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German Pages 300 [294] Year 2021
Friedrich Wolfzettel Probleme des Artusromans
Schriften der Internationalen Artusgesellschaft
Deutsch-österreichische Sektion Herausgegeben von Cora Dietl, Klaus Ridder, Brigitte Burrichter, Nathanael Busch, Friedrich Wolfzettel, Jörg O. Fichte
Band 16
Friedrich Wolfzettel
Probleme des Artusromans Ausgewählte kleine Schriften Herausgegeben von Brigitte Burrichter, Cora Dietl und Christoph Schanze
ISBN 978-3-11-069302-7 e-ISBN (PDF) 978-3-11-069456-7 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-069463-5 ISSN 1869-7070 Library of Congress Control Number: 2021941838 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Christoph Schanze, Gießen Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Inhalt Vorwort der Herausgeber | VII Brigitte Burrichter Zur Einführung | IX
Ausgewählte kleine Schriften Arthurian Adventure or Quixotic ›Struggle for Life‹? A Reading of Some Gauvain Romances in the First Half of the Thirteenth Century (1981) | 3 Lancelot et les fées Essai d’une lecture psychanalytique du Lancelot en prose (1982) | 19 Doppelweg und Biographie (1999) | 37 Temps et histoire dans la littérature arthurienne (1999) | 61 Der lange Weg zu einem ›anderen‹ Chrétien Zur Nachkriegsforschung über den Conte du Graal (2002) | 83 Der Lancelot-Roman als Paradigma Vom geschlossenen symbolischen Stil des Chrétien'schen Versromans zur offenen Welterfassung der Prosa (2007) | 105 Der defiziente arthurische Körper Nacktheit als Gattungsparadigma (2007) | 123 Zum Problem der Epizität im ›postklassischen‹ Artusroman (2013) | 155 Father and Son or the Problem of the Generational Paradigm in Old French Arthurian Verse Romance (2013) | 171 Parodie und Artusroman Versuch einer Problematisierung (2014) | 187
VI | Inhalt
Fictional History as Ideology Functions of the Grail Legend from Robert de Boron to the Roman de Perceforest (2015) | 203 Forschungsinterferenzen Chrétien de Troyes und der Artusroman (2016) | 221 Artusrittertum und Melancholie (2017) | 231 Der Artusheld als Opfer oder Begünstigter des Wunderbaren im nachklassischen Artusroman | 247 La Carole magique ou le triomphe de l’esthétique D’un maléfice arthurien à une épiphanie esthétique moderne | 257
Anhang Gesamtbibliographie der arthurischen Schriften von Friedrich Wolfzettel | 271
Vorwort der Herausgeber Anlässlich des 80. Geburtstags von Friedrich Wolfzettel, dem Ehrenpräsidenten der Deutsch-österreichischen Sektion der Internationalen Artusgesellschaft, versammelt der vorliegende Band insgesamt 15 Aufsätze aus seiner Feder, die sich mit grundlegenden Problemfeldern des französischen Artusromans befassen. Friedrich Wolfzettel hat für diesen Band aus den insgesamt 44 Aufsätzen, die er – neben mehreren gewichtigen und einschlägigen Sammelbänden sowie zahlreichen Rezensionen – seit den frühen 1970er-Jahren zu arthurischen Themen veröffentlicht hat, 13 Arbeiten ausgewählt, bei denen keine Einzeltextanalysen im Mittelpunkt stehen, sondern die sich mit übergreifenden Fragestellungen und Problemkomplexen befassen. Ergänzt wird der Band durch zwei bislang unveröffentlichte Studien, die das Spektrum der Themenfelder ergänzen; der letzte Beitrag weitet zudem die Perspektive und weist über den Artusroman und die mittelalterliche Literatur hinaus. Alle Beiträge wurden redaktionell durchgesehen und vereinheitlicht sowie mit Abstracts und Übersetzungen der längeren Primärtext-Zitate versehen. Satzund Druckfehler wurden bei der Durchsicht stillschweigend korrigiert, davon abgesehen entsprechen die Texte der ursprünglichen Fassung. Wir danken den Verlagen, die die Erstfassungen publiziert haben, herzlich für die Überlassung der Rechte für den Wiederabdruck. Großer Dank gebührt unserer Hilfskraft Christina Möller für ihr Engagement und ihre Genauigkeit bei der redaktionellen Überarbeitung der Beiträge, Thomas Edeling für seine Unterstützung sowie Anna Ramb und Jasmin Windirsch, die für die Digitalisierung der Vorlagen gesorgt haben. Der Verlag Walter de Gruyter ist nun schon seit mehr als zehn Jahren die denkbar beste ›Heimat‹ für unsere Reihe »Schriften der Internationalen Artusgesellschaft / Deutsch-österreichische Sektion«, und er hat auch diesen Band von den ersten konzeptionellen Überlegungen bis hin zur Drucklegung gewohnt zuverlässig und zuvorkommend betreut. Wir danken v. a. unseren beiden Lektorinnen Elisabeth Kempf und Eva Locher sehr herzlich für die angenehme Zusammenarbeit; auch Robert Forke hat sich engagiert um das Projekt gekümmert. Sorina Moosdorf hat den Satz und die Herstellung des Bandes freundlich und kompetent begleitet – dafür und für ihre unendliche Geduld bei technischen Fragen sind wir sehr dankbar. Der größte Dank aber gilt Friedrich Wolfzettel, der sich auf das Projekt eingelassen hat, auch wenn er nur zu gerne bescheiden auf diese Art der Ehrung seiner Person verzichtet hätte und auch bald feststellen musste, wie viel Arbeit diese Art
https://doi.org/10.1515/9783110694567-203
VIII | Vorwort der Herausgeber
der ›Festschrift‹ für ihn mit sich brachte; er hat nicht nur in Absprache mit uns und dem Lektorat die Auswahl der Beiträge getroffen, sondern er hat auch die Mühen der redaktionell bedingten Ergänzungen auf sich genommen und darüber hinaus sogar zwei neue Beiträge für diesen Band verfasst. Ihm gelten unsere herzlichsten Glückwünsche zu seinem Geburtstag: Bon anniversaire!
Gießen und Würzburg, zum 18. August 2021
Brigitte Burrichter Cora Dietl Christoph Schanze
Brigitte Burrichter
Zur Einführung In der deutschen Romanistik gehört Friedrich Wolfzettel zu den herausragenden Vertretern der Mediävistik. Am Anfang seiner Auseinandersetzung mit der mittelalterlichen französischen Literatur stand die Beschäftigung mit der Lyrik des französischen Mittelalters im Kontext des metrischen Repertoriums der französischen Lyrik, das seit 1968 an der Universität Gießen erarbeitet wurde.1 Sehr bald aber richtete sich sein Interesse auch auf die Artusliteratur. Anfang der 1970erJahre wurde er zunächst Sekretär der Deutsch-österreichischen Sektion der Internationalen Artusgesellschaft, deren Präsident er von 1982 bis 2007 war. Von 1990 bis 1993 stand Friedrich Wolfzettel als Präsident auch an der Spitze der Internationalen Artusgesellschaft, nachdem er von 1987 bis 1990 deren Vizepräsident gewesen war.2 Heute ist er sowohl Ehrenpräsident der Internationalen Artusgesellschaft als auch der Deutsch-österreichischen Sektion und als solcher nicht nur geehrt, sondern nach wie vor höchst aktiv. Durch sein fortwährendes und mit großer Energie betriebenes Engagement für die Artusgesellschaft hat Friedrich Wolfzettel viele junge Forscher auf ihrem Weg begleitet, hat diskutiert, inspiriert und ermutigt. Die deutschsprachige Artusforschung verdankt ihm vieles, nicht zuletzt den Umstand, dass durch ihn zahlreiche germanistische Mediävisten Kontakt zur romanistischen Forschung halten konnten, die an den meisten Universitäten aus in der Regel finanziell bedingten strukturellen Gründen bedauerlicherweise nicht mehr vertreten ist. Sein Blick ist immer interdisziplinär und richtet sich stets neben der Romanistik und Germanistik auf die in der deutschen Hochschullandschaft schon weitgehend verschwundene mediävistische Keltologie, Anglistik, Niederlandistik und Latinistik. Eine Vielzahl an Veröffentlichungen bezeugt seine intensive Auseinandersetzung mit verschiedenen Aspekten der mittelalterlichen Literatur Frankreichs, von der Lyrik über die narrative Literatur bis hin zum Märchen. Die im vorliegen-
|| 1 Vgl. Ulrich Mölk und Friedrich Wolfzettel, Répertoire métrique de la poésie lyrique française des origines à 1350, München 1972. 2 Vgl. dazu auch den skizzenhaften Überblick zur Geschichte der Internationalen Artusgesellschaft sowie ihrer Deutsch-österreichischen Sektion im ›Vorwort der Herausgeber‹, in: Brigitte Burrichter u. a. (Hrsg.), Aktuelle Tendenzen der Artusforschung, Berlin, Boston 2013 (SIA 9), IX– XIV, hier: IXf. https://doi.org/10.1515/9783110694567-204
X | Brigitte Burrichter
den Band versammelten Beiträge3 geben einen repräsentativen Einblick in Friedrich Wolfzettels Forschungen zur Artusliteratur. Die Fragestellungen, die er an Chrétiens Romane, aber auch immer wieder an die Vers- und Prosaromane des 13. Jh. heranträgt, sind insgesamt sehr breit angelegt. Es zeichnen sich allerdings schon früh schwerpunktmäßig zwei Ansätze ab, die er gewinnbringend miteinander verknüpft. Zum einen ist dies die Beobachtung der enfances, die Rolle der ›Jungen‹ in der Literatur, also der jungen Ritter, die in der genealogischen Reihe noch keine Verantwortung für ihre Familie tragen. Georges Duby hatte schon seit den 1960er-Jahren auf die Gruppe der juvenis im französischen Adel hingewiesen;4 das Konzept wurde bald für die literaturwissenschaftliche Forschung fruchtbar gemacht, zunächst für die Lyrik und die Chanson de geste. Später übertrug Friedrich Wolfzettel es auf die Analysen zum Artusroman, denn auch hier, so seine Beobachtungen, sind die Protagonisten juvenis, junge Adlige, die keinerlei dynastische Aufgaben haben, sondern sich ihren persönlichen Abenteuern widmen können. Der Beitrag zu »Doppelweg und Biographie« (Nr. 3 im vorliegenden Band) steht beispielhaft für diese Übertragung und zeigt, wie gewinnbringend die Analyse der spezifischen Ausformungen des Themas, wie es in verschiedenen Romanen realisiert wird, sein kann. Anders als in der Chanson de Geste steht im Roman die enfances-Erzählung für sich und fügt sich nicht in eine größere genealogische Erzählung ein (siehe Nr. 9; auch Nr. 2, Nr. 4, Nr. 6 und Nr. 8 berühren diesen Themenbereich). Zum anderen hat Friedrich Wolfzettel früh das Konzept der juvenis mit psychoanalytischen Ansätzen verbunden. In den frühen 1980er-Jahren gehörte er zu den ersten, die dies versuchten (siehe dazu den Beitrag »Lancelot et les fées«, Nr. 2 im vorliegenden Band). Für die Geschichte Lancelots, im Roman Chrétiens de Troyes wie v. a. auch im Prosa-Lancelot, erweist sich die Verbindung der beiden Ansätze als besonders erhellend. Lancelot ist der Protagonist, der bis zu seinem Tod im Status des juvenis verharrt, er entzieht sich der Verantwortung für das väterliche Erbe und verweigert die Übernahme der Landesherrschaft. Der psychoanalytische Ansatz bietet hier mit dem ödipalen Schema ein nachvollziehbares Erklärungsmuster für die Beziehung zur Königin und die Rolle der Feen. Lancelot bleibt, so das Ergebnis, im ödipalen Stadium gefangen und kann es nicht überwinden.
|| 3 Siehe auch das Gesamtverzeichnis der arthurischen Schriften von Friedrich Wolfzettel im Anhang des vorliegenden Bandes, 271–80. 4 Vgl. Georges Duby, ›Dans la France du Nord-Ouest au XIIe siècle: les »jeunes« dans la société aristocratique‹, Annales 19 (1964), 835–46, oder ders., ›Les »jeunes« dans la société aristocratique dans la France du Nord-Ouest au XIIe siècle‹, in: ders., Hommes et structures du Moyen Âge. Recueil d'articles, Paris, Den Haag 1973 (Le Savoir historique 1), 213–25.
Zur Einführung | XI
Blickt man auf den Graalsroman und die späteren Romane des 13. Jh., so ändert sich der Befund. In den frühen Romanen sind die Protagonisten losgelöst von ihrer Genealogie und der familiären Vergangenheit, oder sie weisen diese – wie etwa der Lancelot des Prosaromans – zurück. Mit dem Graalsroman kommt die Familiengeschichte ins Spiel, allerdings hier wie in den Romanen des 13. Jh. in Gestalt sehr problematischer Vaterfiguren, die kein harmonisches genealogisches Muster erlauben. In seinem Beitrag »Father and Son or the Problem of the Generational Paradigm in Old French Arthurian Verse Romance« (Nr. 9), der diesem Thema gewidmet ist, zeigt Friedrich Wolfzettel die weitreichenden Schlüsse auf, die sich aus diesem Befund ziehen lassen. Der Herauslösung des Romans aus dem heilsgeschichtlichen Rahmen und der Emanzipation des Individuums tritt der Blick auf die sozio-historische Situation der Entstehungszeit zur Seite. V. a. der anglonormannische Bereich (aus dem wohl die Mehrzahl der Mäzene stammt) ist von einem Adel geprägt, der erst nach 1066 ins Land gekommen ist und seine Anbindung an die kontinentale Familie verloren hat. Aus dem Vergleich mit der Chanson de geste ergibt sich eine weitere Beobachtung: Die jungen Helden, die losgelöst von dynastischen Aufgaben agieren, bedingen auch eine andere Geschichtskonzeption. Während die Protagonisten der Chanson de geste in einem klaren (wenn auch oft fiktiven) historischen Rahmen agieren und in eine klare genealogische Abfolge eingebunden sind, verzichtet der Roman auf beides. Chrétiens Romane spielen in der großen Friedenszeit der Artusgeschichte, die Wace in seiner altfranzösischen Fassung der lateinischen historia besonders betont. An die Stelle der historischen Kontinuität der ›offiziellen‹ Geschichte und auch deren Einbindung in den heilsgeschichtlichen Kontext tritt die individuelle Biographie der einzelnen Protagonisten, die für eine weltliche Geschichte steht. In »Temps et histoire dans la littérature arthurienne« (Nr. 4) umreißt Friedrich Wolfzettel die Implikationen dieser neuen Konzeption. Die Geschichtsschreibung richtet den Blick in die Vergangenheit und ist abgeschlossen, im Mittelalter folgt sie zudem dem figuralen Schema. Die Biographie ist dagegen auf die Zukunft gerichtet und offen, und dies gilt auch für die ersten Romane Chrétiens de Troyes. Sie repräsentieren die Emanzipation des Romans von der Heilsgeschichte und die Emanzipation der Protagonisten von der Genealogie. Offenbar ließ sich diese Individualität aber nicht durchhalten, Genealogie und Geschichte nicht auf Dauer aus dem Roman verbannen. In den Romanen außerhalb des LancelotGraal-Komplexes führte dies zu einer defizitären Genealogie mit problematischen Vätern, im Graalsthema kommt es zu einer neuen Ausrichtung der Geschichte. Neben die ›offizielle‹ Heilsgeschichte tritt mit der Geschichte des Graals eine al-
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ternative (quasi apokryphe) ›heilige‹ Geschichte, die eine Sakralisation des Artusreiches zum Ziel hat. Es ist der Versuch, die säkulare Utopie durch eine sakrale, ja eschatologische Utopie zu ersetzen. Der Versuch scheitert und erklärt dadurch, so Friedrich Wolfzettel, das Ende der Graalssuche im Prosaroman. Der Beitrag »Fictional History as Ideology« zum Zusammenhang von Graal und Geschichte (Nr. 11) vertieft diesen Aspekt und zeichnet ihn genauer an den Texten nach. Die ›Verdrängung‹ der Genealogie aus dem Roman hat, so argumentiert Friedrich Wolfzettel mit Sigmund Freud in einem weiteren Beitrag »Zum Problem der Epizität im ›postklassischen‹ Artusroman« (Nr. 8), noch eine andere Folge: das Grübeln, die Melancholie, die einige der Romane prägt. Das penser ist tatsächlich ein häufiges Motiv, das Versunkensein in die eigenen Gedanken verweist auf die Isolation des Romans. In einigen späteren Romanen ›drängen‹ die Geschichte und die Genealogie wieder in den Artusroman. Ein jüngerer Beitrag ist ganz dem Zusammenhang von »Artusrittertum und Melancholie« (Nr. 13) gewidmet und untersucht das Motiv und seine Implikationen in verschiedenen Romanen. Nicht nur die Melancholie, auch andere Motive verdanken ihre spezifische Ausprägung Gattungsmerkmalen. Die Nacktheit etwa spielt im Artusroman eine auffallend geringe Rolle, die Analyse vieler Szenen aus den unterschiedlichsten Romanen zeigt dies in einer Studie zum »defizienten arthurischen Körper« (Nr. 7) nachdrücklich. Diese Strenge ist wohl dem Umstand geschuldet, dass der Artusroman einen zivilisatorischen und teilweise auch christologischen bzw. spirituellen Anspruch erhebt. Wie die Melancholie verweist auch die problematische Nacktheit auf die Verdrängung, die den Artusroman kennzeichnet. Chrétiens frühe Romane sind in einer konkreten kulturhistorischen Situation entstanden und spiegeln Ideen des anglonormannischen und nordfranzösischen Hochadels um 1170. Die späteren Romane (beginnend schon mit Chrétiens Perceval) zielen dagegen auf ein anderes Publikum. Die bisher angeführten Veränderungen zeigen dies deutlich. Pointiert lässt sich dies an der Figur Gawains zeigen, dessen ritterlicher Kodex nicht in die veränderte Welt passt und die ›tragische Unzulänglichkeit‹ der arthurischen Welt aufzeigt. An die Stelle des selbstbewussten Blicks in die Zukunft, der aus dem Prolog des Erec spricht, tritt im ausgehenden 12. und im 13. Jh. die Unfähigkeit, auf die Probleme der (intradiegetischen) Welt zu reagieren, was der Beitrag »Arthurian Adventure or Quixotic ›Struggle for Life‹?« (Nr. 1) eindrucksvoll zeigt. Die veränderte Welt und ihre sich verschiebenden Ordnungsgefüge reflektieren Artusromane auch durch eine Zunahme magischer Elemente; was insbesondere die germanistische Forschung als ein innerliterarisches Phänomen der Zunahme von phantastischen Elementen in der ›nachklassischen‹ Literatur beobachtet hat, deutet Friedrich Wolfzettel im ersten der beiden neu für den vorlie-
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genden Band abgefassten Beiträgen mit dem Titel »Der Artusheld als Opfer oder Begünstigter des Wunderbaren im nachklassischen Artusroman« (Nr. 14) als einen Kontroll- und Freiheitsverlust arthurischer Ritter in einer Welt im Wandel, deren neue Wirkkräfte als ›magisch‹ beschrieben werden. Der Lancelot-Roman steht paradigmatisch für die vielfachen Veränderungen von Chrétiens früher Konzeption zu den Entwicklungen seit dem Ende des 12. Jh. Das Verhältnis des Romans zur Geschichte, zum Mythos, zur Rolle des Individuums lässt sich am »Lancelot-Roman als Paradigma« (Nr. 6) nachzeichnen. Chrétiens Romane handeln in einem geschlossenen, fast autonomen System, das je einen Protagonisten in den Mittelpunkt stellt, während der Prosaroman des 13. Jh. viele Handlungsstränge mit unterschiedlichen Protagonisten ineinander verschränkt und durch die Pluralität der Ereignisse und Figuren geprägt ist. Diese Pluralität steht für ein neues Verhältnis des Einzelnen zur Gruppe und verbindet die Sakralisierung des Graals mit der Sündigkeit der Welt. Neben den Arbeiten zu den besonderen Merkmalen des Chrétien’schen Romans und den Veränderungen, die der Prosaroman mit sich bringt, setzt sich Friedrich Wolfzettel immer wieder mit der Forschungsgeschichte auseinander. Seine breite Kenntnis nicht nur der Texte, sondern auch der Forschungsliteratur erlauben fundierte Einschätzungen aktueller Themen, etwa der Parodie (Nr. 10) oder der Epigonalität (Nr. 8). In beiden Fällen führt Friedrich Wolfzettel gewichtige Gründe an, die eine Übertragung der jeweiligen Kategorie auf die französischen Artusromane problematisch erscheinen lassen. In den bereits genannten Beiträgen findet sich immer wieder die Einordnung von Argumentationen und Analysen in den jeweiligen Forschungskontext; zum eigenen Thema wird die Forschungsgeschichte in zwei Arbeiten: In einem Beitrag von 2002 steht »Der lange Weg zu einem ›anderen‹ Chrétien« (Nr. 5) im Zentrum, die Entwicklung der Forschung seit den 1960er-Jahren im Kontext der jeweiligen Forschungsparadigmen. 2016 diskutiert Friedrich Wolfzettel in einem pointierten Überblick mit dem Titel »Forschungsinterferenzen« (Nr. 12) die aktuelle Forschung zum Artusroman, in der Chrétiens Romane zunehmend kritisch betrachtet werden. In der Summe zeigen die hier versammelten Beiträge die Breite der Themen, mit denen sich Friedrich Wolfzettel in seiner Beschäftigung mit dem Artusstoff auseinandersetzt. Es gibt kaum einen französischen Artusroman, den er nicht berücksichtigt, und kaum eine theoretische Richtung, die er nicht einbezieht. Diese Breite ist aber nicht mit Beliebigkeit gleichzusetzen, es gelingt ihm in bewundernswerter Weise, in der Vielfalt der Themen gemeinsame Strukturen und Hintergründe aufzudecken. Die vielen Texte und Motive lassen sich dem Grundmerkmal des Chrétien’schen Romans – der Lösung von der Geschichte – und den sich
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daraus ergebenden Problemen zuordnen. Anders betrachtet erweist sich, in wie vielen scheinbar disparaten Aspekten sich dieses Grundproblem in den verschiedenen Werken ausdrückt. Wir verdanken der langen und klugen Auseinandersetzung Friedrich Wolfzettels mit und seiner Liebe zum Artusroman diese Erkenntnis und viele wichtige und inspirierende Einsichten in die mittelalterliche Artusliteratur. Der letzte der beiden für den vorliegenden Band neu verfassten Beiträge, »La Carole magique ou le triomphe de l’esthétique« (Nr. 15), zeichnet ausgehend vom Artusroman das Motiv des magischen Gesangs junger Mädchen im Frühling in einem weiten Bogen nach, der von Dante und Boccaccio über Edmund Spensers Fairie Queene bis hin zu Wilhelm Heinses Ardinghello und die glückseligen Inseln reicht. Er möge dazu einladen, sich auch mit den zahlreichen inspirierenden Beiträgen zu nicht-arthurischen und/oder nicht-mediävistischen Themen zu beschäftigen, die Friedrich Wolfzettel in seiner nun schon über 50 Jahre andauernden Forschungstätigkeit verfasst hat.
