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German Pages 245 [248] Year 2010
Praxis der Unternehmenssteuerung von
Prof. Dr. Günter Ebert Universität Bamberg
OldenbourgVerlag München
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
© 2011 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Dr. Jürgen Schechler Herstellung: Anna Grosser Coverentwurf: Kochan & Partner, München Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer“ GmbH, Bad Langensalza ISBN 978-3-486-59039-5 eISBN 978-3-486-70846-2
Vorwort Eine mehr als dreißigjährige Auseinandersetzung in Theorie und Praxis rechtfertigen es, einen Überblick über den aktuellen Erkenntnisstand der Steuerung von Organisationen aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht zu geben. Eine Analyse der Dogmengeschichte zeigt, dass sowohl aus volkswirtschaftlicher wie auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht die Frage nach der erfolgreichen Gestaltung und Steuerung gesamtwirtschaftlicher wie einzelwirtschaftlicher Institutionen zentrale Bedeutung zugemessen wurde, die zeithistorisch unterschiedliche Lösungen hervorbrachten. Die vorliegende Veröffentlichung unternimmt den Versuch, auf der Grundlage einer historischen Herleitung der aktuellen Gestaltungsanforderungen insbesondere an Unternehmen, die derzeit gültigen Steuerungsmaximen darzustellen und zu begründen. Hierbei wird deutlich, dass sich drei eigenständige, klar gegeneinander abgrenzbare Steuerungsansätze in Form des Controlling, Developing und Treasuring herausgebildet haben. Ihre Differenzierung zeigt sich in der unterschiedlichen Zielsetzung einer Lern-, Entwicklungs- und Wertorientierung. Sie stehen jedoch nicht isoliert nebeneinander sondern bilden vielmehr durch ihre gegenseitige Integration einen systemisch-ganzheitlichen Steuerungsansatz. Die Thematik wird in drei Teilen dargestellt. Der erste Teil befasst sich mit der dogmengeschichtlichen Herleitung der derzeitigen Gestaltungs- und Steuerungsnormen sowie des systemischen Führungsansatzes. Der zweite Teil beschreibt die Fundierung der Steuerungsmaximen und ihrer jeweils spezifischen Führungshandlungen auf der Basis neuer Führungskulturen und ihrer Verknüpfung zu spezifischen Steuerungsprozessen. Der dritte Teil stellt eine Auswahl wesentlicher Instrumente und Systeme zur Umsetzung der Unternehmenssteuerung dar. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Volker Steinhübel für grundlegende Anregungen und Diskussionen sowie Frau Diplom-Wirtschaftsjuristin Kathrin Distel (MBA) und Frau Diplom-Betriebswirtin Silke Lutz für die intensive Zusammenstellung und Formulierung der Texte und Grafiken. Nürtingen, den 01.09.2010 Prof. Dr. Günter Ebert
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ...................................................................................................... XI Erster Teil: Wesen und Entwicklung der Unternehmenssteuerung................................1 1. Kapitel: Historische Entwicklung ...................................................................................2 A. Gesamtwirtschaftliche Gestaltungs- und Steuerungsproblematik .................................2 B. Einzelwirtschaftliche Gestaltungs- und Steuerungsproblematik ...................................5 C. Bedeutung des Wettbewerbs für die Gestaltung und Steuerung von Unternehmen ....14 2. Kapitel: Aktuelles Leadership .......................................................................................20 A. Führungsmaximen ......................................................................................................20 I. Gestaltungsmaximen ..............................................................................................21 II. Steuerungsmaximen ...............................................................................................23 B. Führungssphären .........................................................................................................26 C. Führungshandlungen ...................................................................................................28 D. Führungsdimensionen .................................................................................................30 I. Normative Dimension............................................................................................32 II. Strategische Dimension.........................................................................................36 III. Operative Dimension ............................................................................................38 IV. Systemisch-ganzheitlicher Führungsansatz...........................................................42 3. Kapitel: Steuerungsgrößen ............................................................................................46 A. Normative Steuerungsgrößen......................................................................................46 I. Definition der normativen Steuerungsgrößen ........................................................46 II. Erfassung der normativen Steuerungsgrößen ........................................................47 III. Darstellung der normativen Steuerungsgrößen .....................................................49 B. Strategische Steuerungsgrößen....................................................................................50 I. Definition der strategischen Steuerungsgrößen .....................................................50 II. Erfassung der strategischen Steuerungsgrößen......................................................51 III. Darstellung der strategischen Steuerungsgrößen...................................................54 C. Operative Steuerungsgrößen .......................................................................................54 I. Definition der operativen Steuerungsgrößen .........................................................54 II. Erfassung der operativen Steuerungsgrößen..........................................................55
Inhaltsverzeichnis
VII
III. Darstellung der operativen Steuerungsgrößen.......................................................58 D. Integration der Steuerungsgrößen ...............................................................................59 I. Vertikale Integration...............................................................................................60 II. Horizontale Integration...........................................................................................62 Zweiter Teil: Steuerungsmaximen ....................................................................................65 1. Kapitel: Controlling .......................................................................................................66 A. Wesen und Entwicklung des Controlling....................................................................66 I. Historische Entwicklung des Controlling ..............................................................66 II. Inhaltliche Entwicklung des Controlling ...............................................................67 III. Differenzierung des Controlling ...........................................................................69 IV. Definition des Controlling ....................................................................................77 V. Controlling als Managementfunktion und Führungskonzeption ...........................78 B. Steuerungsprozess im Controlling...............................................................................78 I. Denken in Extremen ...............................................................................................80 II. Integrierte Verknüpfung der Grundelemente..........................................................82 C. Planen..........................................................................................................................85 I. Wesen und Bedeutung des Planens.........................................................................85 II. Planungsprozess .....................................................................................................86 D. Kontrollieren...............................................................................................................89 I. Wesen und Bedeutung des Kontrollierens ..............................................................89 II. Kontrollprozess ......................................................................................................92 E. Informieren..................................................................................................................94 I. Wesen und Bedeutung des Informierens ................................................................94 II. Informationsprozess ...............................................................................................96 F. Mentaler Überbau des Controlling ..............................................................................99 G. Institutionelle Differenzierung ..................................................................................100 H. Funktionale Differenzierung .....................................................................................100 I. Marketing- und Vertriebscontrolling ...................................................................101 II. Produktionscontrolling ........................................................................................103 III. Beschaffungscontrolling .....................................................................................105 IV. Personalcontrolling .............................................................................................107
VIII
Inhaltsverzeichnis
V. Bildungscontrolling.............................................................................................109 I. Organisatorischer Aufbau und Eingliederung des Controlling ...................................110 J. Systemischer Unterbau des Controlling .....................................................................116 K. Inhaltliche Grundstruktur des Controlling ................................................................117 L. Der Controller ...........................................................................................................118 2. Kapitel: Developing ......................................................................................................119 A. Wesen und Entwicklung des Developing..................................................................119 I. Historische und inhaltliche Entwicklung des Developing ...................................119 II. Differenzierung des Developing..........................................................................120 III. Aktueller Erkenntnisstand/Definition des Developing........................................120 B. Steuerungsprozesse im Developing...........................................................................121 I. Neue Kulturen ...................................................................................................... 122 II. Integrierte Verknüpfung der Grundelemente........................................................123 C. Qualifizieren ............................................................................................................. 125 I. Wesen und Bedeutung des Qualifizierens ...........................................................125 II. Qualifikationsprozess ..........................................................................................125 III. Wirkungen des Qualifizierens.............................................................................127 D. Organisieren..............................................................................................................127 I. Wesen und Bedeutung des Organisierens ............................................................127 II. Organisationsprozess...........................................................................................130 III. Gliederung der Organisation ...............................................................................132 E. Informieren................................................................................................................133 I. Wesen und Bedeutung des Informieren .................................................................133 F. Mentaler Überbau des Developing ............................................................................134 G. Systemischer Unterbau des Developing....................................................................135 H. Inhaltliche Grundstruktur des Developing ................................................................135 I. Steuerungsperson: Developer .....................................................................................136 3. Kapitel: Treasuring ......................................................................................................137 A. Wesen und Entwicklung des Treasuring ...................................................................137 I. Historische und inhaltliche Entwicklung des Treasuring.....................................137
Inhaltsverzeichnis
IX
II. Differenzierung des Treasuring ...........................................................................138 III. Aktueller Erkenntnisstand/Definition des Treasuring .........................................138 B. Steuerungsprozesse im Treasuring ............................................................................138 I. Neue Kulturen ...................................................................................................... 139 II. Integrierte Verknüpfung der Grundelemente........................................................141 C. Ziele bilden ............................................................................................................... 142 I. Wesen und Bedeutung der Unternehmensziele....................................................142 II. Zielbildungsprozess............................................................................................. 142 III. Gliederung der Ziele ...........................................................................................143 D. Entscheiden............................................................................................................... 145 I. Wesen und Bedeutung des Entscheidens .............................................................145 II. Ablauf des Entscheidungsprozesses ....................................................................146 III. Gliederung der Entscheidungen ..........................................................................148 E. Informieren................................................................................................................149 F. Mentaler Überbau des Treasuring..............................................................................150 G. Systemischer Unterbau des Treasuring .....................................................................150 H. Inhaltliche Grundstruktur des Treasuring..................................................................151 I. Steuerungsperson: Treasurer ......................................................................................152 4. Kapitel: Systemisch-ganzheitlicher Steuerungsansatz...............................................153 Dritter Teil: Steuerungssysteme und -instrumente........................................................155 1. Advanced Planning.........................................................................................................156 2. Balanced Scorecard ........................................................................................................158 3. Benchmarking.................................................................................................................162 4. Berichtswesen.................................................................................................................166 5. Beyond Budgeting ..........................................................................................................168 6. Corporate Identity...........................................................................................................168 7. Früherkennungssysteme .................................................................................................171 8. GAP-Analyse..................................................................................................................174 9. Informationssysteme.......................................................................................................176 10. Integrierte Unternehmensgesamtplanung .....................................................................178
X
Inhaltsverzeichnis
11. Kennzahlen ...................................................................................................................186 12. Kennzahlensysteme ......................................................................................................188 13. Kostenrechnung ............................................................................................................190 14. Planungsverfahren und -techniken................................................................................196 15. Polaritätenprofil............................................................................................................196 16. Portfolio-Konzeption ....................................................................................................197 17. Potenzialanalyse ...........................................................................................................204 18. Prozesskostenrechnung.................................................................................................205 19. Shareholder-Value Ansatz ............................................................................................208 20. Strategisches Rechnungswesen.....................................................................................210 21. SWOT-Analyse ............................................................................................................213 22. Szenario-Technik..........................................................................................................215 23. Target Costing ..............................................................................................................218 24. Wettbewerbsanalyse .....................................................................................................222 25. Wissensbilanz ...............................................................................................................223 26. Zeitreihenanalyse..........................................................................................................225 27. Zero Base Planning.......................................................................................................226 Literatur ............................................................................................................................227
Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Phasen der Volkswirtschaftslehre
5
Abb. 2: Allgemeine Merkmale eines Systems
7
Abb. 3: Spezielle Merkmale des Systems Betrieb
9
Abb. 4: Regelsystem (Regelkreis)
10
Abb. 5: Phasen der Betriebswirtschaftslehre
13
Abb. 6: Strukturen und Entwicklungstendenzen variierender Wettbewerbskonstellationen 15 Abb. 7: Elemente der Verhaltensänderung
16
Abb. 8: Partnerschaftliches Beziehungsverhältnisse zwischen Betrieb und Kunde
19
Abb. 9: Systemisch-ganzheitliche Unternehmensgestaltung
23
Abb. 10: Systemisch-ganzheitliche Unternehmenssteuerung
25
Abb. 11: Systemisch-ganzheitliche Unternehmensgestaltung und –steuerung
26
Abb. 12: Führungssphären
28
Abb. 13: Führungskreis
29
Abb. 14: Normative Dimension
35
Abb. 15: Strategische Dimension
37
Abb. 16: Operative Dimension
39
Abb. 17: Normative, strategische und operative Dimension im Vergleich
40
Abb. 18: Integration der Führungsdimensionen
41
Abb. 19: House of Leadershipifc
43
Abb. 20: Erfolgreicher Umgang mit Komplexität
45
Abb. 21: Beziehungsverhältnisse der normativen Begriffspaare
48
Abb. 22: Normative Steuerungsgrößen
49
Abb. 23: Überblick/Struktur einer normativen Steuerungsrechnung
50
Abb. 24: Beziehungsverhältnisse der strategischen Begriffspaare
52
Abb. 25: Strategische Steuerungsgrößen
53
Abb. 26: Überblick/Struktur einer strategischen Steuerungsrechnung
54
Abb. 27: Beziehungsverhältnisse der operativen Begriffspaare
57
Abb. 28: Operative Steuerungsgrößen
58
Abb. 29: Überblick/Struktur einer operativen Steuerungsrechnung
59
Abb. 30: Beziehungsverhältnis Postulate/Potenziale/Erfolg
60
XII
Abbildungsverzeichnis
Abb. 31: Abgrenzung der Begriffe
61
Abb. 32: Intradimensionale Integration der Begriffe und Steuerungsgrößen
62
Abb. 33: Vertikale und horizontale Integration zwischen den Begriffen und Steuerungsgrößen
63
Abb. 34: Zusammenhang zwischen einer normativen, strategischen und operativen Steuerungsrechnung
64
Abb. 35: Inhaltliche Entwicklung des Controlling
68
Abb. 36: Orientierungsphase des Controlling
68
Abb. 37: Operativer Controllingprozess
70
Abb. 38: Strategischer Controllingprozess
70
Abb. 39: Strategien und Schnittstellen im Controlling
71
Abb. 40: Kernkompetenz-Markt-Portfolio
73
Abb. 41: Kernkompetenz-Produkt-Matrix der Unternehmung Canon
74
Abb. 42: Orientierung im strategischen Controlling
75
Abb. 43: Controlling – Kernprozess
76
Abb. 44: Zeitliche Dimension
77
Abb. 45: Führungshandlung Controlling
79
Abb. 46: Denkspektren im Controlling
81
Abb. 47: Controlling als ganzheitlicher Lernprozess
84
Abb. 48: Planungsprozess
89
Abb. 49: Kontrollprozess
94
Abb. 50: Kommunikationsnetze
98
Abb. 51: Informationsprozess
99
Abb. 52: Mentaler Überbau des Controlling
100
Abb. 53: Aufbau der Marketing- und Vertriebsplanung
102
Abb. 54: Strukturierte Gleichzeitigkeit der Controllinghandlungen im Bildungspropzess 110 Abb. 55: Umfassender organisatorischer Aufbau des Controlling
111
Abb. 56: Organisatorische Eingliederung des Controlling
113
Abb. 57: Organisatorische Einordnung des Controlling im Mittelstand
114
Abb. 58: Organisatorische Einordnung des Controlling im differenzierten mittelständischen Unternehmen
115
Abb. 59: Systemischer Unterbau
116
Abbildungsverzeichnis
XIII
Abb. 60: Inhaltliche Grundstruktur des Controlling
117
Abb. 61: Developing als Führungshandlung
121
Abb. 62: Denken in Extremen im Developing
123
Abb. 63: Gestaltung von permanenten Entwicklungsprozessen im Developing
124
Abb. 64: Qualifikationsprozess
127
Abb. 65: Phasen des Organisationsprozesses
131
Abb. 66: Organisationsarten
133
Abb. 67: Mentaler Überbau des Developing
134
Abb. 68: Systemischer Unterbau
135
Abb. 69: Leitmaxime Developing
136
Abb. 70: Führungshandlung Treasuring
139
Abb. 71: Denken in Extremen Treasuring
140
Abb. 72: Integrierte Verknüpfung der Grundelemente im Treasuring
141
Abb. 73: Phasen des Zielbildungsprozesses
143
Abb. 74: Gliederung der Ziele
144
Abb. 75: Informationssituationen
147
Abb. 76: Phasen des Entscheidungsprozesses
148
Abb. 77: Entscheidungsarten
149
Abb. 78: Mentaler Überbau des Treasuring
150
Abb. 79: Systemischer Unterbau
150
Abb. 80: Leitmaxime zur effizienten Lenkung im Treasuring
151
Abb. 81: Verknüpfung der Führungshandlungen Controlling, Developing, Treasuring
153
Abb. 82: Advanced Planning
157
Abb. 83: Grundstruktur einer Balanced Scorecard
158
Abb. 84: Beispielhafte BSC
160
Abb. 85: Kausalitäten in einer BSC
161
Abb. 86: Balanced Scorecard– Steuerungsprozess
162
Abb. 87: Vorgehensweise des Benchmarking
163
Abb. 88: Benchmarking-Struktur
164
Abb. 89: Benchmarking-Prozess
165
Abb. 90: Benchmarking-Verhaltenskodex
165
XIV
Abbildungsverzeichnis
Abb. 91: Inhalte und Orientierung des Berichtswesens
167
Abb. 92: Corporate Identity und Corporate Image
171
Abb. 93: Funktionsweise von Früherkennungssystemen
173
Abb. 94: Zwei-Kurven-Modell: klassische Form der GAP-Analyse
175
Abb. 95: Drei-Kurven-Modell mit Ziel-, Plan- und Ist-Prognosekurve
176
Abb. 96: Informationssystemstruktur in Unternehmen
178
Abb. 97: Struktur einer operativen Integrierten Unternehmensgesamtplanung
180
Abb. 98: Finanzplan
183
Abb. 99: Integrationsmethoden bei der Unternehmensplanung
185
Abb. 100: Klassifizierung von Kennzahlen
187
Abb. 101: Kennzahlensysteme
189
Abb. 102: Kontrollfähigkeit und Entscheidungshilfen
191
Abb. 103: Kostenrechnungssystem
195
Abb. 104: Polaritätenprofil für das Potenzial Führungskompetenz
197
Abb. 105: Lebenszykluskurve
199
Abb. 106: Kostenerfahrungskurve
200
Abb. 107: Vier-Felder-Portfolio
201
Abb. 108: Handlungsempfehlungen
203
Abb. 109: Prozessorientierte Kostenstellenrechnung
207
Abb. 110: Ermittlung des Unternehmenswertes nach der DFCF-Methode
208
Abb. 111: Bestandteile des Free Cashflow
209
Abb. 112: SWOT-Analyse eines europäischen Verteidigungsunternehmens
214
Abb. 113: Szenario-Trichter
217
Abb. 114: Der Target Costing Prozess im Gesamtüberblick
219
Abb. 115: Operative Sollhierarchie
221
Abb. 116: Wettbewerbsanalyse
223
Erster Teil: Wesen und Entwicklung der Unternehmenssteuerung
1. Kapitel: Historische Entwicklung Eine Analyse der wirtschaftswissenschaftlichen Dogmengeschichte zeigt, dass die Gestaltung und Steuerung von Volks- und Betriebswirtschaften grundlegende konstitutive Phänomene darstellen. Im theoretischen wie im praktischen Sprachgebrauch haben sich für diese fundamentale Differenzierung zugleich die synonymen Begriffspaare „Aufbau“ und „Ablauf“ bzw. „Struktur“ und „Prozess“ herausgebildet. Im Zeitablauf wurden hierzu immer wieder neue, der gesellschaftlichen Entwicklung angemessene, theoretische Lösungen entwickelt, die sich dann in der Praxis bewähren mussten.
A. Gesamtwirtschaftliche Gestaltungs- und Steuerungsproblematik Als Ausgangspunkt wissenschaftlicher Untersuchungen über nationale Ökonomien werden die Erkenntnisse des französischen Arztes François Quesnay (1694–1774)1 über die Existenz eines Wirtschaftskreislaufs angesehen. Als wesentliche Elemente gelten dabei die jeweils handelnden Wirtschaftssubjekte sowie das zwischen ihnen bestehende Beziehungsgeflecht. Damit wurde erstmals die Struktur bzw. der Aufbau einer Volkswirtschaft umfassend dargestellt. Das Instrument Wirtschaftskreislauf wird bis heute benutzt, um die wesensbestimmenden Aspekte der Gestaltung einer Volkswirtschaft darzustellen. Mit der realen Entwicklung der Volkswirtschaften innerhalb der aufkommenden Nationalstaaten wuchs die Erkenntnis, dass neben ihrer Gestaltung auch Vorstellungen bezüglich der prozessualen Abwicklung erforderlich sind. Es handelt sich dabei um die Regeln, nach denen die Tauschvorgänge zwischen den einzelnen Wirtschaftssubjekten erfolgen sollen. Dazu wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts von dem englischen Sozialphilosophen Adam Smith (1723–1790)2 eine erste, umfassende Wirtschaftsordnung geschaffen. Diese beschreibt den Ablauf der ökonomischen Konflikte innerhalb spezifischer Rahmenbedingungen. Als Grundelemente müssen das Steuerungsprinzip bestimmt, die Funktion bzw. Einflussnahme des Staates festgelegt sowie die Verfügung über die Produktionsmittel geregelt werden. Das Instrument Wirtschaftsordnung wird bis heute benutzt, um die wesensbestimmenden Aspekte der Steuerung einer Volkswirtschaft darzustellen. Historisch haben sich die jeweils zeitbezogenen Erkenntnisse der Nationalökonomie bzw. der Volkswirtschaftslehre hinsichtlich der Gestaltung und Steuerung von Volkswirtschaften in den nachfolgenden Phasen entwickelt. Die erste Phase wurde durch die Erkenntnisse von Quesnay und Smith geprägt. Der Wirtschaftskreislauf nach Quesnay basiert auf den Wirtschaftssubjekten Adel, Bauern, Handel/Handwerk und Landarbeiter. Ihre gegenseitige Abhängigkeit bestand in der Bereitschaft des Adels, an die Bauern Ackerland zur Bearbeitung abzutreten, wodurch diese zum wichtigsten produktiven Stand im Sinne der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung wurden. Han1 2
Quesnay, François, Tableau économique/Maximes générales du Gouvernement économique d’un royaume agricole, 1758 Smith, Adam, An inquiry into the Nature and causes of the Wealth of Nations, 1776
A. Gesamtwirtschaftliche Gestaltungs- und Steuerungsproblematik
3
del und Handwerk beschränkten sich im Wesentlichen auf die eher unproduktive Verwertung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und die größte Beschäftigungsgruppe, die Landarbeiter, übernahm bezüglich der Bauern eine Unterstützungsfunktion. Die von Smith entwickelte Wirtschaftsordnung, die Freie Marktwirtschaft, basiert auf dem dezentralen Steuerungsinstrument des polypolistischen Wettbewerbs mit den beiden Rahmenbedingungen eines weitgehenden Verzichts auf staatliche Eingriffe und dem Privateigentum an den Produktionsmitteln. Die konsequente Anwendung des durch Quesnay und Smith geschaffenen Wissens war mitentscheidend für die industrielle Revolution, in deren Folge sich ehemals agrarische Volkswirtschaften zu Industrienationen wandelten. Die zweite Phase wurde durch Karl Marx (1818–1883)3, Philosoph und Nationalökonom, dominiert. Er stellte sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts die berechtigte Frage, inwieweit die vorliegenden Kreislauf- und Ordnungserkenntnisse noch mit der realen Situation übereinstimmten bzw. geeignet waren, die veränderten gesellschaftlichen Bedingungen erfolgreich zu bewältigen. Bezüglich des Wirtschaftskreislaufs erkannte er, dass nunmehr nur noch zwei Wirtschaftssubjekte, die Kapitalisten und die Proletarier von Bedeutung waren. Ihr Beziehungsverhältnis bestand in einer total einseitigen Abhängigkeit des Proletariats vom Kapital. Aufgrund der veränderten Gestaltungsbedingungen forderte Marx auch eine grundlegend neue Wirtschaftsordnung. Die von ihm entwickelte Zentralverwaltungswirtschaft basiert auf dem zentralen Steuerungsinstrument des gesamtwirtschaftlichen Planprinzips mit den Rahmenbedingungen umfassender staatlicher Eingriffe sowie dem Gesellschaftseigentum an den Produktionsmitteln. Mit den von Marx entwickelten Vorstellungen entstand bezüglich der Steuerung von Volkswirtschaften eine Alternative zur Freien Marktwirtschaft, die zu einer bis in die jüngste Zeit anhaltenden ökonomischen und auch politischen Teilung der Welt führte. Diejenigen Volkswirtschaften, die sich weiterhin nach der Freien Marktwirtschaft orientierten, der „Kapitalistische Westen“, scheiterten in der Weltwirtschaftskrise (1929/30). Bei gegebener ökonomischer Leistungsfähigkeit waren es die inakzeptablen sozialen Probleme, die letztlich das Ende des Kapitalismus herbeiführten. Volkswirtschaften, welche die Ordnungsvorstellungen von Marx übernahmen, der „Sozialistische Osten“, erlebten in den 1990er Jahren des letzten Jahrhunderts ihren Zusammenbruch. Bei gegebener sozialer Leistungsfähigkeit waren es die inakzeptablen ökonomischen Probleme, die das Ende des Sozialismus herbeiführten. Die dritte Phase wurde durch den englischen Nationalökonomen John Maynard Keynes (1883–1946)4 begründet. Wiederum unter Rückgriff auf die beiden elementaren Tatbestände volkswirtschaftlicher Erkenntnisse, den Wirtschaftskreislauf und die Wirtschaftsordnung, ist es ihm gelungen, das grundlegende Wissen zu schaffen, auf dem derzeit fast alle Volkswirtschaften der Welt basieren.
3 4
Marx, Karl, Zur Kritik der politischen Ökonomie, 1859, Das Kapital, 1867 Keynes, John Maynard, The General Theory of Employment, Interest and Money, 1936
4
1. Kapitel: Historische Entwicklung
Der Wirtschaftskreislauf nach Keynes differenziert zwischen den fünf Wirtschaftssubjekten Unternehmen, Haushalte, Banken, Staat und Ausland. Die vielfältigen Beziehungsverhältnisse werden durch die Gleichung Y = C + I/S + St + A ausgedrückt.5 Als Ansatz für eine leistungsfähige Wirtschaftsordnung postuliert Keynes die „Gelenkte Marktwirtschaft“. Sie beruht auf dem dezentralen Steuerungsinstrument eines oligopolistischen Wettbewerbs mit den Rahmenbedingungen der Schaffung und Kontrolle von gesamtwirtschaftlichen Regelungen durch den Staat als „Schiedsrichter“ sowie dem Privateigentum an den Produktionsmitteln. Als deutsche Variante einer gelenkten Marktwirtschaft wurde 1949 die von Walter Eucken entwickelte und von Ludwig Erhard politisch vertretene Soziale Marktwirtschaft eingeführt. Aus der komprimierten Darstellung der wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Aufbau und Ablauf von Volkswirtschaften wird die grundlegende Bedeutung und die gegenseitige Abhängigkeit zwischen den Aufgabenstellungen der Gestaltung und Steuerung erkennbar.
5
Das Ergebnis aller Aktivitäten in einer Volkswirtschaft wird jährlich in Form des Bruttosozialprodukts erfasst. Neben dem Gesamtwert aller Güter und Dienstleistungen (Y) wird außerdem die Verwendung durch die einzelnen Wirtschaftssubjekte festgehalten. So geht der größte Teil in den Konsum (C), die restlichen Teile sind Ersparnisse (S) bzw. Investitionen (I), Staatsausgaben bzw. -einnahmen (St) sowie Exporte in das bzw. Importe aus dem Ausland (A).
B. Einzelwirtschaftliche Gestaltungs- und Steuerungsproblematik
5
Volkswirtschaftslehre (Nationalökonomie) Gestaltung durch Wirtschaftskreislauf 1. Phase
2. Phase
3. Phase
Steuerung durch Wirtschaftsordnung
Quesnay (1694–1774)
Smith (1723–1790): Freie Marktwirtschaft
• Wirtschaftssubjekte: Adel, Bauern, Handel/ Handwerk, Landarbeiter • Beziehungsgeflecht: Abhängigkeit der Bauern vom Adel sowie Handel/Handwerk und Landarbeiter von den Bauern
• Steuerungsprinzip: polypolistisches Wettbewerbsprinzip • Rahmenbedingungen: ohne staatliche Eingriffe; Privateigentum an Produktionsmitteln
Marx (1818–1883)
Marx: Zentralverwaltungswirtschaft
• Wirtschaftssubjekte: Kapitalisten, Proletarier • Beziehungsgeflecht: Abhängigkeit des Proletariats von den Kapitalisten
• Steuerungsprinzip: gesamtwirtschaftliches Planprinzip • Rahmenbedingungen: mit staatlichen Eingriffen; Gesellschaftseigentum
Keynes (1883–1946)
Keynes: Gelenkte Marktwirtschaft
• Wirtschaftssubjekte: Haushalte, Unternehmen, Banken, Staat, Ausland • Beziehungsgeflecht: Y = C + I/S + St + A
• Steuerungsprinzip: oligopolistisches Wettbewerbsprinzip • Rahmenbedingungen: Staat als Schiedsrichter; vielfältige Eigentumsform an Produktionsmitteln
Abb. 1: Phasen der Volkswirtschaftslehre
B. Einzelwirtschaftliche Gestaltungs- und Steuerungsproblematik Auch die bisherige Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre lässt sich in drei Phasen darstellen. Die jeweilige Abgrenzung basiert im Wesentlichen auf einer jeweils neuen Definition des Betrachtungsgegenstands bzw. Erkenntnisobjekts der Betriebswirtschaft, also des Betriebs bzw. der Unternehmung. Eine vergleichsweise eindeutige Trennung zwischen der Fragestellung nach der Gestaltung und nach der Steuerung, wie dies in der Volkswirtschafts-
6
1. Kapitel: Historische Entwicklung
lehre aufgezeigt wurde, lässt sich in der Betriebswirtschaftslehre erst in jüngerer Zeit erkennen. Die erste Phase, die funktionenorientierte Betriebswirtschaftslehre, beginnt Anfang des 20. Jahrhunderts. Betrachtungsgegenstand ist die Betriebswirtschaft mit ihren beiden Teilaspekten Unternehmung und Betrieb. Dabei beschreibt die Unternehmung die rechtlichfinanzielle Seite, der Betrieb die organisatorisch-technische Seite der Betriebswirtschaft welche die übergeordnete Einheit darstellt. Dieser Erkenntnis verdankt die Wissenschaft von der Betriebswirtschaft den Namen Betriebswirtschaftslehre. Als grundlegende Leistung der ersten Phase kann die Aufdeckung der betrieblichen Funktionsbereiche bezeichnet werden. Es handelt sich dabei um die drei Elementarfunktionen Beschaffung, Produktion und Absatz sowie um die Querfunktion Verwaltung, die als Dienstleistungsfunktion die drei Grundfunktionen überlagert. Durch den Nachweis von vier grundlegenden, eindeutig gegeneinander abgrenzbaren Arbeitsfeldern als konstitutive Elemente wird die dominante Orientierung auf die Gestaltung der Betriebswirtschaft gelegt. Die hierzu gewonnen Erkenntnisse sind v.a Schäfer zuzurechnen. Es wurden in dieser Zeit jedoch auch erste Einsichten bezüglich des Rechnungswesens gewonnenen. Dabei handelt es sich um die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung als Teile des externen sowie eine Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung als Elemente eines internen Rechnungswesens. Diese Ansätze können als Einstieg in eine betriebswirtschaftliche Steuerung verstanden werden und sind v.a. auf Eugen Schmalenbach (1873–1955)6 zurückzuführen. Die zweite Phase, die faktorenorientierte Betriebswirtschaftslehre beginnt nach dem Zweiten Weltkrieg und wurde maßgeblich durch Erich Gutenberg (1897–1984)7 geprägt. Ihm ist es gelungen, neben dem weiterhin akzeptierten funktionalen Ansatz einen zweiten, eigenständigen Weg zur Durchdringung und Erklärung des betrieblichen Geschehens zu entwickeln. Ausgangspunkt seiner Überlegungen war die Ablösung der bisherigen Vorstellung bezüglich des betriebswirtschaftlichen Erkenntnisobjekts. Gutenberg ersetzt den Begriff der Betriebswirtschaft durch den Begriff Betrieb und definiert diesen als den Ort der Kombination von Produktionsfaktoren. Die Unternehmung begreift er dabei als eine spezifische betriebliche Erscheinungsform mit den besonderen Merkmalen des Gewinnstrebens, des Autonomieprinzips sowie des Eigentums an den Produktionsmitteln. Daneben existieren als weitere Betriebstypen z. B. öffentliche und genossenschaftliche Betriebe.8 Zur Fundierung seiner Definition des Betriebs entwickelte Gutenberg ein betriebswirtschaftliches Faktorensystem, welches auf den drei Elementarfaktoren ausführende Arbeit als Fach- und Sacharbeit, Werkstoffe und Betriebsmittel sowie auf dem dispositiven Faktor als Unternehmensführung beruht und den Leistungserstellungs- und -verwertungsprozess erklärbar macht.
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8
Schmalenbach, E., Dynamische Bilanz, 1. Aufl., 1919, Selbstkostenrechnung und Preispolitik, 1. Aufl., 1925. Gutenberg, E., Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, I.: Die Produktion, 1951; II.: Der Absatz, 1955; III. Die Finanzen, 1969; Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, 1958; Unternehmensführung 1962. Im Weiteren gelten alle betriebswirtschaftlichen Aussagen für Betriebe nach der Definition von Gutenberg, wenngleich viele dieser Erkenntnisse im engeren Sinne für und in Unternehmen entwickelt wurden.
B. Einzelwirtschaftliche Gestaltungs- und Steuerungsproblematik
7
Mit der Teilung des Faktors Arbeit in eine ausführende und eine führende Tätigkeit hat Gutenberg erstmals nachgewiesen, dass eine bewusste Steuerung des Betriebs notwendig ist und daher als eigenständiger Faktor begriffen werden muss. Dies bedeutet, dass neben der Fach-/Sacharbeit auch Führungsarbeit unabdingbar ist, um ökonomisch optimale Abläufe zu bewirken. Zur Konkretisierung des vierten Faktors benennt er die Planung und Organisation als wesentliche Teilaufgaben. Dieser Tatbestand wurde durch die von Edmund Heinen (1919–1996)9 geforderte Erweiterung des Führungsspektrums durch das Entscheiden noch verstärkt. Mit der grundlegenden Neustrukturierung des bis dahin bekannten volkswirtschaftlichen Faktorensystems10 und der besonderen Betonung des dispositiven Faktors erfolgte eine Erweiterung der Erkenntnisse zur Gestaltung und Steuerung von Betrieben. Die dritte Phase, die systemorientierte Betriebswirtschaftslehre beginnt in den 1970er Jahren und wurde maßgeblich durch Hans Ulrich (1919-1997) geprägt11. Ausgangsbasis ist die Definition der Unternehmung als System. Unter einem System wird allgemein eine abgrenzbare Gesamtheit (Ganzheit) verstanden, die sich aus mehreren miteinander integrierten Elementen bzw. Subsystemen zusammensetzt, um in einer Wirkeinheit eigenständige Ziel- bzw. Zwecksetzungen zu realisieren (Vgl. Abb.2).
Ganzheit
allg. Merkmale
integriertes Zusammenwirken Abb. 2: Allgemeine Merkmale eines Systems Danach ist jede Unternehmung immer ein System, aber nicht jedes System eine Unternehmung. Zur konkreten Identifikation eines Systems ist daher neben den allgemeinen die Formulierung spezifischer Systemelemente erforderlich. Für das System Unternehmung sind folgende spezielle Merkmale von wesensbestimmender Bedeutung:
9 10
11
Heinen, E., Grundlagen betriebswirtschaftlicher Entscheidungen. Das Zielsystem der Unternehmung, 1966. Das von David Ricardo (1772–1823) entwickelte volkswirtschaftliche Faktorensystem umfasst die Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital und dient zur Erklärung der Entstehung und Verteilung des Sozialprodukts in einer Volkswirtschaft. Trotz unterschiedlicher Strukturierung des volksund betriebswirtschaftlichen Faktorensystems besteht dennoch eine inhaltliche Übereinstimmung. Ulrich, H.: Die Unternehmung als produktives soziales System – Grundlagen der allgemeinen Unternehmungslehre, 1968.
8
1. Kapitel: Historische Entwicklung
•
ökonomisch: die Unternehmung ist ein ökonomisches System. Sie strebt nach einer optimalen Rentabilität zum Zwecke der Einkommenserzielung der Eigentümer bzw. Gesellschafter. technisch: die Unternehmung ist ein technologisches System. Sie strebt nach optimaler Funktionalität zum Zwecke der Erzeugung von Leistungen, die zur Befriedigung von Kundenwünschen führen. sozial: die Unternehmung ist ein soziales System. Sie strebt nach optimaler Zufriedenheit der Mitarbeiter durch Schaffung von entsprechenden Arbeitsbedingungen. ökologisch: die Unternehmung ist ein ökologisches System. Sie strebt nach optimaler Umweltverträglichkeit, um zur nachhaltigen Lebensfähigkeit der Gesellschaft beizutragen. rechtlich: die Unternehmung ist ein rechtliches System. Sie strebt nach optimaler Vertragsgestaltung zur eindeutigen Identifikation in der Gesellschaft. politisch: die Unternehmung ist ein politisches System. Sie strebt nach optimalem Zusammenleben durch eine störungsfreie Integration in die Gesellschaft. offen: die Unternehmung benötigt eine zweiseitige Öffnung zur Umwelt im Sinne der Beschaffungs- und Absatzseite. Damit ist eine autarke Existenz ausgeschlossen. autonom: die Unternehmung besitzt innerhalb gegebener Rahmenbedingungen ein hohes Maß an Eigengestaltungsmöglichkeiten. dynamisch: die Unternehmung verfügt über eine eigenständige, aus sich heraus entfaltbare Entwicklungs-/Anpassungsfähigkeit im strukturellen und prozessualen Sinne. komplex: die Unternehmung ist ein System mit hoher Komplexität, die durch die Quantität der Elemente sowie durch die Qualität ihrer Verknüpfungen bedingt ist. geordnet: die Unternehmung als System zeichnet sich durch gestaltete Strukturen und Abläufe aus. künstlich: die Unternehmung kommt als solche in der Natur nicht vor. Wie alle von Menschen geschaffenen Systeme dient sie der Befriedigung von Bedürfnissen, soweit diese durch natürliche Systeme nicht oder nur unzureichend erfolgt. Als wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen natürlichen und künstlich geschaffenen Systemen ist die jeweilige Art der Steuerung zu erkennen. Von der Natur geschaffene, ökologische Systeme steuern sich selbsttätig, sie funktionieren ohne menschliches Zutun. Greift der Mensch dennoch ein, so kommt es häufig zu Störungen im Sinne der Umweltproblematik. „Die Natur braucht den Menschen nicht.“ Im Gegensatz dazu erreichen künstlich geschaffene Systeme ihre Ziel- bzw. Zwecksetzung nur durch entsprechende Mitwirkung des Menschen. Es bedarf des aktiven Eingreifens im Sinne von Bedienen, Steuern, Lenken bzw. Führen. Damit ist Ulrich der Nachweis gelungen, weshalb eine Führung des Unternehmens unabdingbar ist.12 (Vgl. Abb. 3).
•
• • • • • • • • • •
12
Durch den faktoralen Ansatz von Gutenberg wurde nachgewiesen, dass die Führung als eigenständi-
B. Einzelwirtschaftliche Gestaltungs- und Steuerungsproblematik
9
offen ökonomisch
spez. Merkmale
ökologisch komplex Abb. 3: Spezielle Merkmale des Systems Betrieb Ihre theoretische Fundierung erfährt die systemorientierte Betriebswirtschaftslehre durch die Kybernetik, als der Lehre von der Steuerung auf der Basis des Regelkreisprinzips. Die besondere Herausforderung besteht dabei in der integrierten Verknüpfung von Gestaltungseinheiten in Form einer höheren Ordnung mit autonomen Wirkungen. Die derzeit herrschende Lehrmeinung der Betriebswirtschaftslehre ermöglicht damit eine ganzheitliche Orientierung bzgl. des Aufbaus und Ablaufs von Unternehmen. Das Regelkreisprinzip, das aus der Natur abgeleitet ist, soll in analoger Anwendung die sinnvolle Gestaltung und Steuerung künstlich geschaffener Abläufe im gesellschaftlichen Bereich, vor allem in der Technik und in der Wirtschaft ermöglichen. Die wesentlichen Bestandteile eines Regelkreises sind: • • • • • •
der Regler, die Regelstrecke, die Führungsgröße, die Störgröße, die Stellgröße, die Regelgröße.
Der grundlegende Aufbau ergibt sich aus dem Zusammenwirken zwischen Regler und Regelstrecke. Der Regler ist die bestimmende Einrichtung, die Regelstrecke die zu beeinflussende Einrichtung. Die Regelstrecke kann ein Prozess oder ein Objekt sein. Die Art des Zusammenwirkens zwischen Regler und Regelstrecke wird dabei durch exogene Einflussgrößen in Form von Führungs- und Störgrößen beeinflusst. Die Führungsgröße bestimmt den anzustrebenden Sollwert. Die Störgrößen wirken vor allem auf die Regelstrecke und beeinträchtigen die Erreichung der Sollgröße. Außerdem machen sich endogene Einflussgrößen in Form der Stellgröße und der Regelgröße im Ablauf des Regelkreises bemerkbar. Die Stellgröße umfasst die Maßnahmen, die vom Regler an die Regelstrecke vorgegeben ges Phänomen verstanden werden muss. Ulrich hat in seinem systemischen Ansatz aufgezeigt, weshalb Führung ein unabdingbarer Tatbestand ist.
10
1. Kapitel: Historische Entwicklung
werden, um das Soll zu erreichen. Die Regelgröße gibt die tatsächlich erzielten Ergebnisse und somit die Istgröße wieder. In einem Vergleich zwischen Sollgröße und Istgröße stellt der Regler fest, ob eine Übereinstimmung oder eine Abweichung vorliegt. Erfolgt aufgrund einer Abweichungsanalyse eine Rückkoppelung (feed back) zwischen Regler und Regelstrecke mit der Absicht, eine Angleichung zwischen Soll- und Istgröße zu erreichen, liegt eine Regelung vor. Um die Regelstrecke dauerhaft zu optimieren, muss ein proaktiver Eingriff stattfinden. Dieser wird als Steuerung bezeichnet.13 Die Störgrößen können im betriebswirtschaftlichen Bereich erheblichen Einfluss auf die Systemabläufe haben. Es wird daher in zunehmendem Maße versucht, diese nicht als unbeeinflussbare Daten hinzunehmen, sondern Informationen über zu erwartende Störgrößen zu erarbeiten. Diese Prognosen lassen sich im Sinne einer Vorsteuerung (feed forward) bei der Formulierung der Führungsgrößen berücksichtigen (vgl. Abb. 4).
Führungsgröße
Regler Soll
Vergleich
Ist
StellRückkopplung größe Regelung
Vorkopplung Steuerung
Regelgröße
Regelstrecke Störgröße Abb. 4: Regelsystem (Regelkreis)
13
In der Betriebswirtschaftslehre werden die Begriffe Regelung und Steuerung synonym verwendet.
B. Einzelwirtschaftliche Gestaltungs- und Steuerungsproblematik
11
In einem Unternehmen findet ständig eine kaum übersehbare Vielzahl von einzelnen Regelkreisprozessen statt, die jedoch miteinander verknüpft sind. Ihre Zusammenschaltung zu größeren Einheiten wird als Vermaschung bezeichnet. Die Übernahme des Regelkreisprinzips als Erklärungsmodell für betriebliche Abläufe hat aus der Sicht der Unternehmensführung zwei Konsequenzen zur Folge. Zum einen ist dies das „Denken in Systemen“. Damit wird vereinfachend der Tatbestand beschrieben, dass die vorwiegend isolierte Behandlung von Einzeltatbeständen und deren Optimierung auf der Grundlage analytischer Erkenntnisse durch die systemische Betrachtung von Aufgabenkomplexen und deren Optimierung auf der Grundlage vernetzter Erkenntnisse in Form von Ganzheiten ergänzt und erweitert wird. Zum anderen wurde das Phasenprinzip, das auch als vereinfachter Regelkreis verstanden werden kann, entwickelt. Es basiert auf der Vorstellung, dass prinzipiell alle anspruchsvollen Arbeitsabläufe in drei Phasen erfolgen. Dies sind die Vorbereitung (Planung), die Durchführung (Realisation) und die Überprüfung (Kontrolle). Eine zusammenfassende Wertung der drei Entwicklungsphasen in der Betriebswirtschaftslehre lässt erkennen, dass beim funktionalen Ansatz die Dominanz auf die Gewinnung von Erkenntnissen zur Gestaltung und beim faktoralen Ansatz die Dominanz auf die Gewinnung von Erkenntnissen zur Steuerung von Betrieben gerichtet ist. Der systemische Ansatz leitet sich aus der Natur ab und überträgt diese Einsichten auf eine von Menschen geprägte Ordnung. Dabei werden die Vorstellungen des funktionalen und faktoralen Ansatzes im Erkenntnisobjekt „Betrieb als System“ aufgenommen und in Form der systemischen Gestaltung und Steuerung zur ganzheitlichen Unternehmensführung weiterentwickelt. Zur gleichen Zeit, in der die systemtheoretischen Erkenntnisse von Ulrich entwickelt wurden, ist es Aloys Gälweiler (1922–1984) gelungen, eine wissenschaftliche Fundierung zur Ablösung der bis dahin dominant eindimensionalen, operativen Gestaltung und Steuerung von Unternehmen durch eine zweidimensionale Betrachtung in Form einer operativ und strategischen Differenzierung zu schaffen. Als Vorstandsmitglied war Gälweiler zuständig für die gesamte Konzernplanung. Diese war zu seiner Zeit traditionell kurz-, mittel- und langfristig untergliedert. Auf der Suche nach der Sinnhaftigkeit dieser Strukturierung kam er zu der Erkenntnis, dass in allen drei Planungsarten jeweils der Unternehmenserfolg in Form des Gewinns als oberste, letzte Orientierungsgröße angestrebt wurde. Damit ist die klassische Abgrenzung der Planung durch das Kriterium Planungshorizont keine inhaltliche, sondern lediglich eine formale Unterscheidung. Gleichzeitig wird dabei unterstellt, dass der Gewinn alle drei zeitlichen Dimensionen gleichermaßen abdeckt und beinhaltet. Um dies beurteilen zu können, musste das Wesen des Gewinns näher untersucht werden. Die Volkswirtschaftslehre beschäftigte sich im 18. Jahrhundert erstmals wissenschaftlich mit dem Phänomen des Gewinns. Sie postulierte das Prinzip der Gewinnmaximierung als Hilfsmittel zur Erklärung der Bildung von Marktpreisen im Polypol. Die Betriebswirtschaftslehre entwickelte verschiedene Formen der Berechnung des Gewinns als Differenzen zwischen Aktiva und Passiva, Aufwendungen und Erträge, Kosten und Leistungen. Gutenberg konnte zudem nachweisen, dass aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht die Maximierung, sondern die Optimierung des Gewinns erstrebenswert ist. Der Gewinn wurde damit zum Postulat der originären ökonomischen Zielgröße eines Unternehmens, eine Aussage über seine substanzielle Begründung und Zusammensetzung war
12
1. Kapitel: Historische Entwicklung
damit aber nicht möglich. Gälweiler erkannte die Herausforderung, eine theoretische Erklärung hierfür zu finden. Dabei bediente er sich einer naturwissenschaftlichen Methodik, nach welcher jeweils die Entdeckung einer neuen, originären, nicht ableitbaren Einheit die bisherige diesbezügliche Größe zu einer derivativen und damit erklärbaren Einheit macht. In diesem Sinne waren die Zelle, das Molekül, das Atom, das Ion und das Quarcks jeweils zunächst originäre Größen, die in zeitlicher Abfolge, mit der Entdeckung eines kleineren Bausteins derivativen Charakter annahmen. Generell gilt, dass die Entdeckung einer neuen originären Größe grundlegend neue wissenschaftliche Erkenntnisse ermöglicht und die Gestaltungsvielfalt der derivativen Größen erweitert. Ziel musste also die Suche nach einer neuen originären Einheit im ökonomischen Bereich sein, um den Gewinn zu einer derivativen Größe zu machen. Dies hat Gälweiler mit der Entdeckung der Potenziale erreicht. Diese besitzen damit originären Charakter und machen die nunmehr derivative Größe Gewinn erklärbar. In diesem Sinne sind die Potenziale die Vorsteuergrößen des Gewinns, der seinerseits wieder zur Kontrollgröße für das Vorhandensein von Potenzialen wird. In Analogie gilt damit die Erkenntnis, dass ein Unternehmen ohne Potenziale keinen Gewinn erzielen kann. Bei vorhandenen Potenzialen hängt die Höhe des erzielten Gewinns vom Grad der Nutzung der Potenziale ab. Ein realisierter Gewinn ist ein Beleg für das Vorhandensein von Potenzialen, jedoch kein Beweis für ihre optimale Nutzung. Tritt ein Verlust ein, so lagen entweder keine Potenziale vor oder die vorhandenen wurden nicht erfolgreich genutzt. Nach Gälweiler ist damit die Beschäftigung mit dem Erkennen und Schaffen von Potenzialen als strategische, die Nutzung der Potenziale als operative Aufgabenstellung zu verstehen. Er hat damit erstmals die formalistische Strukturierung der Planung in eine kurz-, mittelund langfristige Betrachtung mit der ausschließlichen Zielgröße Gewinn durch eine inhaltliche Strukturierung in Form einer strategischen und operativen Planung mit den jeweiligen Zielgrößen Potenziale und Gewinn ersetzt. Die dargestellten dogmengeschichtlichen Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften zeigen, dass alle Ansätze der jeweils zeitspezifischen Erklärungen von Volks- und Betriebswirtschaften letztlich auf die beiden Phänomene der Gestaltung und Steuerung verdichtet werden können. Bei der aktuellen Charakterisierung der Anforderungen und Lösungen einer erfolgreichen Unternehmenssteuerung müssen als Rahmenbedingungen die Erkenntnisse von Keynes bezüglich des Wirtschaftskreislaufs und der Wirtschaftsordnung als herrschende Lehrmeinung akzeptiert werden. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist der systemische Ansatz als derzeit gültiger Erkenntnisstand zu berücksichtigen.
B. Einzelwirtschaftliche Gestaltungs- und Steuerungsproblematik
13
Betriebswirtschaftslehre 1. Phase: Funktionale BWL: Hauptvertreter
Dominanz der Gestaltung Rößle (1893–1957) Schäfer Schmalenbach (1873–1955)
Definition des Erkenntnisobjekts
Betriebswirtschaft, basierend auf der Unternehmung und den Betrieben
Realisierung der Gestaltung und Steuerung
Funktionsbereiche: Beschaffung, Produktion Absatz, Verwaltung Rechnungswesen
2. Phase: Faktorale BWL:
Dominanz der Steuerung
Hauptvertreter
Gutenberg (1897–1984)
Definition des Erkenntnisobjekts
Betrieb als Ort der Kombination der Produktionsfaktoren
Realisierung der Gestaltung und Steuerung
Betriebswirtschaftliches Faktorensystem: • ausführende Arbeit • Werkstoffe • Betriebsmittel • dispositiver Faktor
3. Phase: Systemische BWL:
Dominanz der ganzheitlichen Gestaltung und Steuerung
Hauptvertreter
Ulrich (1919–1997) Gälweiler (1922–1984)
Definition des Erkenntnisobjekts
Unternehmung als System
Realisierung der Gestaltung und Steuerung:
Regelkreisprinzip Zweidimensionalität
Abb. 5: Phasen der Betriebswirtschaftslehre
14
1. Kapitel: Historische Entwicklung
C. Bedeutung des Wettbewerbs für die Gestaltung und Steuerung von Unternehmen Das Wesen des Wettbewerbs wird besonders deutlich, wenn man ihn mit dem Monopol, also einem Zustand ohne Wettbewerb vergleicht. Die Vorteilhaftigkeit des Monopols begründet sich letztlich in einer unbegrenzten Existenzgarantie, die auf einer weitgehend einseitigen Souveränität bzw. Machtzuteilung für den Monopolisten beruht. Im Gegensatz dazu versucht der Wettbewerb einseitige Machtkonstellationen zugunsten einer gleichgewichtigen Souveränitätsverteilung zwischen Anbietern und Nachfragern aufzulösen. Daraus resultiert die Erkenntnis, dass der Wettbewerb Garantien aufhebt und durch Chancen bzw. Risiken ersetzt. Der Unterschied zwischen Chancen und Risiken liegt lediglich in der Betrachtungsweise ein- und desselben Tatbestands, es handelt sich also um zwei Seiten einer Medaille. So kann z. B. bei positiver Betrachtung von der Chance, Gewinn zu erzielen, bzw. bei negativer Betrachtung vom Risiko, Verlust zu machen, gesprochen werden. Es ist zu beachten, dass das Monopol generell als statisch stabiler Zustand, der Wettbewerb dagegen als eine dynamisch turbulente Welt zu verstehen ist. In diesem Sinne gibt es zwar das Monopol aber nicht den Wettbewerb. Letzterer realisiert sich vielmehr in einer Vielzahl divergierender Erscheinungsformen. Die Begründung liegt in den unterschiedlichen Intensitätsgraden der Konkurrenz innerhalb einer oligopolistischen Marktstruktur. Diese lassen sich in vereinfachter Form durch eine räumliche Strukturierung eines lokalen, regionalen, nationalen, kontinentalen bzw. globalen Wettbewerbs darstellen. In der Regel zeigt sich dabei eine Entwicklung vom lokalen zum globalen Wettbewerb. Diese grundlegende Tendenz ist jedoch nicht stetig fortschreitend, sondern eher unstetig mit vorübergehend möglicher Rückläufigkeit. Aus dieser Konstellation ergeben sich folgende Erkenntnisse. Bei einer gegebenen Vielzahl von Nachfragern bewirkt eine wachsende Wettbewerbsschärfe für die Anbieter zunehmende Nachteile bezüglich des Unternehmenserfolgs mit der Konsequenz der Existenzverschlechterung und verschafft den Nachfragern zunehmende Vorteile mit der Konsequenz der Existenzverbesserung. Dies ist die dominierende Entwicklungstendenz. Denkbar ist jedoch auch eine umgekehrte Entwicklung, d. h. eine abnehmende Wettbewerbsschärfe bewirkt für die Anbieter zunehmende Vorteile bezüglich des Unternehmenserfolgs mit der Konsequenz der Existenzverbesserung und beschert den Nachfragern zunehmende Nachteile mit der Konsequenz der Existenzverschlechterung. Eine Betrachtung der Dynamik des Wettbewerbs aus der Sicht der Nachfrager führt zu analogen Erkenntnissen (vgl. Abb. 6).
C. Bedeutung des Wettbewerbs für die Gestaltung und Steuerung von Unternehmen
15
Entwicklung auf der Anbieterseite
globaler Wettbewerb kontinentaler Wettbewerb nationaler Wettbewerb regionaler Wettbewerb lokaler Wettbewerb Monopol
Entwicklung auf der Nachfragerseite
Abb. 6: Strukturen und Entwicklungstendenzen variierender Wettbewerbskonstellationen Menschen werden in ihrem Denken und Handeln durch das Umfeld, in dem sie agieren geprägt. Dies gilt sowohl für das Monopol als auch für den Wettbewerb. Als Beispiel hierzu kann die Entwicklung der Bahn vom Monopolbetrieb zum Dienstleistungsunternehmen in Deutschland herangezogen werden. Der frühere Schaffner als Fahrkartenkontrolleur für einen lästigen, gleichgültig behandelten Mitfahrer hatte eine eindeutig vorgegebene, unveränderte, in hoheitlichem Sinn notwendige Aufgabenstellung zu erfüllen. Dafür wurde er dauerhaft gesichert besoldet. Der heutige Zugbegleiter als Dienstleister für den umworbenen, freundlich zu behandelnden Fahrgast hat eine vielseitig variierende, abwechslungsreiche, kundenorientierte Servicefunktion zu erfüllen. Dafür wird er erfolgsorientiert vergütet.
16
1. Kapitel: Historische Entwicklung
Das Beispiel soll die grundlegend unterschiedlichen Ansätze des Denkens und Handelns in Monopolen bzw. im Wettbewerb plastisch verdeutlichen. In abstrahierter Form lassen sich daraus folgende Erkenntnisse verallgemeinern. Im Monopol wird das Verhalten von Mitarbeitern als Beschäftigte (Beamte) durch folgende Merkmale geprägt: • • •
hohe Selbstbezogenheit (geschlossen), funktional isolierende Aufgabenbezogenheit, beharrende (verwaltende) Arbeitsbewältigung.
Im Wettbewerb wird das Verhalten von Mitarbeitern als Mitunternehmer (Angestellte) durch folgende Merkmale geprägt: • • •
hohe Umfeldbezogenheit (offen), prozessual integrierende Zielbezogenheit, variierender (gestaltender) Arbeitsablauf.
Die Ablösung des Monopols durch den Wettbewerb bedeutet für Unternehmen eine grundlegende Veränderung der existenziellen Bedingungen, da Garantien verloren gehen und durch Chancen ersetzt werden. Eine erfolgreiche Reaktion mit dem Ziel der dauerhaften Existenzsicherung macht es erforderlich, die veränderte Situation wahrzunehmen, in adäquaten Formen des Denkens aufzunehmen und in einem modifizierten Handeln zu realisieren. Daraus resultieren Lernprozesse, die den Übergang von monopolorientierten zu wettbewerbsorientierten Verhaltensweisen generieren (vgl. Abb. 7).
Lernprozess
Wahrnehmung Denken
Wettbewerb
Unternehmung
Handeln
Verhalten Abb. 7: Elemente der Verhaltensänderung In der Vielfalt und Dynamik des Wettbewerbs setzt die dauerhafte Existenz eines Unternehmens die Entwicklung von zwei entscheidenden Fähigkeiten voraus: das Erkennen und das Nutzen von Chancen. Im Monopol ist der jeweilige Betrieb weitgehend mit sich selbst beschäftigt, er stellt sich in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Im Wettbewerb wird dagegen das Umfeld zum zentralen Fokus des Unternehmens.
C. Bedeutung des Wettbewerbs für die Gestaltung und Steuerung von Unternehmen
17
Der erfolgreiche Übergang vom Monopol zum Wettbewerb erfordert somit die Fähigkeit der Mitarbeiter, neue Formen der Wahrnehmung, des Denkens und Handelns zu erwerben, die sich in einer wettbewerbsorientierten Verhaltensweise konkretisieren, um die Vielzahl der Chancen, die der Wettbewerb bietet zu erkennen und für das Unternehmen erfolgreich zu nutzen. Dazu ist es notwendig, die monopolistisch geprägten Vorstellungswelten durch neue Formen wettbewerbsadäquater und damit kundenorientierter Denk- und Verhaltensmuster abzulösen. Der Monopolist ist im egozentrischen Sinne auf sich selbst orientiert, bedingt durch die große Macht und Souveränität gegenüber seiner Umwelt. Im Angebotsmonopol dominiert damit der Anbieter als „König“ gegenüber dem Nachfrager als „Bittsteller“. Beim Nachfragemonopol kehrt sich das Verhältnis um, der Nachfrager wird zum „König“ und die Anbieter werden zu „Bittstellern“.14 Bei einer wettbewerblichen Steuerung werden die Extrempositionen des Monopols aufgegeben. Dies geschieht durch eine Relativierung der Macht zwischen den beiden Marktparteien. Damit gibt es grundsätzlich eine Vielzahl unterschiedlicher Beziehungsvarianten mit jeweils schwankendem Machtübergewicht auf einer der beiden Marktseiten. Der Idealfall ist ein optimales Machtgleichgewicht, das im besten Sinne eine partnerschaftliche Beziehung zwischen Angebot und Nachfrage ermöglicht. Der Wandlungsprozess auf der Nachfragerseite, also beim Kunde lässt sich vereinfachend wie folgt darstellen. In der Ausgangssituation, also bei tendenziellem Angebotsmonopol, wie dies z. B. unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik Deutschland oder bis vor der Wende in Ostdeutschland der Fall war, ergaben sich für den Kunden folgende prägende Merkmale: • • • • •
ungesättigt, kaufkraftschwach, unkritisch, desinformiert, undifferenziert.
Ein solcher Kunde erscheint aus der Sicht des Unternehmens als „Bittsteller“ bzw. „Bettler“, der dankbar alles akzeptiert, was ihm vom „König“ Betrieb angeboten wird. Die weitestgehende Abkehr von dieser Ausgangssituation führt zu den nachfolgenden Merkmalen, die bei ihrer absoluten Ausprägung den Kunden in die Position eines Nachfragemonopolisten bringen: • • • • •
gesättigt, kaufkraftstark, kritisch, informiert, differenziert.
Ein solcher Kunde erscheint aus der Sicht des Unternehmens als „König“, der die Betriebe in die Rolle des „Bittstellers“ zwingt, welcher um die Gunst der neuen „Majestät“ betteln 14
Die Möglichkeit eines beidseitigen Monopols kann hier vernachlässigt werden, da sie für die Realität unbedeutend ist.
18
1. Kapitel: Historische Entwicklung
muss. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn sich alle potenziellen Kunden für ein bestimmtes Produkt mithilfe des Internets in einer Region zusammenfinden und als monopolistischer Nachfrager am Markt auftreten. Die skizzierten polaren Erscheinungsformen bewirken bei ihrer absoluten Realisierung monopolistische Marktstrukturen und bringen den Kunden in die Position des Bittstellers (Angebotsmonopol) bzw. des Königs (Nachfragemonopol). Zwischen den jeweils extremen Positionen, also in Oligopolen als realen funktionsfähigen Konkurrenzsituationen, existiert eine Vielzahl evolutionärer Zwischenstufen im Sinne einer relativen Realisierung der Ausprägungsmerkmale des Kunden. Diese sind typisch für wettbewerbliche Marktstrukturen und bringen den Kunden in eine partnerschaftliche Position zu den Anbietern. In Marktwirtschaften ergibt sich damit regelmäßig eine Entwicklung des Kunden vom statischen Bittsteller zum dynamischen Partner. So wie es nicht den Wettbewerb gibt, gibt es auch nicht den Kunden. Beim Übergang vom Angebots-/ Nachfragemonopol zum Oligopol entwickelt sich der Kunde in dynamischer Form vom Bittsteller/König zum gleichgewichtigen Gegenpol des Betriebs im Sinne eines partnerschaftlichen Beziehungsverhältnisses. Bei dem in der Wirklichkeit dominierenden Verlauf vom Angebotsmonopol zum Oligopol durchläuft der Kunde einen Entwicklungsprozess, der aus derzeitiger Sicht drei Entwicklungsphasen umfasst: 1. Phase: Sättigung und Kaufkraftstärkung Der erste Schritt zu einer grundlegenden Veränderung der Situation des Nachfragers im Wettbewerb ist die Überwindung von Mangelsituationen durch eine weitgehende Ausstattung mit Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs. Dieser Sättigungsprozess wird in der Regel durch Preissenkungen begleitet. Durch die Privatisierung im Bereich der Telekommunikation ist beispielsweise innerhalb weniger Jahre eine weitgehende Ausstattung der Bevölkerung mit Handys erfolgt und gleichzeitig kann mit einem gleichbleibenden Geldbetrag zunehmend mehr telefoniert werden. 2. Phase: Kritikverhalten Der zweite Schritt zu einer grundlegenden Veränderung der Situation des Nachfragers im Wettbewerb ist das wachsende Kritikverhalten. Bei gegebener Sättigung beginnt der Kunde, die ihm angebotenen Leistungen zu vergleichen und bezüglich ihres Nutzens zu hinterfragen. So versuchen die Kunden zunehmend, Qualitätsmängel bei Gütern und Dienstleistungen nachzuweisen, um entsprechende Preisnachlässe und Schadenersatzansprüche durchzusetzen. 3. Phase: Informiertheit und Differenziertheit Der dritte Schritt zu einer grundlegenden Veränderung der Situation des Nachfragers im Wettbewerb ist die steigende Informiertheit und Differenziertheit. Insbesondere die immer mehr Menschen zugänglichen, modernen Informationstechnologien (Internet) führen dazu, dass Kunden in spezifischen Bereichen genauso gut oder besser informiert sind als die Mitarbeiter in einem Unternehmen. Daraus resultiert zugleich eine größere Differenzierung der
C. Bedeutung des Wettbewerbs für die Gestaltung und Steuerung von Unternehmen
19
Kundenwünsche im Sinne einer größeren Produktvielfalt. Im Automobilbereich werden zunehmend neben fertigen Autos eine Vielfalt von Komponenten angeboten, die es dem Käufer ermöglichen, unter weitgehender Berücksichtigung seiner individuellen Vorstellungen sein „Wunschauto“ zu realisieren. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die drei Entwicklungsphasen sich nacheinander entfalten. Dies ist auch dadurch begründet, dass die jeweils folgende Phase auf der bzw. den vorherigen basiert. Zeitlich gesehen entwickeln sie sich also nacheinander und wirken dann auf Dauer gleichzeitig nebeneinander. Beim Übergang einer Branche bzw. einer ganzen Volkswirtschaft in die wettbewerbliche Steuerung kann im Extremfall ein paralleler Einstieg in zwei oder gar drei Phasen erforderlich sein (vgl. Abb. 8) Funktionsbereiche Beschaffung
Lager
Verwaltung
Lager
Absatz
Rechnungswesen Finanzwesen
Betrieb als „Partner“
Angebotsmonopol
Oligopol Markt
„Bittsteller“
Personalwesen Organisationswesen
Leistungserstellung
Nachfragemonopol
ungesättigt kaufkraftschwach
1. Phase
gesättigt kaufkrafstark
unkritisch
2. Phase
kritisch
desinformiert undifferenziert
3. Phase
informiert differenziert
„König“
„Bittsteller“
Kunde als „Partner“
Abb. 8: Partnerschaftliches Beziehungsverhältnisse zwischen Betrieb und Kunde
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2. Kapitel: Aktuelles Leadership
Im Monopol haben Kunden keine Alternativen, sie stellen eine große Einheitsmasse dar und stehen in totaler Abhängigkeit zum Anbieter. Der Wettbewerb hebt diesen Nachteil auf, es entwickeln sich vielfältige Alternativen. Dies macht die Kunden flexibel und ermöglicht ihnen einen permanenten Wechsel zwischen der Vielzahl von Anbietern. Für das Unternehmen im Wettbewerb resultiert daraus als wichtigste Herausforderung die Frage nach der erstmaligen Kundengewinnung und dauerhaften Kundenbindung. Daraus ergeben sich grundlegend neue Anforderungen an die betriebswirtschaftlichen Fähigkeiten der Mitarbeiter. Konkret bedeutet dies, dass die Unternehmenssteuerung durch die funktionalen, faktoralen und systemischen Gestaltungserkenntnisse als betriebswirtschaftliche Grundlegung bedingt und durch das Wettbewerbsprinzip innerhalb einer gelenkten Marktwirtschaft als volkswirtschaftliche Rahmenbedingung begrenzt wird.
2. Kapitel: Aktuelles Leadership Aufgrund der dynamischen, oben dargestellten Veränderungen im Umfeld müssen auch die Aufgabenstellung und die Abwicklung der Führung von Unternehmen einer ständigen Überprüfung und Anpassung unterzogen werden. Während in monopolistisch geprägten Welten das branchenspezifische Fachwissen weitgehend als Führungsqualifikation dominiert, muss dieses in einer wettbewerbsorientierten Welt durch ein branchenübergreifendes betriebswirtschaftliches Führungswissen ergänzt und erweitert werden. Die Aufgaben und Eigenschaften der Unternehmensführung in einem marktwirtschaftlichen Umfeld bedürfen einer umfassenden Neuorientierung. Aus eindimensional geprägten Leitern mit dominanter Fachkompetenz entwickeln sich mehrdimensional orientierte „Leader“ mit gleichzeitiger ökonomischer, technischer, sozialer, ökologischer, juristisch und politischer Kompetenz, die Unternehmen als ziel- und zweckorientierte evolutionäre Systeme begreifen. Entsprechend dieser Entwicklung von Leitern zu Leadern muss gleichzeitig die Unternehmensführung zu einem umfassenden „Leadership“ erweitert werden. Nachfolgend wird die Grundstruktur eines solchen Führungsverständnisses beschrieben. Dieses basiert auf den Führungsmaximen, Führungssphären, Führungshandlungen und den Führungsdimensionen als einem systemisch-ganzheitlichen Ansatz.
A. Führungsmaximen Die Führungsmaximen stellen generelle Handlungsanweisungen für das Unternehmen und seine Mitarbeiter dar. Sie sind grundlegend geprägt durch das wettbewerbsorientierte Umfeld des Unternehmens und können auch als Leitideen bzw. Leitmaximen bezeichnet werden. Aufgrund der Phasenentwicklung des Kunden müssen neue Denk- und Verhaltensweisen zur erfolgreichen Gestaltung und Steuerung des Unternehmens entwickelt, etabliert und praktiziert werden. Damit lassen sich die Führungsmaximen in Gestaltungs- und Steuerungsmaximen differenzieren, die in einer systemisch-ganzheitlichen Abhängigkeit zueinander stehen.
A. Führungsmaximen
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Die Neuorientierung auf der Angebotsseite beruht letztlich auf der Erkenntnis, dass der Monopolist den Kunden als Störfaktor empfindet, während der Oligopolist begreifen muss, dass sein größtes Problem das Ausbleiben eines Kunden ist. Derzeit lassen sich dementsprechend die nachfolgenden Führungsmaximen erkennen, die als zwangsläufige Folge auf das sich wandelnde Kundenverhalten anzusehen sind und die durch möglichst alle Führungskräfte und Mitarbeiter umgesetzt werden müssen: • •
die Gestaltungsmaximen Marketing (Kunden-/Marktorientierung), Logistik (Prozessorientierung) und Innovation (Neuerungsorientierung) sowie die Steuerungsmaximen Controlling (Lernorientierung), Developing (Entwicklungsorientierung) und Treasuring (Wertorientierung).
I. Gestaltungsmaximen Zunehmend gesättigte Märkte führten vom Verkäufer- zum Käufermarkt und machten eine veränderte Vorstellung der erfolgreichen Bewältigung der Außenbeziehungen des Systems Betrieb auf der Absatz- wie auf der Beschaffungsseite erforderlich. Dazu wurde die Idee des Marketing (Market-/Client-based-management) entwickelt, die sich zunächst als Absatzund später auch als Beschaffungsmarketing durchsetzte. Im umfassenden Sinne soll es mit dessen Hilfe gelingen, schon heute die zukünftigen, häufig nicht konkret artikulierten Bedürfnisse des Kunden zu erkennen, um sie morgen erfolgreich, d. h. unter Berücksichtigung der gewünschten Qualitäten und Preise befriedigen zu können. Dabei ist zu beachten, dass neben den externen Nachfragern auf der Absatzseite und den Anbietern auf der Beschaffungsseite auch interne Kunden-/Lieferantenbeziehungen bestehen. Marketing als Marktbzw. Kunden- und Lieferantenorientierung begreift das Umfeld nicht als Problem, sondern als Chance. Gesättigte und kaufkraftstarke Kunden entwickeln sich zu kritischen Nachfragern. Diese stellen die Qualität der angebotenen Leistungen in Frage und erzwingen damit im Bereich der Produktion eine grundlegende Neuorientierung. Die klassisch enge Einbindung des Produktionsablaufs zwischen Beschaffung und Absatz wird durch die neue Vorstellung der Logistik (Process-based-management) erweitert. Sie bezieht sowohl die Lieferanten wie auch die Kunden in die gesamte zu verantwortende Leistungserstellung und -verwertung mit ein, um einen optimalen Durchlauf- bzw. Umlaufprozess zu gestalten. Die Dominanz der funktionalen Orientierung, geprägt durch Abteilungen mit Schnittstellen und Stellenbeschreibungen wird ergänzt, erweitert bzw. ersetzt durch eine prozessuale Gestaltung (Processing). Im Mittelpunkt steht dabei die Identifikation der Kernprozesse (Hauptprozesse) in welchen eine Kernkompetenz in Form von hohem Kundennutzen erreicht werden muss. Randprozesse (Nebenprozesse), für die keine Kernkompetenz vorliegt bzw. erreicht werden kann, und die vom kritischen Kunden insbesondere angegriffen werden, können mithilfe des Outsourcing qualitativ aufgewertet werden.15 Die daraus resultierende, rückläufige interne Wertschöpfung erfordert zugleich neue Formen der Bindung zu den Lieferanten, wie z. B. Just-in-time-Lösungen. Auf der Absatzseite bewirkt insbesondere die Verkürzung der Nutzungsdauer der Produkte, dass der klassische Kaufvertrag durch das Leasing abgelöst wird.
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Zunehmend findet ein Wechselspiel zwischen Out- und Insourcing statt, letzteres bedeutet die Zurücknahme einer Fremdvergabe und kommt z. B. dann in Betracht, wenn aufgrund des technischen Fortschritts ein Rand- zu einem Kernprozess und/oder durch Beteiligung oder Übernahme eine neue Kernkompetenz erworben wird.
