die Erfolgsbewertung und Unternehmenssteuerung einer prozessorientierten Organisation. Ist eine Messung der Prozesse nicht möglich bzw. nicht gut genug, ergeben sich grundsätzliche sachliche Probleme: •
inadäquate Messkonzepte liefern falsche Signale an das Prozessmanagement,
•
eine inexakte Quantifizierung der Messungen verhindert ein effektives Controlling,
•
eine hohe Aufwendigkeit der Messungen wirkt als Kostentreiber.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
98
Formalismus und Elitenbildung Übertriebener Formalismus, der sich bei der Festlegung von Prozessen zu stark nach formalen Methoden ausrichtet und informale Aspekte vernachlässigt, gefährdet die Vorteile der Prozessorientierung. Genauso wirkt eine detaillierte Festlegung der Prozesse und Abläufe durch zentrale Instanzen, kombiniert mit der Bildung von „Elite-Gruppen“ mit Wissensvorsprung, dem Grundsatz der Delegation und Einbindung der Betroffenen entgegen. Berücksichtigt man diese Probleme und Gefahren, so kann dem Unternehmen jedoch durch die kreative und individuelle Schaffung einer prozessorientierten Organisationsstruktur unter Aufbau weiterer virtueller Sekundärstrukturen ein auf Effizienz und Kundenorientierung basierender Wettbewerbsvorteil im Sinne der Multiperspektivischen Organisationstheorie entstehen.
III Kennzahlensysteme zu Abbildung der Präferenz- und Sekundärstrukturen 1
Kennzahlen zur Unternehmenssteuerung
Um eine gezielte Prozess- bzw. Unternehmenssteuerung im Sinne der Multiperspektivischen Organisationstheorie zu ermöglichen, bedarf es ausgewählter, situativ und perspektivenbezogen passender Kennzahlen, die die momentane Situation, die Stärken und Schwächen sowie die Trends im Unternehmen und am Markt widerspiegeln. An Kennzahlen werden daher besondere Anforderungen gestellt:174 • eine eindeutig erkennbare Zielsetzung, d.h. es muss nachvollziehbar sein, warum eine bestimmte Kennzahl erhoben wird, • die vollständige, klare und interpretierbare Erfassung von Tatbeständen, • Aktualität, • die Möglichkeit, sowohl Vergangenheits- als auch Zukunftsbezug herzustellen,
174
Vgl. Ehrmann, H.: Balanced Scorecard, S. 49.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
99
• die Grundlagenbildung für eine perspektivenübergreifende Betrachtung, • Einfachheit im Aufbau (keine hochkomplexen Formeln), • eine übersichtliche Anzahl von Kennzahlen sowie • ein wirtschaftlich vertretbarer Aufwand bei der Ermittlung und Auswertung der Kennzahlen.
Kennzahl A = +
+
=
=
+
+
Zwischengrößen =
=
Gewichtungsfaktoren *
*
*
*
Zwischengrößen / Zahl 1
/
/
Anforderungen
Kennzahl B
Kennzahlengenerierung und –aggregation
Berichtssystem
/
Ausgangsgrößen
Abb. C.2: Beispielhafte Aggregationsstruktur eines kennzahlenbasierten Unternehmenssteuerungssystems175 Die verdichteten Informationen der Kennzahlen finden Eingang in die Unternehmenssteuerungsinstrumente, die sicherstellen sollen, dass das Unternehmen durch den Leistungserstellungsprozess nach Abzug aller Kosten langfristig Gewinn erwirtschaftet (siehe Abb. C.2). Um diesem Anspruch gerecht zu werden, müssen permanent unternehmensweit für alle relevanten Perspektiven Informationen zur Verfügung gestellt, ausgewertet und analysiert werden, um dem Management in aufbereiteter Form als Entscheidungsgrundlage zu dienen. Dies kann über verschiedene Arten von Kennzahlen sowohl für die Strategieplanung als auch im Sinne der Generierung von Frühwarnindikatoren im operativen Geschäft erfolgen. 175
Müller, A.; Urschel, A.; Schmid, P.; Starck, M.: QM-Kennzahlen, S. 1054.
100
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
Das durch die Kennzahlen generierte Unternehmenssteuerungssystem muss • unternehmensweit ausgerichtet, • abteilungs- bzw. prozess- und kanalübergreifend betrieben und • unternehmensintern vernetzt sein, um einen schnellen und integrierten Informationsfluss über alle Perspektiven für die Unternehmenssteuerung zu generieren. Nur so kann flexibel und zukunftsorientiert auf unter Umständen kurzfristige und innovative Marktveränderungen oder auf eine Verschlechterung der Kosten- und Ertragslage im Unternehmen reagiert werden.
2
Das Konzept der Balanced Scorecard (BSC) als prozessorientiertes Kennzahlensystem
Einen Ansatzpunkt für die Entwicklung eines prozessorientierten Kennzahlensystems zur direkten Unterstützung der Präferenzstruktur „Prozessorganisation“ bietet das Konzept der sogenannten Balanced Scorecard: Anfang der 1990er Jahre entwickelten Robert S. Kaplan und David P. Norton im Rahmen eines Forschungsprojektes mit zwölf führenden Industrieunternehmen ein neuartiges, prozessorientiertes Steuerungssystem, das als strategisches Managementinstrument die Unzulänglichkeiten klassischer Kennzahlensysteme überwinden und stattdessen eine umsetzungsorientierte, an der Strategie des Unternehmens ausgerichtete Steuerung ermöglichen sollte: Die Balanced Scorecard (BSC) oder „Ausgewogener Berichtsbogen“.176 Kaplan / Norton beschreiben das Hauptmotiv der Balanced Scorecard wie folgt: „The Balanced Scorecard complements financial measures of past performance with measures of the drivers of future performance.”177 D.h., neben reinen vergangenheitsorientierten Finanzkennzahlen werden auch zukunftsgerichtete Messgrößen für andere Leistungsperspektiven (Kunden, Prozesse und Mitarbeiter) strategiegerichtet einbezogen, um der zunehmenden Komplexität der Unternehmenssteuerung Rechnung zu tragen.
176 177
Vgl. Horváth, P; Kaufmann, L.: Balanced Scorecard, S. 41 und Wübker, G.; Baumgarten, J.: Balanced Scorecard, S. 64. Kaplan, R.S.; Norton, D.P.: Balanced Scorecard, S.8.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
101
Tabelle C.1: Wesentliche Unterschiede der Balanced Scorecard, verglichen mit anderen Kennzahlensystemen Klassische Kennzahlensysteme •
•
Balanced Scorecard
Fehlende Verbindung zur Unternehmens• strategie, da ausschließlich operativ und zudem vergangenheitsorientiert ausgerichtet • Überwiegend Finanzkennzahlen (Zahlen der Bilanz und der Gewinn-und-Verlust• Rechnung); unzureichende Berücksichtigung nicht-monetärer Leistungsgrößen
•
Anknüpfung an Symptome, nicht an Ursachen, so dass sie keine effektive Unternehmenssteuerung ermöglichen
•
Erarbeitung, Verfolgung und Rückkopplung der Kennzahlen wurden weder problematisiert noch vor dem Hintergrund der Einbindung in Managementsysteme durchgeführt
Individuelles, unternehmensspezifisches Kennzahlensystem Sowohl vergangenheits- als auch zukunftsorientierte Kennzahlen Unterstützung verschiedener Planungshorizonte durch kurz-, mittel- und langfristig ausgelegte Kennzahlen
•
Entwicklung von Ursache-WirkungsBeziehungen im System als Hypothesenwerk für die Strategie
•
Kennzahlensysteme werden nicht – wie z.B. im klassischen DuPontKennzahlensystem, das nur aus Finanzkennzahlen besteht – hochkumuliert, da sich die kausalen Zusammenhänge zwischen Kennzahlen durch die Existenz auch nicht-finanzieller Größen in der Regel nicht linear abbilden lassen
•
Ableitung der Kennzahlen aus Vision und Strategie, die dadurch auch weiterentwickelt werden
•
Steuerung der Management-Prozesse möglich
•
Aufzeigen von immateriellen Werten und eigentlichen Treibergrößen
Quelle: In Anlehnung an Bernhard, M. G.: Grundprinzipien, S. 10-11
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
102
Damit lässt sich die Leistung eines Unternehmens als Gleichgewicht („Balance“) zwischen den vier Sichten Finanzperspektive, Kundenperspektive, Interne Prozessperspektive und Lern- und Entwicklungsperspektive beschreiben, abgebildet auf einem übersichtlichen Berichtsbogen („Scorecard“).178
Maßnahmen
Vorgaben
Ziele
Kennzahlen
Finanziell Wie sollen wir gegenüber Teilhabern auftreten, um finanziellen Erfolg zu haben?
Maßnahmen
Vorgaben
Vision und Strategie
Ziele
Interne Geschäftsprozesse In welchen Geschäftsprozessen müssen wir die besten sein, um unsere Teilhaber und Kunden zu befriedigen?
Kennzahlen
Vorgaben
Maßnahmen
Ziele
Kennzahlen
Kunden Wie sollen wir gegenüber unseren Kunden auftreten, um unsere Vision zu verwirklichen?
Maßnahmen
Vorgaben
Ziele
Kennzahlen
Lernen und Entwicklung Wie können wir unsere Veränderungs- und Wachstumspotentiale fördern, um unsere Vision zu verwirklichen?
Abb. C.3: Die vier Perspektiven der Balanced Scorecard179
Vor dem Hintergrund dieser vier Perspektiven präsentiert sich die Balanced Scorecard als eine strukturierte Sammlung von Kennzahlen, in denen die Unternehmensstrategie auf relevante messbare Erfolgsfaktoren heruntergebrochen wird. Um hierbei ein noch überschaubares und handhabbares Steuerungsinstrument zu entwerfen, muss die Anzahl der Kennzahlen durch Priorisierung auf ein entsprechendes Maß beschränkt bzw. reduziert werden. In der Literatur schwan-
178 179
Vgl. Horváth, P; Kaufmann, L.: Balanced Scorecard, S. 41 und Wübker, G.; Baumgarten, J.: Balanced Scorecard, S. 64. Kaplan, R.S.; Norton, D.P.: Strategien, S. 9.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
103
Entwicklung
Prozesse
Kunden
Finanzen
ken die Angaben hierzu zwischen ca. 12 bis 25 Kennzahlen für eine Balanced Scorecard.180
ROE steigern CIR senken Provisionserträge steigern
Darlehensanteil steigern
Cross-Selling standardisieren
Kreditrisiken optimieren
Selbstbedienungsquote erhöhen
Aktiven Verkauf von Problemlösungen einfordern Auf ertragsstarke Kunden konzentrieren
Alternative Vertriebswege auf- bzw. ausbauen und optimieren
Kontinuierlichen Verbesserungsprozess implementieren Durchlaufzeit und Qualität optimieren
Mitarbeiter anforderungsorientiert qualifizieren Weiterbildungsbedarf transparent machen
Klima der Veränderungsbereitschaft schaffen
Abb. C.4: Beispielhafte Ursache-Wirkungs-Kette strategischer Ziele
Das Konzept der Balanced Scorecard lässt sich sowohl in den Kontext der Multiperspektivischen Organisationstheorie als auch in das PFK-Strategie-Modell für die Beschreibung der Kennzahlen der Ablauforganisation passend einfügen: Entlang der IT-unterstützten Prozesse werden Kennzahlen erhoben, in Form von Ursache-Wirkungs-Ketten in Beziehung gesetzt und so ein Steuerungssystem für die Prozesssicht hergeleitet. Ganz wie im PFK-Strategie-Modell als „Strategie180
Zum Beispiel formulieren Kaplan & Norton sowie Horváth & Kaufmann als eines der wichtigsten BSC-Prinzipien, die Zahl der Messgrößen auf 4 bis 7 Größen je Perspektive und insgesamt auf 25 Messgrößen zu beschränken, Bernhard schlägt 14 bis 20 Kennzahlen für die BSC vor, Form favorisiert 16 bis 25 Kenngrößen und Kah hält 2 bis 5 Kennzahlen pro Perspektive, d.h. 12 bis 20 Kennzahlen für die BSC, für angebracht. Vgl. hierzu Kaplan, R.S.; Norton, D.P.: Strategien, S. 156; Horváth, P.; Kaufmann, L.: Balanced Scorecard, S. 46; Kaufmann, L.: Balanced Scorecard, S. 425; Bernhard, M. G.: Grundprinzipien, S. 6; Form, S.: Balanced Scorecard, S. 2 und Kah, A.: Balanced Scorecard, S. 1.
104
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
Prozess-Kopplung“ gefordert, resultiert sowohl die Auswahl dieser Kennzahlen als auch die Festlegung der Interdependenzen aus der vorherigen Ableitung von Teilzielen für die Ablauforganisation aus der Unternehmensstrategie, deren (Wechsel-)wirkungen ebenfalls durch Ursache-Wirkungs-Ketten perspektivenübergreifend aufgezeigt werden können. 181 Damit wird transparent, dass jedes strategische Ziel Element einer Kette von Ursache-Wirkungs-Beziehungen ist, die letztendlich in ein finanzwirtschaftliches Ziel als Reflektionsebene der Unternehmensstrategie mündet. Bezogen auf die in Abb. C.4 dargestellte beispielhafte Ursache-Wirkungs-Kette strategischer Ziele könnten sich bei individueller unternehmensspezifischer Betrachtung einer Bausparkasse z.B. folgende Messgrößen ergeben:
Tabelle C.2: Beispielhafte Generierung unternehmensspezifischer Messgrößen Perspektive
Ziel
Finanzen
Kreditrisiken optimieren
Kennzahl % Kunden Klasse 4 & 5 Basis: Scoring neue Verträge (1 = sehr geringes Risiko; 5 = sehr hohes Risiko)
Kunden
Selbstbedienungsquote erhöhen
Anteil Abschlüsse von Bausparverträgen über alternative Vertriebswege (Internet, Kundenterminals und KioskSysteme)
Prozesse
Alternative Vertriebswege aufbzw. ausbauen und optimieren
Anteil der über alternative Vertriebswege abgeschlossenen Bausparverträge, bei denen das definierte Service Level bei der Bearbeitung in der zentralen Abwicklungseinheit eingehalten wurde
Lern- und Entwicklung
Weiterbildungsbedarf transparent machen
Anteil Schlüsselpositionen, die mit eigenen Mitarbeitern besetzt werden können
181
Vgl. Ehrmann, H.: Balanced Scorecard, S. 174.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
105
Da die Balanced Scorecard den Anforderungen sowohl der Multiperspektivischen Organisationstheorie als auch des PFK-Strategie-Modells entspricht, kann dieses Konzept als adäquates Instrument zur systematischen Umsetzung der Unternehmensstrategie sowohl in finanzielle als auch nicht-monetäre Ziele und Kennzahlen für die Prozesssicht und deren Zusammenhänge interpretiert werden.
Formulierung und Umsetzung von Vision und Strategie •
Formulierung der Vision
•
Konsensfindung
Kommunikation und Verbindung •
Kommunizierung und Ausbildung
•
Zielsetzung
•
Verknüpfen von Leistungskennzahlen mit Anreizen
Balanced Scorecard
Strategisches Feedback und Lernen •
Artikulation der gemeinsamen Vision
•
Strategisches Feedback
•
Strategiereviews und strategisches Lernen ermöglichen
Planung und Vorgaben •
Vorgaben bestimmen
•
Abstimmung strategischer Maßnahmen
•
Ressourcenverteilung
•
Meilensteine festlegen
Abb. C.5: Die Managementbausteine der Balanced Scorecard182
Auch der von Kaplan/Norton zur Einführung der Balanced Scorecard entwickelte vierphasige Umsetzungs- und Feed-back-Prozess (vgl. Abb. C.5) entspricht für die Prozesssicht der Maßgabe des PFK-Strategie-Modells, den Entscheidern durch Abgleich der Werte und Zielerreichungsgrade der ProBSC183 mit den stra182 183
Kaplan, R.S.; Norton, D.P.: Strategien, S. 10. Die ProBSC oder Prozessorientierte Balanced Scorecard entspricht der von Kaplan und Norton entwickelten BSC. Der Zusatz „prozessorientiert“ dient lediglich der Differenzierung zur Funktions- bzw. zur Kanalorientierten Balanced Scorecard.
106
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
tegischen Vorgaben und durch regelmäßige Selbstbewertung der Unternehmensleistung Transparenz bezüglich der Ist-Situation sowie der Stärken und Schwächen der Organisation zu verschaffen, die sie als Grundlage für ihre Entscheidungen im Rahmen der Prozesssicht benötigen. Die vier Phasen des Umsetzungs- und Feed-back-Prozesses sind hierbei: 1. Formulierung und Umsetzung von Vision und Strategie, d.h. Identifikation, Klärung und Konsens bezüglich der strategischen Ziele und der damit verbundenen Kennzahlen der BSC in den jeweiligen Perspektiven 2. Kommunikation und Verbindung, d.h. Kommunikations- und Weiterbildungsprogramme im Hinblick auf die Anwendung der Balanced Scorecard, Integration der BSC in das Zielvereinbarungs- und Bonussystem sowohl für Teams als auch für Einzelpersonen sowie Verknüpfung mit Anreizsystemen 3. Planung und Vorgaben, d.h. Formulierung von Zielgrößen sowie ergänzender strategischer Maßnahmen inklusive Meilensteinplanung für die identifizierten Kennzahlen und Verknüpfung dieser Initiativen mit den jährlichen Budgetierungsprozessen, so dass genügend personelle, finanzielle und materielle Ressourcen zur Umsetzung der Maßnahmen und der Erreichung der Ziele zur Verfügung stehen 4. Strategisches Feed-back und Lernen, d.h. Abweichungsanalyse, die einerseits zur Gegensteuerung dient, andererseits aber auch im Sinne eines strategischen Feed-backs die eingeschlagene Strategie überprüfen und einen strategischen Lernprozess fördern soll Horváth & Partner haben diesen vierstufigen Prozess noch detaillierter dargestellt, indem sie neben dem jährlichen Planungsprozess auch die unterjährigen Aktivitäten mitberücksichtigt haben (siehe Abb. C.6) Mit der Integration der von Kaplan/Norton entwickelten Balanced Scorecard als ProBSC in die Multiperspektivische Organisationstheorie bzw. das PFK-Strategie-Modell steht nun ein geeigneter organisationstheoretischer Bezugsrahmen für das BSC-Konzept zur Verfügung.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
107
Abb. C.6: Die Managementbausteine der Balanced Scorecard im Detail184
In der Praxis steigt die Akzeptanz der Balanced Scorecard in Unternehmen bereits kontinuierlich, wie die Studie „100 x BSC“ der Horváth & Partner GmbH, die im Jahr 2002 veröffentlicht wurde, verdeutlicht. In dieser Studie zeigte sich auch, dass BSC-Anwender deutlich erfolgreicher waren als Nicht-BSC-Anwender.185 Obwohl es sich bei dieser Studie nicht um eine wissenschaftliche Untersuchung handelt, ist sie doch als Indikation für den Trend zum verstärkten Einsatz der Balanced Scorecard zu werten, der sich auch aus der durchgeführten Befragung der deutschen Bausparkassen ablesen lässt:
184 185
Ehrmann, H.: Balanced Scorecard, S.139. Befragt wurden 252 Unternehmen aus verschiedenen Branchen, von denen sich 109 zur Teilnahme bereiterklärten und 97 den Fragebogen effektiv ausfüllten. Damit ergab sich die folgende Branchenverteilung (englische Bezeichnung gemäß Studie): Automobile & Transportation: 11%; Banks & Financial Service: 10%; Chemicals & Pharma: 17%; Construction: 2%; Insurance: 8%; Machinery & Industrial: 11%; Retail & Consumer: 15%; Software & Technology: 3%; Utilities & Telecommunication: 16%; Others: 7%. Vgl. Horváth & Partners Management Consultants: 100 x BSC, S. 6 & 30.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
108
Anwendungsgrad der Balanced Scorecard
nein
50,0% in Planung
36,4% 9,1%
teilweise ja
0%
4,5% 10%
20%
30%
40%
50%
Abb. C.7: Anwendungsgrad der Balanced Scorecard in deutschen Bausparkassen186
Zwar nutzen bisher nur 13,6% der deutschen Bausparkassen eine Balanced Scorecard in Teilen bzw. im gesamten Unternehmen, doch befinden sich weitere 36,4% in der Planungs- und Einführungsphase für eine BSC.187 Kritisch betrachtet, stellt das Konzept der Balanced Scorecard allerdings kein eigentliches Kennzahlensystem dar, da – im Gegensatz z.B. zum DuPont-Kennzahlensystem – keine festen Zielgrößen definiert wurden mit der Begründung, dass in jedem Unternehmen andere Kennzahlen und Erfolgsfaktoren zu berücksichtigen sind und es daher keine allgemeingültige Kennzahlenliste geben kann. Ob dies für alle Unternehmen und Branchen zutrifft, kann hier nicht empirisch geprüft werden; es wird jedoch im Verlauf der Arbeit der Versuch unternommen, zumindest für Bausparkassen eine exemplarische prozessorientierte Balanced Scorecard zu entwickeln, die als Indikation für die Ableitung unternehmensspezifischer Balanced Scorecards in Bausparkassen dienen soll.188 Damit wird
186 187
188
Ergebnis der Befragung der deutschen Bausparkassen. Für eine detailliertere Ausführung siehe hierzu Kapitel E.I. Für ein Praxisbeispiel der Einführung einer Balanced Scorecard und der damit verbundenen Entscheidungen siehe Friedag, H.R.; Schmidt; W.; von Daacke, M., Vieregge, R.: Balanced Scorecard, S. 896 – 900. Siehe Kapitel C.V.1.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
109
der Vorwurf der mangelnden Präzision der Balanced Scorecard für den Bausparsektor in Teilen entkräftet. Insgesamt muss die Balanced Scorecard als eine Anleitung zur Erstellung eines prozessorientierten Kennzahlensystems im Kontext der Multiperspektivischen Organisationstheorie verstanden werden. Doch auch bei anwendungsorientierter Betrachtungsweise werden Schwächen und Grenzen des Konzepts deutlich: • Fehlende klare Vorgehensweise zur Verbindung von Strategie und Kennzahlen sowie zur Bestimmung der optimalen Anzahl von Kennzahlen: Die direkte Ableitung der Kennzahlen aus der Strategie ist methodisch nicht untermauert, so dass kritische Erfolgsfaktoren oft nur intuitiv bestimmt werden können und so häufig von aktuellen Geschehnissen im Unternehmen geprägt sind. Dies hat zur Folge, dass die Balanced Scorecard öfter verändert und angepasst werden muss, wodurch die Akzeptanz als strategisches Führungsinstrument gefährdet ist.189 Genauso gibt es auch für die Bestimmung der optimalen Anzahl an Kennzahlen für das Unternehmen keine Methodenunterstützung, so dass einerseits die Gefahr besteht, sich durch zu viele Kennzahlen im Detail zu verlieren, während demgegenüber durch eine zu starke Begrenzung der Kennzahlen die Komplexität des Unternehmens so weit reduziert wird, dass wichtige Zusammenhänge verloren gehen können.190 An dieser Stelle bedarf es der Konkretisierung von Methoden zur Ableitung von Kennzahlen aus der Strategie und deren Priorisierung, was bisher in der Literatur nicht hinreichend genug geschehen ist.191 • Fehlende Akzeptanz einer kontinuierlichen Überprüfung der Unternehmensgesamtsicht: Die Notwendigkeit einer regelmäßigen Überprüfung der konzeptionellen Gesamtsicht des Unternehmens ist noch nicht bis in alle Management-Etagen vorgedrungen. Entwickelt sich die Balanced Scorecard in ihren Vorgaben und Zielgrößen nicht permanent weiter, so läuft sie Gefahr, nicht mehr die wirklich wichtigen Indikatoren aufzuzeigen und damit unter Umständen die falschen Steuerungsimpulse zu geben. Die kontinuierliche Überprüfung der Unternehmensgesamtsicht sollte daher an das Konzept der BSC gekoppelt und institutionalisiert werden. Hierzu bieten sich Ansätze aus dem Qualitätsmanagement an, denn bei Umsetzung von TQM-Modellen wie z.B. dem der European Foundation of Quality Management (EFQM) wird 189 190 191
Vgl. Wolter, O.: Balanced Scorecard, S. 15-16. Vgl. ebd., S. 16. An dieser Stelle wird die praxisorientierte Beschreibung entsprechender Methoden notwendig. Da dies den Rahmen der Arbeit sprengen und auch zu keinem weiteren wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt führen würde, wird an dieser Stelle zwar darauf hingewiesen, aber auf eine inhaltliche Konkretisierung verzichtet.
110
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
das Prinzip der regelmäßigen (Selbst-)bewertung und –überprüfung zur gelebten Realität im Unternehmen.192 • Fehlende Berücksichtigung hybrider Unternehmensstrukturen: Das Konzept der Balanced Scorecard geht von einer rein prozessorientierten Unternehmung aus, obwohl sich die Realität in vielen Unternehmen anders gestaltet: So gibt es auch Formen funktionierender und gelebter Unternehmensstrukturen, die zwischen der rein funktionalen Organisation und der reinen Prozessorganisation liegen (so z.B. die funktionsorientierte Organisation mit prozessualer Überlagerung oder die prozessorientierte Organisation mit funktionaler Überlagerung) und die mit dem bestehenden Balanced Scorecard – Konzept nicht voll erfasst werden können. In diesem Zusammenhang wird das Fehlen einer funktionalen Komponente deutlich, die das Unternehmen bei Fragestellungen, die eine funktionale Sicht erfordern, unterstützen kann.193 • Anpassungsbedarf aus dem Multi-Kanal-Mix: Mit dem Aufkommen neuer (elektronischer) Vertriebswege und Kundenkanäle entsteht die Notwendigkeit, die Einkaufs-, Vertriebs- und Serviceleistungen des Unternehmens effizient und zur Zufriedenheit der Kunden und Partner in die Kanäle zu lenken, in denen das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis erzielbar ist. Eine Steuerung nach diesem Kriterium wird durch die Balanced Scorecard nicht unterstützt.194
192 193
194
Vgl. Wolter, O.: Balanced Scorecard, S. 16. Die Analyse einer möglichen Kopplung von BSC und EFQM-Modell erfolgt in Kapitel C.IV.2. Für eine ausführliche Beschreibung, warum die funktionale Komponente nicht ohne weiteres in die von Kaplan/Norten definierte BSC integrierbar ist und wie sich diese Problematik lösen lässt, siehe Kapitel C.IV.1. Für eine ausführliche Beschreibung, warum die Kanal-Komponente nicht ohne weiteres in die von Kaplan/Norten definierte BSC integrierbar ist und wie sich diese Problematik lösen lässt, siehe Kapitel C.IV.1.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
111
IV Anpassung des Konzepts der Balanced Scorecard an die spezifischen Anforderungen der Multiperspektivischen Organisationstheorie 1
Von der Balanced Scorecard zum Balanced Scorecube (BSCu) im PFK-Strategie-Modell
In den vorangegangenen Kapiteln wurde bereits deutlich, dass allein der Prozessansatz nicht ausreichend ist, um alle Anforderungen des Unternehmens nach Information und Transparenz zu erfüllen. Im Rahmen der Multiperspektivischen Organisationstheorie ist es – wie bereits mehrfach angesprochen – vielmehr notwendig, das Unternehmen aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten zu können. Um dies zu gewährleisten, bedarf es sowohl für die Präferenzstruktur (hier: Prozesssicht) als auch für jede als relevant eingestufte Sekundärstruktur (hier: Funktionale Sicht, Kanalsicht) perspektivenspezifische Kennzahlensysteme, die im folgenden auf der Grundlage des Konzepts der Balanced Scorecard hergeleitet werden. Eine reine Ergänzung der von Kaplan/Norton entwickelten Balanced Scorecard um die beiden Sichten Funktion und Kanal ist hierbei nicht ausreichend. Zwar lassen sich einige wenige sinnvolle Ursache-Wirkungs-Ketten über die Beziehungsstränge Kanal-Perspektive Lern- und EntwicklungsperFunktionale Perspektive spektive Interne Prozessperspektive Kundenperspektive Finanzperspektive beziehungsweise Funktionale Perspektive Lern- und EntwicklungsKanal-Perspektive perspektive Interne Prozessperspektive Kundenperspektive Finanzperspektive bilden. Will man allerdings konsequent in den Perspektiven Prozess, Funktion und Kanal steuern, so müssen je Perspektive Lern- und Entwicklungsziele, Kundenziele und Finanzziele sowie interne Prozess-, Funktions- bzw. Kanalziele vereinbart werden. Damit würde eine einzige Balanced Scorecard mit sechs Per-
112
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
spektiven extrem umfangreich und komplex, ohne jemals die geplanten Verbesserungspotentiale so klar und eindeutig nachhalten zu können wie drei perspektivenspezifische, interaktive Balanced Scorecards. Diese aus den Anforderungen an Transparenz und umfassende Information im Unternehmen resultierende Notwendigkeit dreier BSC-Systeme in den Dimensionen Prozess, Funktion und Kanal findet sich im strategische ProzessFunktions-Kanal-Modell zur flexiblen Unternehmenssteuerung – kurz PFKStrategie-Modell – wieder. Interpretiert man die drei Sichten Finanzperspektive, Kundenperspektive sowie Lern- und Entwicklungsperspektive als feste Bestandteile der Prozessorientierten Balanced Scorecard195 (ProBSC) mit der Prozesssicht als leitendem Ordnungsmerkmal, nach dem sich auch die anderen drei Perspektiven bezüglich der Definition ihrer Kennzahlen ausrichten, soweit diese nicht – wie größtenteils in der Finanzperspektive – sichtenunabhängig sind, so lassen sich analog zwei weitere Ausprägungen bzw. Dimensionen der Balanced Scorecard bilden: •
die Funktionsorientierte Balanced Scorecard (FunBSC), die sich ebenfalls aus Finanzperspektive, Kundenperspektive und Lern- und Entwicklungsperspektive – jeweils bezogen auf die einzelnen Funktionen – zusammensetzt, erweitert um die Funktionssicht, sowie
•
die Kanalorientierte Balanced Scorecard (KanBSC), die neben den drei – diesmal auf die Belange der Vertriebskanäle ausgerichteten – Sichten der Finanzperspektive, der Kundenperspektive und der Lern- und Entwicklungsperspektive als vierte Sicht die Kanalperspektive beinhaltet.