| Ausgewählte kleine Schriften
Arthurian Adventure or Quixotic ›Struggle for Life‹? A Reading of Some Gauvain Romances in the First Half of the Thirteenth Century Abstract: Already in the Conte du Graal Gauvain represents the insufficiency and failure of the Arthurian world. Subsequent romances, Le Chevalier à l’Épée, L’Âtre périlleux, La Vengeance Raguidel and La Mule sans frein, reinforce this impression of a loss of reality. Gauvain remains a shadowy and reappearing hero who is characterized by the lack of individual psychology. The hero’s quixotic struggle is a comic-tragic quest for reality in search of a lost ideal evoked in the mode of reminiscence.
Since the beginnings of mediaevalism in the century of the Enlightenment, literary history has mostly been imagined unilaterally, as if literary process was itself subjected to a mysteriously organic law of progress and ultimate decay. In this evolutionary perspective1 it seemed particularly difficult to account for certain anachronistic phenomena of mediaeval literature and to find adequate criteria of judgment. The popularity of the chanson de geste in the century of prose romances and vast compilations, the survival of seemingly traditional Arthurian material in those prose romances, the infatuation with certain standard types of courtly lyrics throughout the thirteenth and fourteenth centuries; are they simply examples of decadence, formalism or ideological mauvaise foi? One way of escaping the dilemma has so far been a sort of immanent structural approach or, more often, philological examination of sources, textual reminiscences and thematic analogies. Differences were only reduced to analogies or similarities, and at the end there was
|| 1 Cf. for instance the genetic literary history of James Douglas Bruce, The Evolution of Arthurian Romance, 2 vols, Göttingen 1923/1924 (Hesperia 8/9). Cf. generally Daniel Poirion, ›Romans en vers et romans en prose‹, in: Jean Frappier and Reinhold R. Grimm (eds), Le Roman jusqu’à la fin du XIIIe siècle, vol. 1: Partie historique, Heidelberg 1978 (Grundriß der romanischen Literaturen des Mittelalters 4, 1), 74–81, who speaks of a »mythe évolutionniste« (74). || First published in: Kenneth Varty (ed.), An Arthurian Tapestry. Essays in Memory of Lewis Thorpe, Glasgow 1981, 260–74. Reprinted in: Raymond H. Thomas and Keith Busby (eds), Gawain. A Casebook, New York, London 2006, 125–38. https://doi.org/10.1515/9783110694567-001
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still time to ask the relevant question as to the author’s originality. Guided by predominantly genetic interests, the traditional historical method could not but link surviving examples of a genre to the main stream which originated in the twelfth century. And since it is generally accepted that the thirteenth century in France is the period of allegorical, didactic and bourgeois moralist literature, there does not yet really exist a comprehensive history of epic and romance on this century and it has not been until recently that the prose romances have become a fertile field of studies. But there was at least something historically new, while on the other hand the rather traditional Arthurian romances in verse have not benefited from the revival of thirteenth-century studies. In this respect it is interesting to see that from Roger S. Loomis’s compendium of Arthurian literature to the new Grundriß der romanischen Literaturen des Mittelalters nothing has really changed; there is still the same stopgap chapter by Alexandre Micha on the so-called ›Miscellaneous French Romances in Verse‹,2 whereas other genres are integrated in a courant littéraire. In order to escape the evolutionary dilemma, Alfred Adler has recently proposed a simultaneous, structuralist reading of the equally problematic chanson de geste which, in his view, constitute a sort of synchronic fictional space or reference system of feudal speculation and ultimately a vast pattern of mutual questions and responses.3 For the first time, probably, epigonal chanson de geste could thus assume a pertinent meaning and functional changes of a given period, although the idea of a ›division of labour‹ between the different genres seems implicit in his method.4 Apparently static and immutable literary forms may thus respond to changing social conditions, public expectation and above all to a
|| 2 Cf. Alexandre Micha, ›Miscellaneous French Romances in Verse‹, in: Roger Sherman Loomis (ed.), Arthurian Literature in the Middle Ages. A Collaborative History, Oxford 1959, 358–92, and Alexandre Micha, ›Les romans arthuriens‹, in: Jean Frappier and Reinhold R. Grimm (eds), Le Roman jusqu’à la fin du XIIIe siècle, vol. 1: Partie historique, Heidelberg 1978 (Grundriß der romanischen Literaturen des Mittelalters 4, 1), 380–99. 3 Cf. Alfred Adler, Episches Frage- und Antwortspiel in der Geste de Nanteuil. Mit einem Exkurs über Gegenbildlichkeit in altfranzösischen Chansons de geste, Frankfurt a. M. 1974 (Analecta Romanica 36), cf. the review by Friedrich Wolfzettel, in: Romanische Forschungen 87 (1975), 528–30, and Alfred Adler, Epische Spekulanten. Versuch einer synchronen Geschichte des altfranzösischen Epos. Vorwort von Hans Robert Jauß, Munich 1975 (Theorie und Geschichte der Literatur und der schönen Künste. Texte und Abhandlungen 33). 4 We are here following the terminology of the so-called School of Constance and its structuralist approach to the idea of a literary system. Cf. Hans Robert Jauß, Alterität und Modernität der mittelalterlichen Literatur, Munich 1977, esp. 309–66 (›Zur Theorie der literarischen Gattungen‹), and Rainer Warning, Funktion und Struktur. Die Ambivalenzen des geistlichen Spiels, Munich 1974 (Theorie und Geschichte der Literatur und der schönen Künste. Texte und Abhandlungen 35).
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changing position within the contemporary literary system. Epigonality would then become equivalent to redefining accepted conventions in an accepted mould and to rewriting the same themes under different circumstances and from a different point of view. If, as Erich Köhler, who has been one of the first to sketch a system of the possible functions of narrative in the thirteenth century, suggests,5 the growth and radiance of twelfth-century Arthurian literature had been linked with the political and socio-economic situation by the end of the »second feudal epoch«,6 if the provisionally common interest of feudal lords and low chivalry as opposed to the Round Table and the dialectics of the quest for adventures and the joie de la cort, Arthurian literature at the beginning of the new century and after the decisive social changes under Philippe-Auguste was bound to implicitly redefine its moral aims and literary values. The historical phase of social mobility and consequently the period of social promotion of low chivalry have come to an end, and at the same time the relative freedom to choose between the centralized monarchy and oppositional feudal lords, i. e. the attempt of intermediary social groups at expressing their own social claims between the sociological fronts 7 and by means of an independent literary genre.
The vogue of compensatory genres like the ancestral and hagiographical romance, besides the so-called ›roman réaliste‹, has been interpreted by Köhler as a stabilizing factor in the quickly changing literary system of the century and as an answer to the social challenge. Adventures and personal destiny are now defined as symbols of strictly individual errantry in an anonymous world. But this errantry remains fundamentally positive. Arthurian errantry linked to a very special social group which has lost its representative social value, must appear in a nostalgic light and gradually lose its specific ideological connotations. At the hands of clerical bourgeois authors, the chivalrous ideal could only be mirrored in an indirect and broken mode of adaptation tinged by a more or less didactic attitude. As opposed to the eschatological perspective of the Grail prose romances, traditional Arthurian epic keeps closely to established norms and literary formula, but this conservatism may be read either as nostalgic protest or as parody and burlesque.
|| 5 Cf. Erich Köhler, ›Literatursoziologische Perspektiven‹, in: Jean Frappier and Reinhold R. Grimm (eds), Le Roman jusqu’à la fin du XIIIe siècle, vol. 1: Partie historique, Heidelberg 1978 (Grundriß der romanischen Literaturen des Mittelalters 4, 1), 82–103, esp. 102. 6 According to Marc Bloch, La Société féodale, 2nd annotated edn, Paris 1968 (L’Évolution de l’humanité 8), 110–11. 7 Erich Köhler, Ideal und Wirklichkeit in der höfischen Epik. Studien zur Form der frühen Artusund Graldichtung. Vorwort von Henning Krauß, 2nd enlarged edn, Tübingen 1970 (Beihefte zur ZrP 97), 181–82 (translated by me).
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Chrétien himself, as recent criticism by Jean Frappier, Pierre Gallais and others has suggested, seems to have anticipated similar trends. In Köhler’s view the burlesque adventures of Gauvain in the Conte du Graal are contrasted and paralleled with the serious quest of Perceval who brings Arthurian quest as a whole to an end.8 Later Gauvain romances have obviously adapted a great deal of those traditional motifs. But are the ›realistic‹ elements emphasized by Micha in his succinct survey as characteristics common to nearly all romances in verse of the thirteenth-century, to be identified with satirical or burlesque leanings of the authors towards their heroes? It seems at least doubtful whether a whole genre can survive only as a more or less explicit parody of older traditions. If it had been the author’s intention to satirize Arthurian ideals in the name of a special realism, it should be asked why the Arthurian world needed to be refuted or checked against the social reality throughout the century and even later on. Moreover, recent criticism has increasingly stressed the problems of irony and perspectives even in classic Arthurian literature and has made a plausible case that Arthurian literature from its very beginning and romance in general were the expressions of subjective irony.9 If fictionalization and irony are really mutually dependent on one another, it seems futile to gauge various degrees of irony in subsequent romance. The critic had better ask for the reasons which e. g. made just Gauvain, the exemplary and sometimes comic deliverer of damsels in distress, so popular with thirteenth-century authors and why the image of the perfect knight continued to obsess this age. In order to give a partial answer to this question we are going to concentrate on some aspects of four noteworthy romances, Le Chevalier à l’épée, La Damoisele à la mule sans frein, both written before 1210,10 L’Âtre Périlleux11 and La
|| 8 Cf. Köhler (see note 7). 9 Cf. Rainer Warning, ›Formen narrativer Identitätskonstitution im höfischen Roman‹, in: Jean Frappier and Reinhold R. Grimm (eds), Le Roman jusqu’à la fin du XIIIe siècle, vol. 1: Partie historique, Heidelberg 1978 (Grundriß der romanischen Literaturen des Mittelalters 4, 1), 25–59. Cf. Peter Haidu, Aesthetic Distance in Chrétien de Troyes: Irony and Comedy in Cligès and Perceval, Geneva 1968 (Histoire des idées et critique littéraire 87), and Vladimir R. Rossman, Perspectives of Irony in Medieval French Literature, The Hague, Paris 1975 (De Proprietatibus Litterarum. Series Maior 35), esp. chap. IV. 10 Cited Edition: Two Old French Gauvain Romances. Le Chevalier à l’Épée and La Mule sans frein, ed. with introduction, notes and glossary by R. C . Johnston and D. D. R. Owen, Edinburgh, London 1972, 7: »The Chevalier and the Mule lie, then, directly downstream from Chrétien’s later romances and follow a current of burlesque that he himself has initiated.« 11 Cited edition: L’Âtre pérrileux. Roman de la Table Ronde, ed. by Brian Woledge, Paris 1936 (Les Classiques français du Moyen Âge 76). Cf. the complementary study by Brian Woledge, L’Âtre Périlleux. Études sur les manuscrits, la langue et l’importance littéraire du poème, Paris 1930.
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Vengeance Raguidel12 which probably date from the early part of the thirteenthcentury. In all these romances Gauvain’s relationships with women and his erotic problems prove central to the main plot. And nearly everywhere renunciation is strongly tinged with resignation. Chrétien had treated sexual and matrimonial problems in quite a different way. His heroes had irreversible and existential adventures, i. e. a sort of individual biography; Gauvain, however, seems to be visualized as a shadowy hero who, from one romance to the other and even in the course of one single work, has to do fundamentally the same things over and over again. He may be thought of as a reappearing character rather like some of Balzac’s. There are no serious arguments about either marriage or courtly love; the real problem seems Gauvain’s inability to cope with the outcome or the implicit dimensions of his own adventures. Since his constant occupation of saving lonely damsels from distress springs from his courtly code of honour, it is obvious that his very problems result from a deep incompatibility between this courtly ideology and possible real needs. There is hardly any explicit psychology in all these romances – much less in any case than in Chrétien’s classic works – but the behaviour of the protagonist seems to suggest that some sort of psychological explanation is lacking here and that the apparent mystery of the plot is largely attributable to this lack of psychology. There is a sort of tragic superficiality in the Gauvain romances. In order to understand what is meant it is necessary to go into detail. The prologue of Le Chevalier à l’Épée unquestionably creates courtly atmosphere, and referring to Chrétien, the author advocated literary justice also for Gauvain. But the following adventure resembles more a fait divers than an Arthurian quest. Gauvain simply loses his bearings while hunting in a wild forest and is obliged to accept the insidious offers of a seemingly kind, but really brutal chastellain to spend the night in his castle and also to sleep with his daughter. The father’s role as a pander would demand special commentary. Yet basically we witness a perverted scene of hospitality just as the foregoing scene in the forest had been a
|| For recent criticism cf. Alice Dingemans-Zuurdeg, ›Les Thèmes unifiants de L’Âtre Périlleux‹, BBSIA 31 (1979), 317. 12 Cited edition: Messire Gauvain ou la Vengeance de Raguidel. Poème de la Table ronde par le trouvère Raoul, ed. by Célestin Hippeau, Caen and Paris 1862, reprint Geneva 1969. Cf. Alexandre Micha, ›Raoul de Houdenc est-il l’auteur du Songe de paradis et de la Vengeance Raguidel?‹, Romania 68 (1944/45), 316–60. After the research done by Alexandre Micha (ibid.), and by Anthime Fourrier, ›Raoul de Hodenc: Est-ce lui?‹, in: Mélanges de linguistique romane et de philologie médiévale offerts à M. Maurice Delbouille, 2 vols, Gembloux 1964, vol. 2, 165–93, the hypothesis of Raoul de Houdenc’s authorship should be definitely discarded.