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2. Kapitel: Aktuelles Leadership
Die zugleich entstehende Abfallproblematik eröffnet in Form des Recycling neue unternehmerische Herausforderungen. Als Bindeglied zwischen dem Marketing und der Logistik beginnt sich als drittes elementares Gestaltungsfeld die Innovation (Intelligence-based-Management) abzuzeichnen. Betriebliche Leistungen stellen für eine bestimmte Zeit vom Markt bzw. Kunden akzeptierte Bündel von Prozessen dar. Bei immer kürzeren Lebenszyklen der Leistungen müssen rechtzeitig verbesserte bzw. neue Lösungen auf dem Markt angeboten werden, um die Konkurrenzfähigkeit des Betriebs zu sichern. Zu lange aufgeschobene Erneuerungen machen das Unternehmen aus der Sicht des informierten und differenzierenden Kunden langweilig. Die beschleunigte Realisierung eines weiterentwickelten Leistungsangebots erfordert permanente Prozessinnovationen. Um dies zu erreichen, muss die Dominanz der Produktinnovationen, für welche sich im Unternehmen nur wenige verantwortlich fühlen, übergehen in eine Dominanz der Prozessinnovationen, zu welcher alle Mitarbeiter beitragen können. Gleichzeitig wird damit auch ein Wandel vom angebotsorientiert-konstruktiven (vom Prozess zum Produkt) zum nachfrageorientiert-dekonstruktiven (vom Produkt zum Prozess) Denken eingeläutet. Dadurch lassen sich neue Geschäftsfelder eröffnen, in denen besonders gut beherrschte Prozesse eigenständig vermarktet werden, wie z. B. das Angebot von ITDienstleistungen durch einen Automobilhersteller. Die drei Gestaltungsmaximen Marketing, Innovation und Logistik ermöglichen bei einer integrierten Verknüpfung eine systemisch-ganzheitliche Gestaltung von Unternehmen unter Wettbewerbsbedingungen. Zwischen ihnen besteht ein systemischer Zusammenhang. Das Marketing erkennt die zukünftigen Tendenzen und Perspektiven der Marktentwicklungen und der Kundenwünsche. Daraus werden im Unternehmen durch Innovation diejenigen Leistungen konkretisiert, die unter Berücksichtigung der vorhandenen bzw. erreichbaren Ressourcen angestrebt werden sollen. Die Logistik realisiert dann die durch das Marketing erkannten Trends und die durch die Innovation konkretisierten Vorstellungen als Leistungen unter Einsatz der verfügbaren internen und externen Kompetenzen. Zwischen den drei Gestaltungsmaximen besteht zudem ein ganzheitlicher Zusammenhang, da nur ihre gleichzeitige Realisierung den Erfordernissen des Wettbewerbs gerecht wird. D.h. einseitige Überbetonungen in einzelnen Maximen sind nicht vorteilhaft. Die historische Entstehung der drei Gestaltungsmaximen basiert im Wesentlichen auf der Phasenentwicklung des Kunden und führte zu der Reihenfolge Marketing, Logistik, Innovation. Bei der aktuellen Umsetzung der drei Leitideen erfordert der systemische Zusammenhang die Reihenfolge Marketing, Innovation und Logistik.
A. Führungsmaximen
23
Marketing systemisch: integrierte Verknüpfung der drei Gestaltungsmaximen Erkennen, Konkretisieren und Realisieren von Kundenwünschen
Markt-/Kundenorientierung Innovation Neuerungsorientierung
ganzheitlich: gleichzeitige Realisierung der drei Gestaltungsmaximen
Logistik Prozessorientierung
Abb. 9: Systemisch-ganzheitliche Unternehmensgestaltung
II. Steuerungsmaximen Während die elementaren Funktionsbereiche Beschaffung, Produktion und Absatz durch einen starken Druck von außen zu einer neuen Ausrichtung in Form des Marketing, der Innovation und der Logistik gezwungen wurden, erfährt die Querschnittsfunktion der betrieblichen Verwaltung den Zwang zu einer Neuorientierung aufgrund dieser veränderten Einstellungen von innen. Die Verwaltung umfasst Aufgabenstellungen, welche die Eigenschaft haben, dass sie gleichzeitig in allen drei Grundfunktionen erforderlich sind und daher eine Zentralisierung erfahren. In diesem Sinne sind das Personalwesen, das Finanzwesen, das Rechnungswesen usw. in der Verwaltung zusammengefasst. Daraus ergibt sich, dass die Verwaltung insgesamt als Service- oder Dienstleistungseinrichtung begriffen werden muss. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht leistet sie damit vor allem planende, kontrollierende, informierende und koordinierende Dienste, die zusammenfassend als Steuerung begriffen werden können. Da die Verwaltung von Betrieben keinen direkten Bezug zum Markt hat, fehlt diesem Funktionsbereich zunächst die Herausforderung zur Veränderung. Es entsteht das Phänomen der Verbürokratisierung. Mit der fortschreitenden Neuorientierung der Elementarbereiche entsteht die Notwendigkeit nach neuen Formen der Unterstützung durch die Querfunktion. Ein zu langes Verharren in klassischen Denkweisen der Steuerung führt zu einem internen Spannungsverhältnis zwischen den sich miteinander solidarisierenden Grundfunktionen gegenüber der Verwaltung, das letztlich zu einer existenziellen Gefährdung eines Unternehmens führen kann. Um dies zu verhindern, mussten neue Formen der Lenkung entwickelt werden, die eine optimale Entfaltung des Marketing, der Innovation und der Logistik ermöglichen. Das Controlling (Control-based-Management) dient der Optimierung der Effizienz des Systems der Unternehmung. Es basiert auf den traditionellen Führungshandlungen Planen, Kontrollieren und Informieren. Mit dem Ansatz des Denkens in Extremen erfahren diese eine inhaltliche Weiterentwicklung in Form neuer Planungs-, Kontroll- und Informationskulturen sowie eine integrative Verknüpfung zu permanenten, selbststeuernden Lernprozessen. Die Implementierung von Lernprozessen gelingt, wenn die Bedeutung der Abweichung im Soll-/Ist-Vergleich neu definiert wird. Eine neue Abweichungskultur basiert auf der Erkenntnis, dass mit zunehmender Kreativität bei der Festlegung des Solls die Wahrscheinlichkeit einer weitgehenden Deckungsgleichheit mit dem Ist abnimmt. Solchermaßen begründete Abweichungen sind positiv zu beurteilen, soweit sie Lernpotenziale schaffen, also kreativ gewonnene Ansätze darstellen, deren unmittelbare Realisierung aufgrund von hin-
24
2. Kapitel: Aktuelles Leadership
derlichen Umständen noch nicht erfolgen konnte. Ziel des Controlling ist die Steigerung der Effektivität und Effizienz in einer lernfähigen und lernbereiten Organisation: das Bessere verdrängt das Schlechtere. Das Developing (Change-based-Management) dient der Optimierung der Flexibilität im System Unternehmung. Es basiert auf den traditionellen Führungshandlungen Qualifizieren, Organisieren und Informieren. Mit dem Ansatz des Denkens in Extremen erfahren diese eine inhaltliche Weiterentwicklung in Form neuer Qualifikations-, Organisations- und Informationskulturen sowie eine integrative Verknüpfung zu permanenten, evolutionären Entwicklungsprozessen. Damit soll die Notwendigkeit einmaliger, revolutionärer Veränderungsprozesse (Reengineering) verringert werden. Die Generierung von Entwicklungsprozessen gelingt, wenn die Bedeutung von Veränderungen neu definiert wird. Eine andere Einstellung bezüglich des Umgangs mit Wandlungsprozessen, also eine neue Veränderungskultur, ist erforderlich. Je schneller sich technologische und gesellschaftliche Quantensprünge vollziehen, umso häufiger sind kombinierte Personal- und Organisationsentwicklungsprozesse zu kommunizieren. Solchermaßen begründete Veränderungen sind positiv zu beurteilen, soweit sie Entwicklungspotenziale schaffen. Ziel des Developing ist die Steigerung der Flexibilität in einer entwicklungsfähigen und entwicklungsbereiten Organisation: das Schnellere verdrängt das Langsame. Das Treasuring (Value-based-Management) dient der Optimierung der Profitabilität des Systems der Unternehmung. Es basiert auf den traditionellen Führungshandlungen Ziele setzen, Entscheiden und Informieren. Mit dem Ansatz des Denkens in Extremen erfahren diese eine inhaltliche Weiterentwicklung in Form neuer Zielsetzungs-, Entscheidungs- und Informationskulturen sowie eine integrative Verknüpfung zu permanenten, schöpferischen Wertprozessen. Innovative Neuerungen in der Finanzwirtschaft, im Bereich der internationalen Rechnungslegung, in der Beteiligung der Mitarbeiter bei der finanzorientierten Führung und auf den zusammenwachsenden, globalen Kapitalmärkten ermöglichen es, den Mitarbeiter zum Mitunternehmer zu entwickeln, der am finanzwirtschaftlichen Ergebnis und am Kapital partizipiert, um damit von dieser Seite die optimale Voraussetzung für unternehmerisches Denken und Handeln zu schaffen. Solchermaßen begründete Wirkungen sind positiv zu beurteilen soweit sie Wertpotenziale schaffen. Ziel ist die Steigerung der Profitabilität in einer wertfähigen und wertbereiten Organisation: das Nachhaltige verdrängt das Vordergründige. Aus derzeitiger Sicht muss die wettbewerbsorientierte Steuerung darauf ausgerichtet werden die Effektivität, Flexibilität und die Profitabilität in Betrieben herzustellen und zu optimieren. Die drei Steuerungsmaximen Controlling, Developing und Treasuring ermöglichen bei einer integrierten Verknüpfung eine systemisch-ganzheitliche Steuerung von Unternehmen unter Wettbewerbsbedingungen. Zwischen ihnen besteht ein systemischer Zusammenhang. Das Developing dient der entwicklungsorientierten, das Controlling der lernorientierten und das Treasuring der wertorientierten Steuerung zum Zwecke eines dynamischen, effizienten und profitablen Systemaufbaus und einer entsprechenden Prozessabwicklung. Zwischen den drei Steuerungsmaximen besteht zudem ein ganzheitlicher Zusammenhang, da nur ihre gleichzeitige Realisierung den Erfordernissen des Wettbewerbs gerecht wird.16
16
Die historische Entstehung der drei Steuerungsmaximen ergibt sich im Wesentlichen aus der zunehmenden existenziellen Bedrohung in einem sich verschärfenden Wettbewerb. Über den Zwang zu
A. Führungsmaximen
25
Developing systemisch: integrierte Verknüpfung der drei Steuerungsmaximen: flexible, effektive und profitable Systeme und Prozesse
Entwicklungsorientierung Controlling Lernorientierung Treasuring
ganzheitlich: gleichzeitige Realisierung der drei Steuerungsmaximen
Wertorientierung
Abb. 10: Systemisch-ganzheitliche Unternehmenssteuerung Das System Unternehmung macht im umfassenden Sinne eine gleichzeitige Realisierung der Gestaltungs- und Steuerungsmaximen erforderlich. Die Vision „Unternehmung im Wettbewerb“ wird geprägt durch das Marketing, die Innovation und die Logistik als Gestaltungsfelder, die durch das Developing, das Controlling und das Treasuring als Steuerungsfelder koordiniert und gelenkt werden. Dabei werden eine vollständige horizontale Integration und zugleich die Sicherung der Ganzheitlichkeit erreicht, wenn in jeder einzelnen Maxime die fünf restlichen Leitideen verwirklicht werden: • • • • • •
das Marketing muss neuerungs- und prozessorientiert gestaltet und entwicklungs-, lernund wertorientiert gesteuert werden; die Innovation muss kunden- und prozessorientiert gestaltet und entwicklungs-, lernund wertorientiert gesteuert werden; die Logistik muss kunden- und neuerungsorientiert gestaltet und entwicklungs-, lernund wertorientiert gesteuert werden; das Developing muss kunden-, neuerungs- und prozessorientiert gestaltet und lern- und wertorientiert gesteuert werden; das Controlling muss kunden-, neuerungs- und prozessorientiert gestaltet und entwicklungs- und wertorientiert gesteuert werden; das Treasuring muss kunden-, neuerungs- und prozessorientiert gestaltet und lern- und entwicklungsorientiert gesteuert werden.
Weiterhin sind auch eine vollständige vertikale Integration und zugleich die Sicherung der Ganzheitlichkeit möglich, wenn in jeder abgrenzbaren Organisationseinheit des Unternehmens jeweils alle sechs Maximen zur Anwendung kommen. Im hierarchischen Sinne kann eine systemisch-ganzheitliche Gestaltung und Steuerung für das ganze Unternehmen, für einzelne Ressorts, Abteilungen, Profitcenter und Teams bis zum jeweiligen Arbeitsplatz verwirklicht werden. Generell ist zu erwarten, dass der durch die Verschärfung des Wettbewerbs beschleunigte Wandel in Form zunehmender Dynamik und häufiger eintretender Quantensprünge weitere
einer steigenden Effizienz, zu einer höheren Dynamik und zu einer verbesserten Profitabilität haben sich das Controlling, das Developing und das Treasuring nacheinander etabliert. Bei gleichzeitiger Anwendung aller drei Maximen in Form einer systemischen Steuerung bewirkt der besonders hohe Wissenszuwachs, dass das Developing gegenüber dem Controlling und dem Treasuring eine zunehmend wichtige Bedeutung gewinnt.
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2. Kapitel: Aktuelles Leadership
Innovation
Systemisch: Integrierte Verknüpfung der sechs Leitmaximen: Erkennen, Konkretisieren und Realisieren von Kundenwünschen mit Hilfe flexibler, effektiver und profitabler Systeme und Prozesse
Controlling
Steuerungsmaximen
Gestaltungsmaximen
Gestaltungs- und Steuerungsmaximen erforderlich machen wird, um die Existenzgefährdung der Unternehmung beherrschbar zu machen. Damit werden die Komplexität des Systems Unternehmung weiter steigen und die Ansprüche an seine erfolgreiche Führung zuzunehmen.
Ganzheitlich: Gleichzeitige Realisierung der sechs Leitmaximen durch die Mitarbeiter auf allen Ebenen und in allen Funktionsbereichen des Unternehmens
Abb. 11: Systemisch-ganzheitliche Unternehmensgestaltung und -steuerung
B. Führungssphären Die Umsetzung der Führungsmaximen erfolgt innerhalb unterschiedlicher Führungssphären. Diese beschreiben konkrete Wirkungskreise (Wirkungsfelder/Gesichtskreise) im Unternehmen, die eine jeweils spezifische Ausrichtung und Betonung aller Gestaltungs- und Steuerungsaufgaben erforderlich machen. Sie werden gleichermaßen von innen wie von außen geprägt. Es lassen sich die ökonomische, technische, soziale, ökologische, rechtliche und politische Führungssphäre unterscheiden. •
•
Die ökonomische Sphäre umfasst das Streben nach einem optimalen Erfolg zum Zwecke der Einkommenserzielung der Eigentümer bzw. Gesellschafter (Shareholder) sowie zur Sicherung wirtschaftlicher Vorteile für die Mitarbeiter, die Gläubiger, die Lieferanten, die Kunden, die Medien, den Staat und die Öffentlichkeit als weitere wichtige Interessensgruppen (Stakeholder). Die dabei relevanten Orientierungs- und Steuerungsgrößen sind auf der mehr kurzfristig, operativen Ebene die Liquidität, Rentabilität und Wirtschaftlichkeit sowie auf der mehr langfristig, strategischen Ebene die Potenzialität. Die technische Sphäre umfasst das Streben nach technologischer Adäquanz des Sachpotenzials zum Zwecke der Erzeugung nachfragegerechter Leistungen. Die dabei relevanten Orientierungsgrößen sind die Funktionalitäts- und Qualitätssteigerung.
B. Führungssphären
•
•
•
•
27
Die soziale Sphäre umfasst das Streben nach permanenter Entwicklung des Humanpotenzials zum Zwecke der Erhöhung der Lern- und Entwicklungsfähigkeit und -bereitschaft der Organisationsmitglieder. Darüber hinaus befasst es sich mit der Integration des Unternehmens in seine Umwelt. Die dabei relevante Orientierungsgrößen sind die Mitarbeiterzufriedenheit sowie umfassender die Corporate Social Responsibility. Die ökologische Sphäre umfasst das Streben nach hinreichender Umweltverträglichkeit zum Zwecke der Mitwirkung an der Erhaltung der Lebensfähigkeit der Gesellschaft. Die dabei relevante Orientierungsgröße ist die nachhaltige Entwicklung (sustainable development) des Systems und des Supersystems. Die rechtliche Sphäre umfasst das Streben nach größtmöglicher Widerspruchsfreiheit zum Zwecke der Vermeidung von juristischen Auseinandersetzungen innerhalb des Unternehmens und zu den Organisationen und Mitgliedern der Gesellschaft. Die dabei relevante Orientierungsgröße ist die Compliance. Die politische Sphäre umfasst das Streben nach angemessener Anpassung zum Zwecke der Nutzung staatlicher Vorteile. Die dabei relevante Orientierungsgröße ist der Umfang der öffentlichen Unterstützung.
Die jeweilige Bedeutung der Führungssphären und ihre gegenseitige Zuordnung werden gleichermaßen durch die herrschenden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sowie durch die aktuelle gesellschaftliche Orientierung bestimmt. Die Erfahrung zeigt, dass bei der Gestaltung und Steuerung eines Systems in der Regel eine der gegebenen Sphären Dominanz gegenüber den restlichen Sphären besitzt. In marktwirtschaftlich gesteuerten Volkswirtschaften gilt die ökonomische Leistungsfähigkeit, gemessen an der Liquidität als die oberste Existenzbedingung eines Unternehmens. Damit besitzt die ökonomische Sphäre Priorität gegenüber der technischen, sozialen, ökologischen, rechtlichen und politischen Orientierung. Sie stellt damit die Sphäre erster Ordnung dar. Voraussetzung zu ihrer bestmöglichen Sicherung sind eine optimale Rentabilität und Wirtschaftlichkeit. Um diese zu erreichen, müssen aus aktueller Sicht eine hohe Leistungsfähigkeit im technischen, sozialen, ökologischen, rechtlichen und politischen Bereich erreicht werden. Damit sind diese fünf Sphären dem ökonomischen Wirkungsfeld untergeordnet, jedoch gleichzeitig für ihren effektiven und effizienten Zustand unabdingbar. Die unterschiedliche Bedeutung zwischen den Sphären zweiter Ordnung wird durch die jeweilige gesellschaftliche Entwicklung wie aber auch durch die Zugehörigkeit zu einer Branche und durch unterschiedliche Betriebsgrößen bestimmt.17
17
In Zentralverwaltungswirtschaften kann als Sphäre erster Ordnung z. B. die Technik bestimmt werden, wobei dann die ökonomische Sphäre nur zweitrangige Bedeutung hat. In staatlich unterstützten Sozialeinrichtungen dominiert in der Regel die soziale Sphäre.
28
2. Kapitel: Aktuelles Leadership
ökonomisch
technisch
sozial
ökologisch
Sphäre erster Ordnung
rechtlich
politisch
Sphären zweiter Ordnung
Abb. 12: Führungssphären
C. Führungshandlungen Die erfolgreiche Realisierung der Führungsmaximen im Rahmen der Führungssphären macht entsprechende Führungshandlungen erforderlich, d. h. eindeutig ausgeprägte und differenzierte Aufgabenstellungen der Führungskräfte und Mitarbeiter zur Gestaltung und Steuerung des Betriebsprozesses. Der derzeitige Stand der Erkenntnisse über die Führungshandlungen lässt sich im Führungskreis darstellen. Die durch Gutenberg begründete Auseinandersetzung mit der Aufgabenstellung der Unternehmensführung zeigt, dass es gelungen ist, den Gesamtkomplex Führung18 in zunehmend mehrere Teilhandlungen, die eindeutig gegeneinander abgrenzbar sind, zu differenzieren. Die aktuelle Vielzahl der Führungshandlungen, deren weitere Ausdifferenzierung nicht abgeschlossen ist, lässt sich zu den Kerndimensionen, sach-rationalen Dimensionen und sozio-emotionalen Dimensionen verdichten. Damit wird das Phänomen Führung besser durchschaubar und erlernbar. Die Kerndimension steht im Zentrum jeglicher Form von Führung, unabhängig davon, welcher Art das jeweilige zu führende System ist, ob es sich hier also um ein Unternehmen, ein Auto, einen Verein usw. handelt. Inhaltlich geht es um die Dispositionsfunktion der Führung. Disponieren bedeutet im weitesten Sinne in Bewegung setzen, agieren und wird durch die beiden Teilhandlungen Entscheiden und Kommunizieren erreicht. Sie sind originär, systemübergreifend und stellen die Grundkompetenz jeglicher Art von Führung dar. Die sach-rationale Dimension steht in direktem Bezug zu den artspezifischen Führungsanfordernissen eines Systems. Inhaltlich geht es um die Managementfunktion der Führung. Managen bedeutet das Leiten des Unternehmens, welche durch die vier Teilhandlungen Ziele setzen, Planen, Organisieren und Kontrollieren angestrebt wird. Sie sind derivativ, also systemabhängig, und stellen die Leitungskompetenz der Führungskräfte dar.
18
Historisch gesehen war es Gutenberg, der erstmals zwei Führungshandlungen, das Planen und Organisieren konkret benannt und definiert hat. Aktuell lassen sich derzeit bereits neun eigenständige Handlungen nachweisen. Ihre inhaltliche Darstellung sowie die Ableitung der Anforderungen an ihre erfolgreiche Bewältigung stellen in der Literatur wie in der Praxis bis heute die Führungsproblematik im engeren Sinne und damit aus der Sicht dieser Veröffentlichung in reduzierter, eingeengter Form dar.
C. Führungshandlungen
29
Die sozio-emotionale Dimension wird nur in mehrpersonalen Systemen erforderlich, zu deren Bewältigung also mehr als eine Person eingesetzt wird, welche in einem Über-/Unterordnungsverhältnis zueinander stehen. Inhaltlich geht es um die Humanfunktion der Führung. Humanisieren bedeutet ein menschengerechtes Ausrichten des Unternehmens, welche durch die drei Teilhandlungen Delegieren, Qualifizieren und Motivieren umgesetzt wird. Sie sind derivativ, also systemabhängig und stellen die Personalkompetenz der Führungskräfte dar. Die Vielzahl der Führungshandlungen ermöglicht einen differenzierten Gestaltungs- und Steuerungsprozess. Insofern stellen sie integrierte Bestandteile eines systemisch-ganzheitlichen Handlungsablaufs dar, die sich gegenseitig bedingen und beeinflussen, also weder isoliert praktiziert noch vernachlässigt bzw. übergangen werden dürfen, wenn Störungen des Systems Unternehmung vermieden werden sollen
sozio-emotionale Dimension Delegieren sach-rationale Dimension
Kerndimension Entscheiden Kommunizieren Dispositionsfunktion Grundkompetenz
Managementfunktion Leitungskompetenz Humanfunktion Personalkompetenz Abb. 13: Führungskreis Die einzelnen Führungshandlungen beschreiben in ihrer Gesamtheit die grundlegende Aufgabenstellung der Führung im Sinne einer optimalen Harmonisation (Störungsfreiheit) des Systems Unternehmung im Inneren sowie mit seiner relevanten Umwelt. Dabei ist zu beachten, dass alle Teilhandlungen eine gegenseitige Durchdringung ermöglichen bzw. erfordern. So kann die Qualität von Entscheidungen u. a. durch Planung, Kontrolle und Delegation verbessert werden. Eine erfolgreiche Planung wird u. a. in der Regel durch kommunikative und qualifizierte Mitarbeiter begünstigt.
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2. Kapitel: Aktuelles Leadership
Die Führung von künstlich geschaffenen, hinlänglich komplexen Systemen kann und muss gelernt werden. Da die Natur solche Systeme nicht kennt, kann sie diese Fähigkeit, von wenigen „Naturtalenten“ abgesehen, grundsätzlich dem Menschen nicht mitgeben. Sie hat ihn jedoch dazu befähigt, die erfolgreiche Nutzung aller von Menschen geschaffenen Systeme zu erlernen. Wie das Beispiel des Autofahrens zeigt, muss der Fahrer, also der Systemführer grundsätzlich drei Herausforderungen bewältigen: 1. die erfolgreiche Integration des Systems in seine relevante Umwelt: Beherrschen der Verkehrsregeln; 2. die erfolgreiche Abwicklung des Systems als solches: Beherrschen der autospezifischen Fahrhandlungen, wie Schalten, Bremsen, Kuppeln, ...; 3. die erfolgreiche Auswahl aus jeweils mehreren Möglichkeiten zur Lösung eines konkreten Kombinationsbündels. Erst mit dem Erwerb der letztgenannten Fähigkeit, die im Wesentlichen auf Erfahrung beruht, wird man zum Autofahrer. Obwohl bezüglich der Tatbestände eins und zwei zu gegebener Zeit alle Autofahrer über das gleiche Wissen und Können verfügen, also in etwa gleich gut sind, fahren dennoch nie alle Autofahrer gleich gut. Bei gegebener Grundlage der ersten beiden Kriterien entscheidet sich die Kompetenz eines Autofahrers letztlich in der Befähigung des dritten Kriteriums, sodass es bei gleicher Ausbildung dennoch immer bessere bzw. schlechtere Autofahrer gibt. Diese Erkenntnis lässt sich analog auf die Führung aller künstlich geschaffenen, hinreichend komplexen Systeme übertragen. Mit zunehmender Komplexität nehmen die Fähigkeit zum autodidaktischen Lernen ab und die Notwendigkeit der Fremdhilfe durch den „Fahrlehrer“ zu. Grundsätzlich muss davon ausgegangen werden, dass komplexe Systeme in einer dynamischen Umwelt nicht störungsfrei geführt werden können. Die generelle Neigung zur Disharmonie also Störanfälligkeit erfordert von den Führungskräften eine ausgeprägte Antizipations- und Adaptionsfähigkeit, d. h. einerseits mögliche Störungen rechtzeitig vorherzusehen, um sie zu vermeiden bzw. eingetretene Störungen schnellstens zu erkennen, um sie zu beheben.
D. Führungsdimensionen Bei der Umsetzung der Führungsmaximen, -sphären und -handlungen ist zu beachten, dass diese jeweils in differenzierter Orientierung realisierbar sind. Dazu haben sich drei Führungsdimensionen, die normative, die strategische und die operative Ausrichtung herausgebildet. Dogmengeschichtlich wurde die Entwicklung der Führungsdimensionen wesentlich durch die grundlegenden Erkenntnisse von Gälweiler bestimmt. Aus heutiger Sicht kann diese Differenzierung grundsätzlich auf alle Führungshandlungen, Führungsmaximen, Führungssphären übertragen werden. Dementsprechend grundlegend ausgerichtet ist: • • •
die normative Führung auf die Zielgröße Sustainabilität, die strategische Führung auf die Zielgröße Potenzialität, die operative Führung auf die Zielgröße Profitabilität.
D. Führungsdimensionen
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Im Sinne der wissenschaftlichen Untersuchung der drei Dimensionen können die drei Teilschritte unterschieden werden: 1. Anwendung des Analogieprinzips, 2. Anwendung des Differenzierungsprinzips sowie 3. Anwendung des Steigleiterprinzips.
1. Analogieprinzip Analogie bedeutet Gleichheit, Übereinstimmung bzw. gleiches Verhalten.19 Sie wird häufig angewandt, um auf der Grundlage von Bekanntem und Vertrautem dasjenige zu erforschen und zu verstehen, von dem wir keine Kenntnis haben. Der Vorteil dieser Methode liegt in der Übertragung und Anwendung vorhandenen Wissens über Elemente und Beziehungen auf das Analogon. Die Literatur unterscheidet zwischen der strukturellen, funktionalen und quantitativen Analogie als den drei grundlegenden Analogieformen.20 Unter struktureller Analogie versteht man die totale bzw. partielle Übereinstimmung zweier Systemstrukturen, d.h. der Zahl und des Wesens der Elemente sowie ihrer Verbindungen. Funktionale Analogie beschreibt die Übereinstimmung unterschiedlicher Systemstrukturen hinsichtlich definierter Aufgabenstellungen. Quantitative Analogie liegt vor, wenn zwei sich in ihrer Struktur unterscheidende Systeme quantitative Anforderungen gleichermaßen erfüllen. Auf dieser Grundlage besteht ein Analogiemodell aus den Komponenten Objekte (Teile), Theorie (Beziehungen) und Analogieschluss. Im Rahmen des Analogieschlusses leitet man aus einer bekannten Objekt-Theorie-Verbindung die neuen, zu erforschenden Verknüpfungen ab. Im Rahmen der hier dargestellten Inhalte werden analog zu operativ bereits mit Kenngrößen hinterlegten Inhalten auch auf strategischer und normativer Ebene diesem Vorgehen gefolgt. 2. Differenzierungsprinzip Zur korrekten Abbildung der Unterschiede der drei Ebenen reicht jedoch das Folgen bestehender Analogien in keinem Fall aus. Vielmehr müssen spezifische Merkmale für jede der drei Ebenen identifiziert werden, um die charakteristischen Sachverhalte der unterschiedlichen Dimensionen offenzulegen. Die Charakteristika beziehen sich v.a. auf: • das übergeordnete Ziel der einzelnen Dimensionen, • die entsprechend das Ziel beschreibende Kenngröße (Zielgröße), • die Orientierungsgröße, • die der Dimension inhärente allgemeine Aufgabenstellung, • die Ebene der Umsetzung, • die zu verwendenden Steuerungsgrößen, • die betroffenen Betrachtungsgegenstände, • die verwendeten Optimierungsmaßstäbe, • den gewählten Zeithorizont. Alle verwendeten Merkmale verfolgen den Zweck des Nachweises der spezifischen Ausprägung der drei unterschiedlichen Dimensionen.
19 20
Vgl. Hügli, A./Lübcke, P. (Hrsg.): Philosophielexikon, Hamburg 1991, S. 31 und Brugger, W. (Hrsg.): Philosophisches Wörterbuch, 14. Aufl., Freiburg 1976, S. 11. Vgl. Lehmann, F.O.: Strategische Budgetierung: Entwurf und Fundierung eines Instruments des strategischen Controllings, Frankfurt/M u.a. 1993, S. 88ff. und die dort zitierte Literatur.
32
2. Kapitel: Aktuelles Leadership
3. Steigleiterprinzip Die einzelnen Charakteristika stehen dabei nicht isoliert nebeneinander, sondern hängen wie die Tritte einer Steigleiter voneinander ab und können in sowohl nach oben als auch nach unten verknüpft werden. So bildet das übergeordnete Ziel einer jeden Dimension die Basis für die nachfolgend auszuwählenden Zielgrößen, die wiederum in ihrer Spezifikation durch die Orientierungsgrößen näher bestimmt werden. Die drei vorangegangenen Merkmale weisen der Aufgabenstellung den Weg und bilden den Rahmen für die Umsetzungsebene. Diese kann durch konkrete Steuerungsgrößen näher beschrieben werden. Die Betrachtungsmaßstäbe und Optimierungsgrößen helfen, die Umsetzung in konkrete Bahnen zu lenken. Der Zeithorizont ermöglicht eine erste grobe Einordnung in die jeweiligen Dimensionen. I. Normative Dimension Im Zuge der fortschreitenden Globalisierung, d. h. weltweiter Vernetzung und Dynamisierung, entstand die Notwendigkeit, eine erweiterte Positionierung der Unternehmen in ihrem jeweiligen Wirkungskreis vorzunehmen. Dazu dient die normative Dimension der Führung, die sich mit der generellen Begründung der Existenz der Unternehmung befasst. Sie formuliert in allgemeiner Form Normen, welche als Nachweis und Rechtfertigung für das Vorhandensein und die Art und Weise des Wirkens dienen und damit den „Charakter“ bzw. die „Seele“ einer Institution beschreiben. Diese begründen die Identität eines Systems. Das Wesen normativen Denkens und Handelns ist die generelle Begründung der Existenz einer Unternehmung. Dabei wird die Lebensfähigkeit durch die Festlegung und die Aufrechterhaltung der Identität auf der Grundlage einer konkreten Systemkonfiguration bestimmt. Die Bereitschaft eines Systems, interne und externe Wünsche und Anforderungen zu adaptieren und zu realisieren, beschreibt seine Entwicklungsfähigkeit.21 Zielsetzung ist die Sustainabilität. Sie begründet in umfassendem Sinne die Nachhaltigkeit unternehmerischen Denkens und Handelns als wirtschaftliche, ökologische, soziale und ethische Basis der nachfolgenden Dimensionen. Die Sustainabilität beschreibt somit das normative Grundvermögen eines Unternehmens.
Orientierungsgrößen sind die Erfolgspostulate der Unternehmen. Sie stellen den wesentlichen Wertekanon zur Begründung des Daseins und zur Förderung der Evolution eines Unternehmens dar und schaffen die relevanten Voraussetzungen für die dauerhafte Existenzberechtigung und aktuelle Erfolgssicherung. Sie werden durch entsprechende Postulatsfaktoren bestimmt und beeinflusst, die ihrerseits durch die drei Eigenschaften Wirkung (Stoßrichtung), zeitliche Entwicklung (gleichbleibend, sich verstärkend oder abschwächend) und Eintrittswahrscheinlichkeit charakterisiert sind. Beispiele für Erfolgspostulate sind:
21
Bleicher, K.: Das Konzept Integriertes Management, Frankfurt am Main/New York, 1999.
D. Führungsdimensionen
33
„Unser Ziel ist es, die individuellen Fähigkeiten der Patienten zu erhalten, zu fördern und wiederherzustellen.“ Stiftung Rehabilitation Heidelberg (SRH) „Nichts ist unmöglich“ Toyota „Wir können alles außer Hochdeutsch“ Land Baden-Württemberg „Herausforderung Energie: Packen wir‘s an“ Esso „Lebst du noch, oder wohnst du schon?“ Ikea „Otto … find‘ ich gut“ (Otto Versand) „Leistung aus Leidenschaft“ Deutsche Bank Die vorstehenden Beispiele zeigen, dass bei der Formulierung von Erfolgspostulaten folgende Kriterien zu beachten sind: • •
• • • • • • •
Erfolgspostulate sollen sich an Adressaten wenden; interne Adressaten sollen sich herausgefordert fühlen, externe Adressaten sollen für einen partnerschaftlichen Wertetransfer gewonnen werden. Erfolgspostulate sollen Appelle bezüglich ethischer, technischer, ökonomischer, ökologischer, sozialer usw. Wertvorstellungen in Form einer Aufforderung für die Mitarbeiter, ihr Denken und Verhalten entsprechend zu orientieren bzw. in Form einer Botschaft für das Umfeld, um einzigartige Vorteile durch ihre Überzeugungskraft zu erlangen, beinhalten. Erfolgspostulate sollen der eindeutigen Differenzierung und damit Abgrenzung gegenüber den Mitbewerbern im Sinne eines „Alleinstellungsmerkmals“ dienen. Erfolgspostulate sollen profunde Inhalte mit emotionaler Wirkung sympathisch zum Ausdruck bringen. Erfolgspostulate sollen sich durch kurze, prägnante und schlagkräftige Formulierungen und eine konzentrierte Verdichtung der Gesamtphilosophie auszeichnen. Erfolgspostulate sollen rhythmisch und/oder melodisch klingen. Erfolgspostulate sollen „Allgemeingutcharakter“ gewinnen. Erfolgspostulate sollen das Unternehmen, einzelne Geschäftsfelder bzw. spezifische Leistungen als Bezugsobjekt haben. Erfolgspostulate sollen keine Werbeslogans sein.
Erfolgspostulate haben Normcharakter. Sie bilden die Grundlage für die Identifikation (Festlegung) der strategischen Erfolgspotenziale, sind also deren unmittelbare Vorsteuergrößen sowie mittelbare Vorsteuerungsgrößen für die operativen Erfolgsergebnisse.
Aufgabenstellung der normativen Führung ist die Formulierung, Pflege und Fortschreibung von Erfolgspostulaten in Form der Vision eines Unternehmens. Die Umsetzung der normativen Führung erfolgt im Rahmen eines normativen Statuts, der sich inhaltlich mit der Corporate Responsibility eines Unternehmens auseinandersetzt. Die wesentlichen Bausteine im Sinne der nachhaltigen Kaskadierung in das Unternehmen sind die Vision, die Unternehmenspolitik, die Unternehmensverfassung und die Unternehmenskultur. Die normative Dimension gibt damit die Rahmenbedingung für die strategische und operative Dimension ab. Die Corporate Responsibility eines Unternehmens definiert sich hierbei als „der fortlaufende Einsatz der Wirtschaft, sich ethisch richtig zu verhalten und einen Beitrag zur ökonomischen Entwicklung zu leisten. Gleichzeitig soll die Lebensqualität der Arbeitskräfte, ihrer Familien sowie der lokalen Community und der Gesellschaft als Ganzes verbessert wer-
34
2. Kapitel: Aktuelles Leadership
den.“22 Zur Umsetzung dieses Nachhaltigkeitsgedankens (Sustainability) sagt die Europäische Kommission, dass „obwohl die primäre Aufgabe eines Unternehmens darin besteht, Gewinne zu erzielen, … es gleichzeitig einen Beitrag zur Erreichung sozialer und ökologischer Ziele leisten kann, indem es die soziale Verantwortung in seine grundsätzliche Unternehmensstrategie, seine Managementinstrumente und seine Unternehmensaktivitäten einbezieht.“ Zur Wahrnehmung der Corporate Responsibility unterscheidet man heute in Theorie und Praxis drei wesentliche Verantwortungsbereiche. Die ökonomische Verantwortung beschreibt vornehmlich die Sicherstellung einer langfristigen Wertschöpfung, die ökologische Verantwortung zielt dagegen auf eine anhaltende Beachtung des Schutzes der Umwelt und die soziale Verantwortung legt ihren Fokus auf den positiven Umgang mit allen Stakeholdern der Organisation. Nur durch ein ganzheitliches Bewusstsein für die Bedeutung und Umsetzung aller Verantwortungsbereiche kann ein nachhaltiger Unternehmenserfolg, im Sinne der ökonomischen, ökologischen und sozialen Verträglichkeit des Unternehmens inter- und intrasystemisch dauerhaft sichergestellt werden. Daraus ergibt sich eine doppelte Fokussierung der Nachhaltigkeit sowohl im Verhältnis des Unternehmens mit seiner Umwelt wie auch innerhalb des Unternehmens zwischen seinen Elementen und Subsystemen.23 „Die Vision ist ein konkretes Zukunftsbild, nahe genug, dass wir die Realisierbarkeit noch sehen können, aber schon fern genug, um die Begeisterung der Organisation für eine neue Wirklichkeit zu erwecken.“24 „Sie ist das Dach, der rote Faden, unter den sich Strategien, Absichtserklärungen, Projekte und Maßnahmen im Unternehmen bewusst unterordnen.“25 Das Mission Statement bildet die klare Kommunikation des Zukunftsbildes ins Unternehmensinnere und in Richtung der Stakeholder. Die Unternehmenspolitik stellt die „Gesamtheit von Unternehmensgrundsätzen, die in einem Leitbild festgehalten, oft aber auch mündlich weitergegeben werden,“26 dar. Sie definiert also die generellen Ziele, die gewollte Grundorientierung und soll die Entwicklung von Erfolgspotenzialen ermöglichen. Die Unternehmensverfassung definiert mit ihren konstitutiven Rahmenregelungen Gestaltungsräume und -grenzen und legt damit einen generell zu respektierenden Verhaltensrahmen im Sinne einer Richtlinie nach innen und außen fest. Dabei sind auch Gesetze, wie z. B. das KonTraG (Kontroll- und Transparenzgesetz), das TransPuG (Transparenz- und Publikationsgesetz) und der SOX (Sarbanes-Oxley-Act), bzw. Empfehlungen, wie z. B. der Deutscher Corporate Governance Kodex, zu beachten. Die Unternehmenskultur basiert dagegen auf den gemeinsam anerkannten Normen, Werten und Denkhaltungen einer Unternehmung. Sie prägt das Verhalten der Mitarbeiter auf allen Hierarchiestufen und damit die Identität des Unternehmens.27 22
Definition des World Business Council for Sustainable Development Corporate Social Responsibility (CSR). Die ethische Verantwortung von Unternehmen für Ökologie, Ökonomie und Soziales: Entwicklung, Initiativen, Berichterstattung, Bewertung; Beatrix Kuhlen. 24 Boston Consulting Group: Vision und Strategie. Die 34. Kronberger Konferenz, München 1988, S. 7. 25 Mann, R.: Das visionäre Unternehmen. Der Weg zur Vision in zwölf Stufen, Wiesbaden 1990, S. 26. 26 Hinterhuber, H.: Strategische Unternehmensführung, Bd. I: Strategisches Denken und Bd. II: Strategisches Handeln, 4. Aufl. Berlin/New York 1997. 27 Vgl. zur Unternehmenskultur u. a.: Bleicher, K.: Unternehmungskultur und strategische Unterneh23
D. Führungsdimensionen
35
Die Steuerung, d. h. die Überprüfung der Aussage- und Leistungsfähigkeit der Normen und ihrer Umsetzung, muss auf die Verträglichkeit bzw. Integrationsfähigkeit ausgerichtet werden. Die Verträglichkeit beschreibt dabei den Grad der Übereinstimmung bzw. Widersprüchlichkeit der Normen mit den entsprechenden Wertvorstellungen des relevanten Umfelds bzw. Innenfelds im Sinne der Außen- bzw. Innenwirkung. Als entsprechende Steuerungsgrößen dienen hierzu die Externe, Interne und Gesamtverträglichkeit. Voraussetzung hierfür sind die Erfassung, Bewertung und Abbildung der im Unternehmen und in seinem Umfeld vorhandenen Erfolgspostulate. Als konkreter Betrachtungsgegenstand der normativen Dimension dient der Wirkungskreis des Unternehmens. Die optimale Realisierung der normativen Dimension kann am Grad der Ausprägung der Identität eines Unternehmens gemessen werden. Der Zeithorizont für die normative Dimension beginnt mit der Idee zur Gründung und endet mit der Auflösung des Unternehmens.
normative Dimension Wesen
generelle Existenzbegründung
Zielsetzung
Schaffung von Sustainabilität
Orientierungsgröße
Erfolgspostulate
Aufgabenstellung
Pflege vorhandener sowie Erkennen und Schaffen neuer Postulate
Umsetzung
Normen im Rahmen normativer Instrumente
Steuerungsgrößen
externe Verträglichkeit Gesamtverträglichkeit interne Verträglichkeit
Gegenstände
Wirkungskreise, Wirkungsfelder
Optimierungsmaßstäbe
Identität, Übereinstimmung von Selbst- und Fremderkenntnis = Corporate Identity = Persönlichkeit „in der richtigen Institution das Richtige richtig tun“
Zeithorizont
von der Idee zur Gründung bis zur Auflösung
Abb. 14: Normative Dimension
mensführung, in: Hahn, D./Taylor, B. (Hrsg.): Strategische Unternehmensplanung – Strategische Unternehmensführung, 8. Aufl., Heidelberg 1999, S. 223 – 265.
36
2. Kapitel: Aktuelles Leadership
II. Strategische Dimension Das Wesen strategischen Denkens und Handelns ist die Sicherung der dauerhaften Berechtigung der Existenz einer Unternehmung. Dazu werden in allgemeiner Form Strategien formuliert, welche als Nachweis und Rechtfertigung für das Vorhandensein und die Art und Weise des Wirkens eines Unternehmens dienen. Zielsetzung ist die Potenzialität, die sich in dauerhaftem Sinne mit der Erhaltung der Unternehmenssubstanz auseinandersetzt. Die Potenzialität beschreibt somit das „strategische Grundvermögen“ eines Unternehmens. Das Streben nach optimaler Potenzialität realisiert die dauerhafte Existenzberechtigung und schafft geeignete Voraussetzungen für eine wirtschaftliche, rentable und liquide Unternehmung.
Orientierungsgrößen sind die Erfolgspotenziale der Unternehmung. Sie werden durch entsprechende Potenzialfaktoren bestimmt und beeinflusst, die ihrerseits durch die drei Eigenschaften Wirkung (Stoßrichtung), zeitliche Entwicklung (gleichbleibend, sich verstärkend oder abschwächend) und Eintrittswahrscheinlichkeit charakterisiert sind. Beispiele hierfür sind die Qualifikation der Mitarbeiter und Führungskräfte, das Know-how, die Marktmacht eines Unternehmens usw. Sie stellen jeweils die Grundlage für den operativen Erfolg dar und sind als unmittelbare Vorsteuergrößen des operativen Erfolgsergebnisses zu verstehen. Gleichzeitig bilden sie die Kontrollgrößen für die normativen Erfolgspostulate. Die dauerhafte Existenzberechtigung des Unternehmens setzt grundsätzlich das Vorhandensein von Potenzialen voraus. Ihre erfolgreiche Nutzung ermöglicht dann die kurzfristige Existenzsicherung mithilfe eines positiven Unternehmensergebnisses. Eine diesbezügliche Garantie besteht jedoch nicht. Ausnahmsweise kann also ein Unternehmen, das über hohe Potenziale und damit über eine hervorragende Zukunft verfügt, kurzfristig durch Illiquidität scheitern. Umgekehrt wird damit aber auch vorstellbar, dass ein Unternehmen, das derzeit hohe Gewinne erzielt, aufgrund einer überzogenen Nutzung der vorhandenen und/oder dem Versäumnis der Schaffung neuer Potenziale keine Zukunft besitzt. Daraus resultiert das Problem der Optimierung innerhalb sowie zwischen der strategischen und operativen Führung. Die strategische Größe Erfolgspotenzial bildet die Grundlage für den Umfang der vorhandenen Potenzialität. Die grundlegende Bedeutung der Potenziale für die dauerhafte Berechtigung der Existenz von Unternehmen ist somit evident. Ihre Gestaltung im Rahmen der strategischen Planung macht es erforderlich, Erkenntnisse über den Umfang, die jeweilige Ausprägung sowie die gegenseitige Abhängigkeit der Potenziale zu gewinnen. Beispiele für Potenziale sind: • • • • • •
Erscheinungsbild (Image), Marktmacht, Qualifikation der Führungskräfte und Mitarbeiter, Qualität der Struktur, der Prozesse und der Systeme, positives Selbstbild (Betriebsklima), idealer Standort.
Aufgabenstellung der strategischen Führung ist die Pflege der vorhandenen Potenziale soweit diese zukünftig noch von Bedeutung sind sowie das rechtzeitige Erkennen und Schaffen neuer Potenziale soweit diese in Zukunft erforderlich werden im Sinne einer
D. Führungsdimensionen
37
optimalen Nutzung der normativen Erfolgspostulate. Sie bilden das „gesamte Gefüge aller jeweils produkt- und marktspezifischen, erfolgsrelevanten Voraussetzungen, die spätestens dann bestehen müssen, wenn es um die Erfolgsrealisierung geht“. Dabei ist die „produktund marktspezifische“ Ausrichtung im logistischen Sinne auf den gesamten Leistungserstellungs- und -verwertungsprozess zu beziehen. Um die strategischen Potenziale erreichen zu können, müssen Strategien, d. h. Wege zur Zielerreichung mithilfe strategischer Instrumente entwickelt werden. Die Überprüfung der Durchsetzung der Strategien erfolgt durch die strategischen Steuerungsgrößen in Form der Externen, Internen und Gesamtpotenzialität. Voraussetzung hierfür sind die Erfassung, Bewertung und Abbildung der im Unternehmen und in seinem Umfeld vorhandenen Erfolgspotenziale. Als konkreter Betrachtungsgegenstand der strategischen Dimension dienen die Problemstellungen des Markts bzw. der Kunden. Ihre bestmögliche Identifikation wird durch den Grad der Effektivität des Unternehmens („Machen wir das Richtige?“) gemessen. Der Zeithorizont für die strategische Dimension erstreckt sich nicht bis zur Schließung des Unternehmens, er umfasst vielmehr den gesamten operativen Zeitraum und geht über diesen hinaus. Dies bedeutet, dass strategisches im Sinne von perspektivischem Denken in der Gegenwart beginnt, aber nicht durch einen konkreten Zeitpunkt, sondern durch eine vorläufig letzte, am weitesten vorausschauende unternehmensrelevante Erkenntnis im Sinne einer offenen Zukunft begrenzt wird.
strategische Dimension Wesen
dauerhafte Existenzberechtigung
Zielsetzung
Schaffung von Potenzialität
Orientierungsgröße
Erfolgspotenziale
Aufgabenstellung
Pflege vorhandener sowie Erkennen und Schaffen neuer Potenziale durch Nutzung der Erfolgspostulate
Umsetzung
Strategien im Rahmen strategischer Instrumente
Steuerungsgrößen
externe Potenzialität (Marktmacht) Gesamtpotenzialität interne Potenzialität (Mitarbeiter)
Gegenstände
Problemstellungen, Geschäftsfelder und -einheiten
Optimierungsmaßstäbe
Effektivität
Zeithorizont
von der Gegenwart in eine offene Zukunft
Abb. 15: Strategische Dimension
38
2. Kapitel: Aktuelles Leadership
III. Operative Dimension Das Wesen operativen Denkens und Handelns ist die Sicherung der aktuellen Existenz der Unternehmung. Sie formuliert Operationen, welche zur Erzielung des Unternehmenserfolgs geeignet sind. Zielsetzung ist die Profitabilität, die sich auf die aktuelle Ergebnissituation im Unternehmen bezieht. Die Profitabilität beschreibt somit das „operative Grundvermögen“ eines Unternehmens. Das Streben nach optimaler Erfolgsfähigkeit realisiert die aktuelle Existenzsicherung und schafft geeignete Voraussetzungen für eine wirtschaftliche, rentable und liquide Unternehmung. Als operative Orientierungsgröße gilt das Erfolgsergebnis. Dieses wird bestimmt und beeinflusst durch entsprechende Erfolgsfaktoren in Form von bspw. Absatzmöglichkeiten, Lieferantenbeziehungen, Personaleinarbeitung, die ihrerseits durch die drei Eigenschaften: Wirkung (Stoßrichtung), zeitliche Entwicklung (gleichbleibend, sich verstärkend oder abschwächend) und Eintrittswahrscheinlichkeit charakterisiert sind. Dies bedeutet schlussendlich eine Optimierung des Gewinns bzw. eine Minimierung des Verlusts. Non-ProfitInstitutionen erreichen ihr operatives Ziel in Form der Kostendeckung. Der Unternehmenserfolg ist die unmittelbare Kontrollgröße für die Erfolgspotenziale und die mittelbare für die Erfolgspostulate.
Aufgabenstellung der operativen Führung ist die Pflege vorhandener sowie das Erkennen und Schaffen neuer Ergebnisse im Sinne der optimalen Nutzung der strategischen Erfolgspotenziale. Um die operativen Ziele zu erreichen, müssen Operationen, d.h. Maßnahmen und Aktionen zur Zielerreichung, im Rahmen operativer Systeme entwickelt werden. Die Überprüfung der Umsetzung der Operationen erfolgt mithilfe der operativen Steuerungsgrößen in Form der Liquidität, Rentabilität und der Wirtschaftlichkeit. Voraussetzung hierfür sind die Erfassung, Bewertung und Abbildung der im Unternehmen und in seinem Umfeld vorhandenen Erfolgsergebnisse. Als konkreter Gegenstand der operativen Dimension dienen die Leistungen/Produkte des Unternehmens. Ihre optimale Realisierung kann an der Effizienz („Machen wir die Dinge richtig?“) des Unternehmens gemessen werden. Der Zeithorizont für die operative Dimension ist geschlossen und umfasst in der Regel eine Periode von ca. drei bis fünf Jahren. Begründen lässt sich diese Befristung mit der Tatsache, dass eine darüber hinausgehende Beschäftigung mit der Zielgröße Profitabilität aufgrund ihrer Abhängigkeit von den Potenzialen einerseits nicht erforderlich ist und andererseits in Spekulation ausartet. Innerhalb der operativen Dimension können in sich geschlossene Betrachtungszeiträume in kurzfristiger (Monat/Quartal/Halbjahr), mittelfristiger (ein Jahr) und langfristiger (bis zu fünf Jahren) Form gebildet werden.
D. Führungsdimensionen
39
operative Dimension Wesen
aktuelle Existenzsicherung
Zielsetzung
Schaffung von Profitabilität
Orientierungsgröße
Erfolgsergebnis
Aufgabenstellung
Pflege vorhandener sowie Erkennen und Schaffen neuer Ergebnisse durch Nutzung der Erfolgspotenziale
Umsetzung
Operationen im Rahmen operativer Instrumente und Systeme
Steuerungsgrößen
Liquidität Rentabilität Wirtschaftlichkeit
Gegenstände
Leistungen; Produkte und Dienstleistungen
Optimierungsmaßstäbe
Effizienz
Zeitrahmen
1–3 Jahre, untergliedert in Perioden
Abb. 16: Operative Dimension Die mehrdimensionale Entwicklung bedeutet eine ständige Erweiterung und Vertiefung der bewusst gestalteten Unternehmensführung. Die daraus resultierende Komplexitätssteigerung kann nur durch eine entsprechende Qualifizierung in Form des lebenslangen Lernens durch die Führungskräfte bewältigt werden.
40
2. Kapitel: Aktuelles Leadership
Zusammenfassend ergibt sich für die Dimensionierung der Unternehmensführung folgender Überblick.
normative, strategische und operative Dimension Dimension
normativ
strategisch
operativ
Wesen
generelle Existenzbegründung
dauerhafte Existenzberechtigung
aktuelle Existenzsicherung
Zielsetzung
Schaffung von Sustainabilität
Schaffung von Potenzialität
Schaffung von Profitabilität
Orientierungsgrößen
Erfolgspostulate „gefühlt“
Erfolgspotenziale „gedacht“
Erfolgsergebnis „gemacht“
Aufgabenstellung
Pflege vorhandener sowie Erkennen und Schaffung neuer Postulate
Pflege vorhandener sowie Erkennen und Schaffung neuer Potenziale durch Nutzung der Erfolgspostulate.
Pflege vorhandener sowie Erkennen und Schaffung neuer Ergebnisse durch Nutzung der Erfolgspotenziale
Umsetzung
Normen im Rahmen normativer Instrumente
Strategien im Rahmen strategischer Instrumente
Operationen im Rahmen operativer Systeme
Steuerungsgrößen
externe Verträglichkeit Gesamtverträglichkeit interne Verträglichkeit
externe Potenzialität Gesamtpotenzialität interne Potenzialität
Liquidität Rentabilität Wirtschaftlichkeit
Gegenstände
Wirkungskreise
Problemstellungen
Leistungen
Optimierungsmaßstäbe
Identität
Effektivität
Effizienz
Zeithorizont
von der Idee zur Gründung bis zur Auflösung in eine offene Zukunft, strukturiert in Visionen
von der Gegenwart in eine determinierte Zukunft, strukturiert in Arbeitsfelder und Projekten
1–3 Jahre, untergliedert in Perioden; strukturiert in Funktionsbereichen
Abb. 17: Normative, strategische und operative Dimension im Vergleich
D. Führungsdimensionen
41
Die bewusst gestaltete, mehrdimensional orientierte Unternehmensführung bewirkt als grundlegendes Problem die inhaltlich eigenständigen Teilbereiche aufeinander abzustimmen, da sie als isolierte Bausteine nur eine begrenzte Leistungsfähigkeit besitzen. Die Integration vollzieht sich in zwei Phasen. Die Orientierungsphase stellt die Vorsteuerung dar. Diese basiert auf dem Prinzip der Ziel-/Mittelrelation, d. h. die normative und die strategische Dimension haben jeweils Zielcharakter für die strategische und die operative Dimension bzw. die strategische und die operative Dimension stellen jeweils Mittel für die normative bzw. strategische Dimension dar. Die Abgleichungsphase stellt die Nachsteuerung dar. Diese basiert auf dem Prinzip der Mittel-/Zielrelation, d. h. die jeweils realisierten Werte der operativen und strategischen Dimension haben Mittelcharakter für die strategische und normative Dimension und zeigen zugleich die Qualität und den Erfüllungsgrad der strategischen und normativen Zielvorstellungen.
normative Dimension
strategische Dimension dauerhafte Existenzberechtigung
Abgleichungsphase
Vorsteuerung: Ziel-/Mittelrelation
Orientierungsphase
generelle Existenzbegründung
Nachsteuerung: Mittel-/Zielrelation
operative Dimension aktuelle Existenzsicherung
Abb. 18: Integration der Führungsdimensionen Eine Betrachtung der Entwicklung der Unternehmensführung in der Praxis lässt folgende Entwicklungsphasen erkennen: •
•
Monistische (eindimensionale) Führung: Bis Mitte der 1970er Jahre wurde weitgehend eine dominant operative Führung bewusst betrieben, wobei strategische Elemente nur unbewusst, unterschwellig eingebracht wurden. Dualistische (zweidimensionale) Führung: Auf der Grundlage der wissenschaftlichen Erkenntnisse von Gälweiler wurde es möglich, die strategische Dimension der Führung bewusst, d. h. auf erlernbaren Erkenntnissen basierend, zu betreiben. Als neue Problematik entstand die Herausforderung, eine
42
•
2. Kapitel: Aktuelles Leadership
entsprechende Abstimmung zwischen der operativen und strategischen Ausrichtung herbeizuführen. Das normative Element blieb weiterhin im unbewussten Bereich. Trialistische (dreidimensionale) Führung: Mit der fortschreitenden inhaltlichen Konkretisierung und theoretischen Fundierung entwickelt sich aktuell die normative Orientierung zunehmend zu einer dritten, eigenständigen Führungsdimension, die es bewusst zu gestalten gilt. Darüber hinaus muss es auf Dauer gelingen, eine funktionstüchtige Integration mit den strategischen und operativen Ansätzen herbeizuführen.
IV. Systemisch-ganzheitlicher Führungsansatz Die aktuelle Erkenntnis bezüglich eines umfassenden Führungsansatzes basiert auf der integrierten und zugleich ganzheitlichen Umsetzung der Führungsmaximen, der Führungssphären, der Führungshandlungen und der Führungsdimensionen als Leadershipmodell für Institutionen, die in einem wettbewerbsgeprägten Umfeld agieren. Die aktuelle Umsetzung der vorliegenden Führungserkenntnisse erfordert die Fähigkeit, unter Berücksichtigung der jeweils gegebenen Wettbewerbssituation situativ eine geeignete Kombination aus Führungsmaximen, -sphären, -handlungen und -dimensionen auszuwählen, um konkrete Führungsprobleme bestmöglich zu lösen. Kompetente Führung begründet sich in der Befähigung, erfolgreich mit einer steigenden Komplexität umzugehen. Unter Berücksichtigung des systemischen Ansatzes der Betriebswirtschaftslehre wird unter Komplexität generell die Fähigkeit eines Systems verstanden, in einer gegebenen Zeitspanne eine große Zahl von verschiedenen Zuständen annehmen zu können (Ulrich/Probst). Die Besonderheit liegt hierbei in der Herausforderung, vorherzusagen, aus welchem Zustand in welchen Zustand sich das System Betrieb in welcher Zeit entwickeln wird. Generell basiert die Komplexität auf der Verknüpfung von Kompliziertheit und Dynamik.
D. Führungsdimensionen
43
ark ng eti
Tr
M
Innovation
Controlling
maximen
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Lo gi s tik
Führungs-
ea su rin g
normativ
Führungs-
politisch
technisch
rechtlich
sphären
sozial
ökologisch
operativ
strategisch
ökonomisch
Delegieren en ier it v en Kont o ier rol M s i lie n ren ga r O
Führungs-
Zi el eb ild en Entscheiden
handlungen
Q u ali fi z i P la er en ne n
Kommunizieren
Führungsdimension
Abb. 19: House of Leadershipifc Das Phänomen der Komplexität von Betrieben wird durch zwei Tatbestände bestimmt. Einerseits lassen sich in Systemen im Sinne von Bausteinen die Struktur und die Prozesse gegeneinander abgrenzen, womit die Kompliziertheit determiniert wird. Andererseits können Systeme im Sinne ihres Charakters einen statischen bzw. dynamischen Zustand annehmen, wodurch die Dynamik charakterisiert wird. Die Kompliziertheit wird durch die Qualität der Veränderungen durch das System bemessen, die Dynamik dagegen durch die Quantität der Veränderungen durch das System. Bei diesen Veränderungen handelt es sich nicht
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2. Kapitel: Aktuelles Leadership
um Veränderungen am System von außen (bspw. Einbau eines Navigationssystems am Auto), sondern um Veränderungen im System von innen (bspw. Entwicklung eines neuen Produkts). In beiden Fällen sind jeweils aufsteigende bzw. absteigende Entwicklungen möglich. Statisch ist ein System, wenn weder qualitative noch quantitative Entwicklungen in der Systemstruktur stattfinden. Komplexität basiert damit generell auf dem Dualismus von Kompliziertheit und Dynamik. Die Struktur von Betrieben setzt sich aus Elementen und Subsystemen zusammen. Intern sind dies z. B. die Produktionsfaktoren und die Funktionsbereiche. Extern handelt es sich um das dominante ökonomische Umfeld sowie um die generelle Umwelt. Die Prozesse in Betrieben stellen wechselseitige Beziehungen dar. Intern lassen sich vor allem ökonomische, technische, soziale, juristische und ökologische Abläufe differenzieren. Extern sind die Verhältnisse zum dominanten ökonomischen Umfeld sowie zur generellen Umwelt zu unterscheiden. Dabei ist jeweils eine unbegrenzte Interdependenz zu unterstellen. Die Vielfalt an Beziehungen und die Differenziertheit der Elemente führt zu einem komplizierten System Unternehmung. Die erfolgreiche Gestaltung der Komplexität macht zwei Kompetenzen erforderlich, die Adaptionsfähigkeit und die Entwicklungsfähigkeit. Bei der Adaptionsfähigkeit geht es um das Erkennen und Annehmen, bei der Entwicklungsfähigkeit um den Umgang und die Nutzung mit der Komplexität. Der Aufbau und die Pflege beider Kompetenzen ermöglichen die optimale Gestaltung einer beherrschbaren Dynamik. Darauf basiert in entscheidendem Maße die Werterhaltung und Wertsteigerung von Betrieben als fundamentaler Existenzbedingung. Der Umgang mit der Komplexität kann als Wechselspiel zwischen Komplexitätsreduktion und Komplexitätserhöhung verstanden werden. Erstere konkretisiert sich in der Schaffung von Transparenz durch Ordnung, letztere in der Schaffung von Vielfalt durch das Chaos. In ihrer extremen Ausführung tendieren sie zur Bürokratisierung bzw. Explosion des Systems Betrieb. Dabei sind die inter- und intrasystemischen Gestaltungsparameter zu beachten. In einem Unternehmensumfeld, das zunehmend durch internationalen Wettbewerb, Technologisierung und verkürzte Produktlebenszyklen gekennzeichnet ist, ist die strategische Ausrichtung in vielen Bereichen der entscheidende Wettbewerbsvorteil. Nur so kann heute die dauerhafte Existenzsicherung für Unternehmen nachhaltig vorangetrieben werden. Analysiert man die Gründe des derzeit und in Zukunft bestehenden Wandels genauer, können generell drei unterschiedlichen Ebenen identifiziert werden: •
•
•
Kontinuität vs. Diskontinuität: Das Verhältnis zwischen Kontinuität und Diskontinuität bezeichnet den Wandel von stetigen, berechenbaren Entwicklungen, die der Erfahrung in Form des Faktenwissens eine hohe Bedeutung zukommen lassen, hin zu unstetigen, unberechenbaren Entwicklungen (True Ambiguity). Transparenz vs. Komplexität: Die Entwicklung von einer transparenten Umwelt hin zu überwiegender Komplexität zeichnet sich im Wandeln von durchschaubaren, verständlichen Tatbeständen, die ein hohes Maß an Sicherheit entstehen lassen, hin zu mehr und mehr undurchschaubaren, unverständlichen Tatbeständen aus, die eine zunehmende Verunsicherung bei den Mitarbeitern und Führungskräften bewirken; Eigendynamik vs. Fremddynamik: Die weitgehende Selbstbestimmung, welche die Gefahr der Überschätzung der eigenen Fähigkeiten, Kompetenzen und Wettbewerbsvorteile in sich birgt, wird durch eine stei-
D. Führungsdimensionen
45
gende Fremdbestimmung abgelöst, die das Problem der rechtzeitigen Adaption und konsequenten Umsetzung durch die Führungskräfte bewirkt. Um den Veränderungen auf den genannten drei Ebenen erfolgreich begegnen zu können, bedarf es eines grundlegenden Wandels in der Ausrichtung des Controlling. Es muss auf das logische Ganze ausgerichtet werden, um an der Turbulenz und Komplexität des Umfelds nicht zu scheitern. Um dieser Anforderung gerecht zu werden, hat ein erfolgreiches Controlling acht wesentliche Felder und Objekte ganzheitlich im Blick zu behalten. Diese sind zum einen die Kostenseite, die Kundenanforderungen, die Qualitätsanforderungen, das Risikomanagement, die Auswirkungen internationaler Vorschriften bspw. in der Rechnungslegung, das Zeitmanagement, sowie die Strategie- und Wissenssteuerung. Nur so kann die Sicherstellung der Adaptions- und Antizipationsfähigkeit eines Unternehmens ganzheitlich gewährleistet werden.
Führung = erfolgreicher Umgang mit Komplexität Komplexitätsreduktion
Komplexitätserhöhung
Schaffung von Transparenz durch Ordnung
Schaffung von Vielfalt durch Chaos
Tendenz zur Bürokratisierung
Tendenz zur Explosion
Wechselspiel zur inter- undintrasystemischen Gestaltung einer beherrschbaren Dynamik
Adaptionsfähigkeit
Entwicklungsfähigkeit
Wertsteigerung Abb. 20: Erfolgreicher Umgang mit Komplexität
46
3. Kapitel: Steuerungsgrößen
3. Kapitel: Steuerungsgrößen Bei der Realisierung der Unternehmensführung durch die Führungskräfte kommt den Steuerungsgrößen eine besondere Bedeutung zu. Sie stellen das Handwerkszeug, die Hebel zur Vorbereitung, Überprüfung und Auswertung einer integrierten Systemsteuerung dar. Entsprechend der drei Führungsdimensionen ist zwischen der normativen, strategischen und operativen Steuerung zu unterscheiden. Innerhalb der jeweiligen Führungsdimension sind dann wiederum drei unterschiedliche Integrationsaspekte steuerungsmäßig zu beachten. Die Externe Integrationsfähigkeit beschreibt das Beziehungsverhältnis zwischen dem Subsystem und dem übergreifenden System, d. h. zwischen dem Unternehmen und seiner relevanten gesellschaftlichen Umfeld. Die Interne Integrationsfähigkeit beschreibt das Beziehungsverhältnis zwischen den Systemelementen, d. h. das widerspruchsfreie Zusammenwirken der Produktionsfaktoren und Funktionsbereiche im Unternehmen. Die Gesamtintegrationsfähigkeit verbindet das externe mit dem internen Beziehungsverhältnis, d. h. sie beschreibt also die Ausgewogenheit zwischen den beiden Integrationsfeldern. In jedem der drei unterschiedlichen Steuerungsaspekte wird jeweils eine optimale Realisierung angestrebt, die in Form eines entsprechenden Wirkungsgrads ausgedrückt wird. Zur eindeutigen Identifizierung einer Steuerungsgröße sind ihre Definition, ihre Erfassung und ihre Darstellung erforderlich. Die Erfassung geschieht auf der Basis von Begriffspaaren und entsprechenden Bewertungen. Dabei sind jeweils der Entstehungszeitpunkt, der Erkennungszeitpunkt und der Erfassungszeitpunkt bzw. -zeitraum zu beachten.
A. Normative Steuerungsgrößen Die normative Steuerung des Systems Unternehmung basiert auf den drei Steuerungsgrößen Externe Verträglichkeit, Interne Verträglichkeit und Gesamtverträglichkeit, die durch entsprechende Begriffspaare erfasst und ihrerseits durch Werte in Form von Gefühlen konkretisiert werden.
I. Definition der normativen Steuerungsgrößen Die Externe Verträglichkeit beschreibt den Grad der wertemäßigen Akzeptanz des Unternehmens in seiner relevanten Umwelt, d. h. in welchem Umfang es mithilfe der Erfolgspostulate gelingt, die aktuelle und zukünftige externe Aktivierungsfähigkeit zu entfalten, soweit diese für die Existenz und Entwicklung des Unternehmens bedeutsam ist. Die Interne Verträglichkeit beschreibt den Grad der wertemäßigen Akzeptanz des Unternehmens in seinem relevanten Innenfeld, d. h. in welchem Umfang es mithilfe der Erfolgspostulate gelingt, die aktuelle und zukünftige interne Aktivierungsfähigkeit zu entfalten, soweit sie für die Existenz und Entwicklung des Unternehmens bedeutsam ist. Die Gesamtverträglichkeit beschreibt den Grad der wertemäßigen Akzeptanz des Unternehmens im Zusammenwirken zwischen dem relevanten Innenfeld und dem relevanten Umfeld, d. h. in welchem Umfang es mithilfe der Erfolgspostulate gelingt, die aktuelle und zukünftige interne und externe Aktivierungsfähigkeit zu entfalten, soweit sie für die Existenz und Entwicklung des Unternehmens bedeutsam ist.
A. Normative Steuerungsgrößen
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II. Erfassung der normativen Steuerungsgrößen Die Erfassung der externen Verträglichkeit erfolgt mithilfe des Begriffspaars Passion (Passion) im Sinne von Begeisterungsfähigkeit und Apathie (Leidenschaftslosigkeit) im Sinne von Ignoranz/Gleichgültigkeit. Als Beispiel für Passion gilt die Überzeugung, Leistungen eines Unternehmens unbesehen und kritiklos zu akzeptieren und mit Begeisterung und Stolz zu nutzen, wie etwa das Fahren eines Porsches oder die Bevorzugung biologisch angebauter Nahrungsmittel. Als Beispiel für Apathie kann die dauerhafte Ablehnung der Angebote eines Unternehmens aufgrund von Enttäuschungen gesehen werden, wie etwa die Weigerung, ein Urlaubsland wegen einer erlittenen Entführung zu besuchen oder die Zurückweisung von genmanipulierten Nahrungsmitteln. Grundsätzlich kann die Externe Verträglichkeit folgende Tendenzen annehmen: • •
Positive Externe Verträglichkeit = Passion > Apathie Negative Externe Verträglichkeit = Passion < Apathie
Die Erfassung der internen Verträglichkeit erfolgt mithilfe des Begriffspaars Vertrauen (Zuspruch) und Misstrauen (Widerspruch) im Sinne von Wohlwollen und Missgunst. Als Beispiel für einen Vertrauensbeweis gilt die Zufriedenheit, die Mitarbeiter aufgrund eines langjährigen hohen sozialen Engagements ihres Unternehmens entwickeln. Umgekehrt kann als Misstrauensbeweis eine Unzufriedenheit gelten, die bei den Mitarbeitern aufgrund nicht eingehaltener Ankündigungen, Versprechen bzw. Zusagen wie bspw. einer aufgekündigten Arbeitsplatzgarantie entsteht. Grundsätzlich kann die interne Potenzialität folgende Tendenzen annehmen: • •
Positive Interne Verträglichkeit = Vertrauen > Misstrauen Negative Interne Verträglichkeit = Vertrauen < Misstrauen
Die Erfassung des Gesamtverträglichkeit erfolgt mithilfe des Begriffspaars Harmonie im Sinne einer synergetischen Wirkung, d. h. einer positiven Bündelung von Kraft- bzw. Werteströmen, um eine höhere Ebene der Leistungsfähigkeit bzw. des Leistungsniveaus zu erreichen, und Disharmonie im Sinne einer blockierenden Wirkung, d. h. eines nicht förderlichen bzw. zerstörenden Neben- und Miteinanders von Kraft- und Werteströmen, wodurch im einfachsten Falle die gegebene Ebene der Leistungsfähigkeit erhalten bzw. im schlechtesten Falle das Leistungsniveau gesenkt wird. Als Beispiel für Harmonie kann das Zusammenwirken in Form von internem Vertrauen und externer Passion, die zu einer positiven Ausstrahlung eines Unternehmens führt, genannt werden, wie dies zweitweise für Porsche galt. Im umgekehrten Falle konkretisiert sich die Disharmonie in einer negativen Ausstrahlung, die ihre wesentliche Begründung im Zusammenwirken von internem Misstrauen und externe Apathie findet, wie dies z. B. die zeitweise für die Situation der Deutschen Bank galt. Grundsätzlich kann die Gesamtpotenzialität folgende Tendenzen annehmen: • •
Positive Gesamtverträglichkeit = Harmonie > Disharmonie Negative Gesamtverträglichkeit = Harmonie < Disharmonie
48
3. Kapitel: Steuerungsgrößen
Vertrauen
Externe Verträglichkeit
Gesamtverträglichkeit
Interne Verträglichkeit
Harmonie Passion
Apathie Disharmonie Misstrauen
Abb. 21: Beziehungsverhältnisse der normativen Begriffspaare Eine zusammenfassende Betrachtung der drei normativen Steuerungsgrößen Externe, Gesamt- und Interne Verträglichkeit führt zu folgenden Erkenntnissen: • •
Die Externe Verträglichkeit wird überwiegend im Umfeld, die Interne Verträglichkeit überwiegend im Innenfeld und die Gesamtverträglichkeit zugleich durch das Umfeld und das Innenfeld beeinflusst. Alle drei Steuerungsgrößen besitzen einen eigenständigen Erkenntniswert und sind regelmäßig wie folgt miteinander verknüpft: - die Externe Verträglichkeit steuert die Interne Verträglichkeit vor. - Zusammen bestimmen Externe und Interne Verträglichkeit die Gesamtverträglichkeit.