Da zum einen einige Kennzahlen (z.B. übergeordnete Finanzkennzahlen) in allen drei Scorecards identisch vorhanden sind und zum anderen gleiche Datengrundlagen für unterschiedliche Darstellungen der Kennzahlen – jeweils klassifiziert nach dem entsprechenden Ordnungsmerkmal Prozess, Funktion oder Kanal – herangezogen werden können (z.B. Mitarbeiteranzahl im Prozess, in der Funktion und im Kanal), erscheint es sinnvoll, diese drei BSC-Konzepte z.B. in Form eines Kennzahlenportals zu vernetzen, um eine einheitliche Datengrundla-
195
Die Prozessorientierte Balanced Scorecard entspricht der von Kaplan und Norton entwickelten BSC. Der Zusatz „prozessorientiert“ dient lediglich der Differenzierung zur Funktions- bzw. zur Kanalorientierten Balanced Scorecard.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
113
Funktionssicht
ge zu schaffen und damit Fehlerquellen und eine redundante Datenhaltung zu vermeiden.196
Kanalsicht Prozesssicht
Abb. C.8: Balanced Scorecube
Damit erweitert sich letztendlich die Balanced Scorecard zu einem Balanced Scorecube, wie in Abbildung C.8 deutlich wird. Hierbei ist eine Kennzahl jeweils nur in einer Dimension bzw. Perspektive definiert, hat aber – wie bereits erläutert – mit den anderen beiden Dimensionen (unter Umständen) eine gemeinsame Datengrundlage.197 Mit der Erweiterung des Konzepts der Balanced Scorecard zu einem Balanced Scorecube wird den multiperspektivischen Informationsbedürfnissen des Unternehmens – organisationstheoretisch eingebettet in die Multiperspektivische Organisationstheorie – erstmals vollumfänglich Rechnung getragen.
196 197
Für eine detailliertere Beschreibung der Integration der drei Perspektiven und des Zusammenspiels ihrer drei Kennzahlensysteme siehe Kapitel C.V.4. Informationen zur technischen Realisierung und damit der Möglichkeiten zur Wahl der Datengrundlage werden in Kapitel C.V.5 erläutert.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
114 2
Institutionalisierung der kontinuierlichen Überprüfung der Unternehmensgesamtsicht durch Kopplung des Balanced Scorecubes an das EFQM-Modell
Das EFQM-Modell für Excellence (EFQM-Modell) wurde von der 1988 gegründeten European Foundation for Quality Management (EFQM) mit dem Ziel entwickelt, europäische Unternehmen über jährliche Selbstbewertungen dazu zu befähigen, konstant überragende Ergebnisse zu erwirtschaften. Selbstbewertung bedeutet hierbei „eine umfassende, systematische und regelmäßige Überprüfung der Tätigkeiten und Ergebnisse einer Organisation anhand eines Modells für Business Excellence“198, um Verbesserungspotentiale zu identifizieren und deren Umsetzung zu kontrollieren. Das EFQM-Modell stellt hierzu einen objektivierbaren und jederzeit nachvollziehbaren Katalog an Messkriterien zur Verfügung.199
Ergebnisse
Befähiger
Mitarbeiterbezogene Ergebnisse (9%)
Mitarbeiter (9%) Führung (10%)
Politik und Strategie (8%)
Prozesse (14%)
Kundenbezogene Ergebnisse (20%)
Partnerschaften und Ressourcen (9%)
Gesellschaftsbezogene Ergebnisse (6%) Innovation und Lernen
Abb. C.9: Das EFQM-Modell für Excellence200
198 199 200
EFQM: Selbstbewertung, S. 7. Vgl. Maul, E.: Unternehmenskultur, S. 97. EFQM: EFQM-Modell.
SchlüsselErgebnisse (15%)
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
115
Business Excellence als Zielsetzung einer kontinuierlichen Selbstbewertung und der daraus resultierenden Verbesserungen ist definiert als eine „überragende Vorgehensweise beim Managen einer Organisation und Erzielen ihrer Ergebnisse“.201 Hierzu werden im EFQM-Modell für Excellence neun in Abhängigkeit zueinander stehende Kriterien als Bewertungsgrundlage identifiziert:202 •
Führung: u.a. Entwicklung von Vision, Mission, Werten und ethischen Grundsätzen durch die Führungskräfte; Sicherstellung der Entwicklung, Umsetzung und kontinuierlichen Verbesserung des Managementsystems der Organisation; Verankerung einer Unternehmenskultur der Excellence
•
Politik und Strategie: u.a. Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Bedürfnisse und Erwartungen von Interessengruppen; Informationsbeschaffung, Analyse, Entwicklung, Bewertung, Kommunikation und Umsetzung der Unternehmensstrategie,
•
Mitarbeiter: u.a. Planung, Management, Aus- und Weiterbildung sowie Be- und Entlohnung der Mitarbeiterressourcen; Ermächtigung der Mitarbeiter zu selbständigem Handeln,
•
Partnerschaften und Ressourcen: u.a. Management von externen Partnerschaften, Finanzen, Gebäuden, Einrichtungen, Material, Technologie, Informationen und Wissen,
•
Prozesse: u.a. Gestaltung, Management und Verbesserung der Unternehmensabläufe; Entwicklung, Herstellung und Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen; Kundenbeziehungsmanagement,
•
Kundenbezogene Ergebnisse: u.a. Messergebnisse und Leistungsindikatoren in bezug auf die Wahrnehmung des Unternehmens und seiner Produkte bei externen Kunden,
•
Mitarbeiterbezogene Ergebnisse: u.a. Messergebnisse und Leistungsindikatoren in bezug auf die Wahrnehmung des Unternehmens und seiner Produkte bei den Mitarbeitern,
•
Gesellschaftsbezogene Ergebnisse: u.a. Messergebnisse und Leistungsindikatoren in bezug auf die Wahrnehmung des Unternehmens und seiner Produkte in der lokalen, nationalen oder internationalen Gesellschaft,
•
Schlüsselergebnisse: u.a. Erreichtes in bezug auf die geplanten Leistungen des Unternehmens.
201 202
EFQM: Eckpfeiler, S. 3. Die Definition der neun Kriterien erfolgt in Anlehnung an EFQM: Excellence 2003, S. 13-15.
116
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
Die Kriterien „Führung“, „Politik und Strategie“, „Mitarbeiter“, „Partnerschaften und Ressourcen“ sowie „Prozesse“ werden hierbei als sogenannte „Befähiger“203 bezeichnet, die das Erreichen der „Ergebnisse“204, d.h. „Kundenbezogene Ergebnisse“, „Mitarbeiterbezogene Ergebnisse“, „Gesellschaftsbezogene Ergebnisse“ und „Schlüsselergebnisse“, erst ermöglichen. Dieser Einordnung liegt das Verständnis zugrunde, dass sich exzellente Ergebnisse im Hinblick auf Leistung, Kunden, Mitarbeiter und Gesellschaft nur dann erzielen lassen, wenn es der Führung gelingt, Politik und Strategie, Mitarbeiter, Partnerschaften, Ressourcen und Prozesse auf ein hohes Niveau zu heben.205 Bei der regelmäßigen Selbstbewertung können sowohl die von der EFQM vorgegebenen Prozentsätze für die einzelnen Kriterien verwendet werden206, eine Anpassung der Prozentsätze an die spezifische Situation des einzelnen Unternehmens erscheint jedoch sinnvoll. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass durch die Selbstbewertung nach dem EFQM-Modell die vom Konzept der Balanced Scorecard geforderte kontinuierliche Überprüfung der Unternehmensgesamtsicht auf jährlicher Basis institutionalisiert wird. Die Kopplung des prozessorientiert ausgerichteten EFQM-Modells mit dem Konzept der Balanced Scorecard erscheint jedoch nur dann sinnvoll, wenn die im Rahmen der Selbstbewertung erfassten Größen und Bewertungsgrundsätze mit der Betrachtungsweise und den Kennzahlen der Balanced Scorecard – respektive des Balanced Scorecubes – zumindest weitgehend übereinstimmen. Beginnend bei der Prozesssicht, lassen sich, wie bereits in Kapitel C.III.2 erläutert, die prozessorientierten Ziele des Unternehmens über eine Prozessorientierte Balanced Scorecard (ProBSC) abbilden und steuern. Setzt man die Sichten der ProBSC in Beziehung zum EFQM-Modell, so ergeben sich hierbei, wie in Abbildung C.10 erkennbar, eindeutige Parallelen in der Betrachtungsweise und Bewertungssystematik des Unternehmens. So können die neun Kriterien des EFQM-Modells jeweils einer der vier Perspektiven der ProBSC zugeordnet werden. Während für die neun Kriterien des EFQM-Modells allerdings anhand eines Katalogs konkrete Mess- und Zielgrößen definiert sind, fehlt sowohl in der Literatur als auch in der Praxis die inhaltlich verbindliche Präzisierung der Kennzahlen für die vier Sichtweisen der ProBSC. Aufgrund der Parallelen in der Betrachtungsweise des Unternehmens bietet es sich daher an, Rückschlüsse auf die Ableitung und Ausgestaltung der Kennzahlen der ProBSC auf der Basis des 203 204 205 206
Vgl. Kirstein, H.: Befähigerkriterien. Vgl. Kirstein, H.: EFQM-Modell. EFQM: Excellence 1999, S.3. Siehe Abb. C.9.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
117
EFQM-Modells zu ziehen, indem zur Generierung konkreter Messwerte und Vorgabewerte für die Balanced Scorecard die jeweils korrespondierenden Befähigerkriterien des EFQM-Modells als Messgrößen und die Ergebniskriterien als Zielgrößen für die jeweilige Perspektive der ProBSC definiert werden.207 Durch diese Kopplung der beiden Konzepte können sowohl der in der Literatur vorhandene Hauptkritikpunkt an der BSC, nämlich die fehlende klare Vorgehensweise bei der Bestimmung der Kennzahlen, als auch das Problem der fehlenden Akzeptanz einer kontinuierlichen Überprüfung der Unternehmensgesamtsicht in der Praxis nachhaltig gelöst werden.
Perspektiven der ProBSC
Kriterien des EFQM-Modells
Finanzperspektive
Führung Politik und Strategie Schlüsselergebnisse
Kundenperspektive
Partnerschaften und Ressourcen Kundenbezogene Ergebnisse
Interne Prozessperspektive
Prozesse
Lern- und Entwicklungsperspektive
Mitarbeiter Mitarbeiterbezogene Ergebnisse Gesellschaftsbezogene Ergebnisse
Abb. C.10: Beziehung zwischen EFQM-Modell und ProBSC
207
Diese Vorgehensweise wurde unter anderem z.B. von Krings angeregt (Vgl. Krings, K.: Integration, S. 309 – 318). Töpfer verweist ebenfalls auf wesentliche inhaltliche Zusammenhänge zwischen EFQM-Modell, Balanced Scorecard und auch Six Sigma (vgl. Töpfer, A.: Dreiklang, S. 1023 – 1027.)
118
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
Die Funktionssicht und die Kanalsicht werden im EFQM-Modell in Teilen ebenfalls berücksichtigt: So lassen sich für die Finanz-, die Kunden-, die Lern- und Entwicklungs- und sogar die Funktions- bzw. Kanalperspektive der zugehörigen Kennzahlensysteme der Funktionsorientierten und der Kanalorientierten Balanced Scorecard auch einige der Mess- und Ergebniskriterien des EFQM-Modells verwenden, z.B. bezüglich der explizit in der Definition des Kriteriums „Prozesse“ genannten Vermarktung von Produkten oder des Kundenbeziehungsmanagements. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Betrachtungsweise der Kenngrößen des EFQM-Modells grundsätzlich prozess- und nicht kanal- oder funktionsorientiert ausgerichtet ist. Bei konsequenter Erweiterung der Verzahnung des EFQM-Modells auf den gesamten Balanced Scorecube des PFK-Stratgie-Modells im Kontext der Multiperspektivischen Organisationstheorie wird damit im Rahmen der Selbstbewertung neben der Definition und Überprüfung kanal- und funktionsorientierter Messgrößen in der Finanz-, der Kunden- und der Lern- und Entwicklungsperspektive auch eine zusätzliche Integration der beiden Kriterien „Vertriebskanäle“ und „Aufbauorganisation“ notwendig. Als Resultat ergibt sich ein multiperspektivisches Qualitätsmodell (siehe Abb. C.11), das sowohl die Ableitung als auch die Bewertung der Kennzahlen des Balanced Scorecubes ermöglicht und so die eindimensional auf die Prozessorientierung ausgerichtete Betrachtungsweise des originären EFQM-Modells um zwei weitere Dimensionen erweitert, die der tatsächlichen Komplexität der Organisation von Unternehmen Rechnung trägt.208 Aus der beschriebenen Kombination von multiperspektivischem Qualitätsmodell und Balanced Scorecube resultieren insgesamt folgende Vorteile:209 •
Klare Zuständigkeiten: Zielsetzung, Zuständigkeiten und Ressourcen sind klar kommuniziert
•
Integrierte Leistungsmessung: Durch prozess-, funktions- und kanalorientierte Messungen werden die operationalen Ziele sowohl auf jeder Ebene als auch in jeder Perspektive sichtbar und über die Definition und Aggregation von Kennzahlen im Rahmen des Balanced Scorecubes miteinander vernetzt.
208
209
An dieser Stelle wird die praxisorientierte Ausgestaltung eines funktions- und kanalorientierten Kriterienkatalogs für das multiperspektivische Qualitätsmodell notwendig. Da dies den Rahmen der Arbeit sprengen und auch zu keinem weiteren wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt führen würde, wird an dieser Stelle zwar darauf hingewiesen, aber auf eine inhaltliche Konkretisierung verzichtet. Vgl. Kirstein, H.: Balanced Scorecard.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
•
119
Aktiv-orientiertes Management: Aufgrund der Existenz fundierter zukunftsgerichteter Kennzahlen und Frühwarnindikatoren lassen sich aktiv Entscheidungen und Steuerungsmaßnahmen auf der jeweils zuständigen Hierarchieebene und in der jeweils relevanten Perspektive (Prozess, Funktion oder Kanal) treffen.
Ergebnisse
Befähiger
Führung (10%)
Mitarbeiter (9%)
Prozesse (6%)
Mitarbeiterbezogene Ergebnisse (9%)
Politik und Strategie (8%)
Vertriebskanäle (4%)
Kundenbezogene Ergebnisse (20%)
Partnerschaften und Ressourcen (9%)
Aufbauorganisation (4%)
Gesellschaftsbezogene Ergebnisse (6%)
SchlüsselErgebnisse (15%)
Innovation und Lernen
Abb. C.11: Multiperspektivisches Qualitätsmodell auf der Basis des EFQMModells
•
Berichtswesen für den Entscheidungsprozess: Die Relevanz und Priorität von Entscheidungen können über Kennzahlen direkt und stichhaltig begründet und dokumentiert werden.
•
Geschäftssysteme, die relevante Daten liefern: Der vorhandene Informationsbedarf treibt über komplexere Systemanforderungen die Weiterentwicklung der IT-Landschaft voran, um Schlüsseldaten automatisch – und damit unter Ausschluss menschlichen Versagens – generieren zu können.
Die beschriebenen Zusammenhänge legen den Schluss nahe, dass sich der Balanced Scorecube und das multiperspektivische Qualitätsmodell auf der Basis des prozessorientierten EFQM-Modells im Rahmen der Unternehmensentwicklung derart ergänzen, dass sich zum einen über das multiperspektivische Quali-
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
120
tätsmodell konkrete Messgrößen und jährlich aktualisierte Zielwerte für den Balanced Scorecube ableiten lassen210 und die Kennzahlensysteme des Balanced Scorecubes zum anderen permanent die Erreichung der Unternehmensziele in bezug auf Business Excellence kontrollieren. Auf diese Art und Weise steht ein Instrumentarium zur Verfügung, das es ermöglicht, ein Unternehmen gezielt nach der Multiperspektivischen Organisationstheorie im Rahmen des PFKStrategie-Modells auszurichten.
System Philosophie
Multiperspektivisches Qualitätsmodell
Gestaltung der Qualitätstreiber (Befähiger + Ergebnisse) Performance Assessment
Steuerung Strategie
BSCu
Messung der Werttreiber / Key Performance Indicators Performance Measurement
Realisierung Umsetzung
Reengineering
Erreichen des geforderten Werttreiber-Niveaus Performance
Abb. C.12: Wirkungsverbund von Multiperspektivischem Qualitätsmodell, BSCu und Reengineering-Konzepten211
Berücksichtigt man zusätzlich die prozessorientiert ausgerichteten Ansätze des Reengineerings zur Umsetzung der Prozessorientierung und adaptiert diese für die Kanal- und Funktionsorientierung als „Business Channel Reengineering"
210
211
Aufgrund der normalerweise jährlich (auf freiwilliger Basis) im Unternehmen anhand der EFQMKriterien stattfindenden Selbstbewertungen zur Identifikation von Verbesserungsbereichen in der Organisation und zur Kontrolle der erzielten Verbesserungen durch eingeleitete Maßnahmen. In Anlehnung an Töpfer, A.: Dreiklang, S. 1024.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
121
bzw. Multi-Kanal-Management212 (Analyse und Infragestellung des bestehenden Vertriebskanalmixes vor dem Hintergrund der Kundenwünsche, (Neu-) definition und (Neu-)ausrichtung des Vertriebskanalmixes auf die Kundenbedürfnisse inklusive Produktauswahl und Pricing pro Kanal) und als „Business Functions Reengineering“213 (Analyse, Infragestellung und (Neu-)gestaltung bestehender funktionaler Einheiten unter Berücksichtigung der Anforderungen aus den Prozessen) als dem Business Process Reengineering nachgelagerte Schritte, so entsteht über die Verzahnung von multiperspektivischem Qualitätsmodell und Balanced Scorecube ein umfassender Wirkungsverbund zur nachhaltigen Korrektur einer suboptimalen Organisationsgestaltung214 (siehe Abb. C.12).
V
Entwicklung eines bausparspezifischen Kennzahlensystems gemäß dem PFK-Strategie-Modell
1
Entwicklung einer bausparspezifischen Prozessorientierten Balanced Scorecard (ProBSC)
Voraussetzung für die Entwicklung einer Prozessorientierten Balanced Scorecard ist ein grundlegendes Prozessverständnis und die Definition der Geschäfts-, Arbeits- und Detailprozesse im Unternehmen, um die Steuerbarkeit und strategische Ausrichtung der Prozesse auf allen Ebenen sicherzustellen. Im Rahmen der Befragung der deutschen Bausparkassen wurde daher eine Übersicht über die in einer Bausparkasse vorkommenden Prozesse erstellt und in Form eines Rankings die Prozesse identifiziert, die als am wichtigsten für die 212
213
214
Hier sei vor allem auf die praxisorientierten Ansätze des Multi-Channel-Marketings von McKinsey & Company und des Multi-Channel-Managements von Arthur D. Little sowie auf den wissenschaftlichen Ansatz des Customer-driven Distribution Systems verwiesen. Vgl. hierzu Yulinsky, C.: Multi-Channel-Marketing, Camp, F.v.: Channel conflicts sowie Stern, L.W.; El-Ansary, A.I.; Coughlan, A.T.: Marketing Channels, S. 188ff sowie Kotler, P.; Bliemel, F.: MarketingManagement 1999, S. 844. Die Analyse, welcher Ansatz im Sinne eines Business Channel Reengineerings optimal ist, ist nicht Bestandteil der Arbeit. Die Fragestellung, wie optimales Business Functions Reengineering aussehen sollte, ist nicht Bestandteil der Arbeit. Skizziert wurde dies jedoch bereits in Kapitel C.II.1 in bezug auf die Entwicklung von funktionalen hin zu objektorientierten Organisationsstrukturen und anderen Aspekten der aufbauorganisatorischen Gestaltung im Zusammenhang mit einer prozessorientierten Primärstruktur. Vgl. Töpfer, A.: Dreiklang, S. 1023f.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
122
Umsetzung der strategischen Ziele einer Bausparkasse eingestuft wurden (vgl. Abb. C.13).
Prozessbewertung bezüglich der Wichtigkeit zur Umsetzung der strategischen Ziele einer Bausparkasse 5,00 4,50 4,00 3,50 3,00 2,50
4,65 4,36 4,18 4,32 4,41
4,19 4,00
2,00 1,50
4,64
4,48
3,85
4,73 4,45
2,85
2,75
1,00
3,95 3,90 3,71
3,64
Wissensmanagementprozess
Verkaufsunterstützungsprozess
Verkaufsprozess
Verbesserungsprozess
Strategiemanagementprozess
Ressourcenmanagementprozess
Produktmanagementprozess
Personalmanagementprozess
Methodenentwicklungsprozess
Kundenbeziehungsmanagementprozess
Kommunikationsprozess
IT-Managementprozess
Investitionsmanagementprozess
Führungsprozess
Finanzmanagementprozess
Dienstleistungsprozess Spar
Dienstleistungsprozess Darlehen
0,00
Dienstleistungsprozess Bewilligung
0,50
Abb. C.13: Prozessranking bezüglich der Wichtigkeit zur Umsetzung der strategischen Ziele einer Bausparkasse215
Die fünf wichtigsten Prozesse zur Strategieverfolgung einer Bausparkasse sind: • Verkaufsprozess, d.h. die lebensphasen- und bedarfsorientierte Identifikation von Wünschen des Endverbrauchers und deren Befriedigung mit Produkten
215
Ergebnis der Befragung der deutschen Bausparkassen. Für eine detailliertere Ausführung siehe hierzu Kapitel E.I. Bewertungsmodus: Für jeden Prozess wurde die Anzahl der Bewertungen mit den Kategorien „sehr wichtig“ (5 Punkte), „wichtig“ (4 Punkte), „mittel“ (3 Punkte), „weniger wichtig“ (2 Punkte) und „unwichtig“ (1 Punkt) ermittelt, mit der Punktzahl der Kategorie multipliziert, die Produkte je Prozess aufsummiert und dann durch die Anzahl der Bewertungen dividiert; d.h. es wurde das gewichtete arithmetische Mittel gebildet.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
123
des Unternehmens über eigene Kanäle und die Absatzwege der Vertriebspartner. • Dienstleistungsprozess Bewilligung, d.h. die unkomplizierte, zuverlässige und wirtschaftlich effiziente Bewilligung und Auszahlung von Darlehen unter Berücksichtigung einer transparenten Risikooptimierung. • Kundenbeziehungsmanagementprozess, d.h. die unter Wirtschaftlichkeitsaspekten bedarfs- und lebensphasenorientierte Festigung und Erweiterung der Kundenbeziehungen, um so weitere Verkaufserfolge über standardisierte Dienstleistungen und segmentspezifische Zusatzleistungen zu generieren. • Strategiemanagementprozess, d.h. die Definition und Kommunikation der strategischen Hauptstoßrichtungen auf Basis umfassender Informationen und deren Operationalisierung und regelmäßige Auditierung bezüglich Mitarbeitern und Prozessen. • Verkaufsunterstützungsprozess, d.h. die unternehmensinterne und vertriebspartnerübergreifende Schaffung optimaler Voraussetzungen dafür, dass die angebotenen Produkte erfolgreich verkauft werden können. Als weitere relevante Prozesse wurden identifiziert: • Dienstleistungsprozess Spar, d.h. die nachvollziehbare, vollständige, unkomplizierte, die Nutzung staatlicher Vergünstigungen ermöglichende Bearbeitung von Aufträgen und ordnungsgemäße Verbuchung von Spargeldeingängen. • Dienstleistungsprozess Darlehen, d.h. die wirtschaftlich effiziente, flexible und risikominimale Sicherstellung der vereinbarten Darlehensrückzahlung, der Sicherheitenverwaltung und der Sicherheitenverwertung. • Finanzmanagementprozess, d.h. die ertragsoptimale Anlage der freien kollektiven Liquidität unter systematischem Ausschluss von Zinsänderungs- und Ausfallrisiken am Kapitalmarkt sowie die Optimierung der finanziellen Ressourcen zur Steigerung von Produktivität und Eigenkapitalrentabilität und zur dauerhaften Sicherstellung der zuverlässigen Zuteilung und Attraktivität für Finanzierer (besonders bezüglich der Nachrangfinanzierung von selbstgenutztem Wohneigentum). • Führungsprozess, d.h. die flexible und erfolgreiche Ausrichtung des Unternehmens durch ein gelebtes Wertesystem, die Vision und Mission sowie ein Unternehmensführungsmodell unter Berücksichtigung der Interessen von Endkunden, Aktionären, Vertriebspartnern, Mitarbeitern und der Öffentlichkeit.