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perverted form of chivalrous adventure. The voluntary quest has been completely superseded by pure accident, which, moreover, has nothing in common either with the mysterious destiny in Marie de France’s lays or with chance in the roman d’amour. On the contrary, the reader cannot see any logical necessity at all. Consequently, Gauvain’s reaction to what happens to him is utter bewilderment: »Si que il ne sot ou aler« (l. 69); later on in the castle he does not grasp his host’s intentions; neither does he understand the ordeal of the threatening sword above his bed, so that he even believes in a subterfuge of the maiden: Gauvain remest tot esperdu Si a son talant tot perdu, Lez li se jut tot esbahi. (ll. 605–07) Gauvain was quite shocked and lost all his desire, lying beside her quite astonished.
Or: »Gauvain remest pensis et morne, / Qu’il ne set conment se contiegne« (ll. 622– 21), or: »Mout est dolanz, ne set que fere, / Et anui a de son deport« (ll. 668–69). When he has finally won his host’s daughter and sets out to ride home with her, the damsel leaves him with an unknown rival, and Gauvain remains alone with her greyhounds. He gives vent to his anger, shame and frustration in a violent anti-feminist diatribe which seems to be the moral lesson of the story. But this exemplary moralizing of a well-known proverb au vilain seems to be only one meaning of the table. The proverbial sentence functions in fact as the equivalent of everyday experience and normal life by which the ideology of chivalrous adventure is called into question. The scurrilous ordeal itself is explained by the host as a conscious challenge of Arthurian values: Savez conment j’é esprovez Trestoz les chevaliers do mont Qui aventures querre vont? (ll. 752–54) Do you know how I tested all the knights of the world who are seeking adventures?
Although the host is just one more representative of non-courtly manners, Gauvain does not really vanquish him. He is a winner and a loser at the same time, just as this host shows rather an ambiguous character. It is this ›in-between‹ that destroys the traditional moral dichotomy of the Arthurian world and replaces adventure with the unreliability of fate. »Avient, ensi com veut Fortune, / U boine ou mauvaise aventure«, runs a key-verse of Amadas et Ydoine, cited by Erich Köhler13 in order to emphasize the new meaning of aventure in thirteenth-century ro|| 13 Köhler (see note 5), 99.
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mance. Unable to understand what has happened to him, Gauvain tries to console himself on his way back by a similar ambivalent statement: adventure has been »A premiers bele et perillose / Et aprés laide et anuiose« (ll. 1202–03). In L’Âtre Périlleux there is an echo of this general idea in Gauvain’s comforting the damsel: Bele, fait il, n’i a que dire; Del desconforter n’i a rien. Une fois mal et autre bien Couvient a prodome avenir. (ll. 2754–57) Fair on, he said, there’s nothing to be said; there’s no point in being upset. Now evil, now good just happen to virtuous men.
The moralistic tendency points to the breakdown of the integrative courtly ideology. Significantly, this general challenge works especially on the basis of sexual lure and eroticism which suggest an anthropological type of human experience beyond the virtual range of the Arthurian hero. Gauvain endures his ordeal and wins the battle with his rival, he is noble-hearted, sincere and plays fair, but he is doomed to failure when he is confronted with psychological problems. So he is easily caught in his own system of values symbolized by the jeu parti the unknown rival proposes to him. In later romances this trick of the jeu parti has become a current theme probably because it was so admirably suited to show the ultimate perversion of initially courtly manners. Freedom of choice thus is turned into a means of fraud and deceit; once more, the author indirectly stresses the ambivalence and unreliability of fate. By sticking to his ancient set of values Gauvain becomes a prisoner of his own chivalrous code, because he misinterprets as his own code what in fact is only a legalistic trick on the part of his rival. At the beginning of the thirteenth-century14 there is no more room for the preestablished harmony between personal valour and social status in the way of the Arthurian ideal. Competition makes its appearance in all ranks of contemporary society: feudal nobility, chivalry, clerics and bourgeois; the all-pervading obsession with money seems only to reflect the constant fear of becoming a déclassé. Not that Gauvain is ridiculous, but in reality he assumes the tragic insufficiency of the Arthurian world under the real conditions of life:
|| 14 Cf. Jacques le Goff, La Civilisation de l’Occident médiéval, Paris 1964 (Les Grandes Civilisations 3), 8, and Henri Pirenne, Histoire économique et sociale du moyen âge, new edn, looked through and updated by Hans van Werveke, Paris 1963, chap. V and VI.
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Quant messire Gauvains ce voit, Sachiez qu’il en fu mout marri Qu’ele l’ot de son gré guerpi; Mes tant estoit et preu er sage Et si cortois et si resnable Que onques mot ne li sona, Ja soit ce que mout li pesa. (ll. 1002–08) When Sir Gauvain saw this, know that he was most dismayed that she had abandoned him of her own will; but he was so worthy and wise and so courteous and so sensible that he never said a word to her, much as he was upset.
Courtly values are here almost identical with resignation. Bewilderment, pensiveness, sadness are psychological equivalents of the inanity and yet sublimity of a courtly code which makes the real world impenetrable. The frustrated hero anticipates typical traits of Don Quixote.15 Even more explicit is this tendency in the complicated plot of L’Âtre Périlleux whose inconsistencies seem to result from the incompatibility of two different ways of thinking. Let us have a look at some of its episodes. After the Arthurian fight with the devil of the Âtre Périlleux Gauvain meets with the knight Espinogre who, after being vanquished by Gauvain, tells him his sentimental love-story: He is in love with his lord’s daughter, has sworn eternal faith to her, but was repudiated by her father who wants her to marry »un rices homs de cet païs« (l. 3785) instead of the poor idealistic vavassor. The novelesque impression seems dependent on the realistic setting of an urgent social problem within the feudal hierarchy.16 The only hope is the knight’s idealizing of Arthurian values: he will be prox et hardi like Arthur himself and like Gauvain, whose identity is still unknown to him, and he even cites the example of Rolant and Olivier. Gauvain – and again this is significant – sides with the poor lover against the established authority of the girl’s father and becomes something like the patron saint of romantic love. But the romantic exultation is abruptly broken by the intrusion of the former damoiselle of the Âtre Périlleux: Sire, se ja Dix bien me dogne, [...] Il m’est prise si tres grant fain
|| 15 We are following Georges Duby, ›Dans la France du Nord-Ouest au XIIe siècle: les »jeunes« dans la société aristocratique‹, Annales 19 (1964), 835–46. 16 Cf. D. D. R. Owen, ›Burlesque tradition and Sir Gawain and the Green Knight‹, Forum for Modern Language Studies 4 (1968), 125–45: »In the French romances, Gauvain had taken a step or two towards becoming a medieval Don Quixote« (145).
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Ke me verrés ja esragier Se je n’ai moult tost a mangier. (ll. 3930–34) Sire, if God keep me well, [...] I have become so hungry that I will go mad if I do not get anything to eat soon.
In vain does Gauvain try to make her realize his urgent chivalrous obligations and the impossibility of finding any food: Gardés que ne me soit de pis, Et que n’i aie deshonor, Por le francise et por l’onor Que vous avés en moi trové. (ll. 3958–61) Be careful that I do not suffer or acquire dishonour on account of the nobility and honour you have found in me.
Again honour and dishonour are paradoxically interchangeable. The initial argumentum degenerates into a real débat, and finally Gauvain is forced to yield: Mais ains m’estuet tant porcacier Que la pucele ait a mengier Ke jou face nule autre rien. (ll. 4039–41) But I shall have to look for something for the damsel to eat before I do anything else.
Once more Gauvain exchanges his courtly register for rude popular wisdom: »Li asnes ciet par la sorsomme« (ll. 4004). At this point the author himself takes the opportunity of inserting some general misogynic remarks. Fate is comically incarnated in the unpredictable whims of a woman whose very deliverance had just been one of Gauvain’s major exploits. This fundamental stylistic unevenness points to the parallelism of two different modes and visions of life which continually overlap and cross each other. Instead of being integrated into the totalizing courtly vision as in Chrétien’s work, the material necessities constitute a counter-sphere of their own, virtually independent from and ironically contrasted with the chivalrous code.17 If it comes to the worst, Gauvain himself does not behave very differently from his damoiselle. When he is rudely defied by the mysterious Noir Chevalier in an apparently empty castle, he stipulates the right to finish eating and drinking before the fight. Thus, if eating, drinking, sleeping etc. play a prominent part in
|| 17 Contrary to the mythic interpretation of the romance by Régine Colliot, ›Un visage de la »Demoiselle Arthurienne« du XIIIe siècle d’après les neuf Recontres de Gauvain dans L’Âtre Périlleux comparées à celles de Laurin, dans Le Roman de Laurin, fils de Marqués‹, BBSIA 31 (1979), 265–66.
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all Gauvain romances, the well-known theme of King Arthur’s refusal to take any food before a new adventure arrives (at the beginning of La Vengeance Raguidel) might be read as symbolic expression of an ideal that has become unnatural and strange. The misogyny common to our four romances likewise functions as part of the code of reality; in psychoanalytic terms, misogyny signifies precisely the principle of reality in its alienated, i. e. hysterical and repressed form. The failure to combine both spheres seems even more obvious in La Vengeance. Here the romantic courtly love of the lady of Gautdestroit turns into perverse hatred against Gauvain and his brother Gautheriet when she feels spurned by the former. Later on, the theme of unrequited love is comically repeated in Gauvain’s helpless and hapless love for Ydain whom he had rescued and who dominates him, »Qui plus l’amoit que ele lui« (l. 3653). It is true, though, that the deliverance of the damsel had by no means been a matter of course: before engaging in the fight Gauvain and his brother quarrel as to whether the risk would be worthwhile. It seems logical that shortly afterwards a messenger from Arthur’s court relates the fabliesque mantle-episodes which unmasks the ideal pretensions and the crude reality in the Arthurian world.18 The end of the romance consists of a variation of the central theme of Le Chavlier à l’Épée. Gauvain has just arrived at the court when an unknown knight arrives and asks Arthur a don which is precisely Ydain herself. Again the Round Table is unable to adequately react to his perversion of their règle de jeu. The mysterious custom serves those who make it subservient to their own egoistic needs. Once more Gauvain yields and parts with Ydain, but on the way they meet with a knight who is urinating against a tree. This is unparalleled in courtly fiction, especially as the author does not omit to mention the curiosity of the damsel. It is even more incongruous that just this knight should ride after the two protagonists in order to provoke Gauvain and to lay claim to Ydain. Gauvain again leaves the decision to her and proposes a giu parti. The reaction of the girl, however, has an existential and very personal ring: Conment, fait ele, est il ensi? Avés vos moi ici parti? Avés me vos misse en balance? Mult ai en vos povre fiance! Or sai je bien, se m’amissiés, Ja ju parti n’i éussiés. Tos vos estes de moi partis, Qui en faites vos jus partis.
|| 18 Cf. P. E. Bennet, ›Le lai du cort mantel et la critique de la courtoisie‹, Lettres romances 32 (1978), 103–21.
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Vilainement vos en partés, Quant vos de moi vos jus partés, Certes, je pren ceste partie: M’amors est de vos departie, Or en ales, de vos me part, Car en moi n’ares une part! (ll. 4553–66) What, she said, is this how it is? Did you bet me here? Did you use me as a pledge? I cannot trust you! Now I know, for if you had loved me, you would never have had a bet. You soon abandoned me whom you used in the bat. You leave in bad odour, when you used me for a bet. To be sure, I’ll take this other side. My love has abandoned you, so go away now, leave me, for you will never have any part of me.
The courtly game of the giu parti and the seriousness of her departie are furiously and brilliantly confronted in this rhetorical firework of annominatio wordplay, characteristic not of courtly romance but of clerical literature (e. g. Rutebeuf). In contrast to the parallel scene in Le Chevalier, we may detect here a concrete psychological meaning. Ydain turns against being transformed into an object and mere pledge of chivalrous contexts by opposing her feminist self-consciousness to the alienating ritual of courtly play. The subsequent trivial quarrelling of the two after the rival’s death underlines the realistic level of this episode. After completing his vengeance for Raguidel and defeating the brutal Guengasoin, Gauvain is in a significant way obliged again to renounce his legal rights to Guengasoin’s daughter who loves Yder. Like Ydain before, she says to him: Vos méismes, à cui je sui, Ne me plaissiés tant com il (sc. Yder) fait. [...] Car je li sui del tot amie, Et il del tot li miens amis. (ll. 5970–75) You yourself, whose I am, do not please me as much as he does. [...] For I am completely his lover and he mine.
Gauvain’s military competence and valour are thus strictly separated from his personal psychological problems. At this point the Gauvain romances seem to anticipate traits of the Romantic novel of disillusion as interpreted by critics like George Lukács.19 Thematic variation and repetition have always been main structural elements of the Arthurian epic. But in Chrétien’s work they generally remain integrated into the typological pattern of the double cursus whose gnostic dimension pre-
|| 19 Cf. George Lukács, Die Theorie des Romans. Ein geschichtsphilosophischer Versuch über die Formen der großen Epik, Berlin 1920.
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suppose a strict correlation between event and experience. Adventures and the quest are thus inseparable from the double circle of exploit and redemption.20 It suffices to look at La Vengeance to realize how this connection has been split. The real aim of all feats of arms is hardly more than the consolidation of a precarious status quo. »Aventure and queste«, writes Erich Köhler, »are poetic enterprises of chivalrous reintegration which aim at the realization of an ideal encompassing total reality«.21 Now it is this total reality that Gauvain fails to re-establish in his quixotic quest: Ne set quel part ne en quel tere Aventure veut aler querre, Si ne set ne conment ne queles; Mais volentiers les queïst teles, S’il onques faire le peüst (ll. 2765–69). I do not know where or in what land he wants to seek adventure, nor what kind; but he would willingly seek them, if ever he could.
The Arthurian world is changed into a domain of passive expectation. It preserves its function of symbolizing ideal values as opposed to evil, but it proves more and more incapable of adjusting to reality as a whole. Originally, chivalrous adventures were meant to break the spell of a non-courtly magic world. Now adventures become part of the general fatality of the world. The loss of theological meaning leads to a series of stereotyped events that denote a sort of hidden repetition-compulsion in the psychoanalytic sense. Their very absurdity may function as a guarantee of survival in a disintegrated world. Actually almost every single adventure depicts the incongruous aspects of reality as seen by the Arthurian knight errant, but masks the ultimate futility of the quest. Köhler’s remarks concerning the Gauvain part of the Conte du Graal seem pertinent to our problem: In Perceval the ideal has moved away so far from reality that it leaves its purest image, the courtly community of King Arthur’s kingdom, in a state of unholiness scantily covered by 22 the aesthetic prestige of the courtly existence.
Consequently and contrary to what Köhler himself insinuates, our Gauvain romances do not constitute an anachronistic literature of ideal evasion nor a mere
|| 20 Cf. the first systematic investigation of these problems by Wilhelm Kellermann, Aufbaustil und Weltbild Chrestien von Troyes im Percevalroman, Halle a. d. S. 1936 (Beihefte zur ZrP 88), reprint 1967. Cf. Köhler (note 8), and Warning (note 9). 21 Köhler (note 8), 249 (translated by me). 22 Ibid., 248–49 (translated by me).
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parody; a visible nostalgia for traditional values is tested against a reality that has not yet reached literary dignity and independent status. Triviality has thus to be checked against idealism. Moreover, the repetition compulsion signifies neverending errantry and point to a fundamental lack of reality behind and beneath the Arthurian text. To put it in the terms of Jacques Lacan’s structuralist psychoanalysis, the chain of adventures constitutes a sort of verbal chain of signifiants that paradoxically hide and denote the underlying lack (manque, absence).23 Thus the ever frustrated sexual hope of the hero could be interpreted as a symbolic transposition of factual and textual impotence in the nominalistic perspective of the thirteenth century which no longer warrants a broader significance behind the words. Trying to adjust Arthurian romance to his own vision of life, the thirteenthcentury clerical author cannot but visualize this tragic absence by the traditional means of comic inversion. For – let us repeat it – Gauvain, »la flor de chavalrie« (l. 500), still represents positive and necessary values. The possibility of his death (the rumor of his having been slain by Li cuivert felon desloial, l. 5802) constitutes a significant disaster of a perhaps imminent post-Arthurian world. The state of paralysis has even attained the inner circle of this world. Thus the beginnings of L’Âtre cannot be sufficiently explained by a simple conflict of courtly values; Gauvain’s passive penser in the strange knight’s defying Arthur is symbolic of the tragic impotence noted above. But the ultimate political meaning of our romances seems to be found in the scenes of encounter between noble heroes and the non-aristocratic world. While the Lady of Gautdestroit or the host in Le Chevalier willingly undermine Gauvain’s set of values, bourgeois and villains may function as ›helpers‹ in his perilous quest. In L’Âtre Gauvain is led into the house of »un borgois / Qui ert rice et sage et cortois (ll. 1669–70) and who as it were represents courteous qualities against a decadent feudal world. The low social position of the poor knight who has been riding with Gauvain and who has acquainted him with the bourgeois, would, by the way, be worth some comment. This vavassor, originally belonging to an intermediary feudal class, has become a déclassé in consequence of his obligation to marry his sisters. Real economic problems are discernible behind the moralizing discourse. Impoverishment, expropriation, abduction, robbery, and murder form the shadowy background of this romance especially. No wonder then, that bourgeois and chivalrous virtues taken together are shown as a positive diptych against the disorder of the feudal world. The borgois remains deferential towards Gauvain, while the latter cannot but admire the fabulous beauty of the
|| 23 Cf. for instance Lacan’s famous analysis of Poe’s The Purloined Letter, in: Jacques Lacan, Écrits, Paris 1966.
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weapons and panoply offered him by his host: »Onques Gauvain so rices armes / N’ot mais veü en son aé« (l. 2020–21)! In comparison with L’Âtre, La Vengeance seems to present a less disintegrated feudal order within which handicrafts and merchants occupy their fixed position. The bourg of the Castle of Gautdestroit, whose numerous practical activities are circumstantially described by the author, has hardly any function within the plot of the narrative, but the author’s enthusiasm gives it a symbolic value. There may even be indicated a moral opposition between the perverse way of life of the Lady and the happy and healthy life of the burghers. In any case, the author unrolls a substantial picture of them before Gauvain’s eyes: Et se je fail au reconter Ne vos en devés mervillier, Qu’il i a gens de maint mestier, En la vile, qui ouvres font. (kk. 1810–13) And if my story is wanting, you need not be surprised, for there are people of many trades in the town, making artefacts.