Dabei ist jedoch zu beachten, dass ausnahmsweise die negative Externe Verträglichkeit bzw. negative Gesamtverträglichkeit auch auf der Basis von positiver Gesamtverträglichkeit bzw. positiver Interner Verträglichkeit möglich sind. Mithilfe der drei normativen Steuerungsgrößen wird das System Unternehmung im Außen- und Innenfeld in zunehmender Tiefe durchdrungen. Zur Konkretisierung der normativen Steuerungsgrößen muss eine Bewertung der Strahlkraft der Erfolgspostulate im Rahmen der Begriffspaare mithilfe entsprechender Wertkategorien bzw. Wertmaßstäbe in nominaler Form erfolgen. Derzeit liegen diesbezüglich keine nennenswerten theoretischen Erkenntnisse bzw. praktische Erfahrungen vor.
A. Normative Steuerungsgrößen
Orientierungsgröße
Steuerungsgrößen
Externe Verträglichkeit
49
Erfassungs -größen
Passion
Apathie
Harmonie Erfolgspostulate
Gesamtverträglichkeit Disharmonie
Vertrauen Interne Verträglichkeit Misstrauen
Abb. 22: Normative Steuerungsgrößen
III. Darstellung der normativen Steuerungsgrößen Eine eindeutige Definition sowie eine hinreichend genaue Erfassung der Steuerungsgrößen bilden die Grundlage für eine aussagefähige Darstellung der Steuerungsgrößen. Dazu muss ein „normatives Rechnungswesen“ mit einer externen und internen Orientierung entwickelt werden.
50
3. Kapitel: Steuerungsgrößen
Orientierungsgröße
Steuerungsgröße
Konkretisierung
Darstellung
Externe Verträglichkeit
Passion Apathie
Indikator
internes Normatives Rechnungswesen
Gesamtverträglichkeit
Harmonie Disharmonie
Indikator
externes Normatives Rechnungswesen
Interne Verträglichkeit
Vertrauen Misstrauen
Indikator
internes Normatives Rechnungswesen
Normatives Rechnungswesen
Erfolgspostulate
Begriffspaar
Abb. 23: Überblick/Struktur einer normativen Steuerungsrechnung
B. Strategische Steuerungsgrößen Die strategische Steuerung des Systems Unternehmung basiert auf den drei Steuerungsgrößen Externe Potenzialität, Interne Potenzialität und Gesamtpotenzialität, die durch entsprechende Begriffspaare erfasst und ihrerseits durch Werte in Form von Indikatoren konkretisiert werden.
I. Definition der strategischen Steuerungsgrößen28 Die Externe Potenzialität beschreibt den Grad der qualitativen Akzeptanz des Unternehmens in seinem relevanten Umfeld, d. h. in welchem Umfang es mithilfe der Erfolgspotenziale gelingt, das aktuelle und zukünftige externe Wirkungsvermögen zu aktivieren, soweit es für die dauerhafte Existenz und Entwicklung des Unternehmens bedeutsam ist. Die Externe Potenzialität bildet das strategische Beziehungsgeflecht zum relevanten Umfeld des Unternehmens ab. Dieses ist geprägt durch Chancen und Risiken (Gefahren), welche auf Potenzialfaktoren, d. h. Einflussgrößen mit strategischer Bedeutung, basieren.29 Die Interne Potenzialität beschreibt den Grad der qualitativen Akzeptanz des Unternehmens in seinem relevanten Innenfeld, d. h. in welchem Umfang es mithilfe der Erfolgspotenziale gelingt, das aktuelle und zukünftige interne Wirkungsvermögen zu aktivieren, soweit es für die dauerhaft Existenz und Entwicklung des Unternehmens bedeutsam ist. Die Interne Potenzialität bildet das strategische Beziehungsgeflecht zum relevanten Innenfeld des Unternehmens ab. Dieses ist durch Stärken und Schwächen geprägt, welche auf Potenzialfaktoren, d. h. Einflussgrößen mit strategischer Bedeutung basieren. Die Gesamtpotenzialität beschreibt den Grad der qualitativen Akzeptanz des Unternehmens im Zusammenwirken zwischen dem relevanten Innenfeld und dem relevanten Umfeld, d. h. in welchem Umfang es mithilfe der Erfolgspotenziale gelingt, das aktuelle und zukünftige interne und externe Wirkungsvermögen zu aktivieren, soweit es für die dauerhaft Exis28 29
Vgl. Steinhübel V., Strategisches Controlling, Prozess und System, 3. Aufl., München 2004. Vgl. Lütke-Schwienhorst, R.: Strategische Kontrolle. Rahmenbedingungen, Aufgaben und Methoden, 1989.
B. Strategische Steuerungsgrößen
51
tenz und Entwicklung des Unternehmens bedeutsam ist. Die Gesamtpotenzialität bildet das strategische Beziehungsgeflecht im Zusammenwirken zwischen dem relevanten Innenfeld und dem relevanten Umfeld ab, d. h. in welchem Umfang es mithilfe der Erfolgspotenziale gelingt, die aktuelle und zukünftige interne und externe Aktivierungsfähigkeit zu entfalten, soweit sie für die dauerhafte Existenz und Entwicklung des Unternehmens bedeutsam sind. Dieses ist geprägt durch Kompetenz und Inkompetenz, welche auf Potenzialfaktoren, d. h. Einflussgrößen mit strategischer Bedeutung, basieren.
II. Erfassung der strategischen Steuerungsgrößen Die Erfassung der Externen Potenzialität erfolgt mithilfe des Begriffspaars Chancen und Risiken. Unter Chancen werden alle externen Potenzialfaktoren verstanden, die eine positive Wirkung auf die vom Unternehmen vorgegebenen strategischen Ziele haben. Potenzialfaktoren, die eine negative Wirkung auf die vom Unternehmen vorgegebenen strategischen Ziele haben, stellen Risiken bzw. Gefahren dar. Als Beispiel für eine Chance können die Möglichkeiten für ein Bauunternehmen genannt werden, umfangreiche Aufträge dadurch zu gewinnen, dass die FIFA die Austragung der Fußballweltmeisterschaft an ein bestimmtes Land vergibt. Als Beispiel für ein Risiko kann der dauerhafte Abbau der Subventionierung von Atomenergie gesehen werden. Grundsätzlich kann die Externe Potenzialität folgende Tendenzen annehmen: • •
Positive Externe Potenzialität = Chancen > Risiken Negative Externe Potenzialität = Chancen < Risiken
Die Erfassung der Internen Potenzialität erfolgt mithilfe des Begriffspaars Stärken und Schwächen. Unter Stärken werden alle internen Potenzialfaktoren verstanden, die eine positive Wirkung auf die vom Unternehmen vorgegebenen strategischen Ziele haben. Potenzialfaktoren, die eine negative Wirkung auf die vom Unternehmen vorgegebenen strategischen Ziele haben, stellen Schwächen dar. Als Beispiel für eine Stärke kann die große Anzahl hoch qualifizierter Mitarbeiter in einem Unternehmen genannt werden. Als Beispiel für eine Schwäche kann der Verzicht auf die Nutzung von IT-Systemen gesehen werden. Grundsätzlich kann die Interne Potenzialität folgende Tendenzen annehmen: • •
Positive Interne Potenzialität = Stärken > Schwächen Negative Interne Potenzialität = Stärken < Schwächen
Die Erfassung der Gesamtpotenzialität erfolgt mithilfe des Begriffspaars Kompetenz und Inkompetenz. Die Kompetenz umfasst alle externen und internen Potenzialfaktoren, die eine positive Wirkung auf die vom Unternehmen vorgegebenen strategischen Ziele haben. Externe und interne Potenzialfaktoren, die eine negative Wirkung auf die vom Unternehmen vorgegebenen strategischen Ziele haben, führen zur Inkompetenz. Als Beispiel für Kompetenz gilt das positive Zusammenwirken interner Stärken, wie z. B. hohe Qualifikation der Mitarbeiter und externer Chancen, wie z. B. verstärkte Bautätigkeit von Stadien für die Fußballweltmeisterschaft. Als Beispiel für Inkompetenz gilt das negative Zusammentreffen interner Schwächen, wie z. B. der Verzicht auf IT-Lösungen, und externer Gefahren, wie z. B. der Subventionsabbau bei der Atomenergie.
52
3. Kapitel: Steuerungsgrößen
Grundsätzlich kann die Gesamtpotenzialität folgende Tendenzen annehmen:
Externe Potenzialität
Gesamtpotenzialität
Positive Gesamtpotenzialität = Kompetenz > Inkompetenz Negative Gesamtpotenzialität = Kompetenz < Inkompetenz Interne Potenzialität
• •
Stärke Kompetenz Chance
Risiken Inkompetenz Schwäche
Abb. 24: Beziehungsverhältnisse der strategischen Begriffspaare Innerhalb sowie zwischen den drei Begriffspaaren lassen sich folgende Beziehungen darstellen: • • • •
Positive Externe Potenzialität + Positive Interne Potenzialität = absolute positive Gesamtpotenzialität (höchste Sicherung der dauerhaften Existenz) Negative Externe Potenzialität + negative Interne Potenzialität = absolute negative Gesamtpotenzialität (höchste Bedrohung der dauerhaften Existenz) Positive Externe Potenzialität + negative Interne Potenzialität = relative positive/negative Potenzialität (strategische Aufgabe: Aufbau von Stärken) Positive Interne Potenzialität + negative Externe Potenzialität = relative positive/negative Potenzialität (strategische Aufgabe: Neuorientierung des Unternehmens).
Dabei beschreiben Stärken und Schwächen interne Tatbestände, während Chancen und Risiken externe Relationen verdeutlichen. Eine Stärke stellt ein internes, positives Potenzial, eine Schwäche ein internes negatives Potenzial dar. Entsprechend ist eine Chance ein externes positives Potenzial und ein Risiko ein externes negatives Potenzial. Das Zusammenspiel von Chancen und Stärken begründen die Kompetenz, das Zusammenspiel von Gefahren und Schwächen führt zur Inkompetenz (nützliche/schädliche Potenziale). Die Besonderheit der strategischen Begriffspaare liegt in ihrer Mehrdimensionalität mit qualitativem Charakter und der daraus resultierenden Problematik einer eindeutigen Bewertung. Eine zusammenfassende Betrachtung der drei strategischen Steuerungsgrößen Externe, Gesamt- und Interne Potenzialität führt zu folgenden Erkenntnissen: •
Die Externe Potenzialität wird überwiegend im Umfeld, die Interne Potenzialität überwiegend im Innenfeld und die Gesamtpotenzialität zugleich im Umfeld und im Innenfeld beeinflusst.
B. Strategische Steuerungsgrößen
53
•
Alle drei Steuerungsgrößen besitzen einen eigenständigen Erkenntniswert und sind gleichzeitig wie folgt miteinander verknüpft: - die Externe Potenzialität steuert die Interne Potenzialität vor, - Zusammen bestimmen Externe und Interne Potenzialität die Gesamtpotenzialität. Dabei ist jedoch zu beachten, dass ausnahmsweise die negative Externe Potenzialität bzw. negative Gesamtpotenzialität auch auf der Basis von positiver Gesamtpotenzialität bzw. Interner Potenzialität möglich ist. Mithilfe der drei strategischen Steuerungsgrößen wird das System Unternehmung von außen nach innen in zunehmender Tiefe durchdrungen.
Orientierungsgröße
Steuerungsgrößen
Erfassungs -größen
Chancen Externe Potenzialität Risiken
Kompetenz Erfolgspotenziale
Gesamtpotenzialität Inkompetenz
Stärken Interne Potenzialität Schwächen Abb. 25: Strategische Steuerungsgrößen Zur Konkretisierung der strategischen Steuerungsgrößen muss eine Bewertung der Qualität der Erfolgspotenziale im Rahmen der Begriffspaare mithilfe entsprechender Wertkategorien bzw. Wertmaßstäbe in nominaler und ordinaler Form erfolgen. Derzeit lassen sich drei unterschiedliche Ansätze in Form von Indikatoren erkennen: • • •
niedrig – mittel – hoch, von 0 bis 100, positiv (+) – indifferent (0) – negativ (-).
54
3. Kapitel: Steuerungsgrößen
III. Darstellung der strategischen Steuerungsgrößen Eine eindeutige Definition sowie eine hinreichend genaue Erfassung bilden die Grundlage für eine aussagefähige Darstellung der Steuerungsgrößen. Dazu muss ein „strategisches Rechnungswesen“ mit einer externen und internen Orientierung entwickelt werden. Wesentliche Elemente eines externen strategischen Rechnungswesens sind die Potenzialbilanz sowie die Potenzialerfolgsrechnung. Im internen strategischen Rechnungswesen müssen Planungs-, Kontroll- und Informationsinstrumente entwickelt und eingesetzt werden. Dazu zählen z. B. die Potenzialanalyse, Portfoliokonzepte, die Szenariotechnik, das Target Costing, Früherkennungssysteme, die Balanced Scorecard usw. Zur Ermittlung der Gesamtpotenzialität werden ein aussagefähiges externes Strategisches Rechnungswesen und zur Ermittlung der externen bzw. internen Potenzialität ein leistungsfähiges internes Strategisches Rechnungswesen benötigt. Steuerungsgröße
Begriffspaar
Erfolgspotenziale
Externe Potenzialität
Wertung
Darstellung
Chancen Risiken
Indikator / €
Internes Strategisches Rechnungswesen
Gesamtpotenzialität
Kompetenz Inkompetenz
Indikator / €
Externes Strategisches Rechnungswesen
Interne Potenzialität
Stärken Schwächen
Indikator / €
Internes Strategisches Rechnungswesen
Strategisches Rechnungswesen
Orientierungsgröße
Abb. 26: Überblick/Struktur einer strategischen Steuerungsrechnung
C. Operative Steuerungsgrößen Die operative Steuerung des Systems Unternehmung basiert auf den drei Steuerungsgrößen Liquidität, Rentabilität und Wirtschaftlichkeit, die durch entsprechende Begriffspaare erfasst und ihrerseits durch Werte in monetärer Form konkretisiert werden.
I. Definition der operativen Steuerungsgrößen Die Liquidität beschreibt allgemein den Grad der quantitativen Akzeptanz des Unternehmens in seiner relevanten Umwelt, d. h. in welchem Umfang es mithilfe des Erfolgsergebnisses gelingt, die aktuelle und zukünftige externe Leistungskraft zu aktivieren soweit es für die aktuelle Existenz und Entwicklung des Unternehmens bedeutsam ist. Konkret wird unter Liquidität die Fähigkeit verstanden, allen fälligen Zahlungsverpflichtungen fristgerecht nachkommen zu können. Der Verlust dieser Fähigkeit führt zur Illiquidität, die, soweit sie gerichtlich festgestellt ist, einen Insolvenzgrund darstellt und insofern die Existenz des Unternehmens beendet. Da die Liquidität tagbezogen beurteilt wird, stellt ihr
C. Operative Steuerungsgrößen
55
Verlust bezüglich der Fristigkeit die schärfste Bedrohung der Lebensfähigkeit des Unternehmens dar. Zu ihrer Sicherung ist daher eine tägliche Kontrolle erforderlich. Die Rentabilität beschreibt allgemein den Grad der quantitativen Akzeptanz des Unternehmens im Zusammenwirken zwischen dem relevanten Innenfeld und dem relevanten Umfeld, d. h. in welchem Umfang es mithilfe des Erfolgsergebnisses gelingt, die aktuelle und zukünftige interne und externe Leistungskraft zu aktivieren, soweit es für die aktuelle Existenz und Entwicklung des Unternehmens bedeutsam ist. Konkret bringt die Rentabilität den Grad der Verzinsung des eingesetzten Kapitals zum Ausdruck. Voraussetzung für ihre Entstehung im Unternehmen ist die Erzielung von Gewinn. Dieser wird als positive Differenz zwischen Ertrag und Aufwand ermittelt. Eine negative Differenz im Sinne eines Verlusts führt zu Unrentabilität. Zum Zwecke des besseren Verständnisses wird die Rentabilität als prozentuale Kennziffer berechnet. Dazu ist der Gewinn zum Kapital (Kapitalrentabilität) bzw. auch zum Umsatz (Umsatzrentabilität) ins Verhältnis zu setzen. Die Wirtschaftlichkeit beschreibt allgemein den Grad der quantitativen Akzeptanz des Unternehmens in seinem relevanten Innenfeld, d. h. in welchem Umfang es mithilfe des Erfolgsergebnisses gelingt, die aktuelle und zukünftige interne Leistungskraft zu aktivieren, soweit es für die aktuelle Existenz und Entwicklung des Unternehmens bedeutsam ist. Konkret misst die Wirtschaftlichkeit den eingetretenen Werteverzehr im Rahmen der betrieblichen Leistungserstellung und -verwertung. Sie wird durch das Verhältnis von Leistungen zu Kosten (Betriebsergebnis) bzw. durch einen reinen Kostenvergleich (Soll-/IstVergleich) zum Ausdruck gebracht. Im Unterschied zur Liquidität und Rentabilität haben Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen einen längerfristigen Charakter, d. h. ein Nachlassen der Wirtschaftlichkeit kann auf Dauer die Existenz des Unternehmens bedrohen.
II. Erfassung der operativen Steuerungsgrößen Die Liquidität bildet das operative Beziehungsgeflecht zur relevanten Umwelt des Unternehmens ab. Dieses ist geprägt durch Einnahmen und Ausgaben, welche auf Ergebnisfaktoren, d. h. Einflussgrößen mit operativer Bedeutung, basieren.
Einnahmen vermehren das Geldvermögen, Ausgaben mindern das Geldvermögen. Das Geldvermögen setzt sich aus dem Zahlungsmittelbestand (Einzahlungen ./. Auszahlungen) zuzüglich der Forderungen und abzüglich der Verbindlichkeiten unter Berücksichtigung eines möglichen Kreditlimits zusammen. Beispiel für eine Einnahme: • Barverkauf führt zu einer Vermehrung des Geldvermögens in Höhe der Einzahlung • Zielverkauf führt zu einer Vermehrung des Geldvermögens in Höhe der Forderung Beispiel für eine Ausgabe: • Wareneinkauf auf Ziel • Bareinkauf führt zu einer Verminderung des Geldvermögens in Höhe der Auszahlung • Zieleinkauf führt zu einer Verminderung des Geldvermögens in Höhe der Verbindlichkeit
56
3. Kapitel: Steuerungsgrößen
Grundsätzlich kann die Liquidität folgende Tendenzen annehmen: • Einnahmen > Ausgaben = positive Liquidität • Einnahmen = Ausgaben • Einnahmen < Ausgaben = negative Liquidität/Illiquidität Die Rentabilität ist geprägt durch Ertrag und Aufwand, welche auf Ergebnisfaktoren, d. h. Einflussgrößen mit operativer Bedeutung, basieren.
Ertrag ist der erfolgswirksame, bewertete Zuwachs an Gütern und Diensten, der bei der Erstellung und Verwertung der gesamten Leistungen eines Unternehmens pro Periode entsteht. Aufwand ist der erfolgswirksame, bewertete Verzehr an Gütern und Diensten, der bei der Erstellung und Verwertung der gesamten Leistungen eines Unternehmens pro Periode entsteht. Beispiel für einen Ertrag: • Umsatz durch Warenverkauf Beispiel für einen Aufwand • Verbrauch von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen Grundsätzlich kann die Rentabilität folgende Tendenzen annehmen: • Ertrag > Aufwand = Gewinn = positive Rentabilität • Ertrag = Aufwand • Ertrag < Aufwand = Verlust = negative Rentabilität/Unrentabilität Die Wirtschaftlichkeit ist geprägt durch Leistungen und Kosten, welche auf Ergebnisfaktoren, d. h. Einflussgrößen mit operativer Bedeutung basieren.
Leistungen sind die durch den Erstellungs- und –verwertungsprozess hervorgebrachten Ergebnisse. Kosten sind der normale, bewertete Verzehr an Gütern und Dienstleistungen, der bei der Erstellung und Verwertung der betrieblichen Leistungen anfällt. Beispiel für eine Leistung: • Herstellung eines Produkts (Staubsauger) • Erbringung einer Dienstleistung (Steuerberatung) Beispiel für Kosten: • Überweisung von Gehältern • Ansatz von Abschreibungen Grundsätzlich kann die Wirtschaftlichkeit folgende Tendenzen annehmen: • Leistungen > Kosten = positive Wirtschaftlichkeit • Leistungen = Kosten • Leistungen < Kosten = negative Wirtschaftlichkeit/Unwirtschaftlichkeit
C. Operative Steuerungsgrößen
57
Liquidität
Ertrag
Rentabilität
Wi r t s c h a f t l i c h ke i t
Leistung
Einnahme
Ausgabe Aufwand Kosten
Abb. 27: Beziehungsverhältnisse der operativen Begriffspaare Innerhalb sowie zwischen den drei Begriffspaaren lassen sich folgende Beziehungen darstellen: • • • •
Liquidität + Wirtschaftlichkeit = absolute Rentabilität (höchste aktuelle Sicherung der Existenz) Negative Liquidität/Illiquidität + negative Wirtschaftlichkeit/Unwirtschaftlichkeit = negative Rentabilität (höchste Bedrohung der aktuellen Existenz) Positive Liquidität + negative Wirtschaftlichkeit/Unwirtschaftlichkeit = relative Rentabilität (operative Aufgabe: Förderung der Wirtschaftlichkeit) Positive Wirtschaftlichkeit + negative Liquidität/Illiquidität = negative Rentabilität/Unrentabilität (gesetzliches Ende der Unternehmung bzw. Sanierungsfall)
Im Gegensatz zur Illiquidität stellt die Unrentabilität erst mittelfristig eine Existenzbedrohung des Unternehmens dar. Wie lange ein Unternehmen mit Verlusten leben kann, hängt von seiner Substanz bzw. der Höhe seines Eigenkapitals ab und ist insofern nicht eindeutig bestimmbar. Eine zusammenfassende Betrachtung der drei operativen Steuerungsgrößen Liquidität, Rentabilität und Wirtschaftlichkeit führt zu folgenden Erkenntnissen: • •
Die Liquidität wird extern, die Wirtschaftlichkeit intern und die Rentabilität zugleich extern und intern beeinflusst. Alle drei Steuerungsgrößen besitzen einen eigenständigen Erkenntniswert und sind gleichzeitig wie folgt miteinander verknüpft: - das Streben nach Wirtschaftlichkeit schafft die beste Voraussetzung für Rentabilität, - das Streben nach Rentabilität schafft die beste Voraussetzung zur Sicherung der Liquidität.
58
3. Kapitel: Steuerungsgrößen
•
Dabei ist jedoch zu beachten, dass ausnahmsweise die Illiquidität bzw. Unrentabilität auch auf der Basis von Rentabilität bzw. Wirtschaftlichkeit möglich sind. Mithilfe der drei operativen Steuerungsgrößen wird das System Unternehmung von außen nach innen in zunehmender Tiefe durchdrungen. Zur Konkretisierung der operativen Steuerungsgrößen muss eine Bewertung der Quantität der Erfolgsergebnisse im Rahmen der Begriffspaare mithilfe entsprechender Wertkategorien bzw. Wertmaßstäbe in kardinaler Form erfolgen. Orientierungsgröße
Steuerungsgrößen
Erfassungsgrößen
Einnahme Liquidität Ausgabe
Ertrag Erfolgsergebnis
Rentabilität Aufwand
Leistung Wirtschaftlichkeit Kosten
Abb. 28: Operative Steuerungsgrößen
III. Darstellung der operativen Steuerungsgrößen Eine eindeutige Definition sowie eine hinreichend genaue Erfassung bilden die Grundlage für eine aussagefähige Darstellung der Steuerungsgrößen. Dazu muss ein „operatives Rechnungswesen“ mit einer externen und internen Orientierung durchgeführt werden. Wesentliche Elemente des externen Rechnungswesens sind die Jahresbilanz sowie die Gewinnund Verlustrechnung als Basis für die Ermittlung der Rentabilität. Im internen Rechnungswesen müssen Planungs-, Kontroll- und Informationssysteme entwickelt und eingesetzt werden. Dazu zählen z. B. die Liquiditätsrechnung, die Planungsrechnung, die Kosten- und Leistungsrechnung und das Berichtswesen als Basis für die Liquidität und die Wirtschaftlichkeit. Die Besonderheit der operativen Begriffspaare liegt in ihrer Eindimensionalität und in ihrer eindeutigen Quantifizierbarkeit mithilfe einer Währungseinheit.
D. Integration der Steuerungsgrößen
Steuerungsgröße
Erfolgsergebnis
Liquidität
Begriffspaar
Wertung
Darstellung Finanzwirtschaft
Einnahmen Ausgaben
€
Rentabilität
Ertrag Aufwand
€
Finanzbuchhaltung
Wirtschaftlichkeit
Leistungen Kosten
€
Kosten- und Leistungsrechnung
Operatives Rechnungswesen
Orientierungsgröße
59
Abb. 29: Überblick/Struktur einer operativen Steuerungsrechnung
D. Integration der Steuerungsgrößen Die Integration, d. h. das Beziehungsgeflecht zwischen den normativen, strategischen und operativen Steuerungsgrößen, basiert auf dem grundlegenden Verhältnis zwischen den Erfolgspostulaten, den Erfolgspotenzialen und dem Erfolgsergebnis. Die Interdependenz zwischen den drei Orientierungsgrößen lässt sich am Beispiel der Energieversorgung sinnbildlich verdeutlichen. Ausgangspunkt ist der in einer wachsenden Gesellschaft gegebene steigende Energiebedarf. Diesen Tatbestand gilt es, normativ in einem Erfolgspostulat unter Berücksichtigung der vorherrschenden gesellschaftspolitischen Erkenntnisse und Strömungen zu formulieren, um eine hohe Akzeptanz zu erreichen. Ein entsprechendes Erfolgspostulat könnte wie folgt lauten: „Mit regenerativer Energie die Zukunft nachhaltig sichern“. Dieses Erfolgspostulat dient dazu, entsprechende Erfolgspotenziale zu suchen und zu schaffen, um dieses zu realisieren. Als strategische Lösung muss ein Kraftwerk konzipiert werden, dessen wesentliche Potenziale, wie z. B. eine ausreichend verfügbare Menge an erneuerbarer Energie in Form von Wasser, effektive Anlagen in Form von Staubecken und Turbinen sowie qualifizierte Fach- und Führungskräfte geeignet sind, die Forderungen des Postulats zu erfüllen. Die operative Herausforderung liegt darin, durch eine effiziente Nutzung der Potenziale Strom zu erzeugen, mit dessen Verwertung ein angemessener Erfolg in Form von Gewinn erzielt werden kann. Das obige Beispiel lässt folgende Kausalitätskette zwischen den Orientierungsgrößen erkennen: Das Erfolgspostulat ist die Vorsteuergröße für die Erfolgspotenziale. Im vorliegenden Fall ermöglicht es neben der Lösung Wasserkraftwerk z. B. auch ein Wind- oder Sonnenkraftwerk, aber kein Atomkraftwerk. Die realisierten Erfolgspotenziale sind ihrerseits Kontrollgrößen zur Überprüfung, inwieweit das Erfolgspostulat erreicht worden ist. Bei gegebenen Kapazitäten bezüglich des Fassungsvermögens des Staubeckens sowie der Effektivität der Turbinen und des Personals stellt die vorhandene Wassermenge das entscheidende Potenzial und damit die Vorsteuergröße für die operative Erfolgsgröße Strom dar, die ihrerseits wieder zur Kontrollgröße für die strategische Ausrichtung wird. Ein Wasserkraftwerk ohne Wasser kann keinen Strom erzeugen, bei gegebener Wassermenge hängt die erzeugte
60
3. Kapitel: Steuerungsgrößen
Strommenge vom Umfang und der Intensität der Nutzung des vorhandenen Potenzials ab. Der erzeugte Strom ist der Beweis für das Vorhandensein von Wasser. Außerdem lässt sich erkennen, dass die Erfolgspostulate aus der Sicht der Erfolgspotenziale und -ergebnisse den Charakter von originären, d. h. ursprünglichen, nicht abgeleiteten Größen haben. Die Erfolgspotenziale haben bezüglich der Erfolgspostulate derivativen, d. h. abgeleiteten, aus der Sicht der Erfolgsergebnisse jedoch originären Charakter, insbesondere dann, wenn keine normative Führung betrieben wird. Die Erfolgsergebnisse besitzen bezüglich der Erfolgspotenziale derivativen Charakter. Sofern weder eine bewusste normative noch strategische Führung betrieben wird, haben sie originäre Bedeutung. Im übertragenen Sinne lässt sich analog zur Dreidimensionalität im menschlichen Leben erkennen, dass die normative Ebene der Ratio (Geist), die strategische Ebene der Psyche (Seele), und die operative Ebene der Physis (Körper) gleichkommt.
Normative Dimension
Strategische Dimension
Vorsteuergrößen
Erfolgspostulate (originär)
Kontrollgröße
Operative Dimension
Vorsteuergrößen
Erfolgspotenziale (derivativ/originär)
Erfolgsergebnis (derivativ/originär)
Kontrollgröße
Abb. 30: Beziehungsverhältnis Postulate/Potenziale/Erfolg Aus dem grundlegenden Beziehungsverhältnis von Postulaten, Potenzialen und Erfolgen kann auch deren zeitliche Dimensionierung abgeleitet werden. Postulate als Vorsteuergrößen haben generell einen langfristigen, Potenziale einen mittelfristigen und Ergebnisse einen kurzfristigen Horizont. Die dargestellten Abhängigkeiten zwischen den Orientierungsgrößen bedingen ihrerseits eine mehrfache Integrationsmöglichkeit zwischen den Steuerungsgrößen und den zu ihrer Erfassung notwendigen Begriffspaaren. Dabei kann zwischen der horizontalen (intradimensionalen) Integration sowie der vertikalen (interdimensionalen) Integration unterschieden werden.
I. Vertikale Integration In Analogie zu der von Schmalenbach erstmals dargestellten Abgrenzung bzw. Überschneidung der Begriffe im Rahmen der operativen Steuerungsgrößen lassen sich intradimensional folgende Wirkungsbeziehungen erkennen:
D. Integration der Steuerungsgrößen
61
C B
1
B
I
2
3
C
4
Begriffspaar
A
5
Begriffspaar
1
3
Begriffspaar
A
2
4
II
5
Buchstabe = Begriff Arabische Ziffer = Unterschied/Gleichheit Römische Ziffern = Ausprägung
Abb. 31: Abgrenzung der Begriffe Es lassen sich damit für die jeweiligen Begriffspaare innerhalb der normativen, strategischen und operativen Dimension folgende verallgemeinerte Unterschiede bzw. Überschneidungen feststellen: 1: A B C 2: A = B C 3: A = B = C 4: B = C A 5: C B A Die begrifflichen Abhängigkeiten bedingen zugleich auch entsprechende Beziehungsverhältnisse zwischen den jeweiligen Steuerungsgrößen innerhalb einer Führungsdimension. Generell lässt sich folgendes Wirkungsgeflecht zwischen den jeweils drei Steuerungsgrößen aufzeigen: Die interne Steuerungsgröße und die externe Steuerungsgröße üben beide einen Einfluss auf die Gesamtsteuerungsgröße aus. Die Art der Einflussnahme hängt dabei wiederum vom Niveau und von der Entwicklungsrichtung der beiden Steuerungsgrößen ab. Niveau beschreibt einen niedrigen, mittleren oder hohen Entwicklungsstand, bei der Entwicklungsrichtung ist zwischen positivem, Null bzw. negativem Status zu unterscheiden. Grundsätzlich resultiert hieraus die Erkenntnis, dass sich eine positive Interne und/oder Externe Entwicklung vorteilhaft und eine negative Interne und/oder Externe Entwicklung nachteilhaft auf die jeweilige Gesamtsteuerungsgröße auswirkt.
externe Ve r t r ä g l i c h k e i t
Passion Apathie Disharmonie Misstrauen
Stärke externe Potenzialität
Gesamtverträglichkeit Gesamtpotenzialität
Harmonie
Kompetenz Chance Risiko Inkompetenz Schwäche
Leistungen Liquidität
Ertrag Einnahme Ausgabe
operativ
Rentabilität
interne Potenzialität
Vertrauen
strategisch
Wi r t s c h a f t l i c h k e i t
3. Kapitel: Steuerungsgrößen
normativ
i n t e r n e Ve r t r ä g l i c h k e i t
62
Aufwand Kosten
Abb. 32: Intradimensionale Integration der Begriffe und Steuerungsgrößen
II. Horizontale Integration Die horizontale Integration beschreibt die Abhängigkeiten und Einflussnahmen der jeweiligen Begriffe und Steuerungsgrößen zwischen der normativen, strategischen und operativen Dimension. Diese werden generell durch die auf die Orientierungsgrößen zurückzuführende Vorsteuer-/Kontrollrelation geprägt. Damit haben jeweils die entsprechenden normativen Begriffe und Steuerungsgrößen Vorsteuercharakter für die strategischen und diese für die operativen Tatbeständ. Die entsprechenden operativen Begriffe und Steuerungsgrößen haben jeweils Kontrollcharakter für die strategischen und diese wiederum für die normativen Tatbestände.
D. Integration der Steuerungsgrößen
63
normativ
vertikale Integration
Apathie
Stärken
Leistungen
Kompetenz
Einnahmen
Gesamtverträglichkeit interne Verträglichkeit
externe Verträglichkeit
Chancen
Risiken
Disharmonie
Ertrag
Liquidität Rentabilität Wirtschaftlichkeit
Passion
Harmonie
operativ
externe Potenzialität Gesamtpotenzialität interne Potenzialität
vertikale Integration
Vertrauen
strategisch
Ausgabe
Inkompetenz
Misstrauen
Aufwand
Schwächen
Kosten
horizontale Integration (interdimensional) Abb. 33: Vertikale und horizontale Integration zwischen den Begriffen und Steuerungsgrößen Bezüglich der Begriffe lassen sich folgende Wirkungen und Abhängigkeiten erkennen: • • • • • •
Vertrauen " Stärken " Leistungen Harmonie " Kompetenz " Ertrag Passion " Chancen " Einnahmen Apathie " Risiken " Ausgaben Disharmonie " Inkompetenz " Aufwand Misstrauen " Schwächen " Kosten
Bezüglich der Steuerungsgrößen lassen sich folgende Wirkungen und Abhängigkeiten erkennen: • • •
Externe Verträglichkeit " Externe Potenzialität " Liquidität Gesamtverträglichkeit " Gesamtpotenzialität " Rentabilität Interne Verträglichkeit " Interne Potenzialität " Wirtschaftlichkeit
64
3. Kapitel: Steuerungsgrößen
So fördert z. B. die normative Passion die strategischen Stärken und die operativen Leistungen. Normative Apathie kann strategische Schwächen und operative Kosten bedingen. Bei den Steuerungsgrößen wird eine hohe Interne Verträglichkeit vorteilhaft für die Interne Potenzialität und die Wirtschaftlichkeit sein. Orientierungsgröße
Steuerungsgröße
Indikator
internes normatives Rechnungswesen
Gesamtverträglichkeit
Harmonie Disharmonie
Indikator
externes normatives Rechnungswesen
interne Verträglichkeit
Vertrauen Misstrauen
Indikator
internes normatives Rechnungswesen
Indikator / €
internes strategisches Rechnungswesen
Gesamtpotenzialität
Kompetenz Inkompetenz
Indikator / €
externes strategisches Rechnungswesen
interne Potenzialität
Stärken Schwächen
Indikator / €
internes strategisches Rechnungswesen
Liquidität
Einnahmen Ausgaben
€
Rentabilität
Ertrag Aufwand
€
Finanzbuchhaltung
Wirtschaftlichkeit
Leistungen Kosten
€
Kosten- und Leistungsrechnung
Finanzplan
Abb. 34: Zusammenhang zwischen einer normativen, strategischen und operativen Steuerungsrechnung
operatives Rechnungswesen
Chancen Risiken
strategisches Rechnungswesen
externe Potenzialität
normatives Rechnungswesen
Passion Apathie
externe Verträglichkeit
Erfolgsergebnis
Darstellung
Erfolgspotenziale
Wertung
Erfolgspostulate
Begriffspaar
Zweiter Teil: Steuerungsmaximen
66
1. Kapitel: Controlling
Die systemisch-ganzheitliche Unternehmenssteuerung wird aktuell bestimmt durch die Steuerungsmaximen Controlling, Developing und Treasuring. Die jeweils prägenden Elemente sind dabei der Steuerungsprozess, das Steuerungssystem, die Steuerungsperson und die Steuerungsorganisation.
1. Kapitel: Controlling A. Wesen und Entwicklung des Controlling I. Historische Entwicklung des Controlling Die Ursprünge der historischen Entwicklung des Controlling finden sich zweifelsfrei im angelsächsischen Raum. Schon im 15. Jahrhundert gab es am englischen Königshof einen „Controllour“ mit der Aufgabe, Aufzeichnungen über ein- und ausgehende Gelder und Güter zu überprüfen. In den USA wurde 1778 durch Gesetz das Amt für eine „Comptroller“ geschaffen, der über das Gleichgewicht zwischen dem Staatsbudget und den vorgenommenen Staatsausgaben zu wachen hatte. Im Jahre 1880 richtete die Atchison, Topeka & Santa Fee Railway System erstmals in einem Unternehmen die Stelle eines Controllers ein. 1931 wurde das „Controller`s Institute of America“ gegründet, das seit 1962 FEI (Financial Executives Institute) heißt. Die Entwicklung des Controlling wurde vor dem Zweiten Weltkrieg vor allem durch die neuen Herausforderungen der Depression, welche die Weltwirtschaftskrise wesentlich begründet hat, beschleunigt. Seine Verbreitung blieb jedoch zunächst weitgehend auf die USamerikanische Wirtschaft begrenzt. Erst mit der Niederlassung amerikanischer Tochterunternehmen in Europa und speziell in der Bundesrepublik Deutschland, die nach dem Zweiten Weltkrieg in verstärktem Maße einsetzte, begann das Controlling auch in Mitteleuropa zunehmend Fuß zu fassen und sich sowohl sektoral als auch funktional auszubreiten. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Idee des Controlling heute in allen wesentlichen Sektoren der Gesellschaft wie aber auch in allen wichtigen Aufgabenfeldern von Betrieben und Institutionen anwendbar und für eine effiziente Steuerung notwendig geworden ist. Im Bereich der Theorie wurde die lange währende Zurückhaltung der Auseinandersetzung mit dem Controlling erst Ende der 1970er Jahre aufgegeben. Als Anzeichen dafür können die Einrichtung von Controllinglehrstühlen sowie die Einführung von Lehrveranstaltungen mit der Bezeichnung Controlling genannt werden. Bezüglich der theoretischen Fundierung und der praktischen Durchsetzung des Controlling haben einzelne Persönlichkeiten wie aber auch Beratungsgesellschaften entscheidende Beiträge geleistet. Zu den Pionieren des Controlling im deutschsprachigen Raum zählen vor allem Rainer Bramsemann, Albrecht Deyhle, Günter Ebert, Rolf Eschenbach, Dietger Hahn, Péter Horváth, Rudolf Mann, Elmar Mayer und Thomas Reichmann.30
30
Vgl. Braunstein, M.: Die Controllingpioniere – Beiträge zur Geschichte des deutschsprachigen Controlling, Saarbrücken 2008.
A. Wesen und Entwicklung des Controlling
67
II. Inhaltliche Entwicklung des Controlling Entsprechend der historischen Entwicklung lässt sich auch eine inhaltliche Entwicklung der Controlling-Idee erkennen. Dabei ergibt sich eine Differenzierung, die im Wesentlichen als eine nordamerikanische sowie als deutsche Entwicklungslinie dargestellt werden kann. Vor allem bedingt durch den erstmaligen Einsatz von Controllern im öffentlichen Bereich war das Controlling seinem Inhalt nach zunächst vor allem eine Beschäftigung mit den finanziellen Aspekten von Verwaltungen. Bei der Übernahme des Controlling in private Betriebe ergab sich ein Abgrenzungsproblem zwischen dem Controller und dem Treasurer. Während ersterer im Wesentlichen die internen Finanzierungsprobleme im Sinne der Planung, Berichterstattung, Lösung von Steuerungsproblemen und Sicherung des Vermögens zu bewältigen hatte, kümmerte sich letzterer mehr um die Bewältigung der externen Konsequenzen finanzieller Art, soweit sie vom Controller aufgezeigt wurden. Damit hatte es der Treasurer vor allem mit der Kapitalbeschaffung und Kapitalanlage sowie mit der Versicherungsproblematik zu tun. Im privatwirtschaftlichen Sektor wurde im weiteren Verlauf die zunächst überwiegende Orientierung des Controlling auf Liquidität (cash) ergänzt und durch die zusätzliche Orientierung auf die Rentabilität (profit) erweitert. Der amerikanische Controller stellt sich damit als ein intern orientierter Manager der Steuerung der Liquidität und Rentabilität dar. Als Begründung für diese bis heute noch weitgehend gültige Ausrichtung können vor allem das mentalitätsbedingt leistungsbezogene Wettbewerbsverhalten und die damit korrespondierende traditionell kurzfristig ausgerichtete Unternehmensführung gelten. Im Gegensatz zur amerikanischen Entwicklung hat die Idee des Controlling in die öffentlichen Verwaltungen bisher nur zögerlich Eingang gefunden. Seine Entwicklung wurde vielmehr im privatwirtschaftlichen Bereich seit den 1960er Jahren vollzogen. Als wesentlicher Gegensatz zu der amerikanischen Ausrichtung zeigt sich, dass das deutsche Verständnis von Controlling von Anfang an sehr stark durch die Orientierung auf die Wirtschaftlichkeit (costs) bestimmt war. Der Controller entwickelte sich daher zum intern orientierten Manager der Steuerung der Wirtschaftlichkeit. Daraus erklärt sich, dass eine große Anzahl von Controllern zuvor als Leiter des Internen Rechnungswesens fungiert haben. Als Begründungen dafür können einerseits die mentalitätsbedingt stärkere Betonung der sozialen Seite in der Marktwirtschaft sowie die traditionell intensive Beschäftigung der Betriebswirtschaftslehre speziell mit der Kosten- und Leistungsrechnung und ihrem hohen Entwicklungsstand angesehen werden. Dies führte gleichzeitig zu einer tendenziell längerfristig orientierten Unternehmensführung. Die internationale Verflechtung der Volkswirtschaften und in deren Folge die zunehmend globale Orientierung der Unternehmen hat u. a. dazu geführt, dass sich die beiden ursprünglich eindeutig gegeneinander abgrenzbaren Entwicklungsrichtungen eines amerikanischen bzw. europäisch-deutschen Controlling aufeinander zu bewegen. So lässt sich in der Praxis feststellen, dass die dominante Verfolgung des Strebens nach Wirtschaftlichkeit mehr und mehr durch Rentabilitäts- und Liquiditätsbetrachtungen ergänzt wird. Umgekehrt zeigt sich insbesondere bei den amerikanischen Tochtergesellschaften in Europa die Bereitschaft, das dominant liquiditäts- und rentabilitätsorientierte Denken durch Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen zu fundieren. Darüber hinaus lässt sich erkennen, dass ursprünglich das bisher gene-
68
1. Kapitel: Controlling
rell mit operativen Inhalten betriebene Controlling zunehmend durch ein strategisches Controlling ergänzt und erweitert wird. Für die absehbare Zukunft dürften sowohl in der Theorie wie auch in der Praxis wesentliche Neuerungen im Sinne der Ergänzung und Differenzierung des Controllingkonzepts weitgehend strategischer Art sein.
Controlling
Zielgrößen:
Institutionen:
Konvergenz:
Amerikanisches Controlling
Deutsches Controlling
Liquidität (cash) Rentabilität (profit)
Wirtschaftlichkeit (efficiency)
Externes Rechnungswesen
Internes Rechnungswesen
Liquiditäts-, Rentabilitäts- und Wirtschaftlichkeitsorientiertes Controlling
Abb. 35: Inhaltliche Entwicklung des Controlling Neben der inhaltlichen Entwicklung des Controlling lassen sich drei unterschiedliche Orientierungsphasen erkennen. Hierbei werden, ausgehend von der Entwicklung des Organisationsumfelds, die Orientierung, das Rollenbild sowie das Wirkungsfeld des Controllers in den Mittelpunkt gestellt.
Operative Führung Phase
Umfeld
Orientierung
Charakter
Wirkungsfeld
1
statisch
historisch, Buchhalter
Registrator
Externes Rechnungswesen
2
dynamisch Aktion
Navigator
Internes Rechnungswesen
3
turbulent
Interner Berater
operatives/strategisches Controllingsystem
Managementsystem
Abb. 36: Orientierungsphase des Controlling
A. Wesen und Entwicklung des Controlling
69
III. Differenzierung des Controlling Im Rahmen der Differenzierung des Controlling wird zwischen operativem und strategischem Controlling unterschieden. Das operative Controlling ist zeitlich geschlossen und umfasst in der Regel eine Zeitperiode von ca. drei bis fünf Jahren. Begründen lässt sich diese Befristung mit der Tatsache, dass eine darüber hinausgehende Beschäftigung mit der Zielgröße Gewinn aufgrund ihrer Abhängigkeit von den Potenzialen einerseits nicht erforderlich ist und andererseits in Spekulation ausartet. Innerhalb des operativen Controlling können abhängig von der Betriebsgröße und -branche zusätzlich weitere, in sich geschlossene Betrachtungszeiträume in kurzfristiger (Monat/Quartal/Halbjahr), mittelfristiger (ein Jahr) und langfristiger (bis zu fünf Jahren) Form gebildet werden. Das strategische Controlling umfasst alle zeitlichen Dimensionen des operativen Controlling, geht jedoch insofern über diese hinaus, als es in Bezug auf die weitere Zukunft offen ist. Dies bedeutet, dass strategisches im Sinne von perspektivischem Denken nicht durch einen konkreten Zeitpunkt, sondern durch eine vorläufig letzte, am weitesten in der Zukunft liegende unternehmensrelevante Erkenntnis begrenzt wird.31 Zusammenfassend kann das Wesen des strategischen bzw. operativen Controlling wie folgt beschrieben werden: Im Mittelpunkt des strategischen Controlling steht das rechtzeitige Erkennen und Schaffen von Potenzialen zum Zwecke der dauerhaften Sicherung der Existenz des Unternehmens. Im Mittelpunkt des operativen Controlling steht das Erreichen eines positiven Ergebnisses zum Zwecke der kurzfristigen Sicherung der Existenz des Unternehmens. Das Verhältnis zwischen strategischem und operativem Controlling lässt sich auch damit beschreiben, dass der angestrebte Gewinn in einer optimalen Relation zu den vorhandenen Potenzialen stehen muss. Bei der operativen Nutzung der strategisch geschaffenen Potenziale ist eine Vergeudung vorhandener Potenziale ebenso wie auch deren überzogene Ausbeutung zu vermeiden. Das operative Controlling orientiert sich am Globalziel der Sicherung der aktuellen Unternehmensexistenz. Hierbei versucht es durch Best-Practice-Lösungen eine optimale Potenzialnutzung zu erreichen.
31
Henzler, G.: Handbuch Strategische Führung, Wiesbaden 1988.
70
1. Kapitel: Controlling
Potenzialnutzung
OPERATION
Best-Practice (Kernnutzung, Kernrealisierung)
Globalziel: aktuelle Sicherung der Unternehmensexistenz Abb. 37: Operativer Controllingprozess Das strategische Controlling dagegen zielt auf das Erkennen und Schaffen neuer sowie auf das Pflegen vorhandener Potenziale, die die dauerhafte Existenz des Unternehmens sicherstellen sollen. Die dauerhafte Teilnahme am Markt kann nur durch den Aufbau geeigneter Kernkompetenzen als Potenzialbündel sichergestellt werden. Dieser Prozess muss durch ein geeignetes Instrumentenportfolio hinterlegt werden und sich an entsprechenden strategischen Überlegungen auf jeder Ebene orientieren.
Globalziel: dauerhafte Teilnahme am Markt
STRATEGIE
Kernkompetenzen (Potenzialbündel)
Potenzialschaffung Abb. 38: Strategischer Controllingprozess
A. Wesen und Entwicklung des Controlling
71
Die Interdependenzen zwischen den Potenzialen und dem Gewinn führen zu vier grundlegenden alternativen Ansätzen des strategischen Denkens und der Ausgestaltung der Unternehmensstrategie. Dies sind der marktorientierte Ansatz mit den generischen Marktstrategien, der ressourcenorientierte Ansatz mit dem Konzept der Kernkompetenzen und der wertorientierte Ansatz mit den unterschiedlichen Berechnungsmodellen des ShareholderValue. Dabei ist jedoch zu beachten, dass sich die Strategiealternativen gleichzeitig auch gegenseitig ergänzen und stabilisieren. Target Costing
Kernkompetenzen
Wettbewerbsstrategien
Potenziale
Gewinn
Wertsteigerungsanalysen
DFCF
Balanced
Abb. 39: Strategien und Schnittstellen im Controlling
EVA™
Scorecard
72
1. Kapitel: Controlling
Als Marktstrategien werden auf Basis der Wettbewerbsvorteile die Kostenführerschafts-, die Differenzierungs- und die Spezialisierungsstrategie abgegrenzt. Strebt ein Unternehmen die günstigste Kostenposition an, so sind die aktuellen und zukünftigen Potentiale zur Erreichung dieses Ziels entsprechend zu gestalten. Dies könnten z. B. hohe Auslastungen in den Sachanlagen zur Ausnutzung der Erfahrungskurve und kostenoptimale Standortbestimmung sein. Kann durch die vorhandenen Potenziale dagegen ein Zusatznutzen bzw. die Exklusivität von Produkten erzielt werden, so lässt sich durch diese Differenzierung ein Preisspielraum für den Gesamtmarkt aufbauen. Geben die vorhandenen Potenziale die Möglichkeit bzw. sind die zukünftigen Potenziale so zu gestalten, dass damit in einem ausgewählten Marktsegment ein bestimmtes, abgrenzbares Kundenproblem besser oder preiswerter gelöst werden kann als von der Konkurrenz, so ist eine Spezialisierung anzustreben. Der Aufbau von spezifischem IT-technischem Know-how in Form von Softwareprogrammen für Speziallösungen ist ein Beispiel für die Anwendung dieser Strategie. Der „Ressourcen-Ansatz“ analysiert die sich im Unternehmen befindenden Fähigkeiten, Fertigkeiten und Technologien daraufhin, ob diese funktionsbereichs- und organisationseinheitenübergreifend vorhanden sind. Sofern dies zu konstatieren ist, liegen sogenannte „Kernkompetenzen“32 eines Unternehmens vor. Durch deren aktuelle und zukünftige Nutzung oder durch eine neue Kombination und damit den Aufbau neuer Märkte bieten sie divergente Möglichkeiten und Chancen, die dauerhafte Existenzberechtigung eines Unternehmens zu unterstützen. Kernkompetenzen können mit den Kriterien Kundennutzen, Einzigartigkeit und Ausbaufähigkeit bestimmt werden. Generell werden vier dominante Kernkompetenzen in der Literatur unterschieden, d.h. Kundenorientierung, Qualitätsorientierung, Mitarbeiterorientierung und Innovationsorientierung. Eine Verknüpfung der Kernkompetenzen mit den Märkten führt zu dem im Folgenden dargestellten Portfolio.
32
Vgl. Hamel, G. / Prahalad, C.K.: Wettlauf um die Zukunft, Wien 1995.
Chancen nutzen
MegaChancen
Position nutzen und abschöpfen
ExklusivPosition
Markt
neu
73
bekannt
A. Wesen und Entwicklung des Controlling
vorhandene
neue
Kernkompetenzen Abb. 40: Kernkompetenz-Markt-Portfolio Unternehmen zeichnen sich häufig durch folgende produktunabhängige Kompetenzen, die sich in allen Organisationsbereichen wiederfinden, aus: • • • • • • •
extreme Kundenorientierung aller Mitarbeiter, technologische Kompetenz, dienstleistungsorientierte Führungskultur, projektbezogene Organisationsstruktur, Dynamik und Flexibilität auf Marktveränderungen, umfassendes und permanentes Qualitätsbewusstsein und Nutzenstiftung für alle Bezugsgruppen („Stakeholder-Value“).
Als Beispiel für die Anwendung des Kernkompetenz-Ansatzes wird von Hamel/Prahalad u. a. die Unternehmung Canon angeführt, der es gelungen ist, in ihren Produkten die vorhandenen Kernkompetenzen unterschiedlich zu kombinieren.
74
Kernkompetenz Produkt
1. Kapitel: Controlling
Präzisionsmechanik
Feinoptik
Mikroelektronik
Elektr. Bildverarb.
Basiskameras Mode-Kompaktkameras Elektronische Kameras EOS-Kameras Standbildkamera Laserdrucker Farbvideodrucker Tintenstrahldrucker Basisfaxgeräte Laser-Faxgeräte Rechner Normalpapierkopierer Batteriebetriebene Normalpapierkopierer Farbkopierer Laserkopierer Farblaserkopierer Standbildsysteme Laser Imager Cell Analyser Mask aligners Stepper Aligners Excimer Laser Aligners Abb. 41: Kernkompetenz-Produkt-Matrix der Unternehmung Canon33 Der wertorientierte Ansatz untersucht, ob die getätigten Investitionen in die Potenziale zur Erhaltung der Kernkompetenzen und zur Realisierung der angestrebten Marktstrategien tatsächlich auch eine mittel- und langfristige Wertsteigerung, d. h. eine über die Verzinsung des eingesetzten Kapitals hinausgehende Steigerung des Unternehmenswerts, implizieren. Aus dem Unternehmenswert kann dann als Residualgröße der Marktwert des Eigenkapitals abgeleitet werden, der sogenannte Shareholder-Value. Zur Ermittlung des Shareholder-Value stehen unterschiedliche Methoden zur Verfügung, die entweder auf diskontierten Cashflows (DFCF-Ansätze) oder dem Economic-Value-Added (EVA-Methode) beruhen.
33
Vgl.: Hamel, G./Prahalad, C.K.: Wettlauf um die Zukunft, Wien 1995.
A. Wesen und Entwicklung des Controlling
75
Die drei Orientierungen des strategischen Controlling werden in ihrer originären Bedeutung und mit ihren Interdependenzen nachfolgend nochmals zusammenfassend dargestellt.
Externe Potenzialität
generische Wettbewerbsstrategien - Kostenführerschaft - Differenzierung - Spezialisierung
Kernkompetenzen Interne Potenzialität
WertManagement
- Fähigkeiten - Fertigkeiten - Wissen - technisches Know-how
Shareholder-Value-Analysen - DFCF-Methode - EVA-Methode
Abb. 42: Orientierung im strategischen Controlling Ziel eines umfassenden Controlling muss die integrative Verknüpfung des strategischen und operativen Controllingprozesses im Sinne eines Controllingkernprozesses sein. Integrativer Bestandteil beider Prozesse sind die Potenziale, die im Sinne ihres Aufbaus aus strategischer Sicht und im Sinne der optimalen Nutzung aus operativer Sicht das Bindeglied zwischen operativem und strategischem Controllingprozess bilden.
76
1. Kapitel: Controlling
Globalziel: dauerhafte Teilnahme am Markt
STRATEGIE
Kernkompetenzen (Potenzialbündel)
Potenzialschaffung
Potenzialnutzung
OPERATION
Best-Practice (Kernnutzung, Kernrealisierung)
Globalziel: aktuelle Sicherung der Unternehmensexistenz Abb. 43: Controlling – Kernprozess Neben der inhaltlichen ist außerdem die zeitbezogene Differenzierung zwischen dem strategischen und dem operativen Controlling zu beachten. Grundsätzlich finden beide in der Gegenwart statt und sind in die Zukunft gerichtet. Daraus ergibt sich zugleich eine grundlegende Abgrenzung des Controlling gegenüber der ausschließlich vergangenheitsorientierten Finanzbuchhaltung.
A. Wesen und Entwicklung des Controlling
77
Strategisches Controlling Revision
Finanzbuchhaltung Vergangenheit
kurzfristig mittelfristig langfristig
Kostenrechnung Rechnungswesen
Rechnungswesen
Zukunft (Soll)
Operatives Controlling
Gegenwart (Ist)
Abb. 44: Zeitliche Dimension
IV. Definition des Controlling Der Begriff Controlling ist von dem englischen Wort „to control“ abgeleitet und bedeutet so viel wie „steuern, regeln, lenken“. In allgemeiner Form kann das Wesen des Controlling damit wie folgt beschrieben werden: Die generelle Aufgabenstellung des Controlling liegt im rechtzeitigen Erkennen von Chancen und Risiken bezüglich der Erreichung von Unternehmenszielen und in der Entwicklung und Durchsetzung von notwendigen Steuerungsmaßnahmen zum Zwecke der optimalen Zielerfüllung. Die International Group of Controlling (IGC) definiert Controlling wie folgt: „Controlling passiert, wenn Manager und Controller zusammenarbeiten. Controlling ist der gesamte Prozess der Zielfestlegung, der Planung und der Steuerung im finanz- und im leistungswirtschaftlichen Bereich. Controlling umfasst Tätigkeiten wie Entscheiden, Definieren, Festlegen, Steuern, Regeln. Demzufolge müssen Führungskräfte Controlling betreiben, da sie über die zu erreichenden Ziele sowie die Zielhöhe entscheiden und den Plan im Inhalt festlegen. Sie sind für das erreichte Resultat verantwortlich. Controlling als Führungsarbeit ist somit in jedem Unternehmen, auch im kleinsten, zu betreiben.“34
34
International Group of Controlling (Hrsg.): Controller-Wörterbuch, 3. Aufl. 2005, Stuttgart, S. 56.
78
1. Kapitel: Controlling
V. Controlling als Managementfunktion und Führungskonzeption Im Sinne seiner Anwendung und Umsetzung lässt sich das Controlling zugleich als Managementfunktion und Führungskonzeption verstehen. Controlling als Managementfunktion wird von einem Spezialisten wahrgenommen, dem Controller. Er ist eine Führungskraft, die sich in der Vergangenheit häufig aus der Funktion des Leiters des internen Rechnungswesens entwickelt hat. Mit der Einrichtung von Controllingbereichen und zugleich mit den heute vielfältigen Aus- und Weiterbildungsangeboten entstand eine neue Generation von fundiert ausgebildeten Controllern. Vor allem die Entwicklung in der Praxis hat gezeigt, dass die Realisierung des Controlling in einem Unternehmen allein durch den Einsatz von Controllern nicht erreicht werden kann. Da es sich hier um die Durchsetzung eines neuen Denk-, Verhaltens- und Orientierungsansatzes handelt, ist es unabdingbar, dass nicht nur der Controller, sondern alle Führungskräfte die Leitmaxime Controlling verstehen und akzeptieren. Controlling ist nur im kooperativen Miteinander von Controllern und den übrigen Führungskräften und nicht im Kampf der Controller gegen die übrigen Führungskräfte erfolgreich umsetzbar. Daraus ergibt sich, dass das Controlling auch als eine Führungskonzeption zu begreifen ist, nach der sich alle Führungskräfte des Unternehmens zu orientieren haben, wenn eine erfolgreiche Realisierung gelingen soll.
B. Steuerungsprozess im Controlling Das Controlling greift auf die drei grundlegenden Führungshandlungen • • •
des Planens, des Kontrollierens und des Informierens
zurück. Das Controlling ist damit integrativer Bestandteil der Führung. Das heißt, Controlling ist immer Führung. Aber Führung ist mehr als nur Controlling.
B. Steuerungsprozess im Controlling
79
sozio-emotionale Dimension Delegieren sach-rationale Dimension
Kerndimension Entscheiden Informieren Dispositionsfunktion Grundkompetenz
Managementfunktion Leitungskompetenz Humanfunktion Personalkompetenz
Controlling Abb. 45: Führungshandlung Controlling Insoweit stellt es zunächst keinen originär neuen Ansatz dar. Grundlegend neu sind jedoch • •
die inhaltliche Neuorientierung der drei Führungshandlungen sowie der Versuch einer integrierten Verknüpfung der drei Grundelemente zu einem lernfähigen Prozess.
80
1. Kapitel: Controlling
I. Denken in Extremen Aufgrund der ursprünglich stark national und tendenziell monopolistisch geprägten ökonomischen Bedingungen wurde das interne Rechnungswesen auf Basis des Planens, Kontrollierens und Informierens im Wesentlichen wie folgt verstanden: • • •
Planen als Hochrechnung der Vergangenheit in die Zukunft, Kontrollieren als vor allem personenorientiertes Suchen nach Schuldigen, Informieren als positionsbezogene, statische Bringschuld.
Dies führte zur Ausprägung des klassischen internen Rechnungswesens. Mit dem Übergang zur Globalisierung und der zunehmenden Wettbewerbsorientierung wurde zugleich eine grundlegende Neuorientierung innerhalb der drei Grundelemente erforderlich: • • •
Planen als Versuch der Transformation der Zukunft in die Gegenwart, Kontrollieren als vor allem sachorientierte Hilfeleistung, Informieren als aufgabenbezogene, dynamische Holschuld.
Dies führte zur Entwicklung des Controlling als neuem Ansatz in der Unternehmenssteuerung. Die aufgezeigte Gegenüberstellung der dominanten Inhalte im Rahmen der Führungshandlungen Planen, Kontrollieren und Informieren lässt erkennen, dass es sich jeweils um extreme Ausrichtungen handelt. Diese können im Sinne von Denkhilfen verstanden werden, die den Horizont des Controllers bestimmen. Die Weite des Horizonts wird hierbei durch den Abstand zwischen den extremen Denkpositionen bestimmt. Je enger diese beisammenliegen, desto kleiner der Horizont, je weiter diese voneinander entfernt sind, desto mehr erweitert sich der Horizont. Menschen ohne Horizont leben mit Scheuklappen nach der Vorstellung: „Wie etwas geht, das weiß ich; weil ich weiß, wie es geht, mache ich es so; Schlussfolgerung: Ich muss es so machen, weil es anders nicht geht!“ In der Folge gehen die Kompetenz der Beurteilungsfähigkeit und der Gestaltungsfähigkeit verloren. Wer nur eine Realisationsmöglichkeit kennt und praktiziert, muss diese als die einzig Richtige verabsolutieren, wodurch eine Beurteilung in Form eines Vergleichens unmöglich wird. Gleichzeitig entsteht keine Gestaltungsfähigkeit, da keine weiteren Variationsmöglichkeiten in Betracht gezogen werden. Ein Schwimmer, der lediglich das Brustschwimmen erlernt hat, wird diese Art der Fortbewegung im Wasser als die einzig Richtige empfinden und in Folge dessen auch ausschließlich praktizieren. Ein Hinterfragen, ob der Kraulstil oder das Rückenschwimmen als Alternative in Frage kämen, wäre ihm nicht möglich, da sein Horizont diese Handlungsoptionen nicht umfasst. Eine andere Ausgestaltung des Schwimmsports geht ihm also mangels Variationsmöglichkeiten verloren. Wer sich durch die Fähigkeit, in Extremen zu denken, einen möglichst weiten Horizont verschafft, erwirbt die beiden Kompetenzen der Beurteilungs- und Gestaltungsfähigkeit. Er kann hierdurch erkennen, dass es nicht nur eine einzige Handlungsmöglichkeit gibt. Vielmehr lassen sich zwischen den beiden Extrempositionen eine in der Regel nicht abschätzbare Vielzahl von Varianten erkennen. Damit kann jede konkret realisierte Handlungsalternative in ihrer Positionierung zwischen den Extremen und damit auch in ihrer Wirkungsweise
B. Steuerungsprozess im Controlling
81
gewertet und beurteilt werden. Außerdem gilt, dass alle realisierbaren Handlungsalternativen immer zwischen den beiden Extremen liegen müssen, denn „was Menschen nicht einmal denken können, können sie mit Sicherheit nicht tun, wenngleich nicht wenige etwas tun, was sie nicht denken können.“ Mit der neu gewonnenen Gestaltungsfähigkeit wird zugleich auch die Möglichkeit eröffnet, unter gegebenen Bedingungen die jeweils bessere Handlungsalternative zu finden. Damit fordert das Controlling eine „Kulturrevolution“ heraus, die sich in der Aufforderung konkretisiert, zu lernen, in Extremen zu denken. Es kann unterstellt werden, dass Extreme in der Praxis keine besonders realistische bzw. wirksame Handlungsalternative darstellen, sondern ihre primäre Bedeutung in ihrer Funktion als Denkhilfe zur Eingrenzung des Horizonts zu sehen ist. Die Begriffe Planen, Kontrollieren und Informieren lassen also vielfältige Ausprägungen zu. Diese Erkenntnis schafft zugleich ein wesentlich umfassenderes Bewusstsein und vermittelt eine neue Grundlage der Gestaltungsmöglichkeiten.
extreme Formulierung
extreme Formulierung
Hochrechnung der Vergangenheit in die Zukunft Ex-post-Orientierung
Planen
personenorientiert: Schuldige finden fremdbestimmt
Kontrollieren
positionsbezogen: Bringschuld statisch
Informieren
Schaffen weiter Horizonte
Abb. 46: Denkspektren im Controlling
Transformation der Zukunft in die Gegenwart Ex-ante-Orientierung sachorientiert: Hilfe leisten selbstbestimmt aufgabenbezogen: Holschuld dynamisch
Marktwirtschaftliche, polipolistisch
zentralverwaltungswirtschaftlich, monopolistisch
Denken in Extremen
82
1. Kapitel: Controlling
Eine nähere Betrachtung der extremen Versionen des Planens, Kontrollierens und Informierens zeigt, dass die linksseitigen Formulierungen in einem dominant monopolistisch geprägten Umfeld entstanden sind und dort auch ihre Berechtigung haben. Im Gegensatz dazu sind die rechtsseitigen Formulierungen in einem polipolistischen Umfeld entstanden und haben damit ebenfalls ihre Berechtigung. Wird ein Unternehmen und seine Umwelt im Wesentlichen durch kontinuierliche, transparente und eigendynamische Tatbestände und Entwicklungen bestimmt, so kann die Planung dominant als Hochrechnung der Vergangenheit, die Kontrolle als personenbezogene Suche nach Schuldigen und die Information als positionsbezogene, statische Bringschuld verstanden und abgewickelt werden. Insofern wurden die Unternehmungen in der Vergangenheit auf dieser Grundlage überwiegend erfolgreich geführt. Wird eine Unternehmung und ihre Umwelt im Wesentlichen durch diskontinuierliche, komplexe und fremddynamische Tatbestände bestimmt, so kann die Planung dominant als Transformation der Zukunft in die Gegenwart, die Kontrolle als sachorientiertes Hilfeleistung und die Information als im Wesentlichen dynamische Holschuld beschrieben werden. Insofern müssen die Unternehmungen dominant auf dieser Grundlage geführt werden, um erfolgreich zu sein. Auf der Grundlage der dargestellten Ausprägungen im Umfeld hat sich ein grundlegender Wandel im System Unternehmung vollzogen.
II. Integrierte Verknüpfung der Grundelemente Handlungsprozesse vollzieht der Mensch grundsätzlich nach dem sogenannten DreiPhasen-Schema. In seiner allgemeinen Formulierung stellt sich dieses als • • •
Vorbereitung, Durchführung und Überprüfung
dar. Betriebswirtschaftlich werden die drei Phasen als • • •
Planung, Realisation und Kontrolle
bezeichnet. Aufgabe der Planung als der ersten Phase ist es, ein Soll zu entwickeln. Die Realisation bringt das Ist hervor. Die Kontrolle beruht auf dem Vergleich von Soll und Ist. Der Sollzustand bildet die Orientierungsgröße für die Realisation und die Normgröße für die Kontrolle. Informationen über Störgrößen aus dem Unternehmensumfeld werden im Sollzustand feed forward im Sinne einer Steuerung berücksichtigt. Die Verwirklichung erfolgt in Form einer Ausführungshandlung, dem Ist. Im Rahmen der Führungsaufgabe Kontrolle wird das aufgestellte Soll mit dem realisierten Ist verglichen. Die aus diesem Vergleich gewonnenen Erkenntnisse werden als Information an die Planung und/oder Realisation zurückge-
B. Steuerungsprozess im Controlling
83
meldet. Dieses Feedback schließt den Kreislauf und führt damit zur Regelung des Systems Unternehmung. Hieraus wird die besondere Bedeutung der Planung ersichtlich, bei deren Wegfall die Realisation orientierungslos und die Kontrolle unmöglich wird bzw. zu einem Pseudovergleich eines Ist-Zustandes mit einem anderen Ist-Zustand degeneriert (Ist-Ist-Vergleich). Handlungen, die sich im Wesentlichen auf die Realisation reduzieren, werden als Routine bezeichnet. Diese stellt einerseits ein Höchstmaß an rationeller Vorgehensweise dar und ist insoweit unentbehrlich, andererseits besteht die Gefahr der sinnlos gewordenen Wiederholung, der dadurch begegnet werden kann, dass routinemäßig ausgeführte Handlungen von Zeit zu Zeit durch die extensive Anwendung des Drei-Phasenschemas auf ihren Sinngehalt überprüft werden. Ziel der Kontrolle ist die Ermittlung von Abweichungen, deren Analyse sowie ggf. die Entwicklung von Gegenmaßnahmen zur Überwindung von Fehlentwicklungen. Damit bei der Neugestaltung bzw. Wiederholung von Prozessen die gewonnenen Erkenntnisse berücksichtigt werden können, muss eine Information an die Planung und/oder Realisation erfolgen. Mit diesem Feedback wird zugleich ein geschlossener Kreislauf geschaffen, der als Gestaltung eines lernfähigen Prozesses verstanden werden kann. Seine Anwendung ermöglicht es, Fehlentwicklungen, d. h. insbesondere Irrtümer aufzudecken und im Sinne eines Lernvorgangs positiv zu nutzen. Das Controlling versucht die Gestaltung und Abwicklung der beschriebenen Lernprozesse auf allen Ebenen und in allen Funktionsbereichen des Unternehmens zu realisieren. Ein umfassender Lenkungsprozess regelt das Unternehmen auf Basis des Soll-Ist-Vergleichs im Sinne einer reinen Handlungsanpassung (single loop) und steuert es auf Basis eines SollWird-Vergleichs im Sinne einer Hinterfragung der gesetzten Handlungsprämissen (doubleloop). Bei der traditionellen Durchführung von Soll-Ist-Vergleichen wurde in der Regel eine Deckungsgleichheit zwischen Soll und Ist angestrebt. Daher galt eine Abweichung von Null als positives Ergebnis. Dieses Resultat gibt keine unmittelbare Veranlassung, grundlegende Veränderungen herbeizuführen. Die zunehmende Dynamik macht es jedoch erforderlich, Veränderungsmöglichkeiten möglichst schnell zu erkennen und zu verwirklichen. Dazu ist die Gestaltung permanenter Lernprozesse notwendig. Solche entstehen nur, wenn die Teilhandlungen Planen, Kontrollieren und Informieren in ihrer neuen inhaltlichen Interpretation verstanden werden, und die Bedeutung der Abweichung neu definiert wird. Eine veränderte Einstellung bezüglich des Umgangs mit Abweichungen, also eine neue Abweichungskultur wurde erforderlich. Je einfallsloser die Planung ist, desto eher sind Plan und Ist gleich. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Controller im Rahmen der Planung nur die Vorjahreswerte in den Kostenarten ohne weitergehende Überlegungen als Vorgabewerte übernimmt oder geringfügig korrigiert und im nächsten Jahr auch erreicht. Die Leistungsfähigkeit des Unternehmens ist bei einem sich ändernden Umfeld nicht besser bzw. möglicherweise sogar schlechter geworden, da vorhandene Schwachstellen nicht erkannt werden. Die eingetretene Abweichung Null kann dieses Signal also nicht senden. Umgekehrt gilt, je höher die Kreativität bei der Festlegung des Solls, umso unwahrscheinlicher ist eine sofortige Deckungsgleichheit zwischen Soll und Ist. Bei dieser Vorgehensweise müsste der BudgetierungsVerantwortliche sich für die einzelnen Kostenarten jeweils optimale Werteverzehre als Planansatz für die Zukunft vorstellen und festhalten. Solchermaßen begründete Abweichun-
84
1. Kapitel: Controlling
gen sind positiv zu bewerten, soweit sie Lernpotenziale generieren. Falls es also zwischen den kreativen Vorgaben und dem Erreichten Ist eine Abweichung gibt, ist diese auf ihre Ursachen zu untersuchen. Der Umfang der Lernfähigkeit wird damit entscheidend durch das Maß an Kreativität im Soll bestimmt. Dabei können dann entsprechende Lernpotenziale offengelegt, Verhaltensänderungen herbeigeführt und damit Lernprozesse ermöglicht werden. Es ist also die Frage „Wie gut sind wir?“ durch die Frage „Wie können wir schnell besser werden?“ zu ersetzen. Denn die erste Fragestellung legt den Schwerpunkt auf die Vergangenheitsbewältigung, die zweite dagegen auf die Zukunftsgestaltung. Damit kann jeder Arbeitsplatz zu einem ständigen Lernort und das Unternehmen zur lernenden Organisation umgewandelt werden.
neue Planungskultur
Realisation
Soll
neue Kontrollkultur Soll-/IstVergleich
Ist
neue Abweichungskultur
double loop
single loop
Lernpotenziale
neue Informationskultur Abb. 47: Controlling als ganzheitlicher Lernprozess Im historischen Ablauf hat sich hier eine Art Paradigmenwechsel vollzogen. Die traditionelle Zielsetzung von Soll-Ist-Vergleichen lag in der Beurteilung des Ist mithilfe des Soll im Sinne einer Vergangenheitsbewältigung. Die aktuelle Zielsetzung von Soll-Ist-Vergleichen legt die Bedeutung auf die Sollgröße, also auf Tatbestände, die noch beeinflussbar sind, und nutzt das Ist als Hilfsgröße zur Erkenntnis inwieweit das gewollte auch erreicht wurde. Damit gelingt eine zukunftsorientierte Steuerung. Damit kann das Controlling seinem Wesen nach als die Gestaltung und Implementierung des Lernens als dauerhafte Maxime im Unternehmen begriffen werden. Es wird nicht mehr nur als reines Recheninstrument verstanden, sondern ist vielmehr als ein neuer Ansatz des Denkens und Handelns in der Unternehmenssteuerung zu sehen: Controlling ist damit die lernorientierte Steuerung zur nachhaltigen Optimierung von ökonomischrelevanten Prozessen in wettbewerbsorientierten Institutionen.