124
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
• IT-Managementprozess, d.h. die funktionsfähige, sichere, fehlerfreie, effiziente und zukunftsorientierte Bereitstellung informationstechnischer Unterstützung für die Geschäftsprozesse sowie die kosten- und termingerechte Erbringung von Entwicklungs- und Beratungsleistungen. • Kommunikationsprozess, d.h. der zielgruppen- und zeitgerechte Austausch aufbereiteter Inhalte unter Einsatz geeigneter Medien und der Berücksichtigung der Konsistenz von Kommunikationsinhalten und -kanälen. • Personalmanagementprozess, d.h. die Bereitstellung von Mitarbeitern entsprechend der quantitativen und qualitativen Anforderungen zur Sicherstellung der Erreichung der Prozess- und Unternehmensziele. • Produktmanagementprozess, d.h. die Entwicklung leicht verkäuflicher, flexibler und rentabler Produkte, die sich den Marktanforderungen jederzeit anpassen lassen. • Verbesserungsprozess, d.h. die Identifikation wirtschaftlich sinnvoller Verbesserungsmöglichkeiten und deren zeitnahe und wirksame Umsetzung. Darüber hinaus ist es wichtig, die allgemeinen prozessbezogenen Steuerungszusammenhänge im Unternehmen zu kennen (siehe Abb. C.14), um die verschiedenen Ansätze zur Generierung von Messgrößen und Arten von Kennzahlen einordnen und voneinander abgrenzen zu können. Hierbei wird noch einmal deutlich, dass sich sowohl die in ihrer Konstanz der Definition und Verwendungsdauer langfristig ausgerichteten Kennzahlen der Prozessorientierten Balanced Scorecard als auch die für die kurzfristige Steuerung bestimmter Maßnahmen verwendeten Messgrößen im Rahmen der Strategie-Prozess-Kopplung aus den Strategischen Leitlinien des Unternehmens herleiten und in Wirkungsbeziehungen zueinander stehen. Unter dem Begriff der Strategie-Prozess-Kopplung versteht man insbesondere die Bestimmung derjenigen Geschäftsprozesse, die für die Umsetzung der festgelegten strategischen Leitlinien kurz- bis mittelfristig von besonderer Bedeutung sind. Dies können die im Rahmen der Befragung als am wichtigsten identifizierten fünf Prozesse sein; die Gewichtung kann jedoch auch anders verteilt sein und muss jedes Jahr neu überprüft werden. Die im Rahmen der StrategieProzess-Kopplung benannten Geschäftsprozesse sind schwerpunktmäßig zu optimieren, wozu konkrete Maßnahmen für die Zielerreichung aus der Unternehmensstrategie abgeleitet werden.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
125
Strategische Leitlinien
Langfristige Kennzahlen
Kurzfristige Kennzahlen
Prozessorientierte Balanced Scorecard
Strategie-Prozess-Kopplung (Maßnahmenkatalog)
Individuelle Prozessziele zur Erreichung der Zielwerte der ProBSC-Kennzahlen
Individuelle Prozessziele zur Erreichung der Zielwerte für die Umsetzungsmaßnahmen
Unternehmensbewertung nach dem Multiperspektivischen Qualitätsmodell
Legende: : nimmt Einfluss auf : daraus leitet sich ab
Abb. C.14: Prozessbezogene Unternehmenssteuerungszusammenhänge
Insgesamt folgt, dass für die Entwicklung einer bausparbezogenen Prozessorientierten Balanced Scorecard216 grundsätzlich die strategischen Leitlinien des Unternehmens, ergänzt um die Kriterien des Multiperspektivischen Qualitätsmodells, berücksichtigt werden sollten.217
216
217
Hierbei handelt es sich nicht um individuelle Prozessziele, sondern um abstrakte Kenngrößen, anhand derer (idealerweise) über mehrere Jahre die Performance des Unternehmens aus der Prozesssicht gemessen und bewertet werden soll, um strategische Handlungsanweisungen ableiten zu können. Vgl. Kapitel C.IV.2.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
126
Für eine beispielhafte Herleitung werden die Ergebnisse der Befragung der deutschen Bausparkassen herangezogen, die sich vor allem in bezug auf die Prozesssicht auch durchaus mit den im Rahmen der theoretischen Beschreibung des Konzepts der Balanced Scorecard empfohlenen Messgrößen decken218. Insgesamt zeigen sich bei den Bausparkassen klare Präferenzen bezüglich häufig verwendeter Kennzahlen:
Tabelle C.3: Prozesskennzahlen der deutschen Bausparkassen Genannte Kennzahl
Definition
Anzahl der Nennung
Perspektive der ProBSC
Deckungsbeitrag
Deckungsbeitrag pro Vertrag und Vertragsart
4
Finanzen
Stückkosten
Stückkosten je Vertrag, je Bewilligung bzw. je Darlehen
4
Finanzen
Personalkosten
Personalkosten pro Minute bzw. pro Prozess
2
Finanzen
Verwaltungskostensatz
Verwaltungskostensatz je Vertrag
1
Finanzen
Eigenkapitalrendite
Gewinn geteilt durch Eigenkapital
1
Finanzen
Im jeweiligen Geschäftsjahr angefallener Verwaltungsaufwand im Verhältnis zu den Ertragsgrößen (Zinsüberschuss, Provisionsüberschuss sowie Handelsergebnis, abzüglich der Zuführung zur Risikovorsorge)
1
Finanzen
Treasury Performance
Mehr-/Minderertrag gegenüber einer risikolosen Anlage in Relation zum eingegangenen Risiko
1
Finanzen
Sparkontenquote
Anzahl der Sparkonten je Mitarbeiter
1
Finanzen
Ausfallquote
Ausfälle pro Kundengruppe (Risikokennzahl)
1
Finanzen
(auf Basis des ökonomischen Eigenkapitals) Cost-Income-Ratio (CIR)
218
Zur Beschreibung perspektivenspezifischer Kennzahlen siehe z.B. Kaplan, R.S.; Norton, D.P.: Strategien, ergänzt um Ehrmann, H.: Balanced Scorecard, S. 109 – 129 und Hórvath, P.; Kaufmann, L.: Balanced Scorecard, S. 39 – 48.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL Genannte Kennzahl
127
Definition
Anzahl der Nennung
Perspektive der ProBSC
Kundenzufriedenheitsindex
Zufriedenheit der Kunden, z.B. erhoben durch eine Kundenbefragung unter Benutzung einer Skala von 1 (sehr zufrieden) bis 6 (sehr unzufrieden)
3
Kunden
Durchlaufzeit
zeitliche Dauer von Prozessstart bis Prozessende
12
Prozess
Prozesskosten
Prozessmenge mal konstanter Verrechnungspreis (Prozesskostensatz)
9
Prozess
Fehlerquote
Anzahl der Abweichungen vom definierten Prozessergebnis (Prozessqualität)
7
Prozess
Bearbeitungszeit
Nettobearbeitungszeit je Vorgang
5
Prozess
Beschwerde-Quote
Anzahl Beschwerden geteilt durch Anzahl Bestandskunden
3
Prozess
Termintreue
Abweichung vom geplanten Endtermin
1
Prozess
Prozesszeit
Prozessmenge je Prozess * benötigte Zeit je Prozess = Prozess- oder Arbeitszeit für die Prozessmenge
1
Prozess
Produktivität
Stück bzw. Vorgänge je MA je Zeiteinheit
9
Lern- & Entwicklung
Personalkapazität
Bearbeitungszeit mal geplantes Volumen = Mitarbeiterbedarf (Plan) bzw. mit 1 Prozess beschäftigte Mitarbeiter pro Jahr (in Mitarbeiterjahren = 1.760 Stunden)
6
Lern- & Entwicklung
Integrationsgrad IT
Anzahl der verschiedenen Systeme, die zu einer Prozessbearbeitung benötigt werden (Grad der Systemintegration)
2
Lern- & Entwicklung
Integrationsgrad Personal
Anzahl verschiedener Personen zur Bearbeitung eines Prozesses (Grad der Prozessorientierung)
2
Lern- & Entwicklung
Automatisierungsgrad
Verhältnis manueller zu digitalen Prozessschritten
2
Lern- & Entwicklung
Abschlussquote
Vertragsabschlüsse pro Außendienstmitarbeiter
1
Lern- & Entwicklung
Umsatzquote
durchschnittliche Anzahl Verträge pro Mitarbeiter
1
Lern- & Entwicklung
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
128 Genannte Kennzahl
Definition
Anzahl der Nennung
Perspektive der ProBSC
Leitungsspanne
Anzahl der Prozessverantwortlichen für einen Prozess (z.B. bei Unterteilung in aufbauorganisatorisch bedingte Teilprozessschritte)
1
Lern- & Entwicklung
Mitarbeiterzufriedenheitsindex
Zufriedenheit der Mitarbeiter, z.B. erhoben durch eine Mitarbeiterbefragung unter Benutzung einer Skala von 1 (sehr zufrieden) bis 6 (sehr unzufrieden)
1
Lern- & Entwicklung
Quelle: Ergebnis der Befragung der deutschen Bausparkassen 219
Interessanterweise sind zwar einige der für die Prozessperspektive genannten Kennzahlen tatsächlich reine Prozesskennzahlen der Internen Prozessperspektive, allerdings wurden auch Kennzahlen genannt, die den anderen drei Perspektiven der Prozessorientierten Balanced Scorecard (Finanz-, Kunden- sowie Lernund Entwicklungsperspektive) zuzuordnen sind, aber immer auch Prozessaspekte widerspiegeln. Betrachtet man die Kennzahlen noch einmal genauer, so zeigt sich deutlich, dass daraus keine Balanced Scorecard auf Gesamtunternehmensebene entsteht, sondern eine Balanced Scorecard zu Steuerung der Prozess-Performance unter Berücksichtigung weiterer unternehmerischer Perspektiven. Nimmt man die fünf am häufigsten genannten Kennzahlen je Perspektive bzw. ergänzt bei der Kundenperspektive vier gängige, sinnvolle Kennzahlen, so könnte eine bausparspezifische Prozessorientierte Balanced Scorecard folgendermaßen aussehen:
219
Für weitere Informationen siehe Kapitel E.I.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
129
Tabelle C.4: Bausparbezogene Prozessorientierte Balanced Scorecard (ProBSC) Perspektive
Ziel
Kennzahl
Zielwert Minimum
Finanzen
Gewinnsteigerung
Deckungsbeitrag
Kostenreduktion
Stückkosten
Maßnahmen
Optimum
Personalkosten
Kunden
Prozess
Steigerung der Effizienz der Bonitätsprüfung und Zuteilungsentscheidung
Ausfallquote
Erhöhung des SparAnteils
Sparkontenquote
Ausbau des Marktanteils über verstärktes Bestandskundenmanagement und qualitativ hoch-wertigere Neukundengewinnung
Anteil Umsatz mit (ertragsstarken) Bestandskunden
Positionierung als service-orientierte, innovative Bausparkasse
Kundenzufriedenheitsindex
Optimierung von Durchlaufzeit und Qualität
Bearbeitungszeit
Marktanteil Stornoquote der Neukunden
Individuelle Festlegung je Bausparkasse
Image
Durchlaufzeit Fehlerquote Beschwerdequote
Lern- und Entwicklung
Kostenoptimierung
Prozesskosten
Optimierung der ITtechnischen Infrastruktur
Integrationsgrad IT
Konsequente Prozessorientierung
Integrationsgrad Personal
Produktivitätssteigerung der Mitarbeiter
Produktivität
Automatisierungsgrad
Personalkapazität
Die Ziele, die mit einer Fokussierung auf die genannten Kennzahlen verbunden werden, wurden hierbei sinnvoll antizipiert, wobei die genannten Kennzahlen die Ziele mitunter nicht vollumfänglich abdecken, sondern lediglich Indikatoren für die Kontrolle der Zielerreichung darstellen.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
130
Die Zielwerte und Maßnahmen, die sich je Kennzahl in den einzelnen Perspektiven ergeben, sind unternehmensspezifisch und daher von jeder Bausparkasse individuell in Abhängigkeit der jeweiligen Unternehmensstrategie festzulegen. Betrachtet man noch die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Kennzahlen, so ergibt sich folgender Ursache-Wirkungs-Zusammenhang:
Finanzen
Ausfallquote
Kunden
Anteil Umsatz mit (ertragsstarken) Bestandskunden
Deckungsbeitrag
Stückkosten
Marktanteil
Bearbeitungszeit Personal-kapazität
Lern- & Entwicklung
Produktivität
Positive Korrelation Negative Korrelation
Sparkontenquote
Image Stornoquote der Neukunden
Kundenzufriedenheitsindex Durchlaufzeit
Prozess
Personalkosten
Prozesskosten
Integrationsgrad Personal
Fehlerquote
Automatisierungsgrad
BeschwerdeQuote
Integrationsgrad IT
Ergänzung sinnvoller Kennzahlen Ergebnis der Befragung
Abb. C.15: Ursache-Wirkungs-Beziehungen einer bausparbezogenen Prozessorientierten Balanced Scorecard
Hier sieht man besonders deutlich, dass die Kennzahlen über negative oder positive Korrelationen aufeinander aufbauen und sich gegenseitig beeinflussen: So bedeutet z.B. eine Steigerung der Produktivität eine Senkung der Bearbeitungszeit und damit eine Senkung der Durchlaufzeit, was wiederum zu einem höheren Kundenzufriedenheitsindex führt, usw.. Die Kennzahlen in den hellen Kästchen sind direkt den Befragungsergebnissen entnommen, die Kennzahlen in den dunklen Kästchen wurden sinnvoll ergänzt.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
131
Aus dieser bausparbezogenen Prozessorientierten Balanced Scorecard lassen sich zwei Schwerpunktthemen ablesen, die die Bausparkassen momentan220 zu beschäftigen scheinen: • die Optimierung der IT-technischen Infrastruktur (repräsentiert durch die Kennzahlen „Integrationsgrad IT“ und „Automatisierungsgrad“) sowie • die Optimierung von Durchlaufzeit und Prozessqualität (über die Kennzahlen „Bearbeitungszeit“, „Durchlaufzeit“, „Fehlerquote“ und „Beschwerdequote“). Bei diesen Kennzahlen handelt es sich um Durchschnittswerte aus den prozentualen Zielerreichungsgraden der einzelnen Prozesse, d.h. um prozessbezogene Performance-Indizes.
Ausgehend von dieser allgemeinen Prozessorientierten Balanced Scorecard, müssen für jeden Prozess individuelle Prozessziele generiert werden. Dies setzt je Prozess die Existenz individueller operativer Steuerungskennzahlen221 voraus, deren spezifische Zielvorgaben sich an den strategischen Zielen der Prozessorientierten Balanced Scorecard orientieren müssen, um diese insgesamt über alle Prozesse hinweg zu erreichen.
2
Entwicklung einer bausparspezifischen Funktionsorientierten Balanced Scorecard (FunBSC)
In Analogie zur Prozessorientierten Balanced Scorecard ist die Voraussetzung für die Entwicklung einer Funktionsorientierten Balanced Scorecard ein grundlegendes Verständnis der Funktionalen Gliederung und die Definition der einzelnen Hierarchiestufen in Form von Bereichen, Abteilungen, Gruppen, etc. im Unternehmen, um die Steuerbarkeit und strategische Ausrichtung der funktionalen Einheiten auf allen Ebenen sicherzustellen. Wie in Kapitel B.I.2 bereits beschrieben, bedeutet eine funktionale Gliederung des Unternehmens, aufgabenbezogene Subsysteme, d.h. Abteilungen oder Be220 221
Stand: Oktober 2002. Eine operative Prozesskennzahl ist eine Messgröße, die Aufschluss über die Effektivität und Leistungsfähigkeit des betrachteten Prozesses gibt.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
132
reiche, zu bilden und nach diesen z.B. über abteilungsspezifische Kostenstellen abzurechnen und zu steuern. Eine solche funktionale Aufbauorganisation könnte für eine Bausparkasse z.B. wie folgt aussehen:
Vorstand
Risikomanagement / Revision
Recht
Public Relations
Vertrieb
Vertrieb Kooperationspartner & Vermittler
Kundenservice
Kreditservice
Arbeitsvorbereitung/ Telefonservice
Operative Funktionen
Marketing
Rechnungswesen & Controlling
Organisation / IT
Personal
Unterstützungsfunktionen
Zuordnung zu den vier Phasen des Bausparvertrages nach Laux:
Abschluss und Einlösephase Ansparphase Zuteilungs- oder Auszahlungsphase Darlehens- oder Tilgungsphase
Abb. C.16: Beispielhafte Funktionale Gliederung für eine Bausparkasse Hierbei werden zunächst die wesentlichen Aufgaben und Funktionen in bezug auf das angebotene Produkt bzw. die Dienstleistung identifiziert und nach sinnvollen Kriterien – z.B. dem Lebenszyklus des Produktes – unterteilt. Hierbei ist außerdem zwischen den primär wertschöpfenden Abteilungen, d.h. dem operativen Bereich, und den sekundär wertschöpfenden Abteilungen, d.h. den Unterstützungsfunktionen, sowie den dem Vorstand direkt unterstellten Stabsfunktionen zu unterscheiden. Im Beispiel in Abb. C.16 erfolgte die Unterteilung der Aufgaben auf der Grundlage der vier Phasen eines Bausparvertrages, d.h. •
Abschluss und Einlösephase,
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
•
Ansparphase,
•
Zuteilungs- oder Auszahlungsphase sowie
•
Darlehens- oder Tilgungsphase.222
133
Strategische Leitlinien
Langfristige Kennzahlen
Kurzfristige Kennzahlen
Funktionsorientierte Balanced Scorecard
Strategie-Funktions-Kopplung (Maßnahmenkatalog)
Individuelle Funktionsziele zur Erreichung der Zielwerte der FunBSC-Kennzahlen
Individuelle Funktionsziele zur Erreichung der Zielwerte für die Umsetzungsmaßnahmen
Unternehmensbewertung nach dem Multiperspektivischen Qualitätsmodell
Legende: : nimmt Einfluss auf : daraus leitet sich ab
Abb. C.17: Funktionsbezogene Unternehmenssteuerungszusammenhänge
In Ergänzung ist es – wie bei der Prozessorientierten Balanced Scorecard – auch für die Herleitung der Funktionsorientierten Balanced Scorecard notwendig, die allgemeinen funktionsbezogenen Steuerungszusammenhänge im Unternehmen zu kennen (siehe Abb. C.17), um die verschiedenen Ansätze zur Generierung
222
Zur Identifikation der vier Zeitabschnitte eines Bausparvertrages siehe Laux, H.: Bausparfinanzierung, S. 19.
134
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
von Messgrößen und Arten von Kennzahlen einordnen und voneinander abgrenzen zu können. Die große Bedeutung der Strategischen Leitlinien sowohl als Bezugsgrundlage der langfristig ausgerichteten Kennzahlen der Funktionsorientierten Balanced Scorecard als auch der für die kurzfristige Steuerung bestimmter Maßnahmen verwendeten Messgrößen im Rahmen der Strategie-Funktions-Kopplung wird auch hier deutlich. Unter dem Begriff der Strategie-Funktions-Kopplung versteht man insbesondere die Bestimmung derjenigen Funktionen der Aufbauorganisation, die für die Umsetzung der festgelegten strategischen Leitlinien kurz- bis mittelfristig von besonderer Bedeutung sind. Die im Rahmen der Strategie-Funktions-Kopplung benannten Funktionen sind schwerpunktmäßig zu optimieren (ggf. unter Berücksichtigung der Anforderungen aus einer prozessorientierten Primärstruktur), wozu konkrete Maßnahmen für die Zielerreichung aus der Unternehmensstrategie abgeleitet werden. Die Basis für die Funktionsorientierte Balanced Scorecard sollten damit die langfristigen Strategischen Leitlinien des Unternehmens bilden, ergänzt um vorhandenes Abteilungswissen sowie die Kriterien des Multiperspektivischen Qualitätsmodells. Wie bei der Entwicklung einer bausparbezogenen Prozessorientierten Balanced Scorecard werden für die beispielhafte Funktionsorientierte Balanced Scorecard die Ergebnisse der Befragung der deutschen Bausparkassen herangezogen. Die hierbei genannten Kennzahlen sind:
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
135
Tabelle C.5: Funktionale Kennzahlen der deutschen Bausparkassen Genannte Kennzahl
Definition
Anzahl der Nennung
Perspektive der FunBSC
Budgeteinhaltung
Soll-Ist-Vergleich sowohl des Personal- als auch des Sachkostenbudgets
5
Finanzen
Stückkosten
Stückkosten je Vertrag
4
Finanzen
Kreditausfallrisiko
Volumen der einzelnen Risikosegmente * prozentualer Ausfall dieser Risikosegmente
1
Finanzen
Zinsänderungsrisiko
Elastizitätsüberhang (z.B. Inkongruenzvolumen) * potentielle (negative) Zinsänderungen
1
Finanzen
Rentabilität
Gesamtkapitalrentabilität (ROA: Return on Assets) = (Betriebsergebnis + Kapitalkosten) geteilt durch betriebsnotwendiges Vermögen
1
Finanzen
Bilanzsummenquote
Bilanzsumme pro Mitarbeiter
1
Finanzen
Verwaltungskostensatz
Verwaltungsaufwand je Vertrag
1
Finanzen
Jahresüberschussquote
Jahresüberschuss pro Mitarbeiter
1
Finanzen
Darlehensbewilligungsmarge
Durchschnittlich bei der Darlehensbewilligung erzielte Zinsmarge in bezug auf das aktuelle Zinsniveau im Zeitpunkt der Bewilligung
1
Finanzen
Durchschnittskosten je Mitarbeiter
Durchschnittliche Personal- und Sachkosten je Mitarbeiter
1
Finanzen
Standardkostensatz
Standardpersonalkosten Mitarbeiter pro Jahr geteilt durch maximale Planbeschäftigung Mitarbeiter in Minuten pro Jahr
1
Finanzen
(in EUR/Min) Standardeinzelkosten pro Produkt/Vertrag
Personalstandardeinzelkosten + Sachmittelstandardeinzelkosten je Produkt bzw. Vertrag
1
Finanzen
Standardeinzelkosten pro Prozess (Auftrag)
Personalstandardeinzelkosten + Sachmittelstandardeinzelkosten je Prozess
1
Finanzen
Vertriebskostensatz
Kosten Absatzbereich geteilt durch Neugeschäft
1
Finanzen
Vertragsquote
Verträge pro Mitarbeiter
1
Kunden
Marktanteil
Unternehmenseigener Umsatz * 100 geteilt durch Gesamtumsatz aller Anbieter (bzgl. Stück verkaufte Verträge sowie Bausparsumme und Darlehensvolumen)
1
Kunden
136
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
Genannte Kennzahl
Definition
Kundenzufriedenheitsindex
Zufriedenheit der Kunden, z.B. erhoben durch eine Kundenbefragung unter Benutzung einer Skala von 1 (sehr zufrieden) bis 6 (sehr unzufrieden)
1
Kunden
Zielerreichungsgrad
Prozentsatz der Erreichung der vereinbarten Jahresziele (auf allen Ebenen)
7
Funktion
Kosten pro Abteilung/ Bereich
Personal- und Sachkosten pro Abteilung / pro Bereich (Ist / Soll)
5
Funktion
Fehlerquote
Prozentsatz an Vertragsdokumenten und sonstigen Dienstleistungen, die ohne Nachbesserungsbedarf (z.B. falsche Adress- oder Darlehensdaten) ausgestellt bzw. erbracht werden
3
Funktion
Profit-Center-Ergebnis
Ergebnisbeitrag einer als Profit-Center geführten Abteilung oder Einheit
2
Funktion
Auslastungsgrad
Soll-Ist-Vergleich Auslastung
1
Funktion
Produktivität
Stück bzw. Vorgänge je Mitarbeiter je Zeiteinheit
9
Lern- & Entwicklung
Führungsspanne
Anzahl der direkt geführten Mitarbeiter bzw. Anzahl der Hierarchiestufen (Kompetenzdelegation, Eigenverantwortungsgrad)
4
Lern- & Entwicklung
Bearbeitungszeit mal geplantes Volumen =
2
Lern- & Entwicklung
Personalkapazität
Anzahl der Nennung
Mitarbeiterbedarf (Plan) pro Abteilung/Bereich
Perspektive der FunBSC
Mitarbeiter-Flexibilität
Anzahl der verschiedenen Positionen im Unternehmen, die ein Mitarbeiter im Laufe seiner Betriebszugehörigkeit begleitet hat
1
Lern- & Entwicklung
Mitarbeiter-Qualifikation
Prozentsatz der offenen Führungs- und Spezialistenpositionen, die durch eigene entsprechend gut qualifizierte Mitarbeiter besetzt werden können
1
Lern- & Entwicklung
Mitarbeiter-Fluktuation
Prozentsatz der Mitarbeiter, die das Unternehmen im Laufe des Jahres verlassen haben
1
Lern- & Entwicklung
Teamfähigkeit
Zielerreichungsgrad von Teamzielen pro Abteilung/Bereich
1
Lern- & Entwicklung
Betriebsklima
Einschätzung des Betriebsklimas, z.B. erhoben durch eine Mitarbeiterbefragung unter Benutzung einer Skala von 1 (sehr gut) bis 6 (sehr schlecht)
1
Lern- & Entwicklung
1
Lern- & Entwicklung
Weiterbildungsbereitschaft Anzahl der besuchten Seminare und sonstigen Weiterbildungsangeboten pro Mitarbeiter pro Jahr
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL Genannte Kennzahl
Definition
Innovationskraft
Mitarbeiterzufriedenheitsindex
137 Anzahl der Nennung
Perspektive der FunBSC
Anzahl der neu entwickelten Produkte und Produktvarianten pro Jahr
1
Lern- & Entwicklung
Zufriedenheit der Mitarbeiter, z.B. erhoben durch eine Mitarbeiterbefragung unter Benutzung einer Skala von 1 (sehr zufrieden) bis 6 (sehr unzufrieden)
1
Lern- & Entwicklung
Quelle: Ergebnis der Befragung der deutschen Bausparkassen223
Viele der für die Funktionale Perspektive genannten Kennzahlen sind tatsächlich reine funktionale Kennzahlen; allerdings wurden auch Kennzahlen genannt, die den anderen drei Perspektiven der Funktionsorientierten Balanced Scorecard (Finanz-, Kunden- sowie Lern- und Entwicklungsperspektive) zuzuordnen sind, aber immer auch funktionale Aspekte widerspiegeln. Betrachtet man die Kennzahlen, so zeigt sich hier ebenfalls deutlich, dass daraus keine Balanced Scorecard auf Gesamtunternehmensebene entsteht, sondern eine Balanced Scorecard zur Steuerung der Abteilungs-Performance unter Berücksichtigung weiterer unternehmerischer Perspektiven. Auch bei der Entwicklung der Funktionsorientierten Balanced Scorecard wurden die fünf am häufigsten genannten Kennzahlen je Perspektive ausgewählt bzw. es wurden bezüglich der Kundenperspektive zwei Kennzahlen ergänzt. Die daraus resultierende bausparbezogene Funktionsorientierte Balanced Scorecard ist in Tab. C.6 dargestellt.
223
Für weitere Informationen siehe Kapitel E.I.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
138
Tabelle C.6: Bausparbezogene Funktionsorientierte Balanced Scorecard (FunBSC) Perspektive
Ziel
Kennzahl
Zielwert Minimum
Finanzen
Steigerung der Bilanzsumme ohne zusätzliche Einstellung von Mitarbeitern
Bilanzsummenquote
Rentabilitätssteigerung
Jahresüberschussquote
Maßnahmen
Optimum
Stückkosten pro Vertrag Verwaltungsaufwandsquote Erhöhung der Planungssicherheit Kunden
Budgeteinhaltung
Ausbau des Marktan- Marktanteil teils Stornoquote Rentabilisierung der Kundenbeziehung
Kundenrentabilität Vertragsquote
Positionierung als service-orientierte Bausparkasse Abteilung
Kundenzufriedenheitsindex
Individuelle Festlegung je Bausparkasse
Optimierung der Ab- Profit-Centerteilungs-Performance Ergebnis Zielerreichungsgrad Auslastungsgrad Kosten pro Abteilung
Lern- und Entwicklung
Optimierung der Qualität
Fehlerquote
Steigerung der Mitarbeiterproduktivität
Produktivität Personalkapazität Mitarbeiterqualifikation
Stärkung der Eigenverantwortlichkeit und Zufriedenheit der Mitarbeiter
Führungsspanne MitarbeiterFluktuation
Die Ziele, die mit einer Fokussierung auf die genannten Kennzahlen verbunden werden, wurden hierbei, wie bei der Prozessorientierten Balanced Scorecard, sinnvoll antizipiert.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
139
Auch hier sind die Zielwerte und Maßnahmen, die sich je Kennzahl in den einzelnen Perspektiven ergeben, unternehmensspezifisch und daher von jeder Bausparkasse individuell festzulegen. Bei Betrachtung der Zusammenhänge zwischen den einzelnen Kennzahlen ergibt sich der Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, der in Abb. C.18 gezeigt wird:
Finanzen
Bilanzsummenquote
Stückkosten pro Vertrag
Budgeteinhaltung
Kundenrentabilität
Marktanteil
Kunden
Jahresüberschussquote
Kundenzufriedenheitsindex Auslastungsgrad
Funktion
Produktivität
Positive Korrelation Negative Korrelation
Personalkapazität
MitarbeiterQualifikation
Vertragsquote
Fehlerquote
Zielerreichungsgrad
MitarbeiterFluktuation
Führungsspanne
Profit-CenterErgebnis Kosten pro Abteilung
Lern- & Entwicklung
Stornoquote Neukunden
VerwaltungsAufwandsquote
Ergänzung sinnvoller Kennzahlen Ergebnis der Befragung
Abb. C.18: Ursache-Wirkungs-Beziehungen einer bausparbezogenen Funktionsorientierten Balanced Scorecard
Für die Funktionsorientierte Balanced Scorecard bauen die Kennzahlen ebenfalls sowohl über negative als auch über positive Korrelationen aufeinander auf und beeinflussen sich gegenseitig.