There is no trace of comic intention. The digression stresses the general notions of bustling life, variety, plenty and picturesqueness in this world of ›doing‹. It is the plenty of a sphere of living that is manufactured and may be bought or sold instead of being conquered: »Onques riens qui ne fust a vendre / Que on ne trovast en cel castel« (l. 1836–37). La Mule adopts a somewhat nostalgic perspective in the prologue. Arthurian fiction seems only possible here in the mode of reminiscence and conjuration of a bygone state of society. All the ingredients of Arthurian adventure, wild forests, waste land, ferocious beasts, magic castle etc., are to be found in this short romance. And yet the necessary redemption from the satanic sphere depends indirectly on the aid of a villain who still bears traits of the traditional ogre in the Calogrenant-episode of Yvain. His narrative function is rather contradictory. On one hand he is compelled to propose to Gauvain the well-known giu parti to determine which of them is going to cut off the other man’s head. But on the other hand, when it is his turn to slay Gauvain, he magnanimously spares his life because he admires his chivalrous virtues. In contrast with the Calogrenant scene, a real conversation springs from their encounter, without the villain’s helping him. The giu parti is thus redefined as a means of unmasking the impotence of the courtly partner and as a means of mutual social levelling at that. The villain promotes himself to an important auxiliary function in the Arthurian fight against evil. Similarities with Gauvain being helped by a villain in Le Conte du Graal (II,
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ll. 7851–70) have been rightly suggested by the editors.24 What is really important is less the fact that the whole story is based on a faux jeu parti, but that this motif indicates the possible re-evaluation of the respective roles of knight and villain in thirteenth-century romance. Neither of them is independent, and still the fascination of the Arthurian world is strong enough to counteract and neutralize the real world. Part of the historical and literary truth of our Gauvain romances seems to lie in just this intermediary status between opposed social spheres and values. Stylistic and thematic inconsistencies may reflect the fundamental openness of an outlook that shows on the one hand the Arthurian world in its tragi-comic quest for reality, but on the other hand perhaps the real world in search of a lost ideal.
|| 24 Cf. Two Old French Gauvain Romances (see note 10), 110 (note to ll. 678–741).
Lancelot et les fées Essai d’une lecture psychanalytique du Lancelot en prose Abstract : Psychoanalytical categories seem to be particularly appropriate in the case of the Lancelot en prose. Lancelot strikes us in fact from the beginning as an ‹ impossible › hero torn between conflicting ‹ imagines › of Woman – hence the repetitive and circular structure of his life. But the hero’s crisis which reflects certain aspects of the crisis of Arthur himself seems to indicate also the crisis of the Arthurian world as a whole. The maternal complex thus becomes the symbol of a stationary world doomed to failure.
Dans le domaine de la littérature médiévale, la psychanalyse, à la différence de la sociologie, n’a guère été la bienvenue comme instrument auxiliaire de recherche des mentalités et d’interprétation textuelle, ce qui est d’autant plus étrange que tout le dix-neuvième siècle, le positivisme inclus, tombait d’accord pour considérer la psychologie comme la base d’une ‹ science de la littérature ›. N’empêche qu’on pourrait parler très souvent de catégories psychanalytiques latentes ou implicites dans la recherche traditionnelle. De prime abord il est par exemple évident que de nombreuses théories de l’amour dit courtois, tant sociologiques que structurales, reposent sur le fameux triangle formé par la Dame, l’Amant et le Jaloux dont le caractère œdipien ne saurait être douteux et dont l’obsession pendant plusieurs siècles de culture et de littérature en dit long sur les structures mentales inconscientes de cette époque. Les hypothèses d’Erich Köhler sur le rôle des ‹ jeunes › (jovens) dans l’élaboration du mythe courtois,1 hypothèses, comme on le sait, appuyées surtout sur les travaux sociologiques d’un Georges Duby, ont contribué notamment à circonscrire un syndrome de l’idéologie chevaleresque qui a fait l’objet de nos propres investigations2 dans le domaine particulier des Enfances épiques et romanesques. Celles-ci sont peut-être l’expression littéraire la plus curieuse d’un mythe psychologique et social où les données d’ordre psy-
|| 1 Cf. Erich Köhler, ‹ Sens et fonction du terme « jeunesse » dans la poésie des troubadours ›, in : Pierre Gallais et Yves-François Riou (éds.), Mélanges offerts à René Crozet, 2 vols., Poitiers 1966, vol. 1, 569–83. 2 Cf. Friedrich Wolfzettel, ‹ Zur Stellung und Bedeutung der Enfances in der altfranzösischen Epik ›, ZfSL 83 (1973), 317–48, et ZfSL 84 (1974), 1–32. || Première parution in : Marche romane 32, 2–4 (1982), 25–42. https://doi.org/10.1515/9783110694567-002
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chanalytique et d’ordre sociologique se présupposent mutuellement et se renvoient les unes aux autres. On a assisté pourtant ces dernières années à une tendance de plus en plus marquée à tenir compte aussi de quelques notions psychanalytiques élémentaires et à réévaluer les données familiales et interactionnelles des personnages littéraires sur la base d’une psychologie de l’inconscient. C’est surtout le cas, semble-t-il, dans le domaine de la littérature épique d’inspiration généalogique, mais aussi dans celui de la poésie lyrique. En font preuve les travaux importants d’Alfred Adler,3 tout comme les contributions de savants tels que par exemple William Calin, Eugène Dorfman, Jonathan Saville, Michel Zink.4 Il suffirait d’ailleurs d’un coup d’œil sur les derniers Actes de la Société Rencesvals pour se rendre compte de l’envahissement progressif de la médiévistique par des catégories d’origine psychanalytique, employées pourtant rarement d’une façon systématique. C’est probablement le mérite de Charles Méla5 d’avoir résolument rompu le cercle magique d’une psychanalyse tabouisée en défrayant une voie nouvelle d’approche du fait culturel et littéraire au moyen âge. La lecture pratiquée par Méla se distingue évidemment de la plupart des essais susnommés en ceci qu’elle se place résolument au niveau d’une vision totalisatrice de provenance mi-freudienne, mi-lacanienne qui, tout en respectant le sens littéral, l’insère dans le sens refoulé et cryptique du texte. De ce jeu de reflets se dégage l’impression d’une richesse inouïe qui semble apte à renverser l’image traditionnelle d’un moyen âge simple et naïf. Le sensus littéralis se révèle dans cette perspective comme la couche rationnelle d’un univers cohérent de désirs, de pulsations et d’angoisses, et la fameuse ironie décelée surtout récemment dans la littérature médiévale devrait se présenter à cet égard sous un jour nouveau et moins rassurant. Avec les termes mêmes de l’auteur : « Le Moyen Âge n’est pas le balbutiement de la vérité || 3 Nous pensons notamment à Alfred Adler, Epische Spekulanten. Versuch einer synchronen Geschichte des altfranzösischen Epos, Munich 1975 (Theorie und Geschichte der Literatur und der schönen Künste 33), et idem, Episches Frage- und Antwortspiel in der Geste de Nanteuil. Mit einem Exkurs über Gegenbildlichkeit in altfranzösischen chansons de geste, Francfort-sur-leMain 1974 (Analecta Romanica 36). 4 Cf. William C. Calin, The Old French Epic of Revolt. Raoul de Cambrai, Renaud de Montauban, Gormond et Isembard, Genève, Paris 1962, et idem, The Epic Quest. Studies in four Old French Chansons de geste, Baltimore 1966 ; Eugene Dorfman, The Narreme in the Medieval Romance Epic. An Introduction to Narrative Structures, Toronto 1969 (University of Toronto Romance Series 13) ; Jonathan Saville, The Medieval Erotic Alba. Structure as Meaning, Londres, New York 1972 ; Michel Zink, La pastourelle. Poésie et folklore au moyen âge, Paris, Montréal 1972 (Études 67). 5 Cf. Charles Méla, Blanchefleur et le saint homme ou la semblance des reliques. Étude comparée de littérature médiévale, Paris 1979.
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psychologique, il en est la perfection inégalée ».6 Roman courtois, farce bourgeoise, idylle parodique : la littérature de l’époque prend un aspect inaccoutumé qui transcende les limites des genres et des formes littéraires. Tout se passe comme si les auteurs médiévaux avaient eu conscience du caractère double de l’expérience humaine, comme s’ils avaient, eux déjà, posé les vraies questions pertinentes. Il y a plus. Quoiqu’il n’en parle guère, Méla nous semble avoir prouvé en pratique la légitimité d’une approche psychanalysante dans le cas d’une littérature à maints égards radicalement différente de la nôtre. A l’encontre de nombreux critiques, surtout marxistes, qui voudraient bien enfermer la psychanalyse dans le cadre étroit de la culture bourgeoise d’où elle est issue – nous pensons notamment à Lucien Sève ou à Alfred Lorenzer7 – et qui dénoncent le caractère de classe de cette aliénation ou scission entre le conscient et l’inconscient, nous nous en remettons à l’exemple de Méla pour soutenir l’opinion contraire. On sait bien que dans le domaine de la littérature du XIXe et du XXe siècles la relation du psychanalyste littéraire avec son objet est souvent tautologique pour la simple raison que le sujet et l’objet se situent d’emblée dans la même sphère épistémologique et psychologique. Le critique se voit donc renvoyer toujours les reflets de ses propres hantises et préoccupations. Or, il en est tout autrement pour cette époque dont Hans Robert Jauß8 a voulu démontrer l’altérité fondamentale par rapport à l’âge moderne. Si l’on en croit les résultats de recherches sur les mentalités historiques, pratiquées surtout par des savants tels que l’allemand Norbert Elias9 et l’équipe des Annales en France, le moyen âge donne la chance de saisir le fonctionnement élémentaire de mécanismes inconscients en nous faisant grâce d’un certain nombre d’inhibitions d’origine petite-bourgeoise qui feraient ombrage à la validité de la méthode. Derrière le jeu apparemment rigide de la formalisation médiévale se dessine donc une signification autrement passionnante du savoir culturel qui fait partie du texte même et en constitue sa dialectique fondamentale.
|| 6 Méla (voir note 5), 97, note 2. 7 Cf. Lucien Sève, ‹ Psychanalyse et matérialisme historique ›, in : Catherine B. Clément et al., Pour une critique marxiste de la théorie psychanalytique, Paris 1973 (Problèmes 9), 195–268 ; Alfred Lorenzer, Zur Begründung einer materialistischen Sozialisationstheorie, Francfort-sur-leMain 1972. 8 Cf. Hans Robert Jauß, Alterität und Modernität der mittelalterlichen Literatur. Gesammelte Aufsätze 1956–1976, Munich 1977. 9 On sait que son livre le plus important Über den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen, paru pour la première fois en 1939, n’a connu un certain succès qu’après la seconde édition en 1969 ; cf. Norbert Elias, Über den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen, 2 vols., Bâle 1939 ; 2e éd, avec un introduction, Berne 1969.
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Notre intention est par la suite d’examiner le Lancelot en prose en négligeant volontairement de nombreux aspects idéologiques et structurels relevés par la critique. Ce qui nous intéresse en l’occurrence, c’est le caractère aporétique de la biographie d’un héros qui, par sa position sociale et thématique au milieu du monde fictif arthurien, semble éminemment représentatif et qui montre en plus que le chemin littéraire parcouru par le genre arthurien depuis ses origines dans les chroniques anglo-normandes peut être conçu comme un cercle ou une impasse. Dans ce sens, le Lancelot en prose dénoncerait indirectement le caractère d’irréalité, de mensonge et d’illusion attaché aux débuts de ce genre romanesque en repoussant ses données initiales à ses limites extrêmes. La conception spirituelle de la Quête est par conséquent moins une synthèse dialectique des apories précédentes qu’une rupture radicale avec les fondements mêmes de l’idéal chevaleresque. Consciemment ou inconsciemment, le roman en prose est une œuvre démystificatrice en ceci qu’il suit jusqu’au bout la carrière du protagoniste courtois. Dans ce contexte, nous serions tentés de nous référer au terme heureux introduit par Alfred Adler dans le domaine de la chanson de geste : ‹ ausspekulieren ›,10 avec toutefois cette différence que ce n’est pas le genre épique en tant que tel qui ‹ ausspekuliert › les apories du système de valeurs courtoises, mais plutôt ce roman tardif qui marque la fin virtuelle du genre romanesque arthurien. On sait qu’au centre du Roman de la Charrete se trouve le conflit entre l’amour courtois passionnel et les normes de la société arthurienne qui est l’expression la plus haute d’un essai d’harmonisation idéologique de cet amour avec la vie chevaleresque. Pour une interprétation détaillée nous renvoyons au livre récent de Walter Haug11 qui oppose la stylisation mythique de la rencontre personnelle entre la reine et le héros aux valeurs générales du royaume d’Arthur en tant que sphère d’une société féodale idéalisée et déhiérarchisée. Comme d’ailleurs dans le Tristan, l’opposition à elle seule entre le mythe (se référant à la personne et au couple individuel) et les normes sociales (se référant à la collectivité d’une classe) révèle les premiers symptômes d’une crise du monde arthurien qui, selon Haug, aurait son pendant formel dans la déstructuration du schéma romanesque normalement adopté par Chrétien et les auteurs de sa génération. La ‹ Verrätselungstechnik ›, dont parle Haug, contribue à rendre profondément ambigus non seulement la position de Guenièvre, mais aussi l’ensemble de cette société qui est à la fois la base de l’amour de Lancelot et sa négation. L’incompati-
|| 10 Cf. Adler (voir note 3). 11 Cf. Walter Haug, « Das Land, von welchem niemand wiederkehrt ». Mythos, Fiktion und Wahrheit in Chrétiens Chevalier de la Charrete, im Lanzelet Ulrichs von Zatzikhoven und im Lancelot-Prosaroman, Tübingen 1978 (Untersuchungen zur deutschen Literaturgeschichte 21).
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bilité du désir individuel absolu avec les normes se traduit littérairement par l’irruption du mythe dans le rationnel. Il nous semble d’ailleurs que le Lai de Lanval ou le Lai de Guiomar ne fonctionnent pas autrement. D’autre part, la fonction du mythe présente aussi un aspect rassurant en ce que le désir incompatible avec la société se trouve rejeté dans un au-delà qui ne met pas vraiment en question cette société elle-même. Or, le roman en prose ne maintient plus cette distinction capitale. Par rapport à La Charrete, le Lancelot en prose est justement caractérisé à notre avis par l’intrusion du mythe dans le royaume arthurien et la disparition concomitante des attributs mythiques et contestataires d’un au-delà féérique englobé dès maintenant dans la sphère d’une société courtoise en voie de décomposition. La critique, fascinée surtout par la nouvelle postulation entre la chevalerie terrienne et la chevalerie spirituelle semble avoir méconnu cet aspect important de l’œuvre qui ne se résout point, comme semble l’indiquer le livre de Haug, dans la cohérence supérieure d’une conception spirituelle totalisante. Haug renonce à une analyse poussée des répercussions de ce changement fonctionnel au niveau de la structure du récit. Disons tout de suite que la quasidisparition ou plutôt le nivellement de l’opposition m y t h e – s o c i é t é ne laisse plus de place à l’ambiguïté structurale et thématique qui, selon Haug, est l’expression la plus adéquate de l’oscillation de la reine entre les deux sphères opposées dans la Charrete. S’il y a encore oscillation dans le Lancelot en prose, elle concerne, comme nous le verrons, dorénavant Lancelot lui-même en quête désespérée d’un principe médiateur et stable, la reine, entre deux pôles contradictoires variant constamment, à savoir les femmes maternelles et protectrices dont l’incarnation est la Dame du Lac, et les femmes dangereuses et séductrices dont le prototype est la Fée Morgain. A la place de l’ambiguïté, il faudrait donc parler d’un principe d’ a m b i v a l e n c e qui se répercute à travers l’œuvre entière. La relation privilégiée entre Guenièvre et Lancelot est toujours au centre même du roman, mais cette relation se place à la cour arthurienne et non plus, comme chez Chrétien, dans un au-delà mythique. C’est que le mythe est devenu partie intégrante du royaume d’Arthur et qu’en même temps, l’amour mythique est devenu péché mortel. La cour est maintenant le centre même de l’ambivalence érotique qui contamine le roi lui-même. Nous sommes confrontés ici à toute une gamme de situations érotiques qui, tout en se référant théoriquement à l’amour central de Lancelot, ne semblent pas moins porter préjudice à sa valeur absolue. Le nombre et l’importance des personnages féminins dans ce roman modifie profondément la structure initiale du thème basé sur la singularité et l’irréversibilité des relations amoureuses entre les protagonistes. Toutes ces bonnes dames, demoiselles, demoiselles séductrices et fées font pour ainsi dire chorus aux rares entre-
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vues de ces derniers en posant à tout moment et d’une manière indiscrète le problème général de la f e m m e . Derrière le thème du graal et à l’ombre de la recherche spirituelle se dessine donc cette problématique aussi banale qu’obsessionnelle refoulée longtemps par l’idéologie chevaleresque et qui ne trouvera certainement pas de solution dans l’optique cléricale de l’auteur. Du moins a-t-il le mérite de montrer cette aporie en des termes beaucoup plus nets que dans le roman arthurien classique. Nous avons signalé un phénomène tant soit peu analogue dans quelques romans en vers dont cet autre héros à femmes, Gauvain, est le protagoniste.12 Là aussi les épisodes de la lutte chevaleresque n’ont plus qu’une fonction secondaire et stéréotypée en comparaison du vrai problème qui se pose inévitablement à chaque nouvelle rencontre : celui de la femme et de la sexualité, trait significatif qui tend à faire de ce descendant mythique du Soleil un Don Quichotte avant la lettre.13 Lancelot, lui, n’en est pas tellement loin ! Le Lancelot en prose, à la différence d’ailleurs de sa continuation, présente donc un intérêt psychologique certain. Pour tout lecteur non-prévenu, il résulte du fait indiqué, un second niveau ou bien une seconde structure obsessionnelle qui se distingue apparemment de la structure globale de l’errance chevaleresque dont les étapes presque interchangeables ne servent plus que de prétexte à l’investigation tâtonnante du vrai problème psychologique. Celui-ci est posé dans les actions et interactions des protagonistes, sans être décrit, analysé et débattu à la manière du roman bourgeois psychologique. C’est ce qui fait la différence radicale et qui semble avoir longtemps contribué à donner le change au lecteur et interprète moderne de littérature médiévale. Dans cet univers actionnel chaque scène a sa particularité qui mériterait une analyse plus circonstanciée qu’il n’est possible de le faire dans cet essai. Mais à cette variation répond un manque de progression qui est d’autant plus surprenant que le Lancelot en prose se distingue justement de la Charrete et du roman arthurien en général par le côté biographique. Malgré les variations extrêmes ce roman est fondamentalement statique, autre ressemblance, si l’on veut, avec les romans de Gauvain au XIIIe siècle. Cette ressemblance devrait d’ailleurs nous mettre en garde contre la tentation d’attribuer l’immobilité du héros au seul fait que son péché l’exclut de la quête suprême || 12 Cf. Friedrich Wolfzettel, ‹ Arthurian Adventure or Quixotic « Struggle for Life » ? A Reading of Some Gauvain Romances in the First Half of the Thirteenth Century ›, in: Kenneth Varty (éd.), An Arthurian Tapestry. Essays in Memory of Lewis Thorpe, Glasgow 1981, 260–74. Le texte intégral de l’article de Friedrich Wolfzettel est réédité in : Raymond H. Thompson et Keith Busby (éds.), Gawain. A Casebook, New York, Londres 2006 (Arthurian Characters and Themes 8), 125–38, et dans le présent volume, 13–17. 13 Cf. D. D. R. Owen, ‹ Burlesque tradition and Sir Gawain and the Green Knight ›, Forum for Modern Language Studies 4 (1968), 125–45.