C. Planen
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C. Planen I. Wesen und Bedeutung des Planens Unternehmungen sind zweckgerichtete Institutionen. Zur Erreichung der jeweils gesetzten Ziele sind entsprechende Handlungen erforderlich. Speziell für betriebswirtschaftliche Zielvorgaben gilt, dass zu ihrer Erreichung stets mehrere, unterschiedliche Möglichkeiten gegeben sind. Die zielorientierte Suche, Bewertung und Auswahl von Handlungsmöglichkeiten wird allgemein als Planung verstanden. Sie soll dazu beitragen, aus der regelmäßig großen Zahl von Handlungsmöglichkeiten die für ein vorgegebenes Ziel effizienteste(n) zu erkennen, um mit dieser Beschränkung ein mögliches Chaos zu vermeiden, d. h. die Gestaltbarkeit des Systems Unternehmung zu sichern. Die Planung legt damit den Rahmen fest, innerhalb dessen ein Höchstmaß an Handlungsfreiheit entsteht. Planen stellt damit den Versuch der gedanklichen Vorwegnahme zukünftiger Handlungen und Unterlassungen zum Zwecke einer bestmöglichen Zielerreichung dar. Dies geschieht im Rahmen einer systematischen Vorgehensweise. Das Planen wird damit durch folgende wesentliche Merkmale gekennzeichnet: • • • • • •
Planen ist ein geistiger Vorgang, der insbesondere hohe Anforderungen an die Kreativität stellt. Planen ist als ein Versuch zu begreifen, der die Möglichkeit des Irrtums einschließt und sich damit von der Hellseherei unterscheidet. Planen ist stets zukunftsorientiert. Planen beinhaltet auch, bisher Ungedachtes denkbar zu machen. Planen trägt dazu bei, die Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung zu erhöhen und damit zugleich das Risiko, auf Abwegen zu landen, zu mindern. Planen ist stets als Mittel zum Zweck der Zielerreichung und nicht als Selbstzweck zu begreifen.
Eine völlige Ausschaltung des Unternehmerrisikos kann jedoch auch durch das Planen nicht erreicht werden. Planung ist damit vergleichbar mit einem Kompass, durch dessen sachgerechten Einsatz ein Schiffsführer ein vorgegebenes Reiseziel mit größerer, aber nicht absoluter Sicherheit erreicht. Als grundlegende Aufgabenstellung übernimmt die Planung damit eine Zielsicherungsfunktion, die durch die Offenlegungs-, Orientierungs- und Kontrollfunktion konkretisiert wird:
Offenlegungsfunktion Die zunehmende Komplexität der betrieblichen Aufgaben macht es erforderlich, durch vorheriges, gedankliches Durchdringen die eigentliche Problemstellung zu erkennen, um geeignete Maßnahmen für eine bestmögliche Lösung zu finden. Eine solchermaßen gestaltete Vorgehensweise kann Fehlentscheidungen aufgrund von Unkenntnis oder falscher Einschätzung der Auswirkungen von Entscheidungen verhindern.
86
1. Kapitel: Controlling
Jede vor der Realisierung erkannte und deshalb vermiedene Fehlentwicklung leistet einen Beitrag zur besseren Zielerreichung.
Orientierungsfunktion Der noch immer steigende Grad an Arbeitsteilung macht es erforderlich, den mit der Realisierung befassten Personen optimale Orientierungshilfen zu geben. Durch diese Vorgaben können die Führungskräfte die Unternehmensabläufe in die gewünschte Richtung steuern. Jede während der Realisierung vermiedene Fehlentwicklung leistet einen Beitrag zur besseren Zielerreichung.
Kontrollfunktion Nach der Abwicklung von Betriebsprozessen dienen Planvorgaben als Sollgrößen, die den geeigneten Maßstab für das erreichte Ist darstellen. Nur Kontrollsituationen auf der Grundlage von Soll-Ist-Vergleichen ermöglichen fundierte Aussagen über Abweichungen von der angestrebten Wirklichkeit. Jede eingetretene und erkannte Fehlentwicklung kann bei der Wiederholung der Realisierung vermieden werden und leistet dann ebenfalls einen Beitrag zur besseren Zielerreichung.
II. Planungsprozess Das Planen vollzieht sich als dreistufiger, strukturierter Handlungsablauf. Die erste Phase umfasst die Festlegung des Planungsziels, die zweite Phase die Suche nach Planungshandlungen und die dritte Phase die Durchführung der Planungsentscheidung. Die konsequente Einhaltung und Abwicklung dieser Phasen gewährleistet, dass die Planung ihren Beitrag zur Sicherung des Unternehmens leisten kann.
Erste Phase: Festlegung des Planungsziels Ein Ziel beschreibt einen in der Zukunft liegenden, wünschens- bzw. erstrebenswerten Tatbestand, der nicht von selbst, also nur durch ein Tun oder Unterlassen erreichbar ist. Ziele haben zugleich Orientierungs- und Aktivierungsfunktion. In der Betriebswirtschaftslehre unterscheidet man zwischen Formalzielen und Sachzielen. Formalziele haben grundlegende Bedeutung für die Existenz des Unternehmens und stehen insofern an der Spitze der Zielhierarchie. Die wichtigsten Formalziele sind die Sicherung von Potenzialen und das Streben nach Gewinn. Sachziele werden aus den Formalzielen abgeleitet, sie sind damit zugleich Mittel zur Erreichung der Formalziele. In diesem Sinne dient ein Umsatz- oder Kostenziel als Mittel zum Zweck der Gewinnerzielung.
Planungsziele sind grundsätzlich Sachziele, die aus den Formalzielen abzuleiten sind. Für den weiteren Planungsablauf übernehmen die Planungsziele zwei Funktionen. Sie müssen als Sollvorgaben formuliert werden, die eine Leitfunktion bei der Suche nach Planungshandlungen übernehmen können. Außerdem haben sie eine Beurteilungsfunktion im Rahmen der Planungsentscheidung zu erfüllen.
C. Planen
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Es ist daher besonders darauf zu achten, dass sie in operationaler Form definiert werden. Dazu ist erforderlich, dass im Rahmen der Zieldefinition eindeutige Aussagen über • • •
Zielinhalt, Zeitrahmen und Erfüllungsgrad
erfolgen. Bei der Festlegung des Zielinhalts handelt es sich um die konkrete Benennung eines Sachverhalts, z. B. in Form von Umsatz. Der Zeitrahmen beschreibt einen Zeitraum bzw. einen Zeitpunkt, innerhalb dessen bzw. bis zu dem ein Ziel erreicht werden soll, z. B. innerhalb eines Monats oder zum Ende des Geschäftsjahrs. Der Erfüllungsgrad beschreibt möglichst in quantifizierter Form, wann ein Ziel als erfüllt gilt, z. B. in Form eines absoluten EUROBetrags. Eine operationale Planzielformulierung kann somit z. B. wie folgt lauten: Steigerung des Umsatzes im kommenden Geschäftsjahr auf 20 Mio. €. Die Aufstellung der Planungsziele vollzieht sich in einer konkreten wirtschaftlichen Wirklichkeit, die nur zum Teil von den Planenden beeinflusst werden kann. Die unbeeinflussbaren Gegebenheiten werden als Planungsdaten bezeichnet. Sie begrenzen die Zielinhalte und können als Nebenbedingungen der Planungsziele bezeichnet werden. Dabei lassen sich exogene und endogene Planungsdaten unterscheiden. Zu den ersteren zählen die sogenannten Umfeldbedingungen eines Unternehmens, wie z. B. Beschaffungs- und Absatzmarktstrukturen, tarifrechtliche Vorschriften, Sicherheitsbestimmungen usw. Die endogenen Planungsdaten ergeben sich aus den durch das Unternehmen selbst festgelegten Eingrenzungen des Planungsspielraums. Diese sind z. B. das vorhandene Mittelpotenzial wie Maschinen- und Arbeitskapazitäten und das technische Wissen, aber auch die Festlegung der Planungsvorschriften und Planungskompetenzen. Sie stellen Prämissen für den Planungsprozess dar.
Zweite Phase: Suche nach Planungshandlungen Zunächst muss die Ausgangssituation, d. h. der Ist-Zustand, analysiert werden, der die Ausgangsbasis der Planungsziele als Sollzustand darstellt. Dazu sind die tatsächliche Lage möglichst eindeutig zu beschreiben und die sie beeinflussenden, durch die Planung veränderbaren Planungsvariablen aufzuzeigen. So kann z. B. festgestellt werden, dass das Unternehmen im abgelaufenen Jahr einen Umsatz von 18 Mio. € bei stagnierenden Preisen und einem Werbeetat von 400.000,- € erzielt hat. Ein Vergleich zwischen Ist- und Sollzustand, wie er oben formuliert wurde, zeigt die Zieldifferenz auf, die durch unterschiedliche Planungshandlungen auszugleichen ist. Je weiter jedoch das Planungsziel in die Zukunft hinein reicht, umso weniger aussagefähig ist ein direkter Soll-Ist-Vergleich. Die Begründung dafür ist darin zu sehen, dass sich der Ausgangszustand im Zeitablauf auch ohne eigenes Zutun verändern kann. Dies ist auf die vom Unternehmen unbeeinflussbaren Wirkungen der Planungsdaten zurückzuführen. So könnte z. B. der Umsatz im kommenden Jahr trotz unveränderter Preise und Werbeaufwendungen auf 17 Mio. € fallen, wenn die Konkurrenz die Preise entsprechend senkt. Eine möglichst genaue Aussage über die Ziellücke ergibt sich damit erst, wenn der wahrscheinliche Ist-Zustand in der Zukunft (Wird-Zustand) mit dem Soll-Zustand, bezogen auf den gleichen, zukünftigen Zeitraum bzw. Zeitpunkt verglichen wird. Dazu ist es erforderlich, Prognosen aufzustellen, um die Wirkung der Planungsdaten auf den gegenwärtigen Ist-
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1. Kapitel: Controlling
Zustand zu erkennen. Die Betriebswirtschaftslehre hat dazu Planungshilfen in Form von Methoden der Vorausschätzung (Trendvorhersage, Analogiemethode u.a.) bzw. Verfahren des Operations Research (Lineare Programmierung, Warteschlangentheorie, SimplexMethode u. a.) entwickelt.
Planungshandlungen sind zukunftsbezogene Vorhersagen, die der Unsicherheit bezüglich des Umfangs ihres Eintretens und damit ihres Erfolgs unterliegen. Die Suche nach solchen Lösungsmöglichkeiten ist ein kreativer Vorgang, der, ausgehend von verwertbaren Erfahrungen, die Fähigkeit zum Erkennen von Ursache-/Wirkungszusammenhängen in vielfältiger Form verlangt. Die Aufdeckung von „Wenn-dann-Beziehungen“ ermöglicht die Formulierung von Planungshandlungen. So führt z. B. die Feststellung „Wenn die Produktqualität gesteigert wird, so lässt sich der Umsatz erhöhen“ bei einem Planungsziel „Erhöhung des Umsatzes“ zu der möglichen Planungshandlung „Steigerung der Produktqualität“. Bei der Suche nach Planungshandlungen kann generell zwischen Prognose- und Erwartungsalternativen unterschieden werden. Lassen sich statistisch gesicherte Wahrscheinlichkeitswerte bezüglich der Verwirklichung festlegen, z. B. in der Form, dass eine Steigerung der Ausgaben für die Verbesserung der Produktqualität von 10 % eine Umsatzsteigerung von ca. 3 % erbringt, so liegen Prognosealternativen vor. Sind jedoch keine quantifizierbaren Schätzungen der Wahrscheinlichkeit möglich, wie dies z. B. für die Feststellung gilt, dass sich eine gewisse Verlängerung der Garantiezeit für die Produkte positiv auf den Umsatz auswirkt, so handelt es sich um Erwartungsalternativen. Der Zeitaufwand für die Suche nach Planungshandlungen wird grundsätzlich durch die Bedeutung des Planungsziels in Bezug auf das Formalziel des Unternehmens bestimmt. Lautet z. B. das Planziel „Steigerung des Umsatzes“ von 18 Mio. € auf 20 Mio. € bzw. „Senkung der Kosten für Büromaterial“ von 28.000 € auf 25.000 € bei einem jeweiligen Formalziel „Verbesserung des Unternehmensgewinns“ von 1 Mio. € auf 1,2 Mio. €, dann ist offensichtlich erkennbar, dass dem ersten Planungsziel die größere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Damit ist grundsätzlich der Aspekt der Wirtschaftlichkeit bei der zeitlichen Ausdehnung der Planung zu beachten. In der Praxis lässt sich häufig feststellen, dass die Suche nach Planungshandlungen eher frühzeitig bereits dann beendet wird, wenn der Planende der Meinung ist, einen bzw. wenige Erfolg versprechende Lösungswege aufgedeckt zu haben. Sofern mehr als eine Planungshandlung gefunden wurde, ist eine Bewertung der Alternativen erforderlich, um eine bessere Grundlage für die Planungsentscheidung zu schaffen. Dabei erhält diejenige Planungshandlung die höchste Wertung, die am meisten zur Planzielerreichung beiträgt. Die Wertigkeit bezüglich der Zielwirksamkeit kann dabei • • •
kardinal mit Grundzahlen, z. B. als Quantität in Form von „16 Stück“, ordinal mit Ordnungszahlen, z. B. als Reihenfolge in Form von „1. Platz oder 2. Platz“ oder nominal mit Worten, z. B. als qualifizierende Aussage in Form von „guter oder schlechter Eignung“ gemessen werden.
Die Aussagefähigkeit der Bewertung muss in der Praxis mit umso größerem Vorbehalt gesehen werden, je höher die in den Planungsalternativen enthaltenen Unsicherheitsfaktoren sind.
D. Kontrollieren
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Dritte Phase: Planungsentscheidung Während die Suche nach vielfältigen Planungshandlungen den eigentlichen Kernbereich des Planungsprozesses darstellt, bildet die Planungsentscheidung die letzte Stufe im Planungsablauf. Sie beinhaltet die Festlegung auf die zielwirksamste(n) Planungshandlung(en). Dies kann (können) der (die) am höchste(n) bewertete(n) Lösungsweg(e) sein. Insbesondere dann, wenn der Entscheidungsträger nicht mit der Person identisch ist, welche die Suche nach Planungshandlungen übernommen hat, ist es denkbar, dass auch Planungshandlungen abweichend von der Bewertungsrangfolge ausgewählt werden. Dies wird z. B. dann der Fall sein, wenn ein unterschiedlicher Informationsstand vorliegt bzw. kurzfristig veränderte Bedingungen eingetreten sind. Grundsätzlich kann die Planungsentscheidung vom Planer selbst bzw. einer kompetenten Führungskraft getroffen werden. 35 Planungsziele
Planungsalternativen
Planungsentscheidung
Leitfunktion
Prognosealternativen
Planungsträger
Beurteilungsfunktion
Erwartungsalternativen
sonstige Entscheidungsträger
Planungsdaten
Bewertung
Abb. 48: Planungsprozess
D. Kontrollieren I. Wesen und Bedeutung des Kontrollierens Bewusst gestaltete Betriebsabläufe basieren auf Zielen und Planungen, deren Realisierung durch Organisation und ausführende Tätigkeiten erfolgt. Um festzustellen, inwieweit Zielund Planvorstellungen mit der erzielten Ist-Situation, d. h. der Realität, übereinstimmen, bedarf es einer ständigen Überprüfung. Sie ist umso mehr erforderlich, als die Betriebsprozesse überwiegend arbeitsteilig durchgeführt werden, d. h. Zielfindung, Planung und Realisation werden von unterschiedlichen Aufgabenträgern in jeweils selbstständigen Aktionseinheiten vollzogen. Die laufende Überwachung wird aus betriebswirtschaftlicher Sicht als Kontrolle bezeichnet. Der entsprechende Vorgang, das Kontrollieren, ist stets ein Vergleich von mindestens zwei Tatbeständen. Die Gegenüberstellung soll dazu dienen, den Grad ihrer Übereinstimmung bzw. Abweichung festzustellen. Eine sinnvolle Aussage ist erst dann möglich, wenn eine der Vergleichsgrößen zur Norm bzw. zum Maßstab erhoben wird. Der Vergleich des Maßstabs (Soll) mit der zu beurteilenden Größe, einer Realität (Ist), gibt dann an, inwieweit und um wie viel die reale von der normierten Größe abweicht. Soll beispielsweise die Breite eines 35
Vgl. hierzu Ebert, G: Unternehmensführung in: Bestmann, U. (Hrsg.): Kompendium der Betriebswirtschaftslehre, 11. Aufl. 2010, München, Wien, Oldenburg, S.101.
90
1. Kapitel: Controlling
Tisches ermittelt werden, so stellt der Tisch die zu beurteilende Realität dar, während als Maßstab z. B. das Metermaß dient. Die Breite des Tischs bestimmt sich allein durch die Art des Maßstabs in Form von Metern, Fuß oder Ellen. Daraus resultiert die grundlegende Erkenntnis, dass das Ergebnis jeder Kontrolle immer vom gewählten Maßstab abhängig ist. Bei der Durchführung aussagefähiger Kontrollen sind zwei Situationen zu unterscheiden. Liegt ein Maßstab vor, der verbindlich akzeptiert und ohne Problem beschafft werden kann (objektive Maßstäbe), ist die Durchführung der Kontrolle einfach, wie das Beispiel der Messung des Tischs mithilfe des Maßbands zeigt (triviale Kontrolle). Fehlt dagegen ein allgemein verbindlicher, akzeptierter und beschaffbarer Maßstab, wird die Kontrolle zu einer großen Herausforderung, da in diesem Fall ein geeigneter Maßstab entwickelt bzw. konstruiert werden muss. Dies trifft grundsätzlich auf alle ökonomisch orientierten Kontrollen, wie z. B. die Kostenkontrollen, zu. Speziell konstruierte Maßstäbe sind subjektiv beeinflusst und damit mehr oder weniger manipulierbar. Zur Durchführung betriebswirtschaftlicher Vergleiche können Ist-Größen, Normal-Größen, Plan-/Soll-Größen, Ziel-/Target-Größen oder Benchmark-Größen als Maßstäbe herangezogen werden. Ist-Größen sind realisierte Daten der abgelaufenen Periode. Normalgrößen werden als Durchschnittswerte aus mehreren realisierten Größen vergangener Perioden gebildet. Neben diesen vergangenheitsorientierten gibt es Maßstäbe, die mit Blick auf die Zukunft gebildet werden. Basiert ihre Konstruktion primär auf internen Daten für die nachfolgende Periode, so spricht man von Plan- oder Soll-Größen. Bei Ziel- bzw. Target-Größen und Benchmark-Größen dominieren dagegen überwiegend externe Daten, die national oder international, branchenspezifisch oder branchenübergreifend für einen mittelfristigen Zeitraum bestimmt werden. Die Kontrolle dient letztlich als Mittel zur Feststellung, inwieweit die vorgegebenen Betriebsziele erreicht bzw. die angestrebten Aktivitäten durchgeführt wurden. Sie ist daher mit der Berechnung von Abweichungen nicht beendet. Vielmehr muss sich eine Abweichungsanalyse zur Ermittlung der Ursachen für eine mangelnde Ziel- bzw. Planerfüllung anschließen. Die Abweichung selbst sowie die relevanten Abweichungsbegründungen sind dann den entsprechenden Aufgabenträgern für die Einleitung eventueller Gegenmaßnahmen zugänglich zu machen. Das Kontrollieren kann damit als Vergleich zwischen einer Norm und einer Wirklichkeit verstanden werden, der die Feststellung und Analyse von Abweichungen sowie die Entwicklung von Gegenmaßnahmen und deren Durchsetzung beinhaltet. Die grundlegende Aufgabenstellung des Kontrollierens ist die Substanzsicherungsfunktion, die durch die Aufklärungs- und die Steuerungsfunktion konkretisiert wird.
D. Kontrollieren
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Substanzsicherungsfunktion Oberste und letzte Zielsetzung jeder betrieblichen Kontrolle ist die Sicherung und Mehrung der vorhandenen Substanz. Sie beruht auf den Produktionsfaktoren menschliche Arbeitskraft, Betriebsmittel und Werkstoffe, die als Grundlage für den Leistungserstellungs- und -verwertungsprozess dienen. Die Entstehung einer Leistung basiert auf dem Einsatz von Produktionsfaktoren. Jeder Output setzt einen Input voraus, wodurch die Substanz des Betriebs permanent gefährdet ist. Die im Kombinationsprozess verbrauchten Produktionsfaktoren werden als Kosten erfasst. Sie stellen den Teil der Substanz dar, der verzehrt wurde, um eine Leistung zu erstellen. Damit sind die Kostenkontrollen die wichtigste Form betrieblicher Kontrollen. Dabei wird jedoch nicht jede Form des Substanzverzehrs akzeptiert. Es soll ein wirtschaftlicher Verzehr erreicht werden, wodurch das Streben nach Wirtschaftlichkeit zu einer systemindifferenten Steuerungsgröße jeden ökonomischen Handelns wird. Zur Sicherung des Betriebsvermögens sind die Pflege der Betriebsstruktur, die Gestaltung der Betriebsabläufe sowie die Erfüllung der Verhaltensvorschriften permanent zu überprüfen. Dabei muss eine angemessene Wirtschaftlichkeit erreicht werden, die letztlich durch die Kosten erfasst, dargestellt und beurteilt wird. Soweit Menschen in den Betriebsprozess involviert sind, soll Kontrolle als eine aktive Hilfestellung zur Verbesserung der Effizienz empfunden und nicht als Instrument der Schuldzuweisung eingesetzt werden. Die Kontrolle soll vermeidbare Unwirtschaftlichkeiten schnellstmöglich aufdecken und für die Zukunft bewirken, dass diese abgestellt werden. Darüber hinaus sind die Irrtümer, die größtenteils eine notwendige Begleiterscheinung von kreativen Prozessen sind, möglichst schnell aufzudecken, um einen Lernvorgang zu erreichen. Kontrolle ist insofern als eine betriebliche Daueraufgabe zu verstehen, da stets mit Unwirtschaftlichkeiten gerechnet werden muss, solange Menschen schöpferisch tätig sind.
Aufklärungsfunktion und Steuerungsfunktion Die Aufklärungs- und die Steuerungsfunktion sind Unterfunktionen der Substanzsicherungsfunktion. Die Kontrolle dient einerseits der möglichst frühzeitigen Aufdeckung von Fehlentwicklungen als Voraussetzung für die Einleitung von Gegenmaßnahmen. Andererseits bewirkt sie personen- und sachbezogene Verhaltensänderungen aufgrund nachgewiesener unzureichender Ergebnisse und erzielt damit einen steuernden Einfluss auf die Betriebsprozesse. Folgende Tatbestände gelten als charakteristische Merkmale der Kontrolle: • • • • • •
Kontrolle trägt dazu bei, den Zielerreichungsgrad zu überprüfen (Zielerreichungskontrolle); Kontrolle vergleicht die Planung mit der Realisierung (Planungsdurchführungskontrolle); Kontrolle liefert eine Begründung für die auftretenden Abweichungen; Kontrolle entwickelt erforderliche Gegenreaktionen, um die Abweichungen zukünftig zu vermeiden; Kontrolle trägt dazu bei, vorhandene Schwachstellen aufzudecken und zu beheben; Kontrolle dient als aktive Hilfestellung in komplexen Situationen der Zielerreichung, Aufgabenerfüllung und/oder Problemlösung.
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1. Kapitel: Controlling
II. Kontrollprozess Das Kontrollieren vollzieht sich als dreistufiger, strukturierter Handlungsablauf. Die erste Phase umfasst die Bildung von Kontrollgrößen, die zweite Phase die Kontrollauswertung und die dritte Phase beinhaltet die Kontrollentscheidung. Die konsequente Einhaltung und Abwicklung dieser Phasen gewährleistet, dass die Kontrolle ihren Beitrag zur Sicherung der Betriebssubstanz leisten kann.
Erste Phase: Bildung der Kontrollgrößen Die erste Phase beinhaltet die Bildung von Kontrollgrößen, d. h. die Festlegung der zu kontrollierenden Objekte. Kontrollobjekte können z. B. Absatzmengen, Umsatzwerte, Ausbringungsmengen, Ausgaben, Kosten, Produkte, Prozesse sowie Arbeitsvorschriften sein. Für einen aussagefähigen Vergleich muss das Kontrollobjekt in Form einer Norm (Soll) und einer Realität (Ist) vorliegen. Die Normen stellen eine für die Zukunft erstrebenswerte bzw. erhaltenswerte Wirklichkeit dar, welche von der Planung im Rahmen ihrer Kontrollfunktion zur Sicherung der Unternehmensziele festgelegt wurden. Diesen stehen die als vollzogene Wirklichkeit tatsächlich erreichten die Ist-Größen gegenüber. Bei der Aufstellung der Norm muss in die Soll-Größe stets eine Optimalvorstellung eingehen, die grundsätzlich realisierbar sein soll. Dies wird dadurch erreicht, dass erkannte und vermeidbare Unwirtschaftlichkeiten keine Aufnahme in die Kontrollnorm finden. Bei der Erfassung der Ist-Werte sind die tatsächlich eingetretenen Situationen möglichst genau wiederzugeben. Darüber hinaus sind bei der Ermittlung der Kontrollgrößen außerdem folgende weitere Bedingungen zu erfüllen: •
Dimensionsidentität Es muss eine Dimensionsidentität gegeben sein, d. h. die Maßeinheiten der Soll- und der Ist-Größe müssen übereinstimmen.
•
Zeitidentität Soll- und Ist-Größe müssen sich auf einen vergleichbaren Zeitraum bzw. den gleichen Zeitpunkt beziehen. Die Zeitidentität bezieht sich auf den Zeitumfang sowie den Zeitinhalt, wobei insbesondere die Identität des Zeitinhalts zu beachten ist, da verschiedene Perioden unterschiedlichen externen und internen Einflüssen unterliegen. Insbesondere Ist-Ist-Vergleiche (Zeitvergleiche) können nur begrenzte Kontrollaussagen liefern, da die Vergangenheitswerte in der Regel Unwirtschaftlichkeiten beinhalten. Sie zeigen daher meist nur Trendentwicklungen auf. Dies gilt im Wesentlichen auch für Normal-IstVergleiche auf der Grundlage von normalisierten Ist-Werten (Durchschnittswerten), die zwar durch statistische Nivellierung der periodenspezifischen Einflüsse verbessert sind, das Problem der Unwirtschaftlichkeit jedoch weiter beinhalten. Plan- bzw. Soll-Werte sind damit die am besten geeigneten Maßstäbe für eine aussagekräftige Kontrolle.
•
Datenidentität Daten als für den Vergleichszeitraum unveränderliche Bedingungen müssen in den Sollgrößen in gleichem Maße enthalten sein, wie sie die Ist-Größen mitbestimmen; dazu zählen z. B. Maschinenkapazitäten und die Fixierung der Arbeitszeit.
•
Methodenidentität Die Ermittlung und insbesondere die Berechnung von Soll- und Ist-Größen müssen mit einheitlichen Verfahren erfolgen. Für die Kontrolle besonders geeignet sind alle quantifizierbaren Normen, die auch als Kontrollstandards bezeichnet werden. Sie ermöglichen
D. Kontrollieren
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einen hohen Genauigkeitsgrad bei der Festlegung als Kontrollmaßstab. Nicht quantifizierbare Normen. wie z. B. die Beschreibung eines Arbeitsablaufs sind möglichst verständlich und damit leicht nachvollziehbar zu formulieren.
Zweite Phase: Kontrollauswertung Die zweite Phase des Kontrollprozesses umfasst die Kontrollauswertung, die im engeren Sinne als die eigentliche Kontrolle bezeichnet werden kann. Diese beinhaltet die Ermittlung der Abweichungsdifferenz, die Durchführung der Abweichungsanalyse sowie die Bewertung der eingetretenen Abweichungen. •
Abweichungsdifferenz Die Ermittlung der Abweichungsdifferenz erfolgt idealerweise durch einen Soll-IstVergleich, der zu folgenden Ergebnissen führen kann: - die Soll-Größe ist größer (besser) als die Ist-Größe, - die Soll-Größe ist gleich groß (gleich gut) wie die Ist-Größe, - die Soll-Größe ist kleiner (schlechter) als die Ist-Größe.
•
Abweichungsanalyse Stimmen Soll und Ist überein, kann davon ausgegangen werden, dass keine korrigierenden Eingriffe in die Planung bzw. Realisierung vorzunehmen sind. Liegt jedoch eine Abweichung vor, muss eine Analyse durchgeführt werden, um die Ursachen, die Gründe sowie die Verantwortlichkeiten für die Abweichung festzustellen. Ursachen für positive sowie negative Abweichungen können in der Ist-Größe oder in der Soll-Größe oder gleichzeitig in beiden Größen liegen. Sie lassen sich umso besser erkennen, je mehr es gelingt, Abweichungen jeweils auf eine Störgröße zurückzuführen. Dazu ist es erforderlich, Gesamtabweichungen in Teilabweichungen aufzulösen, deren einzelne Arten sich v.a. nach Preis-, Mengen- oder Beschäftigungseinflüssen unterscheiden lassen.
•
Abweichungsbewertung Die Ermittlung der Abweichung und ihre Trennung nach unterschiedlichen Abweichungsarten vollziehen sich meistens in einem Rechenvorgang. Darüber hinaus muss eine Beurteilung der Abweichung vorgenommen werden, sofern sie kontrollmäßig weiterverfolgt werden soll, was in der Praxis oft nur dann geschieht, wenn eine bestimmte Toleranzgrenze überschritten wird. An den vorgegebenen Toleranzen ist zu überprüfen, ob sich der Aufwand für weitere Untersuchungen der Abweichungen lohnt. Bei größeren Abweichungen müssen, unter Beteiligung der verantwortlichen Aktionsträger, fundierte Begründungen erarbeitet werden.
•
Abweichungsbegründung Wird die vorgegebene Toleranzgrenze überschritten, sind Erklärungen über das Entstehen der Abweichung abzugeben. Dabei kann zwischen zu vertretenden und nicht zu vertretenden Abweichungen unterschieden werden. Preisabweichungen z. B. sind in der Regel nicht zu vertretende Abweichungen, für die bestenfalls der Einkauf verantwortlich gemacht werden kann, und die somit keiner weiteren Begründung bedürfen. Verbrauchsabweichungen hingegen sind von den für die Realisierung Verantwortlichen zu vertreten. Diese haben vom optimalen Mengenverbrauch abweichende Mengen fundiert zu begründen.
94
1. Kapitel: Controlling
Dritte Phase: Kontrollentscheidung Die dritte Phase des Kontrollprozesses beinhaltet die Kontrollentscheidung. Sie ist von besonderer Bedeutung, da Kontrolle letztlich erst dann effizient wird, wenn sie bei relevanten Abweichungen die Erarbeitung und Einleitung von Korrekturmaßnahmen zur Folge hat. Aufgabe der Kontrolle ist es dabei, aus den ermittelten Ursachen bzw. aus den von den jeweiligen Aufgabenträgern erhaltenen Begründungen einen Maßnahmenkatalog aufzustellen. Die geeigneten Maßnahmen sind im Sinne einer Rückkopplung den zuständigen Führungskräften und Mitarbeitern in Planung und Realisation zu melden. Diese Vorgehensweise wird auch als Steuerung bezeichnet, die das Entstehen lernfähiger Prozesse bewirkt, deren Ziel es ist, Unwirtschaftlichkeiten nicht entstehen zu lassen bzw. sie schnellstens zu erkennen und eine Wiederholung zu vermeiden.36
Kontrollgrößen
Kontrollauswertung
Kontrollentscheidung
Kontrollgrößen
Abweichungsdifferenz
relevante Abweichungen
Dimensionsidentität
Abweichungsanalyse
Maßnahmenkatalog
Zeitidentität
Abweichungsbegründung
Rückmeldung
Datenidentität
Abweichungsbewertung
Methodenidentität
Abb. 49: Kontrollprozess
E. Informieren I. Wesen und Bedeutung des Informierens Führungsaufgaben im Allgemeinen und das Treffen von Entscheidungen im Besonderen können als ein Prozess begriffen werden, der aus einer Informationsgewinnung, einer Informationsverarbeitung und schließlich aus der Abgabe von Informationen besteht. In diesem Sinne stehen Informationen im Mittelpunkt allen erfolgsorientierten Handelns, denn deren Güte und Umfang beeinflusst ceteris paribus maßgeblich die Qualität einer Entscheidung. Die Bedeutung einer Entscheidung bestimmt umgekehrt den zeitlichen Umfang der Informationsgewinnung und -verarbeitung. 36
Vgl. hierzu Ebert, G.: Unternehmensführung, in: Bestmann, U. (Hrsg.): Kompendium der Betriebswirtschaftslehre, 11. Aufl., München, Wien, Oldenburg 2010, S. 112ff.
E. Informieren
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Information wird als „zweckorientiertes Wissen“ definiert, wobei ihre Zweckbestimmung in einer bestmöglichen Vorbereitung der Entscheidung und des Handelns gesehen wird. Es können generell drei Informationssituationen unterschieden werden: • •
•
vollkommene Information bzw. vollkommenes Wissen, d. h. dem Entscheidungsträger sind alle zu einem bestimmten Zustand oder Ablauf möglichen Informationen bekannt (absolute Sicherheit); unvollkommene bzw. risikobehaftete Information, d. h. dem Entscheidungsträger sind nur Teile der möglichen Informationen bekannt. Betriebswirtschaftliche Entscheidungen müssen auf der Grundlage unvollkommener Informationen und damit gleichzeitig risikobehaftet getroffen werden (relative Sicherheit/relative Unsicherheit); vollkommene Desinformation bzw. vollkommene Unwissenheit, d. h. dem Entscheidungsträger liegen zu einem bestimmten Zustand oder Ablauf keine Informationen vor (absolute Unsicherheit).
In arbeitsteiligen Prozessen und virtuellen Organisationen werden Aufgaben und Entscheidungen auf eine Vielzahl von Trägern und Teams verteilt. Daraus ergibt sich, dass die Entscheidungen und die daraus resultierenden Handlungsergebnisse eines Entscheidungsträgers für einen oder mehrere andere Entscheidungsträger zu Informationen werden. Dies erzeugt das Problem der Informationsübermittlung, das auch als Kommunikation bezeichnet wird. Eine Kommunikationsaufgabe liegt immer dann vor, wenn mindestens zwei Handlungsbzw. Aktionseinheiten die Absicht haben, beliebige Informationen untereinander auszutauschen. Kommunikation kann somit als Organisation der Informationsübermittlung definiert werden. Kommunizieren bedeutet, bestimmte Aktivitäten zu entwickeln, damit Informationen von einer Stelle an eine andere Stelle gelangen. Ein solcher Kommunikationsvorgang liegt z. B. vor, wenn ein Mitarbeiter A aus dem Verkauf seinen Kollegen B im Lager anruft, um von diesem zu erfahren, ob ein bestimmtes Produkt vorrätig ist. A benötigt eine Information, die B aufgrund seiner Kenntnisse über die Lagerbestände erteilen kann. Dieses Wissen wird jedoch erst durch die Übermittlung an A relevant. Es wird durch die Anfrage zu einer Information, die im Sinne der Informationstheorie in eine Nachricht zu verwandeln ist. In unserem Beispiel geschieht dies durch die Bildung eines Worts, bzw. durch einen oder mehrere Sätze. Über den Umfang der Nachricht entscheidet zunächst einmal B, in dem er mit ja oder mit mehr oder weniger langen Ausführungen über Höhe und Entwicklung des Lagerbestands antwortet. Der Formulierung der Antwort folgt die Übertragung mithilfe von Signalen. Darunter sind die Nachrichtenträger zu verstehen, beim Telefon z. B. die Schallwellen, beim geschriebenen Wort die Farbe auf dem Papier. Folgende Tatbestände gelten als charakteristische Merkmale der Information und Kommunikation: • • • • •
Informationen sind Neuigkeiten im Sinne einer Mitteilung, die für den Empfänger eine bestimmte Relevanz besitzt (zweckorientiertes Wissen); Informationen verknüpfen Planungen und Kontrollen zu einem lernfähigen Prozess; Informationen stellen ein immaterielles Wirtschaftsgut dar; Kommunikation leitet die aus der Kontrolle gewonnenen Erkenntnisse (Informationen) als Feedback an die Planung bzw. die Realisation weiter; Kommunikation dient der Organisation des Informationsflusses;
96
• •
1. Kapitel: Controlling
Kommunikation verbindet die Aktionseinheiten im Unternehmen und ihrem Umfeld; Kommunikation ermöglicht die Steuerung und Regelung nach dem kybernetischen Regelkreisprinzip.
Im engen betriebswirtschaftlichen Sinne ist die eigentliche Aufgabe des Controlling das Informieren, das gleichberechtigt neben das Planen und Kontrollieren tritt. Da neben der Gewinnung v.a. auch die Art und Weise der Übermittlung von Informationen eine wichtige Rolle spielt, müssen in diesem Zusammenhang auch die Aspekte der Kommunikation besonders beachtet werden.
II. Informationsprozess Das Informieren vollzieht sich als dreistufiger, strukturierter Handlungsablauf, der als Informationsprozess bezeichnet wird. Dieser umfasst die Phasen Abgrenzung des Informationsproblems, Ermittlung der Informationsalternativen und Festlegung der Informationslösung.
Erste Phase: Abgrenzung des Informationsproblems Bei der Abgrenzung des Informationsproblems geht es um die Frage der Relevanz von Nachrichten für den Sender bzw. den Empfänger, d. h. um die Wirkungen, die jeweils erreicht werden sollen. Es gibt Informationen, die der Vorbereitung von Entscheidungen dienen und solche, die eine konkrete Verhaltensbeeinflussung bewirken sollen. Zu den ersteren zählt z. B. die Auskunft der Geschäftsführung an den Leiter der Werbeabteilung, dass der Werbeetat für das kommende Geschäftsjahr um 10 % erhöht wird, zu den letzteren gehören gezielte Arbeitsanweisungen, aber auch Informationen im Rahmen der Public Relations oder der Werbung an Dritte. Neben der Nachrichtenrelevanz wird das Informationsproblem durch den Informationsbedarf beeinflusst. Dieser bestimmt die Art, die Quantität und die Qualität einer Mitteilung, die zur Durchführung einer Handlung vom Informationsempfänger im gegebenen Informationskontext zu einer bestimmten Zeit an einem festgelegten Ort benötigt wird. Der objektive Informationsbedarf leitet sich somit aus der Aufgabenstellung ab. Der subjektive Informationsbedarf resultiert dagegen aus der jeweils unterschiedlichen Betrachtung des zu lösenden Tatbestands. Ein Teil des Informationsbedarfs wird als Informationsnachfrage artikuliert, dem ein Informationsangebot gegenübersteht.
Zweite Phase: Ermittlung der Informationsalternativen Bei der Entwicklung von Informationsalternativen geht es im Wesentlichen um die Regelung des Übertragungsvorgangs, d. h. um die Verkehrswege, auf denen die Informationen als eindeutig definierte Nachricht übermittelt werden sollen. Die Informationswege bzw. -kanäle lassen sich dabei nach den Kriterien der Informationsflussrichtung, der Stufung der Informationswege sowie der Schichtung des Informationsflusses differenzieren. Bezüglich der Informationsflussrichtung können einseitige und zweiseitige Informationswege unterschieden werden. Fließen die Nachrichten nur in einer gleichbleibenden Richtung, wie z. B. bei einer Betriebszeitung, so handelt es sich um eine einseitige Informationsverbindung, bei der die eine Seite stets Sender, die andere stets Empfänger ist. Bei einem zweiseitigen Informationsweg, der in der Praxis dominiert, sind die Endpunkte einer Kommunikationsstrecke stets zugleich Sender und Empfänger von Mitteilungen. Das Gliederungsmerkmal Stufung der Informationswege untersucht die Strecke zwischen der Informationsquelle und dem Informationsbenutzer. Werden Informationen direkt vom
E. Informieren
97
Sender zum Empfänger übermittelt, handelt es sich um einen einstufigen Informationsfluss. Häufig sind zwischen Sender und Empfänger der Informationen weitere Stellen geschaltet. In diesem Fall spricht man von einem mehrstufigen Informationsfluss, wobei die Zwischenglieder die Funktion eines Informationsspeichers und/oder eines Informationsverteilers haben können. Das letzte Kriterium zur Untergliederung der Informationswege ist die Schichtung des Informationsflusses. Werden Informationen auf der gleichen hierarchischen Stufe ausgetauscht, handelt es sich um horizontale, beim Informationsaustausch zwischen unterschiedlichen Hierarchieebenen um vertikale Informationswege. Weiterhin sind die Alternativen hinsichtlich des Informationsangebots zu untersuchen. Die Informationsbeschaffung orientiert sich an den Informationsarten und -quellen. Als Informationsarten können u. a. faktische, prognostische, logische, Planungs-, Kontroll-, Markt- und betriebliche Informationen differenziert werden. Das externe Umfeld und die internen Bereiche dienen dabei als Informationsquellen. Bei der Suche nach Lösungsmöglichkeiten für das Informationsproblem sind zweckmäßige Gestaltungen bezüglich der beteiligten Kommunikationspartner, Kommunikationswege und Kommunikationsinhalte aufzuzeigen. In Abhängigkeit von der Struktur der Aufgabenstellung ergeben sich angemessene Alternativen, die auch als Kommunikationsprogramme (Ziegler) bezeichnet werden. Sie finden ihre Konkretisierung in Kommunikationsnetzen, deren jeweilige Grundform der Stern, der Kreis und die Vollstruktur sind. Die Kommunikationsnetze bestehen aus Kanten und Knoten. Die Kanten beschreiben die Kommunikationswege, die Knoten die Kommunikationspartner als Sender bzw. Empfänger. Jedes Kommunikationsnetz ermöglicht den Informationsaustausch mit jedem anderen Kommunikationspartner. Unterschiede zeigen sich ausschließlich in der Weglänge. Beim Stern hat das Kommunikationssubjekt A als Zentrum die kürzesten Wegstrecken. A kontrolliert und informiert die anderen und ist selbst auch am besten informiert. Jeder Informationsaustausch läuft über A, d. h. die anderen Kommunikationspartner können nicht ohne Zwischenschaltung von A kommunizieren, sie sind in höchstem Maße abhängig von A. Diese für eine autoritäre Führung charakteristische Kommunikation hat den Vorteil der Klarheit in jeder Informationssituation. Jeder Kommunikationspartner weiß, dass A über alle vorliegenden Informationen verfügt. Ein wesentlicher Nachteil ist, dass kein Informationsaustausch mehr möglich ist, wenn der Knoten A ausfällt. Beim Kreis besteht eine absolute Gleichordnung aller am Kommunikationsprozess Beteiligten. Jeder Kommunikationspartner kann mit zwei anderen Partnern direkt, mit allen anderen indirekt Informationen austauschen. In der Gleichordnung liegt zugleich der Vor- und Nachteil dieser Kommunikationslösung. Positiv ist die Möglichkeit der direkten Kommunikation mit zwei anderen, problematisch bleibt die Beschränkung auf die indirekte Kommunikation mit den restlichen Partnern. Daraus resultiert die Gefahr einer bewussten oder unbewussten Verfälschung von Informationen. Die Vollstruktur ermöglicht jedem Mitglied eine unmittelbare Informationsverbindung zu jedem anderen Beteiligten. Damit wird eine absolute Gleichrangigkeit und hohe Flexibilität der beteiligten Kommunikationseinheiten erreicht. Die mögliche Gefahr einer Überforderung einzelner Partner infolge zu vieler Informationen kann durch die Neugestaltung des
98
1. Kapitel: Controlling
Kommunikationsprozesses von einer positionsbezogenen, statischen Bringschuld zu einer aufgabenbezogenen, dynamischen Holschuld verringert werden. A
B C
F
A
F
B
E
C
F
B
E
C
A E
D
Stern
D
D
Kreis
Vollstruktur
Abb. 50: Kommunikationsnetze Die Bewertung der Informationsalternativen, -arten und -quellen erfolgt vor allem nach dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit. Es werden aus der Vielzahl vorhandener Alternativen diejenigen selektiert, bei denen der Grenzerlös aus einer zusätzlichen Information gleich den Grenzkosten dieser Information ist.
Dritte Phase: Festlegung der Informationslösung Die Festlegung der Informationslösung beinhaltet die Auswahl derjenigen Informationsalternative, die das Informationsproblem bestmöglich erfüllt. Das ist in der Regel das Kommunikationsprogramm, welches den Informationsbedarf der beteiligten Kommunikationspartner optimal befriedigt und mit vergleichsweise geringem Aufwand durchgeführt werden kann. Damit wird es möglich, unterschiedlichste Informationen als Basis für unternehmerische Entscheidungen permanent aufzunehmen und abzugeben. Der Informationsprozess übernimmt eine wichtige Servicefunktion für den Planungs- und Kontrollprozess, d. h. für einen optimalen Controllingprozess.37
37
Vgl. hierzu, G.: Unternehmensführung, in: Bestmann, U. (Hrsg.): Kompendium der Betriebswirtschaftslehre, 11. Aufl., München, Wien, Oldenburg 2010, S. 112ff.
F. Mentaler Überbau des Controlling
99
Informationsproblem
Informationsalternativen
Informationslösung
Nachrichtenrelevanz
Informationsflussrichtung
Minimierung des Aufwands
Informationsbedarf
Stufung der Informationswege Schichtung des Informationsflusses Kommunikationsprogramm Bewertung
Abb. 51: Informationsprozess
F. Mentaler Überbau des Controlling Bei der Realisierung eines effizienten Controlling-Ansatzes sind zwei Aspekte zu beachten: der mentale Überbau sowie der systemische Unterbau. Der mentale Überbau beschreibt das Denken und Handeln bei der Abwicklung der Controllingprozesse. Bedingt durch die Entwicklung im Umfeld der wettbewerbsgeprägten Institutionen müssen die drei Grundelemente Planen, Kontrollieren und Informieren inhaltlich auf der Grundlage des „Denkens in Extremen“ in neuen Kulturen begriffen und durch eine integrative Verknüpfung zu lernorientierten Prozessen entwickelt werden. Damit hat sich einerseits ein Paradigmenwechsel von der vergangenheitsorientierten Kontrolle zur zukunftsgestaltenden Steuerung vollzogen und andererseits wurde die Bedeutung der mentalen Herausforderung gegenüber der systemischen Gestaltung wesentlich erhöht.
100
1. Kapitel: Controlling
mentaler Überbau: Beherrschung der Controllingprozesse
Steuerung auf der Basis von
Planen
Kontrollieren
neue Inhalte / Kulturen
Informieren
lernfähige Prozesse
Abb. 52: Mentaler Überbau des Controlling
G. Institutionelle Differenzierung Controlling hat sich als eigenständige Managementfunktion und Führungskonzeption in Unternehmen aller Branchen und in Betrieben der Sozialwirtschaft, der kommunalen und öffentlichen Verwaltung sowie der Kultur, der Kirche und des Sports bewährt. Dabei zeigt sich, dass der mentale Überbau als allgemeingültige Erkenntnis angesehen werden kann, der in allen Bereichen der Wirtschaft und Gesellschaft anzuwenden ist, soweit dort ein Controlling implementiert wird. Dagegen ist der systemische Unterbau jeweils spezifisch, unter Berücksichtigung der Branche und Betriebsgröße bei Unternehmen sowie der sozialen, politischen, gesellschaftlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen bei Betrieben der Sozialwirtschaft, der öffentlichen Verwaltung, der Kultur, der Kirche und des Sports, zu gestalten. Insofern lässt sich eine Unterscheidung in Industriecontrolling, Dienstleistungscontrolling, Verwaltungscontrolling sowie Controlling in Sozialwirtschaften, Sportvereinen, Kirchen usw. treffen, die zunehmend in eigenständigen Veröffentlichungen abgehandelt wird.
H. Funktionale Differenzierung Unabhängig von der institutionellen Differenzierung basieren die jeweils repräsentativen Institutionen wie Unternehmen, Betriebe, Verwaltungen, Vereine usw. auf systembestimmenden Aufgabenfeldern bzw. Funktionsbereichen, innerhalb derer der Einsatz des Controlling sinnvoll ist und seine Anwendung zunehmend an Bedeutung gewinnt. Danach lassen sich ein Marketing- und Vertriebscontrolling, ein Produktionscontrolling, ein Beschaffungscontrolling, ein Logistikcontrolling, ein Finanzcontrolling, ein Personalcontrolling, ein Bildungscontrolling usw. unterscheiden. Nachfolgend werden die am weitesten entwickelten und besonders bedeutenden Ansätze dargestellt.
H. Funktionale Differenzierung
101
I. Marketing- und Vertriebscontrolling Das Marketing bzw. der Vertrieb bilden die Schnittstelle zwischen dem Unternehmen und dem Markt bzw. Kunden. Früher lag der Schwerpunkt in der Vermarktung von Gütern in Form des Absetzens. Der Übergang vom Verkäufer- zum Käufermarkt hat insbesondere das Marketing vor neue Aufgaben und Herausforderungen gestellt. Unternehmen müssen sich heute mit verstärkt preis- und qualitätsbewussten Kunden auseinandersetzen. Die Aufgabe des Marketing liegt zum einen im Erkennen und Aufspüren der zum Teil noch nicht geäußerten Wünsche und Bedürfnisse der kritischen Kunden und zum anderen in der Lösung damit verbundener Probleme. Diese Entwicklung erfordert Marketing als marktorientierten unternehmerischen Denk-, Verhaltens- und Handlungsstil, dessen Aufgabe in der Sicherung bestehender Märkte, gegebenenfalls deren Ausweitung sowie in der Erschließung neuer Märkte liegt. Das Marketingcontrolling hat die Aufgabe, Unwirtschaftlichkeiten und Fehlentwicklungen im Rahmen des Marketing-Mixes (Produkt- bzw. Sortiments-, Preis-, Distributions- und Kommunikationspolitik) rechtzeitig zu erkennen, und diese Informationen den Marketingverantwortlichen bzw. der Geschäftsleitung als Entscheidungshilfe in Form eines Marketinginformations-Systems zur Verfügung zu stellen. Hauptsächlich in größeren Unternehmen können diese Aufgaben nicht mehr von einem zentral geführten Controlling wahrgenommen werden. Daher ist es sinnvoll, eine Stelle für einen Marketingcontroller innerhalb des Marketing einzurichten, der nicht nur ausschließlich durch das Controlling, sondern zusätzlich verstärkt durch das Marketing geprägt ist, um damit beide Bereiche optimal miteinander verbinden zu können. Der Vertrieb bildet die Schnittstelle zwischen dem Hersteller und dem Handel bzw. dem Kunden. Zu den Kernbereichen des Vertriebs gehören die Warenverteilung, die Logistik und die Steuerung der Außendienstorganisation. Die Gestaltung des Vertriebs erfolgt innerhalb der Distributionspolitik des oben genannten Marketing-Mixes. Das Vertriebscontrolling koordiniert die Vertriebsplanung und -kontrolle zwischen den einzelnen Vertriebsbereichen und integriert diese zu einer Vertriebsgesamtplanung. Die aus der Vertriebsplanung und kontrolle gewonnen Informationen müssen aufbereitet und den Vertriebsverantwortlichen zur Verfügung gestellt werden. Dies erhöht die Transparenz und fördert zugleich die Wirtschaftlichkeit. Damit wird dem Vertriebsverantwortlichen bzw. den Führungskräften ein betriebswirtschaftliches Instrumentarium zur Verfügung gestellt, das den unternehmerischen Entscheidungs- und Steuerungsprozess durch eine zielgerichtete Informationspolitik unterstützt und somit zur Erreichung der angestrebten Unternehmensziele maßgeblich beiträgt. Zu den Aufgabenfeldern eines erfolgreichen Marketing- und Vertriebscontrolling gehören Service, Information und Steuerung. Den Ausgangspunkt der Marketing- und Vertriebsplanung bilden strategische Ziele, die vom übergeordneten Unternehmensleitbild abgeleitet werden. Aus diesen werden die Marketing- und Vertriebsstrategien gebildet, die die Basis für operative Ziele bilden. Ausgangspunkt für die Maßnahmen-/Aktivitätenplanung ist die operative Marketing- und Vertriebsplanung. Der Ressourceneinsatz wird aus der vorausgehenden Maßnahmen-/Aktivitätenplanung bestimmt. Abschließen wird der Ressourceneinsatz in Geldeinheiten bewertet, so dass sich die Budgetplanung ergibt.
102
1. Kapitel: Controlling
strategische Ziele D O W N
Strategie operative Ziele
__
Maßnahmen U P
Ressourcen Budget
Abb. 53: Aufbau der Marketing- und Vertriebsplanung Hauptaufgabe der Marketing- und Vertriebskontrolle ist die objektive Beurteilung der aktuellen Marketing- und Vertriebskonzeption hinsichtlich ihrer Zielsetzung und Zielerreichung. Dabei sollen auftretende Abweichungen den Impuls für eine Veränderung der bestehenden Konzeption liefern. Die Marketing- und Vertriebskontrolle besteht aus folgenden Kontrollarten: •
Strategien-/Zielkontrolle,
•
Maßnahmen-/Aktivitätenkontrolle und
•
Ressourcen-/Budgetkontrolle.
Im Rahmen der Zielkontrolle werden die in der strategischen und operativen Planung aufgestellten Strategien und Ziele überprüft. Die Strategienkontrolle stellt fest, inwieweit die geplanten Produktziele, Vertriebswege und Marktchancen realisiert wurden. Dabei wird die gesamte Marketing- und Vertriebspolitik des Unternehmens untersucht. Auf operativer Ebene müssen die ergriffenen Maßnahmen und Aktivitäten sowie die Ressourcen und die Budgets überprüft werden. In jedem Unternehmen gibt es eine Vielzahl von Marketing- und Vertriebsinformationen, die teils strukturiert, teils völlig unstrukturiert durch das Unternehmen fließen und an der einen oder anderen Stelle versiegen. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, kann ein sogenanntes Marketinginformations-System (MAIS) und ein Vertriebsinformations-System (VIS) eingeführt werden. Darunter versteht man ein IT-gestütztes System, das meist unternehmensindividuell strukturiert die verschiedenen Marketing- und Vertriebsinformationen sammelt, aufbereitet und den entsprechenden Fach- und Führungskräften zur Verfügung stellt. Marketing- und Vertriebsinformationen kommen zum einen aus dem eigenen Unternehmen z. B. aus der Finanzbuchhaltung: Kosten, Außenstände sowie Verbindlichkeiten oder aus dem Vertrieb: Umsätze, Erlösschmälerungen sowie Lagerbestände. Zum anderen kommen sie von Kunden, externen Nachrichtendiensten, Forschungsinstituten, Verbandsberichten, Datenbanken und Fachzeitschriften. Damit ist gewährleistet, dass alle marketingund vertriebsrelevanten Informationen verarbeitet werden, also keine Informationen verloren gehen, und der Informationsfluss gefilterte sowie verdichtete Informationen enthält.
H. Funktionale Differenzierung
103
Aufgabe eines Marketing- und Vertriebsinformationssystem ist die optimale Steuerung der Bereiche Marketing und Vertrieb. Dabei dient dieses als Basis für den gesamten Marketingund Vertriebsplanungsprozess und die anschließende Kontrolle.
II. Produktionscontrolling Die Produktion umfasst alle Formen der betrieblichen Leistungserstellung. Dies sind materielle Güter in Form von Sachgütern und Energie und immaterielle Güter in Form von Diensten und Rechten. Die Produktion materieller Güter wird auch als Fertigung bezeichnet. Das Produktionscontrolling stellt die Gesamtheit von Methoden und Verfahren zur Steuerung der Effektivität und Effizienz der Produktion dar. Dazu sind entsprechende Planungs-, Kontroll- und Informationsinstrumente zu gestalten und zu implementieren und in das Controllingsystem zu integrieren. Die generelle Aufgabenstellung des Produktionscontrollings liegt im rechtzeitigen Erkennen aller produktionsbezogenen Chancen und Gefahren, die einen Einfluss auf die Erreichung der operativen und strategischen Ziele des Unternehmens haben. Dabei können folgende Aufgaben differenziert werden:38 •
Unterstützung des Produktionsmanagements bei der zieladäquaten Gestaltung von Planungs-, Kontroll- und Informationssystemen,
•
Aufbau und Integration von Teilplanungen,
•
Durchführen von Abweichungsanalysen im Rahmen der Produktionskontrolle,
•
Ermittlung und Aufbereitung produktionsrelevanter Informationen,
•
Erstellung von Standard-, Abweichungs- und ad hoc- Berichten für die Produktion.
Der Planungsprozess vollzieht sich in den Phasen Planungsziele ermitteln, Planungshandlungen aufzeigen und Planungsentscheidung treffen. Die Planungsziele werden aus strategischen Unternehmenszielen abgeleitet. Sie korrelieren mit der unterschiedlichen Aufgabenstellung der Produktionsplanung. Dabei können generell vier Planungsbereiche unterschieden werden: 39 •
Planung des Produktionsprogramms,
•
Planung des Produktionsvollzugs,
•
Planung der Bereitstellung der Produktionsfaktoren und
•
Planung des Abbaus alter Produktionsanlagen.
38
Vgl. hierzu: Liessmann, K. (Hrsg.): Lexikon Controlling und Kostenrechnung, Wiesbaden 1997 und Witt, J.: Lexikon des Controlling, München 1997. 39 Vgl. hierzu und im Folgenden: Adam, D.: Produktionsmanagement, Wiesbaden 1997.
104
1. Kapitel: Controlling
Daraus lassen sich beispielhaft folgende Planungsziele ableiten: •
Entwicklung eines mengen- und kostenoptimalen Produktionsprogramms,
•
Minimierung der Produktionsdurchlaufzeiten,
•
Einhaltung der Produktionstermine,
•
optimale Fertigungstiefe,
•
Minimierung von Rüst- und Transportkosten und
•
Optimierung der Kapitalbindung.
Als Planungshandlungen sind in Abhängigkeit vom Planungsbereich mögliche Alternativen zur effizienten Zielerreichung aufzuzeigen. So sind z. B. im Rahmen der Produktionsprogrammplanung unterschiedliche Kombinationen folgender Elemente denkbar: •
Erzeugnistyp,
•
Qualitätsniveau,
•
Eigenerstellung oder Fremdbezug und
•
Art des Produktionsprozesses.
Im Rahmen der Bewertung der Alternativen wird der Grad der Zielerreichung der erarbeiteten Planungshandlungen gemessen. Bei der Planungsentscheidung wird dann die zu verfolgende Alternative festgelegt. Der Produktionskontrollprozess vollzieht sich in den Phasen Kontrollgrößen ermitteln, Kontrollauswertungen durchführen und Kontrollentscheidung treffen. Im Rahmen der Kontrollgrößenermittlung werden die Kontrollobjekte als Soll- oder IstGrößen festgelegt bzw. erfasst. Im Einzelnen können dies sein:40 •
Mengen und Termine im Rahmen der Produktionsfortschrittskontrolle,
•
Produktionsfaktoreinsatz bei der Produktivitätskontrolle,
•
monetäre Größen im Rahmen der Kostenkontrolle und
•
nichtmonetäre Größen in Form einer Qualitätskontrolle.
Die Kontrollauswertung umfasst die Ermittlung, Analyse und Bewertung der Abweichungen zwischen dem Kontrollmaßstab und der zu kontrollierenden Größe. Bei der Kontrollentscheidung ist ein entsprechender Maßnahmenkatalog zu entwickeln, der die zukünftige Zielerreichung ermöglicht. Der Produktionsinformationsprozess vollzieht sich in den Phasen Informationsproblem abgrenzen, Informationsalternativen entwickeln und Informationsentscheidung treffen. Bei der Abgrenzung des Informationsproblems ist zunächst die produktionswirtschaftliche Relevanz erhaltener Daten und Nachrichten festzustellen. Es ist beispielsweise festzulegen, 40
Vgl. hierzu: Liessmann, K. (Hrsg.): Lexikon Controlling und Kostenrechnung, Wiesbaden 1997 und Witt, J.: Lexikon des Controlling, München 1997.
H. Funktionale Differenzierung
105
ob und wann Schwierigkeiten mit der Produktqualität zu kommunizieren sind. Gleichzeitig ist der Informationsbedarf der einzelnen Informationssubjekte zu eruieren und in eine gezielte Informationsnachfrage zu kanalisieren. Dabei sind z. B. die Standardkennzahlen aus einer Flexiblen Plankostenrechnung für die einzelnen Kostenstellen der Produktion zu bestimmen. Bei der Entwicklung der Informationsalternativen sind interne und externe Informationsquellen sowie unterschiedliche Kommunikationsstrukturen zu berücksichtigen. Die Informationsentscheidung umfasst die Auswahl der wirtschaftlichsten und entscheidungsadäquaten Informationslösung.
III. Beschaffungscontrolling Zur Unterstützung des Beschaffungsmanagements und infolge der zentralen Bedeutung der Beschaffung für den Unternehmenserfolg hat sich in der Praxis ein Beschaffungscontrolling etabliert. Generelle Aufgabe des Beschaffungsbereichs im Unternehmen ist es, die Versorgung mit Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie mit Kaufteilen sicherzustellen. Dabei sind die Güter und Materialien in der richtigen Menge und Qualität am richtigen Ort und zur richtigen Zeit bei optimalen Kosten bereitzustellen. Die Aufgabe der Beschaffung wird in der Materialwirtschaft als organisatorischem Bereich erfüllt. Dieser umfasst die Disposition, den Einkauf und das Lagerwesen. Die Disposition legt dabei den zukünftigen Bedarf fest, welchen der Einkauf kosten- und qualitätsoptimal zu beschaffen und das Lagerwesen transport- und zeitoptimal bereitzustellen hat. Das Beschaffungscontrolling stellt die Gesamtheit von Methoden und Verfahren zu Steuerung der betriebswirtschaftlichen Effektivität und Effizienz der Materialwirtschaft dar. Dazu sind entsprechende Planungs-, Kontroll- und Informationsinstrumente zu gestalten und zu implementieren und in ein Controllingsystem zu integrieren. Die generelle Aufgabenstellung des Beschaffungscontrolling liegt im rechtzeitigen Erkennen aller beschaffungsorientierten Chancen und Gefahren, die einen Einfluss auf die Erreichung der operativen und strategischen Ziele des Unternehmens haben. Dabei können folgende Aufgaben differenziert werden: •
Steuerung der Wirtschaftlichkeit der Beschaffung von Materialien und Gütern,
•
Steuerung der Wirtschaftlichkeit des Kostenbereichs Materialwirtschaft und seinen Kostenstellen bzw. -plätzen,
•
Steuerung der Material- und Güterversorgung zur Verhinderung von Betriebsunterbrechungen,
•
Steuerung der Auswahl von Lieferanten aus operativer und strategischer Sicht sowie
•
Steuerung der Prozesse und der Prozesskosten im Beschaffungsbereich.
Die grundlegende Zielsetzung des Beschaffungscontrolling besteht dementsprechend in der Optimierung der Beschaffungseffizienz durch die entscheidungsadäquate Unterstützung des Beschaffungsmanagement. Dabei sind Zeit-, Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsziele zu berücksichtigen.
106
1. Kapitel: Controlling
Zur Erfüllung der Aufgaben und zur Erreichung der Zielsetzung sind entsprechende Planungs-, Kontroll- und Informationsprozesse und -instrumente zu konzipieren und umzusetzen. Der Planungsprozess vollzieht sich in drei Phasen: Planungsziele ermitteln, Planungshandlungen aufzeigen und Planungsentscheidung treffen. Die Planungsziele werden aus strategischen Unternehmenszielen abgeleitet. Sie orientieren sich an der Aufgabenstellung der Materialwirtschaft und können wie folgt unterschieden werden: •
Planung der kurz-, mittel- und langfristigen Bezugsquellen,
•
Planung der jeweiligen Bedarfe in den einzelnen Materialien,
•
Planung der Beschaffungszeiten, -wege-, -prozesse, -mengen, -qualitäten und -kosten der jeweiligen Materialien,
•
Planung der Lagerstandorte und des innerbetrieblichen Transports sowie
•
Planung der Entsorgung und des Recycling.
Daraus lassen sich beispielhaft folgende Planungsziele ableiten: •
Entwicklung eines mengen-, zeit-, qualitäts- und kostenoptimalen Beschaffungs- und Lagerprogramms,
•
Minimierung der Beschaffungs- und Lagerzeiten,
•
Einhaltung der Beschaffungstermine, -kosten und -qualitäten,
•
Gestaltung einer optimalen Lieferantenstruktur (Sourceranking),
•
Minimierung von Lager- und Transportkosten und
•
Optimierung der Kapitalbindung im Einkauf und Lager.
Als Planungshandlungen sind in einem nächsten Schritt in Abhängigkeit des Planungsziels möglichst viele, aber mindestens zwei Alternativen zur Zielerreichung aufzuzeigen. So sind z. B. im Rahmen der Bezugsquellenplanung unterschiedliche Kombinationen folgender Elemente denkbar: •
Service des Lieferanten,
•
Qualität und Zuverlässigkeit des Lieferanten,
•
Verbundwirkungen beim Lieferanten,
•
globale Präsenz des Lieferanten,
•
Technologie des Lieferanten und
•
Flexibilität des Lieferanten.
Im Rahmen der Bewertung wird auf Basis der konkreten Kombination der genannten Elemente ein Zielerreichungsgrad der jeweiligen Handlung festgestellt und diese in eine Rangordnung gebracht.
H. Funktionale Differenzierung
107
Bei der Planungsentscheidung wird dann die zu verfolgende Alternative festgelegt. Der Beschaffungskontrollprozess vollzieht sich in drei Phasen, i.e. Kontrollgrößen ermitteln, Kontrollauswertungen durchführen und Kontrollentscheidung treffen. Im Rahmen der Ermittlung werden die Kontrollgrößen als Soll- oder Ist-Größen festgelegt bzw. erfasst. Im Einzelnen können dies sein: •
Mengen und Termine im Rahmen der Dispositionskontrolle,
•
Preise im Rahmen der Einkaufskontrolle,
•
Faktoreinsatz bei der Beschaffungsproduktivitätskontrolle,
•
monetäre Größen im Rahmen der Budgetkontrolle und
•
nicht-monetäre Größen im Rahmen von Qualitäts- und Zeitkontrollen.
Die Kontrollauswertung umfasst die Ermittlung, Analyse und Bewertung der Abweichungen zwischen dem Kontrollmaßstab und der zu kontrollierenden Größe. Bei der Kontrollentscheidung ist bei relevanten Abweichungen ein Maßnahmenkatalog zu entwickeln, der im Sinne der Steuerung die zukünftige Zielerreichung ermöglicht. Der Beschaffungsinformationsprozess vollzieht sich in drei Phasen, i.e. Informationsproblem abgrenzen, Informationsalternativen entwickeln und Informationsentscheidung treffen. Bei der Abgrenzung des Informationsproblems ist zunächst die beschaffungswirtschaftliche Relevanz empfangener Daten und Nachrichten offenzulegen. Gleichzeitig ist aktiv der Informationsbedarf der einzelnen Informationssubjekte zu eruieren und in eine gezielte Informationsnachfrage zu kanalisieren. Dabei sind z. B. die Standardberichte über die Budgetentwicklung aus dem Controlling zu konzipieren. Bei der Entwicklung der Informationsalternativen sind interne und externe Informationsquellen sowie unterschiedliche Kommunikationsstrukturen zu berücksichtigen. Dabei ist an Verbandstatistiken und Controllerberichte einerseits, andererseits aber auch an den Aufbau von Intranets zu denken. Die Informationsentscheidung umfasst die Auswahl der wirtschaftlichsten und entscheidungsadäquaten Informationslösung.
IV. Personalcontrolling Generelle Aufgabe der Personalwirtschaft im Unternehmen ist es, die Gewinnung, Sicherung und Entwicklung sowie die Freisetzung von Mitarbeitern sicherzustellen. Dabei sind die Mitarbeiter in der richtigen Menge und Qualität am richtigen Ort und zur richtigen Zeit bei optimalen Kosten und unter Berücksichtigung sozialer Ziele bereitzustellen. Das Personalcontrolling stellt die Gesamtheit von Methoden und Verfahren zu Steuerung der betriebswirtschaftlichen Effektivität und Effizienz der Personalwirtschaft dar. Dazu sind entsprechende Planungs-, Kontroll- und Informationsinstrumente zu gestalten und zu implementieren und in ein Controllingsystem zu integrieren. Die generelle Aufgabenstellung des Personalcontrolling liegt im rechtzeitigen Erkennen aller personalorientierten Chancen und Gefahren, die einen Einfluss auf die Erreichung der
108
1. Kapitel: Controlling
operativen und strategischen Ziele des Unternehmens haben. Dabei können folgende Aufgaben differenziert werden: •
Steuerung der Effizienz der Personalbeschaffung, -erhaltung, -entwicklung und -freisetzung;
•
Steuerung der Wirtschaftlichkeit des Kostenbereichs Personalwirtschaft und seinen Kostenstellen bzw. -plätzen;
•
Steuerung der Effektivität der Personalmaßnahmen im Hinblick auf die strategische Sicherung des Unternehmens;
•
Erhöhung der Flexibilität bei Anpassungsveränderungen;
•
Durchführung von quantitativen und qualitativen Personalplanungen zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Personals;
•
Analyse von Personalstrukturdaten und -bestandsdaten;
•
Bewertung eingesetzter Personalsysteme im Hinblick auf Konsistenz, Zielerreichung usw.;
•
Aufbau eines periodischen Personalberichtswesens;
•
Erstellung eines Personal- und Sozialberichts;
•
Entwicklung personalbezogener Kennzahlen bzw. Kennzahlensysteme;
•
Steuerung der Prozesse und der Prozesskosten in der Personalwirtschaft.
Die grundlegende Zielsetzung des Personalcontrolling besteht dementsprechend in der betriebswirtschaftlichen Optimierung der Personalwirtschaft und der entscheidungsadäquate Unterstützung des Personalmanagements. Dabei sind Zeit-, Qualitäts-, Wirtschaftlichkeitsund Sozialziele zu berücksichtigen. Zur Erfüllung der Aufgaben und zur Erreichung der Zielsetzung sind spezielle Instrumente und Systeme zu konzipieren und umzusetzen. Folgende Arten eines Personalcontrolling werden in der Literatur unterschieden: •
Kosten- bzw. kalkulatorisches Controlling, es umfasst die periodische Planung und Kontrolle aller Personalkosten und das Controlling der Kosten des Personalbereichs;
•
Effizienz-Controlling, es werden Soll-/Ist-Vergleiche im Hinblick auf den mengen-, zeit-, qualitäts- und wertmäßigen Personaleinsatz durchgeführt;
•
Effektivitäts-Controlling, der Beitrag der Personalwirtschaft zum Unternehmenserfolg soll auf der Basis qualitativer Analysen mittels Indikatoren festgestellt werden.