140
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
Die Kennzahlen in den hellen Kästchen sind direkt den Befragungsergebnissen entnommen, die Kennzahlen in den dunklen Kästchen wurden sinnvoll ergänzt. Anhand dieser bausparbezogenen Funktionsorientierten Balanced Scorecard wird deutlich, dass die deutschen Bausparkassen, die zu 77% funktional gegliedert sind224, in dieser Perspektive schwerpunktmäßig planen und steuern, denn es finden sich verstärkt Planungs- und Controlling-Kennzahlen, wie z.B. „Budgeteinhaltung“, „Führungsspanne“, „Mitarbeiter-Fluktuation“ oder „Zielerreichungsgrad“, mit hohem Bezug zur Mitarbeiter-, Ertrags- und Kostenstruktur des Unternehmens. Ausgehend von der allgemeinen Funktionsorientierten Balanced Scorecard müssen für jede funktionale Einheit, z.B. Abteilung, individuelle Funktions- bzw. Abteilungsziele generiert werden. Dies setzt je Abteilung die Existenz operativer Steuerungskennzahlen voraus, deren individuelle Zielvorgaben sich an den strategischen Zielen der Funktionsorientierten Balanced Scorecard orientieren müssen, um diese insgesamt über alle Abteilungen hinweg zu erreichen. Vor dem Hintergrund, dass die Prozesssicht die Primärperspektive und damit die Grundlage des Kennzahlensystems und der Unternehmenssteuerung darstellt, sollte eine Zuordnung der Tätigkeiten innerhalb der Abteilung zu Prozessen bzw. Projekten erfolgen, um die Aussagekraft und Verwertbarkeit der funktionalen Kennzahlen zu erhöhen.
3
Entwicklung einer bausparspezifischen Kanalorientierten Balanced Scorecard (KanBSC)
Zum Thema der Darstellung und, darauf aufbauend, der Steuerung der Kanäle in der Aufbauorganisation gibt es bisher kaum wissenschaftlich fundierte und relevante Literatur.225 Daher ist es umso wichtiger, diesen Aspekt ausführlich zu behandeln.
224 225
Ergebnis der Befragung der deutschen Bausparkassen. Für weitere Informationen siehe Kapitel E.I. Für erste Ansätze sei vor allem auf die praxisorientierten Ansätze des Multi-Channel-Marketings von McKinsey & Company und des Multi-Channel-Managements von Arthur D. Little sowie auf den wissenschaftlichen Ansatz des Customer-driven Distribution Systems verwiesen.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
141
Grundsätzlich gesehen, gibt es mindestens sieben verschiedene Möglichkeiten für den Kunden (sogenannte Customer Touch Points oder CTPs), mit einem Unternehmen in Kontakt zu treten, wie z.B.:226 • Persönlich in Filialen und Geschäftsstellen • Über Kooperationspartner • Über mobilen Vertrieb, d.h. selbständige Berater • Über Call-Center, d.h. eine Telefon-Hotline • Online über ein Internet-Portal • Per WAP-Portal, d.h. mit dem Handy • Schriftlich per Post oder Fax Die Befragung der deutschen Bausparkassen hat ein noch spezifischeres Bild der Kanalnutzung ergeben (vgl. Abb. C.19): Als Vertriebswege der deutschen Bausparkassen wurden identifiziert: • Eigener Vertrieb (Außendienst) • Kooperationspartner (Banken, Versicherungen, Sparkassen, zu denen keine Verflechtungen oder Beziehungen über einen Konzern oder Verband bestehen) • Internet • Direktvertrieb • Konzern / Verband • Freie Handelsvertreter und Makler • Sonstige Vertriebswege
226
Vgl. hierzu Yulinsky, C.: Multi-Channel-Marketing, Camp, F.v.: Channel conflicts, Stern, L.W.; El-Ansary, A.I.; Coughlan, A.T.: Marketing Channels, S. 188ff sowie Kotler, P.; Bliemel, F.: Marketing-Management 1999, S. 844. Vgl. auch Kapitel B.II.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
Sonstige Vertriebswege
Freie Handelsvertreter und Makler
Konzern/Verband
Direktvertrieb
Internet
Kanalnutzung in den deutschen Bausparkassen
Kooperationspartner (Banken, Versicherungen, Sparkassen)
18 16 14 12 10 8 6 4 2 0
Eigener Vertrieb (Außendienst)
Anzahl der Bausparkassen
Kanalanteil am Vertriebsvolumen
Keine Angaben
142
Anzahl der Bausparkassen, die diesen Kanal heute nutzen Anzahl der Bausparkassen, die diesen Kanal in 2 Jahren nutzen werden Kanalanteil am Vertriebsvolumen heute Kanalanteil am Vertriebsvolumen in 2 Jahren
Abb. C.19: Kanalnutzung in den deutschen Bausparkassen227 Aus den Angaben der deutschen Bausparkassen zur Kanalnutzung lassen sich dementsprechend folgende Aussagen treffen: • Sowohl heute als auch in zwei Jahren hat der Vertrieb über Kooperationspartner den größten Anteil am Vertriebsvolumen (heute: 54%; in 2 Jahren: 58%), gefolgt vom eigenen Vertrieb (heute: 52%; in 2 Jahren: 47%). • Die Bedeutung von Kooperationspartnern (Banken, Versicherungen und Sparkassen, zu denen keine Verflechtungen oder Beziehungen über einen Konzern oder Verband bestehen), Freien Handelsvertretern und Maklern, Direktvertrieb und Internet wird in den nächsten zwei Jahren leicht zunehmen. • Die Bedeutung von eigenem Vertrieb und Konzern- bzw. Verbandvertrieb wird in den nächsten zwei Jahren leicht zurückgehen. • Da bei der Bewertung der Kanalnutzung in 2 Jahren drei Bausparkassen, die ihre Kanalnutzung heute dargelegt haben, keine Angaben gemacht haben, ist es nicht möglich, absolute Aussagen über Trends in der Kanalnutzung zu machen.
227
Ergebnis der Befragung der deutschen Bausparkassen. Für weitere Informationen siehe Kapitel E.I.
70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
143
Jeder der identifizierten Kanäle weist seine eigenen Besonderheiten auf, so dass es sinnvoll ist, diese Zugangswege in der Kanalperspektive auch einzeln aufzuführen.
Kanal Leistung
Information Beratung
Abschluss Transaktionen Sparphase
Service
Darlehenszuteilung
...
Geschäftsstellen
Online
Call Center
Vertriebspartner
Mobiler Vertrieb
Frau S. informiert sich im Internet über die Angebote der Bausparkasse Sie lässt sich in der Geschäftsstelle zu dem Angebot beraten
Das Angebot überzeugt und sie beantragt einen Bauspar-Vertrag, den sie monatlich bespart Über das Internet führt Frau S. die Überweisung ihrer Sparbeiträge aus Nach einem Umzug informiert Frau S. die Bausparkasse über ihre neue Adresse Nach Erreichen der erforderlichen Bewertungszahl wird das Bauspardarlehen zugeteilt Nun hat Frau S. z.B. die Möglichkeit, das Darlehen abzurufen, weiterzusparen oder sich den angesparten Betrag auszahlen zu lassen.
Abb. C.20: Beispielhafter Ablauf der Geschäftsbeziehung zwischen Kunde und Bausparkasse in der Leistungs-Kanal-Matrix
Da jedoch – wie in Abbildung C.20 für einen Teil der allgemeinen KanalOptionen ersichtlich – ein Kunde nicht auf einen bestimmten Kanal festgelegt ist und in der Regel während der Geschäftsbeziehung auch zwischen den Kanälen wechselt, dürfen die Kanäle nicht isoliert betrachtet werden, sondern müssen in einem umfassenden Kontext vernetzt und gesteuert werden. Bei sieben möglichen Zugangswegen und den Annahmen, dass jeder Kanal im Laufe der Kundenbeziehung genau einmal genutzt wird und in jedem Kanal alle angebotenen Leistungen erbracht werden können, ergeben sich allein 7! = 5.040 mögliche Kombinationen der einzelnen Prozessabläufe. Damit wird deutlich, dass ein reiner Prozessansatz mit durchgehender Modellierung der Standardabläufe als Steuerungsgrundlage in der Kanalsicht nicht ausreicht bzw. bei Kanalwechsel innerhalb eines Prozesses auch gar nicht realisierbar ist. Hier müssen im Rahmen der Kanalperspektive und der Kanalorientierten Balanced Scorecard
144
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
(KanBSC) neue ereignisorientierte, d.h. auf die Messung von Häufigkeit und Nutzungsart ausgelegte Konzepte für die Kanalsteuerung herangezogen werden. Das Verfahren zur Entwicklung einer Kanalorientierten Balanced Scorecard entspricht dem der Generierung prozessorientierter oder funktionsorientierter BSCs228, wobei hier ein grundlegendes Verständnis der vom Unternehmen genutzten Vertriebskanäle und ihrer Besonderheiten in bezug auf Kostenstruktur, Bequemlichkeit für den Kunden, etc. vorhanden sein muss, um die Steuerbarkeit und strategische Ausrichtung der Kanäle sicherzustellen. Darüber hinaus ist es ebenfalls wichtig, die allgemeinen kanalbezogenen Steuerungszusammenhänge im Unternehmen zu kennen (siehe Abb. C.21), um die verschiedenen Ansätze zur Generierung von Messgrößen und Arten von Kennzahlen einordnen und voneinander abgrenzen zu können. Hierbei wird, wie bei der Betrachtung der prozessbezogenen Steuerungszusammenhänge, deutlich, dass sich sowohl die in ihrer Konstanz der Definition und Verwendungsdauer langfristig ausgerichteten Kennzahlen der Kanalorientierten Balanced Scorecard als auch die für die kurzfristige Steuerung bestimmter Maßnahmen im Rahmen der Strategie-Kanal-Kopplung verwendeten Messgrößen aus den Strategischen Leitlinien des Unternehmens herleiten und in Wirkungsbeziehungen zueinander stehen. Unter dem Begriff der Strategie-Kanal-Kopplung versteht man insbesondere die Bestimmung derjenigen Vertriebskanäle, die für die Umsetzung der festgelegten strategischen Leitlinien kurz- bis mittelfristig von besonderer Bedeutung sind. Die im Rahmen der Strategie-Kanal-Kopplung benannten Vertriebskanäle sind schwerpunktmäßig aus- bzw. aufzubauen (ggf. unter Berücksichtigung der Anforderungen aus einer prozessorientierten Primärstruktur), wozu konkrete Maßnahmen für die Zielerreichung aus der Unternehmensstrategie abgeleitet werden. Die Grundlage für eine Kanalorientierte Balanced Scorecard sollten damit die langfristigen Strategischen Leitlinien des Unternehmens bilden, ergänzt um vorhandenes Kanalwissen sowie die Kriterien des Multiperspektivischen Qualitätsmodells.
228
Vgl. Kapitel C.V.1 und C.V.2.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
145
Strategische Leitlinien
Langfristige Kennzahlen
Kurzfristige Kennzahlen
Kanalorientierte Balanced Scorecard
Strategie-Kanal-Kopplung (Maßnahmenkatalog)
Individuelle Kanalziele zur Erreichung der Zielwerte der KanBSC-Kennzahlen
Individuelle Kanalziele zur Erreichung der Zielwerte für die Umsetzungsmaßnahmen
Unternehmensbewertung nach dem Multiperspektivischen Qualitätsmodell
Legende: : nimmt Einfluss auf : daraus leitet sich ab
Abb. C.21: Kanalbezogene Unternehmenssteuerungszusammenhänge
Für die Herleitung einer beispielhaften bausparbezogenen Kanalorientierten Balanced Scorecard werden erneut die Ergebnisse der Befragung der deutschen Bausparkassen herangezogen, wobei es sich um die folgenden Kennzahlen handelt:
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
146
Tabelle C.7: Kanalkennzahlen der deutschen Bausparkassen Anzahl der Perspektive Nennung der KanBSC
Genannte Kennzahl
Definition
Neugeschäftsvolumen
Bausparsumme und Stückzahl (Ist, Ist zu Plan, Ist zu Markt)
13
Finanzen
Deckungsbeitrag
je T€ Bausparsumme je Vertriebseinheit, je T€ Bausparsumme je Kunde
9
Finanzen
Akquisitionskostensatz
Akquisitionskostensatz je Neukunde
2
Finanzen
Bruttoneugeschäft
Bruttoneugeschäft je Einwohner
2
Finanzen
Bruttoneugeschäft je Girokonto
1
Finanzen
Ausfallrisiko
Volumen der einzelnen Risikosegmente * prozentualer Ausfall dieser Risikosegmente
1
Finanzen
Bausparunterlegung
Von Kooperationspartner x vermittelte Bausparverträge / Gesamte (vermittelte und) genehmigte Wohnungsbaudarlehen des Kooperationspartners im laufenden Jahr
1
Finanzen
Anspargrad
Bauspareinlagen / nicht zugeteilter Bestand
1
Finanzen
Zuteilungsmassenbewegung
Kollektiv-Simulationen zu geplanten Bewegungen der Zuteilungsmasse
1
Finanzen
Wertberichtigungsquote
Prozentsatz der Darlehen mit Wertberichtigungsbedarf am Gesamtbestand der Darlehen
1
Finanzen
Sparintensität
Ist-Sparbeiträge geteilt durch tariflich vorgesehene Sparbeiträge
9
Kunden
Stornoquote
Nicht eingelöstes Neugeschäft (= 1 - Einlösungsquote)
5
Kunden
Kündigungsquote
Anteil unterjährig gekündigter Verträge geteilt durch mittlerer nicht zugeteilter Vertragsbestand (bezogen auf Bausparsumme, Auszahlungsbetrag, Stück, jeweils nach prämienschädlich und prämienunschädlich)
5
Kunden
Erstgeschäftsquote
Anteil Erstgeschäft am Neugeschäft
4
Kunden
(je Vertriebseinheit)
je Einwohner Bruttoneugeschäft je Girokonto
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
147 Anzahl der Perspektive Nennung der KanBSC
Genannte Kennzahl
Definition
Marktanteil
Unternehmenseigener Umsatz * 100 geteilt durch Gesamtumsatz aller Anbieter (bzgl. Stück verkaufte Verträge sowie Bausparsumme und Darlehensvolumen);
3
Kunden
regional und gesamt Folgegeschäftsquote
(Folge-Bausparverträge in Stück der letzten 12 Monate / Kundenbestand vor 13 Monaten)*100 =%
3
Kunden
Neuvertragsstruktur
Anteil der Neuverträge in verschiedenen Klassen z.B. bezüglich Bausparsumme, Alter der Kunden, geplante Dauer der Sparphase
3
Kunden
Bestandsentwicklung
(Ist laufendes Jahr - Ist Vorjahr) geteilt durch Ist Vorjahr
3
Kunden
(bezüglich Bausparsumme und Stück Bausparverträge) Beschwerdequote
Anzahl der Kundenreklamationen und schwerden
Be-
2
Kunden
Jugendgeschäftsquote
Neugeschäft Jugend (0 - 24 Jahre) / Gesamtgeschäft in Stück bzw. Bausparsumme
2
Kunden
Darlehensannahmequote
Angenommene Darlehen / zugeteilte Bausparverträge (= 1 - Darlehensverzichtsquote)
2
Kunden
Kundenstruktur
Anteile bestimmter Zielgruppen
1
Kunden
Regenerationsquote
Kundenbestand vor 13 Monaten geteilt durch Folge-Bausparverträge in Stück der letzten 12 Monate = Regeneration in Jahren
1
Kunden
Kundenzufriedenheitsindex
Zufriedenheit der Kunden, z.B. erhoben durch eine Kundenbefragung unter Benutzung einer Skala von 1 (sehr zufrieden) bis 6 (sehr unzufrieden)
1
Kunden
Anzahl Kunden
gesamt
1
Kunden
Lastschrifteinzugsquote Neugeschäft
Anteil der Bausparverträge mit Lastschrifteinzug am Neugeschäft
1
Kunden
Zielerreichungsgrad
Prozentsatz der Erreichung der vereinbarten Ziele (monatlich, jährlich)
6
Kanal
Marktausschöpfungsquote
Ausschöpfung der vorhandenen Marktpotentiale
3
Kanal
Vertriebskosten je Vertrag
in % der Abschlussgebühr
3
Kanal
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
148 Genannte Kennzahl
Definition
Cross-Selling
Prozentsatz der Abschlüsse von Bausparverträgen bzw. Darlehenverträgen, bei denen CrossSelling-Produkte wie z.B. Versicherungen rund um die Immobilie verkauft werden konnten,
Anzahl der Perspektive Nennung der KanBSC 2
Kanal
sowie Volumen und Stückzahl der verkauften Cross-Selling-Produkte
Incentivequote je Kanal
Anteil der Incentives je Kanal an der Gesamtheit aller durchgeführten Incentives
1
Kanal
Bonifikation je Kanal
Höhe der gezahlten Bonifikation nach Vertriebskanälen
1
Kanal
Bearbeitungszeit je Kanal
Bearbeitungszeit bei über verschiedene Kanäle beantragten Bausparverträgen bzw. Darlehenszuteilung
1
Kanal
Vertriebspartnerzufriedenheit
Zufriedenheit der Vertriebspartner, z.B. erhoben durch eine Vertriebspartnerbefragung unter Benutzung einer Skala von 1 (sehr zufrieden) bis 6 (sehr unzufrieden)
1
Kanal
Anzahl Verträge je Kanal
Anzahl der Verträge, die pro Vertriebskanal beantragt wurden
1
Kanal
Provisionsquote je Kanal
Provisionsanteil je Vertriebskanal
1
Kanal
Produktivität
Stück bzw. Vorgänge je Mitarbeiter je Zeiteinheit
2
Lern- & Entwicklung
Quelle: Ergebnis der Befragung der deutschen Bausparkassen229
Viele der für die Kanalperspektive genannten Kennzahlen sind tatsächlich reine Kanalkennzahlen; allerdings wurden auch Kennzahlen genannt, die den anderen drei Perspektiven der Kanalorientierten Balanced Scorecard (Finanz-, Kundensowie Lern- und Entwicklungsperspektive) zuzuordnen sind, aber immer auch kanalbezogene Aspekte widerspiegeln. Betrachtet man die Kennzahlen, so zeigt sich auch hier deutlich, dass daraus keine Balanced Scorecard auf Gesamtunternehmensebene entsteht, sondern eine 229
Für weitere Informationen siehe Kapitel E.I.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
149
Balanced Scorecard zur Steuerung der Kanal-Performance unter Berücksichtigung weiterer unternehmerischer Perspektiven.
Tabelle C.8: Bausparbezogene Kanalorientierte Balanced Scorecard (KanBSC) Perspektive
Ziel
Kennzahl
Zielwert Minimum
Finanzen
Steigerung der Rentabilität im Vertrieb
Maßnahmen
Optimum
Akquisitionskostensatz je Neukunde Deckungsbeitrag je Vertriebseinheit Bruttoneugeschäft je Einwohner Bruttoneugeschäft je Vertriebseinheit
Erhöhung der Bauspareinlagen Kunden
Anspargrad
Ausbau der Marktpo- Erstgeschäftsquote sition Stornoquote Bestandsentwicklung Kündigungsquote Steigerung des Anteils an Kunden mit überdurchschnittlicher Sparrate
Kanal
Sparintensität
Steigerung Vertriebs- Zielerreichungsgrad leistung im Kanal Marktausschöpfungsquote Anzahl Verträge Cross-Selling
Lern- und Entwicklung
Kostenoptimierung
Vertriebskosten je Vertrag
Steigerung der Produktivität im Kanal
Produktivität IT-Unterstützungsgrad Personalkapazität
Steigerung der Motivation der Mitarbeiter
Mitarbeiterqualifikation Mitarbeiterzufriedenheit
Individuelle Festlegung je Bausparkasse
150
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
In Analogie zur Vorgehensweise bei der Prozess- und Funktionsorientierten Balanced Scorecard wurden für die Entwicklung der Kanalorientierten Balanced Scorecard die fünf am häufigsten genannten Kennzahlen je Perspektive ausgewählt bzw. bezüglich der Lern- und Entwicklungsperspektive vier Kennzahlen ergänzt. Die Ziele, die mit einer Fokussierung auf die genannten Kennzahlen verbunden werden, wurden hierbei ebenfalls sinnvoll antizipiert. Auch bei der Kanalorientierten Balanced Scorecard sind die Zielwerte und Maßnahmen, die sich je Kennzahl in den einzelnen Perspektiven ergeben, unternehmensspezifisch und daher von jeder Bausparkasse individuell festzulegen. Im Rahmen der Entwicklung einer Kanalorientierten Balanced Scorecard kann es mitunter sinnvoll sein, für jeden Kanal bzw. für jede Vertriebseinheit eine eigene Scorecard anzulegen, um die Performance der Kanäle bzw. Vertriebseinheiten anhand identischer Kennzahlen miteinander vergleichen und in der Folge die Verlagerung von Vertriebsaktivitäten und den Aus- bzw. Abbau von Kanälen darüber steuern zu können. Fasst man dann die Ergebnisse der einzelnen Kanalorientierten Balanced Scorecards zu einem prozentualen Performance-Index je Kennzahl zusammen, so ergibt sich wiederum eine kanalübergreifende Kanalorientierte Balanced Scorecard. Bei Betrachtung der Zusammenhänge zwischen den einzelnen Kennzahlen ergibt sich der in Abb. C.22 dargestellte Ursache-Wirkungs-Zusammenhang. Wie bei der Prozess- und Funktionsorientierten BSC bauen die Kennzahlen der Kanalorientierten Balanced Scorecard sowohl über negative als auch über positive Korrelationen aufeinander auf und beeinflussen sich gegenseitig. Die Kennzahlen in den hellen Kästchen sind direkt den Befragungsergebnissen entnommen, die Kennzahlen in den dunklen Kästchen wurden sinnvoll ergänzt. Naturgemäß sind die Kennzahlen der Kanalorientierten Balanced Scorecard fokussiert auf die Steigerung der Vertriebsleistung im Kanal, repräsentiert z.B.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
151
durch „Marktausschöpfungsquote“, „Zielerreichungsgrad“, „Anzahl Verträge“ und „Cross-Selling“, sowie auf den Ausbau der Marktposition, beispielsweise gemessen anhand von „Erstgeschäftsquote“, „Stornoquote“, „Bestandsentwicklung“ und „Kündigungsquote“.
Finanzen
Anspargrad
Akquisitionskostensatz je Neukunde
Deckungsbeitrag je Vertriebseinheit
Bruttoneugeschäft je Einwohner
Neugeschäftsvolumen (je Vertriebseinheit)
Kunden
Sparintensität
Kündigungsquote
Bestandsentwicklung
Erstgeschäftsquote
Stornoquote
Vertriebskosten je Vertrag
Zielerreichungsgrad
Marktausschöpfungsquote
Anzahl Verträge
Cross-Selling
IT-Unterstützungsgrad
Produktivität
Personalkapazität
Mitarbeiterqualifikation
Mitarbeiterzufriedenheit
Kanal
Lern- & Entwicklung Positive Korrelation Negative Korrelation
Ergänzung sinnvoller Kennzahlen Ergebnis der Befragung
Abb. C.22: Ursache-Wirkungs-Beziehungen einer bausparbezogenen Kanalorientierten Balanced Scorecard
4
Integration der Kennzahlensysteme im PFK-Strategie-Modell
Nachdem nun die Kennzahlensysteme der Prozess-, Funktions- und Kanalsicht entwickelt wurden, stehen diese bisher parallel nebeneinander. Um nun eine Verbindung zwischen den drei Struktur-Balanced Scorecards herzustellen, bedarf es deren Integration in den Kontext einer Balanced Scorecard auf Gesamt-
152
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
unternehmensebene, die sich ebenfalls an den langfristigen Zielen des Unternehmens orientiert. Die Grundlage für eine beispielhafte bausparbezogene Gesamt-Balanced Scorecard bilden auch hier die Ergebnisse der Befragung der deutschen Bausparkassen, über die folgende Unternehmenssteuerungskennzahlen identifiziert wurden:
Tabelle C.9: Unternehmenssteuerungskennzahlen der deutschen Bausparkassen Genannte Kennzahl
Definition
Anzahl der Nennung
Perspektive der GesamtBSC
Eigenkapitalrentabilität (RoE)
Jahresüberschuss bezogen auf Eigenkapital
14
Finanzen
Neugeschäftsvolumen
Bausparsumme und Stückzahl (Neu-Ist, NeuIst zu Plan, Neu-Ist zu Markt)
11
Finanzen
Aufwandsrentabilität (CIR)
Im jeweiligen Geschäftsjahr angefallener Verwaltungsaufwand im Verhältnis zu den Ertragsgrößen (Zinsüberschuss, Provisionsüberschuss sowie Handelsergebnis, abzüglich der Zuführung zur Risikovorsorge)
8
Finanzen
Betriebsergebnis
absolut,
6
Finanzen
6
Finanzen
3
Finanzen
3
Finanzen
im Verhältnis zu durchschnittlicher Bauspareinlage, im Verhältnis zu durchschnittlicher Bilanzsumme, je Mitarbeiter Verwaltungsaufwandsquote
Verwaltungsaufwand pro Vertrag,
Kapitalrentabilitäten
Return on Investment = Gewinn / Kapital
d.h. Summe Verwaltungsaufwand / Anzahl aller Bausparverträge im Bestand
Return on Assets = (Gewinn + Fremdkapitalzinsen) / Gesamtkapital Liquidität
Liquiditätskennzahl = Summe der im ersten Laufzeitband verfügbaren Zahlungsmittel geteilt durch die Zahlungsverpflichtungen dieses Zeitraums (erstes Laufzeitband = täglich fällig bis zu einem Monat Laufzeit)
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL Genannte Kennzahl
Definition
Kostenquote
Ist-Kosten pro Vertrag / Soll-Kosten pro Vertrag,
153 Anzahl der Nennung
Perspektive der GesamtBSC
3
Finanzen
3
Finanzen
Ist-Kosten für den Gesamtumsatz / SollKosten für den Gesamtumsatz Deckungsbeitrag
Zinserlöse - Zinskosten = Konditionsbeitrag - Risikokosten = Deckungsbeitrag 1 +/- Provisionen = Deckungsbeitrag 2 - Betriebskosten = Deckungsbeitrag 3
Anlagegrad
Anlagendeckung = Eigenkapital / Anlagevermögen
3
Finanzen
Risk Adjusted Return on Capital (RAROC)
Ertrag pro Einheit Risikokapital
3
Finanzen
Personal- und Sachaufwand
Personalkostenspanne = Löhne und Gehälter + Soziale Abgaben und Aufwendungen für Altersvorsorge und für Unterstützung
3
Finanzen
Sachkostenspanne = andere Verwaltungsaufwendungen + Abschreibungen und Wertberichtigungen auf immaterielle Anlagewerte und Sachanlagen Zinsspanne
Bruttozinsspanne = durchschnittlicher Aktivzins – durchschnittlicher Passivzins (kollektiv und außerkollektiv)
2
Finanzen
Zuteilungsmassenüberschuss
Frei verfügbare Zuteilungsmasse nach Annahme/Ablehnung der Bauspardarlehen bei allen zugeteilten Bausparverträge
2
Finanzen
Eigenkapitalquote
Eigenkapital / Gesamtkapital
2
Finanzen
Zielerreichungsgrad
Prozentsatz der Erreichung der vereinbarten Jahresziele
2
Finanzen
Value at Risk
Geschätzter maximaler Verlust, der unter üblichen Marktbedingungen innerhalb einer bestimmten Periode mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eintreten kann
2
Finanzen
Ausfallquote
Ausgefallene Kredite / Durchschnittlicher Kreditbestand
1
Finanzen
154
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
Genannte Kennzahl
Definition
Anzahl der Nennung
Perspektive der GesamtBSC
Entwicklung der Risikoaktiva
Veränderung von Volumen und Struktur der Aktiva, in denen sich das Ausfallrisiko grundsätzlich niederschlagen kann
1
Finanzen
Bedarfsspanne
Bruttobedarfsspanne = Summe aller Betriebskosten = Personalkostenspanne + Sachkostenspanne
1
Finanzen
Cash flow
Betriebsbedingter Cash Flow = kalkulatorisches Betriebsergebnis + Abschreibungen auf Sach- und immaterielle Anlagen + Erhöhung (- Verminderungen) von langfristigen Rückstellungen
1
Finanzen
Zinsüberschuss
Zinserlös - Zinsaufwand
1
Finanzen
Marktanteil
Unternehmenseigener Umsatz * 100 geteilt durch Gesamtumsatz aller Anbieter
5
Kunden
4
Kunden
3
Kunden
Anteil der Neuverträge in verschiedenen Klassen z.B. bezüglich Alter der Kunden, Ertragsstärke und Risikoklasse
3
Kunden
Sparintensität
Ist-Sparbeiträge geteilt durch tariflich vorgesehene Sparbeiträge
1
Kunden
Beschwerdequote
Anzahl der Kundenreklamationen und Beschwerden als Indikation der Qualitätsorientierung
1
Kunden
Kündigungsquote
Anteil unterjährig gekündigter Verträge geteilt durch mittlerer nicht zugeteilter Vertragsbestand (bezogen auf Bausparsumme, Auszahlungsbetrag, Stück, jeweils nach prämienschädlich und prämienunschädlich)
1
Kunden
Kundenzufriedenheitsindex
Zufriedenheit der Kunden, z.B. erhoben durch eine Kundenbefragung unter Benutzung einer Skala von 1 (sehr zufrieden) bis 6 (sehr unzufrieden)
1
Kunden
(bzgl. Stück verkaufte Verträge sowie Bausparsumme und Darlehensvolumen) Stornoquote
Nicht eingelöstes Neugeschäft (=1 - Einlösungsquote)
Bestandsentwicklung
(Ist laufendes Jahr - Ist Vorjahr) / Ist Vorjahr gesamt bezüglich Bausparsumme und Stück Bausparverträge
Neugeschäftsstruktur (= Neuvertragsstruktur)
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
155
Genannte Kennzahl
Definition
Anzahl der Nennung
Perspektive der GesamtBSC
Prozesskosten
Prozessmenge mal konstanter Verrechnungspreis (Prozesskostensatz)
1
Prozess
Budgetausnutzung
Ist-Budget/Plan-Budget
2
Funktion
Vertriebskostenquote
Summe Vertriebsaufwand / Nettoneugeschäft
2
Kanal
Kanalentwicklung
Prozentuale Verteilung des Vertriebsvolumens als Ergebnis einer gezielten Vertriebsausrichtung
1
Kanal
Vertragsquote
Anzahl der Neu- bzw. der Bestands-Verträge pro Mitarbeiter
4
Lern- & Entwicklung
Mitarbeiterzufriedenheitsindex
Zufriedenheit der Mitarbeiter, z.B. erhoben durch eine Mitarbeiterbefragung unter Benutzung einer Skala von 1 (sehr zufrieden) bis 6 (sehr unzufrieden)
2
Lern- & Entwicklung
Sparkontenquote
Anzahl der Sparkonten pro Mitarbeiter
1
Lern- & Entwicklung
Quelle: Ergebnis der Befragung der deutschen Bausparkassen230
Bei den genannten Unternehmenssteuerungskennzahlen handelt es sich zum Großteil um harte Finanzkennzahlen. Die wenigen für die Perspektiven Prozess, Funktion und Kanal sowie Kundenbzw. Lern- und Entwicklungsperspektive angegebenen Kennzahlen sind in dieser oder leicht veränderter Form bereits in den Prozess-, Funktions- und Kanalorientierten Balanced Scorecards enthalten. Das heißt, wenn die Ziele der ProBSC, der FunBSC und der KanBSC erreicht werden, bedeutet dies bei realistischer Planung letztendlich auch ein Erreichen der Unternehmensziele, die über die Unternehmenssteuerungskennzahlen quantifiziert werden. Damit ist es ausreichend, für jede BSC einen Performance-Index zu bilden, der sich aus dem Zielerreichungsgrad aller Kennzahlen je BSC zusammensetzt.