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de la chevalerie spirituelle dont l’idéal de pureté exacerbé dénie toute valeur aux problèmes psychologiques du monde arthurien.14 L’impression de fixation et d’immobilisation du héros est ici une conséquence nécessaire de la constellation psychologique qui n’est vraiment compréhensible qu’à partir de la biographie. Le protagoniste tourne en rond dans la prison invisible de ses structures mentales sans jamais accéder à un stade plus élevé. Les nombreux épisodes d’emprisonnement soulignent visiblement cette problématique. Mais aussi les périodes successives d’égarement ou de forsanerie semblent significatives à cet égard : elles deviennent de plus en plus longues pour être de plus en plus graves. S’il y a donc une progression ici, c’est uniquement une progression vers le mal et vers une situation qui va se rétrécissant au fur et à mesure que le héros croit approcher de son but final. A la différence par exemple du roman d’Yvain, la folie ne se résout plus d’une façon quasi dialectique par une guérison miraculeuse à un niveau plus élevé de la psychologie. Les accès de folie de Lancelot ne présentent que des phases d’une vie sans issue et murée. Ainsi le dernier accès est bien guéri par le graal, mais le héros n’en est pas pour autant avancé : un séjour de six années en dehors de la société sur l’Ile de la Joie dénote assez le caractère régressif de cette guérison. Comme nous l’avons déjà indiqué, il semble que ce soit la biographie qui donne la clé du caractère régressif et stationnaire du héros, et par là, probablement du monde arthurien dans sa totalité. L’histoire de cet orphelin de père et pratiquement aussi de mère et qui a de plus perdu son héritage légitime devrait être racontée en vue d’une restitution finale des biens paternels ; avec les mots de Jessie L. Weston : « That the original Lancelot would end with his recovery of his heritage might naturally be expected ».15 C’est ce qu’indique le Lanzelet l’Ulrich von Zatzikhoven qui présuppose le modèle d’un roman biographique français. On sait qu’il en est tout autrement dans le roman en prose. L’enfant est élevé par une bonne fée, la Dame du Lac, qui l’instruit dans l’art de la chevalerie avant de le laisser partir à la cour arthurienne, où il s’éprend immédiatement de la reine Guenièvre, tandis que la Fée Morgain jalouse celle-ci intensément et va persécuter le héros par le dépit amoureux. Les prototypes mythiques de ce comportement || 14 Cf. Albert Pauphilet, Études sur la Queste del Saint Graal, attribuée à Gautier Map, réimpression de l’édition de 1921, Paris 1968. 15 Jessie L. Weston, ‹ Notes on the Grail romances : the Perlesvaus and the Prose Lancelot ›, Romania 46 (1920), 314–29, ici : 324. Voir aussi eadem, The Legend of Sir Lancelot du Lac. Studies Upon Its Origin, Development and Position in the Arthurian Romantic Cycle, Londres 1901 (Grimm Library 12), et Jean Frappier, Étude sur la Mort le Roi Artu, Roman du XIIIe siècle, dernière partie du Lancelot en prose, 2e éd. rev. et augm., Genève, Paris 1961 (Publications romanes et françaises 70), 118.
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dans le folklore irlandais nous sont connus.16 Mais ce qui nous frappe dans ce résumé à dessein lapidaire est évidemment le dédoublement des figures maternelles par opposition à l’insignifiance totale du père, fait qui explique la réaction négative de Lancelot quand l’usurpation par le roi Claudas a été vengée par le roi Arthur et que ce dernier lui offre la restitution de son patrimoine. Nous reviendrons à ce point important. Ici la vraie mère a été remplacée par une mère idéale aux pouvoirs magiques qui est en tous points, sauf la moralité, semblable à son pendant négatif, la Fée Morgain. Les traits maternels et les traits érotiques sont soigneusement séparés et relégués à des personnages qui n’en sont pas moins les types complémentaires d’une même problématique. Il est de plus évident que ce schéma des enfances correspond presque exactement au phantasme neurotique prépubertaire qualifié par Freud de « roman familial ».17 L’importance énorme de ce phantasme pour l’essor du roman occidental a été mise récemment en évidence par Marthe Robert qui montre les utilisations diverses du mythe biographique.18 Il est ici sans doute l’expression d’un désir inconscient de s’évader du domaine des liens de parenté réels et de rehausser le moi narcissique au moyen du prestige incomparable d’une naissance idéale sans père. Ne reconnaissant pas de père, le héros ne pourra jamais devenir père lui-même, ce qui expliquera le caractère anormal des relations ou plutôt l’absence de relations entre Lancelot et Galaad. Fixé à une mère idéale dont l’image répond à un refoulement du problème œdipien, le héros ne saura pas non plus devenir adulte et ne saura choisir comme premier objet d’un amour absolu qu’une femme supérieure qui sera l’égale de la Dame du Lac et la rivale de Morgain. C’est que toute la thématique de la perfection et de l’absolu qui guide le ‹ meilleur chevalier › souligne l’aspect narcissique d’un amour qui n’est qu’une variante sexuelle de l’amour de la mère-fée, La Dame du Lac ne représente pas par hasard l’eau maternelle, mais surtout un élément de stagnation et de régression qui aura son exacte contrepartie dans les prisons de cette autre fée des eaux, la fée Morgain. Le schéma initial du ‹ roman familial › où le moi de l’enfant se rehausse grâce à la promotion sociale du p è r e , s’en trouve profondément modifié. La surestimation narcissique n’est plus le stade nécessaire d’une indépendance psychologique vis-à-vis || 16 Cf. Lucy Allen Paton, Studies in the Fairy Mythology of Arthurian Romances, réimpression New York 1960 (Bibliography and reference series 18). 17 Sigmund Freud, ‹ Der Familienroman der Neurotiker › (1909), in: idem, Psychologische Schriften. Condito humana. Ergebnisse aus den Wissenschaften vom Menschen, éd. par Alexander Mitscherlich et al., Francfort-sur-le-Main 1970 (Sigmund Freud-Studienausgabe 4), 221–26. 18 Cf. Marthe Robert, Roman des origines et origines du roman, Paris 1972 ; cf. aussi dans une perspective thématique, le livre d’Otto Rank, Der Mythus der Geburt des Helden. Versuch einer psychologischen Mythendeutung, Leipzig, Vienne 1909 (Schriften zur angewandten Seelenkunde 5).
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des parents, elle correspond plutôt à une fuite vers l’image d’une mère asexuée. Le phantasme complémentaire de la mère-putain aura par contre libre cours dans les relations du héros avec Morgain. Il suffit de penser à quelques enfances épiques comme Les Enfances Vivien ou Floovant, mais aussi au type d’un schéma semblable dans le roman du Biaus Desconneus, dans Perceval ou le Lai de Tydorel pour remarquer le rétrécissement du champ psychologique dans le Lancelot en prose. Frappier a relevé le fait que la vraie mère de Lancelot, Elaine, vit exactement jusqu’au moment où l’usurpation du roi Claudas est punie et une biographie de l’‹ enfant › Lancelot est devenue possible.19 Or, nous avons vu qu’il n’en est rien, que ce signal décisif est voué à rester un épisode entre autres justement parce que le héros ne peut ni ne veut évoluer. Nous voyons également en quoi le schéma biographique dévalorise en ce cas le triangle problématique qui est à la base du conflit dans la Charrete. Vis-à-vis d’un Arthur qui donne lui-même dans le panneau de la fausse Guenièvre, l’aporie originale perd toute vraie signification. Car si importante que soit Guenièvre, ce n’est plus son statut individuel qui est au centre de la problématique, mais bien plus son rôle vicaire de Mère idéale et impossible dont la possession n’est jamais définitive. Comme la Dame du Lac se dédouble sous l’apparence de la Fée Morgain, Guenièvre a son pendant négatif dans la fausse Guenièvre. Ce n’est guère un pur hasard si Guenièvre a failli d’abord être la cause de ce que le jeune protagoniste se noie dans une rivière, qu’elle ait failli une seconde fois risquer sa mort par le charme qu’elle exerce sur lui pendant un tournoi décisif. Le motif du sang qui marque leur première nuit d’amour est peutêtre susceptible de souligner le caractère tant soit peu incestueux de leur rencontre. Malgré les différences on serait tenté de penser aux amours de Frédéric Moreau dans L’Education sentimentale. Essayons de suivre de plus près le déploiement de cette thématique. Dès le début de la carrière adulte du héros il y a deux épisodes-clé qui inaugurent le vaet-vient continuel entre les deux pôles extrêmes indiqués, celui de la mère et celui de la séductrice. La longue captivité chez la Dame de Malehaut qui essaie en vain de gagner le cœur de son illustre prisonnier constitue la première étape décisive après l’enfance de Lancelot et est susceptible de réduire sa rencontre avec Guenièvre aux dimensions d’une aventure intermédiaire entre deux périodes de captivité tour à tour agréable et abhorrée. Cet événement est suivi d’assez près par l’aventure où Lancelot veut défendre la Dame de Nohant qui l’accueille et le soigne de ses blessures après le combat. Suivent les épisodes de l’enchanteresse Camille, de la fausse Guenièvre et surtout de Morgain qui se révèle la vraie rivale non seulement de Guenièvre, mais aussi de la Dame du Lac. Par conséquent, c’est || 19 Cf. Frappier (voir note 15).
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à cette dernière qu’incombe la tâche de soigner le héros forcené qui vient de s’évader du Val sans retour. Et ainsi de suite. Il est évident que la Dame de Malehaut et celle de Nohaut – comme l’indique peut-être aussi une certaine consonance des noms – représentent des i m a g e s de Morgain et de Niniane. Indépendamment de l’âge de la personne en question, le motif de soins maternels se confondra dans la suite avec l’idéal d’un amour pur et platonique incarné par un certain nombre de demoiselles et de dames qui remplissent dans la trame des aventures une fonction d’ a d j u v a n t e s dans le sens structural du terme. C’est le rôle de la sœur de Méléagant (t. II, section 26),20 mais surtout de la vieille qui héberge le héros après cette nouvelle captivité (t. II, section 58) ; c’est également la fonction de cette sœur d’un chevalier inconnu qui s’occupe maternellement de Lancelot quand il a bu l’eau d’une fontaine empoisonnée et qui l’aime d’un amour désintéressé : « je m’en priserai mielz et moult me plaira mielz, se je por amor de vos gart mon pucelage a toz les jors de ma vie, que se j’estoie de la plus riche terre del monde » (t. IV, section 76, 158). Après avoir été libéré de l’empire de la Reine de Sorestan et de ses amies, la fée Morgain et la Reine Sedile, Lancelot est aussitôt accueilli par une bonne dame qui se sent honorée de pouvoir le soigner (t. IV, section 78). Après l’épisode de la Terre Foreine chez le roi Pellès où Lancelot succombe au charme de la fille de Pellès grâce au philtre que lui présente Brisane, c’est la mère d’Hector qui prend soin de lui (t. IV, section 79). Après l’épisode de récréantise du héros qui s’oublie dans la carole magique dans la Forest Perdue, il est encore hébergé et soigné par une demoiselle qui, pour cet acte de générosité sororale, faillit perdre sa vie sur un bûcher (t. IV, section 83). Une riche dame se plaît à accueillir le héros à la suite d’autres aventures avec la Fée Morgain (t. V, section 99). N’oublions d’ailleurs pas que dans la rencontre décisive entre Lancelot et la Reine après le tournoi, celleci remplit d’abord exactement le même rôle auprès du héros épuisé et blessé avant de se donner délibérément à celui-ci (t. VI, section 84). Une dernière entrevue avec la mère Elaine clôt en outre cette série d’aventures et introduit une dernière fois le thème de la mère : la visite d’Angloval chez sa mère qui lui fait remarquer son jeune frère Perceval et la mort de cette dernière et de Perceval (t. VI, section 106) coïncident à peu près avec la mort d’Elaine et en même temps avec la perte de la Reine et l’égarement absolu du héros. C’est que, pour la première fois, la fille de Pellès qui représente le charme maléfique de l’amour a réussi à s’introduire à la cour même de Guenièvre et à rompre l’équilibre instable qui avait jusque-là prévalu. Nous savons cependant que cette crise structurelle et psychologique ne mè-
|| 20 Édition citée : Lancelot. Roman en prose du XIIIe siècle, éd par Alexandre Micha, 9 vols., Paris 1978–1983 (Textes littéraires françaises 247/249/262/278/283/286/288/307/315).
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nera point à un stade supérieur de connaissance ou reconnaissance, mais au contraire à cette longue captivité amoureuse du héros chez la fille de Pellès sur l’Ile de la Joie, période qui équivaut à une enfance recouvrée, bercée par un amour à la fois maternel et érotique, et qui prend pour ainsi dire la relève de Guenièvre (t. VI, section 105–07). Le parallélisme entre l’épisode de Lancelot avec Guenièvre à la cour et ce dernier échec n’est certainement pas uniquement dû à un hasard. Aussi la fille de Pellès a-t-elle définitivement assumé le rôle de Morgain, tandis que Lancelot est une nouvelle fois le prototype d’Arthur qui sera plus tard sauvé et enlevé par sa sœur Morgain qui le transporte à l’Ile d’Avallon. Les variantes du thème maternel n’ont donc leur véritable signification qu’au sein de cette opposition de types féminins qui détermine pour ainsi dire la vie du héros. La répétition insistante des épisodes de séduction et de captivité confère au récit son aspect tragique. Le mal qui s’incarne ici de préférence dans le charme maléfique de l’amour est une hydre à cent têtes et sans cesse renaissant. Il suffirait de l’enchanteresse Camille et de la fausse Guenièvre pour montrer l’identification secrète entre la bonne et la fausse reine, entre la mère et la mauvaise fée. Il y a aussi une espèce de connivence entre Arthur et Lancelot dont les façons d’agir, apparemment indépendantes semblent s’éclairer mutuellement. Vue sous ce jour, la relation qui se constitue entre Lancelot et la reine d’une part, Arthur et la fausse Guenièvre d’autre part est pour le moins très ambiguë, car en réalité ce sont deux structures triangulaires qui se superposent et dont les variantes renvoient l’une à l’autre d’une manière curieuse : 1. la structure triangulaire du type œdipien : Arthur (figure de p è r e )
Lancelot (figure du f i l s )
Type A Guenièvre (figure de la m è r e )
Arthur
Lancelot
Type B Morgain/ la fausse Guenièvre
Le parallélisme des types A et B suppose évidemment qu’il est légitime d’identifier les deux i m a g i n e s de la m è r e s é d u c t r i c e , puisque la fausse Guenièvre est bien la messagère et le double fantomatique de la Fée Morgain. Les variantes positives et négatives d’une seule structure œdipienne identique indiquent clairement la scission psychique inconsciente du héros et, en plus, du monde de la chevalerie arthurienne.
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2. la structure triangulaire du type : a n g e vs. p u t a i n , c’est-à-dire que les deux imagines de la m è r e s u b l i m e de la m è r e - p u t a i n entrent en rivalité dans la psyché du jeune héros en créant une situation de blocage permanent : Guenièvre (resp. La Dame du Lac = la bonne fée) mère sublime
Morgain (resp. la fausse Guenièvre = la mauvaise fée) mère-putain
Guenièvre
fausse Guenièvre (Morgain)
Type A
Type B
Lancelot
Arthur
Le p è r e et le f i l s – dans des termes psychanalytiques – se retrouvent donc dans des positions structurelles identiques, ce qui suggère bien une défaillance de l’imago paternelle dans ce ‹ roman de chevalerie ›. La circularité et en même temps le zigzag du chemin parcouru par le protagoniste ont leur équivalent structurel dans cette triangularité dilemmatique. L’empire qu’exercent la mauvaise fée Morgain et sa messagère est l’indice irréfutable de l’impuissance croissante du héros ainsi que du monde arthurien et de ses valeurs représentées par ce ‹ meilleur chevalier ›. A elles deux, elles sont l’incarnation suprême du leurre et de la dissimulation dont le pouvoir maléfique envahit de plus en plus le centre même du règne d’Arthur. La crise de l’amour courtois entraîne la scission tragique de l’imago maternelle de la domna/dame en révélant sa face hideuse et cruelle. Tout devient donc a m b i v a l e n t , et Guenièvre elle-même remplit, comme nous l’avons vu, les rôles respectifs de mère, de magicienne et d’amante. De plus, même l’innocence a recours au masque du vice pour mettre le héros à l’épreuve. Dans le t. 3, section 37, de l’édition Micha nous assistons à une scène très crue et curieuse où une demoiselle met en scène un viol truqué devant Lancelot pour se faire sauver par lui, mais aussi pour se faire aimer : la demoiselle sauvée devient aussitôt la séductrice. L’exemple peut-être le plus convaincant de cette ambivalence se trouve dans le comportement de la fille de Pellès et de sa vieille Brisane envers le héros. Le philtre joue ici exactement le même rôle que la bague de cette autre vieille qui amène le jeune Bohort dans le lit de la jeune fille qui l’aime (t. II, section 38). Dans les deux cas, des relations sexuelles normales ne semblent possibles que sous l’influence d’un pouvoir magique. C’est parce que la fille et la mère, la séductrice et la Mère ne sont au fond que les deux faces de la même imago que la fille de Pellès peut finir par assumer les deux rôles à la fois en supplantant ainsi la Dame du Lac, Guenièvre et la Fée Morgain. Soit
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dit en passant que le thème de l’homosexualité – indirect dans les épisodes où une fois Lancelot et une autre fois Gueherret se glissent par méprise dans le lit d’un autre (t. IV, section 71, et t. I, section 33), direct dans cet épisode où Lancelot se trouve l’objet d’un quiproquo sexuel (t. IV, section 78) correspond évidemment à l’inhibition sexuelle d’un héros dominé par l’image de la Mère. « Il est notable », écrit Méla au sujet de la fée arthurienne, que l’objet amoureux n’appartienne pas au même monde. Dans le roman arthurien, autour des figures centrales de Gauvain, Lancelot et Perceval, l’aventure conduit toujours le chevalier errant auprès de la fée amante, [...] manifestation multiple en d’infinies répliques de Morgain la Fée [...] ombre commune aux visages en eux-mêmes indiscernables de la mère et de 21 la maîtresse.