Zur Unterstützung der einzelnen Arten des Personalcontrolling sind entsprechende Planungs-, Kontroll- und Informationsprozesse zu gestalten und zu implementieren. Deren Steuerungscharakter ist einerseits auf die primär quantitativ und kostenorientierten operativen Tatbestände und andererseits auf die qualitäts- und qualitativ orientierten strategischen Potenziale auszurichten.
H. Funktionale Differenzierung
109
V. Bildungscontrolling Die Entwicklung des Personals wird zur permanenten Herausforderung für ein Unternehmen, aber auch für den Einzelnen und die Gesellschaft. Dementsprechend hat sich zur Unterstützung des Weiterbildungsmanagements und infolge der zentralen Bedeutung des Developing für die Führung und den Unternehmenserfolg in der Praxis ein Bildungscontrolling etabliert. Bildungscontrolling ist die betriebswirtschaftliche Funktion und Konzeption einer ganzheitlichen Planung, Kontrolle und Steuerung des Bildungsprozesses in speziell entwickelten operativen und strategischen Systemen. Bildungscontrolling gestaltet sich idealerweise als ganzheitlicher Prozess41 von der Analyse, Planung über die Realisation bis zum Transfer der Bildungsmaßnahmen. Der Prozess wird durch die klassischen drei Controllinghandlungen: Planen, Kontrollieren und Informieren gestaltet, gesteuert und realisiert: •
„Planung“ bedeutet die systematische Gestaltung künftiger Bildungsprozesse in Ausrichtung auf die Unternehmensziele. Widersprüche in der Entwicklung oder Durchführung werden nicht als problematisch angesehen, sondern wirken positiv im Sinne eines Frühwarnsystems oder Veränderungsindikator sowohl für den personellen Bildungsals auch für den strukturellen Entwicklungsbedarf des Unternehmens.
•
„Kontrolle“ heißt zum einen die Messung und Bewertung der Kosten und des konkreten, (un/)mittelbaren Nutzens der Bildungsprozesse und -aktivitäten. Darüber hinaus werden der Erfolg das „Was“ und die Wirtschaftlichkeit das „Wie“ der einzelnen Bildungsmaßnahmen und des Konzepts insgesamt hinterfragt.
•
„Information“ erzeugt Transparenz und Offenheit auf der Sach- und der Beziehungsebene. Controllinginformationen verdeutlichen und legitimieren die erforderlichen Entwicklungsschritte gegenüber den Mitarbeitern und Führungskräften und verdeutlichen den Erfolg – oder Misserfolg – der Bildungsmaßnahmen als Beitrag zur Unternehmensentwicklung.
Wenn es gelingt, die Controllinghandlungen im Bildungsprozess auf allen Ebenen zugleich systematisch anzuwenden und zu koordinieren, ist das Ideal einer „geplanten Evolution“ (Rosove/Kirsch42) im Bildungsmanagement erreicht. In der Abbildung wird dies als „strukturierte Gleichzeitigkeit“ der Controllinghandlungen im Rahmen eines ganzheitlichen, dynamischen Bildungssystems modellhaft dargestellt. Die Planungs-, Informations- und Kontrollprozesse finden in allen Phasen des Bildungsprozesses statt, laufen gleichzeitig ab und wirken damit zusammen auf die Güte des Bildungsprodukts.
41 42
Quelle zu diesem Abschnitt: Steinhübel, V./Ebert-Steinhübel, A.: Bildungs-Controlling, in: www.inputmagazin.de Der Begriff wurde ursprünglich formuliert von D. E. Rosove (Hrsg.): Developing Computer-Based Information Systems, N.Y. u.a. 1967. In die deutschsprachige Literatur wurde er eingeführt durch: W. Kirsch: Strategisches Management: Die geplante Evolution von Unternehmen, München 1997.
110
1. Kapitel: Controlling
Planungsprozesse
Informations- Analyse/ Zielb.
Konzeption Durchführung
prozesse
Transfer
Informations-
prozesse
Kontrollprozesse Abb. 54: Strukturierte Gleichzeitigkeit der Controllinghandlungen im Bildungspropzess
I. Organisatorischer Aufbau und Eingliederung des Controlling Im Rahmen der Organisation des Controlling geht es um die Frage des Aufbaus und der Eingliederung einer eigenständigen Funktionsbereichs Controlling. Für den Aufbau der Managementfunktion Controlling als eigenständigen Funktionsbereich lassen sich mehrere Gestaltungsansätze differenzieren. Grundsätzlich kann zwischen einem Kernbereich und den Erweiterungsbereichen unterschieden werden. Der Erweiterungsbereich umfasst Gebiete wie die Finanzbuchhaltung, die Finanzwirtschaft (Cash Management), die EDV oder die Steuerabteilung. Diese Bereiche gehören jedoch nicht unmittelbar zur eigentlichen Aufgabenstellung des Controlling. Wenn alle genannten Abteilungen und Funktionen unter dem Bereich Controlling zusammengefasst werden, entsteht ein umfassendes Informations- und Steuerungsszentrum im Unternehmen.
I. Organisatorischer Aufbau und Eingliederung des Controlling
111
Controlling
EDV
Buchhaltung
Planungsbereich
Kontrollbereich
Informationsbereich
Unternehmensplanung
Kostenrechnung
Berichtswesen
strategisch Und operativ
strategisch Und operativ
strategisch Und operativ
Finanzabteilung
Steuerabteilung
Kernbereiche
Abb. 55: Umfassender organisatorischer Aufbau des Controlling Bei der organisatorischen Eingliederung des Controlling besteht zunächst die Möglichkeit einer zentralen bzw. dezentralen Gestaltung. Die rein zentrale Gestaltung des Controlling bedeutet, dass alle Mitarbeiter in einer organisatorischen Einheit zusammengefasst und fachlich wie disziplinarisch dem Leiter des Controlling unterstellt sind. Die rein dezentrale Lösung geht davon aus, dass bei Verzicht auf ein eigenständig organisiertes Controlling den einzelnen Funktionsbereichen, wie z. B. Vertrieb und Fertigung, jeweils eigene Controller zugeordnet sind, die fachlich und disziplinarisch dem jeweiligen Bereichsleiter unterstellt sind. Unabhängig von der zentralen oder dezentralen Funktion ist die Frage der Anweisungsbefugnis gegenüber den zu controllenden Führungsbereichen zu klären. Eine Linienfunktion bedeutet dabei Anweisungsbefugnis nach unten, Stabsfunktion impliziert dagegen Beratungsbefugnis nach oben und unten. Als Linienstelle wird der Leiter des Controlling gleichrangig neben die Leiter anderer Funktionsbereiche auf der gleichen Führungsebene gestellt. Als Stabsstelle wird der Controller dagegen einer Linienposition mit übergeordneter Aufgabenstellung stabsmäßig zugeordnet. Aus dem hier vertretenen Wesensverständnis des Controlling im Sinne einer internen Beratung wird grundsätzlich die Einordnung des Controllingbereichs als Stabsstelle empfohlen. Grundsätzlich sollte ein durchgängig realisiertes Controlling in der idealen Form auf allen Unternehmensebenen präsent sein: •
Obere Führungsebene: Controlling I
•
Mittlere Führungsebene: Controlling II
•
Untere Führungsebene: Controlling III
112
1. Kapitel: Controlling
Controlling I, II und III sind jeweils als Controllingbereiche mit den Kernbereichen zu gestalten. Bezüglich der gegenseitigen Zuordnung ist das Controlling I dem Controlling II und das Controlling II dem Controlling III vorgeordnet. Daraus ergibt sich, dass das Controlling I generell zentrale Funktionen übernimmt, während das Controlling II und das Controlling III dezentrale Funktionen wahrnehmen. Konkret bedeutet dies für das Controlling I, dass sowohl alle grundlegenden Aufgabenstellungen für das gesamte Controlling entwickelt und die Gesamterkenntnisse des Controlling koordiniert werden, wie auch die konkrete Realisierung des Controlling auf der obersten Führungsebene zu erfüllen ist. Soweit eine Differenzierung zwischen strategischem und operativem Controlling vorliegt, wird das strategische Controlling ebenfalls im Rahmen des Controlling I entwickelt und durchgeführt. Entsprechend reduziert sich die Aufgabenstellung von Controlling II auf die Durchführung des Controlling auf der Führungsebene II sowie auf die Koordination mit den Erkenntnissen des Controlling III. Für Letzteres bleibt dann die konkrete Abwicklung des Controlling auf der Führungsebene III. Bezüglich der Personen im Controlling ist weiterhin deren disziplinarische und fachliche Zuordnung zu regeln. Der Leiter von Controlling I ist dem Leiter der oberen Führungsebene disziplinarisch und fachlich zu unterstellen. Die Mitarbeiter von Controlling I sind dem Leiter von Controlling I fachlich und disziplinarisch zugeordnet. Der Leiter von Controlling II ist fachlich und disziplinarisch dem Leiter von Controlling I unterstellt, die Mitarbeiter entsprechend dem Leiter von Controlling II. Für die Führungsebene III gilt die entsprechende Lösung.
I. Organisatorischer Aufbau und Eingliederung des Controlling
113
Ebene I Zentrales Controlling I
Ebene II/1
Ebene II/2
Ebene II/3
Dezentralescontrolling II
Ebene III/1
Ebene III/2 Ebene III/3 Dezentrales Controlling
Legende: fachlich disziplinarisch
Abb. 56: Organisatorische Eingliederung des Controlling Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass grundsätzlich die Realisierung der Beratungsfunktion des Controlling deren Integration als Stabsstelle erforderlich macht. Damit wird gleichzeitig der Gefahr begegnet, dass das Controlling in Konkurrenz zu anderen Funktionsbereichen tritt, wie dies bei der Gestaltung als Linienstelle der Fall wäre. Weiterhin müssen auch die formalen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass der Controller effizient arbeiten kann. Daher sollte einerseits stets die größtmögliche Nähe zu einem Funktionsbereich gesucht werden, andererseits ist ein hohes Maß an Unabhängigkeit gegenüber den Funktionsbereichen notwendig, um eine unbeeinflusste Berichterstattung an die Unternehmensleitung sicherzustellen.
Entwicklungsphasen der organisatorischen Einordnung des Controlling in der Praxis Der bisher beschriebene Ansatz stellt die derzeit in den Unternehmen dominierende Lösung dar. Für die reale Umsetzung in den einzelnen Unternehmen lassen sich jedoch eine Vielzahl möglicher Varianten entwickeln und realisieren, die im Wesentlichen durch folgende Aspekte beeinflusst werden: •
Größe des Unternehmens,
•
Differenziertheit des Unternehmens,
•
Entwicklung der Führungskultur,
•
Entwicklung des Controlling.
Die Entwicklung der Führungskultur korreliert in der Regel mit der Entwicklung des Controlling. Bevor der beschriebene Optimalzustand erreicht wird, lassen sich drei Entwicklungsphasen des Controlling mit korrespondierender Controlling-Organisation als Vorstufen unterscheiden: 1.
Die Einführungsphase, in der mit der Einführung der Kosten- und Leistungsrechnung begonnen wird, die dann schrittweise um ein Planungs- und Informationssystem zu ergänzen ist;
114
1. Kapitel: Controlling
2.
die Bewährungsphase I, in der ein umfassendes operatives Controllingsystem etabliert ist und entsprechende Controllingprozesse realisiert werden;
3.
die Bewährungsphase II, in der das operative Controlling durch ein strategisches Controlling ergänzt und erweitert wird.
In der Einführungs- und Bewährungsphase I sind Controllingbereiche als Stabsstellen aufzubauen, die zunächst noch disziplinarisch und fachlich den entsprechenden Führungsverantwortlichen außerhalb des Controlling zugeordnet sind. In der Bewährungsphase II sind die Controllingbereiche als Stabsstellen etabliert, die fachlich den entsprechenden Controllingabteilungen und gleichzeitig disziplinarisch den Vorgesetzten ohne spezielle Controllingfunktion zugeordnet sind. Die konkrete Realisierung der organisatorischen Einordnung des Controlling ist weiterhin abhängig von der Betriebsgröße und der Differenziertheit des Unternehmens. In einem Kleinbetrieb kann die Aufgabe des Controllers von dem Unternehmer bzw. Geschäftsführer wahrgenommen werden. Eine eigenständige Stelle mit Controllingaufgaben ist nicht erforderlich. In einem mittelständischen Betrieb bietet sich die Einrichtung einer Stabsstelle als zentrales Controlling mit einem bzw. mehreren Mitarbeitern an, die einem Mitglied der Unternehmensleitung zugeordnet ist. Geschäftsleitung Controlling
Materialwirtschaft
Produktion
Vertrieb
Verwaltung
Rechnungswesen
Abb. 57: Organisatorische Einordnung des Controlling im Mittelstand Größere mittelständische Unternehmen, deren Produktions- und Vertriebsprogramm sowohl produktbezogen als auch regionenbezogene globale Züge annimmt, differenzieren auch in der Controllingorganisation. Dies bedeutet, dass das nun zentrale Controlling von dezentralen Controllingstellen bzw. Controllern in den Funktionsbereichen ergänzt wird. Als Stabsstellen sind diese fachlich dem Zentralen Controlling und disziplinarisch dem Linienvorgesetzten unterstellt.
I. Organisatorischer Aufbau und Eingliederung des Controlling
115
Geschäftsleitung Zentrales Controlling
Materialwirtschaft
Produktion
Vertrieb
Verwaltung
Dezentrales Controlling
Dezentrales Controlling
Dezentrales Controlling
Rechnungswesen
Legende: disziplinarisch _______ Fachlich _ _ _ _ _ _
Abb. 58: Organisatorische Einordnung des Controlling im differenzierten mittelständischen Unternehmen In Großunternehmen gibt es grundsätzlich drei Möglichkeiten, die Controllingabteilung einzugliedern: 1. Controlling in der zweiten Führungsebene im Vorstandsressort Finanzen; 2. Controlling als Mitglied des Vorstands; 3. Controlling als Stabsstelle des Vorstandssprechers. Sofern sich ein Unternehmen für die Stabsstellenlösung entscheidet, empfiehlt es sich, zusätzlich Subcontroller in den einzelnen Funktionsbereichen, den differenzierten Sparten und/oder den einzelnen Profitcentern einzusetzen, um die Akzeptanz des Controlling bzw. des Controllers zu erhöhen. Eine umfassende Controllingorganisation in einem Großunternehmen ist in der nachfolgenden Abb. dargestellt. Der Zentralcontroller rückt dabei immer näher in die Rolle eines Finanzmananagers, der Aktivitäten in neuen Segmenten anstößt und gegenüber der Unternehmensführung die Gründung einer neuen Business Unit oder Auflösung einer bestehenden anregen kann. Das Zusammenspiel zwischen den zentralen und dezentralen Controllern kann hierbei wie folgt ablaufen. Der zentrale Controller ist der Spezialist, der Eckwerte, wie bspw. Überlegungen über Vollkosten-, Deckungsbeitrags- oder Prozesskostenrechnung vorgibt. Strategie-Instrumente (SWOT-Analyse, BSC etc.), oder „Führen durch Ziele“ können ebenso wie die Zielmesslat-
116
1. Kapitel: Controlling
te der Profitcenterleiter (Betriebsergebnis, Cashflow, Shareholder-Value etc.) vorgeschlagen werden. Der dezentrale Controller ist im eigentlichen operativen Geschäft involviert und beantwortet z. B. Fragen bzw. Themenfelder wie Regionen, Märkte, Preisuntergrenze, erforderliche Investitionen, Deckungsbeiträge etc. Der zentrale Controller muss hierbei immer mit ganzheitlicher Perspektive agieren und muss in den strategischen Managementprozess integriert sein. Nur so ist eine globale Steuerung unternehmensweit möglich. Das heißt, dass der zentrale Controller-Bereich in strategischer Hinsicht und in der Moderations- und Koordinationsfunktion künftig mehr herausgefordert sein wird.
J. Systemischer Unterbau des Controlling Es existieren eine Reihe systemischer Ansätze zu Abwicklung des Controlling. Inhaltlich müssen diese je nach Geschäftsbereich, Branche etc. differenziert werden.
Spezielle Konzeption nach Geschäftsbereichen / Betriebsgrößen / Branchen
Systemischer Unterbau: Gestaltung der Controllinginstrumente
Steuerung im Rahmen von Planungssysteme
strategisches System
Kontrollsysteme
Informationssysteme
operatives System
Szenario-Technik
Budgetierung
Potenzialbilanz
Kostenrechnung
Früherkennung
Kennzahlen
Abb. 59: Systemischer Unterbau
K. Inhaltliche Grundstruktur des Controlling
117
K. Inhaltliche Grundstruktur des Controlling Hieraus lässt sich die inhaltliche Grundstruktur des Controlling in Form des systemischen Unterbaus und des mentalen Überbaus wie folgt darstellen: Mentaler Überbau: Beherrschung der Controllingprozesse
Allgemein gültige Erkenntnisse
Steuerung auf der Basis von
Planen
Kontrollieren
Informieren
lernfähige Prozesse
neue Inhalte / Kulturen
Spezielle Konzeption nach Geschäftsbereichen / Betriebsgrößen / Branchen
Systemischer Unterbau: Gestaltung der Controllinginstrumente
Steuerung im Rahmen von
Planungssysteme
Kontrollsysteme
strategisches System
Informationssysteme
operatives System
Szenario-Technik
Budgetierung
Potenzialbilanz
Kostenrechnung
Früherkennung
Kennzahlen
Abb. 60: Inhaltliche Grundstruktur des Controlling
118
1. Kapitel: Controlling
L. Der Controller Die Realisierung des Controlling erfolgt zugleich als Managementfunktion und Führungskonzeption. Dabei übernimmt der Controller als Managementfunktion die Aufgabe, ein Controllingsystem im Unternehmen aufzubauen und abzuwickeln. Innerhalb dieses Systems ist es die Aufgabe der übrigen Führungskräfte, Controlling im Sinne eines Denk-, Verhaltens- und Orientierungsansatzes als Führungskonzeption zu betreiben. Die Entwicklung in der Praxis hat gezeigt, dass die Realisierung des Controlling in einem Unternehmen allein durch den Einsatz von Controllern nicht erreicht werden kann. Da es sich hier um die Durchsetzung eines eigenständigen Denk-, Verhaltens- und Orientierungsgrundsatzes handelt, ist es unabdingbar, dass nicht nur der Controller, sondern alle Führungskräfte die Leitmaxime im Sinne des Controlling verstehen und akzeptieren. Im Unternehmen sind Controller die Spezialisten für Planungs-, Kontroll- und Informationssysteme. Bei deren gegebenen Vielzahl muss der Controller jeweils auch die neuesten Systemansätze kennen, um die für sein Unternehmen am besten geeigneten Varianten beurteilen und auswählen zu können. Dabei müssen nicht immer die neuesten Versionen eingesetzt werden. Der Controller muss vielmehr in der Lage sein, die vorhandenen Systeme zu identifizieren, ihren Entwicklungszustand zu erkennen und ihre Eignung im Rahmen der aktuellen Unternehmensziele zu beurteilen. Die Entscheidung darüber, welche Teilsysteme im Rahmen eines gesamten Controllingsystems in einem Unternehmen implementiert werden, treffen die Führungskräfte. Aufgabe des Controllers ist es, Erkenntnisse über die jeweiligen Stärken und Schwächen von Teilsystemen für den Entscheidungsprozess zu liefern und nach der Entscheidung dafür Sorge zu tragen, dass eine Integration in das Gesamtsystem gelingt. Der Controller als Systemspezialist verantwortet den Aufbau und die Pflege eines umfassenden Controllingsystems im Unternehmen. Controller sind zugleich die Spezialisten für Planungs-, Kontroll- und Informationsprozesse. Das heißt, sie müssen deren effektive und effiziente Abwicklung beherrschen. Da Planen, Kontrollieren und Informieren allgemeine Führungshandlungen sind, müssen diese grundsätzlich auch von den Führungskräften wahrgenommen werden. Aufgabe der Controller ist es daher nicht, diese eigenständig durchzuführen, sondern dem Management bei deren erfolgreicher Realisierung zu helfen. Dazu ist es erforderlich, die Manager bei der prozessualen Umsetzung einerseits generell zu befähigen und andererseits speziell zu unterstützen. Der Controller als Prozessspezialist verantwortet die optimale Gestaltung und erforderliche Weiterentwicklung der Prozesse im Unternehmen. Zusammenfassend ist die Aufgabenstellung des Controllers wie folgt zu verstehen: Der Controller verantwortet als Manager den Aufbau und die Abwicklung eines leistungsfähigen Controllingsystems. Zugleich unterstützt der Controller als interner Berater die Führungskräfte bei der Realisierung der Unternehmenssteuerung.
2. Kapitel: Developing A. Wesen und Entwicklung des Developing I. Historische und inhaltliche Entwicklung des Developing Die anhaltende Dynamik im globalen Wettbewerb macht es erforderlich, die zunächst dominante Form der Unternehmenssteuerung durch Controlling im Sinne einer Lernorientierung zur Steigerung der Effektivität und Effizienz zu ergänzen und zu erweitern. Aus diesem Grunde hat sich das Developing als zusätzliche Steuerungsmaxime im Sinne einer Entwicklungsorientierung zur Steigerung der Flexibilität entwickelt. Als bedeutende Indikatoren können die Verkürzung der Produktlebenszyklen, die Intensivierung der Konjunkturschwankungen nach Anzahl und Ausmaß sowie die beachtliche Reduzierung der Entwicklungszeiten von Produkten gesehen werden. Die Anpassungsfähigkeit an sich immer schneller verändernde Umfeldbedingungen wird wesentlich durch die Organisation eines Unternehmens sowie die Qualifikation seiner Mitarbeiter geprägt. Eine grundlegende Verbesserung der Flexibilität kann daher nur erreicht werden, wenn ein neues Denken und Handeln im Rahmen der Führungsaufgaben Organisieren und Qualifizieren stattfindet. Der hierzu erforderliche Paradigmenwechsel basiert auf einer neuen Organisations- und Qualifikationskultur, die durch das Denken in Extremen geprägt ist. Eine höhere Flexibilität wird durch intensivere Entwicklungsprozesse im Unternehmen erreicht. Daher mussten die historisch geprägt isoliert abgewickelten Aufgabenstellungen der Organisations- und Personalentwicklung zu einer neuen Einheit in Form des Developing als Change-based-Management verknüpft werden. Damit kann die Gefahr von widersprüchlichen Entwicklungen in den Bereichen Organisation und Qualifikation im Sinne einer gegenseitigen Neutralisierung und damit Blockierung des Systems Unternehmen überwunden werden. Neue Formen der Organisation und unveränderte Qualifikation bzw. verbesserte Qualifikation und gleichbleibende Organisation wirken zunehmend kontraproduktiv. Dies hat z. B. die Umstellung von der Fließfertigung mit Akkord zur Gruppenfertigung im Team nachhaltig gezeigt. Aufgrund der Komplexität und Vielteiligkeit der Produkte wird die reine Fließfertigung heute in der Praxis immer häufiger durch die Kombinationen verschiedener Fertigungsverfahren abgelöst. Bei der sogenannten Gruppenfertigung wird von einer Gruppe von Mitarbeitern die Verantwortung für die Produktion einer Produkt-, Baugruppen- oder Teilefamilie übernommen. Durch die Zusammenfassung von Arbeitsplätzen und Maschinen zu Fertigungsgruppen können die Mitarbeiter die Steuerung und Organisation der Produktion eigenverantwortlich übernehmen. Der so gewonnene Überblick über den gesamten Fertigungsverlauf sowie zusätzliche Entscheidungsfreiräume und Eigenverantwortung ermöglichen positive motivationale und qualitative Aspekte bei den Fertigungsmitarbeitern. Diese verstärkte Verantwortung verbunden mit erheblich größeren Freiräumen für Teilfertigungsbereiche machen jedoch ein völlig neues Qualifikationsniveau sowie ein verstärktes Training der Kommunikations- und Teamfähigkeit der Mitarbeiter notwendig. Eine entwicklungsorientierte Steuerung setzt die Realisierung von evolutionären Entwicklungsprozessen
120
2. Kapitel: Developing
voraus. Diese entstehen dadurch, dass die Organisation und Qualifikation auf der Basis neuer Kulturen durch die Kommunikation in integrierter Form verknüpft werden. Damit soll gleichzeitig die Notwendigkeit einmaliger, revolutionärer Veränderungsprozesse (Reengineering) verringert bzw. vermieden werden, da diese einen Indikator für einen Entwicklungsstau darstellen.
II. Differenzierung des Developing Analog zu den bereits zum Controlling ausgeführten Erkenntnissen, kann auch im Rahmen des Developing von einer zwei Teilung in strategisches und operatives Developing ausgegangen werden. Das operative Developing beschäftigt sich aufgrund seiner Orientierung an der Zielgröße Gewinn mit geschlossenen Zeitperioden in der Regel zwischen drei und fünf Jahren, wogegen sich das strategische Developing im Sinne des Potenzialdenkens eher in eine perspektivisch offene Zukunft orientiert. Das Wesen des strategischen bzw. operativen Developing kann hierbei wie folgt beschrieben werden: Im Mittelpunkt des strategischen Developing steht das rechtzeitige Erkennen und Schaffen von Potenzialen zum Zwecke der dauerhaften Sicherung der Entwicklungsfähigkeit des Unternehmens. Im Mittelpunkt des operativen Developing steht dagegen das Erreichen eines positiven Ergebnisses zum Zwecke der kurzfristigen Anpassungsfähigkeit des Unternehmens. Es ist zu erwarten, dass sich auf Dauer auch ein normatives Developing entwickeln wird.
III. Aktueller Erkenntnisstand/Definition des Developing Die permanente Entwicklungsfähigkeit eines Unternehmens basiert auf der Erkenntnis, dass Qualifikation und Organisation nicht mehr als Selbstzweck, sondern zunehmend als Mittel zum Zweck gesehen werden müssen. Traditionell werden die gegebene Qualifikation von Menschen sowie die vorhandenen organisatorischen Lösungen struktureller und prozessualer Art als positive, dauerhaft wirksame Faktoren angesehen: „Weil ein Mitarbeiter über eine bestimmte Qualifikation verfügt und/oder weil eine konkrete Organisation eines Arbeitsablaufs vorliegt, wird ein bestimmtes Arbeitsergebnis erzielt. Zukünftig wird jedoch eine neue Sicht erforderlich werden: Solange eine gegebene Qualifikation und Organisation vorliegen, können bestenfalls graduelle, aber keine sprunghaften Steigerungen des Arbeitsergebnisses in Form von Quantensprüngen erzielt werden. Die Lösung dieser Problematik setzt voraus, dass ein grundlegend neues Denk- und Verhaltensschema im Sinne einer neuen Qualifikations- und Organisationskultur entwickelt und in Verbindung mit der Kommunikation zu einem evolutionären Entwicklungsprozess integriert wird.
B. Steuerungsprozesse im Developing
121
B. Steuerungsprozesse im Developing Das Developing greift auf die drei grundlegenden Führungshandlungen • des Organisierens, • des Qualifizierens und • des Informierens zurück. Das Developing ist damit integrativer Bestandteil der Führung. Das heißt, Developing ist immer Führung. Aber Führung ist mehr als Developing.
sozio-emotionale Dimension Delegieren sach-rationale Dimension
Kerndimension Entscheiden Informieren Dispositionsfunktion Grundkompetenz
Managementfunktion Leitungskompetenz Humanfunktion Personalkompetenz
Developing Abb. 61: Developing als Führungshandlung
122
2. Kapitel: Developing
I. Neue Kulturen Die traditionellen Vorstellungen bezüglich der Qualifikation von Menschen in Betrieben basierten auf der Dominanz einer einmaligen Ausbildung mit dauerhafter Wirkung. Musterbeispiele hierfür sind die Berufsausbildung mit durchschnittlich dreijähriger Dauer sowie das Hochschulstudium mit durchschnittlich fünfjähriger Dauer. Beide Ausbildungswege suggerieren die Vorstellung „einmaliges Lernen für das ganze Leben“. Diese sehr einseitige, punktuelle Vorstellungswelt beschränkt das Beurteilungs- und Gestaltungsvermögen bezüglich der zukünftig erforderlichen Qualifikation. Der berufliche Bildungsstand/Wissensstand muss zunehmend als eine kontinuierliche, stufenweise Entwicklung mit jeweils begrenzter Wirkungsdauer begriffen werden. Beispiele hierfür sind regelmäßige, fachlich orientierte Ausbildungsbausteine in kürzer werdenden Zeitabständen auf der Basis eines Sockels, der überwiegend eine allgemeine Denk- und Verhaltensschulung umfasst. Diese Ausbildungsform beruht auf der Vorstellung eines „ständigen, lebenslangen Lernens“. Beide Gestaltungsansätze stellen Extreme dar, wenn es um die Frage der Realisierung der Qualifikation geht. Sie können dementsprechend als Denkhilfen gesehen werden, die einen größtmöglichen Horizont schaffen, wenn in einer konkreten Situation die bestmögliche Form einer Qualifikation gesucht wird. Grundlegend resultiert hieraus die Erkenntnis, dass es die Qualifikation schlechterdings nicht gibt. Es existiert vielmehr eine nicht exakt quantifizierbare Anzahl von Möglichkeiten als Varianten zwischen den Extremen. Diese neue Form des Denkens schafft eine veränderte Qualifikationskultur, die sich flexibel auf jeweils spezifische Qualifikationsbedürfnisse und jeweils geeignete Lösungswege einstellt. In diesem Sinne wird die Aufgabe der Qualifikation als Mittel zu einem Zweck begriffen und nicht mehr weiter als Selbstzweck verstanden. Aus der Sicht der Führung werden dadurch die beiden Kompetenzen der Beurteilungs- und Gestaltungsfähigkeit zurückgewonnen. Nicht wie bisher begrenzt die vorhandene Qualifikation das Arbeitsziel, sondern aus dem Arbeitsziel leitet sich die notwendige Qualifikation ab. Beim Organisieren können als extreme Denkhilfen einerseits die fremdgesteuerte, zentralistische und bürokratische Funktionsoptimierung und andererseits die selbstgesteuerte, dezentrale und unbürokratische Prozessoptimierung differenziert werden. Vereinfacht können diese beiden Formen des Organisierens auch durch die beiden Symbole „Palast“ und „Zelt“ im Sinne einer festgefügten Dauerhaftigkeit bzw. einer kurzfristigen Veränderbarkeit interpretiert werden, zwischen denen eine nicht quantifizierbare Vielzahl von praktikablen Varianten liegen.
B. Steuerungsprozesse im Developing
123
Beim Informieren werden als extreme Denkhilfen einerseits die situationsbezogene statische „Bringschuld“ und andererseits die aufgabenbezogene dynamische „Holschuld“ differenziert. Vereinfacht können diese beiden Formen des Informieren auch durch die Aspekte der determinierten Kommunikationskultur im Sinne einer eindeutigen Dauerhaftigkeit bzw. einer kurzfristigen Veränderbarkeit interpretiert werden, zwischen denen eine nicht quantifizierbare Vielzahl von praktikablen Varianten liegt. Denken in Extremen Extreme Formulierung
Extreme Formulierung
einmalige Qualifikation mit dauerhafter Wirkung
fremdgesteuerte, zentralistische und bürokratische Funktionsoptimierung
situationsbezogene statische „Bringschuld“
Qualifizieren
kontinuierliche Qualifikation mit begrenzter Wirkung
Organisieren
selbstgesteuerte, dezentrale und unbürokratische Prozessoptimierung
Informieren
aufgabenbezogene dynamische „Holschuld“
Schaffen weiter Horizonte
Abb. 62: Denken in Extremen im Developing
II. Integrierte Verknüpfung der Grundelemente Die erfolgreiche Umsetzung der neuen kulturellen Vorstellungen bezüglich der Führungshandlungen Qualifizieren und Organisieren erfordert die Etablierung von permanenten Entwicklungsprozessen. Basis hierfür ist das Regelkreisprinzip. Durch die Verknüpfung des Qualifizierens und des Organisierens mit dem Informieren in integrierter Form lassen sich optimale Entwicklungs-, d. h. Developingprozesse, gestalten. Dazu ist es erforderlich, zunächst eine Vorstellung über die gewollte, d.h. zukünftige Organisationsstruktur, und das gewollte, d.h. zukünftige Qualifikationsniveau, als harmonische Einheit zu entwickeln. Diese Soll-Vorstellung lässt sich dann Abgleichen mit der als Ist gegebenen Situation, wobei ein differenzierter Soll-Ist-Vergleich jeweils bezüglich Qualifikation und Organisation erfolgt. Bei der Abweichungsanalyse lassen sich dann Qualifikations- und/oder Organisationsdefizite bzw. -überentwicklungen erkennen, die Entwicklungspotenziale darstellen. Deren Umsetzung erfolgt dann über die Information bzw. der hier synonym verwandten Kommunikation als Erkenntnis für die Weiterentwicklung der Soll-Situation bzw. als Maß-
124
2. Kapitel: Developing
nahme für die Veränderung der Ist-Situation. Ein solchermaßen vollzogener Soll-/IstVergleich kann zu folgenden Ergebnisse führen: • • •
Bei Deckungsgleichheit liegt kein Entwicklungsbedarf vor. Bei Entwicklungsdefiziten liegt der Qualifikations- bzw. Organisations-Soll-Wert über dem Ist-Wert. Bei Überentwicklungen liegt der Qualifikations- bzw. Organisations-Ist-Wert über dem Soll-Wert.
zukünftige Qualifikationsund Organisationskultur
gegebene Qualifikationsund Organisationskultur
Soll
Ist Soll-/IstVergleich neue Entwicklungskultur
Erkenntnisse
Entwicklungspotenziale
Maßnahmen
neue Informationskultur Abb. 63: Gestaltung von permanenten Entwicklungsprozessen im Developing
C. Qualifizieren
125
C. Qualifizieren I. Wesen und Bedeutung des Qualifizierens Die zunehmende Dynamik des Wirtschaftslebens verlangt von allen Mitarbeitern die generelle Bereitschaft einer ständigen Anpassung an die sich wandelnden Anforderungen, wenn das Unternehmen überleben und wachsen will. Darüber hinaus muss jeder einzelne Beschäftigte die Chance haben, gemäß seiner gegebenen Fähigkeiten eine individuelle Förderung zu erhalten. Ausgangspunkt und Grundlage jeglicher Qualifikation ist die allgemeine Maxime: „Der richtige Mensch am richtigen Platz“. Dieser Grundsatz ist bereits bei der Einstellung zu beachten, da der Mitarbeiter zunächst als gegebenes Individuum zu akzeptieren ist. Danach setzt die Einflussnahme ein, die als arbeitsplatzbezogene wie auch als veränderungsbezogene Entwicklung möglich ist. Sie beinhaltet die Vermittlung von fachlichen und persönlichen Eigenschaften, die für die bestmögliche Erfüllung einer derzeit ausgeübten bzw. in Zukunft anzustrebenden betrieblichen Tätigkeit erforderlich sind. Dabei handelt es sich um Ausführungs- wie um Führungsqualifikationen. Im Mittelpunkt der Führungsaufgabe Qualifizieren steht damit das Ziel, die Mitarbeiter lernfähig und lernbereit zu machen. Lernen kann dabei allgemein als eine effizienzinduzierte Anpassung des Verhaltens verstanden werden. Es bewirkt eine Korrektur bei der Vorgehensweise in Bezug auf Problemlösungen. Die Lösung von Problemen erfolgt in den beiden Teilschritten Informationsverarbeitung und Entscheidungsfindung. In beiden Bereichen sind Lernprozesse möglich. So lässt sich z. B. im Informationsbereich die Beschaffung und Verarbeitung von Daten verbessern, was zu einer genaueren Abbildung der Realität führt. Im Entscheidungsbereich kann das Lernen zu einer Erweiterung oder Eingrenzung möglicher Alternativen bzw. zu einer Änderung der Bewertung und Auswahl führen. Wesentliche Grundlagen und Ursachen des Lernens sind die Übung sowie die Erfolgsaussicht. Das mehrmalige Wiederholen von Handlungen bzw. von Verhaltensweisen im Sinne eines Trainings führt zur Einsicht, dass neue Vorgehensweisen effektiver sind. Außerdem beeinflusst die mit einer veränderten Verhaltensweise verbundene Erfolgsaussicht wesentlich die Lernbereitschaft. Das Qualifizieren kann damit als Führungsaufgabe verstanden werden, deren wesentliches Ziel die Schaffung von Lernfähigkeit und Lernbereitschaft ist, um die Mitarbeiter für gegenwärtige und zukünftige Führungs- und Ausführungstätigkeiten hinreichend zu qualifizieren. Es besitzt eine permanente Anpassungsfunktion, d. h., das Leistungspotenzial der Mitarbeiter ist stets auf die sich wandelnden inner- und außerbetrieblichen Erfordernisse einzustellen.
II. Qualifikationsprozess Der Ablauf des Qualifizierens kann als Prozess dargestellt werden, dessen bestimmende Merkmale das Entwicklungsziel, die Entwicklungsalternativen sowie die Entwicklungsentscheidung sind. Bei der Aufstellung eines Qualifizierungsziels geht es um die Konkretisierung eines Anforderungsprofils, das ein Mitarbeiter erreichen soll, um eine bestimmte betriebliche Aufgabe
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2. Kapitel: Developing
wissens- und/oder verhaltensmäßig erfüllen zu können. Grundlage dazu bildet die Entwicklungsbedarfsanalyse. Sie besteht aus der Beschreibung der Qualifikationserfordernisse einer zukünftigen Tätigkeit sowie aus der Auflistung des derzeitigen Wissens- und Verhaltensstandes eines Mitarbeiters. Die aus dem Vergleich zwischen Soll-Anforderung und IstZustand resultierende Lücke ist dann als Entwicklungsziel zu formulieren. Die Ermittlung der Arbeitsplatzbedingungen basiert zunächst auf einer Diagnose der derzeitigen Situation. Dazu sind die Anforderungen aller vorkommenden Tätigkeiten in den Aktionseinheiten festzustellen. Da es sich bei der Entwicklung in der Regel um längerfristige Prozesse handelt, müssen jedoch auch Prognosen über die möglichen Veränderungen aufgestellt werden. Dies gilt insbesondere für die absehbaren, neu entstehenden Tätigkeiten bzw. Arbeitsplätze. Das daraus gewonnene Anforderungsprofil für die auszufüllenden Positionen hat den Charakter eines Sollwertes. Diesem wird das Qualifikationsprofil gegenübergestellt. Es beschreibt die derzeitigen Fähigkeiten eines Mitarbeiters als Ist-Zustand, die im Wesentlichen auf seiner allgemeinen Vorbildung, seiner speziellen Berufsaus- und -weiterbildung, seiner Berufserfahrung und seinen Persönlichkeitsmerkmalen beruhen. Die Suche nach Qualifizierungsalternativen orientiert sich am Entwicklungsziel. Sie müssen in der Lage sein, das Qualifikationsdefizit eines Mitarbeiters auszugleichen. Grundsätzlich konkretisieren sich die möglichen Alternativen in Bildungsmaßnahmen interner bzw. externer Art. Sie stellen in aller Regel keine Ausbildung, sondern vielmehr eine berufliche Weiterbildung, in seltenen Fällen auch eine Umschulung dar. Inhaltlich sind einmal die kaufmännischen und technischen Verfahren und Methoden für ausführende Tätigkeiten, wie z. B. die Maschinenstundensatzkalkulation oder das Punktschweißen zu vermitteln. Dazu werden überwiegend externe Schulungsangebote wahrgenommen. Zunehmende Bedeutung gewinnt darüber hinaus die Entwicklung und Förderung der vorhandenen Führungskräfte sowie des Führungskräftenachwuchses. Dazu werden Führungsseminare eingerichtet sowie spezielle Karrierepläne aufgestellt, die zum größten Teil firmenspezifisch ausgerichtet sind, wenn auch unter Beteiligung externer Referenten. Sie beruhen auf der Erkenntnis, dass Führungswissen, Führungskönnen und Führungsverhalten grundsätzlich erlernbar sind. Als weitere wesentliche Bestandteile aller Entwicklungsmaßnahmen gelten die Mitarbeiterbeurteilung sowie die Beratungs- und Fördergespräche zwischen dem Vorgesetzten und seinem Mitarbeiter. Die Qualifikationsentscheidung bezüglich der Auswahl alternativer Entwicklungsmöglichkeiten muss ausschließlich bei der zuständigen Führungskraft liegen und sollten z. B. nicht auf die Personal- oder Ausbildungsabteilung übertragen werden. Wegen der nicht unbeträchtlichen Unsicherheiten bezüglich des zu erwartenden Erfolges von Bildungsmaßnahmen werden häufig nur Kosten-, jedoch keine Nutzenüberlegungen angestellt. Dies führt nicht selten dazu, dass gerade in kritischen Zeiten für ein Unternehmen zuerst die Investitionen in das Personal verringert werden, was vielleicht kurzfristig die Liquiditätssituation, jedoch mittelfristig kaum die Ertragssituation verbessert. Diese Einstellung wird u. a. durch die bis heute zu einseitige Ausrichtung des Rechnungswesens auf die materiellen Sachgüter gefördert. Daher muss auch das „human capital“ größere Beachtung finden, um den Führungskräften die Tragweite von Entwicklungsentscheidungen deutlicher zu machen.
D. Organisieren Qualifizierungsziel
Diagnose und Prognose der Arbeitsplatzanforderungen Qualifizierungsprofil
127 Qualifizierungsalternativen
externe und interne Bildungsmaßnahmen Mitarbeiterbeurteilung
Qualifizierungsentscheidung
Fachvorgesetzte
Kosten-/Nutzenbetrachtung
Fördergespräche
Abb. 64: Qualifikationsprozess
III. Wirkungen des Qualifizierens In Zeiten zunehmend gesättigter Märkte und stagnierenden Wachstums gewinnen die Investitionen im Personalbereich immer größere Bedeutung. Bei weitgehend gegebener Kapitalund Sachmittelausstattung hat jeweils das Unternehmen mit dem vergleichsweise qualifizierteren Mitarbeiterstab die besseren Erfolgsaussichten. Die Aufgabe der Entwicklung der Mitarbeiter durch die jeweiligen Vorgesetzten erhält damit ein ständig steigendes Gewicht. Die feststellbare Evolution an führungsmäßigen und fachlichen Anforderungen bedingt die Bereitschaft zu „lebenslangem Lernen“. Sie muss jedoch stets auch auf die einzelne Persönlichkeit Rücksicht nehmen. Diese wird wesentlich durch das vorhandene Leistungspotenzial und die berufliche Leistungsbereitschaft geprägt. Beide gilt es im optimalen Sinne zu entfalten und zu nutzen. Dazu sind einerseits alle Hemmnisse der beruflichen Entwicklungschancen zu beseitigen. Nur so kann der mobile, anpassungsbereite Mitarbeiter gewonnen werden. Andererseits müssen auch die Entwicklungsgrenzen gesehen werden. Die Überbeförderung nach dem „Peter-Prinzip“ führt schnell zu einem zunehmenden Kräfteverschleiß und in der Folge zu Leistungsabfall und Resignation.43
D. Organisieren I. Wesen und Bedeutung des Organisierens Die gedankliche Vorwegnahme zukünftiger Maßnahmen im Hinblick auf die Erfüllung bestimmter Ziele mithilfe der Planung drängt stets auf eine bewusst gestaltete Verwirklichung durch die Organisation. Vor allem Gutenberg hat den engen Zusammenhang zwischen Planung und Organisation deutlich aufgezeigt. Für ihn sind Planung und Organisation die beiden wesensbestimmenden Elemente des dispositiven Faktors: Während die Planung lediglich den Entwurf oder die Konzeption einer Ordnung darstellt, nach der sich das be-
43
Unternehmensführung, in: Bestmann, U.(Hrsg.): Kompendium der Betriebswirtschaftslehre, 11. Aufl., München 2010.
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2. Kapitel: Developing
triebliche Geschehen vollziehen soll, stellt die Organisation ihrem Wesen nach den Vollzug, also die konkrete Realisierung dieser Ordnung dar. Das grundlegende Problem des Organisierens ist die Aufstellung adäquater Regelungen zur Durchsetzung der Planungsvorhaben. Aus ökonomischen Gründen ist es sinnvoll, vor allem Aufgaben mit Dauercharakter einer generellen Gestaltung zu unterziehen, um bei der jeweiligen Wiederholung einen gleichmäßigen, wirtschaftlichen Ablauf zu garantieren. In diesem Sinne lässt sich z. B. der stets wiederholbare Vorgang einer Materialbestellung organisieren. Abläufe, die sich nur über längere Zeit oder überhaupt nicht wiederholen, die also relativ einmalig sind, bedürfen keiner generellen Regelung. Sie sind zwar ebenfalls systematisch abzuwickeln, dies geschieht jedoch mit einer kurzfristigen, oft spontanen, also fallweisen Regelung, die als Improvisation bezeichnet und in der älteren Literatur überwiegend nicht als Teil, sondern als Abgrenzung zur Organisation angesehen wird. Das Organisieren ist damit als ein Strukturierungsvorgang zu verstehen, der sich in formalen Regeln konkretisiert. Dabei ist darauf zu achten, dass die einzelnen Regelungen in sich sowie gegeneinander möglichst widerspruchsfrei, d. h. gegenseitig abgestimmt und damit integriert sind. Sie bilden dann als Teilsystem bzw. in ihrer Gesamtheit jeweils eine Ganzheit, die auf die Erfüllung der betrieblichen Global- bzw. Teilziele ausgerichtet ist. Die Organisation kann daher als integrative Strukturierung von Ganzheiten zur bestmöglichen Erfüllung der Betriebsziele verstanden werden. Insoweit hat der Begriff „Organisation“ eine doppelte Bedeutung und beschreibt sowohl die Tätigkeit des Strukturierens wie ihr Ergebnis, die Struktur. Die wesentliche Aufgabenstellung des Organisierens kann als Durchsetzungsfunktion verstanden werden. Im Mittelpunkt stehen dabei die Verwirklichung der Prinzipien der Arbeitsteilung, der Rationalisierung und der Wirtschaftlichkeit. Das Prinzip der Arbeitsteilung bildet die Grundlage der industriellen Entwicklung schlechthin. Es beinhaltet eine mengenmäßige und artmäßige Variante. Die mengenmäßige Arbeitsteilung bedeutet, dass Arbeiten gleichen Umfangs auf mehrere Personen übertragen werden, wenn z. B. mehrere Arbeiter jeweils vollständige Stecknadeln herstellen. Von größerer Wichtigkeit ist jedoch die artmäßige Arbeitsteilung, die einen einheitlichen Arbeitsgang in unterschiedliche Teilprozesse zerlegt und jeweils einer bestimmten Person überträgt. Dies ist der Fall, wenn ein Arbeiter Drahtstücke ablängt und weitere Arbeiter jeweils Spitzen bzw. Köpfe anbringen und somit ebenfalls Stecknadeln entstehen. Die Arbeitsteilung führt stets zu einer Gliederung von Gesamtaufgaben in Teilaufgaben, die von mehreren Personen übernommen werden. Das Prinzip der Rationalisierung strebt nach einer ständigen Verbesserung der Arbeitsleistung. Aus der Sicht der Organisation geht es dabei vor allem um eine geeignete Gliederung und Verteilung der Aufgaben (Aufgabenrationalisierung), um eine effiziente Gestaltung der Aufgabenerfüllung (Arbeitsrationalisierung) sowie um aussagefähige Informationen (Informationsrationalisierung). Das Prinzip der Wirtschaftlichkeit beruht auf der Vorstellung, Betriebsprozesse rational, d. h. vernunftgemäß zu gestalten, um ein möglichst günstiges Verhältnis zwischen Kosten und Leistung zu erzielen. Dabei kann versucht werden, ein bestimmtes Ergebnis mit dem vergleichsweise geringsten Einsatz (Minimalprinzip) bzw. mit einem bestimmten Einsatz ein vergleichsweise bestes Ergebnis (Maximalprinzip) zu erzielen.
D. Organisieren
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Generelle Zielsetzung des Organisierens ist es damit, für die vorgegebenen Unternehmensziele und Planungshandlungen Rahmenbedingungen zu schaffen, innerhalb der die betrieblichen Aktivitäten unter möglichst günstigen Bedingungen ablaufen können. Die Organisation vollzieht sich dabei in zwei gegeneinander abgrenzbaren Strukturierungsbereichen. Zum einen geht es um die Gestaltung des institutionellen Aufbaus, zum anderen um die Gestaltung der prozessualen Abläufe. Dementsprechend wird zwischen der Aufbauorganisation und der Ablauforganisation unterschieden. Die Aufbauorganisation bezieht sich auf die Gliederung des Unternehmens in Teileinheiten sowie deren Koordination. Dazu müssen Aufgabengebiete gebildet und auf Aufgabenträger zugeordnet sowie die Beziehungen zwischen den Aufgabenträgern und zwischen Aufgabenträgern und erforderlichen Sachmitteln geregelt werden Die Ablauforganisation bezieht sich auf die Gliederung des Betriebsprozesses in Teilprozesse sowie deren Koordination. Dazu müssen der Vollzug der Arbeitsabläufe festgelegt, die räumlichen und zeitlichen Gesichtspunkte beachtet sowie die Verteilung auf die Aufgabenträger vorgenommen werden. Die Entwicklung organisatorischer Regelungen basiert auf dem Einsatz entsprechend geeigneter Systemelemente. Aus der Sicht der Organisation sind dies die im Unternehmen tätigen Menschen und die zur Verfügung stehenden Sachmittel. Als kleinste, selbständig handlungsfähige Einheiten ist ihr Wirken auf die Erfüllung der Unternehmensaufgabe auszurichten. Sie werden als Aktionseinheiten bzw. Stellen bezeichnet. Unter einer Aktionseinheit ist ein versachlichter Komplex von Verrichtungen zu verstehen, der durch synthetische Zusammenfassung analytisch gewonnener Teilaufgaben und deren Zuordnung auf einen oder mehrere gedachte Aktionsträger entstanden ist. Die Elemente der Organisation werden durch die Aktionsaufgabe und durch den Aktionsträger geprägt. Die Aktionsaufgabe besteht aus einem Verrichtungskomplex, der einen Ausschnitt aus der betrieblichen Gesamtaufgabe darstellt. Je nach Umfang wird die Ausführung der Aktionsaufgabe einem oder mehreren Aktionsträgern zugeordnet und bildet damit eine einzahlige bzw. mehrzahlige Aktionseinheit. Träger von Aktionen können Menschen oder Maschinen sein. Der strukturelle Aufbau einer Aktionseinheit wird bestimmt durch den Einsatz und das Zusammenwirken der Aktionsträger. Je nach der zu erfüllenden Verrichtung sind personenbezogene, sachmittelbezogene bzw. personen-/sachmittelbezogene Aktionseinheiten möglich. Eine personenbezogene Aktionseinheit liegt vor, wenn eine oder mehrere Personen eine Aufgabe auch unter Verwendung einfacher Werkzeuge eigenständig lösen. Dies ist z. B. bei einem Kostenrechner der Fall, der eine Kalkulation bearbeitet bzw. bei einem Arbeitsteam, das eine Wertanalyse durchführt. Eine sachmittelbezogene Aktionseinheit ist gegeben, wenn eine oder mehrere Maschinen einen Arbeitsgang eigenständig abwickeln, wobei der Mensch lediglich die erstmalige Ingangsetzung übernimmt. Solche Einheiten bilden z. B. ein Drehautomat, der Schrauben erzeugt, bzw. eine vollautomatische Fertigungsstraße, auf der Zylinderköpfe entstehen. Die personen-/sachmittelbezogene Aktionseinheit ist durch ein weitgehend gleichgewichtiges Zusammenwirken von Mensch und Maschine gekennzeichnet. Der Mensch übernimmt dabei die Entscheidung bezüglich des jeweiligen Maschineneinsatzes und einen Teil der Bedienung, während die Maschine Abwicklungs- sowie Steuerungs- und Kontrollfunktionen ausführt. Ein Beispiel hierfür ist das Betreiben einer EDV-Anlage.
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2. Kapitel: Developing
II. Organisationsprozess Der Vorgang des Organisierens, d. h. die Strukturierung von Aktionseinheiten verläuft, als mehrstufiger Prozess. Seine Merkmale sind das Organisationsproblem, die Organisationsalternativen und die Organisationsentscheidung. Ausgangspunkt jeden Organisierens ist die Offenlegung des Organisationsproblems. Darunter ist das Gestaltungsziel zu verstehen, das einer organisatorischen Lösung zuzuführen ist. In der Regel liegen entsprechend formulierte Unternehmensziele sowie ausgewählte Planungsalternativen vor, die unmittelbar in Organisationsziele umgewandelt werden können. Darüber hinaus können Gestaltungsziele auch direkt durch die Organisation entwickelt werden. Jede Organisationsaufgabe ist durch die beiden Merkmale „Verrichtung“ und „Objekt“ gekennzeichnet. Mit der Angabe der Verrichtung wird festgestellt, wie eine Aufgabe gelöst werden soll. Eine Aussage über das Objekt zeigt, woran die Verrichtung zu erfolgen hat. So kann z. B. in einer Raffinerie aus dem Sachziel „größere Absicherung des Fertigungsablaufs“ und aus der Planungsentscheidung „Erhöhung der Ölvorräte“ die Organisationsaufgabe „zusätzliche Lagermöglichkeiten für Rohöl“ abgeleitet werden. Das „Lagern“ stellt dann die Verrichtung, das ,,Öl“ das Objekt dar. Zu den Verrichtungen zählen somit Tätigkeiten wie einkaufen, verkaufen, produzieren usw., während zu den Objekten z. B. Materialien, Produkte oder Märkte gehören. Generell sind beide aus der Gesamtaufgabe des Unternehmens in der Form des Sachzieles abzuleiten. Dies geschieht unter Anwendung des Prinzips der Aufgabenanalyse. Mit der Aufgabenanalyse wird jeweils eine Gesamtaufgabe gedanklich in Teilfunktionen aufgelöst, die wiederum weiter untergliedert werden können. Dieser Vorgang lässt sich solange fortsetzen, bis Aufgabenstellungen erreicht werden, die einem Aktionsträger ungeteilt zuzuordnen sind. Das Ergebnis der Aufgabenanalyse wird in einer Aufgabengliederung festgehalten, wobei die Einteilung grundsätzlich nach Verrichtungen bzw. nach Objekten erfolgen kann. Bei der Formulierung der Organisationsaufgabe müssen die Gestaltungsbedingungen beachtet werden. Es handelt sich dabei um Daten externer und interner Art, die den organisatorischen Gestaltungsfreiraum begrenzen, da sie von den Organisatoren nicht unmittelbar verändert werden können. Externe Bedingungen werden z. B. durch die Rechts- und Wirtschaftsordnung gesetzt. So erlaubt die Kartellgesetzgebung nur bestimmte Formen von organisatorischen Verbindungen zwischen Unternehmungen. Zu den internen Bedingungen zählen die spezifischen Eigenschaften der Menschen und Maschinen, wie z. B. deren Leistungsbereitschaft bzw. die Kapazität, aber auch die Rechtsform des Unternehmens usw. Der zweite Schritt im Rahmen des Organisationsprozesses beinhaltet die Aufstellung von Organisationsalternativen. Dies bedeutet die Bildung von Aktionseinheiten, wobei ein bestimmter Umfang an auszuführenden Aktionen auf geeignete Aktionsträger so zu verteilen ist, dass eine integrierte Ganzheit entsteht, welche die Organisationsaufgabe bestmöglich erfüllen kann. Das wichtigste Instrument hierzu ist die Aufgabensynthese. Diese zielt auf die Vereinigung von Teilaufgaben in Aktionseinheiten und deren Verknüpfung zu übergeordneten Teil- und Gesamtsystemen. Die Aufgabensynthese bedient sich dabei der beiden Grundprinzipien Zentralisation und Dezentralisation.
D. Organisieren
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Unter einer Zentralisation wird die Zuordnung von gleichartigen Aufgaben auf eine Aktionseinheit verstanden. Dies ist z. B. der Fall, wenn alle Schreibarbeiten eines Unternehmens in einem Schreibbüro durchgeführt werden. Bei der Dezentralisation werden dagegen gleichartige Aufgaben auf unterschiedliche Aktionseinheiten verteilt. Dieser Tatbestand liegt vor, wenn die Schreibarbeiten jeweils an der Stelle erledigt werden, an der sie anfallen. Absolute Zentralisation bzw. Dezentralisation sind Extremsituationen, die in der Realität kaum vorkommen. Es dominieren vielmehr Mischformen mit unterschiedlich hohen Anteilen zentraler bzw. dezentraler Regelungen. So ist z. B. in einem Konzern der Einkauf von Materialien, die in allen Teilbetrieben benötigt werden, zentral organisiert. Daneben werden die speziellen Materialbedürfnisse einzelner Betriebe dezentral befriedigt. Mehrere mögliche Lösungen für eine Organisationsaufgabe machen eine Bewertung erforderlich. Die Organisationstheorie hat hierzu bisher nur wenige für die Praxis verwendbare Methoden geliefert. Im Wesentlichen läuft die Beurteilung von Gestaltungsalternativen auf eine empirische Bestätigung bzw. auf die entscheidungstechnische Verwertbarkeit hinaus. Die empirische Bestätigung beruht darauf, Organisationsalternativen danach zu bewerten, ob sie sich bereits in vergleichbaren Situationen bewährt haben. Wird die entscheidungstechnische Verwertbarkeit als Maßstab angesetzt, so erfolgt die Bewertung von organisatorischen Aussagen danach, ob sie sich unmittelbar in konkrete Gestaltungsformen umsetzen und anwenden lassen. Der prozessuale Ablauf des Organisierens endet mit der Organisationsentscheidung. Die Auswahl für eine bestimmte Organisationslösung ist grundsätzlich dann einfach, wenn nur ein Lösungsvorschlag vorliegt bzw. bei mehreren Alternativen eine eindeutig vorteilhafte Bewertung für eine Variante möglich ist. Sie kann vom Developer selbst oder von einer Führungskraft, für die der Developer Problemlösungen entwickelt hat, vorgenommen werden. Im letzteren Falle können auch übergeordnete Erfahrungswerte bzw. Informationen das Ergebnis der Entscheidung mit beeinflussen.44 Organisationsproblem
Organisationsalternativen
Organsationsentscheidung
Verrichtung/ Objekt
Aufgabensynthese
Organisator
Aufgabenanalyse
Zentralisation/ Dezentralisation
sonstige Entscheidungsträger
Gestaltungsbedingung
Bewertung
Abb. 65: Phasen des Organisationsprozesses
44
Unternehmensführung, in:, U.(Hrsg.): Kompendium der Betriebswirtschaftslehre, 11. Aufl., München 2010.
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2. Kapitel: Developing
III. Gliederung der Organisation Die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale bei der Gliederung der Organisation und ihrer Wirkung sind der Gegenstand, die Entstehung und der Umfang organisatorischer Regelungen. Wird der Gegenstand des angestrebten Organisationsergebnisses als Einteilungsgesichtspunkt verwendet, so lässt sich zwischen der bereits erwähnten Aufbauorganisation bzw. der Ablauforganisation unterscheiden. Die Aufbauorganisation schafft eine Strukturierung des Gebildes Unternehmen mithilfe von Aktionseinheiten und deren Koordination. Im Einzelnen handelt es sich hier um die Bildung von Stellen, Abteilungen, Funktionsbereichen sowie dem Gesamtbild der betrieblichen Organisationsstruktur. Die Koordination erfolgt auf horizontaler Ebene durch Gleichordnung bzw. auf vertikaler Ebene durch Über- bzw. Unterordnung im Sinne einer Hierarchie. Als Darstellungsformen dienen die Stellenbeschreibung mit verbindlicher Aufgaben- und Kompetenzzuordnung für die kleinste Organisationseinheit, das Funktionsdiagramm, das die Verteilung zu erfüllender Aufgaben auf Aufgabenträger zeigt, sowie das Organigramm als eine Übersicht über das gesamte koordinierte Leitungsgefüge eines Unternehmens. Die Ablauforganisation schafft eine Strukturierung der Betriebsprozesse durch die Regelung von Arbeitsabläufen. Es ist sicherzustellen, dass die innerhalb bzw. zwischen organisatorischen Teileinheiten ablaufenden Vorgänge zweckmäßig und damit wirtschaftlich vollzogen werden. Dabei steht die Beachtung räumlicher (wo) und zeitlicher (wann) Aspekte im Vordergrund. Wesentliche Darstellungsformen sind Arbeitsablaufverzeichnisse sowie Arbeitsablaufschaubilder, die auf den allgemein bekannten Techniken wie Schemata, Listen, Diagramme usw. aufgebaut sind. Eine Betrachtung der Organisation unter dem Gesichtspunkt der Art und Weise der Entstehung organisatorischer Regelungen führt zu der Unterscheidung zwischen formaler (formeller) und informaler (informeller) Organisation. Die formale Organisation beinhaltet alle gewollten, d.h. bewusst in methodischer Vorgehensweise gestalteten Regelungen in einem Unternehmen. Sie ist überwiegend dokumentiert und damit nachweisbar in Form von Organigrammen, Arbeitshandbüchern usw. Zur informalen Organisation gehören die gewachsenen, d. h. spontan hervorgebrachten Regelungen. Sie sind in besonderem Maße subjektivorientiert und basieren weitgehend auf persönlichen Erwartungen und Sympathien. Ursachen für die Entstehung informeller Organisationslösungen können Lücken oder Mängel, aber auch Unkenntnis und Ablehnung formeller Regeln sein. Während ursprünglich diese Strukturierungen nicht der Organisation zugerechnet bzw. als negativ angesehen wurden, geht die moderne Organisationslehre zunehmend dazu über, die informale Organisation gleichberechtigt neben die formale zu stellen. Ihre Aufgabe ist es dann, neue, meist unverhofft auftretende Organisationsprobleme einer Übergangslösung zuzuführen und die neben dem gestalteten Teil bewusst geschaffenen Freiräume abzudecken. Bezüglich des Umfangs der in einem Unternehmen vorliegenden Strukturierungen kann von einer Überorganisation oder von einer Unterorganisation gesprochen werden. Beide Möglichkeiten sind Extrempositionen des durch sie begrenzten Normalumfangs an organisatorischen Regelungen. Die Überorganisation bedeutet ein Zuviel an Organisation. Sie führt zu einer starken Einengung des eigengestalterischen Spielraums und ist meist mit Leistungshemmung und -abfall verbunden. Dieser Tatbestand wird auch mit dem Schlagwort einer „Verbürokratisierung“ belegt. Unterorganisation ist demgegenüber ein Zuwenig an Organisation. Sie zeigt sich in zu großen eigengestaltbaren Freiräumen, was insbesondere Rei-
E. Informieren
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bungsverluste im Zusammenwirken mit anderen Aufgabenträgern hervorruft. Diese Situation kann mit dem Schlagwort „chaotische Verhältnisse“ gekennzeichnet werden. Die Unterorganisation bietet ein großes Feld für Improvisationen als kurzfristige, meist einmalige Maßnahmen zur Überwindung akuter Probleme.
Organisationsarten
Organisationsgegenstand
Organisationsentstehung
Organisationsgegenstand
Aufbauorganisation
formale Organisation
Überorganisation
Ablauforganisation
informale Organisation
Normalorganisation Unterorganisation
Abb. 66: Organisationsarten
E. Informieren I. Wesen und Bedeutung des Informieren Unternehmen müssen sich entwickeln, um dauerhaft erfolgreich zu sein. Das beinhaltet die flexible Anpassung an neue Umweltbedingungen ebenso wie die interne Erneuerung und Selbstreflexion in Bezug auf das eigene Verhalten. Analog zum Controlling ist deshalb auch beim Developing die Information ein wesentlicher Erfolgfaktor. Der Begriff Information wird an dieser Stelle mit dem Begriff Kommunikation gleichgesetzt. Die Entwicklungswirkungen der Kommunikation sind hierbei in der Regel langfristig, die Maßnahmen meist kurzfristiger Natur. Beim Kommunizieren werden als extreme Denkhilfen einerseits die situationsbezogene statische „Bringschuld“ und andererseits die aufgabenbezogene dynamische „Holschuld“ differenziert. Vereinfacht können diese beiden Formen des Kommunizierens auch durch die Aspekte der determinierten Kommunikationskultur im Sinne einer eindeutigen Dauerhaftigkeit bzw. einer kurzfristigen Veränderbarkeit interpretiert werden, zwischen denen eine nicht quanitfizierbare Vielzahl von praktikablen Varianten liegen. Diesem Spektrum kann nur im Rahmen abgestimmter Kommunikationskonzepte begegnet werden. Ein integriertes Herangehen bezieht bei der Kommunikation idealerweise alle internen und externen, formellen und informellen Aktionen und Maßnahmen, Institutionen und Prozesse von Information und Kommunikation zwischen dem Unternehmen und seinen Stakeholdern mit ein. Auch im Developing wird die Führungshandlung Kommunizieren benötigt, um das Qualifizieren und Organisieren zu einem Prozess zu verknüpfen. Bezüglich der ausführliche Darstellung der Führungshandlung Kommunizieren wird an dieser Stelle auf die Ausführungen zur Kommunikation in den vorherigen Kapiteln verwiesen.
134
2. Kapitel: Developing
F. Mentaler Überbau des Developing Bei der Realisierung eines effizienten Developing-Ansatzes sind zwei Aspekte zu beachten: der mentale Überbau sowie der systemische Unterbau. Der mentale Überbau beschreibt das Denken und Handeln bei der Abwicklung der Developingprozesse. Bedingt durch die Entwicklung im Umfeld müssen die drei Grundelemente Qualifizieren, Organisieren und Kommunizieren inhaltlich auf der Grundlage des „Denkens in Extremen“ in neuen Kulturen begriffen und durch eine integrative Verknüpfung zu entwicklungsfördernden Prozessen entwickelt werden. Mit diesem Ansatz wird die historisch gegebene, isolierte Behandlung der Personal- und Organisationsentwicklung überwunden.
Mentaler Überbau: Beherrschung der Developingprozesse
Allgemein gültige Erkenntnisse
Steuerung auf der Basis von Qualifizieren
Organisieren
neue Inhalte / Kulturen Abb. 67: Mentaler Überbau des Developing
Informieren
entwicklungsfördernde Prozesse
G. Systemischer Unterbau des Developing
135
G. Systemischer Unterbau des Developing Es existieren eine Reihe systemischer Ansätze zu Abwicklung des Developing. Inhaltlich müssen diese je nach Geschäftsbereich, Branche etc. differenziert werden.
Spezielle Konzeption nach Geschäftsbereichen / Betriebsgrößen / Branchen
Systemischer Unterbau: Gestaltung der Developinginstrumente Steuerung im Rahmen von PEsysteme
Strategisches System
OEsysteme
Informationssysteme
Operatives System
Abb. 68: Systemischer Unterbau
H. Inhaltliche Grundstruktur des Developing Die neue Steuerungsphilosophie des Developing lässt sich in zwei Ebenen differenzieren. Die mentale Seite umfasst die Schaffung, Akzeptanz und Durchsetzung neuer Denk- und Verhaltenskulturen bezüglich des Qualifizierens, Organisierens und Kommunizierens sowie deren integrative Verknüpfung zu effizienten Entwicklungsprozessen. Diese veränderten Denk- und Verhaltensweisen erfordern für ihre erfolgreiche Umsetzung geeignete Subsysteme in Form von Qualifikations-, Organisations- und Kommunikationssystemen. Entsprechend der zunehmenden Differenzierung moderner Unternehmensführung können die jeweiligen Systemansätze weiterhin in strategischer und operativer Form unterschieden werden.
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2. Kapitel: Developing
Mentaler Überbau: Beherrschung der Developingprozesse
Allgemein gültige Erkenntnisse
Steuerung auf der Basis von Qualifizieren
Organisieren
neue Inhalte / Kulturen
Informieren
entwicklungsfördernde Prozesse
Spezielle Konzeption nach Geschäftsbereichen / Betriebsgrößen / Branchen
Systemischer Unterbau: Gestaltung der Developinginstrumente Steuerung im Rahmen von PEsysteme
OEsysteme
strategisches System
Informationssysteme
operatives System
Abb. 69: Leitmaxime Developing
I. Steuerungsperson: Developer Zur praktischen Umsetzung des Developing wird der Developer benötigt. Im Rahmen seiner Kompetenzen fallen dem Developer unterschiedliche Aufgaben zu. Als Systemspezialist verfügt er über aktuelles Fachwissen der neuesten Systemansätze in den Bereichen Qualifikation, Organisation und Information. Als Change Manager ist er in der Lage, den aktuellen Entwicklungsstand der realisierten Organisations-, Qualifikations- und Informationssysteme differenziert nach strategischen und operativen Ansätzen zu beurteilen. Darüber hinaus ist er so der Innovator für die Weiterentwicklung der realisierten Ansätze. Weiterhin ist es seine Aufgabe, als interner Berater, für die Führungs- und Fachkräfte bei der Umsetzung der Führungshandlungen Organisation und Qualifikation mitzuwirken, sowie leistungsfähige Developingprozesse zu installieren und zu steuern. Als Pionier modernen Führungsverhaltens sorgt der Developer dafür, dass er durch seine Persönlichkeit und Kommunikationsfähigkeit überzeugt.
3. Kapitel: Treasuring A. Wesen und Entwicklung des Treasuring I. Historische und inhaltliche Entwicklung des Treasuring Die Globalisierung der Märkte, insbesondere auch im Finanzbereich, die verschärften Regulierungen in der Kreditvergabe (Basel II) sowie die sprunghaften Veränderungen der Informations- und Kommunikationstechnologie sind fester Bestandteil des unternehmerischen Umfelds geworden. Der daraus resultierende weltweite Wettbewerb um international mobiles Kapital sowie die Weitergabe des Performancedrucks von institutionellen Investoren hin zu Kapital benötigenden Unternehmen machen eine wertorientierte Unternehmenssteuerung absolut notwendig, um Wertsteigerungspotentiale optimal aufzudecken und zu erschließen. Die Implementierung und effektive Kommunikation einer auf die Steigerung des Unternehmenswertes ausgerichteten Strategie im Sinne des Shareholder-Value wird für die Unternehmen im Wettbewerb um knappes und günstiges Kapital immer wichtiger. Als Reaktion auf die zusammenwachsenden, globalen Kapitalmärkte haben die Verbreitung und Weiterentwicklung der internationalen Rechnungslegung sowie die finanzorientierte Beteiligung des Topmanagements an Bedeutung gewonnen. Die Steigerung des Unternehmenswertes rückt dabei in den Mittelpunkt einer finanzorientierten Unternehmensführung. Aus diesem Grunde hat sich das Treasuring als zusätzliche Steuerungsmaxime im Sinne einer Wertorientierung zur Steigerung der Profitabilität, als Ergänzung und Erweiterung zum Controlling und Developing, herausgebildet und etabliert. Durch die Beteiligung am finanzwirtschaftlichen Ergebnis und am Kapital auf der Basis anspruchsvoller Zielrenditen erhält der Gedanke des Mitarbeiters als Mitunternehmer verstärkte Bedeutung. Die Veränderung der Konjunkturzyklen bezüglich ihres Ausmaßes, ihrer Dauer sowie ihrer Häufigkeit, stellt für die finanzwirtschaftliche Sicherung des Unternehmens eine zunehmend größere Herausforderung dar. Hierzu wurden sowohl auf der Eigen- als auch auf der Fremdkapitalseite neue Formen und Instrumente der Finanzierung, wie bspw. Hedge-Fonds, Swaps, Derivate, Kredit-Fonds, staatliche Förderungen oder Mezzaninekapital usw., entwickelt. Die Gesamtheit der oben dargestellten finanzwirtschaftlich relevanten Veränderungen hat die finanziellen Konsequenzen von Unternehmenszielen und -entscheidungen verstärkt und dazu geführt, dass diese in der Unternehmensführung stärkere Beachtung finden müssen. Eine steigende Profitabilität wird durch intensivere Wertschöpfungsprozesse im Unternehmen erreicht. Daher mussten die historisch eher isoliert abgewickelten Aufgabenstellungen der Zielbildung und Entscheidung zu einer neuen Einheit in Form des Treasuring als Valuebased-Management verknüpft werden. Damit kann die Gefahr von widersprüchlichen Entwicklungen in den Bereichen Zielbildung und Entscheidung im Sinne einer gegenseitigen Neutralisierung und damit Blockierung des Systems Unternehmen überwunden werden.