230
Für weitere Informationen siehe Kapitel E.I.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
156
Tabelle C.10: Bausparbezogene Balanced Scorecard auf Gesamtunternehmensebene Perspektive
Ziel
Kennzahl
Zielwert Minimum
Finanzen
Steigerung der Rentabilität
Maßnahmen
Optimum
Eigenkapitalrentabilität (RoE) Aufwandsrentabilität (CIR) Risk Adjusted Return on Capital (RAROC) Gesamtkapitalrentabilität (RoA) Verwaltungsaufwandsquote
Struktur-BSC
Optimierung der Performance in den Dimensionen Prozess, Funktion und Kanal
Individuelle Festlegung je Bausparkasse
Prozessperformance Funktionsperformance Kanalperformance
Für die Entwicklung der Balanced Scorecard auf Gesamtunternehmensebene in der Finanzperspektive wurden die fünf am häufigsten genannten Kennzahlen ausgewählt und damit verbundene Ziele sinnvoll antizipiert, wobei absolute Kennzahlen wie Neugeschäftsvolumen und Betriebsergebnis ausgeklammert wurden, da sie weniger aussagekräftig als Verhältniszahlen sind. Die Zielwerte und Maßnahmen, die sich je Kennzahl ergeben, sind auch hier unternehmensspezifisch und daher von jeder Bausparkasse selbst festzulegen. Die Unternehmenssteuerungskennzahlen der Finanzperspektive sind abhängig von den Performance-Indizes der Prozess-, der Funktions- und der Kanalorientierten Balanced Scorecards, so dass sich folgender Ursache-WirkungsZusammenhang ergibt:
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
Finanzen
StrukturBSC
Risk Adjusted Return on Capital (RAROC)
Gesamtkapitalrentabilität (RoA)
ProzessPerformanceIndex
Positive Korrelation Negative Korrelation
Eigenkapitalrentabilität (RoE)
157
Aufwandsrentabilität (CIR)
FunktionsPerformanceIndex
Verwaltungsaufwandsquote
KanalPerformanceIndex
Performance-Indizes der Struktur-BSCs Ergebnis der Befragung
Abb. C.23: Ursache-Wirkungs-Beziehungen einer bausparbezogenen Balanced Scorecard auf Gesamtunternehmensebene
Damit ergeben sich auf Unternehmensebene acht Kennzahlen, die zur Gesamtsteuerung und Strategiebildung herangezogen werden können. Die Feinsteuerung der Performance-Indizes erfolgt über die Prozess-, Funktions- und Kanalorientierten Balanced Scorecards.
5
Kennzahlenerfassung und Controlling – Ansatzpunkte für eine technische Bereitstellung
Um ein derart komplexes Kennzahlensystem, wie im PFK-Strategie-Modell gefordert, IT-technisch umzusetzen, müssen folgende drei Grundvoraussetzungen erfüllt sein:
158
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
(1) Schaffung einer homogenen Datenbasis (2) Definition, Verdichtung und Bereitstellung der Kennzahlen (3) Visualisierung der Kennzahlen
Schaffung einer homogenen Datenbasis Wie bereits mehrfach angemerkt, liegen die Daten zur Ableitung möglicher Kennzahlen in bestehenden Organisationen in der Regel in inhomogener Form vor, d.h., die Daten werden entweder in organisatorisch getrennten Bereichen oder in unterschiedlichen DV-Systemen ermittelt und gespeichert. Daher ist es zunächst notwendig, aus den vorliegenden inhomogenen Datenformaten eine einheitliche, homogene Datenbasis zu schaffen, aus der sich die gewünschten Kennzahlen im Rahmen von gezielten Auswertungen generieren lassen.231 Dies kann sowohl über ein Data Warehouse232 und/oder mittels einer Enterprise Application Integration – Lösung233 erfolgen, sofern die betreffenden Systeme schnittstellenfähig sind.
231 232
233
Vgl. Müller, A.; Thienen, L.v.; Moede, H.: Balanced Scorecard, S. 52. Data Warehouse-Konzepte im Sinne eines Business Information Warehouses führen qualitative und quantitative, interne und externe Daten aus unterschiedlichen Quellen des Unternehmens (z.B. aus Geschäftstransaktionen und Prozessen gewonnene Informationen) mittels moderner ITTechnik zusammen und organisieren diese für statistische Auswertungen zur Unterstützung von Managemententscheidungen und Geschäftsprozesssteuerung sowie zur Erweiterung der betrieblichen Wissensbasis. Für weitere Informationen zum Thema „Data Warehouse“ siehe Berning, R.: Prozessmanagement, S. 109 – 114; für einen umfassenden Überblick darüber, was unter dem Begriff „Data Warehouse“ bzw. „Business Information Warehouse“ zusammengefasst werden kann, siehe Mertens, P.: Business Intelligence, S. 65 – 73. Enterprise Application Information-Systeme stellen eine Integrationsplattform zur Verfügung, um alle IT-Ressourcen des Unternehmens (z.B. Anwendungssysteme, Datenbanken, Internet- und Mainframe-Applikationen oder Middleware-Technologien) miteinander zu verknüpfen. Dies gelingt, indem das EAI-System die Daten einer IT-Ressource an die im Prozessablauf folgenden Anwendungen weiterleitet und dabei Dokumente und Daten in das jeweils benötigte Format konvertiert. Auf Internet-Technologien basierende Portalsysteme ermöglichen die Schaffung einer integrierten Benutzeroberfläche für webbasierte Anwendungen. Ziel aller EAI-Konzepte ist es hierbei, Schnittstellen zu reduzieren, die Datenlandschaft zu harmonisieren, Prozesse zu beschleunigen, prozessorientierte Informationsflüsse in Form von Kennzahlen auch aus unterschiedlichen Systemen heraus generieren zu können sowie insgesamt die Flexibilität der Organisation zu erhöhen. Bekannte, prozessorientierte EAI-Tools sind z.B. ARIS Integrator for Vitria, entstanden aus der Kooperation der IDS Scheer AG und dem EAI-Anbieter Vitria, sowie der BizTalk-Server von Microsoft. Vgl. hierzu auch IDS Scheer: Anwendungsintegration, S. 2 – 4 sowie Kurdelski, L.-P.: EAI, S. 4 sowie Scheer, A.-W.; Grieble, O.; Hans, S.; Zang, S.: Geschäftsprozessmanagement, S. 13f und Microsoft: Integration, S. 23.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
159
Die beste Form der Schaffung einer homogenen Datenbasis ist allerdings die komplette – wenngleich auch sehr zeit- und kostenintensive – Neuentwicklung der IT-Systeme vor dem Hintergrund einer umfassenden, an den Strategischen Leitlinien des Unternehmens und den daraus resultierenden Anforderungen an das Prozess-, Funktions- und Kanalmanagement orientierten IT-Strategie. Denn wie Tischendorf/Habschied anmerken: „Produkte aus der Familie „Enterprise Application Integration (EAI)“ sollen die Integration in die bestehende Anwendungslandschaft beschleunigen. Letztendlich ist dies jedoch die Kapitulation vor der bestehenden Anwendungslandschaft“234, da die Qualität und Ausprägung der gewonnenen Daten und Kennzahlen nur so gut bzw. aussagekräftig sein kann, wie es die bestehenden Altsysteme erlauben. Für welche Art der technischen Umsetzung sich das Unternehmen im Rahmen der Schaffung einer homogenen Datenbasis entscheidet, ist abhängig vom erwarteten Nutzen durch das integrierte Kennzahlensystem. Eine Neuentwicklung ist wirtschaftlich in der Regel nur dann sinnvoll, wenn die Systemerstellung mit der Entwicklung und IT-technischen Unterstützung durchgängiger Prozesse einhergeht und durch die so erreichte Prozessoptimierung und –automatisierung zusätzliche Einsparpotentiale auf der Kostenseite erzielt werden können. Definition, Verdichtung und Bereitstellung der Kennzahlen Auf der Grundlage der (integrierten) homogenen Datenbasis müssen die vom Fachbereich und/oder dem Controlling definierten Kennzahlen IT-technisch umgesetzt werden, indem die einzelnen Datenelemente verdichtet werden, so dass sie im System zur Abfrage bereitstehen. Hierbei sollten auch Anforderungen des Fachbereichs/des Controllings bezüglich der späteren Navigation und Datenformate bereits berücksichtigt werden.235
Visualisierung der Kennzahlen Die Anzeige der bereitgestellten Kennzahlen muss über eine ansprechende, einfach interpretierbare Oberfläche gemäß den Anforderungen des Fachbereichs/des Controllings visualisiert werden.236 Dies kann z.B. – wie im PFK-Strategie-Modell favorisiert – über ein webbasiertes, über das Intranet aufrufbares Kennzahlen-Portal erfolgen, das auf der obersten Ebene die Entwicklung der Unternehmenssteuerungskennzahlen auf234 235 236
Tischendorf, R.; Habschied, T.: IT-Strategie, S. 56. Vgl. Müller, A.; Thienen, L.v.; Moede, H.: Balanced Scorecard, S. 52. Vgl. ebd.
160
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
zeigt und dann über die Performance-Indizes der Struktur-BSCs weiter in die einzelnen Perspektiven verzweigt.
VI Wirkungsweise der übrigen Einflussgrößen im Modell Verbesserungsprozess Der im PFK-Strategie-Modell enthaltene, als kontinuierlich anzusehende Verbesserungsprozess (VP) soll die evolutionäre Optimierung der organisatorischen Gestaltung, der Definition und Erfassung der Kennzahlen sowie der Qualität der Entscheidungsunterstützung im Rahmen der Unternehmenssteuerung insgesamt sicherstellen. Der Verbesserungsprozess im PFK-Strategie-Modell orientiert sich dabei am Konzept des KVP oder KAIZEN, d.h. der schrittweisen, kontinuierlichen Verbesserung aus dem Unternehmen heraus.237
Kostenrechnungssysteme Im PFK-Strategie-Modell werden drei verschiedene Arten von Kostenrechnungssystemen vorausgesetzt:238 • die Prozesskostenrechnung zur Ermittlung der Prozesskosten, • die Gemeinkostenrechnung zur Ableitung der Abteilungskosten und • die Kanalkostenrechnung zur Bezifferung der Kanalkosten. Während die Gemeinkostenrechnung als herkömmliche Art der Kostenverrechnung in den meisten Unternehmen implementiert ist, findet die Prozesskostenrechnung nur selten Anwendung, obwohl sie erhebliche Vorteile in bezug auf
237
238
Für nähere Informationen zu Prinzipien und Wirkungsweise des KVP-Ansatzes siehe Schmelzer, H.J.; Sesselmann, W.: Geschäftsprozessmanagement, S. 13 bzw. ausführlicher S. 229 – 239, Rothlauf, J.: Total Quality Management, S. 295 – 331 sowie Berning, R.: Prozessmanagement, S. 60 – 63. Vgl. Kapitel D.I.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
161
Kosten- und Leistungstransparenz als Folge der verursachungsgerechten Verteilung der Gemeinkosten mit sich bringt (vgl. Abb. C.24).
Gemeinkostenrechnung
•
Verrechnung von Gemeinkosten auf Zuschlagsbasis
•
hoher Gemeinkostenanteil ergibt hierbei Zuschlagssätze von > 100%
•
Tendenz zur stetigen Zunahme planender, verwaltender, steuernder und überwachender Tätigkeiten, die sich in erhöhten Zuschlagssätzen widerspiegeln Ergebnisse der Gemeinkostenrechnung sind fragwürdig, da sie ein mitunter verzerrtes Bild der Kostensituation darstellen
Prozesskostenrechnung
•
Verursachungsgerechte Verteilung der Gemeinkosten durch Zuordnung zu Prozessen, von deren Aktivitätsniveau die betrachteten Kosten abhängen
•
Berücksichtigung prozessorientierter Kostentreiber als Maßgröße für das Aktivitätsniveau eines Prozesses, wobei eine hohe Korrelation zwischen Anzahl der erbrachten Kostentreibereinheiten und Höhe der Kosten bestehen sollte
•
Kostenstellenübergreifende Betrachtung der Leistungserstellung
•
Betrachtung des Unternehmens in seiner Gesamtheit
•
Grundlage für internes Benchmarking zwischen Abteilungen und Standorten, Outsourcing-Entscheidungen, Kontinuierliche Prozessoptimierung und –restrukturierung, Schwachstellenanalyse, Optimierung des Ressourceneinsatzes und Objektivierung von Planung und Steuerung aufgrund transparenter Prozess-Effizienz Kosten- und Leistungstransparenz
Abb. C.24: Gemeinkostenrechnung versus Prozesskostenrechnung
Zur Generierung eines prozessorientierten Kennzahlensystems ist die Prozesskostenrechnung aber unerlässlich, genauso wie die Kanalkostenrechnung für ein kanalorientiertes Kennzahlensystem. Während in der Praxis schon erste Ansätze einer Kanalkostenrechnung bestehen – so sind etwa jeweils der Hälfte der deutschen Bausparkassen sowohl die Kosten je Transaktion als auch die laufenden IT-Kosten in den einzelnen Kanälen bekannt und mehr als 80% sind die
162
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
Deckungsbeiträge je Kanal transparent239 – gibt es in der wissenschaftlichen Forschung bisher noch keinen Ansatz für eine durchgängige Kanalkostenrechnung.240 Dies kann im Rahmen dieser Arbeit nur angemahnt werden; eine Entwicklung eines solchen kanalorientierten Kostenrechnungssystems würde den Rahmen der Arbeit sprengen.
VII Kritische Würdigung des PFK-Strategie-Modells im Kontext der Multiperspektivischen Organisationstheorie Bezüglich des PFK-Strategie-Modells ergeben sich vor allem fünf Hauptkritikpunkte:241 1. Schwierigkeit des Einsatzes bei (internationalen) Konzerngesellschaften 2. Parallelität dreier Balanced Scorecard-Systeme 3. Komplexität der Datenerhebung (Kosten-Nutzen-Relation) 4. Problematik des Austauschs von Kennzahlen 5. Problematik der unzureichenden Datengrundlage in Altsystemen
Schwierigkeit des Einsatzes bei (internationalen) Konzerngesellschaften Das PFK-Strategie-Modell eignet sich vor allem für den Einsatz in nationalen Unternehmen ohne Berücksichtigung von Tochtergesellschaften bzw. zur Steuerung in abgegrenzten Unternehmensbereichen, da die Anwendung des Modells ansonsten erheblich komplizierter wird: Unterschiedliche Kostenrechnungspraxis, zu abstrakte Ziele, die für die einzelnen Länder bzw. Tochtergesellschaften 239 240 241
Ergebnis der Befragung der deutschen Bausparkassen. Für nähere Informationen siehe Kapitel E.I. Für erste Ansätze einer Kanalkostenrechnung siehe Kirchgeorg, M.: Vertriebskosten. Weitere Kritikpunkte ergeben sich bei Berücksichtigung der sozialen Komponente einer Neugestaltung der IT-Landschaft mit dem Ziel der weitgehenden Automatisierung und transparenten Steuerung der Arbeitsprozesse und den daraus resultierenden Widerständen bei den Mitarbeitern. Unter der dieser Arbeit zugrunde liegenden Prämisse des Menschen als abstraktem Aufgabenträger werden diese Aspekte jedoch nicht weiter berücksichtigt.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
163
nicht aussagekräftig genug sind, Problematik einer länder- und konzernübergreifenden Datenerhebung etc. sind nur einige der Probleme, die bei einem Einsatz des PFK-Strategie-Modells auf Gesamtunternehmensebene einer (internationalen) Konzerngesellschaft auftreten würden.
Parallelität dreier Balanced Scorecard-Systeme Aufgrund der Parallelität dreier Balanced Scorecard-Systeme, die gegebenenfalls unterschiedliche, unter Umständen sogar gegenläufige Steuerungssignale generieren können, kann es zu Abstimmungsproblemen bezüglich der Festlegung der strategischen Ziele des Unternehmens kommen. Hierbei ist es grundsätzlich immer notwendig, alle drei Kennzahlensysteme im Gesamtzusammenhang zu sehen, um die optimale Strategie zu ermitteln, ohne die Kennzahlen einer Perspektive ungewollt zu verschlechtern. Abgemildert wird dieses Koordinationsproblem durch die Zusammenführung der drei Balanced Scorecard-Systeme zu einem Kennzahlenportal, das auf einer sehr hohen Abstraktionsebene die Performance des Unternehmens in den Perspektiven Prozess, Funktion und Kanal darstellt.242
Komplexität der Datenerhebung (Kosten-Nutzen-Relation) Die Datenerhebung zur Generierung von drei perspektivenspezifischen Balanced Scorecards ist extrem umfangreich und mit hohem Aufwand verbunden. Solange ein wesentlicher Teil der benötigten Daten nicht automatisch aus IT-Systemen zur Verfügung gestellt werden kann, macht eine Umsetzung des PFK-StrategieModells in seiner vollen Ausprägung aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten und Überlegungen heraus keinen Sinn. Vor allem ist aber grundsätzlich zu hinterfragen, ob für die Informationsbedürfnisse einer Bausparkasse nicht auch eine einfachere, weniger komplexe und damit kostengünstigere Systematik als das PFK-Strategie-Modell ausreichend wäre. Die Antwort hierauf liegt in der Kosten-Nutzen-Relation begründet, die mit dem Kennzahlensystem erzielt werden kann. So rechnet sich ein IT-technisch unterstützter, weitgehend automatisierter Ansatz nur im Rahmen einer ganzheit242
Siehe hierzu Kapitel C.V.4.
164
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
lichen Optimierung der Prozesse sowie ggf. der Vertriebskanal- und Aufbauorganisationsstrukturen. Aber auch bei Verzicht auf eine automatisierte Erfassung von Kennzahlen und deren interdependenter Vernetzung ist es – wie bei den Bausparkassen bereits gelebte Praxis243 – sinnvoll, unter Berücksichtigung einer möglichst einfachen Beschaffung Zahlen, Daten und Fakten für die Beurteilung der Ist-Situation des Unternehmens in den drei Perspektiven Prozess, Funktion und Kanal zu erfassen und in aufbereiteter Form zur Entscheidungsunterstützung der Unternehmensleitung zur Verfügung zu stellen.
Problematik des Austauschs von Kennzahlen Der Austausch von Kennzahlen im Balanced Scorecube des PFK-StrategieModells gestaltet sich schwieriger als bei einer normalen Balanced Scorecard, da neben den für alle Kennzahlensysteme zutreffenden Aspekten wie Datenkonsistenz, Kontinuität und Vergleichbarkeit der Kennzahlen im Zeitablauf auch zu berücksichtigen ist, in wie weit die für die auszutauschende Kennzahl erhobenen Werte noch für andere Kennzahlen in derselben bzw. in einer anderen Perspektive benötigt werden. In der Konsequenz ergibt sich ein umfangreiches Geflecht aus Abfragen und automatischen Meldungen, das nur durch eine sehr gute Dokumentation beherrschbar bleibt.
Problematik der unzureichenden Datengrundlage in Altsystemen Wird z.B. im Rahmen von EAI-Systemen oder Data Warehouse-Konzepten auf Altsysteme zurückgegriffen, so ist die Qualität der generierbaren Informationen abhängig von der damaligen, oftmals für heutige Anforderungen unzureichenden Definition der Datengrundlage und Messstrecken. Durch Erweiterung z.B. der Datenhaltungstabellen etc. können diese Probleme zum Teil gelöst werden; allerdings sind solche Anpassungen mehrheitlich zeit- und kostenintensiv und stehen in keinem wirtschaftlich akzeptablen Verhältnis zum erzielbaren Nutzen.244
243 244
Ergebnis der Befragung der deutschen Bausparkassen. Für nähere Informationen siehe Kapitel E.I. Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch Herr Dipl.-Kfm. J. Gödecke, Leiter Strategische Planung & Strategisches Controlling, Dresdner Bank AG, Private Kunden Inland / E-Commerce. Siehe hierzu das dokumentierte Interview in Kapitel E.II.
DAS PFK-STRATEGIE-MODELL
165
Trotz dieser Kritikpunkte repräsentiert das PFK-Strategie-Modell ein Konzept für ein umfassendes Entscheidungsunterstützungssystem, das die Ansätze der Multiperspektivischen Organisationstheorie operationalisiert und in die Praxis übertragbar macht, wobei der Erweiterung des Konzepts der Balanced Scorecard zum Balanced Scorecube sowie der Institutionalisierung der kontinuierlichen Überprüfung der Unternehmensgesamtsicht durch Kopplung des Balanced Scorecubes an das EFQM-Modell im Rahmen eines Multiperspektivischen Qualitätsmodells eine besondere Bedeutung zukommt.
ABSCHLIEßENDE BETRACHTUNG
167
D Abschließende Betrachtung 1
Zusammenfassung
Ziel der Arbeit ist die organisationstheoretische Fundierung eines multiperspektivischen Unternehmenssteuerungsmodells, das der Komplexität der Entscheidungssituation in Unternehmen – respektive Bausparkassen – Rechnung trägt, indem die bisher vorherrschende Systematik einer ein-245 bzw. zweidimensionalen246 organisationstheoretischen Betrachtungsweise um weitere entscheidungsrelevante Perspektiven, insbesondere die (Vertriebs-)kanalsicht, erweitert wird. Da die bestehenden Organisationstheorien einen solchen Ansatz nur bedingt unterstützen, wurde eine Multiperspektivische Organisationstheorie (MPO) entwickelt, deren Gültigkeit für die deutschen Bausparkassen vorläufig bestätigt werden konnte. Mit der geforderten multidimensionalen Betrachtungs- und Gestaltungsweise des Unternehmens wird es erstmals möglich, das komplexe Zusammenspiel verschiedener Steuerungsebenen und –ziele (z.B. Prozesse für die Sicherstellung der internen Effizienz, Vertriebskanäle für die Justierung der Positionierung des Unternehmens im Markt und gegenüber dem Kunden) organisationstheoretisch zu antizipieren. In diesem Zusammenhang wird das Paradigma der realen Existenz von Organisationsstrukturen zugunsten der Akzeptanz virtueller Sekundärstrukturen erweitert, um so den Entscheidern des Unternehmens mit Hilfe von IT-Systemen zu jedem Zeitpunkt und für jede Problemstellung die benötigten Informationen zur Verfügung stellen zu können. Durch die Anerkennung virtueller Organisationsstrukturen wird es letztendlich auch möglich, unter Verzicht auf eine reale Primärstruktur rein virtuelle Unternehmen organisationstheoretisch zu erfassen und damit auch Managementansätze für dynamische Kooperationen in virtuellen Netzwerken abzuleiten.247
245 246 247
In der Regel die Aufbauorganisation. Aufbau- und Ablauforganisation. Die Anwendung der Multiperspektivischen Organisationstheorie auf virtuelle Netzwerke wurde in dieser Arbeit nicht vollzogen, da sie den Rahmen der vorliegenden Dissertation gesprengt hätte. Für eine Einführung in das Controlling in virtuellen Netzwerken siehe Ries, A.: Controlling.