Oui, bien sûr, mais le Lancelot en prose présente à notre avis le cas extrême et particulier d’une problématique commune aux héros arthuriens. La réapparition de la Fée Morgain dans ses manifestations diverses n’a presque rien en commun avec l’au-delà tour à tour fascinant et terrifiant du monde arthurien ; elle marque une scission fondamentale malheureuse dans la psyché du héros représentatif. Etant donné que toutes les qualités positives sont cumulées sur le premier objet libidinal, la Fée Mère élective, dont l’image se reflète dans la reine Guenièvre, la Mère dominatrice et terrible ne peut plus se manifester que dans un simulacre de la féminité et du règne maternel qui s’incarne dans les prisons de la Fée Morgain. L’empire de la Fée et de sa messagère, la fausse Guenièvre, montre au monde idéal arthurien sa face hideuse et pervertie. Cet empire n’est donc plus tellement un lieu en dehors de ce monde que son pendant refoulé. A juste titre Ferdinand Lot parle de l’évhémérisme de l’auteur.22 Les symboles dénotent la même ambivalence que celle qui caractérise la psychologie du héros principal : c’est un lieu de délices, jardin, pommier, etc., mais aussi un lieu de ténèbres et d’effroi, forêt magique, château entouré de murs, chambre-prison, Le Chastel de la Charete est à cet égard significatif. Avec une régularité presque comique le chevalier parfait tombe aux pièges multiformes de ces femmes qu’il abhorre, la Dame de Malehaut, la Fée Morgain, la Reine de Sorestan, la fille de Pellès, et qui le plus souvent le condamnent à un emprisonnement cruel. Les épisodes de captivité symbolisent bien l’inéluctabilité d’une fixation maternelle qui réserve au héros une vie sans avenir. L’atemporalité de la ‹ carole › magique, ses connotations enfantines, et le symbolisme utérin de la prison présentent les mêmes traits.
|| 21 Méla (voir note 5), 52sq. 22 Cf. Ferdinand Lot, Étude sur le Lancelot en prose, 2e éd, traité de Myrrha Lot-Borodine, Paris 1954 (Bibliothèque de l’Ecole des Hautes Etudes. Sciences historiques et philologiques 226).
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C’est dans ce sens-là que le séjour de Morgain, le Val sans retour (t. I, sections 22sq.), semble être l’expression adéquate de cette impasse psychologique d’où le héros s’évade seulement pour s’y retrouver peu après. Comme si l’empire de la Fée était partout et éternel. Lancelot peut rompre le cercle magique, libérer les captifs, s’échapper de la prison, les épisodes suivants n’en montrent pas moins que le charme de la Fée et des situations presque identiques renaissent sans cesse. C’est ce qui fait la différence fondamentale d’avec le prototype du roman arthurien féerique, le Biaus Desconneus, et d’avec ses variations. La rédemption finale ne sera pas possible ici, ou bien elle se placera d’emblée au niveau supérieur de la quête messianique de Galaad qui nie tout simplement la sphère terrienne problématique de son père. On pourrait se demander si – sur le plan psychologique – l’impasse de Lancelot et du monde arthurien ne présente pas la rançon de cette emprise de sanctification exercée par les cisterciens dans la fin du cycle. Lancelot est le type parfait du rédempteur manqué qui s’amuse à peindre les épisodes de sa vie sur les murs de sa prison (t. V, section 86), qui donc, au lieu de s’échapper, se replie sur lui-même dans une vision nostalgique de ses exploits et représente ainsi parfaitement le caractère fondamentalement régressif de sa vie. C’est qu’à la différence de Galaad, sa quête ne vise pas à un bien futur, mais bien à quelque chose de révolu. Le Lancelot en prose dénoterait donc l’impasse historique de l’idéal chevaleresque de la valorisation du moi à l’intérieur d’un groupe social inter pares. La Quête y substitue, comme on le sait, un nouvel idéal du chevalier spirituel, privé de ses qualités les plus individuelles et dont le but n’est plus le rehaussement narcissique du moi, mais bien au contraire de contribuer efficacement à la construction de la cité de Dieu. Pauphilet a décrit d’une façon convaincante les ressemblances qu’on relève entre cette fiction et la réalité contemporaine des Ordres militaires affiliés plus ou moins étroitement à l’Ordre de Cîteaux. Comme Erich Köhler23 l’a démontré en se basant sur les romans d’aventures et d’amour, la crise indéniable de la petite féodalité à la fin du règne de Philippe-Auguste ne laisse plus de place à l’harmonie préétablie de la chevalerie et de la haute féodalité qui est à l’origine du genre arthurien et qui présente vraiment sa raison d’être idéologique. Bien que le monde arthurien fictif ait toujours été un univers fermé et manichéen, il y a toutes les apparences pour que cet aspect limité et restreint ait été singulièrement renforcé dans ce cas. Pickford nous a fait remarquer que le Lancelot en prose raconte presque exclusivement la vie privée des personnages
|| 23 Cf. Erich Köhler, ‹ Literatursoziologische Perspektiven ›, in : Jean Frappier and Reinhold Grimm (éds.), Le Roman jusqu’à la fin du XIIe siècle, t. 1: Partie historique, Heidelberg 1978 (Grundriß der romanischen Literaturen des Mittelalters 4, 1), 82–103.
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les plus haut placés dans la hiérarchie féodale et qui gardent leur titre de roi ou de duc.24 On joue à être simple chevalier, mais le jeu a perdu sa raison d’être social et idéologique. De même les figures auxiliaires comme forestiers, vilains, riches bourgeois ne tiennent plus qu’un rôle absolument secondaire et limité, en opposition directe avec ce qui se passe par exemple dans les romans de Gauvain de la même époque. On est donc entre soi, fait souligné en outre par les liens de parenté qui priment les liens de Vassalité. Frères, mères, cousins etc. constituent le code familial du roman, et ces rapports parentaux soutiennent probablement aussi la fameuse technique de l’entrelacement tant débattue. Semblable au principe du retour des personnages dans la Comédie humaine de Balzac, le continuel croisement des protagonistes est basé sur les deux principes parallèles de l’exclusivité et de la parenté. La quête chevaleresque est vraiment quelquefois une affaire de famille, à tel point qu’entre cousins et frères, on se voit forcé de se parer de temps en temps pour ne pas causer de scandale en ridiculisant la base même de cette institution. Le R o m a n f a m i l i a l au sens freudien a donc, semble-t-il, son pendant d’ordre sociologique dans la familialisation du royaume d’Arthur. Lancelot persiste pourtant à assumer le rôle du pauvre chevalier qui, du vivant de Chrétien, avait son sens profondément social dans l’aspiration de la basse chevalerie à un statut social élevé et dans la nécessité de la noblesse féodale convertie en classe de droit de s’appuyer sur cette vassalité au moyen de l’idéologie courtoise. Mais le Lancelot en prose semble vouloir montrer l’incompatibilité fondamentale entre cet idéal démodé, mais prestigieux et la réalité de la cour arthurienne. Dans cette société de rois déguisés en paladins de la chevalerie, notre héros fait figure d’attardé et d’égaré, le seul, en fait, à soutenir pleinement et inconditionnellement son rôle de chevalier errant qui lui fut prescrit non par hasard par la Dame du Lac. On sait que Jean Frappier a voué des pages pertinentes à la beauté de cette ‹ institution chevaleresque ›, ‹ l’histoire morale d’une éducation ›, dans les Enfances Lancelot en soulignant d’ailleurs entre autres la docilité de l’enfant.25 C’est donc qu’ici encore l’image de la Mère élective semble à l’origine de la valeur exclusive, voire excessive qu’attribue le jeune chevalier à son rôle social. Il se prive par là pour toujours de prendre part aux conflits réels, politiques. Il n’est pas sans signification que le héros se tienne plus ou moins à l’écart de la campagne décisive d’Arthur contre Claudas qui est pourtant aussi l’usurpateur de son propre patrimoine et qu’il décline par surcroît l’offre du roi de reprendre
|| 24 Cf. Cedric Edward Pickford, L’évolution du roman arthurien en prose vers la fin du moyen âge, Paris 1960, 252. 25 Cf. Jean Frappier, Amour courtois et Table Ronde, Genève 1973 (Publications romanes et françaises 126), 169–79 (‹ L’« institution » de Lancelot dans le Lancelot en prose ›).
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ce qui lui est dû.26 Lancelot est bien ici le contraire de son prototype épique qui, selon Jessie Weston, was certainly a stranger to this cycle ; he was a hero of popular tale, unjustly deprived of his heritage, whose youth was protected by a beneficent Fairy guardian, and who, finally, 27 after various adventures, regained his ancestral kingdom, and ended his days there in peace.
Nous avons traité de ce problème dans le contexte des Enfances romanesques et nous n’allons donc souligner que les conséquences psychologiques du changement subi par le héros dans le roman en prose. Il se complaît dans son rôle de « povre chevalier desherité » (t. V, section 93, 141) parce que l’acceptation de son héritage impliquerait évidemment un statut paternel qui est en dehors de ses possibilités psychologiques. Il a engendré son enfant contre son gré, sous l’influence du philtre magique, il n’accepte jamais une responsabilité quelconque envers Galaad, et celui-ci fait comme si son père n’existait pas. Tout se passe comme si le héros était incapable d’accéder à une indépendance complète d’adulte vis-à-vis d’Arthur et de couper le cordon ombilical qui l’attache à la Mère et à ses incarnations. Dans sa conversation avec Lancelot, le jeune Bohort rationalise cependant cette position d’immaturité voulue : « car si tost come je avrai reaume, il me couvendra laissier toute chevalerie, ou je voille ou non, et ce seroit plus granz honor, se j’estoie povres hom et bons chevaliers, que se j’estoie rois recreanz » (t. VI, section 105, 170). Il semble oublier que les autres chevaliers de la Table Ronde n’y voient pas d’inconvénient et que, par exemple, le roi Baudemagu, l’un des meilleurs, n’est pas recreanz non plus. La justification est pourtant significative ; car non seulement implique-t-elle une incompatibilité radicale entre le pouvoir féodal et l’idéal chevaleresque, ce qui met en question les fondements mêmes du royaume d’Arthur, elle semble insinuer aussi une adéquation subreptice entre cet idéal et un statut éternel d’ e n f a n t . En d’autres termes, le principe de réalité au sens freudien se trouve dénoncé au nom d’un principe de plaisir qui prend la valeur d’un principe utopique. C’est pourtant le roman lui-même qui récuse toute interprétation trop bénévole. Comme pour démontrer l’involontaire ironie de ses paroles d’autojustification, Lancelot est peu après la victime des machinations de Brisane à la cour même d’Arthur, perd la raison pour avoir contre son gré déçu la reine et reste finalement
|| 26 Voir aussi les objections de Lancelot contre les propositions de Galehout, t. I, section 5, 75sq. : « Certes, sire, fet Lancelot, de ce conissiés vos bien mon cuer, kar j’ameroie miels a estre tos jors ansi com je sui hui que estre rois et avoir honor et la richesce par coi je perdisse ma dame la roine ne ele moi, ne je ne vueil plus de seignotie que j’ai devant qu’i li plaise » (76). 27 Weston 1920 (voir note 15), 323.
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six années dans la compagnie de la fille de Pellès. A force de fuir le danger de récréantise, il devient doublement récréant. Le cercle vicieux à la fin du roman correspond au caractère circulaire de cette biographie sans vraie durée et sans évolution psychologique. Si Alexandre Micha, dans un article de la Romania 1961,28 met les divers esprits du cycle du Lancelot-Graal au compte de son héros Lancelot, il s’agit là plutôt d’un problème d’unité de la rédaction que de celui de la biographie individuelle ; aussi faisons-nous volontiers abstraction de la conversion ultérieure du héros et de ses suites. Dans le Lancelot en prose le complexe maternel devient le symbole non seulement du protagoniste, mais de toute cette société arthurienne fictive qui n’arrive plus à réfléchir sur ses origines et son conditionnement et dont la quête plus ou moins collective semble refléter la recherche inconsciente de la mort. Les procédés de stéréotypisation qu’on peut déceler tout au long du roman ont l’air de fonctionner comme des équivalents structurels de ce qu’on désigne dans la psychanalyse par le terme de ‹ compulsion à répétition › qui domine manifestement les actions du héros. Son rythme délirant entre les divers pôles féminins et la faillite radicale de sa quête de la Mère dénotent par conséquent l’insuffisance d’un simple retour plus pur à l’idéal chevaleresque comme le prêche la bonne Dame du Lac et comme le sapent les intrigues de la Fée Morgain. Pareil en cela à cette autre grande crise psychosociale que représente le Romantisme, le retour à la Mère implique la régression fondamentale du meilleur chevalier face au défi du principe de réalité inacceptable sur la base même du système de valeurs qui, jusqu’alors, avait guidé les classes dominantes. Le roman en prose qui essaie de réintégrer le monde arthurien dans le procès historique plus vaste en ayant d’abord recours à la tradition des chroniques, démontre par là clairement l’historicité de ce monde et du genre arthurien. Dès lors, les aventures individuelles des chevaliers et surtout de leur prototype Lancelot sont l’expression figurée d’un stade historique révolu qui a perdu sa justification intrinsèque. Confronté avec le caractère historique du cycle et la philosophie de l’histoire, l’idéal relativement stable et atemporel de la Table Ronde se révèle comme un conte de fées.
|| 28 Cf. Alexandre Micha, ‹ Études sur le Lancelot en prose II : L’esprit du Lancelot-Graal ›, Romania 82 (1961), 357–78.
Doppelweg und Biographie Abstract: This essay reexamines the long debated question of the Arthurian ›dual path‹-scheme which has long been held to constitute the fundamental generic device that distinguishes Arthurian romance from other forms of vernacular narrative. Our argument is based on the assumption that French Arthurian romance, which arose in the late 12th century in the wake of the notions of subjectivity, individuality and the subsequent emphasis laid on education, is on the whole biographical romance of the enfances-type and presents us with a large variety of modified, amplified or abbreviated forms of a basically archetypal pattern. In the light of this structural hypothesis the general practicality of the ›dual path‹-device in Arthurian criticism seems to be open to question. Actually, Chrétien seems to have fully developed the scheme only in Erec et Enide that – for very special thematic reasons – fulfills all the supposed requirements of the device, while the Chevalier au lion already proposes an ironic variation of the earlier model. Later authors seem to have followed their great predecessor in ironically playing with or altogether avoiding this pattern.
1 Das Strukturmodell des Artusromans mit der zentralen Doppelung des Aventiurewegs, in dessen Mitte sich ein Scheingewinn zu Verlust und Krise ausweitet und vor dessen Ende der eigentliche Wiedergewinn und die Harmonisierung mit der höfischen Gesellschaft steht, ist vielfach in allen seinen möglichen Variationen und Realisationen beschrieben und der Me1 diävistik zur Selbstverständlichkeit geworden.