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3. Kapitel: Treasuring
Die stärkere Betonung der Bedeutung einzelner Unternehmensbereiche hat zu einer hierarchisch bedingten Isolierung bei der Zielbildung und Entscheidungsfindung geführt. Durch diese Heterogenitäten entsteht eine zunehmende Gefährdung der Existenz des Gesamtsystems Unternehmen. Um diesen entgegenzuwirken, muss die Existenzfähigkeit des Gesamtsystems Unternehmen auf der Basis eines finanziellen Gleichgewichts stärker betont werden. Dies kann nur durch neue Kulturen bzgl. der Führungshandlungen Ziele bilden und Entscheiden und ihrer integrativen Verknüpfung zu Wertschöpfungsprozessen erreicht werden.
II. Differenzierung des Treasuring Analog zu den bereits zum Controlling und Developing ausgeführten Erkenntnissen kann auch im Rahmen des Treasuring eine Unterteilung in strategisches und operatives Treasuring erfolgen. Das operative Treasuring befasst sich mit der kurzfristig optimale Nutzung wertschöpfender Unternehmensprozesse. Im Gegensatz hierzu zielt das strategische Treasuring auf den gezielten Aufbau von Wertschöpfungspotenzialen im Sinne der dauerhaften Existenzsicherung für Unternehmen. Es ist zu erwarten, dass sich auf Dauer auch ein normatives Treasuring entwickeln wird.
III. Aktueller Erkenntnisstand/Definition des Treasuring Die permanente Entwicklungsfähigkeit eines Unternehmens basiert auf der Erkenntnis, dass Zielbildung und Entscheidung nicht mehr als Selbstzweck, sondern zunehmend als Mittel zum Zweck gesehen werden müssen. Unternehmensziele und die darauf basierenden Entscheidungen müssen sich immer schneller den sich verändernden Umfeldbedingungen anpassen, ohne dabei beliebig zu werden. Die Lösung dieser Problematik setzt voraus, dass ein grundlegend neues Denk- und Verhaltensschema im Sinne einer neuen Zielbildungs- und Entscheidungskultur entwickelt und in Verbindung mit der Information zu einem evolutionären Wertschöpfungsprozess integriert wird.
B. Steuerungsprozesse im Treasuring Das Treasuring greift auf die drei grundlegenden Führungshandlungen • des Entscheidens, • des Zielebildens und • des Informierens zurück.
B. Steuerungsprozesse im Treasuring
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Das Treasuring ist damit integrativer Bestandteil der Führung. Das heißt, Treasuring ist immer Führung. Aber Führung ist mehr als Treasuring.
sozio-emotionale Dimension Delegieren sach-rationale Dimension
Kerndimension Entscheiden Informieren Dispositionsfunktion Grundkompetenz
Managementfunktion Leitungskompetenz Humanfunktion Personalkompetenz
Treasuring Abb. 70: Führungshandlung Treasuring
I. Neue Kulturen Grundlage für die Gestaltung eines wertorientierten Steuerungsprozesses im Treasuring ist die Entwicklung neuer Kulturen bezüglich der Führungshandlungen Ziele bilden, Entscheiden und Kommunizieren. Diese basieren in Analogie zum Controlling und zum Developing auf der Formulierung jeweils extremer Denkpositionen. Die Bildung von Zielen kann einerseits vergangenheitsorientiert erfolgen. Die angestrebte Veränderung wird dann als Modifizierung der gegebenen Ausgangssituation gesehen. Andererseits können Ziele auch zukunftsbasiert gebildet werden. Die geplante Veränderung wird dann als Konkretisierung eines angestrebten Szenarios gesehen. Zwischen den beiden Extrempositionen existiert eine Vielzahl realisierbarer Varianten, die den Zielbildungsprozess differenzierter und damit leistungsfähiger gestaltbar machen.
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3. Kapitel: Treasuring
Entscheiden bedeutet die Festlegung auf eine Lösungsmöglichkeit zur Zielerreichung. Diese kann einerseits auf Basis einer vielfach praktizierten Möglichkeit basieren. Andererseits kann die Auswahl auch auf Basis mehrerer auch bisher noch nicht praktizierter Möglichkeiten erfolgen. Zwischen den beiden Extrempositionen existiert eine Vielzahl realisierbarer Varianten, die den Entscheidungsprozess differenzierter und damit leistungsfähiger gestaltbar machen. Beim Kommunizieren werden als extreme Denkhilfen einerseits die situationsbezogene statische „Bringschuld“ und andererseits die aufgabenbezogene dynamische „Holschuld“ differenziert. Vereinfacht können diese beiden Formen des Kommunizierens auch durch die Aspekte der determinierten Kommunikationskultur im Sinne einer eindeutigen Dauerhaftigkeit bzw. einer kurzfristigen Veränderbarkeit interpretiert werden, zwischen denen eine nicht quantifizierbare Vielzahl von praktikablen Varianten liegt.
Denken in Extremen Extreme Formulierung
Extreme Formulierung
Modifizierung einer gegebenen Ausgangssituation/ vergangenheitsbasiert
Ziele bilden
Konkretisierung eines angestrebten Szenarios/ zukunftsbasiert
Festlegung auf eine vielfach praktizierte Lösungsmöglichkeit
Entscheiden
Auswahl auf der Basis mehrerer auch nicht praktizierter Lösungsmöglichkeiten
situationsbezogene statische „Bringschuld“
Informieren
Schaffen weiter Horizonte Abb. 71: Denken in Extremen Treasuring
aufgabenbezogene dynamische „Holschuld”
B. Steuerungsprozesse im Treasuring
141
II. Integrierte Verknüpfung der Grundelemente Die erfolgreiche Umsetzung der neuen kulturellen Vorstellungen bezüglich der Führungshandlungen Ziele bilden und Entscheiden erfordert die Etablierung von permanenten Wertschöpfungsprozessen. Basis hierfür ist das Regelkreisprinzip. Durch die Verknüpfung des Zielebildens und des Entscheidens mit dem Kommunizieren in integrierter Form lassen sich optimale Wertschöpfungs-, d. h. Treasuringprozesse, gestalten. Dazu ist es erforderlich, zunächst eine Vorstellung über die gewollte, d.h. zukünftige, Zielsituation und die gewollte, d.h. zukünftige, Entscheidungssituation als harmonische Einheit zu entwickeln. Diese SollVorstellung lässt sich dann Abgleichen mit der als Ist gegebenen Situation, wobei ein differenzierter Soll-Ist-Vergleich jeweils bezüglich Zielbildung und Entscheidung erfolgt. Bei der Abweichungsanalyse lassen sich dann stagnierende oder chaotische Zielbildungsund/oder Entscheidungsverhältnisse erkennen, die Wertschöpfungspotenziale darstellen. Deren Umsetzung erfolgt dann über die Kommunikation als Erkenntnis für die Weiterentwicklung der Soll-Situation bzw. als Maßnahme für die Veränderung der Ist-Situation. Ein solchermaßen vollzogener Soll-/Ist-Vergleich kann zu folgenden Ergebnisse führen: • • •
Bei Deckungsgleichheit liegt kein Entwicklungsbedarf vor. Bei Stagnation liegt der Zielbildungs- bzw. Entscheidungs-Soll-Wert über dem Ist-Wert. Beim Chaos liegt der Zielbildungs- bzw. Entscheidungs-Ist-Wert über dem Soll-Wert.
evolutionäre Zielbildungsund Entscheidungskultur
revolutionäre Zielbildungsund Entscheidungskultur
Soll
Wird Soll-/WirdVergleich neue Wertschöpfungskultur
Maßnahmen
Wertschöpfungspotenziale
Erkenntnisse
neue Informationskultur Abb. 72: Integrierte Verknüpfung der Grundelemente im Treasuring
142
3. Kapitel: Treasuring
C. Ziele bilden I. Wesen und Bedeutung der Unternehmensziele Wirtschaften dient der Überwindung der Knappheiten an Gütern und Diensten bei der Bedürfnisbefriedigung. Dabei gilt das Vernunftprinzip (Rationalprinzip) in der Form des Wirtschaftlichkeitsprinzips (ökonomisches Prinzip) als grundlegende Leitmaxime. Danach soll mit einem vorgegebenen Aufwand ein möglichst hoher Ertrag bzw. ein vorgegebener Ertrag mit einem möglichst geringen Aufwand erreicht werden. Diese Vorstellung bildet die Grundlage und Ausgangsbasis allen wirtschaftlichen Handelns und ist damit zugleich die Basis aller ökonomischen Zielsetzungen. Insofern orientieren sich auch die Betriebe und in ihrer marktwirtschaftlichen Ausformung die Unternehmungen grundsätzlich am ökonomischen Prinzip. Das sehr allgemein gehaltene ökonomische Prinzip muss jedoch eine wesentliche Konkretisierung erfahren, wenn es in der Praxis realisiert werden soll. Es ist in betriebswirtschaftlich anwendbare Maximen, d. h. in die sogenannten Unternehmensziele, umzusetzen. Unter einem Ziel wird ein erstrebenswerter Zustand verstanden, der in der Zukunft liegt und dessen Eintritt von bestimmten Handlungen bzw. Unterlassungen abhängig ist, der also nicht automatisch eintritt. Heinen nennt Ziele „generelle Imperative“, die als Anweisungen dienen, aus denen entsprechende Aktivitäten zu ihrer Durchsetzung resultieren. Ziele und die zu ihrer Verwirklichung möglichen Handlungen sind damit eng miteinander verbunden. Ihre Abgrenzung ergibt sich jedoch dadurch, dass ein bestimmtes Ziel mit unterschiedlichen Maßnahmen erreicht werden kann. Die Festlegung der Maßnahmen zur Zielerreichung erfolgt durch die Planung. Die betriebswirtschaftliche Eignung eines Zieles hängt von seiner Handhabbarkeit ab. Ziele sind in diesem Sinne operational, wenn sie bezüglich ihres Inhalts, Zeitrahmens und Erfüllungsgrads eindeutig bestimmt sind. Bei der Festlegung des Zielinhalts handelt es sich im Wesentlichen um die Maßgröße. So können Ziele als Werte in EURO, als Mengeneinheiten in kg usw. definiert werden. Der Zeitrahmen beschreibt die Zeitspanne bzw. den Zeitpunkt, innerhalb der bzw. bis zu dem ein Ziel erfüllt sein soll. Der angestrebte Erfüllungsgrad bringt zum Ausdruck, wann die Verfolgung eines Zieles aufgegeben werden kann. So lässt sich die Höhe eines Zieles zahlenmäßig eindeutig bzw. verbal mehrdeutig fixieren. Beispielsweise kann für das kommende Geschäftsjahr ein Gewinn in Höhe von € 500.000,- als Ziel formuliert werden. Die inhaltliche Dimension ist dann der Wert in EURO, die zeitliche Dimension das Geschäftsjahr und die Erfüllungsdimension das Erreichen von € 500.000,-. II. Zielbildungsprozess Die Betriebswirtschaftslehre geht davon aus, dass sich die Zielfindung im Rahmen eines Zielbildungsprozesses vollzieht, an dessen Ende die Zielentscheidung steht. Träger des Zielbildungsprozesses sind generell Betriebsangehörige, aber auch Außenstehende wie Gläubiger, Kunden, Lieferanten oder der Staat. Ihr Einfluss unterscheidet sich danach, inwieweit sie direkt zur Zielfindung aufgefordert bzw. autorisiert sind bzw. indirekt, d. h. ohne Legitimation Einflüsse ausüben. Ausgangsbasis für die Zielfindung sind zunächst stets die Interessen einzelner Personen bzw. Personengruppen, deren dominierendes Individualziel
C. Ziele bilden
143
das Streben nach Einkommen in Form von Gewinn bzw. Lohn ist. Diese persönlichen Wertvorstellungen werden in Ziele für die Organisationseinheit Unternehmung eingebracht und finden sich dann z. B. in Rentabilitätsvorstellungen, Umsatzerwartungen oder Kostenbegrenzungen wieder. Dabei ist in aller Regel auch mit widerstreitenden Vorstellungen zu rechnen. Derartige Konflikte müssen einer Lösung durch die Zielentscheidung zugeführt werden. Der Macht der Entscheidungsträger, d. h. ihrer Fähigkeit, das Verhalten anderer zu beeinflussen und zu verändern, kommt in diesem Zusammenhang große Bedeutung zu. In der Praxis kann festgestellt werden, dass die überkommene Vorstellung, nach der die Führungsspitze allein den Zielbildungsprozess betreibt, aufgegeben werden muss. Zielfindungsprozesse finden bei entsprechender Betriebsgröße auf allen Führungsebenen statt, wobei zunehmend eine kollektive Vorgehensweise festzustellen ist. Bei der Zielentscheidung wird dagegen weiterhin die personenbezogene der teambezogenen Form vorgezogen. Umfang und Inhalt der Ziele eines Unternehmens sind keine statischen Größen. Sie unterliegen vielmehr einem ständigen Wandel, der letztlich von der Dynamik des Wirtschaftslebens im Allgemeinen und der Mitarbeiter im Besonderen abhängt. Zielveränderungen ergeben sich zunächst durch ihre Erfüllung, wodurch neue Ziele an ihre Stelle treten. Es kommt jedoch auch dadurch zu Zielverschiebungen, dass Umschichtungen in der Reichweite und/oder Bedeutung aufgrund einer veränderten Ausgangs- und Interessenlage eintreten können.45 Zielvorstellungen persönliche/ betriebliche Erwartungen
Zielalternativen Inhalt Zeitrahmen
Zielentscheidung Realisierbarkeit aufgrund externer/ interner Daten
Erfüllungsgrad Bewertung
Abb. 73: Phasen des Zielbildungsprozesses III. Gliederung der Ziele Die Gliederung der Unternehmensziele wird im Wesentlichen nach sechs Kategorien vorgenommen. Diese sind: • • • • • •
45
die Inhalte, die Berechenbarkeit, die Zugehörigkeit zu einzelnen Funktionsbereichen, der Zeithorizont, die Bedeutung für das Unternehmen und die Dimension.
Vgl. hierzu und im Folgenden Ebert, G.: Unternehmensführung, in: Bestmann, U. (Hrsg.): Kompendium der Betriebswirtschaftslehre, 11. Aufl., München/Wien 2010, S. 138ff.
144
3. Kapitel: Treasuring
Bezüglich des generellen Inhalts von Zielen wird zwischen Formalzielen und Sachzielen unterschieden. Die Formalziele, auch Nominalziele genannt, beschreiben, unter welcher Leitmaxime der Betriebsprozess ablaufen soll. So ist in Unternehmen, die nach dem erwerbswirtschaftlichen Prinzip geführt werden, das Streben nach Gewinn das dominierende Formalziel, das letztlich alle Handlungen bestimmt. Im Gegensatz dazu beinhalten die Sachziele materielle Inhalte, die geeignet sind, der Erfüllung der Formalziele zu dienen. Die Fertigung von Fahrrädern ist ein Sachziel, das zur Erreichung des Formalziels Gewinn führen kann. Bei der Frage nach der Berechenbarkeit von Zielen lassen sich die quantifizierbaren von den nicht quantifizierbaren Zielen unterscheiden. Zu den ersteren gehören alle Ziele, die in Geld- oder Mengengrößen messbar sind, wie z. B. die Zielsetzung einer Umsatzhöhe von € 300.000,- bzw. 6.000 Stück. Daneben gibt es nur verbal gefasste Zielsetzungen, wie z. B. die Forderung nach einem guten Betriebsklima. Bei der Zuordnung der Ziele zu einzelnen Funktionsbereichen ergeben sich z. B. Beschaffungsziele, Fertigungsziele, Absatzziele und finanzwirtschaftliche Ziele. Bezüglich der zeitlichen Ausrichtung können die Fernziele von den Nahzielen abgegrenzt werden. Die Fernziele beinhalten grundlegende Veränderungen, wie z. B. die Zusammensetzung des Produktionsprogramms, den Wechsel des Standorts usw. Die Nahziele sind dagegen auf die mittel- und kurzfristige Erreichung von Gewinn-, Produktions-, Absatzoder Kostenziele ausgerichtet. Die Unterscheidung in Haupt- und Nebenziele ist auf die unterschiedliche Gewichtung und Bedeutung für das Unternehmen zurückzuführen. So kann das Hauptziel interner Schulungsmaßnahmen die Steigerung der Qualifikation der Mitarbeiter sein. Als Nebenziel stellt sich dann eine Verringerung der Fluktuationsrate ein. Bezüglich der Dimensionsorientierung lassen sich normative, strategische und operative Ziele unterscheiden, die jeweils auf Erfolgspostulate, auf Erfolgspotenziale und Erfolge in Form des Gewinns ausgerichtet sind. Gliederung der Ziele Kriterium
Arten
Inhalte
Formalziele/Sachziele
Berechenbarkeit
quantifizierbare Ziele/nicht quantifizierbare Ziele
Funktionsbereiche
Beschaffungsziele/Fertigungsziele/Absatzziele/ Finanzwirtschaftliche Ziele
Zeithorizont
Fernziele/Nahziele
Bedeutung
Haupt-/Nebenziele
Dimension
normativ/strategisch/operativ
Abb. 74: Gliederung der Ziele
D. Entscheiden
145
D. Entscheiden I. Wesen und Bedeutung des Entscheidens Das gesamte betriebliche Geschehen wird durch Entscheidungen bestimmt. Sie sind in allen Funktionsbereichen sowie auf allen Ebenen des Betriebsprozesses erforderlich. So müssen Entscheidungen in der Beschaffung und der Produktion, im Vertrieb und in der Verwaltung bei der Bewältigung der Führungsaufgaben wie bei der Abwicklung der Ausführungsaufgaben getroffen werden. Entscheidungen, wenn auch von unterschiedlicher Art und Tragweite, fallen damit auf der oberen, mittleren und unteren Führungsebene an. Diese Erkenntnis hat die jüngste Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre in starkem Maße bestimmt, so dass zeitweise die „Entscheidungsorientierte Betriebswirtschaftslehre“ vorherrschend war. Nach Heinen sieht sie ihr wesentliches Bemühen letztlich darauf gerichtet, Mittel und Wege aufzuzeigen, die zur Verbesserung der Entscheidungen in der Betriebswirtschaft führen. Das wirtschaftliche Handeln lässt sich allgemein als ein ständiges Wählen zwischen verschiedenen Möglichkeiten beschreiben. Der Vollzug einer Wahlhandlung wird als Entscheidung bezeichnet. Sie kann durch folgende Merkmale näher gekennzeichnet werden. Ausgangspunkt für eine Entscheidung ist eine Veranlassung, die stets aus einer Ziel- bzw. Zwecksetzung und einem Willensimpuls besteht. Letzterer kann freiwilliger oder erzwungener Art sein und hängt von der Art und Weise der Zielbestimmung ab. Selbständig ausgewählte bzw. in Übereinstimmung mit anderen Personen ermittelte oder von Dritten aufgestellte, akzeptable Ziele entwickeln einen eigenständigen Impuls zur Entscheidung. Handelt es sich dagegen um eine aufgezwungene, nicht überzeugende Zielsetzung, so muss der Willensimpuls in der Regel in Form einer Machteinwirkung durch Dritte erfolgen. Darüber hinaus sind als weitere Merkmale für eine Entscheidung mindestens zwei Lösungsmöglichkeiten erforderlich, um eine Wahlhandlung zu ermöglichen. Der Entscheidungsträger muss einen Ermessensspielraum haben. So stehen z. B. für das Reiseziel Rom als Transportmittel das Auto, die Bahn oder das Flugzeug zur Wahl. Das Reiseziel Mond kann dagegen derzeit nur mit einer Rakete erreicht werden. Ziele, die nur mit einer einzigen, im vornherein feststehenden Lösung erreicht werden können, erfordern keine Entscheidung, da der Ermessensspielraum bezüglich der Zielerfüllung gleich Null ist. Erst das Vorhandensein mehrerer Alternativen führt zu einem Wahlakt. Unter Alternativen sind alle zukünftig durchführbaren Lösungswege zu verstehen, die bis zur Zielerreichung Gültigkeit haben. Es muss sich dabei um echte Alternativlösungen handeln, d. h. sie müssen so unabhängig voneinander sein, dass sie nicht gleichzeitig verwirklichbar sind. Die Möglichkeit, im Auto als Fahrer oder Beifahrer zu reisen, ist in Bezug auf die jeweiligen Verkehrsmittel keine echte Alternative. Der Wahlakt ist ein geistiger Vorgang, der bewusst vollzogen werden muss. Die Auswahl darf also nicht dem Zufall z. B. durch Würfeln überlassen werden, wenn von einer Entscheidung gesprochen werden soll. Das Entscheiden kann damit zusammenfassend als die Durchführung einer bewussten Wahlhandlung zwischen Alternativen, die einer Zweckerfüllung dienen, verstanden werden. Für den Vorgang des Entscheidens wird auch der Begriff Entscheidung verwendet. Darüber hinaus kann Entscheidung auch nur das Ende des Entscheidungsablaufes im Sinne eines Entschlusses bedeuten.
146
3. Kapitel: Treasuring
Seine wesentliche Charakterisierung erhält das Entscheiden durch seine Initiativfunktion. Das Unterlassen von Entscheidungen bedeutet ein Warten darauf, dass sich eine Lösung von selbst einstellt. Dies führt zu dem Verzicht auf Eigengestaltung und damit zu einer Auslieferung an die Umwelt. Die Bereitschaft zur Entscheidung bedingt dagegen eine Aktion im Sinne der Neugestaltung bzw. eine Reaktion zum Zwecke der Veränderung. Sie bewirkt eine Beschleunigung und vielfältigere Abwicklung der Arbeitsaufgaben. Der Preis für die zeitliche Vorwegnahme von in späteren Zeitpunkten sich selbsttätig einstellenden Lösungen ist das Risiko, das durch die Begrenzung des Informationsstandes hervorgerufen wird und Fehlentscheidungen verursachen kann. II. Ablauf des Entscheidungsprozesses Der Vorgang des Entscheidens lässt sich als ein formaler Prozess darstellen. Seine wesentlichen Phasen sind die Bestimmung des Entscheidungsproblems, die Aufstellung von Entscheidungsalternativen und der Entschluss. Bei der Bestimmung des Entscheidungsproblems handelt es sich um eine genaue Beschreibung sowohl des Entscheidungsgegenstandes wie auch der Umweltsituation, unter der die Entscheidung zu fällen ist. Gegenstand von Entscheidungen können generell alle im Unternehmen erforderlichen Handlungen sein. Sie lassen sich in Führungs- und Ausführungshandlungen unterteilen. Die ersteren haben dispositiven Charakter, sie sind also vorausschauender Art. Hierzu zählen z. B. die Auswahl von Zielen, Plänen, Organisationsstrukturen usw. Diesen Führungstätigkeiten stehen die Ausführungstätigkeiten mit realisierendem Charakter gegenüber. Sie führen zur unmittelbaren Umsetzung. Dazu gehören z. B. die Auswahl zwischen mehreren Fertigungsmöglichkeiten, Kalkulationsverfahren usw. Bezüglich der Art und des Umfanges der Informationen über das Umfeld, in dem sich der Entscheidungsgegenstand befindet, unterscheidet die Betriebswirtschaftslehre drei mögliche Situationen. Es sind dies die Sicherheit, das Risiko und die Unsicherheit. Von Sicherheit der vorliegenden Informationen über den Eintritt einer Umweltsituation wird gesprochen, wenn mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit nur eine bestimmte Situation eintreffen kann. Eine solche Informationssituation ergibt sich z. B. aus der Tatsache, dass das Ergebnis eines Unternehmens im kommenden Jahr gleich Null sein muss, wenn es im vorhergehenden Jahr den Geschäftsbetrieb aufgibt. Es handelt sich dann um eine vollkommene Information. Im absoluten Gegensatz dazu steht eine Informationssituation, bei der bezüglich bestimmter Umweltbedingungen keinerlei Aussagen über die Eintrittswahrscheinlichkeit gemacht werden können. Dies trifft auf Informationen über die Ertragssituationen eines Unternehmens im Jahre 2040 zu, die alle denkbaren Möglichkeiten ohne Unterschied offenlässt. Diese Situation lässt sich auch als vollkommene Unwissenheit (Desinformation) bezeichnen. Zwischen den beiden Extremen der vollkommenen Information bzw. der vollkommenen Desinformation bewegt sich der große Bereich der risikobehafteten Informationen. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass über ihr mögliches Eintreten eine Wahrscheinlichkeitsverteilung vorliegt, die zwischen den Werten Null und Hundert Prozent schwankt. Diese Ausgangslage ist z. B. gegeben, wenn für die voraussichtliche Ertragsentwicklung eines Unternehmens im kommenden Jahr als Erwartungen eine generelle Steigerung, eine Zunahmen zwischen 10 – 15 % oder eine Steigerung um 12 % angenommen werden. Eine solche Situation stellt eine unvollkommene Information dar. Es ist einfach zu erkennen, dass sie den
D. Entscheiden
147
ganz überwiegenden Teil aller Informationslage in der Wirklichkeit ausmachen. Damit sind letztlich auch fast alle betrieblichen Entscheidungen unter dem Aspekt unvollkommener Informationen und damit gleichzeitig risikobehaftet zu fällen.46 Informationssituationen
vollkommene Information
unvollkommene Information
vollkommene Unwissenheit
100 % Wahrscheinlichkeit = absolute Sicherheit
0 < Wahrscheinlichkeit < 100 Risiko = relative Sicherheit/ Unsicherheit
0 % Wahrscheinlichkeit = absolute Unsicherheit
Abb. 75: Informationssituationen Die zweite Phase des Entscheidungsprozesses umfasst die Aufstellung von Entscheidungsalternativen. Sie beinhaltet sowohl die Gewinnung wie auch die Bewertung von Lösungswegen. Als Suchphase ist sie ein in besonderem Maße kreativer Vorgang. Sie beginnt mit der Entwicklung möglicher Alternativen, die zur Lösung des Entscheidungsproblems beitragen können. Unter Alternativen sind Kombinationen unternehmerischer Handlungsmöglichkeiten zu verstehen, die den verfügbaren Mittelbestand vollständig ausschöpfen. Dabei kann es sich sowohl um ein Tun als auch um ein Unterlassen handeln. Zum Zwecke des konsequenten Auffindens von alternativen Lösungsmöglichkeiten wurden die sogenannten Kreativitätstechniken, z. B. das Brainstorming, entwickelt. Voraussetzung für eine bestmögliche Auswahl zwischen den aufgestellten Alternativen ist deren Bewertung. Dazu müssen die Konsequenzen ermittelt werden, die eine Durchsetzung jeder einzelnen Alternative mit sich bringt. Als relevantes Kriterium zur Aufdeckung der jeweiligen Auswirkungen dient zunächst das Entscheidungsproblem. Geht es z. B. um die Zielsetzung einer Gewinnsteigerung und liegen als Alternativen eine Preissenkung um 2 % bzw. eine Steigerung der Werbeausgaben um 10 % vor, so müssen die jeweiligen Folgen für das Gewinnziel ermittelt werden. Außerdem ist das Entscheidungsfeld abzuklären. Dabei handelt es sich um die Personen und Sachmittel, die der Entscheidungsträger direkt oder indirekt beeinflussen kann, sowie um die Daten, die ihm als unbeeinflussbar vorgegeben sind. So können z. B. verschiedene Fertigungsabläufe im Produktionsbereich unter dem Aspekt der Gewinnsteigerung betrachtet werden, wobei die Gesamtkapazität als unveränderlich vorgegeben wird. Die Begrenzungsfaktoren können dabei auch außerbetrieblicher Art sein. So schließen sich z. B. bestimmte Fertigungsverfahren aufgrund von Umweltvorschriften aus. Insgesamt kann festgestellt werden, dass der formale, auf rein rationaler Einstellung beruhende Entscheidungsprozess einen idealisierten Ablauf darstellt. Neuere Erkenntnisse verhaltenswissenschaftlicher und organisationswissenschaftlicher Art haben gezeigt, dass Ent46
Vgl. hierzu und im Folgenden Ebert, G.: Unternehmensführung, in: Bestmann, U. (Hrsg.): Kompendium der Betriebswirtschaftslehre, 11. Aufl., München/Wien 2010, S. 145ff.
148
3. Kapitel: Treasuring
scheidungsabläufe in der Praxis durch folgende Faktoren geprägt sind, die auf die Entscheidungsfindung wesentlichen Einfluss nehmen: • • • •
je höher die Komplexität einer Entscheidung, um so individueller wird der Entscheidungsvorgang abgewickelt; dies gilt in besonderem Maße für Führungsentscheidungen auf der obersten Führungsebene; es liegt nur eine begrenzte Kapazität der Informationsaufnahme und -verarbeitung bei den Entscheidungsträgern vor, was oft zu Voreingenommenheit führt; auf der Basis eines unvollkommenen Suchprozesses wird meist nur eine begrenzte Anzahl von Alternativen entwickelt; es wird keine maximale Lösung des Entscheidungsproblems, sondern lediglich eine befriedigende Lösung auf der Grundlage des jeweils vorherrschenden Anspruchsniveaus angestrebt. Entscheidungsproblem
Entscheidungsalternativen
Entscheidungsgegenstand
Entwicklung
Wahlakt
Umweltinformationen
Bewertung
Willensakt
Entschluss
Abb. 76: Phasen des Entscheidungsprozesses III. Gliederung der Entscheidungen Die Vielzahl der in einem Unternehmen anfallenden Entscheidungen lässt sich im Wesentlichen nach drei Kriterien systematisieren. Es sind dies der Gegenstand der Entscheidungen, die Wiederholbarkeit von Entscheidungen sowie die Anzahl der Entscheidungsträger. Bei der Einteilung nach dem Gegenstand kann zwischen Dispositionsentscheidungen und Ausführungsentscheidungen unterschieden werden. Die dispositiven Entscheidungen, die der sachlichen Ausführungsebene vorgelagert sind, führen zu einer Vorbestimmung der ausführenden Handlungen. Sie umfassen im Wesentlichen alle Führungs- und Managemententscheidungen, soweit sie sich mit der Zielfindung, Planung, Organisation, Kontrolle, Kommunikation und Personalführung befassen. Im Gegensatz dazu werden die Ausführungsentscheidungen vor allem auf der Realisationsebene getroffen, ziehen sich jedoch mehr oder weniger stark in die untere und mittlere Führungsebene hinein. Sie basieren in der Regel auf dispositiven Entscheidungen und beschäftigen sich mit der unmittelbaren Umsetzung in Tätigkeiten und Handlungen realisierender Art. Bezüglich ihrer Wiederholbarkeit lassen sich einmalige Entscheidungen von Routineentscheidungen abgrenzen. Einmalige Entscheidungen beziehen sich meist auf besonders komplexe, langfristige Entscheidungen auf der obersten Führungsebene, wie z. B. die langfristige Anpassung des Produktionsprogramms. Aber auch kurzfristig eintretende, durch die Planung nicht vorweggenommene Ereignisse können einmalige Entscheidungen im Sinne improvisatorischer Lösungen erforderlich machen. Dies ist z. B. der Fall, wenn durch einen Brand eine Fertigungsstätte ausfällt. Routineentscheidungen haben demgegenüber die Eigenschaft, dass sie sich vielfach und relativ gleichförmig wiederholen. Sie laufen insbesondere auf der Ausführungsebene mit einer gewissen Automatik ab. Sie werden dadurch
E. Informieren
149
aber auch teilweise aus dem Bewusstsein der Entscheidungsträger verdrängt mit der Gefahr, dass Veränderungen in der Entscheidungsproblematik und/oder der Bedingungen nicht rechtzeitig erkannt werden. So handelt z. B. ein in Routine erstarrter Kostenrechner, wenn er weiterhin nur zwischen Einzel- und Gemeinkosten unterscheidet, obwohl längst ein Informationsbedarf bezüglich der variablen und fixen Kosten vorliegt. Je nach der Anzahl der am Entscheidungsprozess beteiligten Personen wird zwischen Einzelentscheidung und Kollektiventscheidung unterschieden. Bei der Einzelentscheidung wird der Entschluss von einem Entscheidungsträger getroffen, der aber in der Vorphase des Entscheidungsprozesses, insbesondere bei der Aufstellung von Entscheidungsalternativen, weitere Personen heranziehen kann. Bei der Kollektiventscheidung sind auch beim Fällen des Entschlusses mehrere Personen beteiligt, wobei dann je nach der Anzahl der Entscheidungsträger entsprechende Abstimmungsregeln aufgestellt werden müssen. Die Einzelentscheidung dominiert eindeutig im betriebswirtschaftlichen Bereich. Sie hat gegenüber der Mehrheitsentscheidung den Vorteil, dass die Entscheidungen in der Regel schneller fallen. Die Kollektiventscheidungen kommen überwiegend in Gremien wie Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung vor. Arten von Entscheidungen
Gegenstand der Entscheidungen
Wiederholbarkeit der Entscheidungen
Anzahl der Entscheidungsträger
dispositive Entscheidungen
einmalige Entscheidungen
Einzelentscheidung
Ausführungsentscheidungen
Routineentscheidungen
Kollektiventscheidung
Abb. 77: Entscheidungsarten
E. Informieren Auch im Treasuring wird die Führungshandlung Informieren oder hier synonym verwandt Kommunizieren benötigt, um das Ziele bilden und Entscheiden zu einem Prozess zu verknüpfen. Bezüglich der ausführliche Darstellung der Führungshandlung Kommunizieren wird an dieser Stelle auf die Ausführungen zur Kommunikation in Kapitel I verwiesen.47
47
Vgl. hierzu und im Folgenden Ebert, G.: Unternehmensführung, in: Bestmann, U. (Hrsg.): Kompendium der Betriebswirtschaftslehre, 11. Aufl., München/Wien 2010, S. 156ff.
150
3. Kapitel: Treasuring
F. Mentaler Überbau des Treasuring Bei der Realisierung eines effizienten Treasuring-Ansatzes sind zwei Aspekte zu beachten: der mentale Überbau sowie der systemische Unterbau. Der mentale Überbau beschreibt das Denken und Handeln bei der Abwicklung der Treasuringprozesse. Bedingt durch die Entwicklung im Umfeld der wettbewerbsgeprägten Institutionen müssen die drei Grundelemente, das Zielebilden, Entscheiden und Kommunizieren, inhaltlich auf der Grundlage des „Denkens in Extremen“ in neuen Kulturen begriffen und durch eine integrative Verknüpfung zu wertschöpfungsfördernden Prozessen entwickelt werden. Mit diesem Ansatz wird die Gefahr der isolierten Behandlung der Zielbildung und Entscheidung überwunden.
Allgemein gültige Erkenntnisse
Mentaler Überbau:
Beherrschung der Treasuringprozesse Steuerung auf der Basis von Ziele bilden
Entscheiden
neue Inhalte / Kulturen
Informieren wertschöpfende Prozesse
Abb. 78: Mentaler Überbau des Treasuring
G. Systemischer Unterbau des Treasuring Es existieren eine Reihe systemischer Ansätze zu Abwicklung des Treasuring. Inhaltlich müssen diese je nach Geschäftsbereich, Branche etc. differenziert werden. Spezielle Konzeption nach Geschäftsbereichen / Betriebsgrößen / Branchen
Systemischer Unterbau: Gestaltung der Treasuringinstrumente Steuerung im Rahmen von Zielbildungssysteme
Entscheidungssysteme
strategisches System Shareholder-Value Balanced Scorecard
Abb. 79: Systemischer Unterbau
Informationssysteme
operatives System Externes Rechnungswesen IAS, US-GAAP
H. Inhaltliche Grundstruktur des Treasuring
151
H. Inhaltliche Grundstruktur des Treasuring Die neue Steuerungsphilosophie des Treasuring lässt sich in zwei Ebenen differenzieren. Die mentale Seite umfasst die Schaffung, Akzeptanz und Durchsetzung neuer Denk- und Verhaltenskulturen bezüglich des Zielebildens, Entscheidens und Kommunizierens sowie deren integrative Verknüpfung zu effizienten Wertschöpfungsprozessen. Diese veränderten Denk- und Verhaltensweisen erfordern für ihre erfolgreiche Umsetzung geeignete Subsysteme in Form von Zielbildungs-, Entscheidungs- und Kommunikationssystemen. Entsprechend der zunehmenden Differenzierung moderner Unternehmensführung können die jeweiligen Systemansätze weiterhin in strategischer und operativer Form unterschieden werden.
Allgemein gültige Erkenntnisse
Mentaler Überbau:
Beherrschung der Treasuringprozesse Steuerung auf der Basis von Ziele bilden
Entscheiden
neue Inhalte / Kulturen
Information wertschöpfende Prozesse
Spezielle Konzeption nach Geschäftsbereichen / Betriebsgrößen / Branchen
Systemischer Unterbau:
Gestaltung der Treasuringinstrumente Steuerung im Rahmen von Zielbildungssysteme
Entscheidungssysteme
strategisches System Shareholder-Value Balanced Scorecard
Informationssysteme
operatives System Externes Rechnungswesen IAS, US-GAAP
Abb. 80: Leitmaxime zur effizienten Lenkung im Treasuring
152
3. Kapitel: Treasuring
I. Steuerungsperson: Treasurer Treasurer bedeutet im wörtlichen Sinne „Schatzmeister“. Er erledigt, seinem Aufgabenbild entsprechend, im Unterschied zum Controller stark finanzwirtschaftlich geprägte Aufgaben (Finanzwirtschaft). Sein Ziel ist die Sicherung von Liquidität und Rentabilität im Unternehmen. Die funktionelle Aufteilung in einen Controller und einen Treasurer ist in den USA weitverbreitet. Zu seinen Hauptaufgaben gehört die Kapitalbeschaffung und -disposition für sein Unternehmen. Hierbei unterstützt er: •
den Kontakt zu Banken und Kapitalmärkten,
•
die Liquiditätsdispositionen,
•
die mittelfristige Finanzplanung sowie
•
die gezielte Absicherung finanzieller Risiken.
Mit seiner Tätigkeit sichert der Treasurer das finanziellen Gleichgewicht im Hinblick auf die Finanzierungsziele des Unternehmens und sorgt für die Verwaltung der Wertpapiere und des sonstigen Eigentums. Hierbei beschäftigt er sich vornehmlich mit der Prognose des Kapitalbedarfs, der Zahlungsein- und -ausgänge sowie mit der externen kurzfristigen und langfristigen Finanzierung, Vorschlägen zur Dividendenpolitik, financial public relations, Verwaltung der flüssigen Mittel, Überwachung des Geldein- und -ausgangs, Kreditgewährung, Forderungseinzug, Anlage freier Mittel, Regelung der Effektenemission, Berichterstattung über das finanzielle Ergebnis und der gesamte Versicherungsbereich.
4. Kapitel: Systemisch-ganzheitlicher Steuerungsansatz Der aktuelle Ansatz einer systemisch-ganzheitlichen Unternehmenssteuerung basiert auf den drei Steuerungsmaximen Controlling, Developing, Treasuring. Dabei generiert •
das Controlling durch die Verknüpfung der Führungshandlungen Planen, Kontrollieren und Informieren die lernorientierte Steuerung,
•
das Developing durch die Verknüpfung der Führungshandlungen Organisieren, Qualifizieren und Informieren die entwicklungsorientierte Steuerung und
•
das Treasuring durch die Verknüpfung der Führungshandlungen Entscheiden, Zielebilden und Informieren die wertorientierte Steuerung.
Das verknüpfende Element innerhalb sowie zwischen den Steuerungsmaximen bildet die Führungshandlung Informieren und ermöglicht damit einen systemisch-ganzheitlichen Steuerungsansatz. sozio-emotionale Dimension Delegieren sach-rationale Dimension
Kerndimension Entscheiden Informieren Dispositionsfunktion Grundkompetenz
Managementfunktion Leitungskompetenz Humanfunktion Personalkompetenz
Controlling
Developing
Treasuring
Abb. 81: Verknüpfung der Führungshandlungen Controlling, Developing, Treasuring
Dritter Teil: Steuerungssysteme und -instrumente
156
I. Steuerungssysteme und Instrumente
Die nachfolgend dargestellten Steuerungssysteme und -instrumente können sowohl in unterschiedlichen Steuerungsmaximen als auch in Dimensionen zum Einsatz gebracht werden. Es besteht zwar in der Regel ein dominanter Anwendungsbereich je nach Anwendungsfall und Steuerungszweck, es gibt aber sowohl zwischen den Instrumenten als auch in ihrer Zuordnung Überschneidungen. Aus diesem Grunde sind die nachfolgenden Systeme und Instrumenten in alphabetischer Reihenfolge sortiert. Die derzeit verfügbaren strategischen und normativen Ansätze haben primär instrumentellen Charakter, d. h. sie verhelfen zu isolierten strategischen Aussagen, ohne dass jeweils eine ausreichende Verknüpfung der Instrumente zu umfassenden systemischen Lösungen möglich ist. Um dies zu erreichen, müssen weitere theoretische Erkenntnisse entwickelt und praktische Erfahrungen gesammelt werden. Außerdem besteht die Problematik, dass nicht alle Instrumente jeweils eindeutig dem Planungs-, Kontroll- bzw. Informationsbereich zuordenbar sind.
1. Advanced Planning Um den oben genannten Problemstellungen der klassischen Budgetierung und des Beyond Budgetings zu begegnen, und den geänderten Umweltanforderungen gerecht werden zu können, entwickelte die ifc Ebert GmbH das Advanced Planning-Modell. Den grundlegenden Unterschied bildet ein weit höheres Maß an analytischer Neuplanung und Fokussierung der Budgetierung. Wesentliche Neuerung des Advanced Planning-Ansatzes ist die Aufteilung des Budgetprozesses in zwei Komponenten. Bei der Abwicklung der Budgetierung wird zwischen dem Struktur- und dem Strategiebudget unterschieden. Diese ergeben in ihrer Summe das Gesamtbudget des Unternehmens. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sowohl in als auch zwischen den Budgetarten entsprechende Abstimmungen erforderlich sind. Zum einen berücksichtigt auch das Advanced Planning-Modell die klassischen Budgetkomponenten wie die Personalkosten, Sachkosten, Dienstleistungskosten und kalkulatorische Kosten. Diese fließen einmal jährlich in ein Strukturbudget ein. Das Strukturbudget bildet den stabilen, ergebnisorientierten Budgetbereich ab, der die aktuelle Entwicklung des Unternehmens aufzeigt. Im Rahmen der Aufstellung findet eine starke Hinterfragung aller Positionen statt (Zero-Based-Ansatz). Das Strukturbudget dient der Aufrechterhaltung, Optimierung und Entwicklung der aktuellen Organisation und Prozesse. Weiterhin werden Teile, insbesondere der personellen Kapazitäten für die Durchführung der strategischen Projekte vorgehalten. Das Strategiebudget dient der Realisierung der besonderen strategischen Ziele des Unternehmens bzw. der einzelnen Leitungsebenen. Die Realisierung der strategischen Ziele erfolgt in strategischen Projekten, die ggf. zusätzliche Ausgaben verursachen. Die Konsequenz aus dieser Zuordnung der Kapazitäten ist, dass ein Anteil des Strukturbudgets zur Realisierung der strategischen Projekte verwendet wird und somit Strategiekosten sind. Dieser Teil muss daher dem Strategiebudget „belastet“ werden. Die Bestimmung der im Strukturbudget inhärenten Strategiekosten gelingt über die Zuordnung der verwendeten
1. Advanced Planning
157
Ressourcen, insbesondere der Personalkosten auf die Strategieprojekte. Somit muss der Personaleinsatz dem kostenorientierten Strategiebudget zugerechnet werden. Zur Verwirklichung der strategischen Ziele wird zusätzlich ein Teil des geplanten und zu realisierenden Cashflows eingesetzt. Dieser wird für die Beschaffung von Kapazitäten (extern oder intern sowie temporär oder dauerhaft) zur Verfügung gestellt. Da sein Einsatz tatsächlich zu zusätzlichen Ausgaben führt, wird er von der Geschäftsleitung jeweils für ein Quartal (oder Halbjahr) freigegeben. Diese zusätzlichen Ausgaben bilden den zweiten Teil des Strategiebudgets und stellen mit den strategieorientierten Komponenten in ihrer Summe das Strategiebudget des Unternehmens dar. Für die Strategieprojekte stehen entsprechend zwei Finanzierungsquellen zur Deckung der aus dem Ressourceneinsatz resultierenden Kosten bereit: Der erste Teil wird über die Strukturbudgets gedeckt und stellt kostengleiche Ausgaben dar. Dieser Anteil wird über die eingeplanten Ressourcen in den Projekten, insbesondere des Personals, ermittelt. Ein weiterer Teil wird über ein zusätzliches Ausgabenbudget finanziert, das in seiner Summe als prozentualer Anteil am verfügbaren geplanten Cashflow bestimmt wird. Dieser Teil des Strategiebudgets stellt zusätzliche Ausgaben dar. Die Festlegung der Höhe des ausgabenorientierten Strategiebudgets erfolgt durch die konkrete Bestimmung eines prozentualen Anteils des verfügbaren Cashflows, welcher für die Strategie verwendet werden soll. Durch die Zugrundelegung des Cashflows für das Strategiebudget wird eine Rückkopplung zum strategischen Unternehmenswert geschaffen. Die Berechnung des Cashflows erfolgt indirekt durch eine Addition der Abschreibungen und der Veränderungen in den langfristigen Rückstellungen zum Unternehmensergebnis. Nachfolgende Abbildung verdeutlicht das Vorgehen. = 1 * jährlich
Gesamtbudget der Planungseinheit X % Strukturbudget
y% Strategiebudget
= Kosten und zum großen Teil auch Ausgaben
Summe über alle Planungseinheiten
Gesamtstrategiebudget (= kostenorientiert)
z% Strategiebudget (= ausgabenorientiert) = ¼- bzw. ½ -jährlich Cashflow
Abb. 82: Advanced Planning
158
I. Steuerungssysteme und Instrumente
2. Balanced Scorecard Die Balanced Scorecard (BSC) ermöglicht die gleichzeitige und ausgeglichene Bereitstellung von monetären und nicht-monetären Kennzahlen und Indikatoren auf grundsätzlich vier von der Führung eines Unternehmen zu gestaltenden Perspektiven. Demzufolge berücksichtigt die BSC folgende vier Teilbereiche: •
betriebswirtschaftliche Perspektive (financial perspective);
•
prozessuale Perspektive (internal business process perspective);
•
kundenorientierte Perspektive (customer perspective) und
•
lern- und innovationsorientierte Perspektive (learning and growth perspective).48
ökonomische Perspektive Ziele Planungen Scores
externe Kundenperspektive Ziele Planungen Scores
Vision Potenziale Strategien Operation
interne Prozessperspektive Ziele Planungen Scores
Lern- und Innovationsperspektive Ziele Planungen Scores Abb. 83: Grundstruktur einer Balanced Scorecard Für alle vier Felder sind entsprechende Kennzahlen und Indikatoren zu definieren, damit eine gültige sowie zuverlässige Messung und Bewertung aus ganzheitlicher Sicht durchgeführt werden kann.
48
Vgl. Kaplan, R./Norton, D.: Balanced Scorecard, Stuttgart 1997.
2. Balanced Scorecard
159
In der BSC wird beispielsweise das finanzwirtschaftliche Ziel „Gewinn“ der Erhöhung der Kundenzufriedenheit gleichgestellt und es wird akzeptiert und zur Steuerung angewendet, dass die Rentabilität eines Unternehmens von nicht monetären, zum Teil strategischen Komponenten vorbestimmt und getrieben wird. Diese Ausgewogenheit begründet auch die Namenswahl Balanced Scorecard, der im Sinne eines „Ganzheitlichen Zeugnisses“ zu verstehen und zu realisieren ist. Es resultieren folgende Ziele einer BSC: •
die Transformation der Visionen und Strategien in operative sowie gleichzeitig operationale und smarte Ziele und Kennzahlen vorzunehmen;
•
die Balance zwischen extern und intern orientierten Mess- und Bewertungsgrößen herzustellen;
•
die Balance zwischen ex post- und ex ante-orientierten Kennzahlen und Indikatoren zu finden;
•
die Balance zwischen objektiven, quantifizierbaren operativen Ergebniskennziffern und subjektiven, qualitativen strategischen Potenzialmessgrößen zu schaffen;
•
die Balance zwischen Kennziffern für Stakeholder, wie z. B. Shareholder und Kunden, sowie interne Indikatoren für Marketing, Logistik und Controlling aufzubauen sowie
•
die Balance zwischen ökonomischen (finanziellen) in Form von Liquidität, Rentabilität und Wirtschaftlichkeit sowie nicht ökonomischen (nicht finanziellen) Kenngrößen zu halten.
Die Anwendung der Kennziffern und Indikatoren führt zu einem umfassenden Steuerungssystem für die Führung. Die Möglichkeit auf der Kunden- bzw. Prozessperspektive einzugreifen, bevor sich die Fehlentwicklungen in der Finanzperspektive niederschlagen, zeigt die neue Chance einer treasuringgerechten Vorsteuerung. Wenn zusätzlich die strategische Bedeutung der Innovationsperspektive im Rahmen der Ermittlung der Scores erkannt wurde, ergibt sich eine neue Qualität der Steuerung.
160
I. Steuerungssysteme und Instrumente ökonomische Perspektive - ROCE über 24 % - Umsatzwachstum über 13 % - DFCF plus 15 % p.a. Kundenperspektive - 60 % Umsatzanteil neuer Produkte (< 2 Jahre) - Nummer 1 bei 60 % der Kunden - Stammkundenumsatzanteil über 50 % Prozessperspektive - Beratungsstunden vor dem Angebotsprozess: um 5 % p.a. erhöhen - Arbeitstage zwischen Auftrag und Erbringung: 90 % der Aufträge unter 10 Tagen - Projekte mit Kostenüberschreitung: max. 10 % Innovationsperspektive - Halbwertszeitindexwert: Verbesserung um über 10 % p.a. - Mitarbeiterzufriedenheitsindex: über 80 % - Verbesserungsvorschläge: mehr als 20 pro Mitarbeiter p.a.
Abb. 84: Beispielhafte BSC49 In der Literatur empfohlen, und in der Praxis bewährte es sich, für jede Perspektive zwischen vier und fünf Kennziffern bzw. Scores zu bestimmen. Diese sind dann zu planen, zu kontrollieren und in einem permanenten Informationsprozess zwischen den Beteiligten zu kommunizieren. Dadurch kann von der obersten Perspektive eine geschlossene Planung zur unteren Perspektive erfolgen und über Veränderungen in den Scores der unteren Perspektiven können Veränderungen in der darüberliegenden Perspektive gesteuert werden. Es schließt sich der ganzheitlich integrierte Treasuring-Kreislauf.
49
Vgl. Horvath P., et. al,: Balanced Scorecard Ein Werkzeug zur Umsetzung von Strategien; Harvard Business Manager, Heft 5/1998, S. 43.
2. Balanced Scorecard
161
In der nachfolgenden Abbildung ist ein beispielhafter Ursache-/Wirkungsbaum einer BSC aufgezeigt. ökonomische Perspektive
Shareholder-Value
ROCE
Kundenbindung
Kundenperspektive
On-time-Lieferung
Betriebs- / Prozessperspektive
Produktqualität
Innovationsperspektive
Mitarbeiterqualifikation
Logistikqualität
Wissensmanagement
Abb. 85: Kausalitäten in einer BSC50 Bei einer Anwendung der BSC ist es unabdingbar, den Planungsprozess auf der ersten Managementebene zu beginnen. Auf Basis der definierten Ziele und Kennziffern können dann die weiteren Managementebenen ihre Planungen vollziehen. Der Kontrollprozess vollzieht sich in umgekehrter Reihenfolge. Eine integrierte, umfassende und gleichzeitig detaillierte Steuerung ist möglich.
50
Vgl. Kaplan, R./Norton, D.: Balanced Scorecard, Stuttgart 1997, S. 29.
162
I. Steuerungssysteme und Instrumente
Vision
Wie
TopmanagementBalanced Scorecard Ziele Was Meßgrößen Vorgaben
Was
Wie
BereichsmanagementBalanced Scorecard Ziele Meßgrößen Vorgaben
Was
Wie
Team/MitarbeiterBalanced Scorecard Ziele Meßgrößen Vorgaben
Abb. 86: Balanced Scorecard Steuerungsprozess
3. Benchmarking Das Benchmarking im Sinne eines „Vergleichens und Messens am Besten“ stellt eine wesentliche Erweiterung und Verbesserung bei der Ermittlung von leistungsfähigen Kontrollmaßstäben eines Unternehmens dar. Im Gegensatz zur traditionellen Vorgehensweise, bei der die Sollvorgaben primär intern definiert und damit subjektiv innerhalb des zu kontrollierenden bzw. zu steuernden Aufgabengebiets festgelegt werden, erfolgt die Bestimmung von sogenannten Benchmarks primär außerhalb von diesem und gewinnt so einen objektiven Charakter. Diese lassen sich wie folgt gewinnen: •
innerhalb eines Unternehmens in unterschiedlichen Aufgaben- und Funktionsbereichen bzw. Profitcentern,
•
innerhalb eines Konzerns in unterschiedlichen Tochtergesellschaften,
•
zwischen Unternehmen in der gleichen Branche,
•
zwischen Unternehmen in unterschiedlichen Branchen.
Dies ist differenziert auf nationaler wie internationaler Ebene möglich.
3. Benchmarking
163
Bei Kostenvergleichen ist zu beachten, dass Benchmarks für Kostenstellen, wegen der Unterschiedlichkeit der Stellenaufteilung, nur innerhalb eines Unternehmens bzw. Konzerns gewonnen werden können. Für Prozessvergleiche eigenen sich dagegen vor allem externe Benchmarks. Ziel des Benchmarking ist es, neue Ideen bzw. Problemlösungen zu suchen und zu finden, die außerhalb der eigenen Bereiche bereits realisiert wurden und sich als effizient und effektiv gezeigt haben. Es ist also das systematische und kontinuierliche Bestreben, die jeweils besten verfügbaren Praktiken und Methoden zu entdecken, zu analysieren, zu beschreiben und zu messen, und diese anschließend im eigenen Unternehmen zu adaptieren und weiter zu entwickeln. Das dabei gewählte Vorgehen zeigt Abb. 87. 51
Eigene Prozesse analysieren
Prozessbeste analysieren
Anpassung der eigenen Prozesse
Weiterentwicklung
Abb. 87: Vorgehensweise des Benchmarking Im Rahmen der Schritte werden typischerweise folgende Handlungen vollzogen. Schritt 1: eigene Prozess analysieren - Kundennutzen bzw. -wünsche eruieren - Schlüsselprozesse definieren - Stärken und Schwächen der Schlüsselprozesse analysieren Schritt 2: Prozessbesten analysieren - Prozessbesten suchen - Erfolgskriterien bestimmen - Eckwerte festlegen Schritt 3: Anpassung der eigenen Prozesse - Transformation auf das eigene Unternehmen - Verbesserungsvorschläge berücksichtigen - Zielvereinbarungen für das eigene Unternehmen treffen Schritt 4: Weiterentwicklung - Festlegen neuer Jahresziele - Verbesserung gegenüber den Mitbewerbern - Bestimmung neuer Unternehmensziele (z. B. höhere Kundenzufriedenheit, Rendite)
51
In Anlehnung an: Watson, G.H.: Strategic Benchmarking, New York 1993.
164
I. Steuerungssysteme und Instrumente
Die unterschiedlichen Arten des Benchmarking basieren auf der unterschiedlichen Kombination relevanter Vergleichsparameter. Diese können grundsätzlich differenziert werden in: „Objekt“ mit den Attributen „Produkte“, „Methoden“ und „Prozesse“, „Zielgröße“ mit den Merkmalen „Kosten“, „Qualität“, „Kunden“ und „Zeit“ sowie „Vergleichspartner“ mit den Ausprägungen „gleicher Geschäftsbereich“, „anderer Geschäftsbereich“, „Konkurrent in der gleichen Branche“ sowie „Konkurrent in einer anderen Branche“.
• • •
Leistung, Ergebnisse, Potenziale Mit wem?
Was?
Datengewinnung en m h e n re t n U se n eg ie
an d er e U n te rn eh m en
Informationsevaluierung
Datengewinnung
unsere Vorgehensweise
deren Vorgehensweise Prozesse, Produkte, Methoden
Abb. 88: Benchmarking-Struktur52 Das Benchmarking beruht auf dem klassischen PDCA-Management-Prozess. Dies bedeutet Plan, Do, Check und Act Im Einzelnen sind also in der Vorbereitungs-, Analyse-, Evaluations- und Adaptionsphase folgende Tatbestände53 festzulegen: • • • • • • • • • 52 53
Gegenstand des Benchmarking, Beurteilungsmaßstab, Art des Benchmarking, Suche des Vergleichsunternehmens, externe bzw. interne Informationsquellen, Leistungslücke, Bestimmung der Abweichungsdifferenz, Analyse der Leistungslücke, Ziele und Strategien zur Abweichungskorrektur, In Anlehnung an: Watson, G.H.: Strategic Benchmarking, New York 1993. In Anlehnung an: Watson, G.H.: Strategic Benchmarking, New York 1993.
3. Benchmarking
• • •
165
Maßnahmen: Konzept und Implementierung, Durchführungs- und Ergebniskontrollen sowie permanente Verbesserung.
Act
Check
Verbesserung durch Adaption
Informationsanalyse und -bewertung
Planung des Projekts
Informationsgewinnung
Plan
Do
Abb. 89: Benchmarking-Prozess Bei der Durchführung eines Benchmarking haben sich einige Regeln, die das Zusammenwirken der Partner klären, herausgebildet. Diese beziehen sich sowohl auf das Benchmarking-Team als auch auf die Benchmarking-Aufgabe. In der nachfolgenden Abbildung sind die wesentlichen Verhaltensempfehlungen54 festgehalten.
•Prinzip der Legalität
Verhaltenskodex
• Prinzip des Austauschens • Prinzip der Vertraulichkeit • Prinzip der internen Verwendung • Prinzip des Kontakts mit Partnern • Prinzip der abgestimmten Kontakte mit Dritten • Prinzip der zielorientierten Vorbereitung • Prinzip der Zuverlässigkeit • Prinzip des Verständnisses und des korrekten Verhaltens Abb. 90: Benchmarking-Verhaltenskodex
54
In Anlehnung an: Watson, G.H.: Strategic Benchmarking, New York 1993.
166
I. Steuerungssysteme und Instrumente
Die Dominanz in der Anwendung des Benchmarking liegt derzeit auf operativer Ebene. Dennoch sollten in der zukünftigen Entwicklung Überlegungen eines strategischen Benchmarking im Sinne des Vergleichs der Schaffung von Potenzialen und eines normativen Benchmarking im Sinne der Schaffung von Postulate angestoßen werden.
4. Berichtswesen Das Problem der Implementierung eines Berichtswesens entsteht grundsätzlich immer dann, wenn die Informationsentstehung und Informationsverwendung organisatorisch getrennt voneinander vollzogen werden. Die organisatorische Separation korreliert mit dem Grad der Zentralisation und Dezentralisation in Unternehmen. Auf dieser Basis sind die jeweiligen Informationsübermittlungsvorgänge zu definieren und systematisch zu realisieren. In der weitesten Fassung versteht man unter einem betrieblichen Berichtswesen die Einrichtungen, Mittel und Maßnahmen einer Institution zur Erarbeitung, Weiterleitung und Verarbeitung von Informationen über den Betrieb und seine Umwelt.55 Wird der Begriff enger gefasst, dann subsumiert man darunter nur die Erstellung und Weiterleitung von Managementreports mit Beschränkung auf interne Interessengruppen sowie Planungs- und Kontrollinformationen. Zielsetzung ist es, die unternehmerischen oder institutionellen Aktivitäten zu kontrollieren, sowie den Zielerreichungsgrad zu dokumentieren und den Anstoß zu kurskorrigierenden Entscheidungen zu liefern.56 Bei der Gestaltung eines Berichtswesens müssen generell die folgenden fünf wesentlichen Fragestellungen berücksichtigt werden: • • • • •
55 56
Wozu soll berichtet werden? Der Berichtszweck, d. h. die Informationsnachfrage bzw. der Informationsbedarf, wird determiniert. Was soll berichtet werden? Der Inhalt, der Verdichtungsgrad und die Genauigkeit des Berichts werden bestimmt. Wer soll berichten und wer soll unterrichtet werden? Der Sender und der Empfänger der Berichte werden definiert. Wann soll berichtet werden? Der Zeitpunkt und die Termine von Berichten werden festgelegt. Wie soll berichtet werden? Die Form und die Übertragungsweise der Berichte werden bestimmt.
Vgl. Blohm, H,: Berichtswesen, betriebliches, in: Management-Enzyklopädie, Band 1, Landsberg/Lech 1969, S. 866. Vgl. Horváth, P.: Controlling, 5. Aufl., München 1994, S. 604 ff. und Welge, M. K.: Unternehmensführung, Band 3: Controlling, Stuttgart 1998, S. 384 ff.
4. Berichtswesen
167
Informationssystem
Berichtswesen
5 Fragestellungen
Was ist zu liefern?
Inhalt
Wie ist zu liefern?
Form
Wozu ist zu liefern?
Auswertungszweck
Wer liefert?/Wer empfängt?
Sender/Empfänger
Wann ist zu liefern?
Termin
Abb. 91: Inhalte und Orientierung des Berichtswesens Die für ein Controlling relevanten Berichtsarten ergeben sich aus der Dreiteilung der Berichtszwecke in Ergebniserfassung, Interessenweckung und Problemlösung. Daraus resultieren: • • •
Standardberichte, Abweichungsberichte und Bedarfsberichte.
Der Informationsbedarf der Führung kann grundsätzlich nicht nur mithilfe einer Berichtsart gedeckt werden. Vielmehr ist eine geordnete, unternehmensindividuelle Struktur von Berichten, d. h. ein Berichtssystem im Rahmen eines Berichtswesens, zu konzipieren. Durch die Vielzahl von Daten und durch die multivariate Zielorientierung kann das Berichtswesen nur noch mittels IT-unterstützter Systeme realisiert werden. Weiterhin müssen zusätzlich zu den quantitativen Sachverhalten in Form von Kennzahlen qualitative Tatbestände durch die Verwendung von Indikatoren berücksichtigt werden. Im Rahmen der Berichtsgestaltung sind insbesondere die drei Teilprobleme: Auswahl der wesentlichen Informationen, Verdichtung der Einzelinformationen und Darstellung der Informationsinhalte von Bedeutung. Das Auswahlproblem ist unmittelbar mit dem Informationsbedarf und mit der hierarchischen Eingliederung des Informationsempfängers verknüpft. Es wird durch die Informationsbewertung sowie die Gestaltung von Berichtshierarchien nach dem Grundsatz gelöst: je weiter das Entscheidungsfeld der Entscheidungsträger, umso höher ist der Verdichtungsgrad der Informationen, den diese zur Gegensteuerung benötigen.
168
I. Steuerungssysteme und Instrumente
Das Verdichtungsproblem ist letztendlich ein Feld der Statistik, die durch das Reduzieren von Zahlen eine empfängerorientierte Information in Form von Kennzahlen erreicht. Die Lösung des Darstellungsproblems, d. h. die Vermeidung von Zahlenfriedhöfen, wird durch die Entwicklung von empfängerorientiert dargestellten Berichten gewährleistet.
5. Beyond Budgeting Um die Planung zu vereinfachen und zu flexibilisieren, und damit den vergleichsweise hohen Aufwand zu senken, wurde das Beyond Budgeting entwickelt. Es soll die Anpassungs- und Reaktionsfähigkeit des Unternehmens steigern. Wichtige Elemente hierbei sind: •
Planung erfolgt ausschließlich durch Rolling Forecasts als System flexibler, kurzfristiger Vorhersagen, die die Realität besser widerspiegeln.
•
Delegation erfolgt nicht nur als Organigramm-„redesign“, sondern als tatsächliche Verlagerung von Entscheidungskompetenzen und Verantwortungen.
•
Stärkere Strategieorientierung in Zielen, Entscheidungen und Anreizsystemen.
•
Unternehmenskultur und Werte dienen als Hilfsmittel zur Sicherstellung einer gemeinsamen Richtung trotz großer Entscheidungsspielräume.
•
Die aus der Strategie abgeleiteten Ziele müssen sich flexibel an Veränderungen anpassen und sich als Relativwerte auf Konkurrenten oder Kunden beziehen.57
6. Corporate Identity Im Rahmen der ganzheitlichen Betrachtung des Unternehmens sowie des dynamischen Wandels im Umfeld sind Tatbestände relevant geworden, die als Corporate Identity, Corporate Culture, Corporate Image, Corporate Design bzw. Corporate Communication bezeichnet werden. Die definitorische Bestimmung dieser Begriffe und damit zugleich ihre gegenseitige Abgrenzung sind nicht immer eindeutig. Es zeichnet sich jedoch ab, dass die Unternehmensidentität im weitesten Sinne das Selbstbild eines Unternehmens beschreibt, das wesentlich durch seine Kultur, sein Erscheinungsbild und seine Kommunikationsfähigkeiten geprägt wird. Erste Ansätze zur Entwicklung eines abgegrenzten Betrachtungsgegenstands in Form der Corporate Identity lassen sich in der absatzwirtschaftlichen Imageforschung, in der Unternehmensforschung im Zusammenhang mit der strategischen Planung sowie in der Organisations- und Industriesoziologie finden.
57
Vgl. Jumpertz, N.: Nie mehr Planwirtschaft im Controlling, in: Pro Firma 12/2003–01/2004, S. 58–61.
6. Corporate Identity
169
Identität bedeutet das Selbstverständnis einer natürlichen Person bzw. einer Institution. Individuen wie auch Organisationen haben insofern ein Leben im Sinne einer Tradition, die im Wesentlichen durch ihre Identität geprägt wird. Diesbezüglich kann die Existenzphase, das Leben als die Suche, Findung, Gestaltung, Krise und als der Verlust der Identität beschrieben werden. Das besondere Merkmal der Identität ist ihre Doppelgesichtigkeit. Eine gegebene Identität wirkt jeweils nach innen wie nach außen. Gleichermaßen wird sie wiederum durch die Außenwelt wie durch das Innenleben beeinflusst. Dies gilt in besonderem Maße für die Unternehmensidentität, die, vergleichbar wie die Unternehmensphilosophie, ein ganzheitliches Denksystem darstellt, also das Unternehmen als Ganzes, als Einheit betrachtet. Die Identität konkretisiert sich in dem, was man allgemein unter „Persönlichkeit“ versteht. Fehlende Identität verhindert bei einer Person die Entstehung von Persönlichkeit. Damit basiert die Persönlichkeit auf einer konkreten, erkennbaren Identität. Sie muss jedoch eine positive, d. h. akzeptierte sein, die im Einklang mit allgemein anerkannten Vorstellungen steht. Besonders in Zeiten, die durch einen starken Wandel geprägt sind, kann es zu Identitätskonflikten kommen. Dies ist dann der Fall, wenn die Wert- und Zielvorstellungen einer Persönlichkeit zu immer größeren Widersprüchen mit dem Innenleben bzw. der Umwelt führen. Daraus ergibt sich, dass Identität eine dynamische Größe ist, die jeweils eine Anpassung an veränderte Lebensbedingungen erfordert. Die Unternehmenspersönlichkeit (Corporate Personality) ergibt sich aus der Tatsache, dass eine historisch gewachsene Organisation entstanden ist, die durch ihr Vorhandensein eine erkennbare und damit beschreibbare Identität entwickelt hat. Der „Körper“ bzw. die Gestalt des Unternehmens besteht dabei aus den Organisationselementen (Menschen und Sachen) sowie aus den Organisationsprozessen und wird durch die betriebswirtschaftlichen Ziele, die volkswirtschaftlichen Zwecke sowie durch die sozialen Erfordernisse geprägt. Persönlichkeit manifestiert sich in den drei Merkmalen des Verhaltens, des Erscheinens und des sich Austauschens. 1. Unternehmensverhalten (Corporate Culture) Eine Unternehmung wird durch Handlungen gegenüber Dritten aktiv. Nach außen bietet sie Waren und Dienstleistungen an bzw. fragt diese nach und fordert bzw. akzeptiert Preise. Nach innen verlangt sie Arbeitsleistungen, zahlt Löhne und Gehälter und gewährt soziale Vergünstigungen. Dabei sind alle diese Handlungen durch ein bestimmtes Verhalten gekennzeichnet, das z. B. als großzügig, gerecht, hart bzw. kleinlich beschrieben werden kann. Identität im positiven Sinne entsteht dabei nur, wenn das Gesamtverhalten einer einheitlichen Linie folgt: Schlüssiges Handeln konstituiert also Identität. Mit anderen Worten bedeutet dies: „Wie sie handelt, macht die Person aus.“ Die Gesamtheit der Wertvorstellungen und der daraus resultierenden Verhaltensweisen bestimmt zugleich die Unternehmenskultur. 2. Unternehmenserscheinungsbild (Corporate Design) Eine Unternehmung tritt durch ihre „Kleidung“ optisch Dritten gegenüber in Erscheinung. Dazu zählen die Gestaltung ihrer Produkte, das Firmenzeichen, Farben und Schriftarten, der Baustil der Gebäude usw. Positive Identität wird dabei geschaffen, wenn es gelingt, eine
170
I. Steuerungssysteme und Instrumente
möglichst stimmige, geschlossene Erscheinungsform zu erreichen: „Ein abgerundetes Gesamtbild prägt Identität.“ Mit anderen Worten bedeutet dies: „Wie sie auftritt, macht die Person aus.“ Die Gesamtheit aller verwendeten Darstellungsmittel bestimmt das Corporate Design. 3. Unternehmensaustauschform (Corporate Communication) Eine Unternehmung stellt durch „Botschaften“ eine verbale Verbindung zu Dritten her. Dies geschieht in vielfältigen Formen, z. B. im Rahmen der Werbung, der Public Relations, von Organisationsrichtlinien oder Mitarbeitergesprächen. Positive Identität wird dabei geschaffen, wenn es gelingt, eine möglichst widerspruchsfreie Diktion zu erreichen: „Verständliche Ausdrucksformen vermitteln Identität.“ Mit anderen Worten bedeutet dies: „Was sie sagt, macht die Person aus.“ Die Gesamtheit aller Austauschformen bestimmt die Corporate Communication. Zusammenfassend kann die Corporate Identity damit als die abgestimmte Gestaltung von Verhaltensweisen, Erscheinungsbild und Austauschformen eines Unternehmens verstanden werden. Corporate Identity konstituiert sich in der Corporate Personality und manifestiert sich in der Corporate Culture, dem Corporate Design und der Corporate Communication. Eine gegebene Corporate Identity wirkt jeweils auf zwei Zielgruppen ein, und zwar auf das Umfeld des Unternehmens in Form der Abnehmer, Lieferanten, Gläubiger und der Öffentlichkeit sowie auf das Innenfeld, d. h. auf die Mitarbeiter. Für die Innenwirkung wie für die Außenwirkung ergeben sich dabei folgende grundlegende Beziehungsverhältnisse: Die Unternehmenspersönlichkeit entfaltet zunächst eine Ausstrahlung in Richtung auf die Zielgruppen. Dazu werden das Verhalten, das Erscheinungsbild und die Kommunikation gleichzeitig wirksam, um bei den Zielpersonen einen gewünschten Eindruck zu erwecken. Da die Zielgruppen jeweils eigenständige Personen sind, entwickeln sie ihrerseits eine Vorstellung im Sinne eines Fremdbilds (Image) vom Unternehmen, das sie in Richtung auf das Unternehmen reflektieren. Der Idealzustand ist gegeben, wenn Ausstrahlung und Reflektion vollkommen harmonisieren, d. h. wenn bei den Zielpersonen das Selbstbild der Unternehmung so ankommt, wie es im Sinne der Corporate Identity entwickelt wurde. Bei Abweichungen zwischen dem Selbstbild und dem Fremdbild kommt es zu Spannungen und damit zu einer Minderung des Werts der Corporate Identity. Die oberste Zielsetzung der Corporate Identity liegt in der Schaffung von Sicherheit und Vertrauen bei Außenstehenden und Mitarbeitern zum Nutzen des Unternehmens. Dies kann längerfristig nur durch Stabilität und Kontinuität der Unternehmenspersönlichkeit erreicht werden, wodurch zunächst also eine qualitative Dimension entsteht. Insofern stellt die Corporate Identity ein Erfolgspotenzial dar. Als solches dient sie der dauerhaften Sicherung der Existenz eines Unternehmens und ermöglicht bei entsprechender Entwicklung einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz. Das Erkennen und Aufbauen von Erfolgspotenzialen und damit auch der Corporate Identity ist eine Aufgabe der strategischen Unternehmensführung und dabei speziell der strategischen Planung. Die Nutzung der Erfolgspotenziale im Sinne der Gewinnerzielung ist dagegen eine operative Aufgabe. Hierbei zeigt es sich dann, ob ein entsprechender Aufbau und eine erfolgreiche Durchsetzung der Corporate Identity gelungen sind, ob ein Vorsprung erreicht und dieser auch in einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz umgesetzt werden kann.