168
ABSCHLIEßENDE BETRACHTUNG
Hierbei erkennt die Multiperspektivische Organisationstheorie die Bedeutung der Informationstechnik bei der Gestaltung der unternehmerischen Strukturen an, indem im Rahmen der Integration und Neuentwicklung von IT-Systemen die bestehenden Abläufe und Handlungsmuster analysiert, optimiert und ITtechnisch unterstützt werden. Die Interpretation der durch die IT-Systeme bereitgestellten Informationen wird in der Multiperspektivischen Organisationstheorie nicht behandelt; hier wird vor allem auf den Informationsinterpretationsansatz verwiesen, der die Multiperspektivische Organisationstheorie sinnvoll ergänzt, insbesondere auf das Interpretationsmuster der Ermittlung.248 Die Multiperspektivische Organisationstheorie kann als wesensmäßig eigenständige Synthese verschiedener organisationstheoretischer Ansätze angesehen werden, vor allem des Situativen Ansatzes, des Betriebswirtschaftlichen Informationsverarbeitungsansatzes sowie der Ansätze zur Prozessorientierung, aber auch von Ideen aus den Anfängen der Organisationstheorie, allesamt erweitert um aktuelle organisationstheoretisch relevante Entwicklungen. Bei der kritischen Betrachtung der Multiperspektivischen Organisationstheorie fallen besonders sechs endogene Kritikpunkte auf:249 • Die Gültigkeit der Multiperspektivischen Organisationstheorie außerhalb des Bausparsektors ist nicht sichergestellt. • Die Multiperspektivische Organisationstheorie favorisiert die Prozessorganisation als Präferenzstruktur. Der Vorzug der Prozessorganisation vor anderen Strukturkriterien (z.B. funktionale oder kanalorientierte Gliederung) ist nicht experimentell beweisbar. • Es fehlt eine Methode zur Festlegung, welcher Grad der Prozessorientierung für welches Unternehmen optimal ist. • Es fehlt eine Methode zur Interpretation der durch die IT-Systeme zur Verfügung gestellten Informationen im Rahmen der Entscheidungsfindung. • Grundsätzlich wird angenommen, dass sich der Informationsbedarf bezüglich der Sekundärperspektiven durch virtuelle Organisationsstrukturen
248
249
Für eine kurze Übersicht über den Informationsinterpretationsansatz siehe Macharzina, K.: Unternehmensführung, S. 87 ff. Grundlagenliteratur zu diesem Ansatz liefern Daft, R.L.; Weick, K.E.: Model of Organizations, S. 284 ff, Daft, R.L.; Steers, R.M.: Organizations sowie Putnam, L.L.: Interpretive Perspective, S. 31 ff. Für eine ausführliche kritische Betrachtung der Multiperspektivischen Organisationstheorie siehe Kapitel B.VI.2.
ABSCHLIEßENDE BETRACHTUNG
169
optimal decken lässt, wobei unterstellt wird, dass IT-Systeme integrierbar bzw. neu zu entwickeln sind. • Die unterstellte sinkende Bedeutung des Faktors Mensch im Rahmen der Einführung komplexer IT-Systeme wird nicht kritisch bezüglich der Auswirkungen z.B. auf die Arbeitsmotivation hinterfragt. Zusammenfassend liefert die Multiperspektivische Organisationstheorie jedoch einen wesentlichen Beitrag zur theoretischen Fundierung aktueller organisatorischer Problemstellungen, die aufgrund neuer Entwicklungen vor allem im Bereich der Informationstechnik von den etablierten Organisationstheorien nicht mehr abgedeckt werden können. Um dem Anspruch gerecht zu werden, die Ansätze der Multiperspektivischen Organisationstheorie für die Praxis nutzbar zu machen, wird für deren Umsetzung das strategische Prozess-Funktions-Kanalmodell zur flexiblen Unternehmenssteuerung (kurz: PFK-Strategie-Modell) zur Verfügung gestellt und exemplarisch auf die Bausparkassen angewandt. Hierzu wurden drei bausparspezifische Kennzahlensysteme in den Perspektiven Prozess, Funktion und Kanal sowie ein diese Kennzahlensysteme zusammenführendes Meta-Kennzahlensystem auf Basis der Befragungsergebnisse der deutschen Bausparkassen entwickelt. In diesem Zusammenhang erfolgte als notwendige Voraussetzung die Erweiterung des Konzepts der Balanced Scorecard zu einem Balanced Scorecube, wodurch den multiperspektivischen Informationsbedürfnissen des Unternehmens – organisationstheoretisch eingebettet in die Multiperspektivische Organisationstheorie – erstmals vollumfänglich Rechnung getragen wird. Mit der Institutionalisierung der kontinuierlichen Überprüfung der Unternehmensgesamtsicht durch Kopplung des Balanced Scorecubes an das EFQM-Modell im Rahmen eines Multiperspektivischen Qualitätsmodells wurde zusätzlich ein Instrumentarium zur Verfügung gestellt, das es ermöglicht, ein Unternehmen gezielt nach der Multiperspektivischen Organisationstheorie im Kontext des PFK-StrategieModells auszurichten. Bezüglich des PFK-Strategie-Modells ergeben sich vor allem fünf Hauptkritikpunkte, die dessen Vorteilhaftigkeit jedoch nicht grundsätzlich in Frage stellen können:250
250
Für eine ausführliche kritische Betrachtung des PFK-Strategie-Modells siehe Kapitel C.VII.
170
ABSCHLIEßENDE BETRACHTUNG
1. Schwierigkeit des Einsatzes bei (internationalen) Konzerngesellschaften 2. Parallelität dreier Balanced Scorecard-Systeme 3. Komplexität der Datenerhebung (Kosten-Nutzen-Relation) 4. Problematik des Austauschs von Kennzahlen 5. Problematik der unzureichenden Datengrundlage in Altsystemen Insgesamt gesehen, repräsentiert das PFK-Strategie-Modell ein Konzept für ein umfassendes Entscheidungsunterstützungssystem, das die Ansätze der Multiperspektivischen Organisationstheorie operationalisiert und in die Praxis übertragbar macht.
2
Ausblick und weiterer Forschungsbedarf
Aufbauend auf der vorliegenden Arbeit, ergeben sich verschiedene Ansätze für weitere Forschungen, von denen vor allem fünf besondere Berücksichtigung finden sollten: 1. Umfassende Hypothesenprüfung zur Fundierung der Multiperspektivischen Organisationstheorie: Im Rahmen dieser Arbeit wurde die Gültigkeit der in Kapitel B hergeleiteten Multiperspektivischen Organisationstheorie (MPO) nur für die deutschen Bausparkassen bestätigt. Um diese Erkenntnisse verallgemeinern zu können, bedarf es weiterer vertiefender branchen- und länderübergreifender Analysen. 2. Umsetzung des PFK-Strategie-Modells in der Praxis, verbunden mit eingehenden Untersuchungen zu seiner Wirksamkeit: Das PFK-StrategieModell wurde bisher nur theoretisch entwickelt. Um seine Praxistauglichkeit testen zu können, ist es dringend notwendig, dieses Modell in mehreren Unternehmen umzusetzen, die dabei gewonnenen Erfahrungen zu dokumentieren, auszuwerten und gegebenenfalls Anpassungen am Modell vorzunehmen. 3. Entwicklung einer prozessgetriebenen Unternehmenssteuerungssoftware, basierend auf dem PFK-Strategie-Modell: Zur Erleichterung der Umsetzung prozessgetriebener Unternehmenssteuerungskonzepte in der Praxis wäre eine entsprechende, auf dem PFK-Strategie-Modell aufbauende Software-Lösung hilfreich und wünschenswert. Eine damit gegebene Standardisierung der Art der Umsetzung des PFK-Strategie-Modells würde auch
ABSCHLIEßENDE BETRACHTUNG
171
die Voraussetzungen für die Erhebung aussagekräftiger Daten zur Wirkungsweise des PFK-Strategie-Modells und die Vergleichbarkeit der gewonnenen Ergebnisse nachhaltig verbessern. 4. Entwicklung eines umfassenden Systems zur Kanalkostenrechnung: Die wachsende Bedeutung von Kunden- und Vertriebskanälen im Rahmen der Unternehmenssteuerung fand bisher noch keine Berücksichtigung in einem explizit kanalbezogenen Kostenrechnungssystem. In Analogie zur Prozesskostenrechnung bedarf es daher der Entwicklung einer spezifischen Kanalkostenrechnung, die einerseits im Grundgerüst für alle Kanäle anwendbar ist (z.B. Verfahren zur Identifikation von Kanalkostentreibern), andererseits aber auch die Besonderheiten der einzelnen Kanäle (z.B. Internet- versus Filialvertrieb) antizipiert. 5. Ausgestaltung eines Business Functions bzw. Business Channel Reengineerings: Unter Berücksichtigung der Anforderungen einer prozessorientierten Primärstruktur bedarf es Konzepten und Ansätzen zur organisatorischen Anpassung bzw. Ableitung sinnvoller Vertriebskanal- und ggf. auch funktionaler Organisationsstrukturen. Hier kann als Ausgangsbasis auf bereits bestehende erste Ansätze z.B. bezüglich des Multikanalmanagements zurückgegriffen werden.
ANHANG
173
E Anhang I
Befragung der deutschen Bausparkassen zu den Ansätzen der Multiperspektivischen Organisationstheorie
1
Wahl der Befragungsform
Um sowohl die Kernthesen der Multiperspektivischen Organisationstheorie als auch die zentralen Elemente des PFK-Strategie-Modells und seiner Umsetzung auf den Bausparsektor zu überprüfen bzw. zu entwickeln, bietet sich eine Befragung der deutschen Bausparkassen an. Als Befragungsformen stehen hierzu • die telefonische Befragung • die schriftliche Befragung und • die persönliche Befragung zur Auswahl.251
Telefonische Befragung Die telefonische Befragung zeichnet sich durch zwei wesentliche Vorteile aus: Informationen können schnell gewonnen werden und unklare Fragen können der Auskunftsperson am Telefon direkt erläutert werden. Nachteilig wirkt sich dagegen vor allem aus, dass das Interview kurz gehalten werden muss und somit die Anzahl der Fragen stark begrenzt ist. Außerdem können in der Regel keine persönlichen Fragen gestellt werden. Schriftliche Befragung Die schriftliche Befragung, die normalerweise mittels eines per Post, Fax oder email zugestellten Fragebogens erfolgt, ist besonders für persönliche Fragestel251
Die Erläuterung der Befragungsformen erfolgt in Anlehnung an Kotler, P.; Bliemel, F.: Marketing-Management, S. 192 – 204.
174
ANHANG
lungen und für Situationen, in denen der Interviewer die Auskunftsperson beeinflussen oder ihre Aussage verzerrt wiedergeben könnte, geeignet. Auch Fragestellungen, für die die Auskunftsperson recherchieren oder sich informieren muss, sind mit einem Fragebogen leichter erfassbar. Hierbei ist darauf zu achten, dass die Fragestellung immer einfach, klar formuliert und selbstsprechend ist. Bei schriftlichen Befragungen ist allerdings erfahrungsgemäß die Rücklaufquote eher gering. Persönliche Befragung Die sehr vielseitige Form der persönlichen Befragung erlaubt es, nicht nur eine größere Anzahl an Fragen als bei der telefonischen oder schriftlichen Befragung zu stellen, sondern auch im Verlauf der Befragung erhaltene Eindrücke z.B. über die Körpersprache der Auskunftsperson festzuhalten. Allerdings ist eine persönliche Befragung sehr teuer und birgt zusätzlich die Gefahr, dass der Interviewer durch suggestive oder voreingenommene Fragestellung die Antworten beeinflussen könnte. Eine persönliche Befragung kann als Passantenbefragung oder als geplantes Interview erfolgen, bei dem zufällig ausgewählte Personen schriftlich, telefonisch oder per Hausbesuch um ein Interview gebeten werden.
Für die Überprüfung der Thesen der Multiperspektivischen Organisationstheorie und die Ausgestaltung der Komponenten des PFK-Strategie-Modells für die Bausparkassen wurde im vorliegenden Fall die schriftliche Befragungsform gewählt, um einerseits eine möglichst hohe Objektivität der Antworten bei maximalem Informationsgehalt zu gewährleisten und andererseits in kurzer Zeit einen hohen Abdeckungsgrad über alle Bausparkassen zu erreichen.
2
Layout des Fragebogens
Bei der Gestaltung des Fragebogens sind vor allem vier Parameter bezüglich der Fragen zu beachten: Auswahl, Form, Wortlaut und Reihenfolge.252
252
Die Ausführungen zur Gestaltung des Fragebogens erfolgen in Anlehnung an Kotler, P.; Bliemel, F.: Marketing-Management, S. 197ff.
ANHANG
175
Auswahl Um zu vermeiden, dass Fragen gestellt werden, deren Beantwortung entweder nicht möglich bzw. nicht notwendig ist oder gar ganz verweigert wird, sollte bei jeder Frage geprüft werden, ob sie tatsächlich einen Beitrag zum Erreichen des Forschungsziels leistet. Nur wenn dies der Fall ist, sollte die Frage im Fragebogen aufgeführt werden. Form Über die Form der gewählten Fragestellung kann die Antwort der Auskunftsperson beeinflusst werden. Bei der Art der Fragestellung wird hierbei zwischen offenen und geschlossenen Fragestellungen unterschieden. Geschlossene Fragen geben mögliche Antworten vor, die von der Auskunftsperson ausgewählt werden können; geschlossene Fragestellungen sind daher leicht auszuzählen, zusammenzufassen und zu interpretieren. Offene Fragen überlassen die Formulierung der Antwort der Auskunftsperson, so dass oftmals gehaltvollere, aussagekräftigere Antworten gegeben werden. Wortlaut Der Wortlaut der Fragestellung muss einfach und klar verständlich, eindeutig und in keiner Weise suggestiv oder beeinflussend sein; in einem Pretest sollte dies überprüft und gegebenenfalls verbessert werden. Reihenfolge Die Reihenfolge der Fragen sollte so gestaltet sein, dass mit einigen einleitenden Fragen zunächst das Interesse der Auskunftsperson geweckt wird, dann wesentliche Informationen logisch aufeinander aufbauend abgefragt werden und schwierige und persönliche Fragen zum Schluss gestellt werden, damit der Befragte nicht vorher abbricht.
Der vorliegende Fragebogen zum Nachweis der Multiperspektivischen Organisationstheorie und der Ausgestaltung der Komponenten des PFK-StrategieModells für die Bausparkassen verwendet vorwiegend geschlossene Fragestellungen, da die Interpretierbarkeit der Ergebnisse als oberste Zielsetzung angesehen wird.
176
ANHANG
Das endgültige Layout des Fragebogens wurde in einem iterativen Verfahren ermittelt: 1. Generierung eines ersten Entwurfs des Fragebogens 2. Befragung von Experten aus dem Bank- und Bausparbereich zu Verständnis und Formulierungen sowie Bearbeitbarkeit der Fragestellungen. Die vier Leitfragen in diesem Zusammenhang waren: a. Verstehen Sie, was mit dieser Fragestellung gemeint ist? b. Könnten Sie diese Frage beantworten? c. Halten Sie die auswählbaren Optionen bei geschlossenen Fragen für angemessen oder würden Sie andere vorschlagen? d. Wie lange schätzen Sie, würden Sie für die Beantwortung der Fragen benötigen? (Geschätzt wurden 40 – 60 Minuten.) 3. Anpassung des Fragebogens sowohl bezüglich Inhalten und Formulierungen als auch Layout, da sich entsprechende Verständnisschwierigkeiten ergeben hatten und auch die geschätzte Bearbeitungsdauer von 40 – 60 Minuten als zu lang empfunden wurde. 4. Pretest mit 10% der Grundgesamtheit; effektiv beteiligte sich ein Vorstand einer Bausparkasse am Pretest, dessen Ergebnis aber überzeugend war: Er konnte alle Fragen problemlos in einer Zeit von 20 – 30 Minuten beantworten. Aufgrund dieses guten Resultats wurde trotz fehlender Antworten der anderen Pretest-Teilnehmer (ebenfalls Vorstände von Bausparkassen) beschlossen, den Fragebogen in der entwickelten Form zu versenden. Die hohe Rücklaufquote von 79% und die hohe Qualität der ausgefüllten Fragebögen bestätigen diesen Entschluss ex post.
Auf den folgenden Seiten ist der verwendete Fragebogen in Originalfassung und Layout dargestellt.
ANHANG
177
178
ANHANG
ANHANG
5.
179
180
ANHANG
Abb. E.1: Fragebogen – Seiten 1 - 8
ANHANG
3
181
Vorgehensweise bei der Befragung
Durchgeführt wurde eine Vollerhebung253 in Form der Befragung der Vorstände aller 28 deutschen Bausparkassen zum Thema „Erarbeitung eines bausparbezogenen Steuerungsinstrumentariums in den Dimensionen Prozess, Funktion und Kanal“. Hierzu wurden zunächst im Rahmen einer Telefonaktion die für Kennzahlen zuständigen Mitglieder des Vorstandes bzw. der Geschäftsleitungen der jeweiligen Bausparkassen ermittelt. Dann wurde den Vorständen der Bausparkassen der Fragebogen in ausgedruckter Form zusammen mit einem von Prof. von Stein und der Autorin unterzeichneten Anschreiben zugesandt mit der Bitte um Rücksendung der ausgefüllten Bögen bis spätestens 30.06.2002. Bis zum 24.06.2002 lagen erst 3 ausgefüllte Fragebögen vor, so dass eine schriftliche Nachfassaktion gestartet wurde, wodurch sich die Rücklaufquote bis zum 30.06.2002 auf 9 Fragebögen erhöhte. Zur weiteren Hebung der Rücklaufquote wurde anschließend eine telefonische Nachfassaktion durchgeführt, bei der sich herausstellte, dass viele der Vorstände zu dieser Zeit in Urlaub und erst Mitte bis Ende Juli 2002 wieder verfügbar waren. Daraufhin wurde der Endtermin der Befragung auf den 31.07.2002 verschoben. Im Rahmen der telefonischen Nachfassaktion zeigte sich auch, dass einige Bausparkassen den Fragebogen nicht mehr vorliegen hatten oder ihn in Ergänzung gerne in elektronischer Form bearbeiten würden, so dass Ihnen das Dokument je nach Wunsch entweder per Fax oder per e-mail erneut übermittelt wurde. Zum Stichtag des 31.07.2002 lagen 22 teils von Vorständen, teils von Mitgliedern der Controlling-Abteilung ausgefüllte Fragebögen vor; eine Bausparkasse
253
Vollerhebung bedeutet, dass sämtliche Elemente der Grundgesamtheit, d.h. in diesem Fall alle deutschen Bausparkassen, in die Erhebung einbezogen werden. Für statistische Grundlagen über Befragungen siehe: Bleymüller, J.; Gehlert, G.; Gülicher, H.: Statistik, S. 71 – 84.
182
ANHANG
wollte eigentlich teilnehmen, hat den Fragebogen aber nicht zurückgesandt; 5 Bausparkassen hatten abgesagt. Aufgrund der so erhaltenen Rücklaufquote in Höhe von 79% können die erhaltenen Ergebnisse als statistisch aussagekräftig und verallgemeinerbar für die Gesamtheit der deutschen Bausparkassen gewertet werden, zumal sich die Marktführer sowohl der privaten als auch der öffentlich-rechtlichen Bausparkassen an der Untersuchung beteiligt haben.
4
Auswertung und Befragungsergebnisse
Die Auswertung der Fragebögen erfolgte mit Software-Unterstützung von SPSS (Statistical Products and Service Solution) für statistische Auswertungen, ergänzt um MS Excel für die Generierung von Grafiken und Tabellenübersichten. Nachfolgend werden nun die Fragen und die wie beschrieben ausgewerteten Ergebnisse dargestellt.
A. Organisation und IT Frage 1: Nach welchem Organisationskriterium ist ihr Haus primär ausgerichtet?
a) Daten und Statistik Anzahl der Ausprägungen:
22
Gültige Ausprägungen:
22
Fehlende Ausprägungen:
0
ANHANG
183
b) Auswertungsergebnisse Die obige Frage wurde nach zwei Aspekten ausgewertet: Durchschnittliche Anzahl der genannten Organisationskriterien (Organisationskomplexität) Arithmetisches Mittel = 1,14, wobei – ohne Berücksichtigung überlagernder Sekundärkriterien – 90,9% der Befragten ein Organisationskriterium, 4,5% zwei Organisationskriterien und 4,5% drei Organisationskriterien (Matrix-Strukturen) nannten. Häufigkeit der genannten Organisationskriterien
Organisationsformen und ihre Ausrichtungshäufigkeit
Matrix Prozess/Funktion/Kanal
5%
Matrix Funktion/Kanal
5%
Funktionale Organisation mit regionaler Überlagerung
5%
Funktionale Organisation mit prozessorientierter Überlagerung Kanalorientierte Organisation
9% 0% 77%
Funktionale Gliederung
Prozessorganisation 0%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
Abb. E.2: Organisationsformen und ihre Ausrichtungshäufigkeit
70%
80%
184
ANHANG
c) Bewertung Der Grund dafür, dass manche Bausparkassen zwei bzw. drei Organisationskriterien nannten, liegt darin, dass sie sich nach einer zwei- bzw. dreidimensionalen Matrix-Struktur ausrichten. Darüber hinaus gibt es noch drei Bausparkassen, die primär nach einem und sekundär nach einem weiteren Organisationskriterium strukturiert sind. In der Konsequenz existieren zwei Primärstrukturen mit zusätzlicher Überlagerung durch ein Sekundärkriterium. Die Sekundärkriterien wurden nicht als eigenständige primäre Organisationskriterien gewertet, da sie – wie auf den Fragebögen vermerkt – nur Teilbereiche der funktionalen Organisationsstrukturen weiter aufgliedern, so z.B. die Aufsplittung der Funktion Vertrieb nach Regionen. Die Diskrepanz zwischen den 9% der Bausparkassen, die zwei oder drei Organisationskriterien nannten, und den im Diagramm mit jeweils 5% - und damit insgesamt 10% - ausgewiesenen Organisationsformen mit zwei oder drei Komponenten liegt in Rundungsdifferenzen begründet. Die vorherrschende Organisationsform ist eindeutig die Funktionale Gliederung.
Frage 2: Welche Arten von Kennzahlen nutzen Sie zur Unternehmenssteuerung?
a) Daten und Statistik Anzahl der Ausprägungen:
22
Gültige Ausprägungen:
21
Fehlende Ausprägungen:
1
b) Auswertungsergebnisse Die obige Frage wurde nach zwei Aspekten ausgewertet:
ANHANG
185
Durchschnittliche Anzahl der genannten Erhebungsperspektiven (Steuerungskomplexität) Arithmetisches Mittel = 2,05 Häufigkeit der genannten Erhebungsperspektiven, sowohl einzeln als auch in Kombination miteinander (Grafik: Anteil der verschiedenen Erhebungsperspektiven und deren Kombinationen); ergänzend wurden sodann die sich ergebenden ein bis drei Erhebungsperspektiven je Organisationsform jeweils einer der folgenden elementaren Perspektiven zugeordnet (Grafik: Steuerungskennzahlen und ihre Erfassungshäufigkeit): Prozess, Funktion und Kanal.
Anteil der verschiedenen Erhebungsperspektiven und deren Kombinationen
Prozess/Funktion/ Kanal 33%
Nur Funktion 19%
Nur Kanal 10% Nur Prozess 0%
Funktion/Kanal 38%
Abb. E.3:
Anteil der verschiedenen Erhebungsperspektiven und deren Kombinationen
186
ANHANG
Steuerungskennzahlen und ihre Erfassungshäufigkeit Prozess 100%
80%
60%
40%
33%
20%
0%
Kanal
81%
Funktion
90%
Abb. E.4: Steuerungskennzahlen und ihre Erfassungshäufigkeit
c) Bewertung Tendenziell erfassen die Bausparkassen in mehr als zwei Perspektiven Daten zur Unternehmenssteuerung. Mit 90% sind funktionale Kennzahlen am wesentlichsten für die Unternehmenssteuerung in den Bausparkassen. 81% der befragten Bausparkassen erheben Steuerungskennzahlen in der Perspektive „Vertriebs- und Kundenkanal“, während nur 33% Prozesskennzahlen verwenden.
ANHANG
187
Frage 3: Wie ist die Struktur Ihrer Kostenstellen primär ausgerichtet? (Mehrfachnennung möglich)
a) Daten und Statistik Anzahl der Ausprägungen:
22
Gültige Ausprägungen:
21
Fehlende Ausprägungen:
1
b) Auswertungsergebnisse Die obige Frage wurde nach folgenden Aspekten ausgewertet: Häufigkeit der genannten Gliederungskriterien der Kostenstellen, sowohl einzeln als auch in Kombination miteinander (Grafik: Gliederungskriterien der Kostenstellen von Bausparkassen und ihre Häufigkeit); Ergänzend wurden sodann die Kombinationen aufgespalten und die sich ergebenden zwei bzw. drei Kostenstellenkriterien je Kombination jeweils einem der folgenden elementaren Gliederungskriterien zugeordnet (Grafik: Kostenstellenstrukturen): •
Prozess,
•
Funktion,
•
Kanal sowie
•
Projekt
(neu hinzugekommen, nicht im Fragebogen zur Auswahl gestellt)
188
ANHANG
Gliederungskriterien der Kostenstellen von Bausparkassen und ihre Häufigkeit Funktion/Kanal/ Projekt 5% Funktion/Projekt 19% Funktion 61%
Funktion/Kanal 5% Prozess/Funktion 5% Projekt 5%
Abb. E.5: Gliederungskriterien der Kostenstellen von Bausparkassen und ihre Häufigkeit
Kostenstellenstrukturen Prozess 100% 80% 60% 40% 20%
Projekt
5%
Funktion
0%
29%
10%
95%
Kanal
Abb. E.6: Kostenstellenstrukturen von Bausparkassen
c) Bewertung Die Kostenstellenstruktur der Bausparkassen ist dominant funktional ausgerichtet (95%).
ANHANG
189
Während Projektkostenstellen – vorwiegend als Ergänzung zu funktionalen Kostenstellen – mit 29% noch eine gewisse Bedeutung zukommt, spielen Kanal- und Prozesskostenstellen mit 10% bzw. 5 % eine eher unwesentliche Rolle.
Frage 4: Wie stark werden die Aufgaben in den zentralen Dienstleistungsund Produktionsprozessen des Bauspargeschäfts durch IT-Systeme unterstützt?
a) Daten und Statistik Anzahl der Ausprägungen:
22
Gültige Ausprägungen:
22
Fehlende Ausprägungen:
0
b) Auswertungsergebnisse Arithmetisches Mittel der genannten IT-Unterstützungsquoten = 84,32 %
c) Bewertung In den zentralen Dienstleistungs- und Produktionsprozessen des Bauspargeschäfts ist die IT ein wesentlicher Aufgabenträger bzw. nimmt die IT eine tragende Unterstützungsfunktion ein.
Frage 5 a): Welche Arten von Sicherungsmaßnahmen haben Sie im Rahmen des Risikomanagements getroffen, um potentielle Fehler von Mitarbeitern zu minimieren? (Mehrfachnennung möglich)
190
ANHANG
a) Daten und Statistik Anzahl der Ausprägungen:
22
Gültige Ausprägungen:
22
Fehlende Ausprägungen:
0
b) Auswertungsergebnisse
Sicherungsmaßnahmen in Bausparkassen 100%
100%
100% 80% 60%
36%
40% 20% 0% Automatische Kontrolle durch Prüfungen in IT- Vorgesetzte oder andere Systemen Mitarbeiter
Sonstige
Abb. E.7: Sicherungsmaßnahmen in Bausparkassen
Unter „Sonstige“ wurden Sicherungsmaßnahmen subsummiert, die nur einzeln genannt wurden: •
Berichtswesen im Rahmen des Risikomanagementsystems
•
Interne Revision
•
Automatische Stichprobenverfahren
(einzuordnen unter „Automatische Prüfun-
gen in IT-Systemen“)
•
Regelmäßige Qualitätsmanagementgespräche
•
Arbeits- bzw. Sachgebietsanweisungen
•
Internes Kontrollsystem (IKS)
ANHANG
191
c) Bewertung IT-gestützte Sicherungssysteme kommen in allen deutschen Bausparkassen zum Einsatz.
Frage 5 b): Der Anteil der IT-gestützten Sicherungsmaßnahmen beträgt hierbei ca. ___ %.
a) Daten und Statistik Anzahl der Ausprägungen:
22
Gültige Ausprägungen:
13
Fehlende Ausprägungen:
9
b) Auswertungsergebnisse Arithmetisches Mittel der genannten IT-Absicherungsquoten = 60,38 %
c) Bewertung Der IT wird im Rahmen der Sicherungsmaßnahmen zur Vermeidung menschlicher Fehler bei der Ausführung wesentlicher Aktivitäten in den Dienstleistungs- und Produktionsprozessen eine wichtige Rolle zuteil. Allerdings ist bei dieser Aussage zu berücksichtigen, dass nur 13 Bausparkassen diese Frage beantwortet haben, was zwar immerhin noch 59% der Rückläufe, aber nur noch 46% der Gesamtheit der deutschen Bausparkassen entspricht.