Mit diesen Worten umreißt die 1997 publizierte Frankfurter Dissertation von Stephan Fuchs, Hybride Helden: Gwigalois und Willehalm, den derzeitigen Forschungsstand. Dieser verdankt sich – wie man weiß – im Wesentlichen der Arbeit zweier deutscher Forschergenerationen von Wilhelm Kellermann, Hugo Kuhn, über Erich Köhler, Walter Haug bis Rainer Warning, Volker Mertens, Christoph
|| 1 Stephan Fuchs, Hybride Helden: Gwigalois und Willehalm. Beiträge zum Heldenbild und zur Poetik des Romans im frühen 13. Jahrhundert, Heidelberg 1997 (Frankfurter Beiträge zur Germanistik 31), 8; hier auch forschungsgeschichtliche Nachweise im Überblick. || Erstveröffentlichung in: Friedrich Wolfzettel (Hrsg.), Erzählstrukturen der Artusliteratur. Forschungsgeschichte und neue Ansätze, Tübingen 1999 [SIA 4], 119–41. https://doi.org/10.1515/9783110694567-003
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Cormeau, Hans Fromm u. a. und ist übrigens in der nicht-deutschen Romanistik keineswegs so eingebürgert und selbstverständlich, wie es von hier aus scheint. Als ›Erfindung‹ Chrétiens (so Fromm)2 unterscheidet sich diese spezifische Form eines Fortsetzungsschemas von vergleichbaren epischen und märchenhaften Aktualisierungen3 nach Warning4 durch die Überlagerung von linearer und zyklischer Struktur, welche die Wiederholung als Mittel der Intensivierung und gesteigerten Identitätssuche ausweist. In soziohistorischer Perspektive hat Erich Köhler5 – v. a. Wilhelm Kellermann folgend – die These einer dialektischen Verschränkung von Individuum und Gesellschaft auf dem Doppelweg-Konzept aufgebaut. Dieses Schema erscheint mithin bis heute so zwingend und die überragende Bedeutung Chrétiens als erster ›moderner‹ Autor, der eine lange Zeit Form und Inhalt konsequent verknüpft, so unabweisbar, dass anderslautende Befunde nur als zufällige Abweichung begriffen werden konnten und die eigentliche These nicht zu tangieren schienen, und dies umso mehr, als solche Abweichungen in der Folge eher einem mangelhaften Können zugeschrieben werden mussten als einem bewussten Verzicht. Ich werde auf das Problem der Epigonalität zurückkommen. Fürs erste geht es um Chrétien, und hier sei es erlaubt, mit einem Bild zu beginnen, dem Sprichwort vom Wald und den Bäumen. Mir scheint nämlich, dass die akkumulierende und ausdifferenzierende Funktion der Forschung zuweilen den sprichwörtlichen Wald vor lauter Bäumen nicht mehr erkennen lässt. Es wird mir daher im Folgenden darum gehen, unter Vernachlässigung vieler einzelner || 2 Hans Fromm, ›Doppelweg‹, in: Ingeborg Glier u. a. (Hrsg.), Werk – Typ – Situation. Studien zu poetologischen Bedingungen der älteren deutschen Literatur. FS Hugo Kuhn, Stuttgart 1969, 64–79. 3 Verwiesen sei dagegen immerhin auf die neuere These Walter Haugs, ›Struktur, Gewalt und Begierde. Zum Verhältnis von Erzählmuster und Sinnkonstitution in mündlicher und schriftlicher Überlieferung‹, in: Gerd Wolfgang Weber (Hrsg.), Idee – Gestalt – Geschichte. FS Klaus von See. Studien zur europäischen Kulturtradition, Odense 1988, 143–58, v. a. 151f., der auch in der deutschen Spielmannsepik ein – vom arthurischen Schema unabhängiges – anthropologisches Gesetz der Doppelung ausmacht, welches auf die »Wiederholbarkeit« mündlicher Dichtung zurückgeführt wird: Wiederholung funktioniert in der verschriftlichten mündlichen Dichtung als »objektives« Gestaltungsmittel, weniger oder nicht allein in Bezug auf eine potentielle Sinnkrise des Helden als im Hinblick auf die »Struktur- und Sinnkrise des Textes«. Was mögliche Parallelen zum Artusroman angeht, trifft sich Haug hier offensichtlich mit Rainer Warning, ›Formen narrativer Identitätskonstitution im höfischen Roman‹, in: Jean Frappier und Reinhold R. Grimm (Hrsg.), Le Roman jusqu’à la fin du XIIIe siècle, Bd. 1: Partie historique, Heidelberg 1978 (Grundriss der romanischen Literaturen des Mittelalters 4), 25–59, der den (Artus-)Roman als Ausdruck eines selbstbewusst gewordenen und daher problematischen Erzählens begreift. 4 Vgl. Warning (wie Anm. 3). 5 Vgl. Erich Köhler, Ideal und Wirklichkeit in der höfischen Epik. Studien zur frühen Artus- und Graldichtung, Vorwort von Henning Krauß, 2. ergänzte Aufl., Tübingen 1970 (Beihefte zur ZrP 97).
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Bäume, ihrer Wurzeln und ihrer Verästelungen, das Ganze des Waldes so gut wie möglich anschaulich zu machen, als dessen Teil die Bäume ihre je besonderen Formen entwickeln konnten. Weniger metaphorisch: Meine Absicht ist, die unübersichtliche und weithin konventionalisierte und formalistische Struktur- und Doppelweg-Debatte der Artusforschung im Lichte eines vereinheitlichenden Paradigmas auf ihre funktionalen Bedingungen zu überprüfen. Letztere sehe ich in dem geistes-, literatur- und mentalitätsgeschichtlichen Dreiklang von Individualisierung,6 Subjektivierung7 und Biographisierung,8 der seit der Mitte des 12. Jh. die Entstehung des höfischen und speziell des arthurischen Romans ermöglicht und die ›Réécriture‹ der späten Chanson de geste grundlegend beeinflusst hat, ja letztere wohl sogar erklärt. Z. B. würde m. E. die zwischen Epos und Roman angesiedelte Alexanderdichtung das Gemeinsame verdeutlichen, das in dem Dreiklang Erziehung,9 Entwicklung und Bewährung eines immer schon als jugendlich und im Werden vorgestellten Helden zusammengefasst werden könnte. In psychoanalytischer Perspektive ergeben sich daraus die ödipalen Voraussetzungen der frühneuzeitlichen Entstehung des Romans.10 Das angesprochene übergreifende Paradigma, in dem die ›Dreiklänge‹ zur ›Partitur‹ werden, sehe ich in der archetypisch verankerten enfances-Tradition. Ich beziehe mich dazu auf meine frühe Studie »Zur Stellung und Bedeutung der enfances in der altfranzösischen Epik« zurück.11 Ein wesentliches Ergebnis jener Untersuchung von 1974 war, dass sich die höfischen bzw. arthurischen enfances von den epischen Prototypen nicht allein durch die freiere Variation der Grundmotive unterscheiden, sondern v. a. durch die Öffnung des episch-zyklischen Lebenswegs und durch die Tendenz zur Verwischung der Gattungsgrenzen überhaupt. D. h., in dem Maße, wie der Roman sich als eigentliche Gattung der jugendlichen Entwicklung – oder lacanistisch gesprochen: des Übergangs vom mütterlichen || 6 Vgl. Robert W. Hanning, The Individual in Twelfth-Century Romance, New Haven, London 1977. 7 Vgl. dazu allgemein Michel Zink, La subjectivité littéraire. Autour du siècle de saint Louis, Paris 1985. 8 Vgl. Madeleine Gaucher, La biographie chevaleresque. Typologie d’un genre (XIIIe–XVe siècle), Paris 1994 (Nouvelle Bibliothèque du Moyen Âge 29). 9 Vgl. Madeleine Peiner Cosman, The Education of the Hero in the Arthurian Romance, Chapel Hill 1966. 10 Vgl. Wolfgang Beutin, ›Zum Lebensweg des »Helden« in der mittelhochdeutschen Dichtung (Erec, Iwein, Tristan, Parzival). Bemerkungen aus psychoanalytischer Sicht‹, LiLi 7/26 (1977), 39–57; Jean-Charles Huchet, Le roman médiéval, Paris 1984 (PUF Littératures modernes 36), v. a. 81–110 (»Au nom du père«). 11 Vgl. Friedrich Wolfzettel, ›Zur Stellung und Bedeutung der Enfances in der altfranzösischen Epik‹, ZfSL 83 (1973), 317–48, und ZfSL 84 (1974), 1–32.
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imaginaire zur symbolischen Ebene der väterlichen Gesellschaft und der Initiation in diese – konstituiert, scheint die Spezifik der sogenannten enfances in der Entwicklungsstruktur der Handlung ›aufgehoben‹. Die enfances-Handlungen als Ganzes verlieren ihre Spezifik, insofern sie integrierender Bestandteil von Romanstrukturen werden, und die Einzelmotive nebst den ihnen zugeordneten obligatorischen Entwicklungsstufen werden offen für jene Problematisierung, die den Roman als Gattung der »gesuchten Totalität« in einer »auf Handlungserprobung hin konstruierten Welt«12 grundlegend von der archetypischen Struktur der Chanson de geste unterscheidet. Im Lichte dieser Überlegungen wäre zunächst die seinerzeit von Gaston Paris getroffene Unterscheidung von romans épisodiques und romans biographiques13 neu zu gewichten. Auch wenn eine solche rein formale Differenzierung im Kern zutreffend bleibt, ändert sich die Perspektive nicht unwesentlich, wenn man sich entschließt, die sogenannten ›episodischen Romane‹ als gewollte Fragmente einer vorausgesetzten oder intendierten biographischen Struktur zu begreifen. Als gleichsam offene Teile eines Werde-Schemas indizieren solche Werke dann die fundamental offene Struktur der romanhaften enfances, die – im Gegensatz zu der festen Verantwortung der epischen enfances in Lignagebezügen – Ich-Suche, Vater-Suche, Sinnsuche und das Motiv der quête zum unentwirrbaren Zentrum eines Lebensentwurfes machen, dessen Einzelphasen gleichsam unabhängig von der (zyklischen) Struktur des Ganzen bedeutungstragende Funktion annehmen können. Denn da, wo – noch einmal mit Stephan Fuchs – »das Handeln des Helden [...] selbst Thema wird«,14 bedarf es offensichtlich nicht mehr der zyklischen Geschlossenheit von Ausfahrt und Heimkehr; die genannte problematisierende Tendenz kann an jedem Punkt eines angenommenen Geschehens einsetzen, ganz ähnlich wie – gleichsam seitenverkehrt – ja auch die Chanson de geste einzelne Episoden als Varianten einer fundamental ähnlichen Konstellation thematisieren konnte. War letzteres freilich in der Epik der Normalfall, zu dem die enfances-Epen die späte Ergänzung darstellten, so ist im Roman der Normalfall die ganze Jugendgeschichte, aus der jedoch einzelne Episoden herausgegriffen werden können. Das tragende Element von Biographie wie von Einzelepisoden bleibt dabei das Motiv der Suche. Diese ist im Artusroman nicht unabhängig vom Artushof, der den arthurischen Gattungskontext recht eigentlich verbürgt. Die Proliferation des quête-Motivs gerade im Prosaroman zeigt aber, dass der Identitätsprozess über
|| 12 Beide Zitate Fuchs (wie Anm. 1), 55. 13 Vgl. Gaston Paris, ›Romans en vers du cycle de la Table Ronde‹, Histoire Littéraire de la France 30 (1888), 1–270. 14 Fuchs (wie Anm. 1), 8.
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den Artushof hinausgeht und dessen Überschreitung voraussetzt, so dass letzterer geradezu als Maßstab seiner eigenen Transzendierung durch den Überschusscharakter romanhaften Handelns gelten kann. In dieser ideologischen Hinsicht und nicht in Bezug auf seine anfängliche strukturelle Position unterscheidet sich der Artushof von herrscherlichen Höfen der epischen Literatur. Der fremde Hof, an den sich der epische Held geflüchtet hat oder zu dem er bewusst gekommen ist, besitzt keine herausragende ideologische Funktion; er dient vielmehr als Ersatz oder Pendant des heimatlichen Hofes, als Zentrum des Exils, in dem sich das enfant bewähren soll. Meist sind damit die Anerkennung und Liebe der Tochter des fremden Herrschers verbunden, in dessen Diensten der junge Held zugleich zum Erhalt von dessen Herrschaft beiträgt. Brautwerbung und Bewährung sind auf diese Weise miteinander verbunden, so dass auch im Fall längerer Abwesenheit der fremde Hof das selbstverständliche Zentrum darstellt, von dem aus die Rückgewinnung des väterlichen Erbes bzw. die Rückkehr an den väterlichen Hof gelingt. Die arthurische Konstellation kann diese episch-archetypischen Koordination übernehmen, muss dies aber nicht tun. Das Beispiel des jungen Lancelot im Lancelot du Lac bzw. im Lancelot-Graal zeigt deutlich, dass Vatersuche und IchSuche im Hinblick auf die Identität des Helden zusammengehören, dass diese Motivik aber weitgehend unabhängig von der eigenen Vaterwerdung und dem Einrücken in die etablierte dynastische Ordnung ist.15 Nicht die verlassene oder verlorene Heimat ist der eigentliche Fixpunkt des Geschehens, sondern der zur zweiten, ideologischen Heimat gewordene fremde Hof von König Artus. An ihm kulminieren Ausfahrt und Heimkehr, insofern er als ideales Konstrukt sinnstiftende Funktion übernimmt und so von vornherein die Tendenz der epischen enfances zum zyklischen Familienroman16 verunmöglicht. In ähnlicher Weise können Brautwerbung und Bewährung miteinander verknüpft sein, können aber auch getrennt thematisiert werden, so dass eine einfache oder auch eine Doppelstruktur erforderlich ist. In jedem Fall ist der fremde Hof nicht mehr der eigentliche Mittelpunkt des Geschehens. Vielmehr bedarf der arthurische Erlöser-Held des Artushofes als eines ideologischen Fixpunktes, von dem aus sein Handeln erfolgt. Anders als in der Chanson de geste ist der Artushof das ferne Zentrum einer beliebig entgrenzbaren, fundamental repetitiven Suchhandlung, die den arche-
|| 15 Vgl. dazu auch Friedrich Wolfzettel, ›Les enfances de Lancelot du Lac. Pour une approche générique du thème‹, PRIS-MA 12 (1996), 105–16. 16 Vgl. Wolfzettel (wie Anm. 11), 336ff., und auch Dorothea Kullmann, Verwandtschaft in epischer Dichtung. Untersuchungen zu den französischen Chansons de geste und Romanen des 12. Jahrhunderts, Tübingen 1992 (Beihefte zur ZrP 242), v. a. 141ff.
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typischen Zyklus der epischen enfances dehnt und transzendiert. Aus epischer Sicht ist jetzt das Exil zum neuen Mittelpunkt geworden. Anfang und Ende des initiatischen Schemas treten wahlweise zurück, um im Innern des Schemas die wiederholbare Kreisbewegung des Exils vom Exil, der Ausfahrt und Heimkehr im symbolischen Sinn, in Gang zu setzen. Der sogenannte ›Doppelweg‹ erscheint in dieser Perspektive als eine, wenngleich vielleicht als die fruchtbarste Möglichkeit, die fundamentale Unabgeschlossenheit dieses Vorgangs strukturell zum Ausdruck zu bringen.
2 Veranschaulichen wir das Gesagte – zugegebenermaßen sehr kursorisch – an den Chrétien’schen Romanen, so ergibt sich die postulierte Doppelwegstruktur gerade nicht zwangsläufig. Vielmehr scheint dem ideologischen Projekt einer »textuality of crisis«,17 wie es kürzlich Donald Maddox definiert hat, die Suche nach je verschiedenen Strukturäquivalenten zu entsprechen. Dem epischen Modell am nächsten dürfte der Cligés liegen, der bekanntlich nach dem Muster des Tristanstoffs einen besonderen ›Doppelweg‹ der genealogischen Abfolge von Vater und Sohn konstruiert. Der Artushof tritt dabei in signifikanter Weise in dem Maße in den Hintergrund, wie er – analog zum Tristan – zum bloßen fernen Referenzpunkt in der Liebesgeschichte zwischen Cligés und Fenice wird bzw. am Schluss auch militärische Hilfe gegen den usurpatorischen Onkel und Zuflucht für die Liebenden gewährt. Der erste Teil des Romans folgt dagegen strikt den epischen Regeln: Der junge Alixandre zieht mit dem Einverständnis des Vaters aus Byzanz an den Artushof, bewährt sich dort als Retter und Helfer gegen den Verräter Engrés, verliebt sich am Hof in Soredamors und kehrt nach der Hochzeit in die Heimat zurück, als er von der Usurpation des Thrones nach dem Tod seines Vaters erfährt. Die Handlung ist denkbar einsinnig auf die erwachende Liebe der beiden Protagonisten hin ausgerichtet, zwischen denen die Königin selbst vermittelt, und Soredamors ist, wenn auch nicht die Tochter des Königs, so doch eine diesem nahestehende Person, über die das königliche Paar gleichsam verfügt. Der gemeinsame Zug in die Bretagne hat lehensrechtliche Funktion und keine Ähnlich-
|| 17 Donald Maddox, The Arthurian Romances of Chrétien de Troyes. Once and Future Fictions, Cambridge u. a. 1991 (Cambridge Studies in Medieval Literature 12), v. a. 119ff. Wie umstritten die deutsche Forschungstradition im Ausland ist, zeigt ders., ›Trois sur deux: théories de bipartition et tripartition des œuvres de Chrétien de Troyes‹, Œuvres et critiques 5/2 (1980/1981), 91–102.
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keit mit der einsamen Ausfahrt des arthurischen Ritter-Erlösers. Von einer Doppelwegstruktur kann mithin keine Rede sein, von einer genuin epischen Struktur freilich ebensowenig. Wie in ironischem Verweis auf die epische Strukturformel gibt die genealogische Doppelung vielmehr Gelegenheit zur Variation und Steigerung eines ganz anderen Themas, der ›epiphanischen‹ Funktion der Liebe,18 die sich allen sozialen Koordinaten entzieht und letztlich auch den Triumph der mestrie des Dichters anzeigt. Es wird wohl immer ein Rätsel bleiben, warum Chrétien nach Erec et Enide mit Cligés in traditionelle Bahnen zurückgekehrt ist; möglicherweise war der Roman ja schon früher begonnen worden. Denn der episodische Roman Erec repräsentiert paradigmatisch die neue Formel arthurischer enfances und arbeitet wie kein anderes Werk Chrétiens mit einer ganz sinnfälligen Doppelungstechnik,19 die freilich nicht mit der vom Autor selbst genannten Gliederung zusammenfällt.20 Um den Anfang verkürzt, beginnt der Roman mediis in rebus am Artushof und verbindet die Helferfunktion des jungen Erec kausal mit dessen Brautgewinnung und Heimkehr. Die Bewährungsphase im zweiten Handlungszyklus hat mit dieser epischen Helferfunktion eigentlich nichts mehr zu tun und stellt nicht weniger als die geniale Erfindung eines spezifisch ritterlich-arthurischen Bewährungsgangs dar, der nunmehr moralisch motiviert ist und von Per Nykrog kürzlich in betonter Abkehr von bisherigen Lesarten als Ausdruck eines ›feministischen‹ »redressement de la femme«21 bezeichnet wurde. Erst der endgültige Schluss, die Krönung Erecs in Nantes, führt als episch-dynastisches Motiv aus dem arthurischen Kreis bzw. Doppelkreis heraus. Brautgewinnung und Selbstgewinnung, kollektive Helferfunktion und radikale Einsamkeit werden so programmatisch gegeneinander gesetzt, d. h. Erec et Enide führt die Überwindung der epischen enfances-Thematik vor und kann auch als programmatische Auseinandersetzung mit der epischen Tradition verstanden werden. Wie der Cligés das genealogische Schema neu formuliert, reinterpretiert der Erec die archetypischen enfances. Und eigentlich gilt gleiches auch für den Yvain, der als Variation des Erec-Schemas
|| 18 Vgl. dazu Friedrich Wolfzettel, ›Cligés, roman »épiphanique«‹, in: Jean-Claude Faucon u. a. (Hrsg.), Miscellanea mediaevalia. FS Philippe Ménard, 2 Bde., Paris 1998, Bd. 2, 1489–507. 19 Den »Willen zur Doppelung« sieht Wolfgang Brand, Chrétien. Zur Dichtungstechnik seiner Romane, München 1972 (Freiburger Schriften zur romanischen Philologie 19), v. a. 34ff., in seiner genauen Analyse von Struktur und »Doppelmotivtechnik« des Erec (beide Zitate ebd., 41). 20 Vgl. dazu Brigitte Burrichter, ›Ici fenist li premiers vers (Erec et Enide) – noch einmal zur Zweiteilung des Chrétienschen Artusromans‹, in: Friedrich Wolfzettel (Hrsg.), Erzählstrukturen der Artusliteratur. Forschungsgeschichte und neue Ansätze, Tübingen 1999 [SIA 4], 87–98. 21 Per Nykrog, Chrétien de Troyes. Romancier discutable, Genf 1996 (Publications romanes et françaises 213), 79.