7. Früherkennungssysteme
171
Verhalten Kunden Lieferanten
Unternehmensverhalten Unternehmenspersönlichkeit
Fremdbild
eigenständige Institution
Disharmonie
Harmonie
Corporate Identity
Selbstbild
Umfeld
Disharmonie
Selbstbild
Harmonie
Corporate Image
Fremdbild
Verhalten
Corporate Culture
Mitarbeiter
Innenfeld
Abb. 92: Corporate Identity und Corporate Image
7. Früherkennungssysteme Ökonomische Früherkennungssysteme sind im Zusammenhang mit der Entwicklung einer strategischen Unternehmensführung bzw. des strategischen Controlling entstanden. Vorbilder hierzu gibt es in verschiedenen Lebensbereichen. In der Medizin gilt z. B. das Fieber als Hinweis auf die Entstehung einer Erkrankung, beim Militär dienen Radarsysteme zur frühzeitigen Aufdeckung möglicher Angriffshandlungen, in der Zoologie ist bekannt, dass Leittiere rechtzeitig mögliche Gefahren wittern und diese Information an ihre Artgenossen weitergeben.
172
I. Steuerungssysteme und Instrumente
Grundlegende Zielsetzung eines ökonomischen Früherkennungssystems ist es, durch eine systematische Gewinnung von Informationen externer Art strategische Überraschungen zu verhindern. Als strategisches Radar stellt es somit eine spezielle Art von Informationssystem dar, das mögliche Gefahren und Chancen so frühzeitig aufzeigen soll, dass aufgrund des zeitlichen Vorlaufs rechtzeitig geeignete Maßnahmen zur Sicherung der Existenz des Unternehmens ergriffen werden können. Frühinformationen haben insofern existenzielle Bedeutung und damit eine strategische Dimension. Sie sollen das Unternehmen für externe Veränderungen sensibilisieren, um einen permanenten, evolutionären Prozess der Anpassung der vorhandenen Strategien zu ermöglichen. Inhalt und Umfang erforderlicher Reaktionen hängen im Wesentlichen von folgenden Tatbeständen ab: • • • •
Richtung des Ereignisses (Gefahr bzw. Chance), Qualität der Wahrscheinlichkeit des Eintritts (Ungewissheitsgrad), Qualität des Einflusses (Strategische Relevanz) und Umfang des zeitlichen Vorlaufs (Dringlichkeit).
Der Begriff Früherkennungssystem umfasst sowohl den negativen Aspekt der frühzeitigen Warnung vor Gefahren wie auch den positiven Aspekt der frühzeitigen Erkennung von Chancen. Zum Teil besser geeignete Bezeichnungen wie „Problemerkennungssystem“, „Frühanalysesystem“, „Frühaufklärungssystem“ usw. haben sich bisher jedoch nicht durchgesetzt. Alle Früherkennungssysteme basieren auf der Annahme, „dass der Zeitpunkt der erstmaligen Beobachtbarkeit von relevanten Veränderungen vor dem Zeitpunkt der Auswirkung auf das Unternehmen und damit auf das Strategieziel liegt“58. Die strategischen Veränderungen treten dabei nicht abrupt auf, sie kündigen sich vielmehr durch Signale in Form von Vermutungen, Prognosen, Ereignissen, Erscheinungen usw. an. Nach Ansoff handelt es sich hierbei um sogenannte „schwache Signale“59 (weak signals). Zu ihrer Identifikation und weiteren Überwachung ist eine systematische Umweltbeobachtung (environmental scanning) erforderlich. Die identifizierten Signale stellen Ereignisindikatoren dar, deren Relevanz für das Unternehmen noch nicht von Anfang an eindeutig bestimmt werden kann. Ihre mögliche Auswirkung auf die Unternehmensstrategie muss je nach Informationsstand im Zeitablauf immer wieder neu interpretiert werden. Früherkennungs- bzw. Frühchanceninformationen mit einem verbleibenden Unbestimmtheitsgrad werden als „weiche Fakten“ (soft facts) bezeichnet. Sie können durch eine Anpassung an strategische Veränderungen zum frühest möglichen Zeitpunkt zu einer Vermeidung der Vergeudung der strategischen Ressource Zeit beitragen. Als Beispiel für ein soft fact kann das von einem Auslandsvertreter in Erfahrung gebrachte Gerücht gelten, dass ein bedeutender Konkurrent sich möglicherweise ganz oder teilweise aus einem Marktsegment zurückzuziehen beabsichtigt. Neben den schwachen gibt es auch die sogenannten „starken Signale“ (strong signals). Sie stellen Leitindikatoren dar, deren Relevanz für die Unternehmensstrategie eindeutig ist. Früherkennungs- bzw. Frühchanceninformationen dieser Art haben einen eindeutigen Ursache-Wirkungs-Charakter. Als „harte Fakten“ (hard facts) machen sie eine sofortige strategische Reaktion erforderlich.
58 59
Vgl. Coenenberg, A., Baum, H.G., Strategisches Controlling; 3. Auflage, München 2003 Vgl. Ansoff, I., Management Strategie. 1999.
7. Früherkennungssysteme
173
Ein umfassendes Früherkennungssystem ist so angelegt, dass es gleichzeitig schwache und starke Signale empfangen kann. Dabei ist es auch möglich, dass sich weak signals mit fortschreitender Beobachtung zu strong signals entwickeln. Die Früherkennung lässt sich als Prozess verstehen, der die drei Phasen der Identifikation, der Diagnose sowie der Evaluation umfasst. Die Grundstruktur eines strategischen Früherkennungssystems umfasst folgende Teilbereiche: • • •
Festlegung und Überwachung der Beobachtungsbereiche; Gewinnung von Frühindikatoren als Gefahren und Chancen je Beobachtungsbereich; Entdeckung von möglichen Gefahren und neuen Chancen anhand der Veränderungen bei den Frühindikatoren.
Unternehmung
Umfeld
Früherkennungssystem
Umfeld
Beobachtungsbereich
Signale
Empfang: Identifikation
Charakterisierung: Diagnose
Reaktionsbereich
Bedeutung: Evaluation
schwache Signale
starke Signale
Ereignisindikatoren
Leitindikatoren
soft facts: interpretationsbedürftig, daher weitere Beobachtung
hard facts: eindeutiger Wirkungscharakter, daher sofortige Reaktion
Vorbereitung von strategischen Anpassungen
Durchführung von strategischen Anpassungen
Stadien der Ignoranz
Abb. 93: Funktionsweise von Früherkennungssystemen Bei der organisatorischen Eingliederung eines Früherkennungssystems in das Unternehmen sollte die Erfassung und Analyse der Information dezentral, die Koordination und Auswertung zentral erfolgen, um ein möglichst umfassendes und breit gestreutes Beobachtungsfeld
174
I. Steuerungssysteme und Instrumente
sicherzustellen. Dabei ist auch zu beachten, dass das Früherkennungssystem seine Eigenständigkeit vor allem gegenüber der strategischen Planung behält, um einen möglichen Missbrauch im Sinne einer einseitigen Beeinflussung bei der Suche nach Informationen zu vermeiden.
8. GAP-Analyse Jedes Unternehmen wird durch strategische, d. h. längerfristige Zielvorstellungen grundlegender Art geprägt und beeinflusst. Dazu ist es erforderlich, die stets vorhandenen, jedoch häufig unbewusst betriebenen Strategien erkennbar zu machen. Nur bewusste, also klar erkennbare Strategien sind beurteilbar und damit auch gestaltbar. Einen wesentlichen Ansatz hierzu stellt die GAP- oder Lückenanalyse dar. In ihr werden zwei oder mehrere Entwicklungslinien gegenübergestellt, die auf jeweils unterschiedlichen Inhalten beruhen und deren Entwicklung von der Gegenwart bis zu einer absehbaren Zukunft reichen. Die klassische Form der GAP-Analyse ist das Zwei-Kurven-Modell. Es besteht aus der Zielkurve und der Prognosekurve. Auf der Grundlage gegebener strategischer Zielsetzungen wird mithilfe quantifizierbarer Vorgaben für den gesamten strategischen Planungshorizont die Zielkurve festgelegt. Unabhängig davon erfolgt auf der Basis der derzeitigen Planwerte eine Prognose in Form einer Hochrechnung aus vorliegenden, quantifizierten Werten, die ebenfalls über den gesamten Planungshorizont reicht. Die Prognosekurve geht dabei von der Annahme aus, dass die in der Vergangenheit verfolgten Strategien bis zum Planungshorizont unverändert bleiben.
8. GAP-Analyse
175
Ziel-/Prognosewerte
Prognosekurve Zielkurve
Ziellücke Strategische Lücke
Prognosekurve
Vergangenheit
Gegenwart
Planungshorizont
Zukunft
Abb. 94: Zwei-Kurven-Modell: klassische Form der GAP-Analyse Der Vergleich zwischen der Ziel- und der Prognosekurve kann folgende Ergebnisse zeigen: •
• •
Die Zielkurve liegt über der Prognosekurve; es entsteht eine strategische Lücke, d. h. ein strategisches Defizit; um die strategischen Ziele zu erreichen, müssen die derzeitigen Strategien eine Veränderung in Richtung einer höheren Effizienz erfahren; anzustreben ist die Verminderung bzw. Schließung der strategischen Lücke. Die Prognosekurve liegt über der Zielkurve; es entsteht eine Ziellücke, d.h. ein strategischer Überschuss; in diesem Falle müssen die strategischen Zielsetzungen überprüft werden, um eine Verminderung bzw. Schließung der Ziellücken zu erreichen. Die Zielkurve und die Prognosekurve sind deckungsgleich; die strategische Lücke ist Null; eine Veränderung der Strategien bzw. Ziele ist nicht erforderlich.
Eine Erweiterung der Lückenanalyse kann dadurch erreicht werden, dass zusätzlich zu der Zielkurve und der Plan-Prognosekurve eine Prognosekurve auf der Grundlage von IstWerten eingefügt wird. Aus dem Zwei-Kurven- wird dann ein Drei-Kurven-Modell. Die Ist-Prognosekurve basiert auf tatsächlich erreichten Werten, die eine Hochrechnung bis zum Planungshorizont erfahren. Der Vergleich zwischen der Ziel-, Plan- und der Ist-Prognosekurve kann folgende Ergebnisse zeigen: •
Vergleich zwischen der Plan-Prognosekurve und der Ist-Prognosekurve; eine Abweichung zwischen beiden ergibt eine operative Lücke; sie ist wesentlich auf Unwirt-
176
•
I. Steuerungssysteme und Instrumente
schaftlichkeiten zurückzuführen und kann daher auch als Leistungslücke bezeichnet werden. Vergleich zwischen Ist-Prognosekurve und Zielkurve; eine Abweichung zeigt die gesamte mögliche Lücke zwischen strategischer Zielsetzung und der Entwicklung eines Unternehmens ohne operative und strategische Veränderungen. Ziel-/Ist-/Planungsprognosewerte
Zielkurve Plan-Prognosekurve
Strategische Lücke Operative Lücke
Ist-Prognosekurve
Vergangenheit Gegenwart
Planungshorizont
Zukunft
Abb. 95: Drei-Kurven-Modell mit Ziel-, Plan- und Ist-Prognosekurve Die GAP-Analyse kann als ein geeigneter Ansatz insbesondere im Bereich der strategischen Kontrolle verstanden werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass jeweils nach Feststellung entsprechender Lücken eine Suche nach den Ursachen und die Entwicklung und Durchsetzung von geeigneten Steuerungsmaßnahmen erforderlich werden.
9. Informationssysteme Die Struktur der Informationssysteme im Unternehmen lässt sich grundsätzlich in folgende hierarchische und inhaltliche Ebenen differenzieren: • • •
Ebene 1: Executive-Informationssysteme, Ebene 2: Management-Informationssysteme und Ebene 3: partielle Systeme.
9. Informationssysteme
177
In Executive-Informationssystemen werden die Informationen aus einem oder mehreren Management-Informationssystemen in aggregiertem Zustand dem Topmanagement zur Verfügung gestellt. Die Informationen beziehen sich auf steuerungsrelevante Tatbestände bezüglich des gesamten Unternehmens. Management-Informationssysteme sind integrierte, IT-gestützte Systeme zur Informationsaufnahme, -speicherung, -verarbeitung und -ausgabe, die jeder Leitungsebene alle steuerungsrelevanten Informationen rechtzeitig und in empfängerorientierter Form zur Verfügung stellen. Dazu werden u. a. Daten aus den partiellen Systemen in aggregierter Form angeboten. Partielle Systeme stellen Informationen u. a. für bestimmte Funktionsbereiche und/oder für bestimmte Ziel- und Steuerungsgrößen zur Verfügung. Bei IT-gestützten Management-Informationssystem (MIS) kann der Empfänger selbst durch das System navigieren und seinen individuellen Informationsbedarf decken. Dabei stehen ihm in der Regel Drill-Down-Analysen (Wie setzt sich eine aggregierte Zahl zusammen?), Abweichungsanalysen, Prognosen, und Simulationen zur Verfügung. Ein MIS basiert auf einem „Data Warehouse“ (Datenlager), das Daten aus unternehmensinternen und externen Quellen enthält und in der Regel Ist-Werte für mehrere Jahre speichert.60 Enthält das MIS auch zukunftsorientierte Funktionen, die bei der strategischen und operativen Planung zum Einsatz kommen, spricht man auch von einem „Decision Support System“ (DSS), einem entscheidungsunterstützenden System. Management-Informationssysteme sind nicht zu verwechseln mit Executive-Informationssystemen (EIS), d. h. mit Führungsinformationssystemen. Sowohl die Zielgruppe als auch die Anzahl und Verdichtungen der verfügbaren Informationen unterscheidet sich deutlich: Während ein MIS sich an die unteren und mittleren Führungsebenen und einzelne besonders dafür qualifizierte Mitarbeiter in den Fachabteilungen richtet, ist ein EIS speziell für die oberste Führungsebene konzipiert und enthält zeitnahe Informationen über die kritischen Erfolgsfaktoren des Unternehmens. Auch im EIS kann bei Bedarf auf detailliertere Informationen zugegriffen werden; auf der obersten Benutzungsebene werden jedoch nur wenige Kennzahlen auf Unternehmensebene angeboten. Insgesamt bilden EIS, MIS und das Data Warehouse eine Informationspyramide, bei welcher der Detaillierungsgrad von unten nach oben abnimmt, während der Informationsumfang in der gleichen Richtung zunimmt.
60
Vgl. Hannig, U.: Vorwort, in Hannig, U. (Hrsg): Data Warehouse und Managementinformationssysteme, Stuttgart 1996, S. 5ff.
178
I. Steuerungssysteme und Instrumente
BI (MIS/EIS)
DataWarehouse
Partielle interne Systeme CuSa
KLR FiBu
.. . Personal
externe Datenquellen
Einzelanwendungen (PCs) Abb. 96: Informationssystemstruktur in Unternehmen Die Abgrenzung zwischen MIS und Berichtswesen ist nicht einfach: Während in der ersten Phase ein MIS meistens zusätzlich zum herkömmlichen Berichtswesen implementiert und genutzt wird, kann es in einer späteren Phase dieses teilweise oder sogar ganz integrieren. In diesem Fall werden die Standardberichte ebenfalls in elektronischer Form umgesetzt und als ein Auswahlpunkt im MIS angeboten, so dass jeder Empfänger die für ihn interessanten Berichte direkt am Bildschirm aufrufen kann. Diese Berichte können dann ebenfalls mit weiterführenden Drill-Down-Funktionen, Grafiken u. ä. verbunden werden.
10. Integrierte Unternehmensgesamtplanung Bei der Integrierten Unternehmensgesamtplanung handelt es sich um den aktuelle dominanten Systemansatz im Bereich der operativen Planung. Darunter wird die systematische Zusammenfassung und gegenseitige Abstimmung aller betrieblichen Teilpläne zu einem geschlossenen System verstanden.
10. Integrierte Unternehmensgesamtplanung
179
Als wesentliche Strukturelemente einer umfassenden Integrierten Unternehmensgesamtplanung als Lösungsansatz für ein operatives Planungssystem haben sich die nachfolgend dargestellten Objekte, Ebenen, Inhalte, Horizonte, Integrationen und Instrumente herausgebildet. Sie können unternehmensindividuell kombiniert und entsprechend den betrieblichen Zielsetzungen eingesetzt werden. Bezüglich der Struktur der Unternehmensplanung werden in der Praxis regelmäßig die Einteilungskriterien Planungsgegenstand sowie Planungsinhalt und Planungszeitraum herangezogen. Planungsgegenstand Planungsgegenstand können entweder die Funktionsbereiche oder die relevanten Projekte eines Unternehmens oder eine Mischung beider Formen sein. Überwiegend werden die Funktionsbereiche wie Beschaffung, Produktion, Absatz usw. herangezogen. Aber auch die prozessuale Sicht existiert z. B. in Form von Investitionen. Die Vielzahl der dabei entstehenden Teilplanungen werden in zwei Gruppen zusammengefasst: Aktivitätenplanungen und Ergebnisplanungen. Unter Aktivitäten versteht man die Handlungen, die zur Zielerreichung in den unterschiedlichen Funktionsbereichen notwendig sind. Ihre Abwicklung wirkt einerseits leistungsstabilisierend bzw. -erhöhend und verursacht zugleich Werteverzehre als Kosten. Die Verknüpfung beider Wirkungen führt zum geplanten Ergebnis einer Periode. Die Ergebnisse werden in unterschiedlichen Ergebnisplanungen, d. h. Betriebsergebnisplanung, GuV-Planung und Bilanzplanung ausgedrückt. Im Rahmen der funktionenorientierten Planung existieren die im Folgenden beschriebenen Teilpläne in Form von Aktivitäten- oder Ergebnisplänen.
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I. Steuerungssysteme und Instrumente
horizontale Integration Planungsinhalte/ -zeiträume
Unternehmensgesamtplanung
vertikale Integration
Planungsbereich
Operative Planung kurzfristige Planung
mittelfristige Planung
langfristige Planung
Aktivitätenplanungen: • Vertriebsplanung • Forschungs- u. Entwicklungsplanung • Produktionsplanung • Beschaffungs- u. Lagerplanung • Verwaltungsplanung • Personalplanung • Investitionsplanung • Finanzplanung Ergebnisplanungen • G+V-Planung • Bilanzplanung
Abb. 97: Struktur einer operativen Integrierten Unternehmensgesamtplanung Aktivitätenplanungen Die Aktivitätenplanungen sind die Vertriebsplanung, die Forschungs- und Entwicklungsplanung die Produktionsplanung, die Beschaffungsplanung- und Lagerplanung, die Personal-, Investitions- und Finanzplanung im Sinne der Verwaltungsplanung. Im Rahmen der Vertriebsplanung werden der Absatz quantitativ sowie der Umsatz wertmäßig jeweils differenziert nach Produkten und Regionen usw. geplant. Dabei wird festgelegt, welche Produkte (Absatzprogramm) in der Planperiode verkauft werden sollen, welche Mengen je Produkt abgesetzt werden sollen (Mengen-, Absatzplanung), welche Preise dabei erzielt werden sollen (Preisplanung) und welche Absatzgebiete erreicht werden sollen. Weitere Planungen, die im Vertrieb abgewickelt werden, sind die Werbeplanung (Förderung des Absatzes), die Planung der Vertriebslogistik (Vertriebs- und Absatzwege), die Vertriebspersonalplanung, die Investitionsplanung und die Planung der Vertriebskosten. Die Verknüpfung dieser Planungen ergibt in der Summe die Vertriebsplanung. Die Forschungs- und Entwicklungsplanung (F&E) umfasst die Planung der F&EProjekte. Dabei wird die Forschung in die Grundlagenforschung und die anwendungsorientierte Forschung eingeteilt. In der Grundlagenforschung wird versucht, grundlegend neue Erkenntnisse zu gewinnen, welche die Entwicklung völlig neuer Produkte nach sich zieht. In der anwendungsorientierte Forschung wird versucht, Neuerungen grundlegender Art an einem vorhandenen Produkt zu entwickeln.
10. Integrierte Unternehmensgesamtplanung
181
Die Entwicklung setzt die Erkenntnisse aus der Forschung um. Dabei wird die Produktgestaltung kunden- und funktionsorientiert festgelegt. Die Konstruktion schließlich wendet alle Erkenntnisse der Forschung und Entwicklung an und erstellt Konstruktionszeichnungen und Stücklisten für die einzelnen Produkte. Weitere Planungen, die im Rahmen der F&E-Planung abgewickelt werden, sind die Personalplanung, die Investitionsplanung, die Kostenplanung und die Budgetplanung Die Produktionsplanung beinhaltet die quantitäts- und qualitätsorientierte Gestaltung des Produktionsprogramms. Dabei wird festgelegt, welche Produkte in welcher Menge hergestellt werden sollen. Es erfolgt eine Orientierung an der Vertriebsplanung unter Berücksichtigung der Lagerplanung. Zusätzlich erfolgt eine Umsetzungsplanung in Form der Fertigungsplanung. Ziel dieser Planung ist die möglichst optimale Gestaltung der Produktionsprozesse. Sie umfasst die Erstellung von Arbeitsplänen, die den Produktionsablauf für die Herstellung eines Produkts festlegen. Dabei wird für jedes Produkt angegeben, welches Material benötigt wird, welche Arbeitsschritte nacheinander vollzogen werden müssen, welche Arbeitsmittel (Maschinen) dafür notwendig sind, wie hoch der Zeitbedarf ist und welche Qualifikationen die Mitarbeiter besitzen müssen. Die Fertigungsplanung besteht aus der Produktionsmittelplanung, der Materialplanung, der Personalplanung, der Investitionsplanung, der Produktionskostenplanung sowie der Produktionsbudgetplanung. Die Beschaffungs- und Lagerplanung umfasst die drei Teilbereiche Einkaufs-, Lagerund Transportplanung. Ziel ist eine möglichst optimale Bereitstellung von Material, benötigten Fremdteilen, Handelsware usw. Dabei sind die Güter in der richtigen Menge, zur richtigen Zeit, in der richtigen Qualität und am richtigen Ort vorzusehen. Die Beschaffungsund Lagerplanung gliedert sich in die Materialbedarfsplanung (Disposition), die Materialbestandsplanung (Lagerplanung) und die Materialbeschaffungsplanung (Einkauf), sowie die Planung des Personals, der Investitionen, der Kosten und des Budgets.61 Die Verwaltungsplanung beinhaltet die Planung des Personals und der Investitionen der Verwaltung. Weiterhin erfolgt in dieser Planung die Aggregation aller bereichsübergreifender Planungen. Diese sind die Personalplanung, die Investitionsplanung sowie die Finanzplanung. Die Personalplanung berücksichtigt die Interessen der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber, der Gewerkschaften und der Gesellschaft. Dabei werden die Ansätze der Individual- und der Kollektivplanung unterschieden. Die Individualplanung stützt sich auf den aktuellen Entwicklungsstand des Unternehmens und auf dessen erwartete Entwicklung. Dabei werden die Planungsarten Laufbahnplanung, Besetzungsplanung, Entwicklungsplanung und Einarbeitungsplanung unterschieden. • •
61
Die Laufbahnplanung umfasst die Beschreibung der Beförderungsmöglichkeiten in Abhängigkeit zu bestimmten Tätigkeiten. Bei der Besetzungsplanung werden die Arbeitnehmer bestehenden und/oder neuen Stellen zugeordnet.
Vgl. hierzu und im Folgenden: Ehrmann, H.: Planung, Ludwigshafen 1995.
182
• •
I. Steuerungssysteme und Instrumente
Die Entwicklungsplanung ist die Grundlage für die bedarfsadäquate Qualifikation des Personals. Durch die Einarbeitungsplanung wird die systematische Vorbereitung des Personals auf stellenbezogene Anforderungen sichergestellt.
Die Kollektivplanung orientiert sich an dem Bedarf von Mitarbeitergruppierungen einzelner Teilbereiche eines Unternehmens. Es werden dabei quantitative und qualitative Aspekte berücksichtigt. Sie umfasst die Planungsarten Personalbedarfsplanung, Personalbestandsplanung, Personalveränderungsplanung, Personaleinsatzplanung, Personalentwicklungsplanung und Personalkostenplanung. • • • • • •
Bei der Personalbedarfsplanung wird der leistungsorientierte Personalbedarf ermittelt. Die Personalbestandsplanung ermittelt zu einem bestimmten Stichtag den aktuellen Personalbestand. Die Personalveränderungsplanung basiert auf der Personalbedarfs- und der Personalbestandsplanung. Bei Abweichungen werden Maßnahmen (Neueinstellung und/oder Entlassungen) initiiert. Die Aufgabe der Personaleinsatzplanung ist es, entsprechendes Personal in Abhängigkeit vom Arbeitsanfall bereitzustellen (z. B. Schichtplan). Bei der Personalentwicklungsplanung werden orientiert am Aus- und Fortbildungsbedarf entsprechende Maßnahmen geplant. Im Rahmen der Personalkostenplanung werden alle personalbezogenen Kosten ermittelt.
Die Investitionsplanung umfasst die Planung einzelner Investitionsobjekte sowie die Aufstellung eines optimalen Investitionsprogramms. Generell werden Investitionen in Sachinvestitionen, Finanzinvestitionen und immaterielle Investitionen differenziert. Dabei sind die Investitionsarten Erst- oder Gründungsinvestitionen, Ersatzinvestitionen und Erweiterungsinvestitionen zu unterscheiden. Ziel dieser Planung ist die Messung und Sicherstellung der Vorteilhaftigkeit von Investitionen. Dazu sind quantitative (z. B. Kosten) und qualitative (z. B. Umwelt) Faktoren zu beachten. Je nach den zu berücksichtigenden Kriterien stehen unterschiedliche Beurteilungsverfahren zur Verfügung. Diese gliedern sich in die Investitionsrechnungen und sonstige betriebswirtschaftliche Bewertungsverfahren. Der Finanzplan enthält Vorschauinformationen bzgl. der finanziellen Entwicklung eines Unternehmens. Er steht in enger Beziehung zum Absatz-, Beschaffungs-, Lager-, Produktions-, Personal- und Investitionsplan. Er stellt die periodenorientierte Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben dar und ist Grundlage für die Sicherstellung des finanziellen Gleichgewichts. Er basiert auf den Geldströmen des Unternehmens. Der Finanzplan enthält im Einzelnen: • • • •
den Anfangsbestand der Zahlungsmittel, die Einnahmen, die Ausgaben und den Endbestand an Zahlungsmitteln.
Das wesentliche Ziel der Finanzplanung ist die Sicherstellung der Liquidität des Unternehmens. Dazu wird zunächst die Summe aus dem Anfangsbestand der Zahlungsmittel und den Einnahmen ermittelt. Durch Gegenüberstellung der Ausgaben wird die Zahlungsmitteldifferenz berechnet. In Abhängigkeit des Werts der Zahlungsmitteldifferenz (positiv, negativ
10. Integrierte Unternehmensgesamtplanung
183
oder = 0) werden entsprechende Ausgleichsmaßnahmen geplant. Dafür stehen entsprechende Finanzierungsinstrumente zur Verfügung, die nach Art der Finanzierung (Eigen- oder Fremdfinanzierung) gegliedert sind.
Finanzplan Feb. März … Jan. Plan/Ist Plan/Ist Plan/Ist Plan/Ist I.
Anfangsbestand an Zahlungsmitteln
II. Einnahmen Einnahmen aus Umsätzen Einnahmen aus Verkauf von Anlagevermögen Einnahmen aus Rückzahlungen … III. Ausgaben Ausgaben für Investistionen Ausgaben für Material Ausgaben für Personal … IV. Endbestand an Zahlungsmitteln Abb. 98: Finanzplan In den Ergebnisplanungen erfolgt u. a. die Abbildung der monetären Auswirkungen der einzelnen Aktivitätenpläne. Zu den Ergebnisplanungen gehören die Plan-Gewinn-undVerlustrechnung (Plan-GuV) und die Planbilanz. Im Rahmen der GuV-Planung erfolgt eine bereichsübergreifende Aggregation der Aufwendungen und Kosten aller betrieblichen Aktivitäten sowie der geplanten Leistungen. Das Gesamtergebnis lässt sich dabei in ein Betriebsergebnis und in ein Neutrales Ergebnis unterteilen. Durch Vergleich der geplanten Entwicklung der Aktiva und der Passiva einer Periode entsteht die Planbilanz. Eine aufgestellte Planbilanz gibt am Ende der Periode Orientierungshilfen bei der Gestaltung der Bilanzpolitik.
184
I. Steuerungssysteme und Instrumente
Integration der Teilplanungen Die Unternehmensgesamtplanung besteht aus mehreren Teilplanungen, die durch eine widerspruchsfreie Verknüpfung zu einem Gesamtsystem zu verbinden sind. Die Integration soll eine höchstmögliche Widerspruchsfreiheit zwischen den verschiedenen Teilplänen bezogen auf die Kapazitäten herbeiführen. Sie verknüpft die Teilpläne zu einem weitgehend widerspruchsfreien Gesamtsystem und sorgt damit für eine verbesserte Wirtschaftlichkeit. Dabei reicht eine einfache Addition nicht aus. Vielmehr müssen die innerhalb der Teilbereiche und vor allem auch die zwischen den Teilplanungen vorliegenden Wirkungszusammenhänge und gegenseitigen Beeinflussungen aufgedeckt und berücksichtigt werden. Der Vorgang der Integration vollzieht sich auf den beiden Ebenen der Gegenstandsintegration bzw. der Inhalts-/Zeitintegration. Bei der Abstimmung der jeweiligen Planungsgegenstände handelt es sich um die Verknüpfung zwischen den Planungsbereichen Beschaffung, Produktion, Absatz usw. Bei der Zeitintegration werden die Einflüsse der unterschiedlichen temporären Horizonte abgestimmt. Man unterscheidet drei Verfahren bzw. Methoden, mit deren Hilfe eine solche Integration möglich ist, das Simultan-, das Sukzessiv- und das Koordinationsverfahren. Beim Simultanverfahren beginnen alle Teilbereiche den Planungsprozess gleichzeitig und vollziehen zur gleichen Zeit einen ersten noch isolierten Planungsschritt. Nach dessen Vollzug werden alle Teilbereiche aufeinander abgestimmt. Anschließend erfolgt der zweite Planungsschritt wiederum isoliert. Dann erfolgt eine erneute Abstimmung bevor der dritte Planungsschritt beginnt usw. Alle Teilbereiche schließen ihre Planung gleichzeitig ab. Dieses Planungsverfahren hat den Vorteil einer höchstmöglichen Widerspruchsfreiheit. Es ist jedoch ein sehr zeitintensives Verfahren und deshalb bisher wenig praktiziert. Eine wesentliche Anwendung dieses Verfahrens stellen die Produktionsplanungssysteme (PPS) für den Bereich der Materialwirtschaft und der Produktion dar. Dadurch ist eine partielle simultane Integration ermöglicht. Das Sukzessivverfahren strebt eine schrittweise Integration aller Planungen an. Der Planungsprozess beginnt in einem einzigen Teilbereich und wird dort komplett abgeschlossen. Nach dem Ausgleichsgesetz der Planung stellt der Engpass die Primärplanung dar. Der Engpassbereich kann z. B. durch Marktrestriktionen und/oder Finanzrestriktionen bestimmt werden. Orientiert an der Engpassplanung wird eine Reihenfolge der durchzuführenden Planungen festgelegt, die dem Engpass nachgelagerten Planungen werden also schrittweise an diesen angepasst. Der Planungsprozess ist abgeschlossen, wenn alle Teilplanungen engpassorientiert durchgeführt und damit integriert wurden. Dieses Verfahren wird in der Praxis am häufigsten verwendet, da es praktikabel und leistungsfähig zugleich ist. Das Koordinationsverfahren sieht vor, dass alle Teilbereiche gleichzeitig mit der Planung beginnen und ihren Planungsprozess bis zum Ende isoliert voneinander durchführen. Dann werden alle Pläne miteinander verglichen und erkennbare, wesentliche Abweichungen aufeinander abgestimmt. Dieses Verfahren ist nur für kleinere Unternehmen mit überschaubaren Strukturen empfehlenswert. Dabei entsteht zunehmend das Problem, dass die zentrale Stelle, d. h. in der Regel die Geschäftsleitung bzw. das Controlling, die letztendliche Verantwortung für die Planung übernimmt und deren Abstimmung dominiert.
10. Integrierte Unternehmensgesamtplanung
Planungen Integrationsmethoden
A
185
B
C
Teilplanungen D E F
G
H
Simultanverfahren gleichzeitige Integration aller Planungen Engpass Sukzessivverfahren schrittweise Integration aller Planungen
Koordinationsverfahren Integration durch fallweise Einzeländerungen Abb. 99: Integrationsmethoden bei der Unternehmensplanung Grundsätzlich wird im Rahmen der Integrierten Unternehmensgesamtplanung zwischen der horizontalen und der vertikalen Integration unterschieden. Die horizontale Integration umfasst die möglichst widerspruchsfreie Abstimmung der kurz-, mittel- und langfristigen Pläne. Die vertikale Integration umfasst die möglichst widerspruchsfreie Abstimmung der Teilpläne innerhalb einer Periode. Zusätzlich zur inhaltlichen Integration ist in einem Planungssystem die hierarchische, vertikale Integration zu lösen. Die Abstimmung zwischen den Organisationsebenen, die sogenannte Hierarchiedynamik, kann mit den Methoden: • Top-down, • Bottom-up und • Gegenstromverfahren in Form des Down-up bzw. Up-down erfolgen.
Wirkungen der Integrierten Unternehmensgesamtplanung Insbesondere in Zeiten eines verstärkten Wettbewerbs und hoher Unsicherheiten ermöglicht ein integriertes Planungssystem eine vergleichsweise homogene Entwicklung des Unternehmens. Dies ist auf das „Ausgleichsgesetz der Planung“ zurückzuführen. Kurzfristig reguliert der Engpassbereich die Gesamtplanung und die Leistungsfähigkeit des Betriebs. Langfristig wird der Engpass dadurch tendenziell gemildert, dass die Kapazitäten der einzelnen Bereiche aufeinander abgestimmt werden. Dies geschieht entweder durch Investitionen im Engpassbereich (Wachstum des Unternehmens) oder durch Desinvestitionen in den
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I. Steuerungssysteme und Instrumente
anderen Bereichen (Schrumpfung des Unternehmens). Innerhalb des Unternehmens können damit die Kapazitätsunterschiede zwischen den Teilbereichen auf Dauer minimiert werden. Generell kann festgestellt werden, dass es in einem Unternehmen immer einen Engpass gibt. Dies ist auf die unterschiedliche Teilbarkeit der Produktionsfaktoren zurückzuführen. Damit wird die besondere Aufgabe der Planung deutlich, das gesamte Unternehmen engpassgesteuert zu gestalten.
11. Kennzahlen Informationssysteme basieren wesentlich auf Kennzahlen. Diese sind zweckorientierte Informationsgrößen und geben in komprimierter und konzentrierter Form Auskunft über wichtige, quantitativ erfassbare betriebswirtschaftliche Tatbestände und Entwicklungen eines Unternehmens oder einer Institution. Sowohl bei der internen als auch bei der externen Verwendung haben Kennzahlen eine informative Funktion, d. h. zweckorientiertes Wissen für Entscheidungen bereitstellen. Sie können jedoch auch eine Kontrollfunktion haben, wenn sie Zielvorgaben auf verschiedene Ebenen des Unternehmens transportieren und diese dann im Vergleich mit realisierten Werten einen effizienten Kontrollprozess ermöglichen. Kennzahlen können absolute oder relative Zahlen sein. Absolute Zahlen können Einzelzahlen, Summen, Differenzen oder einfache und gewogene Mittelwerte sein und werden in Bestands- und Bewegungszahlen differenziert. Daraus ergeben sind vier eigenständige betriebswirtschaftliche Kennzahlentypen: • • • •
Risikokennzahlen Typ A (Bestandszahl/Bestandszahl), Risikokennzahlen Typ B (Bestandszahl/Bewegungszahl), Ertragskraftkennzahlen Typ A (Bewegungszahl/Bewegungszahl), Ertragskraftkennzahlen Typ B (Bewegungszahl/Bestandszahl).
Relative bzw. Verhältniszahlen werden in Gliederungszahlen, Beziehungszahlen, Indexzahlen und Messzahlen unterschieden. Gliederungszahlen sind wesensgleiche Quantitäten, die zueinander in Beziehung gesetzt werden, z. B. Anlagevermögen/Gesamtvermögen. Bei Beziehungszahlen handelt es sich um das Verhältnis zweier Zahlengrößen, die sachlich miteinander in Beziehung stehen, z. B. Eigenkapital/Fremdkapital. Indexzahlen werden benutzt, um durchschnittliche Veränderungen bestimmter Daten im Zeitablauf darzustellen. Messzahlen beschreiben das Verhältnis zweier gleichartiger Größen, die sich nur durch ein Merkmal, das zeitlicher, räumlicher oder sachlicher Art sein kann, unterscheiden.62 Weiterhin werden betriebswirtschaftliche Kennzahlen differenziert: • •
nach ihren Quellen im Rechnungswesen sowie nach betrieblichen Funktionen.63.
62
Vgl. Radke, M.: Das ZVEI-Kennzahlensystem, in Ebert, G. (Hrsg.): Controlling – Managementfunktion und Führungskonzeption, 4. Aufl., Landsberg 1992, Band 2, III.2., S. 7ff. Vgl. Radke, M.: .: Das ZVEI-Kennzahlensystem, in Ebert, G. (Hrsg.): Controlling – Managementfunktion und Führungskonzeption, 4. Aufl., Landsberg 1992, Band 2, III.2., Seite 6.
63
11. Kennzahlen
Kriterium
187
Arten von Kennzahlen
Funktionsbereiche
Beschaffung, Produktion, Absatz, Lager, Personal, Finanzen
Zeitliche Struktur
Zeitpunktgrößen
Zeitraumgrößen
Inhaltliche Struktur
Wertgrößen
Mengengrößen
Dimension
strategisch
operativ
Quelle im RW
Bilanz, Buchhaltung, Kosten- u. Leistungsrechnung, Statistik
Relevanz der Aussage
Teilbetrieb
Gesamtbetrieb
Orientierung
Soll-Kennzahlen
Ist-Kennzahlen
Statistik/Methodik
Absolute Zahlen Mittelwerte Verhältnis- Indexzahlen Bestandszahlen zahlen Bewegungszahlen
Abb. 100: Klassifizierung von Kennzahlen Durch Kennzahlenvergleiche kann insbesondere die Informationsaufgabe von Kennzahlen geleistet werden. Sie sind als innerbetriebliche oder zwischenbetriebliche Vergleiche auf der Basis eines Ist-/Ist- oder Soll-/Ist-Vergleichs denkbar. Bei zwischenbetrieblichen Vergleichen werden in der Regel nur Verhältniszahlen verwendet. Die innerbetrieblichen Vergleiche basieren dagegen auf allen möglichen Kennzahlentypen und gestatten auf der Grundlage des Plan- bzw. Soll-/Ist-Vergleichs eine wirksame Kontrolle. Diese führt dann mittels einer Abweichungsanalyse zu zielkonformen Korrekturmaßnahmen. Die An- und Verwendung von Kennzahlen als Controlling- bzw. Führungsinstrument kann durch die Gestaltung und Implementierung von Kennzahlensystemen erheblich intensiviert und optimiert werden. Gleichzeitig führt die Vielfalt der Einteilungsmöglichkeiten von Kennzahlen zur Notwendigkeit der Entwicklung von in sich logisch und/oder mathematisch verknüpften Beziehungssystemen. Diese als Kennzahlensysteme bezeichneten Informationsträger stellen Kennzahlen so zusammen, dass sie in einer sinnvollen Beziehung zueinander stehen, sich gegenseitig ergänzen und erklären sowie als Gesamtheit den Analysegegenstand möglichst ausgewogen und übersichtlich erfassen. Grundsätzlich gilt für alle Kennzahlen, dass ihr Wert an sich noch keine Aussage über die Situation oder den Geschäftsverlauf des Unternehmens erlaubt, sondern erst der Vergleich mit anderen Perioden und/oder anderen Unternehmensteilen und die Gegenüberstellung mit den Plan-/Budgetkennzahlen Erkenntnisse liefern kann, die eine wirksame Steuerung ermöglichen. Zudem hängt die Qualität der Kennzahlen von der Qualität der zugrundeliegenden Informationen ab. Ein weiteres Risiko besteht, wenn das gedankliche Grundgerüst bei
188
I. Steuerungssysteme und Instrumente
der Definition von Kennzahlen fehlerhaft ist. Nicht zuletzt reichen oft rein quantitative Informationen wie Kennzahlen nicht für eine Entscheidungsfindung aus, sondern müssen unbedingt durch qualitative Informationen ergänzt werden.64
12. Kennzahlensysteme Die Vielfalt der möglichen Kennzahlen erfordert die Gestaltung und Implementierung von Kennzahlensystemen, damit diese als Controlling- und Führungsinstrument optimal eingesetzt werden können. In diesen Systemen sollen die verwendeten Kennzahlen in einer sinnvollen Beziehung zueinander stehen, sich gegenseitig ergänzen, sich selbst erklären sowie insgesamt den Analysegegenstand möglichst ausgewogen und übersichtlich erfassen.65 Die Gestaltung solcher Systeme ist nur im Wechselspiel zwischen Führungskräften und Controllern möglich. Ein Kennzahlensystem, in dem die Zahlen in mathematischer und sachlogischer Beziehung zueinander stehen, wird auch Rechensystem genannt. Dieses hat die Struktur einer Kennzahlenpyramide, deren Spitzenkennzahl mathematisch in Teilkennzahlen zerlegt werden kann und bei der die Beziehungen der verschiedenen Kennzahlen untereinander und deren Wirkungen auf die Spitzenkennzahl nachvollziehbar sind. Rechensysteme werden aus Verhältnis- und absoluten Zahlen aufgebaut. Als Konstruktionsprinzipien stehen die vier Grundrechenarten bei der Zerlegung der Verhältniszahlen in absolute Zahlen sowie bei der Zerlegung von absoluten Zahlen in absolute Zahlen zur Verfügung. Ein System, bei dem die Beziehungen zwischen den Kennzahlen ausschließlich sachlogischer Natur sind, wird auch Ordnungssystem genannt. Dabei werden nicht quantifizierbare Beziehungen und Wirkungen zwischen den Elementen transparent gemacht. Diese Vorgehensweise ermöglicht die Strukturierung von Kennzahlen zu Kennzahlenpyramiden auf Grundlage präskriptiver, deskriptiver und empirischer Erkenntnisse.
64
Vgl. Reichmann, T.: Controlling mit Kennzahlen und Managementberichten, 4. Aufl., München 1995, S. 22.
65
Vgl. Groll, K.-H.: Erfolgssicherung durch Kennzahlensysteme, 4. Aufl., Freiburg 1991, S. 19ff.
12. Kennzahlensysteme
189
Informationssystem
Kennzahlensysteme
Zusammenstellung von Kennzahlen, die in einer charakteristischen Beziehung zueinander stehen, sich gegenseitig ergänzen und erklären sowie als Gesamtheit den Analysegegenstand systematisch und ganzheitlich erfassen.
Arten von Kennzahlensystemen
Rechensysteme Beziehungen zwischen Kennzahlen sind mathematischer und sachlogischer Natur.
Ordnungssysteme Beziehungen zwischen Kennzahlen sind ausschließlich sachlogischer Natur.
Abb. 101: Kennzahlensysteme In der Praxis werden überwiegend die folgenden Kennzahlensysteme angewandt: • • •
Das DuPont-Kennzahlensystem, ein Rechensystem basierend auf der Spitzenkennzahl „Return on Investment“ (ROI). Das ZVEI-Kennzahlensystem, ein gemischtes Rechen- und Ordnungssystem mit den Elementen „Wachstumsanalyse“ und „Strukturanalyse“. Das RL-Kennzahlensystem, ein Ordnungssystem mit den beiden Spitzenkennzahlen „Rentabilität“ und „Liquidität“.
190
I. Steuerungssysteme und Instrumente
13. Kostenrechnung Die Entwicklung der Kostenrechnungssysteme lässt sich bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zurückverfolgen. Dabei lassen sich zwei Entwicklungsrichtungen unterscheiden. Einmal waren alle Bemühungen darauf gerichtet, die Kontrollfähigkeit der Kostenrechnung zu verbessern. Zum anderen ging es aber auch um die Gewinnung zusätzlicher Entscheidungshilfen, um in einer Wirtschaft mit zunehmender Konkurrenz und verschärften Konjunkturbewegungen bestehen zu können. Die Verbesserung der Kontrollfähigkeit basiert auf Kostenvergleichen, die wiederum vom Charakter der Kosten abhängen, die im Rahmen einer Kostenrechnung zum Ansatz kommen. Historisch wurden zunächst die Ist-, dann die Normal- und zuletzt die Plankosten entwickelt. Damit lassen sich Ist-Ist-, Normal-Ist-, und Soll-Ist-Kostenvergleiche durchführen. Beim Einsatz von Ist- und Normalkosten als Normgrößen werden dominant vergangenheitsorientierte Kontrollaussagen gewonnen, beim Einsatz von Plankosten als Normgrößen werden dominant zukunftsorientierte Steuerungsaussagen ermittelt. Die konkrete Umsetzung führte zur Entwicklung der Ist-, Normal- und Plankostenrechnungssysteme. Die Erweiterung bzgl. der Entscheidungshilfen wurde im Wesentlichen dadurch erreicht, dass zusätzlich zum ursprünglichen Ansatz von Einzel- und Gemeinkosten auch fixe und variable Kosten in der Kostenrechnung zum Ansatz gebracht wurden. Darauf basieren eine Differenzierung bei der Kostenzurechnung insbesondere auf Kostenstellen und Kostenträger mit unterschiedlichen Informationen bezüglich der Kostenverantwortlichkeit sowie Erkenntnisse bei der Preisgestaltung und Ergebnisermittlung. Die konkrete Umsetzung führte zur Entwicklung der Voll- und Teilkostenrechnungssysteme.66 Die praktische Umsetzung der Kosten- und Leistungsrechnung basiert auf der Kombination unterschiedlicher Elemente aus der Vielzahl der vorliegenden Kostenrechnungssysteme. Aus den vielfältigen Möglichkeiten der realisierten Ansätze lassen sich zwei grundlegende Kostenrechnungssystemmixe ableiten und zwar eine dominant vergangenheitsorientierte sowie eine dominant zukunftsorientierte Variante.
66
Umfassende Informationen zum Thema Kostenrechnung können in Ebert, G., Kosten und Leistungsrechnung, Gabler Verlag, 10. Aufl., Wiesbaden 2003, bezogen werden.
13. Kostenrechnung
191
Ausgangsbasis Einzel-/Gemeinkosten
fixe/variable Kosten
Vollkostenrechnungen (VKR)
Teilkostenrechnungen (TKR)
Istkosten (IK)
VKR mit IK
TKR mit IK
Normalkosten (NK)
VKR mit NK
TKR mit NK
Plankosten (PK)
VKR mit PK
TKR mit PK
fertigungsprozessorientiert
marktorientiert
1. Entwicklungsrichtung
Ausbau der Kontrollfähigkeit
Umfang der Kostenverrechnung Charakter der Kosten
Orientierung 2. Entwicklungsrichtung
Erweiterung der Entscheidungshilfen
Abb. 102: Kontrollfähigkeit und Entscheidungshilfen Der vergangenheitsorientierte Kostenrechnungssystemmix verwendet eine Vollkostenrechnung mit Ist-Kosten als Basissystem. Zur Verbesserung der Kontrollfähigkeit wird dieses durch eine flexible Vollplankostenrechnung und zur Erweiterung der Entscheidungshilfen durch ein Direct Costing bzw. eine Fixkostendeckungsrechnung mit Ist-Kosten ergänzt. Im Mittelpunkt stehen damit die vergangenheitsorientierten Ist-Kosten. Diese werden mithilfe von Plankosten (= Ist-Kosten ± Abweichungen) kontrolliert, um die Frage „Wie gut waren wir?“ beantworten zu können. Der zukunftsheitsorientierte Kostenrechnungssystemmix verwendet eine Grenzplankostenrechnung als Basissystem. Zur Verbesserung der Kontrollfähigkeit und zur Erweiterung der Entscheidungshilfen wird diese durch eine Teilkostenrechnung mit Ist-Kosten, meist in der Form einer Fixkostendeckungsrechnung ergänzt. Um die gesetzlichen Vorgaben insbesondere bei der Bewertung der Bestände berücksichtigen zu können, erfolgt außerdem eine Erweiterung durch eine Vollkostenrechnung mit Ist-Kosten. Im Mittelpunkt stehen damit die zukunftsorientierten Plankosten. Diese werden mithilfe der Ist-Kosten (= Plankosten ± Abweichungen) kontrolliert, um die Frage „Wie können wir besser werden?“ beantworten zu können. Im Mittelpunkt der Unternehmenssteuerung steht die Bereitstellung von Informationen für Entscheidungen. Dabei handelt es sich um jene Kosten, die durch eine Entscheidung unmittelbar beeinflusst werden. Diese Werteverzehre bezeichnet man als relevante Kosten. Ihre Höhe wird durch die jeweiligen Beschäftigungssituation bestimmt. Bei einer Unterbeschäftigung sind alle Produktionsfaktoren frei verfügbar, d. h. es liegen keine Engpässe vor. In
192
I. Steuerungssysteme und Instrumente
dieser Situation sind nur die direkten Kosten (Grenzkosten) entscheidungsrelevant. Bei Voll- bzw. Überbeschäftigung stehen einige Produktionsfaktoren nicht frei zur Verfügung. Die daraus resultierenden Engpässe bedingen als Informationen bei Entscheidungen die direkten Kosten zuzüglich der Opportunitätskosten als entgangenem Nutzen für nicht realisierte Alternativen. Relevante Kosten, die z. B. für Entscheidungen bezüglich Investitionsvorhaben, Eigen- oder Fremdfertigung usw. benötigt werden, liefert die flexible Plankostenrechnung als Teilkostenrechnung (Grenzplankostenrechnung). Außerdem ermöglicht sie mithilfe von Deckungsbeiträgen eine effiziente Programm- und Gewinnsteuerung. Die flexible Plankostenrechnung bildet damit den Kern einer funktionsfähigen Unternehmenskontrolle und Steuerung. Im Rahmen des umfassenden Controllingsystems als einer internen Unternehmensberatung setzt dieses Kostenrechnungssystem eine Integrierte Unternehmensgesamtplanung voraus und muss durch ein wirksames Berichtswesen ergänzt werden. Nachfolgende Abbildung zeigt einen Überblick aller relevanten Kostenrechnungssysteme mit ihren jeweiligen systemimmanenten Merkmalen: Kostenrech- Vollkostenrechnungen nungssystem/ (VKR) Merkmale
Teilkostenrechnungen (TKR)
1.3 Zielsetzung
1.2 Aufbaustruktur
1 .1 Zeitbezug der Kosten
1. Systemindifferente Merkmale (Gemeinsamkeiten) VKR können mit Ist-Kosten, Normalkosten oder Plankosten durchgerechnet werden;
TKR können mit Ist-Kosten, Normalkosten oder Plankosten durchgerechnet werden;
entsprechend kann zwischen Ist-, Normal- und Plankostenrechnungen unterschieden werden.
in der Praxis haben jedoch nur die TKR mit Ist-Kosten (Direktkostenrechnung oder Deckungsbeitragsrechnung, Fixkostendeckungsrechnung) und die TKR mit Plankosten (Grenzplankostenrechnung) Bedeutung.
VKR bestehen aus der Kostenarten-, Kostenstellen- sowie der Kostenträgerrechnung, die in eine Kostenträgerstückrechnung (Kalkulation) und eine Kostenträgerzeitrechnung (Betriebsergebnisrechnung) eingeteilt ist.
TKR bestehen aus der Kostenarten-, Kostenstellen- sowie der Kostenträgerrechnung, die in eine Kostenträgerstückrechnung (Kalkulation) und eine Kostenträgerzeitrechnung (Betriebsergebnisrechnung) eingeteilt ist.
Steuerung und Kontrolle der Wirtschaftlichkeit im Rahmen der Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung.
Steuerung und Kontrolle der Wirtschaftlichkeit im Rahmen der Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung.
13. Kostenrechnung
193
2.1 grundlegende Orientierung
Zunächst müssen alle beschäftigungsabhängigen, also vermeidbaren Werteverzehre durch den Preis gedeckt werden. Darüber hinaus ist ein Deckungsbeitrag zu erzielen, der zumindest die periodenabhängigen, nicht vermeidbaren fixen Kosten durch das Produktionsprogramm decken sollte.
Rückläufige (zunehmende) Auslastung der Kapazitäten führt durch die Proportionalisierung der fixen Kosten zu steigenden (fallenden) Selbstkosten je Produkt und damit zu antizyklischem Verlauf gegenüber der Marktpreisentwicklung. Daraus resultiert eine relativ starre Einstellung gegenüber den Preisveränderungen im Sinne eines prozyklischen Verhaltens bezüglich des Konjunkturverlaufs.
Unabhängigkeit der Selbstkosten von den Auslastungsveränderungen, daraus resultiert die Möglichkeit einer prozyklischen Einstellung auf Preisveränderungen im Sinne antizyklischen Verhaltens bezüglich des Konjunkturverlaufs.
Langfristig muss ein Unternehmen stets nach voller Kostendeckung streben. Die Kosteninformationen der VKR eignen sich daher tendenziell für längerfristige Entscheidungen, da auf längere Sicht auch fixe Kosten beeinflussbar und vermeidbar werden.
Kurzfristig kann es für ein Unternehmen sinnvoll sein, nur eine teilweise Kostendeckung zu akzeptieren. Die Kosteninformationen der TKR eignen sich daher tendenziell für kurzfristige Entscheidungen, da auf kurze Sicht die fixen Kosten unvermeidbar und damit unbeeinflussbar sind.
2.3 Fristigkeit der Kosteninformationen
Die VKR sind fertigungsprozessorientiert (unternehmensorientiert). Entwicklungsgeschichtlich wurden sie maßgeblich durch die Investitionsgüterindustrie beeinflusst. Bei weitgehender Einzel- bzw. Kleinserienfertigung gilt es, durch Ermittlung der vollen Selbstkosten eine Vorstellung für die erforderlichen Preisverhandlungen zu gewinnen. Dementsprechend werden die Kosten möglichst auftragsbezogen und am Produktionsablauf orientiert gesammelt und über die Kostenstellen den Kostenträgern voll zugerechnet. Der Markt soll dann die entstandenen Werteverzehre mindestens decken.
2.2 kurzfristige Auslastungsveränderungen
2. Systemdifferente Merkmale (Unterschiede)
I. Steuerungssysteme und Instrumente
TKR eignen sich generell bei Großserien- und Massenfertigung bzw. bei breiten Verkaufssortimenten. Hier liegen meist weniger beeinflussbare Marktpreise vor; es entstehen außerdem sehr viele fixe Gemeinkosten; nur bei Vermeidung der Proportionalisierung und Schlüsselung fixer Kosten können größere Verzerrungen und damit Fehlinformationen verhindert werden; letztlich sind sortimentsbedingt viele Entscheidungen kurzfristiger Art.
Einzelkosten
Variable Kosten
direkt auf den Kostenträger zurechenbar.Gemeinkosten
sind identisch mit den Grenzkosten, sofern lineare Gesamtkostenverläufe unterstellt werden.
nur indirekt über Schlüsselungen auf Kostenträger zurechenbar. Fixe Kosten Volle Zurechnung der Kosten (= Einzel- und Gemeinkosten) auf die beschäftigungsunabhängig und damit Kostenträger. den Kostenträgern nicht zurechenbar. Teilweise Zurechnung der Kosten (= variable Kosten) auf Kostenträger. Schlüsselung der vollen GemeinSchlüsselung der variablen Gemeinkosten auf Kostenstellen und Kos- kosten auf Kostenstellen und Kostenträger bei Kostenverteilung auf tenträger bei Kostenverteilung auf Kostenstellen, Kostenumlage zwi- Kostenstellen, Kostenumlage zwischen den Kostenstellen und Kos- schen den Kostenstellen und Kostentenzurechnung auf die Kostenträzurechnung auf die Kostenträger. ger. Volle Proportionalisierung aller Kosten durch Zurechnung auf die Kostenträger, führt zu Über-/Unterdeckungen zwischen tatsächlichen und verrechneten fixen Gemeinkosten
Vermeidung der Proportionalisierung von fixen Kosten durch zeitabhängige Verrechnung in der Betriebsergebnisrechnung, keine Über-/ Unterdeckungen bezüglich fixer Kosten.
Verursachungsprinzip, bei Einzelkosten und variablen Gemeinkosten.
Verursachungsprinzip, bei variablen Kosten.
2.8 Zurechnungsprinzipien
2.6 Schlüsselung der Kosten
VKR eigenen sich generell bei Einzel- und Kleinserienfertigung. Bei diesen Fertigungsprogrammen liegen größere Möglichkeiten der Preisbeeinflussung vor; außerdem lassen sich relativ mehr Werteverzehre als Einzelkosten erfassen, so dass die Verzerrung durch die Schlüsselung nicht zu groß wird; letztlich bestehen produktionsbedingt längere Fristen für Entscheidungen.
2.7 Proportionalisierung der Kos- ten
2.5 Kosteneinteilung und –zurechnung
2.4 Abhängigkeit vom Produktionsprogramm
194
Durchschnittsprinzip bei fixen Gemeinkosten.
Tragfähigkeitsprinzip, bei fixen Kosten.
2.13 Kalkulation öffentlicher Aufträge
2.12 Preisuntergrenze
2.11 Ergebnisarten
2.10 Einfluss der Bestandsbewertung auf das Betriebsergebnis
2.9 Bewertung der Bestände
13. Kostenrechnung
195
Die Bewertung der Bestände erfolgt zu vollen Herstellkosten, dies entspricht den gesetzlichen Vorschriften.
Die Bewertung der Bestände erfolgt zu variablen Herstellkosten, dies ist nur handelsbilanziell möglich, entspricht jedoch nicht den steuerlichen Vorschriften.
Über die Bewertung der Bestände zu vollen Herstellkosten erfolgt eine Verschiebung periodenabhängiger (fixer Kosten) zwischen den Abrechnungsperioden. Dies hat eine gewisse Glättung der Ergebnisse zur Folge, das die Aktivierung zu vollen Herstellkosten bei Bestandszunahmen, eine weniger hohe Verschlechterung bzw. bei Bestandsabnahmen eine weniger hohe Verbesserung der Ergebnisse bewirkt.
Durch die Bewertung der Bestände zu variablen Herstellkosten erfolgt eine periodengerechte Ergebnisermittlung. Bestandszunahmen wie -abnahmen bleiben bei der Aktivierung zu variablen Herstellkosten erfolgsneutral, da die jeweiligen fixen Kosten der Periode zugerechnet werden in der sie entstanden sind.
Bruttoergebnis (Rohertrag) Nettoergebnisse (Gewinn/Verlust)
Bruttoergebnisse (Deckungsbeiträge)
je Produktart je Produktgruppe je Unternehmenssparte (Profitcenter) • für das Unternehmen volle Selbstkosten je Stück = (langfristige) Preisuntergrenze • • •
Leitsätze für die Preisbildung öffentlicher Aufträge (LSP) beruhen auf dem Vollkostenprinzip.
• je Produktart • je Produktgruppe • für das Unternehmen Nettoergebnis (Gewinn/Verlust) für das Unternehmen.
variable Selbstkosten je Stück = (kurzfristige) Preisuntergrenze
Nach Teilkostenprinzip nicht möglich.
Abb. 103: Kostenrechnungssystem Die verstärkte Zunahme fixer Gemeinkosten sowie die zunehmende Bedeutung der Plankosten als Kontrollmaßstab und Orientierungshilfe haben zur Entwicklung der Prozesskostenrechnung sowie des Target Costing geführt. Sie stellen keine umfassenden, neuen Kostenrechnungssysteme dar. Vielmehr können sie als Ergänzungen und Erweiterungen der bestehenden Kostenrechnungssysteme im Rahmen der Stellen- und Trägerrechnung verstanden werden.
196
I. Steuerungssysteme und Instrumente
14. Planungsverfahren und -techniken Um den Planungsprozess zu unterstützen, sind bestimmte Verfahren entwickelt worden. Sie haben zum Ziel, Wahrnehmungs- und Denkprozesse des Menschen zu verbessern und zu erleichtern. Die einsetzbaren Verfahren werden in qualitative und quantitative Planungstechniken gegliedert. Im Folgenden werden wesentliche Verfahren und Techniken kurz skizziert. Brainstorming Dabei handelt es sich um eine Technik zur Förderung der Kreativität, bei der eine begrenzte Anzahl von Teilnehmern möglichst viele Ideen innerhalb einer bestimmten Zeit entwickeln, ohne dass die anderen Teilnehmer Kritik an den Vorschlägen üben dürfen. Ausgewertet werden die Vorschläge dann durch Fachleute. Diese Planungstechnik wird meist in den Phasen der Zielbildung und Alternativensuche angewandt. Lineare Programmierung Die Lineare Programmierung (LP) ist ein Verfahren des Operations Research, bei der grafisch oder mathematisch nach einer Optimallösung gesucht wird. Unter Beachtung einer Vielzahl von Nebenbedingungen soll eine Zielfunktion optimiert werden. Mathematisch macht dies die Simplex-Methode möglich und grafisch ein Koordinatensystem. Diese Planungstechnik wird hauptsächlich bei der Fertigungsplanung verwendet. Warteschlangenmodelle Die Warteschlangenmodelle stellen Verfahren aus dem Bereich Operations Research dar, mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsrechnungen versucht man, Engpässe im Unternehmen vorher zu bestimmen und zu dimensionieren.
15. Polaritätenprofil Das Polaritätenprofil ist ein Instrument, um die vielfältigen Einflussfaktoren eines Potenzials sowie ihre jeweilige Ausprägung aufzuzeigen und zu werten. Dies geschieht mithilfe eines Diagramms, in Form von Kreisen, deren unterschiedliche Radien den Grad der Ausprägung eines Einflussfaktors zum Ausdruck bringen, wobei für jeden Einflussfaktor ein eindeutig abgegrenzter Kreissektor zugeordnet ist. So lässt sich z. B. für das Potenzial Führungskompetenz das in nachfolgender Abbildung gezeigte Polaritätenprofil darstellen. Die als besonders wichtig erkannten Stärken bzw. Schlüsselgrößen müssen zur Sichtbarmachung von Potenzialen bewertet werden. Als Maßstab wird der stärkste Wettbewerber des Unternehmens herangezogen. Die relative Beurteilung kann mithilfe der Skalierung erfolgen, die z. B. von +3 über 0 bis –3 reicht. Der Wettbewerber nimmt stets die Position Null ein, die eigene Stärke bzw. der Schlüsselfaktor wird dann bei Überlegenheit mit höchstens +3, bei Unterlegenheit mit höchstens –3 eingeordnet. Die Verbindung der Skalenwerte der einzelnen Positionen ergibt das Polaritätenprofil des Unternehmens. Es zeigt die bereits mehr oder weniger genutzten (positive Seite) bzw. die durch intensivere Konzentration verstärkt nutzbaren (negative Seite) Potenziale. Werden letztere im Sinne einer zukünftig beabsichtigten Nutzung neu skaliert, wird das nutzbare Potenzial optisch sichtbar gemacht.
16. Portfolio-Konzeption
197
Abb. 104: Polaritätenprofil für das Potenzial Führungskompetenz
16. Portfolio-Konzeption Die Portfolio-Konzeption67 wurde ursprünglich im Bankwesen zum erfolgreichen Aufbau von Wertpapierdepots entwickelt. Dazu müssen verschiedene Vermögenswerte so kombiniert werden, dass ein gegebenes Kapital (Portefeuille) bei vertretbarem Risiko eine angemessene Rendite erbringt. Bei einer Übertragung dieses Gestaltungsansatzes auf ein Unternehmen ändern sich lediglich die Elemente des Portfolios. Die Wertpapiere bzw. Vermögenswerte werden ersetzt durch die Geschäftsfelder im Sinne zukünftiger Problemlösungen bzw. Produkte. Die Zielformulierung lautet dann, jeweils eine solche Kombination von Geschäftsfeldeinheiten bzw. Produkten zusammenzustellen, mit deren Hilfe die strategischen Ziele des Unternehmens bei einem gegebenen Risiko bestmöglich erreicht werden können.
67
Die Portfolio-Konzeption ist dem Bankwesen entnommen. H. M. Markowitz (2008) beschreibt die zielorientierte Ausgestaltung eines Wertpapierdepots nach folgendem Grundsatz: „Kombiniere eine Gruppe von Vermögenswerten so, dass für eine gegebene Höhe des Risikos der erwartete Gesamtgewinn aus dem Portefeuille maximiert wird. Oder umgekehrt, kombiniere eine Gruppe von Vermögenswerten so, dass für eine gegebene Gewinnrate das Risiko des Portefeuilles minimiert wird.“
198
I. Steuerungssysteme und Instrumente
Bei einer Übertragung auf diversifizierte Unternehmen stellt das gesamte Geschäftsfeld ein Portfolio, bestehend aus einer Mehrzahl von Strategischen Geschäftseinheiten (strategic business units, SGE), dar. Zweck der Portfolio-Konzeption ist es, jeweils eine solche Kombination von SGE zusammenzustellen, die es ermöglicht, die strategischen Ziele des Unternehmens bei einem gegebenen Risiko bestmöglich zu erreichen. Damit sollen eine Streuung des Risikos, eine Kontinuität der Erfolgserzielung sowie der Transfer von flüssigen Mitteln in neue Märkte gesichert werden. Der Portfolio-Ansatz kann entsprechend auch auf die einzelnen SGE übertragen werden, wobei dann spezielle Produkte die Einzelelemente darstellen. Die Portfolio-Konzeption wurde vor allem von amerikanischen Beratungsgesellschaften (Boston Consulting Group, McKinsey) weiterentwickelt und in die Wirtschaftspraxis eingeführt. Das formale Erkennungsmerkmal ist die Matrix. Derzeit kommen zwei PortfolioArten zum Ansatz, die Vier-Felder-Matrix sowie die Neun-Felder-Matrix. Die Geschäftsfeldkonzeption setzt an der Erkenntnis der strategischen Zielsetzung an, dass ein Unternehmen auf Dauer nur existieren kann, wenn es geeignete Problemlösungen für potenzielle Kunden anbietet. Nicht das gegenwärtig erzeugte Produkt als realisierte Problemlösung, sondern die zukünftig relevanten Kundenprobleme und deren Lösung stehen im Mittelpunkt strategischer Absatzüberlegungen. Damit soll vor allem auch die mögliche Einengung des Betrachtungshorizonts auf die derzeitige Produktpalette durch eine entsprechende Erweiterung des Sichtfelds vermieden werden. Das gesamte Tätigkeits- bzw. Geschäftsfeld eines Unternehmens stellt insoweit eine Summe von Einrichtungen und Aktivitäten dar, die auf eine einheitliche zukünftige Problemlösung bzw. Produktgruppe gerichtet sind und eine entsprechende Strategieentwicklung erfordern. In der Regel besitzt ein Unternehmen mehrere gegeneinander abgrenzbare Tätigkeitsbereiche, die als Strategische Geschäftseinheiten bezeichnet werden. Als Erfolgseinheiten mit eigenen Chancen und Risiken sind sie determiniert durch eine selbstständige Marktaufgabe in Form spezieller Kundenleistungen einschließlich der dazu erforderlichen Sach- und Humanpotenziale. Bei der Bildung von Strategischen Geschäftseinheiten sind folgende Kriterien zu beachten: • • •
Es kann eine eigenständige, klar abgrenzbare Marktaufgabe vorliegen, die z. B. in einer Produktlösung bzw. in einer Produktgruppe oder einem Produkt, in einer Zielgruppe, in einer Vertriebsart, in einer Gruppe von Konkurrenten usw. zum Ausdruck kommt; es kann eine spezifische Produktionstechnologie vorliegen; es kann eine einheitliche Beschaffungsaufgabe erforderlich sein.
Dabei ist es möglich, dass jeweils mehrere Kriterien gleichzeitig erfüllt sind. In jedem Falle muss jedoch die Formulierung einer integrierten strategischen Planung möglich sein. Diese neue Form der Segmentierung der Geschäftsaktivitäten führt häufig auch zu der Erkenntnis, dass die derzeitige Unternehmensverfassung und -organisation einer längerfristigen Anpassung unterzogen werden müssen. Die formale Darstellung des Portfolios beruht auf der Matrix. Die Grundform ist das VierFelder-Portfolio, die Weiterentwicklung ist das Neu-Felder-Portfolio. Das Vier-Felder-Portfolio basiert auf einer Matrix, deren Hauptachsen das Marktwachstum bzw. den Marktanteil beschreiben. Sie stellen jeweils wesentliche Erfolgspotenziale dar. Die
16. Portfolio-Konzeption
199
Untergliederung der Achsen erfolgt nach den Merkmalen „hoch“ und „niedrig“. Daraus ergeben sich vier Matrixfelder, innerhalb welcher die Elemente des Portfolios in Form von Strategischen Geschäftseinheiten bzw. Produkten einordenbar sind.
Umsatz
Zur allgemeinen Charakterisierung der Matrixfelder und damit zur Positionierung der Portfolio-Elemente dienen die Lebenszykluskurve sowie die Kostenerfahrungskurve. Die Lebenszykluskurve beschreibt den voraussichtlichen Verlauf des Absatzes bzw. Umsatzes eines Produkts in Form der Einführungs-, Wachstums-, Reife-, Sättigungs- und Degenerationsphase. Sie beruht auf empirischen Erfahrungen bzw. auf Schätzungen bezüglich weitgehend gegebener externer Einflüsse und geplanter Maßnahmen.
EinfühWachstumsrungsphase phase
Reifephase
Sättigungsphase
Degenerationsphase
Lebenszyklen Abb. 105: Lebenszykluskurve Die Kostenerfahrungskurve ist ebenfalls empirisch begründet und ermöglicht prognostische Schätzungen. Sie beruht auf einem Zusammenhang zwischen den Stückkosten eines Produkts und seiner produzierten Menge. Die Erfahrungskurve sagt aus, dass die Stückkosten in Form der innerbetrieblichen Wertschöpfungen jeweils um 20–30 % zurückgehen, sobald sich die kumulierte Produktionsmenge verdoppelt. Dies wird mit dem Erfahrungszuwachs begründet, der Kostensenkungen durch Lern- und Degressionseffekte, durch technischen Fortschritt usw. ermöglicht, sofern deren Nutzung durch bewusste Anstrengungen gelingt. In Anlehnung an das Kostenverhalten ermöglicht die Erfahrungskurve auch Aussagen über die mögliche Entwicklung von Preisen, die langfristig den fallenden Kosten folgen, da sonst neue Anbieter angelockt werden. Entsprechend lassen sich damit auch Aussagen über Deckungsbeiträge bzw. Ergebnisse von Produkten bzw. Produktgruppen oder Strategischen Geschäftseinheiten machen.
200
I. Steuerungssysteme und Instrumente
Stückkosten
10 8 6
Kostenentwicklungskurven
4 (20 %)
2
(30 %) 2
4
6
8
10 12
14 16 18
Produktionsmenge
Abb. 106: Kostenerfahrungskurve Die Erkenntnisse der Lebenszykluskurve sowie der Erfahrungskurve sind von grundlegender Bedeutung für die Planung von Strategischen Geschäftseinheiten. Sie führen zu folgenden grundlegenden Aussagen: • •
Die Rentabilität eines Produkts bzw. einer Produktgruppe hängt von der Sicherung hoher relativer Marktanteile ab; Märkte mit hohen Wachstumsraten bieten die besten Voraussetzungen zur Sicherung hoher Marktanteile.
Die Vier-Felder-Matrix beinhaltet folgende Aussagen: 1. Feld: hohes allgemeines Marktwachstum bei gleichzeitig niedrigem speziellem Marktanteil; entsprechend dem Lebenszyklus nimmt dieses Feld alle strategischen Einheiten auf, die sich bei zunächst geringem eigenen Marktanteil in einem Markt mit allgemein hohem Wachstum befinden; diese Situation trifft für Nachwuchsprodukte (Fragzeichen) zu; sie benötigen hohe finanzielle Mittel und erwirtschaften hohe Renditen; 2. Feld: hohes allgemeines Marktwachstum bei gleichzeitig hohem speziellem Marktanteil; entsprechend dem Lebenszyklus nimmt dieses Feld alle strategischen Einheiten auf, die sich bei hohem eigenem Marktanteil in einem Markt mit allgemein hohem Wachstum befinden; diese Situation trifft für Starprodukte (Stars) zu; sie benötigen finanzielle Mittel und erwirtschaften überdurchschnittliche Renditen; 3. Feld: niedriges allgemeines Marktwachstum bei gleichzeitig hohem speziellem Marktanteil; entsprechend dem Lebenszyklus nimmt dieses Feld alle strategischen Einheiten auf, die sich bei hohem eigenem Marktanteil in einem Markt mit allgemein niedrigem Wachstum befinden; diese Situation trifft für Cash-Produkte (Cashcows) zu; sie erwirtschaften hohe finanzielle Mittel bei rückläufigen Renditen.