192
ANHANG
B. Prozesse Frage 1: Welche der nachfolgenden Prozesse erachten Sie als die wichtigsten zur Umsetzung der strategischen Ziele einer Bausparkasse?
a) Daten und Statistik Anzahl der Ausprägungen:
22
Gültige Ausprägungen:
22
Fehlende Ausprägungen:
(wobei teilweise einzelne Prozesse bei der Bewertung ausgelassen wurden)
0
b) Auswertungsergebnisse Für jeden Prozess wurde die Anzahl der Bewertungen in den Kategorien „sehr wichtig“ (5 Punkte), „wichtig“ (4 Punkte), „mittel“ (3 Punkte), „weniger wichtig“ (2 Punkte) und „unwichtig“ (1 Punkt) ermittelt, mit der Punktzahl der Kategorie multipliziert, die Produkte je Prozess aufsummiert und dann durch die Anzahl der Bewertungen dividiert; d.h. es wurde das gewichtete arithmetische Mittel gebildet: 5
Gewichtetes _ Arithmetisches _ Mittel _ je _ Pr ozess =
∑ ( Anzahl _ Nennungen _ in _ Kategorie _ i * Punktzahl _ i) i =1
Anzahl _ der _ Bewertungen _ je _ Pr ozess
Daraus ergab sich folgende Tabelle: Tabelle E.1: Ergebnisse der Prozesspriorisierung Prozess
Bewertung (gewichtete Durchschnittspunktzahl)
Anzahl fehlende Bewertungen
Dienstleistungsprozess Bewilligung
4,65
2
Dienstleistungsprozess Darlehen
4,36
0
ANHANG
193
Prozess
Bewertung (gewichtete Durchschnittspunktzahl)
Anzahl fehlende Bewertungen
Dienstleistungsprozess Spar
4,18
0
Finanzmanagementprozess
4,32
0
Führungsprozess
4,41
0
Investitionsmanagementprozess
2,75
2
IT-Managementprozess
4,19
1
Kommunikationsprozess
4,00
1
Kundenbeziehungsmanagementprozess
4,64
0
Methodenentwicklungsprozess
2,85
2
Personalmanagementprozess
3,95
1
Produktmanagementprozess
3,90
1
Ressourcenmanagementprozess
3,71
1
Strategiemanagementprozess
4,48
1
Verbesserungsprozess
3,85
2
Verkaufsprozess
4,73
0
Verkaufsunterstützungsprozess
4,45
0
Wissensmanagementprozess
3,64
0
In Ergänzung wurden noch genannt: • Change Management-Prozess (2 Nennungen):
5,00 Punkte
• Prozess- & Projektmanagementprozess (1 Nennung): 4,00 Punkte Visualisiert man die Ergebnisse aus Tabelle E.1, so ergibt sich folgende Grafik:
194
ANHANG
Prozessbewertung bezüglich der Wichtigkeit zur Umsetzung der strategischen Ziele einer Bausparkasse 5,00 4,50 4,00 3,50 3,00 2,50
4,65 4,36 4,18 4,32 4,41
4,19 4,00
2,00 1,50
4,64
4,48
3,85
4,73 4,45
2,85
2,75
1,00
3,95 3,90 3,71
3,64
Wissensmanagementprozess
Verkaufsunterstützungsprozess
Verkaufsprozess
Verbesserungsprozess
Strategiemanagementprozess
Ressourcenmanagementprozess
Produktmanagementprozess
Personalmanagementprozess
Methodenentwicklungsprozess
Kundenbeziehungsmanagementprozess
Kommunikationsprozess
IT-Managementprozess
Investitionsmanagementprozess
Führungsprozess
Finanzmanagementprozess
Dienstleistungsprozess Spar
Dienstleistungsprozess Darlehen
0,00
Dienstleistungsprozess Bewilligung
0,50
Abb. E.8: Prozessbewertung bezüglich der Wichtigkeit zur Umsetzung der strategischen Ziele einer Bausparkasse
c) Bewertung Die fünf wichtigsten Prozesse zur Umsetzung der strategischen Ziele einer Bausparkasse sind (in der Reihenfolge ihrer Bedeutung): •
Verkaufsprozess,
•
Dienstleistungsprozess Bewilligung,
•
Kundenbeziehungsmanagementprozess,
•
Strategiemanagementprozess und
•
Verkaufsunterstützungsprozess
ANHANG
195
Frage 2: Verfügen Sie über eine Prozesskostenrechnung? a) Daten und Statistik Anzahl der Ausprägungen:
22
Gültige Ausprägungen:
22
Fehlende Ausprägungen:
0
b) Auswertungsergebnisse
Anwendungsgrad der Prozesskostenrechnung
nein 36%
in Planung 9%
ja 14%
teilweise 41%
Abb. E.9: Anwendungsgrad der Prozesskostenrechnung
c) Bewertung Obwohl Prozesse weder bei der Wahl der Organisationsform noch bei Steuerungskennzahlen oder dem Aufbau der Kostenstellen eine wesentliche Rolle spielen, ist die Akzeptanz und der Anwendungsgrad einer Prozesskostenrechnung sehr hoch: 64% der Bausparkassen verwenden eine Prozesskostenrechnung vollständig bzw. teilweise oder planen ihre Einführung! Die Bedeutung von Prozessen für die Transparenz in bezug auf Zeit und Kosten wird damit unterstrichen.
196
ANHANG
Frage 3: Nennen Sie die 5 wichtigsten Kennzahlen, nach denen Prozesse gesteuert werden sollten. a) Daten und Statistik Anzahl der Ausprägungen:
22
Gültige Ausprägungen:
19
Fehlende Ausprägungen:
3
b) Auswertungsergebnisse Diese Frage wurde nach drei Gesichtspunkten ausgewertet: Anwendungsgrad der Prozesskennzahlen, d.h. Prozentsatz der Bausparkassen, die Angaben zu Prozesskennzahlen gemacht haben
Anwendungsgrad von Prozesskennzahlen
nein 14% ja 86%
Abb. E.10: Anwendungsgrad von Prozesskennzahlen
ANHANG
197
Anzahl der Prozesskennzahlen, die pro Bausparkasse genannt wurden
Anzahl der genannten Prozesskennzahlen (PK) 40,90%
45% 40% 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0%
36,40%
13,60% 4,55%
keine PK
2 PK
4,55%
3 PK
4 PK
5 PK
Abb. E.11: Anzahl der genannten Prozesskennzahlen
Überblick über die genannten Prozesskennzahlen, wobei identische Kennzahlen, die unterschiedlich benannt waren, unter dem gängigeren Begriff zusammengefasst wurden. Darüber hinaus wurden die Kennzahlen auch einer Perspektive der Prozessorientierten Balanced Scorecard zugeordnet.
Tabelle E.2: Überblick über die genannten Prozesskennzahlen Genannte Kennzahl
Definition
Anzahl der Nennung
Deckungsbeitrag
Deckungsbeitrag pro Vertrag und Vertragsart
4
Finanzen
Stückkosten
Stückkosten je Vertrag, je Bewilligung bzw. je Darlehen
4
Finanzen
Personalkosten
Personalkosten pro Minute bzw. pro Prozess
2
Finanzen
Verwaltungskostensatz
Verwaltungskostensatz je Vertrag
1
Finanzen
Eigenkapitalrendite
Gewinn geteilt durch Eigenkapital
1
Finanzen
(auf Basis des ökonomischen Eigenkapitals)
Perspektive der ProBSC
198
ANHANG
Genannte Kennzahl
Definition
Anzahl der Nennung
Cost-Income-Ratio
Im jeweiligen Geschäftsjahr angefallener Verwaltungsaufwand im Verhältnis zu den Ertragsgrößen (Zinsüberschuss, Provisionsüberschuss sowie Handelsergebnis, abzüglich der Zuführung zur Risikovorsorge)
1
Finanzen
Treasury Performance
Mehr-/Minderertrag gegenüber einer risikolosen Anlage in Relation zum eingegangenen Risiko
1
Finanzen
Sparkontenquote
Anzahl der Sparkonten je Mitarbeiter
1
Finanzen
Ausfallquote
Ausfälle pro Kundengruppe (Risikokennzahl)
1
Finanzen
Kundenzufriedenheitsindex
Zufriedenheit der Kunden, z.B. erhoben durch eine Kundenbefragung unter Benutzung einer Skala von 1 (sehr zufrieden) bis 6 (sehr unzufrieden)
3
Kunden
Durchlaufzeit
zeitliche Dauer von Prozessstart bis Prozessende
12
Prozess
Prozesskosten
Prozessmenge mal konstanter Verrechnungspreis (Prozesskostensatz)
9
Prozess
Fehlerquote
Anzahl der Abweichungen vom definierten Prozessergebnis (Prozessqualität)
7
Prozess
Bearbeitungszeit
Nettobearbeitungszeit je Vorgang
5
Prozess
Beschwerde-Quote
Anzahl Beschwerden geteilt durch Anzahl Bestandskunden
3
Prozess
Termintreue
Abweichung vom geplanten Endtermin
1
Prozess
Prozesszeit
Prozessmenge je Prozess * benötigte Zeit je Prozess = Prozess- oder Arbeitszeit für die Prozessmenge
1
Prozess
Produktivität
Stück bzw. Vorgänge je MA je Zeiteinheit
9
Lern- & Entwicklung
Personalkapazität
Bearbeitungszeit mal geplantes Volumen = Mitarbeiterbedarf (Plan) bzw. mit 1 Prozess beschäftigte Mitarbeiter pro Jahr (in Mitarbeiterjahren = 1.760 Stunden)
6
Lern- & Entwicklung
Integrationsgrad IT
Anzahl der verschiedenen Systeme, die zu einer Prozessbearbeitung benötigt werden (Grad der Systemintegration)
2
Lern- & Entwicklung
(CIR)
Perspektive der ProBSC
ANHANG Genannte Kennzahl
199
Definition
Anzahl der Nennung
Perspektive der ProBSC
Integrationsgrad Personal
Anzahl verschiedener Personen zur Bearbeitung eines Prozesses (Grad der Prozessorientierung)
2
Lern- & Entwicklung
Automatisierungsgrad
Verhältnis manueller zu digitalen Prozessschritten
2
Lern- & Entwicklung
Abschlussquote
Vertragsabschlüsse pro Außendienstmitarbeiter
1
Lern- & Entwicklung
Umsatzquote
durchschnittliche Anzahl Verträge pro Mitarbeiter
1
Lern- & Entwicklung
Leitungsspanne
Anzahl der Prozessverantwortlichen für einen Prozess (z.B. bei Unterteilung in aufbauorganisatorisch bedingte Teilprozessschritte)
1
Lern- & Entwicklung
Mitarbeiterzufriedenheitsindex
Zufriedenheit der Mitarbeiter, z.B. erhoben durch eine Mitarbeiterbefragung unter Benutzung einer Skala von 1 (sehr zufrieden) bis 6 (sehr unzufrieden)
1
Lern- & Entwicklung
Zielwerte für die benannten Kennzahlen wurden nicht oder zu allgemeingültig angegeben, so dass sie in der Übersicht nicht weiter berücksichtigt werden.
c) Bewertung Obwohl in Frage A.2 nur 33 % der Bausparkassen angegeben haben, Prozesskennzahlen zur Unternehmenssteuerung zu nutzen, konnten immerhin 86,4 % der Bausparkassen wesentliche Kennzahlen zur Steuerung von Prozessen nennen. Das Prozessverständnis in den Bausparkassen ist demnach höher als die Ergebnisse aus Frage A.2 vermuten lassen. 77,3% der Bausparkassen konnten 4 bis 5 aus ihrer Sicht wesentliche Kennzahlen zur Steuerung von Prozessen nennen. Dies bestätigt die Vermutung, dass Prozesskennzahlen stärker genutzt werden als zunächst angegeben. Viele der für die Prozessperspektive genannten Kennzahlen sind tatsächlich reine Prozesskennzahlen; allerdings wurden auch Kennzahlen genannt, die den anderen drei Perspektiven der Prozessorientierten Balanced Scorecard (Finanz-, Kunden- sowie Lern- und Entwicklungsperspektive) zuzuordnen sind, aber immer auch Prozessaspekte widerspiegeln. Betrachtet man die Kennzahlen, so zeigt sich deutlich, dass daraus keine Balanced Scorecard auf
200
ANHANG
Gesamtunternehmensebene entsteht, sondern eine Balanced Scorecard zur Steuerung der Prozess-Performance unter Berücksichtigung weiterer unternehmerischer Perspektiven.
C. Kunden- bzw. Vertriebskanäle Frage 1: Wie verteilt sich das Vertriebsvolumen (in Stück der verkauften Bausparverträge) auf die einzelnen Kunden- bzw. Vertriebskanäle? a) Daten und Statistik Anzahl der Ausprägungen:
22
Gültige Ausprägungen Kanalnutzung heute:
21
Fehlende Ausprägungen Kanalnutzung heute: Gültige Ausprägungen Kanalnutzung in 2 Jahren: Fehlende Ausprägungen Kanalnutzung in 2 Jahren:
1 18 4
b) Auswertungsergebnisse Die genannten Kanäle wurden in sieben Cluster zusammengefasst, die nach den Dimensionen • Anzahl der Bausparkassen, die diesen Kanal nutzen und • Kanalanteil am Vertriebsvolumen ausgewertet wurden. Als Cluster wurden identifiziert: • Eigener Vertrieb (Außendienst) • Kooperationspartner (Banken, Versicherungen und Sparkassen, zu denen keine Verflechtungen oder Beziehungen über einen Konzern oder Verband bestehen) • Internet
ANHANG
201
• Direktvertrieb • Konzern / Verband • Freie Handelsvertreter und Makler • Sonstige Vertriebswege
Kanalanteil am Vertriebsvolumen
Keine Angaben
Sonstige Vertriebswege
Freie Handelsvertreter und Makler
Konzern/Verband
Direktvertrieb
Internet
Kanalnutzung in den deutschen Bausparkassen
Kooperationspartner (Banken, Versicherungen, Sparkassen)
18 16 14 12 10 8 6 4 2 0
Eigener Vertrieb (Außendienst)
Anzahl der Bausparkassen
70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%
Anzahl der Bausparkassen, die diesen Kanal heute nutzen Anzahl der Bausparkassen, die diesen Kanal in 2 Jahren nutzen werden Kanalanteil am Vertriebsvolumen heute Kanalanteil am Vertriebsvolumen in 2 Jahren
Abb. E.12: Kanalnutzung in den deutschen Bausparkassen
c) Bewertung Sowohl heute als auch in zwei Jahren hat der Vertrieb über Kooperationspartner den größten Anteil am Vertriebsvolumen (heute: 54%; in 2 Jahren: 58%), gefolgt vom eigenen Vertrieb (heute: 52%; in 2 Jahren: 47%). Die Bedeutung von Kooperationspartnern (Banken, Versicherungen und Sparkassen, zu denen keine Verflechtungen oder Beziehungen über einen Konzern oder Verband bestehen), Freien Handelsvertretern und Maklern, Direktvertrieb und Internet wird in den nächsten zwei Jahren leicht zunehmen. Die Bedeutung von eigenem Vertrieb und Konzernvertrieb wird in den nächsten zwei Jahren leicht zurückgehen.
202
ANHANG
Da bei der Bewertung der Kanalnutzung in 2 Jahren drei Bausparkassen, die ihre Kanalnutzung heute dargelegt haben, keine Angaben gemacht haben, ist es nicht möglich, absolute Aussagen über Trends in der Kanalnutzung zu machen.
Frage 2: Haben Sie im Rahmen Ihrer Kostenrechnung Transparenz über • die Kosten je Transaktion in den verschiedenen Kanälen? • die laufenden IT-Kosten pro Kanal? • die Deckungsbeiträge je Kanal? a) Daten und Statistik Anzahl der Ausprägungen:
22
Gültige Ausprägungen:
22
Fehlende Ausprägungen:
0
b) Auswertungsergebnisse Transparenz über die Kosten je Transaktion im Kanal:
Transaktionskostentransparenz im Kanal
50% 40%
45,50%
30%
36,30%
20%
18,20%
10% 0%
ja
teilweise
nein
Abb. E.13: Transaktionskostentransparenz im Kanal
ANHANG
203
Transparenz über die laufenden IT-Kosten im Kanal:
IT-Kostentransparenz im Kanal
50% 45,50%
40% 30% 20%
27,25%
27,25%
10% 0%
ja
teilweise
nein
Abb. E.14: IT-Kostentransparenz im Kanal
Transparenz über die Deckungsbeiträge je Kanal:
Transparenz über die Deckungsbeiträge je Kanal
50% 40% 30%
36,40%
40,90%
20%
22,70%
10% 0%
ja
teilweise
nein
Abb. E.15: Transparenz über die Deckungsbeiträge je Kanal
204
ANHANG
c) Bewertung Mehr als 80% der Bausparkassen kennen die Kosten je Transaktion in den verschiedenen Kanälen ganz (45,5%) bzw. teilweise (36,3%), so dass man von Transaktionskostentransparenz in den Kanälen sprechen kann. 45,5% der Bausparkassen kennen ihre laufenden IT-Kosten im Kanal nicht, 27,3% nur teilweise; damit ist IT-Kostentransparenz in den Kanälen nur bei knapp einem Drittel der Bausparkassen gegeben. Obwohl die Kennzahl „Deckungsbeitrag je Kanal“ eine wesentliche Steuerungskennzahl ist, können sie nur 36,4% der Bausparkassen exakt quantifizieren.
Frage 3: Nennen Sie die wichtigsten Kennzahlen, nach denen Kunden- bzw. Vertriebskanäle gesteuert werden sollten.
a) Daten und Statistik Anzahl der Ausprägungen:
22
Gültige Ausprägungen:
20
Fehlende Ausprägungen:
2
b) Auswertungsergebnisse Diese Frage wurde nach drei Gesichtspunkten ausgewertet: Anwendungsgrad der Kanalkennzahlen, d.h. Prozentsatz der Bausparkassen, die Angaben zu Kanalkennzahlen gemacht haben
ANHANG
205
Anwendungsgrad von Kanalkennzahlen
nein 9% ja 91%
Abb. E.16: Anwendungsgrad von Kanalkennzahlen
Anzahl der Kanalkennzahlen, die pro Bausparkasse genannt wurden
Anzahl der genannten Kanalkennzahlen (KK) 68,2% 70% 60% 50% 40% 30% 20%
9,1%
9,1%
9,1% 4,5%
10% 0%
keine KK
3 KK
4 KK
5 KK
6 KK
Abb. E.17: Anzahl der genannten Kanalkennzahlen
Überblick über die genannten Kanalkennzahlen, wobei identische Kennzahlen, die unterschiedlich benannt waren, unter dem gängigeren Begriff zusammengefasst wurden. Darüber hinaus wurden die Kennzahlen auch einer Perspektive der Kanalorientierten Balanced Scorecard zugeordnet.
206
ANHANG
Tabelle E.3: Überblick über die genannten Kanalkennzahlen Genannte Kennzahl
Definition
Neugeschäftsvolumen
Bausparsumme und Stückzahl (Ist, Ist zu Plan, Ist zu Markt)
13
Finanzen
Deckungsbeitrag
je T€ Bausparsumme je Vertriebseinheit, je T€ Bausparsumme je Kunde
9
Finanzen
Akquisitionskostensatz
Akquisitionskostensatz je Neukunde
2
Finanzen
Bruttoneugeschäft
Bruttoneugeschäft je Einwohner
2
Finanzen
Bruttoneugeschäft je Girokonto
1
Finanzen
Ausfallrisiko
Volumen der einzelnen Risikosegmente * prozentualer Ausfall dieser Risikosegmente
1
Finanzen
Bausparunterlegung
Von Kooperationspartner x vermittelte Bausparverträge / Gesamte (vermittelte und) genehmigte Wohnungsbaudarlehen des Kooperationspartners im laufenden Jahr
1
Finanzen
Anspargrad
Bauspareinlagen / nicht zugeteilter Bestand
1
Finanzen
Zuteilungsmassen-
Kollektiv-Simulationen zu geplanten Bewegungen der Zuteilungsmasse
1
Finanzen
Wertberichtigungsquote
Prozentsatz der Darlehen mit Wertberichtigungsbedarf am Gesamtbestand der Darlehen
1
Finanzen
Sparintensität
Ist-Sparbeiträge geteilt durch tariflich vorgesehene Sparbeiträge
9
Kunden
Stornoquote
Nicht eingelöstes Neugeschäft (= 1 - Einlösungsquote)
5
Kunden
Kündigungsquote
Anteil unterjährig gekündigter Verträge geteilt durch mittlerer nicht zugeteilter Vertragsbestand (bezogen auf Bausparsumme, Auszahlungsbetrag, Stück, jeweils nach prämienschädlich und prämienunschädlich)
5
Kunden
Erstgeschäftsquote
Anteil Erstgeschäft am Neugeschäft
4
Kunden
Marktanteil
Unternehmenseigener Umsatz * 100 geteilt durch Gesamtumsatz aller Anbieter (bzgl. Stück verkaufte Verträge sowie Bausparsumme und Darlehensvolumen);
3
Kunden
(je Vertriebseinheit)
Anzahl Perspektive der Nennung der KanBSC
je Einwohner Bruttoneugeschäft je Girokonto
bewegung
regional und gesamt
ANHANG
207
Genannte Kennzahl
Definition
Anzahl Perspektive der Nennung der KanBSC
Folgegeschäftsquote
(Folge-Bausparverträge in Stück der letzten 12 Monate / Kundenbestand vor 13 Monaten)*100 = %
3
Kunden
Neuvertragsstruktur
Anteil der Neuverträge in verschiedenen Klassen z.B. bezüglich Bausparsumme, Alter der Kunden, geplante Dauer der Sparphase
3
Kunden
Bestandsentwicklung
(Ist laufendes Jahr - Ist Vorjahr) geteilt durch Ist Vorjahr
3
Kunden
(bezüglich Bausparsumme und Stück Bausparverträge) Beschwerdequote
Anzahl der Kundenreklamationen und Beschwerden
2
Kunden
Jugendgeschäftsquote
Neugeschäft Jugend (0 - 24 Jahre) / Gesamtgeschäft in Stück bzw. Bausparsumme
2
Kunden
Darlehensannahmequote
Angenommene Darlehen / zugeteilte Bausparverträge (= 1 - Darlehensverzichtsquote)
2
Kunden
Kundenstruktur
Anteile bestimmter Zielgruppen
1
Kunden
Regenerationsquote
Kundenbestand vor 13 Monaten geteilt durch Folge-Bausparverträge in Stück der letzten 12 Monate = Regeneration in Jahren
1
Kunden
Kundenzufriedenheitsindex
Zufriedenheit der Kunden, z.B. erhoben durch eine Kundenbefragung unter Benutzung einer Skala von 1 (sehr zufrieden) bis 6 (sehr unzufrieden)
1
Kunden
Anzahl Kunden
gesamt
1
Kunden
Lastschrifteinzugsquote Neugeschäft
Anteil der Bausparverträge mit Lastschrifteinzug am Neugeschäft
1
Kunden
Zielerreichungsgrad
Prozentsatz der Erreichung der vereinbarten Ziele (monatlich, jährlich)
6
Kanal
Marktausschöpfungsquote
Ausschöpfung der vorhandenen Marktpotentiale
3
Kanal
Vertriebskosten je Vertrag
in % der Abschlussgebühr
3
Kanal
Cross-Selling
Prozentsatz der Abschlüsse von Bausparverträgen bzw. Darlehensverträgen, bei denen Cross-Selling-Produkte wie z.B. Versicherungen rund um die Immobilie verkauft werden konnten,
2
Kanal
sowie Volumen und Stückzahl der verkauften Cross-Selling-Produkte
208
ANHANG
Genannte Kennzahl
Definition
Anzahl Perspektive der Nennung der KanBSC
Incentivequote je Kanal
Anteil der Incentives je Kanal an der Gesamtheit aller durchgeführten Incentives
1
Kanal
Bonifikation je Kanal
Höhe der gezahlten Bonifikation nach Vertriebskanälen
1
Kanal
Bearbeitungszeit je Kanal
Bearbeitungszeit bei über verschiedene Kanäle beantragten Bausparverträgen bzw. Darlehenszuteilung
1
Kanal
Vertriebspartnerzufriedenheit
Zufriedenheit der Vertriebspartner, z.B. erhoben durch eine Vertriebspartnerbefragung unter Benutzung einer Skala von 1 (sehr zufrieden) bis 6 (sehr unzufrieden)
1
Kanal
Anzahl Verträge je Kanal
Anzahl der Verträge, die pro Vertriebskanal beantragt wurden
1
Kanal
Provisionsquote je Kanal
Provisionsanteil je Vertriebskanal
1
Kanal
Produktivität
Stück bzw. Vorgänge je Mitarbeiter je Zeiteinheit
2
Lern- & Entwicklung
Zielwerte für die benannten Kennzahlen wurden nicht oder zu allgemeingültig angegeben, so dass sie in der Übersicht nicht weiter berücksichtigt werden.
c) Bewertung Obwohl in Frage A.2 bereits 81% der Bausparkassen angegeben haben, Kanalkennzahlen zur Unternehmenssteuerung zu nutzen, konnten sogar 91% der Bausparkassen wesentliche Kennzahlen zur Steuerung von Kanälen nennen. Dies unterstreicht die Bedeutung von Kanalkennzahlen, die damit gleichauf mit den Funktionalen Kennzahlen liegen (siehe nachfolgende Frage). 77,3 % der Bausparkassen konnten 4 bis 5 aus ihrer Sicht wesentliche Kennzahlen zur Steuerung von Kanälen nennen, 4,5 % benannten sogar 6 Kanalkennzahlen. Damit präsentiert sich ein ähnliches Bild wie bei den Prozesskennzahlen.
ANHANG
209
Viele der für die Kanalperspektive genannten Kennzahlen sind tatsächlich reine Kanalkennzahlen; allerdings wurden auch Kennzahlen genannt, die den anderen drei Perspektiven der Kanalorientierten Balanced Scorecard (Finanz-, Kunden- sowie Lern- und Entwicklungsperspektive) zuzuordnen sind, aber immer auch kanalbezogene Aspekte widerspiegeln. Betrachtet man die Kennzahlen, so zeigt sich auch hier deutlich, dass daraus keine Balanced Scorecard auf Gesamtunternehmensebene entsteht, sondern eine Balanced Scorecard zur Steuerung der Kanal-Performance unter Berücksichtigung weiterer unternehmerischer Perspektiven.
D. Aufbauorganisation
Frage 1: Nennen Sie die 5 wichtigsten Kennzahlen, nach denen Bereiche / Abteilungen im Unternehmen gesteuert werden sollten. a) Daten und Statistik Anzahl der Ausprägungen:
22
Gültige Ausprägungen:
20
Fehlende Ausprägungen:
2
b) Auswertungsergebnisse Diese Frage wurde nach drei Gesichtspunkten ausgewertet: Anwendungsgrad der funktionalen Kennzahlen, d.h. Prozentsatz der Bausparkassen, die Angaben zu funktionalen Kennzahlen gemacht haben
210
ANHANG
Anwendungsgrad Funktionaler Kennzahlen nein 9% ja 91%
Abb. E.18: Anwendungsgrad Funktionaler Kennzahlen
Anzahl der funktionalen Kennzahlen, die pro Bausparkasse genannt wurden
Anzahl der genannten Funktionalen Kennzahlen (FK) 27,3%
30%
18,2% 20%
18,2%
13,6% 9,1%
9,1%
10%
0%
4,5%
keine
1 FK
2 FK
3 FK
4 FK
5 FK
6 FK
Abb. E.19: Anzahl der genannten Funktionalen Kennzahlen
Überblick über die genannten funktionalen Kennzahlen, wobei identische Kennzahlen, die unterschiedlich benannt waren, unter dem gängigeren Begriff zusammengefasst wurden. Darüber hinaus wurden die Kennzahlen auch einer Perspektive der Funktionsorientierten Balanced Scorecard zugeordnet.
ANHANG
211
Tabelle E.4: Überblick über die genannten Funktionalen Kennzahlen Genannte Kennzahl
Definition
Anzahl der Nennung
Perspektive der FunBSC
Budgeteinhaltung
Soll-Ist-Vergleich sowohl des Personal- als auch des Sachkostenbudgets
5
Finanzen
Stückkosten
Stückkosten je Vertrag
4
Finanzen
Kreditausfallrisiko
Volumen der einzelnen Risikosegmente * prozentualer Ausfall dieser Risikosegmente
1
Finanzen
Zinsänderungsrisiko
Elastizitätsüberhang (z.B. Inkongruenzvolumen) * potentielle (negative) Zinsänderungen
1
Finanzen
Rentabilität
Gesamtkapitalrentabilität (ROA: Return on Assets) = (Betriebsergebnis + Kapitalkosten) geteilt durch betriebsnotwendiges Vermögen
1
Finanzen
Bilanzsummenquote
Bilanzsumme pro Mitarbeiter
1
Finanzen
Verwaltungskostensatz
Verwaltungsaufwand je Vertrag
1
Finanzen
Jahresüberschussquote
Jahresüberschuss pro Mitarbeiter
1
Finanzen
Darlehensbewilligungsmarge
Durchschnittlich bei der Darlehensbewilligung erzielte Zinsmarge in bezug auf das aktuelle Zinsniveau im Zeitpunkt der Bewilligung
1
Finanzen
Durchschnittskosten je Mitarbeiter
Durchschnittliche Personal- und Sachkosten je Mitarbeiter
1
Finanzen
Standardkostensatz
Standardpersonalkosten Mitarbeiter pro Jahr geteilt durch maximale Planbeschäftigung Mitarbeiter in Minuten pro Jahr
1
Finanzen
(in EUR/Min) Standardeinzelkosten pro Produkt/Vertrag
Personalstandardeinzelkosten + Sachmittelstandardeinzelkosten je Produkt bzw. Vertrag
1
Finanzen
Standardeinzelkosten pro Prozess (Auftrag)
Personalstandardeinzelkosten + Sachmittelstandardeinzelkosten je Prozess
1
Finanzen
Vertriebskostensatz
Kosten Absatzbereich geteilt durch Neugeschäft
1
Finanzen
Vertragsquote
Verträge pro Mitarbeiter
1
Kunden
Marktanteil
Unternehmenseigener Umsatz * 100 geteilt durch Gesamtumsatz aller Anbieter (bzgl. Stück verkaufte Verträge sowie Bausparsumme und Darlehensvolumen)
1
Kunden
212
ANHANG
Genannte Kennzahl
Definition
Kundenzufriedenheitsindex
Zufriedenheit der Kunden, z.B. erhoben durch eine Kundenbefragung unter Benutzung einer Skala von 1 (sehr zufrieden) bis 6 (sehr unzufrieden)
1
Kunden
Zielerreichungsgrad
Prozentsatz der Erreichung der vereinbarten Jahresziele (auf allen Ebenen)
7
Funktion
Kosten pro Abteilung/ Bereich
Personal- und Sachkosten pro Abteilung / pro Bereich (Ist / Soll)
5
Funktion
Fehlerquote
Prozentsatz an Vertragsdokumenten und sonstigen Dienstleistungen, die ohne Nachbesserungsbedarf (z.B. falsche Adress- oder Darlehensdaten) ausgestellt bzw. erbracht werden
3
Funktion
Profit-Center-Ergebnis
Ergebnisbeitrag einer als Profit-Center geführten Abteilung oder Einheit
2
Funktion
Auslastungsgrad
Soll-Ist-Vergleich Auslastung
1
Funktion
Produktivität
Stück bzw. Vorgänge je Mitarbeiter je Zeiteinheit
9
Lern- & Entwicklung
Führungsspanne
Anzahl der direkt geführten Mitarbeiter bzw. Anzahl der Hierarchiestufen (Kompetenzdelegation, Eigenverantwortungsgrad)
4
Lern- & Entwicklung
Bearbeitungszeit mal geplantes Volumen =
2
Lern- & Entwicklung
Personalkapazität
Anzahl der Nennung
Mitarbeiterbedarf (Plan) pro Abteilung/Bereich
Perspektive der FunBSC
Mitarbeiter-Flexibilität
Anzahl der verschiedenen Positionen im Unternehmen, die ein Mitarbeiter im Laufe seiner Betriebszugehörigkeit begleitet hat
1
Lern- & Entwicklung
Mitarbeiter-Qualifikation
Prozentsatz der offenen Führungs- und Spezialistenpositionen, die durch eigene entsprechend gut qualifizierte Mitarbeiter besetzt werden können
1
Lern- & Entwicklung
Mitarbeiter-Fluktuation
Prozentsatz der Mitarbeiter, die das Unternehmen im Laufe des Jahres verlassen haben
1
Lern- & Entwicklung
Teamfähigkeit
Zielerreichungsgrad von Teamzielen pro Abteilung/Bereich
1
Lern- & Entwicklung
Betriebsklima
Einschätzung des Betriebsklimas, z.B. erhoben durch eine Mitarbeiterbefragung unter Benutzung einer Skala von 1 (sehr gut) bis 6 (sehr schlecht)
1
Lern- & Entwicklung
1
Lern- & Entwicklung
Weiterbildungsbereitschaft Anzahl der besuchten Seminare und sonstigen Weiterbildungsangeboten pro Mitarbeiter pro Jahr
ANHANG Genannte Kennzahl
Definition
Innovationskraft
Mitarbeiterzufriedenheitsindex
213 Anzahl der Nennung
Perspektive der FunBSC
Anzahl der neu entwickelten Produkte und Produktvarianten pro Jahr
1
Lern- & Entwicklung
Zufriedenheit der Mitarbeiter, z.B. erhoben durch eine Mitarbeiterbefragung unter Benutzung einer Skala von 1 (sehr zufrieden) bis 6 (sehr unzufrieden)
1
Lern- & Entwicklung
Zielwerte für die benannten Kennzahlen wurden nicht oder zu allgemeingültig angegeben, so dass sie in der Übersicht nicht weiter berücksichtigt werden.
c) Bewertung Genau wie in Frage A.2 90% der Bausparkassen angegeben haben, funktionale Kennzahlen zur Unternehmenssteuerung zu nutzen, so konnten auch hier 90,9% der Bausparkassen wesentliche Kennzahlen zur funktionalen Steuerung nennen. Markant ist, dass sich 27,3 % der Bausparkassen auf 3 funktionale Kennzahlen beschränkten; 40,9 % der Bausparkassen benannten 4, 5 und teilweise sogar 6 funktionale Kennzahlen. Dies untermauert die Aussage von Frage A.1, dass die Funktionale Gliederung die bisher vorherrschende Organisationsform der deutschen Bausparkassen ist, wobei die Steuerungskomplexität je Bausparkasse teilweise stark variiert. Viele der für die Funktionale Perspektive genannten Kennzahlen sind tatsächlich reine funktionale Kennzahlen; allerdings wurden auch Kennzahlen genannt, die den anderen drei Perspektiven der Funktionsorientierten Balanced Scorecard (Finanz-, Kunden- sowie Lern- und Entwicklungsperspektive) zuzuordnen sind, aber immer auch funktionale Aspekte widerspiegeln. Betrachtet man die Kennzahlen, so zeigt sich auch hier deutlich, dass daraus keine Balanced Scorecard auf Gesamtunternehmensebene entsteht, sondern eine Balanced Scorecard zur Steuerung der Abteilungs-Performance unter Berücksichtigung weiterer unternehmerischer Perspektiven.
214
ANHANG
E. Gesamtsteuerung des Unternehmens Frage 1: Nach welchen 5 zentralen Kennzahlen wird Ihr Haus gesteuert?
a) Daten und Statistik Anzahl der Ausprägungen:
22
Gültige Ausprägungen:
22
Fehlende Ausprägungen:
0
b) Auswertungsergebnisse Diese Frage wurde nach drei Gesichtspunkten ausgewertet: Anwendungsgrad der Unternehmenssteuerungskennzahlen, d.h. Prozentsatz der Bausparkassen, die Angaben zu Unternehmenssteuerungskennzahlen gemacht haben
Anwendungsgrad von Unternehmenssteuerungskennzahlen
ja 100%
Abb. E.20: Anwendungsgrad von Unternehmenssteuerungskennzahlen
ANHANG
215
Anzahl der Unternehmenssteuerungskennzahlen, die pro Bausparkasse genannt wurden
Anzahl der genannten Unternehmenssteuerungskennzahlen 36,4%
40%
36,4%
30% 20%
9,1%
9,1%
9,1%
10% 0%
3 UK
4 UK
5 UK
6 UK
7 UK
Abb. E.21: Anzahl der genannten Unternehmenssteuerungskennzahlen
Überblick über die genannten Unternehmenssteuerungskennzahlen, wobei identische Kennzahlen, die unterschiedlich benannt waren, unter dem gängigeren Begriff zusammengefasst wurden. Darüber hinaus wurden die Kennzahlen auch einer Perspektive der Balanced Scorecards (Gesamt-, Prozess-, Funktions- und Kanalperspektive) zugeordnet.
Tabelle E.5: Überblick über die genannten Unternehmenssteuerungskennzahlen Genannte Kennzahl
Definition
Anzahl der Nennung
Perspektive der GesamtBSC
Eigenkapitalrentabilität (RoE)
Jahresüberschuss bezogen auf Eigenkapital
14
Finanzen
Neugeschäftsvolumen
Bausparsumme und Stückzahl (Neu-Ist, Neu-Ist zu Plan, Neu-Ist zu Markt)
11
Finanzen
Aufwandsrentabilität (CIR)
Im jeweiligen Geschäftsjahr angefallener Verwaltungsaufwand im Verhältnis zu den Ertragsgrößen (Zinsüberschuss, Provisionsüberschuss sowie Handelsergebnis, abzüglich der Zuführung zur Risikovorsorge)
8
Finanzen
216
ANHANG
Genannte Kennzahl
Definition
Betriebsergebnis
absolut,
Anzahl der Nennung
Perspektive der GesamtBSC
6
Finanzen
6
Finanzen
3
Finanzen
3
Finanzen
3
Finanzen
3
Finanzen
im Verhältnis zu durchschnittlicher Bauspareinlage, im Verhältnis zu durchschnittlicher Bilanzsumme, je Mitarbeiter Verwaltungsaufwandsquote
Verwaltungsaufwand pro Vertrag,
Kapitalrentabilitäten
Return on Investment = Gewinn / Kapital
d.h. Summe Verwaltungsaufwand / Anzahl aller Bausparverträge im Bestand Return on Assets = (Gewinn + Fremdkapitalzinsen) / Gesamtkapital
Liquidität
Liquiditätskennzahl = Summe der im ersten Laufzeitband verfügbaren Zahlungsmittel geteilt durch die Zahlungsverpflichtungen dieses Zeitraums (erstes Laufzeitband = täglich fällig bis zu einem Monat Laufzeit)
Kostenquote
Ist-Kosten pro Vertrag / Soll-Kosten pro Vertrag, Ist-Kosten für den Gesamtumsatz / SollKosten für den Gesamtumsatz
Deckungsbeitrag
Zinserlöse - Zinskosten = Konditionsbeitrag - Risikokosten = Deckungsbeitrag 1 +/- Provisionen = Deckungsbeitrag 2 - Betriebskosten = Deckungsbeitrag 3
Anlagegrad
Anlagendeckung = Eigenkapital / Anlagevermögen
3
Finanzen
Risk Adjusted Return on Capital (RAROC)
Ertrag pro Einheit Risikokapital
3
Finanzen
Personal- und Sachaufwand
Personalkostenspanne = Löhne und Gehälter + Soziale Abgaben und Aufwendungen für Altersvorsorge und für Unterstützung
3
Finanzen
2
Finanzen
Sachkostenspanne = andere Verwaltungsaufwendungen + Abschreibungen und Wertberichtigungen auf immaterielle Anlagewerte und Sachanlagen Zinsspanne
Bruttozinsspanne = durchschnittlicher Aktivzins – durchschnittlicher Passivzins (kollektiv und außerkollektiv)
ANHANG
217
Genannte Kennzahl
Definition
Anzahl der Nennung
Perspektive der GesamtBSC
Zuteilungsmassenüberschuss
Frei verfügbare Zuteilungsmasse nach Annahme/Ablehnung der Bauspardarlehen bei allen zugeteilten Bausparverträgen
2
Finanzen
Eigenkapitalquote
Eigenkapital / Gesamtkapital
2
Finanzen
Zielerreichungsgrad
Prozentsatz der Erreichung der vereinbarten Jahresziele
2
Finanzen
Value at Risk
Geschätzter maximaler Verlust, der unter üblichen Marktbedingungen innerhalb einer bestimmten Periode mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eintreten kann
2
Finanzen
Ausfallquote
Ausgefallene Kredite / Durchschnittlicher Kreditbestand
1
Finanzen
Entwicklung der Risikoaktiva
Veränderung von Volumen und Struktur der Aktiva, in denen sich das Ausfallrisiko grundsätzlich niederschlagen kann
1
Finanzen
Bedarfsspanne
Bruttobedarfsspanne = Summe aller Betriebskosten = Personalkostenspanne + Sachkostenspanne
1
Finanzen
Cash flow
Betriebsbedingter Cash Flow = kalkulatorisches Betriebsergebnis + Abschreibungen auf Sach- und immaterielle Anlagen + Erhöhung (- Verminderungen) von langfristigen Rückstellungen
1
Finanzen
Zinsüberschuss
Zinserlös - Zinsaufwand
1
Finanzen
Marktanteil
Unternehmenseigener Umsatz * 100 geteilt durch Gesamtumsatz aller Anbieter
5
Kunden
4
Kunden
3
Kunden
Anteil der Neuverträge in verschiedenen Klassen z.B. bezüglich Alter der Kunden, Ertragsstärke und Risikoklasse
3
Kunden
Ist-Sparbeiträge geteilt durch tariflich vorgesehene Sparbeiträge
1
Kunden
(bzgl. Stück verkaufte Verträge sowie Bausparsumme und Darlehensvolumen) Stornoquote
Nicht eingelöstes Neugeschäft (=1 - Einlösungsquote)
Bestandsentwicklung
(Ist laufendes Jahr - Ist Vorjahr) / Ist Vorjahr gesamt bezüglich Bausparsumme und Stück Bausparverträge
Neugeschäftsstruktur (= Neuvertragsstruktur) Sparintensität
218
ANHANG
Genannte Kennzahl
Definition
Anzahl der Nennung
Perspektive der GesamtBSC
Beschwerdequote
Anzahl der Kundenreklamationen und Beschwerden als Indikation der Qualitätsorientierung
1
Kunden
Kündigungsquote
Anteil unterjährig gekündigter Verträge geteilt durch mittlerer nicht zugeteilter Vertragsbestand (bezogen auf Bausparsumme, Auszahlungsbetrag, Stück, jeweils nach prämienschädlich und prämienunschädlich)
1
Kunden
Kundenzufriedenheitsindex
Zufriedenheit der Kunden, z.B. erhoben durch eine Kundenbefragung unter Benutzung einer Skala von 1 (sehr zufrieden) bis 6 (sehr unzufrieden)
1
Kunden
Prozesskosten
Prozessmenge mal konstanter Verrechnungspreis (Prozesskostensatz)
1
Prozess
Budgetausnutzung
Ist-Budget/Plan-Budget
2
Funktion
Vertriebskostenquote
Summe Vertriebsaufwand / Nettoneugeschäft
2
Kanal
Kanalentwicklung
Prozentuale Verteilung des Vertriebsvolumens als Ergebnis einer gezielten Vertriebsausrichtung
1
Kanal
Vertragsquote
Anzahl der Neu- bzw. der BestandsVerträge pro Mitarbeiter
4
Lern- & Entwicklung
Mitarbeiterzufriedenheitsindex
Zufriedenheit der Mitarbeiter, z.B. erhoben durch eine Mitarbeiterbefragung unter Benutzung einer Skala von 1 (sehr zufrieden) bis 6 (sehr unzufrieden)
2
Lern- & Entwicklung
Sparkontenquote
Anzahl der Sparkonten pro Mitarbeiter
1
Lern- & Entwicklung
Zielwerte für die benannten Kennzahlen sowie die Einordnung der Wichtigkeit der Kennzahlen für Abteilung, Prozesse, Kanäle und Gesamtunternehmen wurden nicht oder stark unterschiedlich angegeben, so dass sie in dieser Übersicht nicht weiter berücksichtigt werden.
c) Bewertung
Erwartungsgemäß konnten 100% der Bausparkassen Angaben zu Unternehmenssteuerungskennzahlen machen.
ANHANG
219
Es wurden zwischen 3 und 7 Unternehmenssteuerungskennzahlen benannt, wobei jeweils 36,4% der Bausparkassen 4 bzw. 5 Kennzahlen definierten. Bei den genannten Unternehmenssteuerungskennzahlen handelt es sich zum Großteil um harte Finanzkennzahlen. Die wenigen für die Perspektiven Prozess, Funktion und Kanal sowie Kunden- bzw. Lern- und Entwicklungsperspektive angegebenen Kennzahlen sind in dieser oder leicht veränderter Form bereits in den Prozess-, Funktions- und Kanalorientierten Balanced Scorecards enthalten.
Frage 2: Verwenden Sie eine Balanced Scorecard? a) Daten und Statistik Anzahl der Ausprägungen:
22
Gültige Ausprägungen:
22
Fehlende Ausprägungen:
0
b) Auswertungsergebnisse
Anwendungsgrad der Balanced Scorecard
nein 50,0% in Planung 36,4% 9,1%
teilweise ja 0%
4,5% 10%
20%
30%
40%
Abb. E.22: Anwendungsgrad der Balanced Scorecard
50%
220
ANHANG
c) Bewertung Das die Prozesssicht fördernde Controlling-Instrumentarium „Balanced Scorecard“ wird bereits von 4,5% der Bausparkassen unternehmensweit und von 9% teilweise genutzt; 36% der Bausparkassen planen die Einführung einer Balanced Scorecard. Allerdings nutzen demnach 50% der Bausparkassen die Balanced Scorecard nicht. Nichtsdestotrotz ist die Balanced Scorecard ein wichtiges Kennzahlensystem zur Unternehmenssteuerung in Bausparkassen, das zwar auf einem momentan noch moderaten Akzeptanzniveau, aber mit stark steigender Tendenz eingesetzt wird.
II Experteninterview mit Dipl.-Kfm. J. Gödecke, Leiter Strategische Planung & Strategisches Controlling, Dresdner Bank AG, Private Kunden Inland / E-Commerce M.S.: „Herr Gödecke, was halten Sie von der Idee eines multiperspektivischen, prozess-, funktions- und kanalorientierten Steuerungsinstrumentariums, das in Ergänzung zur real umgesetzten Präferenzstruktur auch Kennzahlen in den jeweils anderen Sekundärstrukturen rein virtuell vor allem im Rahmen der Automatikverarbeitung zur Verfügung stellt?“ J.G.: „In der Praxis erfolgt eine simultane Generierung entscheidungsrelevanter Faktoren in allen drei Perspektiven bisher in der Regel nur sporadisch und diskontinuierlich. Der perspektivenübergreifende Informationsbereitstellungsprozess ist damit noch kein fester, bewusster Bestandteil eines Management Information Systems.“ M.S.: „Wäre aber ein solches multiperspektivisches Steuerungsinstrumentarium für die Entscheidungsunterstützung nicht sehr sinnvoll und transparenzfördernd?“
ANHANG
221
J.G.: „Im idealtypischen Zustand ja, aber nur bei unternehmensübergreifender, zentraler Koordination. Als Voraussetzung bedeutet dies, dass aus der Geschäftspolitik, aus dem Führungsverständnis heraus der Wille zur Transparenz gegeben sein muss, da sonst die Einführung eines solchen Tools zum Scheitern verurteilt ist. In der Konsequenz müssen dann simultan sowohl Anforderungen aus dem Prozessmanagement als auch aus den verschiedenen Controllingeinheiten berücksichtigt und aufeinander abgestimmt werden.“ M.S.: „Halten Sie die Umsetzung eines multiperspektivischen Controllinginstrumentariums, das sowohl Kennzahlen in der Primär- als auch in den Sekundärstrukturen erhebt, technisch für realisierbar?“ J.G.: „Grundsätzlich gesehen, ja. Hemmungsfaktoren waren bisher die komplexen, intransparenten Ursache-Wirkungs-Ketten, die den Leistungsoutput generieren, und die inhomogene Datenbasis. Durch Definition der Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge, Prozessbeschreibungen, ereignis- und nutzungshäufigkeitsbezogene Kanal- und Produktspezifikationen und ähnliche Ansätze können die konzeptionellen Schwächen beseitigt werden. It-technisch gibt es heute z.B. EAI-Lösungen, die die Integration und Auswertung unterschiedlicher IT-Systeme über eine Oberfläche erlauben. Allerdings gilt hierbei, dass die Qualität der so gewonnenen Informationen nur so gut sein kann wie die Art und Güte der in den Altsystemen definierten Kennzahlen. Damit ergibt sich im Zweifelsfall ein hoher Anpassungsaufwand der Altsysteme bzw. ein hoher Entwicklungsaufwand für Neusysteme, wenn die Altsysteme abgelöst werden sollen. Hier sind wir dann bei der Kostenfrage, d.h. es muss im Rahmen einer KostenNutzen-Analyse vorab geklärt werden, ob die entstehenden Aufwände in einem wirtschaftlichen Verhältnis zum generierten Nutzen stehen. Wenn ja, muss darüber hinaus noch sichergestellt werden, dass die Entwicklung der notwendigen IT-Landschaft zur Erzeugung der gewünschten Informationen genügend schnell vonstatten geht, so dass das System im Zeitpunkt der Implementierung nicht schon bereits veraltet ist.“ M.S.: „Vielen Dank für das Gespräch.“
________________________________________________________________
222
ANHANG
Hiermit erkläre ich mich damit einverstanden, dass das mit mir geführte Experteninterview im Rahmen der Dissertation von Frau Manuela Schäfer verwendet und veröffentlicht werden darf.
Dipl.-Kfm. J. Gödecke Frankfurt, 15.11.2002
LITERATURVERZEICHNIS
223
Literaturverzeichnis Bea, F.X.; Göbel, E. [Organisation, 1999]: „Organisation; Theorie und Gestaltung“; Stuttgart 1999 Bellmann, K.B. [Arbeitsteilung, 1989]: „Kostenoptimale Arbeitsteilung im Büro: Der Einfluß neuer Informations- und Kommunikationstechnik auf Organisation und Kosten der Büroarbeit“; München 1989 Bernhard, M. G. [Grundprinzipien, 2001]: „Ein Überblick. Grundprinzipien der Balanced Scorecard“; Beispielkapitel aus Bernhard, M. G.; Hoffschröer, S.: „Balanced Scorecard. Strategien umsetzen, Prozesse steuern, Kennzahlensysteme entwickeln“; URL: http://www.symposion.de/bsc/bsc_03.htm, 2001 Berning, R. [Prozessmanagement, 2002]: „Prozessmanagement und Logistik. Gestaltung der Wertschöpfung“; Berlin 2002 Bleymüller, J.; Gehlert, G.; Gülicher, H. [Statistik, 2000]: „Statistik für Wirtschaftswissenschaftler“; 12. Auflage, München 2000 Camp, F.v. [Channel conflicts, 2001]: “Online and onland? Channel conflicts and how to avoid them”; Arthur D. Little, http://www.adlittle.com, 2001 Child, J. [Organizational Structure, 1972]: “Organizational structure, environment and performance: the role of strategic choice”; in: Sociology 6/1972, S. 1 – 22 Daft, R.L.; Steers, R.M. [Organizations, 1986]: “Organizations – A Micro/Macro Approach”; Glenview 1986 Daft, R.L.; Weick, K.E. [Model of Organizations, 1984]: „Towards a Model of Organizations as Interpretation Systems”; in: Academy of Management Review 2/1984, S. 284 – 295.
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Band
2: Barbara Weber: Haushaltsberatung als Bankdienstleistung; 1986 (vergriffen).
Band
3: Franz-J. Sartor: Der Auslandseinsatz von Stammhauspersonal bei international tätigen Banken; 1986 (vergriffen).
Band
4: Christine Obersteller: Das Finanz- und Banksystem der Volksrepublik China; 1987 (vergriffen).
Band
5: Markus Stahl: Struktur und Effizienz des US-Marktes für High-Yielding and LowerRated Bonds; 1988 (vergriffen).
Band
6: Karl-Heinz Glandorf: Marktanteilsermittlung bei Bausparkassen; 1989 (vergriffen).
Band
7: Stefan Popp: Absatzwege für Bankdienstleistungen; 1990 (vergriffen).
Band
8: Walter Thanner: Die Analyse der Kontokorrentverbindung als Instrument zur Risikofrüherkennung im Firmenkundengeschäft der Banken; 1991 (vergriffen).
Band
9: Thomas M. Bretzger: Die Anwendung statistischer Verfahren zur Risikofrüherkennung bei Dispositionskrediten; 1991(vergriffen).
Band
10: Johann Heinrich von Stein (Hrsg.): Regionale Finanzplätze in Europa – Erfahrungen und Perspektiven (Symposiumsbericht); 1991.
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11: Johann Heinrich von Stein: Finanzplatz Baden-Württemberg; 1991.
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12: Axel Tibor Kümmel: Bewertung von Kreditinstituten nach dem Shareholder Value Ansatz, 1994; 2. Aufl.; 1995.
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13: Petra Schmidt: Insider Trading. Maßnahmen zur Vermeidung bei US-Banken; 1995.
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14: Alexander Grupp: Börseneintritt und Börsenaustritt. Individuelle und institutionelle Interessen; 1995.
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15: Heinrich Kerstien: Budgetierung in Kreditinstituten. Operative Ergebnisplanung auf der Basis entscheidungsorientierter Kalkulationsverfahren; 1995.
Band
16: Ulrich Gärtner: Die Kalkulation des Zinspositionserfolgs in Kreditinstituten; 1996.
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17: Ute Münstermann: Märkte für Risikokapital im Spannungsfeld von Organisationsfreiheit und Staatsaufsicht; 1996.
Band
18: Ulrike Müller: Going Public im Geschäftsfeld der Banken. Marktbetrachtungen, bankbezogene Anforderungen und Erfolgswirkungen; 1997.
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23: Elke Ebert: Startfinanzierung durch Kreditinstitute. Situationsanalyse und Lösungsansätze; 1998.
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24: Heinz O. Steinhübel: Die private Computerbörse für mittelständische Unternehmen. Ökonomische Notwendigkeit und rechtliche Zulässigkeit; 1998.
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25: Reiner Dietrich: Integrierte Kreditprüfung. Die Integration der computergestützten Kreditprüfung in die Gesamtbanksteuerung; 1998.
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28: Armin Lindtner: Asset Backed Securities – Ein Cash flow-Modell; 2001.
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30: Patrik Pohl: Risikobasierte Kaptialanforderungen als Instrument einer marktorientierten Bankenaufsicht – unter besonderer Berücksichtigung der bankaufsichtlichen Behandlung des Kreditrisikos; 2001.
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31: Joh. Heinr. von Stein/Friedrich Trautwein: Ausbildungscontrolling an Universitäten. Grundlagen, Implementierung und Perspektiven; 2002.
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32: Gaby Kienzler, Christiane Winz: Ausbildungsqualität bei Bankkaufleuten – aus der Sicht von Auszubildenden und Ausbildern, 2002.
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33: Joh. Heinr. von Stein, Holger G. Köckritz, Friedrich Trautwein (Hrsg.): E-Banking im Privatkundengeschäft. Eine Analyse strategischer Handlungsfelder, 2002.
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35: Sven A. Röckle: Schadensdatenbanken als Instrument zur Quantifizierung von Operational Risk in Kreditinstituten, 2002.
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38: Wigbert Böhm: Investor Relations der Emittenten von Unternehmensanleihen: Notwendigkeit, Nutzen und Konzeption einer gläubigerorientierten Informationspolitik, 2004.
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