16. Portfolio-Konzeption
201
4. Feld: niedriges allgemeines Marktwachstum bei gleichzeitig niedrigem speziellem Marktanteil; entsprechend dem Lebenszyklus nimmt dieses Feld alle strategischen Einheiten auf, die sich bei niedrigem eigenem Marktanteil in einem Markt mit allgemein niedrigem Wachstum befinden, diese Situation trifft für Problemprodukte (Poor dogs) zu; sie erwirtschaften keinen finanziellen Überschuss und verursachen Verluste; dieses Feld lässt sich nochmals in einen „hoffnungsvollen“ und einen „hoffnungslosen“ Sektor unterteilen.
hoch niedrig
Marktwachstum
Diese Zusammenhänge lassen sich in einem Marktwachstums-/Marktanteils-Portfolio darstellen. Für eine Unternehmen bzw. eine SGE, deren Elemente Problemlösungen bzw. Produkte sind ergibt sich folgende Abbildung:
1. Feld
2. Feld
Fragezeichen
Stars
4. Feld
3. Feld
Poor dogs
Cashcows
niedrig
hoch Marktanteil
Abb. 107: Vier-Felder-Portfolio Bei der Anwendung der Marktwachstums-/Marktanteils-Matrix sind vier Ablaufschritte zu vollziehen: (1) die Bewertung der Erfolgsfaktoren Marktanteil bzw. Marktwachstum (2) die Positionierung der strategischen Elemente (3) die Entwicklung von Marktstrategien (4) die Umsetzung von Strategien
202
I. Steuerungssysteme und Instrumente
Sie erfolgt mithilfe von Handlungsempfehlungen bezüglich der gewollten Strategien. Es können für die Portfolio-Felder folgende allgemeine Verhaltensweisen empfohlen werden.68 • Nachwuchsfeld: Offensive oder Rückzug • Starfeld: Investition • Cashfeld: Abschöpfen • Problemfeld Selektion: Investition oder Desinvestition Das Vier-Felder-Portfolio hat sich als geeigneter Einstieg in das strategische Denken bewährt. Seine Vorteile liegen insbesondere in der vergleichsweise einfachen Datenermittlung sowie der Übersichtlichkeit und Verständlichkeit der Aussagen. Nachteilig ist jedoch die starke Abstraktion zur Realität, die vor allem durch die eindimensionalen Erfolgsfaktoren Marktanteil und Marktwachstum sowie deren grober Skalierung mit hoch und niedrig hervorgerufen wird. Dies hat zur Weiterentwicklung des Portfolio-Konzepts in mehrdimensionaler Form geführt. Im Rahmen der praktischen Verfeinerung kann das Vier-Felder-Portfolio zu einem NeunFelder-Portfolio erweitert werden. Das Neun-Felder-Portfolio (mehrdimensionales Portfolio, Marktattraktivitäts-/Wettbewerbsvorteils-Portfolio, McKinsey-Portfolio) basiert auf einer Matrix, deren beiden Hauptachsen die Marktattraktivität bzw. die Wettbewerbsvorteile beschreiben. Diese beiden Merkmale werden jeweils durch ein Bündel von Erfolgspotenzialen bestimmt, so dass sie mehrdimensionale Größen darstellen. Als weiterer Unterschied zum Vier-Felder-Portfolio ist die feinere Untergliederung der beiden Achsen in die Merkmale „hoch“, „mittel“ und „niedrig“, ergänzt durch einen Skalenwert von 0–100 zu nennen. Damit entstehen neun Matrixfelder, die eine differenzierte Zuordnung der strategischen Einheiten sowie eine entsprechend spezifizierte Entwicklung von Strategien ermöglichen. Die Kennzeichnung der Achsen mit mehrdimensionalen Erfolgsfaktoren, wie z. B. Marktattraktivität bzw. relative Wettbewerbsvorteile, führt im Neun-Felder-Portfolio zu wesentlich differenzierteren Aussagen. Darüber hinaus ist die Portfoliokonzeption nicht mehr nur auf die Absatzseite begrenzt. Auch in anderen Funktionsbereichen, wie z. B. in der Beschaffung oder im Finanzbereich können mit dieser Methode Strategien entwickelt werden. Bei der Bewertung der Erfolgsfaktoren Marktattraktivität und Wettbewerbsvorteile in Bezug auf jeweils ein Element des Portfolios ist zu beachten, dass auf beide Kriterien jeweils mehrere Einzelfaktoren einwirken. Nach H. H. Hinterhuber wird die Marktattraktivität durch folgende Faktoren determiniert: • • • • •
Marktgröße, Marktwachstum, Marktqualität, Energie und Rohstoffversorgung, Umweltsituation.
Die relativen Wettbewerbsvorteile werden durch folgende betriebsbedingte Faktoren als Stärken des Unternehmens bestimmt.69
68 69
Ziegenbein, K., Controlling, 7. Aufl. München 2002, S. 106ff. Vgl. H. H. Hinterhuber, Strategische Unternehmensführung Band I, Berlin 1997, S. 107.
16. Portfolio-Konzeption
• • • •
203
relative Marktposition, relatives Produktionspotenzial, relatives Forschungs- und Entwicklungspotenzial, relative Qualifikation der Führungskräfte und der Mitarbeiter.
Die genannten Faktoren lassen sich durch eine Vielzahl weiterer Teilfaktoren noch weiter auflösen. So wirken z. B. auf die relative Marktposition der Marktanteil, die Finanzkraft, die Wachstumsrate, die Rentabilität und das Unternehmensimage ein. Im Neun-Felder-Portfolio ergeben sich generell folgende Strategiemöglichkeiten mit den jeweils entsprechenden Handlungsempfehlungen: Handlungsempfehlungen Strat. Einheiten in den MatrixFeldern
Strategische Stoßrichtung
Handlungsempfehlungen
1 2 3
Wachstumsstrategien
Investitionen zur weiteren Erschließung neuer bzw. zur Sicherung gegebener Marktpositionen, soweit gegen die Wettbewerber durchsetzbar
4 5 6
Selektions- bzw. Differenzie- ! rungsstrategien ! !
7 8 9
Ernte- und Aussteigungsstra- Desinvestitionen durch Aufgabe bishetegien riger Marktpositionen, soweit keine zukunftsträchtigen Erfolgschancen bestehen.
Investitionen, um in die Sektoren 1–3 zu gelangen, Verteidigung der Positionen, Desinvestitionen, um in die Sektoren 7–9 zu gelangen.
Abb. 108: Handlungsempfehlungen Die Vorteile des Neun-Felder-Portfolios liegen zweifelsohne in der umfassenderen Berücksichtigung und tieferen Durchdringung der Erfolgspotenziale der jeweiligen SGE. Als Probleme müssen die Schwierigkeiten bei der Begrenzung der Anzahl der erfassten Einzelkriterien sowie die Berücksichtigung möglicher Beziehungen zwischen den Erfolgspotenzialen gesehen werden.
204
I. Steuerungssysteme und Instrumente
17. Potenzialanalyse Die Potenzialanalyse dient dem Erkennen der vorhandenen Potenziale sowie deren Pflege im Sinne der zukünftigen Erhaltung und Weiterentwicklung, sofern sie weiterhin erforderlich sind, um die wichtigsten zukünftigen Gewinnchancen offen zu legen. Sie wird in drei Schritten vollzogen: • • •
Ermittlung der bestehenden Stärken und Schwächen (Stärken- und Schwächenanalyse); Ableitung der Potenziale mithilfe der PIMS-Studie (Profit Impact of Market Strategies), Nutzwertanalyse oder eines Polaritätendiagramms; Darstellung der aktuell vorhandenen Potenziale und deren zukünftiger Entwicklung sowie die Ableitung erforderlicher Maßnahmen (Potenzialprognose).
Die Potenzialanalyse beginnt mit einer Stärken- und Schwächenanalyse. Dazu werden die aktuell wichtigsten Erfolge und Misserfolge sowie deren Ursachen in Form von Stärken und Schwächen aufgezeigt. Dies sind z. B. die Kompetenz der Führungskräfte, Qualifikation der Mitarbeiter, die Kundenzufriedenheit, die Lieferbereitschaft, die Qualität der Produkte, das technische Knowhow, die Innovationskraft, die flexiblen Organisationsstrukturen, die prozessorientierten Arbeitsabläufe, die soziale Orientierung, das ökologische Bewusstsein usw. Dazu ist es sinnvoll, ein Analyseteam zu bilden, in dem alle wichtigen Funktionsbereiche des Unternehmens vertreten sind. Jedes Mitglied ist aufgefordert, die nach seiner Meinung wichtigsten, jeweils ca. fünfzehn Stärken und Schwächen aufzulisten. Durch einen Moderator (Controller, externer Berater) erfolgt ein Abgleich, bei dem Doppelnennungen gestrichen sowie unterschiedliche Zuordnungen des gleichen Tatbestands als Stärke oder Schwäche abgeklärt werden. Mithilfe einer Punktbewertung lassen sich dann die jeweils zehn wichtigsten Stärken und größten Schwächen des Unternehmens herausfiltern. Die Auflistung der dominanten Stärken und Schwächen hat einen stark subjektiven Charakter, ist also aus der Sicht des Unternehmens heraus bestimmt. Inwieweit ein Unternehmen jedoch erfolgreich ist, bestimmt sich weitgehend durch seine Stellung im Markt. Daraus ergibt sich, dass nicht jede Stärke auch zugleich ein Potenzial für die Erzielung von Erfolgen ist bzw. nicht jede Schwäche als Ursache für Misserfolge angesehen werden kann. So ist z. B.die Tatsache, dass 80 % der Mitarbeiter die italienische Sprache beherrschen (Stärke) in einem Unternehmen, das ausschließlich im deutschsprachigen Markt agiert kein Potenzial. Im umgekehrten Sinne ist aber auch die Tatsache, dass kein Mitarbeiter über italienische Sprachkenntnisse verfügt (Schwäche), kein fehlendes Potenzial. Es ist daher erforderlich, die erkannten Stärken und Schwächen mithilfe objektiver, d. h. marktbezogener Kriterien daraufhin zu überprüfen, ob sie ein vorhandenes bzw. notwendiges Potenzial darstellen. Zur Bewältigung dieses Überleitungs- bzw. Transformationsprozesses aus Stärken und Schwächen in Potenziale können z.B. sogenannte Schlüsselfaktoren (Key factors) benutzt werden. Sie stellen aufgrund statistischer Auswertungen gewonnene Größen dar, welche den Erfolg der fünf profitabelsten Unternehmen in einer Branche begründen. Ihre regelmäßige Ermittlung erfolgt im Rahmen der sogenannten PIMS-Studie (Profit Impact of Market Strategies). Es handelt sich dabei um umweltbezogene (nicht beeinflussbare) sowie unternehmensbezogene (beeinflussbare) Faktoren, die den Erfolg eines bestimmten Markts „erschließen“. Als Ergebnis des Transferprozesses ergibt sich eine Aufstellung der in der Regel zehn wichtigsten Potenziale des Unternehmens. Diese lässt jedoch noch keine Aussage über die ge-
18. Prozesskostenrechnung
205
genwärtige Ausprägung sowie über die zukünftige Entwicklung der Potenziale zu. Potenziale sind meist mehrdimensionale Größen, d. h. ihr „Wert“ wird durch vielfältige Tatbestände mit jeweils differierender Wirkung bestimmt. Um das derzeitige Gewicht eines vorhandenen Potenzials beurteilbar zu machen, kann eine Nutzwertanalyse und/oder ein Polaritätenprofil erstellt werden. Die Nutzwertanalyse basiert auf einem mehrdimensionalen Bewertungsakt über die nichtmonetären Wirkungen und Tatbestände eines Potenzials. Dazu wird der Gesamtnutzen in Teilnutzenwerte gegliedert, die jeweils einzeln bewertet werden. Die Ergebnisse der Teilbewertungen lassen sich anschließend zu einem Gesamtergebnis zusammenfassen. Der Gesamtnutzenwert wird im Rahmen einer Tabelle durch folgende Arbeitsschritte ermittelt: • • • • • •
Definition der Kriterien, Gewichtung der Kriterien, Bestimmung der Messskala, Bewertung der Investitionen (Zielerreichungsgrad), Ermittlung der Teilnutzenwerte (Zielgewicht · Zielerreichungsgrad), Ermittlung des Gesamtnutzenwerts.
Nach umfassender Analyse findet der Abgleich der im Unternehmensumfeld bestehenden Chancen und Gefahren (externe Potenzialität) mit den Stärken und Schwächen des Unternehmens (interne Potenzialität) statt. Die Gesamtpotenzialität des Unternehmens stellt dann das Verhältnis der analysierten internen Kompetenzen und Schwachstellen gegenüber den prognostizierten externen positiven und negativen Entwicklungsfaktoren dar. In einem weiteren Analyseschritt werden aus den ermittelten, bewerteten und gewichteten Stärken und Schwächen die „Kernkompetenzen“ und aus den ermittelten, bewerteten und gewichteten Chancen und Gefahren die „Kritischen Erfolgsfaktoren“ formuliert. Kernkompetenzen bezeichnen jene Wissens-, Prozess- und Struktureinheiten eines Unternehmens, die sich durch ihre Einmaligkeit und schwere Imitierbarkeit, einen besonderen Kundennutzen und hohe Markterschließungspotenziale auszeichnen.70 Die Wirksamkeit im Wettbewerb ist jedoch immer abhängig von branchenübergreifenden Faktoren.
18. Prozesskostenrechnung Die fortschreitende Automatisierung und Flexibilisierung des Leistungserstellungsprozesses auf der Basis flexibler, computerintegrierter Produktionssysteme bewirkt eine absolute Zunahme planender, steuernder und koordinierender Tätigkeiten im Unternehmen. In der Folge verändern sich die Kostenstrukturen, d. h. die fixen Gemeinkosten steigen, während vor allem die variablen Lohneinzelkosten stark zurückgehen. Die traditionellen Verfahren der Kostenrechnung werden dieser veränderten Situation immer weniger gerecht. Dies zeigt sich in der Problematik einer effektiven Planung und Kontrolle der Gemeinkosten sowie bei der Verrechnung der Kostenstellenkosten auf die Kostenträger. Bei differierenden Produktmengen, Produktarten und Rüstvorgängen sowie Unterschieden in der Produktkomplexität und im Materialverbrauch kann es zu erheblichen Ungenauigkeiten bei der Ermittlung der
70
Vgl. Hinterhuber 1997, S. 11ff.
206
I. Steuerungssysteme und Instrumente
Selbstkosten der Erzeugnisse und nachfolgend zu gravierenden Fehlentscheidungen bei der Produktpolitik kommen. Diese Problematik war der wesentliche Ausgangspunkt zur Entwicklung der Prozesskostenrechnung, für die synonym auch die Bezeichnungen „Vorgangskostenrechnung“, „Aktivitätsorientierte Kostenrechnung“, „Cost-Driver-Accounting“ bzw. „Activity-Based-Accounting“ verwendet werden. Die Prozesskostenrechnung dient vor allem der Verbesserung der Wirtschaftlichkeitskontrolle in den Bereichen mit überwiegend dispositiven Tätigkeiten, wie z. B. Forschung und Entwicklung, Beschaffung, Logistik, Arbeitsvorbereitung, Verwaltung und Vertrieb. Die Kosten werden daher nicht mehr nur kostenartenweise den Stellen zugeordnet. Vielmehr erfolgt darüber hinaus eine Zurechnung auf unterschiedliche Prozesse als neuen Kontrollobjekten in den Stellen. Außerdem soll die Genauigkeit der Kostenverrechnung auf die Kostenträger gesteigert werden. Dazu ist eine Verbesserung der verursachungsgerechten Kalkulation erforderlich, in der neben den bekannten Verrechnungssätzen prozentualer bzw. zeitbezogener Art zusätzlich auch Prozesskostensätze zum Ansatz kommen. Die Prozesskostenrechnung wird derzeit in der Praxis nur als Kostenstellen- und Kostenträgerstückrechnung (Kalkulation) durchgeführt. Eine umfassende prozessorientierte Artenrechnung sowie eine prozessorientierte Kostenträgerzeitrechnung (Betriebsergebnisrechnung) finden nicht statt. Voraussetzung hierfür wäre die vollkommene Erfassung aller Kosten in einer Prozessartenrechnung, was zu schwierig und aufwändig erscheint. Generell kann die Prozessanalyse sowohl mit der Bottom-up- als auch mit der Top-downMethodik begonnen werden. Es hat sich jedoch gezeigt, dass mittels der Top-downVorgehensweise bessere und zielgerichtetere Ergebnisse schneller erreicht werden können. Die Kostenverteilung auf die Teilprozesse geht von der Gesamtsumme der Kostenstellenkosten aus. Diese ist dem kostenartenorientierten Betriebsabrechnungsbogen zu entnehmen. Mit entsprechend geeigneten Verteilungsschlüsseln, in der Regel auf der Basis der Kapazitäten, werden die Gesamtkosten der Stelle auf die einzelnen Teilprozesse zugerechnet. Dazu sind die Gesamtkosten der Stelle durch die Gesamtkapazität zu dividieren und der Faktor je Kapazitätseinheit mit der jeweiligen Kapazität je Teilprozess zu multiplizieren. Daraus ergeben sich die Primärkosten je Teilprozess. Die Kostenumlage umfasst die Zurechnung der Kosten der lmn-Prozesse auf die lmi-Prozesse. Sie ist erforderlich, da eine direkte, verursachungsgerechte Verrechnung der lmn-Prozesse auf die Kostenträger nicht möglich ist. Die Sekundärkosten für die lmi-Prozesse, also die Umlagekosten je lmn-Prozess lassen sich im Verhältnis der Kapazitäten bzw. der Primärkosten der lmi-Prozesse ermitteln. Die Addition der Primärkosten und der Sekundärkosten ergibt die Gesamtkosten je lmi-Prozess. Die Berechnung des Kostensatzes je Teilprozess erfolgt durch Division der jeweiligen lmi- und lmn-Kosten oder der gesamten Kosten durch die Prozessmenge. Die Berechnung des Kostensatzes je Hauptprozess macht zunächst die Summierung der Gesamtkosten aller in den Hauptprozess eingehenden Teilprozesse erforderlich. Je Teilprozess können entweder nur die lmi-Kosten vor der Umlage oder die lmi- und lmn-Kosten als gesamte Kosten verrechnet werden. Im ersten Fall werden die lmn-Kosten über einen Prozentsatz dem/den Hauptprozessen zugeschlagen. Die jeweiligen Gesamtkosten des Hauptprozesses werden dann durch die Hauptprozessmenge dividiert. Die nicht direkt auf Prozesse zurechenbaren Restgemeinkosten der Kostenstellen (Gemeinkosten derjenigen Kostenstellen, die aus Gründen der Wirtschaftlichkeit nicht bzw. nur teilweise in Prozesse gegliedert werden) werden in einer kostenstellenübergreifenden Sammelposition erfasst und mithilfe eines konventionellen Zuschlagsatzes verrechnet. Dies kann
18. Prozesskostenrechnung
207
mit einem summarischen Satz für alle Restgemeinkosten des Unternehmens bzw. mit differenzierten Sätzen für den Material-, Fertigungs- sowie Forschungs- und Entwicklungs-, Verwaltungs- und Vertriebsbereich geschehen. Als Zuschlagsbasis können die Einzelkosten oder lmi-Prozesskosten bzw. die Summe aus beiden Werten oder die Material-, Fertigungsbzw. Herstellkosten verwendet werden. In die Verrechnungssätze für die Restgemeinkosten können auch die Kosten der lmn-Prozesse einbezogen werden. In diesem Falle unterbleibt dann die Umlage der lmn-Prozesskosten auf die lmi-Prozesse. Erfassung Teil- Maß- Prozess- Kapazität prozesse größen mengen in MJ
Kosten- Kostenverteilung umlage Primärkosten
Sekundärkosten
Verteilung + Umlage
Verrechnungssätze
Gesamtkosten
lmi lmn lmi + lmn Prozesse Prozesse Prozesse
lmiProzesse . . lmnProzesse . .
Abb. 109: Prozessorientierte Kostenstellenrechnung Erste Erfahrungen mit der Prozesskostenrechnung lassen erkennen, dass sie eine sinnvolle Ergänzung zur bisher dominanten kostenartenorientierten Erfassung und wertorientierten Verrechnung in der Kostenrechnung darstellt. Sie kann sowohl mit Ist- wie mit Plankosten durchgeführt werden und ermöglicht insofern eine Erweiterung und Verbesserung der Kontrolle der Wirtschaftlichkeit, vor allem auch im kostenstellenübergreifenden Sinne. Daraus resultieren eine Erhöhung der Kostentransparenz, ein effizienterer Ressourcenverbrauch sowie eine verbesserte Kapazitätsauslastung, vor allem in den, der klassischen Kostenrechnung nur schwer zugänglichen indirekten Bereichen mit überwiegend dispositiven Tätigkeiten. Der Übergang von der wertbezogenen auf die mengenbezogene Verrechnung in der Kalkulation steigert die Genauigkeit der stückbezogenen Kostenverrechnung, was in Zeiten verschärften Wettbewerbs eine flexiblere Anpassung an Marktpreisschwankungen ermöglicht. Als Nachteile der Prozesskostenrechnung sind ihre bisherige Begrenzung auf die Stellenrechnung und Kalkulation, ihre überwiegende Beschränkung auf repetitive Verwaltungstätigkeiten mit geringen Entscheidungsspielräumen, mehrfache Schlüsselungen und Proportionalisierungen sowie der vergleichsweise hohe Arbeitsaufwand zu nennen.
208
I. Steuerungssysteme und Instrumente
19. Shareholder-Value Ansatz Die zukunftsorientierte Erfolgsbeurteilung von Strategien, Geschäftseinheiten sowie ganzen Unternehmen kann mit dem strategischen Treasuringinstrument „Wertsteigerungsanalyse“ bzw. „Shareholder-Value-Analyse“71 vorgenommen werden. Es können aktuell drei wesentliche Ansätze, welche den Kapitalwert bzw. den Eigentümerwert als Entscheidungskriterium verwenden, unterschieden werden: •
Shareholder-Value-Berechnung mit diskontierten, freien Cashflows und Wertgeneratoren nach Rappaport;72
•
Shareholder-Value-Berechnung mit diskontierten, Netto-Cashflows nach Copeland et. al.73 und
•
Shareholder-Value-Berechnung nach der Economic-value-added-Methode von Stern/ Stewart74.
Die weitgehende Identität der ersten beiden Ansätze gestattet, dass nachfolgend zuerst eine Darstellung des Ansatzes von Rappaport und anschließend der Stern/Stewar´schenMethodik erfolgt. Der Diskontierungsfaktor zur Ermittlung des Barwerts der Cashflows und des Fortführungswerts errechnet sich als gewichteter Mittelwert aus Fremd- und Eigenkapitalkosten. Free Cashflows
Jahr
0
1
2
Endwert
3
4
Diskontierung
Abb. 110: Ermittlung des Unternehmenswertes nach der DFCF-Methode
71
72 73 74
Vgl. auch Ebert, G./Steinhübel, V.: Aktuelle Tools im Controlling (I), in: Betrieb und Wirtschaft Zeitschrift für Rechnungswesen, Steuern, Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialrecht im Betrieb, Heft 21/1998, Berlin/München, S. 802ff. Vgl. Rappaport, A.: Shareholder Value Wertsteigerung als Maßstab für die Unternehmensführung, 2. Aufl., Stuttgart 1999. Vgl. Copeland, T./ Koller, T./Murrin, J.: Unternehmenswert – Methoden und Strategien für eine wertorientierte Unternehmensführung, Frankfurt/New York 1993. Vgl. Stewart, G. B. III.: The quest for value: the EVATM management guide, London 1991.
19. Shareholder-Value Ansatz
209
Die DFCF-Methode beurteilt ein Unternehmen oder einen Geschäftsbereich danach, ob die berechnete Summe der Barwerte an Cashflows größer Null und somit wertsteigernd ist. Der Marktwert des Eigenkapitals (Eigentümerwert, ökonomischer Unternehmenswert) wird dabei wie folgt ermittelt: Barwert der freien Cashflows für den Planungszeitraum +
Barwert des Fortführungswerts
+
Marktwert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens
=
Bruttounternehmenswert (Marktwert des Gesamtkapitals)
–
Marktwert des Fremdkapitals
=
Nettounternehmenswert (Marktwert des Eigenkapitals)
Zum Unternehmenswert aus laufender Unternehmenstätigkeit (freie Cashflows) wird das nicht betriebsnotwendige Vermögen mit seinen potenziellen Veräußerungserlösen hinzugerechnet. Auf diese Weise wird ein Bruttounternehmenswert errechnet, der den gesamten Gegenwert des unternehmerischen Gesamtkapitals darstellt. Zur Bestimmung des Marktwerts des Eigenkapitals, wird der Marktwert des Fremdkapitals vom Bruttounternehmenswert abgezogen, so dass als Ergebnis der Marktwert des Eigenkapitals (Shareholder-Value) als Nettounternehmenswert verbleibt. Die Höhe des freien Cashflows wird nach Rappaport von sogenannten Werttreibern bestimmt. Die Verknüpfung von Cashflows und Werttreibern bildet das Kernstück dieses Ansatzes. Als Werttreiber, welche durch strategische Entscheidungen unmittelbar beeinflusst werden können, gelten: •
die Wachstumsrate der Umsätze,
•
die betriebliche Gewinnmarge,
•
der Gewinnsteuersatz sowie
•
die Investitionen ins Umlauf- und Anlagevermögen. Free Cashflow
Umsatz
CashflowRate
Steuern
Nettoinvestitionen
Gewinn
Anlagevermögen
Abschreibungen
Umlaufvermögen
Abb. 111: Bestandteile des Free Cashflow
210
I. Steuerungssysteme und Instrumente
20. Strategisches Rechnungswesen Im internen strategischen Rechnungswesen werden unterschiedliche Rechnungen und Dokumentationen abgewickelt. Dies sind die „Potenzialrechnung“, die „Strategienrechnung“, die Prämissenbuchhaltung und das strategische Berichtswesen als organisatorische Einheiten mit jeweils eigenständiger informationaler Ziel- und Zwecksetzung. 75 Potenzialrechnung In der Potenzialrechnung werden alle Potenziale eines Unternehmens hinsichtlich ihres Umfangs, ihrer Anzahl, Qualität und Veränderungen untersucht. Dazu führt sie verschiedene Rechnungen durch, die Informationen über die Erreichung, Erhaltung und Veränderung der Potenzialität ermöglichen sollen. Die Potenzialrechnung unterstützt damit die Planung und Kontrolle der Effektivität der Zielsetzung. Zur Erfüllung ihrer Aufgabe stellt sie, in Analogie zur Kosten- und Leistungsrechnung, folgende Fragen im Rahmen der Strategieformulierung und –implementierung: Strategieformulierung (a) Welche strategischen Erfolgsfaktoren sind im Unternehmen aktuell und zukünftig vorhanden? " „Potenzialartenrechnung“ (b) Wo können diese strategischen Erfolgsfaktoren aktuell und zukünftig kombiniert werden? " „Potenzialstellenrechnung“ (c) Wofür können diese strategischen Erfolgsfaktoren aktuell und zukünftig kombiniert werden? " „Potenzialträgerrechnung“ Strategieimplementierung: (a) Welche strategischen Erfolgsfaktoren werden eingesetzt? " „Potenzialartenrechnung“ (b) Wo werden die strategischen Erfolgsfaktoren kombiniert? " „Potenzialstellenrechnung“ (c) Wofür werden die strategischen Erfolgsfaktoren kombiniert? " „Potenzialträgerrechnung“
75
Steinhübel, V.: Strategisches Controlling Prozess und System, 3. Aufl., München 2004
20. Strategisches Rechnungswesen
211
Im Mittelpunkt der Potenzialartenrechnung steht die Registrierung aller im Unternehmen vorhandener und eingesetzter Erfolgsfaktoren. Dazu sind alle Chancen und Gefahren des Umfeldes bzw. Stärken und Schwächen des Unternehmens differenziert zu erfassen und zu bewerten. Das Ergebnis kann in einer „Potenzialübersicht“ dargestellt werden. In der Potenzialstellenrechnung erfolgt die Zuordnung der Erfolgsfaktoren auf den Ort, an dem sie wettbewerbs- bzw. geschäftsfeldgerecht kombiniert werden. In Abhängigkeit von der organisatorischen Strukturierung des Unternehmens können Funktionsbereiche, strategische Geschäftseinheiten und das Gesamtunternehmen als Kombinationsorte definiert werden. Den jeweiligen Potenzialstellen obliegt die Verantwortung für die Suche, den Aufbau und die Erhaltung ihrer in der jeweiligen Zielsetzung spezifizierten Erfolgspotenziale. Ein zu entwickelnder „Potentialstellenbogen“ dient als Grundlage für die Abbildung und Beurteilung der Potenzialstellen. Die Potenzialträgerrechnung soll die Beurteilung einzelner Erfolgspotenziale oder Erfolgspotenzialbündel hinsichtlich deren aktueller und zukünftiger Potenzialität für das Unternehmen ermöglichen. Dazu sind die einzelnen Erfolgsfaktoren jeweils den neuen externen und internen bzw. den bestehenden externen und internen Potenzialen zuzuordnen. Das interne Leistungsvermögen (Summe der internen Potenziale) ist dabei durch die externen Leistungsanforderungen (Summe der externen Potenziale) begrenzt. Zur Durchführung der Potenzialträgerrechnung müssen „Potentialschemata“, Potenzialbilanzen und -erfolgsrechnungen konstruiert werden. Strategienrechnung Die wesentliche Aufgabe der Strategienrechnung liegt in der Unterstützung der Führungskräfte bei der Strategieformulierung und -implementierung. Die für die strategischen Planungs- und Kontrollprozesse erforderlichen Informationen über strategische Programme (formulierte bzw. formulierte und implementierte Strategien), strategische Meilensteine und strategische Projekte werden vom strategischen Controlling ermittelt. Dazu sind, unter Rückgriff auf verschiedene Instrumente, quantitative und qualitative Berechnungen und Bewertungen durchzuführen. Die gewonnenen Informationen und durchgeführte Rechnungen sollen die Effizienz der Zielerreichung erhöhen. In der Strategienrechnung wird die Vielzahl der im Unternehmen vorhandenen Strategien systematisiert und dokumentiert. Zunächst differenziert man zwischen formulierten und implementierten Strategien. Weiterhin sind die Kriterien organisatorische Ebene, Orientierung auf neue oder bestehende bzw. externe oder interne Erfolgspotenziale und Wettbewerbsvorteile zur Unterscheidung heranzuziehen. Die aus den erfassten Einzelstrategien konfigurierten Strategienbündel werden als strategische Programme definiert und abgegrenzt. Die Umsetzung der strategischen Programme im Unternehmen findet über strategische Projekte, die vor allem auch in ihren Interdependenzen zu dokumentieren sind, statt. Durch die Aufstellung von strategischen Budgets besteht zusätzlich die Möglichkeit, den strategischen Finanzmittelbedarf, langfristige Erlöse und Kosten sowie strategische Cashflows zu berechnen und der Führung zugänglich zu machen. Im Rahmen der Implementation von Strategien werden kritische Eckwerte, d. h. sogenannte strategische Meilensteine definiert. Diese können in der Strategienrechnung differenziert aufgezeichnet werden:
212
I. Steuerungssysteme und Instrumente
•
strategische Meilensteine erster Art: für die nächste Periode aus dem strategischen Plan abgeleitete operative, monetäre Zielwerte;
•
strategische Meilensteine zweiter Art: in der nächsten Periode bei strategischen Erfolgsfaktoren zu erreichende Werte;
•
strategische Meilensteine dritter Art: in Form von Indikatoren bestimmte kritische Schwellenwerte eines Projektes.
Prämissenbuchhaltung Die Potenziale und Strategien des Unternehmens basieren auf einer Vielzahl von Annahmen und Voraussetzungen im Hinblick auf das externe Umfeld und die interne Situation eines Unternehmens. Im Rahmen der strategischen Planung werden Prämissen über die generelle und spezielle Umfeldentwicklung, die gegenwärtige und zukünftige Ressourcenausstattung sowie hinsichtlich des Wertesystems des Unternehmens gesetzt. Die externen Annahmen führen idealerweise zu Prämissenbündeln in Form von zwei oder mehreren konsistenten Szenarien. Diese determinieren gemeinsam mit den Aussagen zur Unternehmensidentität die Ziele des Unternehmens. Analysen der Finanz-, Human- und Sachausstattung des Unternehmens führen zu Prämissenbündeln in Form von „Struktogrammen“ der internen Ressourcen. Diese bestimmen und ermöglichen die interne Potenzialität und dadurch die Strategien. Der Prozess der Prämissensetzung ist von der Prämissenkontrolle im Rahmen der strategischen Kontrolle kontinuierlich und kritisch zu begleiten. Aus dem Gesagten können zum einen die Aufgabenstellung der Prämissenbuchhaltung und zum anderen ihre Schnittstellen zur Potenzial- und Strategienrechnung abgeleitet werden. Die besondere Aufgabe der Prämissenbuchhaltung liegt in der Erfassung, Klassifizierung und Dokumentation aller Prämissen und Prämissenbündel des Zielbildungs- sowie Strategieformulierungs- und -implementierungsprozesses des strategischen Controlling. Damit ermöglicht sie eine effizientere und effektivere Gestaltung und Durchführung strategischer Planungen und Kontrollen. Als Schnittstellen zur Potenzial- und Strategienrechnung werden hier die Ziele in Form der Erfolgspotenziale und die Ressourcen als Basis für die Strategien definiert. Die Prämissenbuchhaltung kann wie folgt strukturiert werden: • • •
Differenzierung zwischen Ziel- und Strategienebene; Unterscheidung zwischen externer und interner Orientierung auf der jeweiligen Ebene; Festlegung von kritischen, plantragenden und weniger kritischen, planunterstützenden Prämissen.
Eine Prämisse „kann als umso kritischer bezeichnet werden, je weniger sicher die Annahmen über die Entwicklung von Einflussgrößen, über deren Auswirkungen auf zugrundegelegte Prämissen und über die Wirkung einer Prämissenänderung auf die formulierte Strategie sind. Die Kriterien Abweichungswahrscheinlichkeit, Ziel- und Strategienrelevanz der Prämissen, Zuverlässigkeit der Informationen und Zeitreserve für notwendige Modifikationen gestatten eine Prioritätenbestimmung innerhalb der Prämissenbuchhaltung. Die Prioritätenbestimmung kann in einem Prämissenportfolio mit den Achsen Abweichungswahrscheinlichkeit der Prämisse und Strategierelevanz der Prämissenabweichung sowie der Skalierung eher klein/eher groß und eher gering/eher hoch vorgenommen werden.
21. SWOT-Analyse
213
Strategisches Berichtswesen Ein funktionsfähiges Berichtswesen stellt die Informationsversorgung der Strategen sicher. Insbesondere die Informationen aus der Potenzial- und Strategienrechnung sowie der Prämissenbuchhaltung sind in strategischen Berichten zu verdichten. Die Führungskräfte werden vom strategischen Controlling über die Ziele, die formulierten und implementierten Strategien mit ihren Meilensteinen und die Prämissen unterrichtet. Über die Entwicklung wichtiger wettbewerbsbestimmender Faktoren des Unternehmens geben die zusätzlichen strategischen Kennzahlen Auskunft. Das umfassendste Kennzahlensystem wird in der Literatur derzeit als „Performance-Measurement-System (PMS)“ diskutiert. Es zeichnet sich unter anderem durch den Einbezug nicht-finanzieller Kennziffern, die Orientierung am jeweiligen Informationskunden, die Flexibilität in der Auswertung, das Aufzeigen von Leistungsverbesserungen sowie gruppenbezogene Leistungsanreize aus. Kern eines strategischen Berichtswesens könnte ein Performance-Measurement-System sein, das sich, wie im operativen Bereich, aus finanziellen sowie aus nicht-finanziellen Kennziffern zusammensetzt. Zur strategischen Steuerung des Unternehmens wird eine hierarchisch abgestufte Cashflow-Pyramide als finanzielle Informationsgröße propagiert. Als nicht-finanzielle Maßstäbe werden z. B.Qualität, Kundenzufriedenheit, Innovationsfähigkeit, Mitarbeiterzufriedenheit, Time-to-market und Patentanmeldungen genannt. Beim Aufbau eines strategischen Berichtswesens entscheidet der strategische Controller insbesondere über die Breite und Tiefe der Differenzierung des Informationsangebots. Diese Entscheidungen sind abhängig vom Aufbau und Ausbau der anderen Teilgebiete des strategischen Rechnungswesens, von den Informationswünschen und -bedürfnissen sowie der Informationsverarbeitungskapazität der Führungskräfte. Weiterhin sind Schnittstellen zum strategieorientierten und operativen Rechnungswesen für eine zweiseitige Kommunikation zu definieren.
21. SWOT-Analyse Die SWOT-Analyse ist ein strategisches Instrument, mit dessen Hilfe sich unter Berücksichtigung von Unternehmens- und Umweltfaktoren Strategien aus vier verschiedenen Strategietypen ableiten und formulieren lassen. Zuerst wird eine zweidimensionale Matrix mit den beiden Achsen Umweltfaktoren und Unternehmensfaktoren erstellt, die jeweils in ein positives und ein negatives Feld aufgeteilt werden. Die Felder der Unternehmensfaktoren heißen „Strengths“ (Stärkten = positives Feld) und „Weaknesses“ (Schwächen = negatives Feld), die der Umweltfaktoren „Opportunities“ (Chancen = positives Feld) und „Threats“ (Gefahren = negatives Feld). Zu der Bezeichnung SWOT-Analyse führen die Anfangsbuchstaben der Feldnamen. Im Rahmen der Unternehmens- und Umweltanalyse werden die wichtigsten Einflussfaktoren gesammelt und in die Felder eingetragen. Im letzten Schritt werden jeweils zwei Felder miteinander verknüpft, die dann zu einem der vier Strategietypen führen, aus denen strategische Optionen generiert werden können. Die Bezeichnung der vier Strategietypen setzt sich ebenfalls aus der Verknüpfung der Anfangsbuchstaben der jeweiligen Felder zusammen. Bei SO-Strategien (Strengths und Opportunities) dienen die Stärken des Unternehmens dazu, die Chancen im Umfeld zu nutzen.
214
I. Steuerungssysteme und Instrumente
Als Beispiele hierfür können die Entwicklung neuer Produkte, Dienstleistungen, Geschäftsfelder usw. genannt werden. Bei ST-Strategien (Strengths und Threats) dienen die Stärken des Unternehmens dazu, die Bedrohungen im Umfeld abzufangen bzw. abzumildern. Als Beispiele hierfür können Fusionen sowie Kooperationen mit bedeutenden Konkurrenten genannt werden. Bei WO-Strategien (Weaknesses und Opportunities) werden die externen Chancen genutzt, um interne Schwächen zu überwinden bzw. zu reduzieren. Als Beispiele hierfür kann die Bildung von Joint-Ventures in neuen Märkten dienen. Bei WT-Strategien (Weaknesses und Threats) wird versucht, durch die Reduzierung interner Schwächen die externen Gefahren zu senken. Als Beispiel hierfür kann das Outsourcing ineffizienter Unternehmensprozesse genannt werden. SWOT-Analyse Threats
Umweltfaktoren Opportunities
Unternehmensfaktoren 1. technologische Führerschaft 2. gute Kontakte zu Militärbehörden 3. starke Cashposition
1. Reduktion der Militärbudgets 2. neue Konkurrenten aus europäischen Ländern 3. Konzentrationstendenzen in der Branche ST-Strategien
SO-Strategien
Strengths
Weaknesses
1. neue Verteidigungsmärkte 2. Zugang zu zivilen Märkten 3. verstärkt paneuropäische Projekte ! Entwicklung neuer Produkte u. Dienstleistungen ! Expansion in osteuropäische Märkte
WO-Strategien
! Kooperationen oder Akquisitionen in Europa ! Intensivierung der MarketingAktivitäten
WT-Strategien
1 hohe Produktionskosten ! Gründen von Vertriebs! Schließung oder Outsourcing 2. unflexible Aufbau- und einheiten im Ausland unrentabler Bereiche Ablaufstrukturen ! Gründung von New Ventu- ! Erhöhung der Effizienz 3. nationale Vertriebspräres in Teilbereichen senz ! Gründung von Joint4. teilweise fehlende Ventures kritische Masse Abb.
76
112:
SWOT-Analyse
eines
europäischen
Verteidigungsunternehmens76
Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management – Wie strategische Initiativen zum Wandel Führen, Stuttgart 2001, S.135.
22. Szenario-Technik
215
Die SWOT-Analyse soll als strategisches Instrument dazu beitragen, Stärken und Chancen zu erhöhen sowie Schwächen und Gefahren zu reduzieren, wobei die interne Situation (Innenfeld) mit der externen Situation (Umfeld) des Unternehmens verknüpft werden. Vorteil der SWOT-Analyse ist die klar strukturierte Darstellung und ihre einfache Handhabung, die es ermöglichen auch komplexe Sachverhalte auf ihre wichtigsten Einflussfaktoren zurückzuführen. Die SWOT-Analyse besitzt Probleme beim Erkennen und Gewichten der Einflussfaktoren in Form der Stärken/Schwächen und Chancen/Gefahren sowie bei der Festlegung der Dominanz bzw. der Berücksichtigung der Wechselwirkungen innerhalb und zwischen den Strategien.
22. Szenario-Technik Unter einem Szenario versteht man sowohl „die Beschreibung einer möglichen zukünftigen Situation als auch das Aufzeigen des Entwicklungsverlaufs, der zu dieser zukünftigen Situation hinführt.“77 Die Szenario-Technik ist ein strategisches Planungsinstrument, das in der Regel zwei sich deutlich unterscheidende, aber in sich konsistente Szenarien (Zukunftsbilder) entwickelt und hieraus Konsequenzen für eine Unternehmung ableitet.78 Sie hat sich zu einem universell einsetzbaren Instrument entwickelt, mit dessen Hilfe Basiserkenntnisse gewonnen werden können, die zu einem fundierten Aufbau einer strategischen Orientierung notwendig sind. In Zeiten, in denen sich die Veränderungen in immer kürzeren Abständen und in zunehmend stärkerem Ausmaß vollziehen, muss die Hochrechnung aus der Vergangenheit verstärkt durch die Transformation aus der Zukunft abgelöst werden. Das Wesen der Szenario-Technik kann mithilfe des nachfolgend abgebildeten Szenariotrichters verdeutlicht werden. Dazu werden zwei gegensätzliche Szenarien in Form einer extrem positiven und einer extrem negativen Ausprägung konstruiert. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass die Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts aus gegenwärtiger Sicht gegen Null geht, sie also im Wesentlichen als unrealistisch angesehen werden. Die inhaltliche Distanz der beiden begrenzenden Szenarien bestimmt den Radius und damit die Kreisfläche des Szenariotrichters. Je extremer also die beiden begrenzenden Szenarien sind, umso größer ist die Sicherheit, alle realistischen Möglichkeiten einzugrenzen. Als Beispiel für zwei Extremszenarien in der Automobilindustrie könnte gelten: als positives Extremszenario die Erkenntnis, dass in Zukunft alle bzw. fast alle Pkws mit Benzinmotoren ausgestattet werden, und als negatives Extremszenario die Erkenntnis, dass in Zukunft aufgrund der schwindenden Erdölreserven der Bau von Benzinmotoren vollständig bzw. fast vollständig eingestellt wird. Auf der Trichterfläche ergibt sich eine Vielzahl punktueller Realitäten, die sich durch ihre differierende Eintrittswahrscheinlichkeit unterscheiden. Für das Unternehmen gilt es nun, in der Regel drei konkrete Positionen zu definieren, die aufgrund der Vision des Unternehmens und unter Berücksichtigung zukünftiger Umfeldeinflüsse eine hohe bzw. höchste Eintrittswahrscheinlichkeit besitzen. Diese lassen sich mithilfe einer „extrapolativen Fortschreibung der Einflussfaktoren“79 abbilden und werden als Prognose- oder Trendsze77 78 79
Geschka, H./Reibnitz, U. v.: Die Szenario-Technik – ein Instrument der Zukunftsanalyse und der strategischen Planung, in: Töpfer, A./Afheldt, H. (Hrsg.), 1986, S. 128. Reibnitz, U. v.: Anwendungsmöglichkeiten der Szenario-Technik in: Ebert, G. (Hrsg.): Controlling, Managementfunktion und Führungskonzeption, Landsberg 1998. Müller-Stewens, G., Lechner, C.: Strategisches Management: Wie strategische Initiativen zum Wan-
216
I. Steuerungssysteme und Instrumente
narien bezeichnet. Die Verbindung der Gegenwart mit einem Prognoseszenario wird als Prognoselinie oder auch als Entwicklungs- bzw. Trendlinie bezeichnet. Sie beschreibt den Weg von der Gegenwart in eine offene Zukunft in Form eines konkretisierten Szenarios. In diesem Zeitablauf können Ereignisse eintreten, deren Wirkung so stark ist, dass die bisherige Prognoselinie dauerhaft verlassen wird und zu einem neuen Prognoseszenario führt. Eine in diesem Sinne eintretende Beeinträchtigung als Störereignis kann die nachteilige Auswirkung haben, dass das ursprüngliche Prognoseszenario in Richtung des negativen Extremszenarios verschoben wird. In diesem Falle kann der Versuch unternommen werden, mithilfe geeigneter Gegenmaßnahmen (Wirkungspunkt) eine möglichst weitgehende Rückkehr zur ursprünglichen Prognoselinie zu erreichen. Sofern dies nicht möglich ist, muss ein neues Prognoseszenario mit einer dann auch neu definierten Prognoselinie akzeptiert werden. Bei gravierender Vergrößerung des Ozonlochs als Störereignis muss die Technik der Abgasreinigung wesentlich verbessert werden. Sofern das Störereignis eine vorteilhafte Wirkung zeigt, wird das Prognoseszenario in Richtung des positiven Extremszenarios verschoben. In diesem Falle wird das Unternehmen unterstützende Maßnahmen ergreifen, um die neue Trendlinie zu stabilisieren und damit das aussichtsreichere Prognoseszenario zu erreichen. Eine gravierende Verringerung des Ozonlochs als Störereignis reduziert den vorgesehenen Aufwand für die Verbesserung der Abgastechnik. Bei der Anwendung der Szenario-Technik muss außerdem der Zeitpunkt terminiert werden, für den die Szenarien bestimmt werden sollen. Als Fixpunkt dient dabei in der Regel die Angabe eines Prognosejahrs. Dieses wird durch den Prognosehorizont festgelegt. Bei seiner Bestimmung sind zwei Aspekte zu berücksichtigen. Einerseits muss er lang genug sein, um eine unmittelbare Hochrechnung aus der Gegenwart in die Zukunft zu erschweren bzw. zu verhindern. Andererseits müssen auch branchenspezifische Tatbestände, wie z. B. Produktlebenszyklen beachtet werden. In der Regel umfasst der Prognosehorizont ca. 10 Jahre. Dabei ist zu beachten, dass sich bei einem weiten Beobachtungszeitraum umso mehr Szenarien entwickeln lassen. Die Szenariotechnik vollzieht sich in acht Einzelschritten: - Schritt: Problemanalyse: Strukturierung und Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes, - Schritt: Einflussanalyse: Identifizierung der Einflussbereiche, - Schritt: Entwicklungstendenzen: Auswahl der wesentlichen Einflussfaktoren und deren Projektion in die Zukunft, - Schritt: Annahmebündelung: Identifikation konsistenter Annahmebündel auf der Basis der wesentlichen Einflussfaktoren,
del führen, Der St. Galler General Management Navigator, Stuttgart 2001.
22. Szenario-Technik
217
- Schritt: Szenario-Konkretisierung: Festlegung von in der Regel drei Trendszenarien, - Schritt: Störfallanalyse: Erkennen von positiven und negativen Störereignissen, - Schritt: Auswirkungsanalyse: Anpassung der vorhandenen Trendszenarien, - Schritt: Formulierung von Unternehmensstrategien Positives Extremszenario 1c 1d 1 1b
2
3 1a Negatives Extremszenario Gegenwart
Prognosezeitpunkt
Zeitachse t
Prognosehorizont Legende: 1–3 1a 1b 1c 1d
Szenario = Bild einer denkbaren Extremsituation Trendszenarien durch ein negatives Störereignis ohne Gegenmaßnahme veränderte Prognoselinie durch ein negatives Störereignis mit Gegenmaßnahme veränderte Prognoselinie durch ein positives Störereignis ohne Gegenmaßnahme veränderte Prognoselinie durch ein positives Störereignis mit Gegenmaßnahme veränderte Prognoselinie Störereignis Wirkungspunkt durch Gegenmaßnahme Ursprüngliche Prognoselinie Korrigierte Prognoselinie mit Gegenmaßnahme Korrigierte Prognoselinie ohne Gegenmaßnahme bei positivem/negativem Störereignis durch Gegenmaßnahme erreichte Rückkehr zur ursprünglichen Prognoselinie
Abb. 113: Szenario-Trichter
218
I. Steuerungssysteme und Instrumente
23. Target Costing Target Costing ist ein in den 1970er Jahren in Japan entwickeltes Instrument der Kostenplanung und -kontrolle. Als wesentliches Merkmal kann die Ableitung von Plankosten aus einer längerfristigen Marktbeobachtung bezeichnet werden. Target Costs werden, im Gegensatz zur traditionellen unternehmensinternen Orientierung, aus den zukünftigen Preisvorstellungen der Nachfrager für ein Produkt abgeleitet. Mithilfe der extern orientierten Target Costs bzw. Zielkosten wird die Möglichkeit geschaffen, wettbewerbsfähige Produkte zu entwickeln und zu produzieren bzw. vorhandene, nicht mehr wettbewerbsfähige Produkte und Produktionsprozesse zu verbessern. Das Target Costing wird in folgenden Abrechnungsschritten durchgeführt: • •
Ermittlung der Target Costs Durchführung der Kostenkontrolle
Die Ermittlung der Target Costs basiert auf der Bestimmung des Target Price, der Allowable Costs und der Drifting Costs. Zur Ermittlung der Zielkosten können mehrere Verfahren angewendet werden, die in drei Gruppen eingeteilt sind: • • •
Subtraktionsmethoden: market into company und out of competitor; Additionsmethoden: out of company, out of standard costs und out of value chains; Gegenstromverfahren: into and out of company.
Der Target Price ist der durch die Marktforschung ermittelte, in einer weiteren Zukunft unter Berücksichtigung des Grades der zu erwartenden Wettbewerbsintensität erzielbare Preis für ein Produkt. Eine effiziente Kostenkontrolle mithilfe des Target Costing macht eine Spaltung der Zielkosten sowie eine Überprüfung ihrer Erreichung erforderlich. Unter der Zielkostenspaltung wird die Aufteilung der für ein Produkt ermittelten TargetSelbstkosten verstanden. Sie vollzieht sich nach Janaka in folgenden Schritten: 1.
Bestimmung der Funktionsstruktur des Produkts;
2.
Gewichtung der Produktfunktionen (Summe 100 %);
3.
Ermittlung der Produktkomponenten und deren Kostenanteile (Summe 100 %);
4.
Bestimmung des Realisierungsanteils einzelner Komponenten an den jeweiligen Produktfunktionen;
5.
Ermittlung der relativen Kundenbedeutung einer Komponente; dies gelingt durch eine Relativierung des Realisierungsanteils der jeweiligen Komponente mit der entsprechenden Funktionsgewichtung der Kunden;
6.
Berechnung des Teilgewichts (Wichtigkeit) einer Komponente an der Gesamtfunktion des Produkts; dies erfolgt durch Bildung der Quersumme je Komponente;
7.
Ermittlung des Zielkostenindex je Komponente; dies gelingt via Division des Teilgewichts durch den Kostenanteil der Komponente;
8.
Erstellung eines Zielkostenkontrolldiagramms.
23. Target Costing
219
Intern (Out of Company)
Extern (Market into Company)
Konstruktion
Marktforschung
Plan Materialkosten + Fertigungskosten = Herstellkosten + Verwaltungskosten + Vertriebskosten
1. Möglichkeit
2. Möglichkeit
3. Möglichkeit
Target Price ./. Target Profit
Drifting Costs (geschätzte Kosten pro Leistungseinheit)
Target Costs pro Leistungseinheit
Allowable Costs (zulässige Kosten pro Leistungseinheit)
Drifting Costs (geplante Kosten pro Leistungseinheit)
Target Costs pro Leistungseinheit
Allowable Costs (erlaubte Kosten pro Leistungseinheit)
Unternehmensstrategie
Kostenreduktion
Drifting Costs (geplante Kosten pro Leistungseinheit)
Target Costs pro Leistungseinheit
Allowable Costs (erlaubte Kosten pro Leistungseinheit)
Gewinnexpansion
Unternehmensstrategie
Abb. 114: Der Target Costing Prozess im Gesamtüberblick Die beschriebenen Schritte werden mithilfe der Funktions-/Komponentenmethode umgesetzt. Im Idealfall entspricht die Gewichtung der Komponentenkosten der Gewichtung der Funktionskosten. Liegt die Gewichtung der Kosten einer Komponente über dem Gewicht der entsprechenden Funktion, besteht ein Kostenreduktionsproblem. Im umgekehrten Falle ergibt sich ein Kostenspielraum für eine höherwertige Ausführung einer vom Kunden besonders geschätzten Funktion. Die Zielkostenspaltung kann auch mithilfe der Vektorenrechnung durchgeführt werden. Die Kostenkontrolle im Target Costing dient der Überprüfung der Zielkostenerreichung. Dazu werden die geplanten den realisierten Zielkosten gegenübergestellt. Als Abweichungen dieser mehrdimensionalen Soll-/Ist-Vergleiche sind Kostenunter- bzw. Kostenüberschreitungen sowie Kostengleichheit möglich.
220
I. Steuerungssysteme und Instrumente
Das Target Costing zeigt durch die Gegenüberstellung der Allowable Costs und der Drifting Costs die Notwendigkeit zu Struktur- und Technologieveränderungen aus dem Markt heraus auf. Zur Erreichung der Target Costs sind u. a. folgende Kostenreduzierungsmaßnahmen möglich: • • • • • • •
Optimierung der Produktionsstruktur durch die Vermeidung eines verschwenderischen Produktdesigns sowie die hinreichende Verwendung von Standardmodulen (Reengineering); Optimierung des Produktionsprozesses durch Aggregation von Arbeitsvorgängen, Vermeidung von Fehlern und Wartezeiten (Reengineering); Verminderung von Fremdbezugskosten durch den Einbezug von Zulieferern in die frühen Phasen der Produktentwicklung (Simultaneous Engineering); Qualitätsmanagement mit den Methoden Quality Function Deployment (QFD), Fault Tree Analysis (FTA) und Failure Mode and Effect Analysis (FMEA); Lebenszyklusorientierte Produkteinführung durch Time Based Management (TBM); Optimierung von Produkten, Methoden und Prozessen durch Benchmarking; Verringerung der Fertigungstiefe durch eine intensive Zusammenarbeit von Entwicklung, Konstruktion und Arbeitsvorbereitung bei der Entstehung neuer Teile.
Die Vorgabe der Targets bezieht sich dabei neben den Einzelkosten (Material, Lohn) vor allem auf die Gemeinkosten in den indirekten Bereichen, in denen hohe Rationalisierungspotenziale vermutet werden. In Kombination mit der Prozesskostenrechnung wird es möglich, durch die Analyse von Teilprozessen in einzelnen Kostenstellen sowie einer Strukturierung der abteilungsübergreifenden Abläufe das Rationalisierungspotenzial transparent zu machen. Außerdem kann die Prozesskostenrechnung das Target Costing bei der Bestimmung der Produktselbstkosten unterstützen. Durch die Integration der Prozesskostenrechnung in das marktorientierte Zielkostenmanagement wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Markterfordernisse, die über das Target Costing kostenseitig in das Unternehmen gelangen, erfüllt werden können. Das Target Costing kann derzeit nicht als ein umfassendes Kostenrechnungssystem verstanden werden, stellt jedoch eine wesentliche Ergänzung und Erweiterung im Bereich der Kostenplanung dar. Die Hauptprobleme liegen dabei in einer hinlänglich vertretbaren Vorhersage des Target Price sowie einer ausreichend genauen Ableitung der Target Costs. Weiterhin ist die funktions- und komponentenorientierte Auflösung der Target Costs aufwändig und schwierig zugleich. Leistungsfähigkeit des Kostenmanagements Im Mittelpunkt eines effizienten Kostenmanagements steht die Kostensteuerung auf der Grundlage von Soll-Ist-Vergleichen. Deren Aussagefähigkeit wird wesentlich durch die inhaltliche Leistungsfähigkeit der Soll-Kosten als Beurteilungsmaßstab für die Ist-Kosten bestimmt. Die Erkenntnis bezüglich der unterschiedlichen Qualität bei der Gewinnung von Soll-Größen führt dazu, dass die Leistungsfähigkeit von Kostenkontrollen innerhalb des Kostenmanagements differiert. Zielsetzung hierbei ist eine lernorientierte Steuerung. Das heißt, der Umfang der generierbaren Lernpotenziale auf der Basis von Soll-Ist-Vergleichen wird wesentlich durch den kreativen Inhalt der Soll-Größen bestimmt. In einer konkreten Kostenkontrollsituation
23. Target Costing
221
muss entschieden werden, welche Soll-Größe als Norm den gewünschten Erkenntnisumfang einer Kostenkontrolle optimal ermöglicht. In der Praxis werden neben den dominant einschichtigen Kostenvergleichen für besonders bedeutungsvolle Tatbestände bereits mehrschichtige Kostenkontrollen durchgeführt. Die Kosten pro Kostenträger lassen sich beispielsweise gleichzeitig mithilfe einer SollKostengröße, abgeleitet aus einer integrierten Planung, abgeleitet aus einem geeigneten Benchmark bzw. abgeleitet als Target Costs durchführen. Der Einsatz unterschiedlicher Norm-Größen führt je nach deren Leistungsfähigkeit zu steigenden Abweichungen im Sinne höherer Lernpotenziale. Der zunehmende Erkenntnisgewinn kann nur in einem längeren Zeithorizont realisiert werden. Dieses rechtfertigt eine mehrschichtige Kostenkontrolle für ein und denselben Tatbestand durchzuführen, um eine schrittweise Abarbeitung der Differenzen und damit eine Annäherung an die optimalen Kosten zu erreichen. Derzeit werden folgende Methoden zur Bestimmung von Soll-Größen praktiziert: Maßstab
Basis
Bezugsgröße
Einflussfaktoren
Soll (a)
Ist (Vergangenheitswert)
Stelle
Prozess
subjektiv
Soll (b)
Plan (Zukunftswert)
Stelle
Prozess
subjektiv
Soll (c)
Benchmark (unternehmensbezogen)
Stelle
Prozess
subjektiv
Soll (d)
Benchmark (branchenbezogen)
Prozess
objektiv
Soll (e)
Benchmark (branchenübergreifend)
Prozess
objektiv
Soll (f)
Target Costing (zukunftsorientiert/branchenbezogen)
Produkt
objektiv
Interne Ableitung Externe Ableitung
Operative Abweichungshierarchie (a) (b) Sollwerte
(c) (d) (e) (f)
Istwert Lernpotentiale
Abb. 115: Operative Sollhierarchie
Soll-Ist-Vergleiche
222
I. Steuerungssysteme und Instrumente
24. Wettbewerbsanalyse Die Trennung in eine operative und eine strategische Führung erfordert auch eine entsprechende Differenzierung der Wettbewerbsanalyse. Die bisher fast ausschließlich operativ betriebene Wettbewerbsanalyse beschäftigt sich im Wesentlichen mit den mehr kurzfristigen Einflüssen auf das Unternehmensergebnis. Dabei spielen Größen wie Preise, Mengen, Umsätze, Kosten usw. die entscheidende Rolle. Eine strategische Wettbewerbsanalyse ist dagegen längerfristig orientiert, damit der operativen Wettbewerbsanalyse vorgelagert und setzt für diese die Rahmenbedingungen fest. Sie umfasst als Ausgangspunkt die Untersuchung der Potenzialität des Unternehmens. Ergänzend dazu müssen auch Potenzialitätsbetrachtungen der wesentlichen Lieferanten sowie der wichtigsten Kunden und vor allem der potenziellen Konkurrenten vorgenommen werden. Inhaltlich lässt sich die strategische Wettbewerbsanalyse wie folgt konkretisieren. Das Unternehmen selbst muss eine Vorstellung über die Anzahl und Qualität der zukünftigen Strategischen Geschäftseinheiten (SGE) gewinnen. Dabei handelt es sich um die Erkenntnis von neu entstehenden bzw. im Wesentlichen unverändert weiter bestehenden Problemfeldern mit einer entsprechenden Ergänzung bezüglich der Zielgruppen und Regionen. So erkannte Strategische Geschäftseinheiten bedürfen einer entsprechenden strategischen Entwicklung z. B. durch die Schaffung von personellen, finanziellen, organisatorischen usw. Voraussetzungen. Bezüglich der Lieferanten gilt es, aus den Strategischen Geschäftseinheiten den erforderlichen Nutzenbeitrag abzuleiten und durch eine Auswahl und Entwicklung geeigneter Lieferanten sicherzustellen. In Richtung auf die als Zielgruppe in der SGE bereits allgemein erkannten Abnehmer muss der strategische Nutzen, den das Unternehmen für konkrete Kunden entwickeln kann, definiert und angeboten werden. Weiterhin sind aus den Strategischen Geschäftseinheiten die zukünftig wesentlichen Konkurrenzprodukte bzw. Konkurrenten abzuleiten und die sich abzeichnenden Wettbewerbsvorteile zu verstärken bzw. erkennbare Wettbewerbsnachteile abzubauen. Als bedeutendstes Instrument der strategischen Wettbewerbsanalyse gilt das PortfolioKonzept. Es ermöglicht auf der Grundlage der Produktlebenszykluskurve sowie der Kostenerfahrungskurve die Abgrenzung von strategischen Geschäftsfeldern. Es kann sowohl als Ist- wie auch als Soll-Portfolio gestaltet werden und ist zugleich für die strategische Eigenanalyse wie auch für eine strategische Fremdanalyse der Lieferanten, der Kunden, der Konkurrenten, der Kapitalgeber sowie der Regionen einsetzbar.
25. Wissensbilanz
223
Lieferanten Analysefelder: - Marketing, - Innovation, - Logistik, - Developing, - Controlling, - Treasuring. Lieferantenvor-/nachteile Unternehmen Analysefelder: - Marketing, Kapitalgeber- - Innovation, vor-/nachteile - Logistik, - Developing, - Controlling, - Treasuring. Wettbewerbsvor-/nachteile
Kapitalgeber Analysefelder: - Ziele, - Strategien, - Ergebnisse.
Konkurrenten Analysefelder: - Marketing, - Innovation, - Logistik, - Developing, - Controlling, - Treasuring.
Regionalvor-/nachteile
Region Analysefelder: - Wirtschaftspolitik, - Gesellschaftspolitik.
Kundenvor-/ nachteile Kunden Analysefelder: - Ziele, - Nutzen, - Elastizitäten, - Qualitäten, - Preise.
Abb. 116: Wettbewerbsanalyse
25. Wissensbilanz In den letzen Jahren hat sich ein fundamentaler gesellschaftlicher Wandel, weg von der arbeitsintensiven Agrargesellschaft hin zu einer wissens- und informationsorientierten Gesellschaft, vollzogen. Der damit einhergehende Veränderungsprozess bestimmt eine neue Wertigkeit der einzelnen Produktionsfaktoren. Wissen gewinnt als zukunftsweisender Produktionsfaktor immer stärker an Bedeutung und beschränkt damit die traditionellen Faktoren in Form von Boden, Arbeit und Kapital. Aufgrund dieses Veränderungsprozesses wird Wissen immer häufiger als „der vierte Produktionsfaktor“ bezeichnet. In einem solchen Umfeld, das zunehmend durch internationalen Wettbewerb, Technologisierung und verkürzte Produktlebenszyklen gekennzeichnet ist, sind Wissensvorsprünge in vielen Bereichen der entscheidende Wettbewerbsvorteil. Um diesen gesteigerten Anforderungen begegnen zu können, haben Unternehmen begonnen, ihr Wissen gezielt zu managen, um es zu identifizieren, zu entwickeln, es nutzbringend einzusetzen und zu bewerten.
224
I. Steuerungssysteme und Instrumente
Zur Wissensbewertung haben sich unterschiedlichste Ansätze mit divergierenden Einsatzgebieten und Zielsetzungen entwickelt. Neben klassisch bekannten marktwertorientierten Modellen bestehen ebenso ertrags-, wert-, und indikatorenbasierte Methoden, die sich dem Themengebiet zuwenden. Vor allem die indikatorenbasierten Modelle bilden die Vielschichtigkeit und Komplexität der zugrunde liegenden Ressource bestmöglich ab. 80 Marktwertorientierte Modelle Die marktwertorientierten Ansätze zur Bestimmung immaterieller Vermögenswerte betrachten dieses und die von ihm ausgehenden Werte als Bewertungsobjekt aus Sicht der Analysten, Finanzwissenschaftler und Investoren. Beispielhaft seien hier die Marktwert-BuchwertRelation und der Tobins’q genannt. Als kumulierte Werte bieten diese jedoch wenige Steuerungsmöglichkeiten, da unterschiedlichste Arten immaterieller Vermögenswerte zusammengefasst werden, und Ansatzpunkte für steuernde Maßnahmen so verschwimmen. Ertragsbasierte Modelle Die ertragsbasierten Modelle betrachten den zukünftigen Wert des immateriellen Vermögens als Summe der Umsätze oder respektive der Gewinne, die durch selbiges für das Unternehmen erwirtschaftet werden. Basis ist die Gegenüberstellung der Kapitalkosten für immaterielles Vermögen und den zukünftig zu erwartenden Erträgen aus diesem. Beispielhaft kann hier das Calculated Intangible Value-Verfahren genannt werden. Ihm liegt die Theorie zugrunde, dass Unternehmen mit besser ausgeprägten und genutzten immateriellen Vermögenswerten eine höhere Eigenkapitalrendite erwirtschaften können als vergleichbare Unternehmen mit weniger entwickelter organisationaler Wissensbasis. Wertbasierte Modelle Analog der Marktwert-Buchwert-Differenz interpretieren die wertbasierten Bewertungsansätze den Mehrwert, den die Differenz zwischen verwendeten Input- und Outputgrößen ergibt, als immaterielle Bestandteile des Unternehmensvermögens. Beispielhaft können hier der Market-Value-Added (MVA) oder der Economic Value Added (EVATM) sowie klassische Value Networks als methodische Grundlage dienen. Indikatorenbasierte Modelle Die indikatorenbasierten Bewertungsmethoden basieren auf der Abbildung und Bewertung einzelner Komponenten des immateriellen Vermögens durch geeignete unternehmens- und kontextspezifische Indikatoren. Sie stellen so die differenziertesten, praxisorientiertesten aber auch aufwändigsten Bewertungsmodelle dar, die jedoch der Komplexität und Dynamik der immateriellen Vermögensbestandteile am ehesten Rechnung tragen. Ihr Ziel ist es, durch Parzellierung der immateriellen Vermögensbasis spezifische Ausgangspunkte zur strategischen und operativen Steuerung des immateriellen Unternehmensvermögens zu finden. Es können grundsätzlich zwei Arten indikatorenbasierter Bewertungsmodelle unterschieden werden. Zum einen gibt es die Instrumentengruppe, deren Fokus eine analytische Beschreibung und Bewertung der Bestandteile des immateriellen Vermögens ist. Beispielhaft seien hier der Intangible Assets Monitor und der Intellectual Capital Navigator benannt. Sie verwenden dabei weitgehend nicht-finanzielle Indikatoren und unterteilen das immaterielle 80
Steinhübel V./Distel, K.: Wissensbewertung – Stand und Perspektiven Heft 8, 2007.
in Controlling Berater,
26. Zeitreihenanalyse
225
Vermögen in einzelne konkret beschreib- und steuerbare Komponenten. Zum anderen integriert die zweite Gruppe der Ansätze die Finanzperspektive in die Betrachtung. Diese Verknüpfung der materiellen und immateriellen Perspektive findet bspw. bei Kaplan und Nortons „Balanced Scorecard“ oder dem daran angelehnten „Skandia Navigator“ sowie mittels des Modells des Arbeitskreises Wissensbilanz statt. Letztgenanntes Bewertungsmodell ist das aufgrund der Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie sowie des Fraunhofer Instituts „Wissensbilanz made in Germany“ das in Deutschland am weitesten verbreitete Modell. Aus diesem Grunde soll auf dieses nachfolgend näher eingegangen werden. Ausgehend von der Tatsache, dass in jedem Unternehmen eine Vielzahl verflochtener Beziehungen zwischen Mitarbeitern besteht, die unter Einwirkung einer Flut unterschiedlichster Einflüsse die unternehmenseigenen Strukturen und Prozesse nutzen, pflegen und ergänzen, wird im Rahmen des Modells des Arbeitskreises Wissensbilanz versucht, eine Methode zu entwickeln, die genau dieses komplexe Netzwerk abbildet, strukturiert und bewusst nutzbar machen kann. Das im Unternehmen bestehende intellektuelle Kapital wird in Human-, Struktur- und Beziehungskapital gegliedert und hierbei als Ressource betrachtet, die in den klassischen Wertschöpfungsprozess einfließt. Diese drei Bereiche werden innerhalb des Wissensbewertungsansatzes von Einflussfaktoren beschrieben, die durch Indikatoren näher bestimmt sind und in ihren qualitativen, quantitativen, systematischen, intensitätsorientierten und zeitlichen Wirkungszusammenhängen näher betrachtet werden. Zusammen beeinflussen alle Komponenten die Wertschöpfung und damit den Geschäftserfolg des Unternehmens. Um eine umfassende Betrachtung zu ermöglichen, müssen die Bereiche des immateriellen Vermögens methodisch in das Geschäftsumfeld der Unternehmung eingebettet sein. Den inhaltlichen Fixpunkt bildet hierbei die Unternehmensstrategie. Inhaltlich an der Unternehmensstrategie orientiert ist es möglich, eine individuelle Wissensstrategie abzuleiten. Diese fungiert als Basis und Rahmen für die Definition konkreter Wissensziele und wird in umsetzbaren Maßnahmen innerhalb der Geschäftsprozesse konkretisiert. Unter Berücksichtigung des Umfeldes, der Strategie sowie der Wissensstrategie können basierend auf erkannten Wirkungszusammenhängen konkrete Maßnahmen abgeleitet werden, die auf eine Verbesserung bzw. Optimierung des intellektuellen Kapitals und damit auf eine Steigerung der Wertschöpfung zielen.
26. Zeitreihenanalyse Dieses Verfahren basiert auf einer Zeitreihendeterminantenanalyse und deren Extrapolation. Zeitreihen liegen vor, wenn Daten zu gleichen Sachverhalten über eine Reihe von Zeitpunkten und/oder -zeiträumen existieren. Die Zeitreihenanalysen umfassen u. a. die Trendextrapolation, die exponentielle Glättung erster Ordnung und die Regressionsanalyse. • •
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Bei der Trendextrapolation werden vergangenheitsorientierte Werte in die Zukunft fortgeschrieben. Dabei wird unterstellt, dass bisherige Gesetzmäßigkeiten auch zukünftig gelten. Die exponentielle Glättung erster Ordnung stellt ebenfalls eine Extrapolation dar. Dabei werden die vorliegenden Werte unterschiedlich gewichtet, d. h. je höher der Glättungsfaktor gewählt wird, desto schwächer werden vergangenheitsorientierte Werte berücksichtigt. Regressionsanalysen geben Auskunft über Beziehungen zwischen einer abhängigen und einer oder mehreren unabhängigen Variablen.
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I. Steuerungssysteme und Instrumente
27. Zero Base Planning Dies ist eine Form der Budgetierung, bei der die Vergangenheit außer Acht gelassen wird. Als Ausgangsbasis wird ein fiktiver „Nullzustand“ im Sinne eines Neuanfangs gewählt. Vorliegende Ist-Werte bleiben unberücksichtigt. Wichtig ist dabei nur das zukünftige Unternehmensziel. Die einzelnen Bereiche müssen ihre Budgetwünsche periodisch neu stellen und begründen. Die Finanzen werden dann dorthin geleitet, wo sie am notwendigsten sind.
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Die spannende Welt der Ökonomie entdecken. Bernd Ziegler Geschichte des ökonomischen Denkens Paradigmenwechsel in der Volkswirtschaftslehre 2. Auflage 2008 I 177 S. I gebunden
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Dr. Bernd Ziegler lehrt an der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg.
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