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gelesen werden kann und dementsprechend in zwei Teile zerfällt. Folgt man der Deutung von Walter Haug,22 so hätte das Selbstzitat Chrétiens sogar den Zweck, das Ungenügen des Erec’schen Doppelwegs unter den neuen Handlungsbedingungen zu dekuvrieren bzw. das Handeln Yvains in intertextueller Perspektive als Fehlinterpretation des Erec’schen Lösungsansatzes zu erweisen. Wenn, wie Haug argumentiert, »das Strukturmuster des zweiten Kursus [...], was das eigentliche Problem betrifft, leer durchgespielt«23 wird, kann umgekehrt auch die Doppelwegstruktur von Erec et Enide als spezieller Lösungsansatz eines speziellen Problems und weniger als typisch ›arthurisch‹ angesehen werden. Dann nur haben die zweistufigen Aventüresequenzen die Funktion, das Problem des Paares bewusst zu machen und einer Lösung zuzuführen. Gemeinsam wäre beiden Romanen freilich das jeweils unterschiedlich akzentuierte Motiv des ritterlichen Fehlverhaltens: Dem Sich-Vergessen mit der geliebten Frau im Falle Erecs steht das Motiv des Vergessens der Frau bei Yvain gegenüber,24 dessen Schwäche erst in dem Augenblick in eine Position der Stärke verwandelt wird,25 als er zum Löwenritter geworden ist. Wiederum fehlt gewissermaßen der Anfang der enfances; wiederum stellt die erste Ausfahrt des Helden, das Quellenabenteuer, die Ehrenrettung des Artushofes nach der Erzählung Calogrenants dar und ist kausal mit der Brautgewinnung verbunden; und wiederum entspringt der zweite Teil einer moralischen Problematik, nach deren Überwindung der Weg zur Übernahme dynastischer Verantwortung offensteht. Tatsächlich ist auch nicht klar, ob die offensichtliche Zweiteilung mit der positiven Funktion des Artushofs verbunden ist und so die z. B. von Erich Köhler herausgearbeitete Dialektik von Wesenssuche und Reintegration vollkommen greift. In handlungsstruktureller Sicht würde es im Gegenteil naheliegen, im Artushof auch den Ort der Versuchung und der Missverständnisse zu sehen, durch den der Held von Laudine abgelenkt wird – Ort des ›Wunschprinzips‹ im Gegensatz zu dem Realitätsprinzip, das sich erst am Ende durchsetzt. Nicht zuletzt das Turnier, durch das Yvain die von Laudine gesetzte Urlaubsfrist überschreitet, impliziert ja das Heraustreten des Helden aus der natürlichen, archetypisch verankerten Ordnung der Heirat und den damit verbundenen landesherrlichen Schutzpflichten und die Regression in die gleichsam spielerische Ordnung des Artuskreises – als ob Chrétien hier im Unterschied zum Erec nicht aus || 22 Vgl. Walter Haug, ›Das Spiel mit der arthurischen Struktur in der Komödie von Yvain/Iwain‹, in: Friedrich Wolfzettel (Hrsg.), Erzählstrukturen der Artusliteratur. Forschungsgeschichte und neue Ansätze, Tübingen 1999 [SIA 4], 99–118. 23 Ebd., 118. 24 Letzteres ist bekanntlich in Hartmanns Version des Iwein noch deutlicher; vgl. dazu jetzt auch Volker Mertens, Der deutsche Artusroman, Stuttgart 1998, 63–87. 25 Vgl. Nykrog (wie Anm. 21), 178.
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der arthurischen, sondern aus der episch-dynastischen Perspektive geschrieben hätte. Interessant scheint in diesem Zusammenhang ein Vergleich mit dem Eheroman llle et Galeron von Gautier d’Arras,26 der wahrscheinlich Züge des Erec mit dem Turniermotiv verbunden hat. Am Ende der episch-dynastischen enfance des um sein Erbe gebrachten Helden llle stehen die Ehe mit Galeron und der Aufstieg zum Landesherrn. In dieser Situation konstruiert der Autor einen nicht-arthurischen Doppelweg: llle zieht auf ein Turnier und wagt wegen einer verunstaltenden Verletzung nicht, zu Galeron zurückzukehren; freiwillig begibt er sich erneut auf die enfances-Stufe des armen Ritters, der über Land und Meer zieht und endlich in Rom die Hand der Kaisertochter Ganor gewinnt. Am Hochzeitstag findet er jedoch Galeron, die nach ihm suchte, in der Kirche und kehrt versöhnt in sein Land zurück. In einem dritten Kursus schließt sich die erneute Ausfahrt an, die zur Ehe mit der vor dem Angriff der Sarazenen geretteten Kaisertochter führt, während Galeron den Schleier nimmt. Das Turniermotiv und das ritterliche Versagen des Helden bilden mithin die strukturelle Voraussetzung für einen erneuten doppelten Kursus, der in beiden Fällen aus der spielerisch-arthurischen Sphäre in die dynastische Realität zurückführt und nicht zuletzt der Plausibilisierung des Aufsteigermotivs dient, das für die hochadeligen Artushelden keine Rolle spielt. Von selbstgenügsamen Ritter-Spielen des arrivierten Landesherrn wird der Held so in die geschichtliche Auseinandersetzung mit Byzanz hineingezogen, in der er sich – parallel zum ersten Teil des Romans – einmal als unbekannter Ritter und später als Feudalherr bewähren kann. Vielleicht unter dem Einfluss Chrétiens benützt Gautier d’Arras die Doppelung zur Korrektur eines zu eng gefassten Bewährungsraumes. Auch der nicht-arthurische Roman, der nicht minder psychologisch archetypische Motivkonstanten variiert, kennt also das Verfahren der Verdoppelung oder gar Verdreifachung, doch die dadurch erreichte gesellschaftliche ›Reintegration‹27 ist hier programmatisch mit der Steigerung der gesellschaftlich-historischen Funktion verbunden.28 Die Freiheit Chrétiens im Umgang mit der vermeintlichen Strukturkonstante zeigt der Chevalier de la Charrete, der von allen Chrétien’schen Romanen der ›episodischste‹ ist, da hier sowohl die Vor- wie auch die Nachgeschichte der enfancesHandlung abgeschnitten sind, und der zugleich der wohl ambivalenteste Roman
|| 26 Benutzte Ausgabe: Gautier d’Arras, Ille et Galeron, hrsg. von Yves Lefévre, Paris 1988 (Les Classiques français du Moyen Âge 109). 27 Vgl. Köhler (wie Anm. 5), 66ff. 28 Vgl. Friedrich Wolfzettel, ›La recherche de l’universel. Pour une nouvelle lecture des romans de Gautier d’Arras‹, CCM 33/2 (1990), 113–31, v. a. 124ff.
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Chrétiens ist, in dem die scheinbar festen Schemata unübersehbar bröckeln. Gleichzeitig erhöht der Autor die Problematik der Brautwerbung, indem er die Königin selbst zum Objekt der Begierde und der Befreiung macht und das Entlastungsmotiv in Form der jungen Schlossherrin, die ihren Befreier Lancelot liebt, nicht zum Zuge kommen lässt.29 Im Kern besteht die eigentlich einsträngige Handlung, die nach der These von Jacques Koojman ziemlich genau »la structure minimale d’un conte primitif«30 aktualisiert, aus der Ausfahrt und Rückkehr des Erlöser-Helden, der ähnlich wie der ›Schöne Unbekannte‹ nur diese eine Aufgabe hat, doch anders als jener keine Zukunft. Die in den Stoff eingebaute Aporie lässt m. E. auch berechtigte Zweifel an der Existenz der von der Forschung etwas mühsam aufrechterhaltenen These eines doppelten Kursus aufkommen. Freilich tritt an die Stelle der bloßen Heimkehr des Helden der Zweikampf mit Meleagant, durch den ein Stück der Bewährungsfahrt an den Artushof selbst geholt wird und jener seine unantastbare Position verliert. In einer neueren, ansatzweise auch tiefenpsychologischen Studie der verdrängten Arthurian tragedy hat Victoria Guerin die Charrete überzeugend als erstes Krisensymptom – lange vor dem Conte du Graal – bezeichnet.31 In der Tat scheint die Funktionsfähigkeit des in Erec et Enide exemplarisch gezeigten Doppelwegs des arthurischen enfant von der Intaktheit des Artushofs abzuhängen. Was die Charrete möglicherweise andeutet, führt daher der Perceval in neuer Weise zu Ende. Die Gegenwelt des Grals bzw. der Gegenhof des Gralkönigs zerstört die symbolische Einheit der arthurisch umgedeuteten enfances-Kurve, und der scheinbare Doppelweg des Helden beleuchtet in Wirklichkeit die lineare Progression einer geistigen Vatersuche, welche die Rolle des Artushofes ambiguisiert und von Roger Dragonetti seinerzeit unter das Zeichen des lacanistischen, auf einen Mangel verweisenden ›nom du Père‹ gestellt wurde.32 Deshalb ist die erste Rückkehr an den Artushof von dem Fluch der Gralsbotin überschattet, während die zweite Rückkehr nicht stattfindet. Stattdessen kehrt Percevals seitenverkehrtes Double Gauvain an den durch Absenz gekennzeichneten Hof zurück, wie um das Misslingen eines sinnvollen Doppelwegs anzudeuten. Die Struktur des Conte du Graal, der erstmals mit der Kindheitsgeschichte Percevals das biographische || 29 Zur fille de Bademagu vgl. Nykrog (wie Anm. 21), 142ff. 30 Jacobus Kooijman, ›»Du conte au roman«. Recherches sur la structure du Chevalier de la Charrete de Chrétien de Troyes‹, Romanic Review 69 (1978), 279–95, hier: 295. Von der angedeuteten Doppelung in eine Lancelot- und in eine Gauvain-Handlung, die bereits das Verfahren des Conte du Graal vorwegnimmt, wird hier abgesehen. 31 Vgl. M. Victoria Guerin, The Fall of Kings and Princes. Structure and Destruction in Arthurian Tragedy, Stanford/CA 1995. 32 Vgl. Roger Dragonetti, La vie de la lettre au Moyen Âge (Le Conte du Graal), Paris 1980.
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Schema auszufüllen verspricht, deckt so die Unwegsamkeit des Doppelwegs auf und macht den Artushof zur bloßen Durchgangsstation auf dem Weg zu jenem echten und anderen Bereich des Grals, der wahrscheinlich nicht nur die Überwindung der arthurischen Welt impliziert und zugleich die episch-dynastischen Züge der enfances-Tradition wieder anklingen lässt. Nicht zufällig haben neuere Arbeiten – gegen gewisse arthurische Klischees – auf diesem vernachlässigten Sinnbereich insistiert.33 Dessen ungeachtet legt der Perceval-Roman aufgrund seiner religiösen Erlösungsthematik in besonderer Weise nahe, auf Rainer Warnings These eines typologisch heilsgeschichtlichen Musters des Perceval’schen Doppelwegs zu rekurrieren, der sich als solcher jedoch beträchtlich von der ›klassischen‹ Doppelkomposition im Erec unterschied. Letzteres gälte womöglich noch stärker für den in vielerlei Hinsicht merkwürdigen und von der Forschung nur wenig beachteten Livre de Carados, der in die sogenannte erste Perceval-Fortsetzung eingefügt ist. Auch diesem Werk liegt ein klar erkennbares enfances-Schema zugrunde, das jedoch durch die Begleitmotive spürbar verändert und in Richtung auf einen paradoxen Doppelweg des erlösten Erlösers angelegt ist. Sieht man nämlich von dem Artuskritischen Schlussteil einer am Hof veranstalteten Tugend- und Keuschheitsprobe ab, welche die grundlegende, das Leben des Helden überschattende Ehebruchsthematik zugleich kollektiv verankert und ridikülisiert, so bleibt eine fundamentale Zweiteilung, die anders als in der bei Chrétien angedeuteten Dialektik von Wesenssuche und Reintegration (Erich Köhler) die zeitweilige Entfremdung des Helden von der Gesellschaft religiös fundiert. Nach einem Vorspann des beheading game, dessen Nähe zu der mittelenglischen Romanze Sir Gawain and the Green Knight von der Kritik gesehen, aber nicht geklärt wurde, erfährt nämlich der jugendliche Caradoc bei seinem zweiten Stelldichein mit dem überlegenen Herausforderer, dem Zauberer Eliavrés, dass dieser sein Vater ist und dass er folglich nicht der legitime Sohn des Caradoc de Vannes ist, der als Lehensmann von König Artus dessen Nichte Ysave geheiratet hatte. Der Ehebruch der Mutter und die Illegitimität des Sohnes bilden von da an die Urschuld, aus der die weitere Handlungsverwicklung hervorgeht. Im Gegensatz zu anderen Artushelden, welche wie z. B. der junge Yder für die Rehabilitierung der Mutter eintreten, kämpft Caradoc also für deren Bestrafung und wird dadurch in gewisser Weise und ganz anders als Perceval unschuldig schuldig: Er berichtet dem bisherigen Vater die vom Zauberer erfahrene Wahrheit, macht sich für die Einschließung der Mutter in einem un-
|| 33 Vgl. z. B. Brigitte Cazelles, The Unholy Grail. A Social Reading of Chrétien de Troyes’s Conte du Graal, Stanford/CA 1996.
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nahbaren Turm stark und wird dafür auf Verlangen der Mutter vom Zauberer grausam bestraft. Eine Schlange verbeißt sich in seinen Arm, und ohnmächtig flieht er aus der ritterlichen Gesellschaft und kann als ein neuer ›Yvain‹ erst durch das Opfer der treuen Guinier geheilt werden, der Schwester des Freundes Cador, deren Hand er eigentlich erhalten sollte. Der auf der Mutter und folglich auch auf dem natürlichen Sohn des Zauberers lastende Makel macht den positiv gezeichneten Helden von vornherein ironisch zum Opfer eines von ihm nicht verantworteten Geschicks. Im beheading game wird er vom Zauberer verschont und zugleich aufgeklärt, wird also anders als der Held der genannten Romanze gewissermaßen auf eigene Kosten wissend, ohne weise geworden zu sein. Er erfüllt zwar seine Rolle »as a corrector of evils«,34 wird dadurch aber zum ohnmächtigen Erlöser, der selbst der Erlösung bedarf. Die zusätzliche sexuelle Symbolik des Turmes, in den die Mutter gesperrt wird und in dem sie die verbotenen Beziehungen mit dem Zauberer wieder aufnimmt, ebenso wie das Motiv der Schlange, die nur durch die in Milch badende nackte Verlobte überlistet werden kann, sollen hier nicht weiter besprochen werden; wesentlich ist aber die Tatsache, dass sie das traditionelle Bewährungsschema des arthurischen Helden fundamental ambiguisieren. Das archetypische enfances-Schema, wonach der Held am fremden Hof Aufsehen erregt und die Liebe einer Prinzessin gewinnt, wird durch das Motiv der Ursünde gestört: Der Held muss durch eine zweite Phase der tiefsten Erniedrigung gehen, bevor er erlöst und rehabilitiert werden kann. Das typologische Schema ist ohne Zweifel durch die von Masiuk aufgewiesene Beziehung Ysave/Eva vs. Guinier/Maria angedeutet, die diesem arthurischen Roman eine beinahe allegorische Tiefenstruktur verleiht, ohne die ironische Ambivalenz der angedeuteten Motive und der am Schluss anklingenden Satire des arthurischen Hofes zu verbergen. Nicht zufällig ist ja, wie Michelle Szkilnik zeigte, der Zauberer nicht nur der eigentliche Vater, sondern auch der dämonische und verführerische Liebende, der Spielleiter und fast eine Art Dichterfigur, »qui a déclenché l’aventure, [...] qui y met un terme«,35 während der legitime Caradoc de Vannes symbolisch als schwacher und impotenter Vater gekennzeichnet ist. Die Variierung des Doppelweg-Schemas unter religiös typologischen Vorzeichen erweist sich so auch als ironisches Spiel, das von eben dem bösen Prinzip in Szene gesetzt wird, gegen das es sich eigentlich richtet. Die vorgebliche Reintegration des Helden ist nicht an Verdienst, sondern an seine Leidensfähigkeit und an den Opfermut der reinen Braut gebunden und überwindet im Übrigen
|| 34 Marian Margaret Masiuk, A Literary Analysis of the Livre de Caradoc, Bryn Mawr College 1977, 172. 35 Michelle Szkilnik, ›Les deux pères de Caradoc‹, BBSIA 40 (1988), 268–86, hier: 281.
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nicht dessen grundsätzliche Isolierung am Hof: »Eliavrés, métaphore de l’écrivain, est là pour dénouer un mythe«36 – die Einlösung des Doppelweg-Schemas grenzt an dessen diabolische Parodie.
3 Die Uneinheitlichkeit und Mehrschichtigkeit des Modells des sogenannten ›klassischen Artusromans‹ lässt bei der Suche nach der »Legacy of Chrétien de Troyes«37 zumindest Schwierigkeiten erwarten. Tatsächlich ist die vorgebliche Strukturgesetzlichkeit in der Folge von sichtlich wesentlich geringerer Evidenz, als es die eingangs aufgerufene Forschungstradition vermuten lässt. Beate Schmolke-Hasselmann hat in ihrem bislang unerreichten und umfänglichen Werk Der arthurische Versroman von Chrétien bis Froissart, einem wahren Kompendium der Folgeentwicklung zwischen »Tradition und Diskontinuität«,38 nicht geringe Mühe darauf verwendet, in der Traditionslinie des 13. und 14. Jh. Spuren der ›klassischen‹ Artusromanstruktur und insbesondere des doppelten Kursus nachzuweisen – mit durchaus mäßigem Erfolg. Denn ungeachtet der aufgearbeiteten und zu Chrétien in Beziehung gesetzten Stoffmasse von etwa sechzehn Romanen ergibt sich eher eine Typologie unterschiedlicher Gliederungsprinzipien als eine geschlossene, stimmige Strukturformel. »Motivdoppelung taucht häufig auf«, stellt die Verfasserin fest: »Dennoch gibt es kaum einen arthurischen Versroman, der eine solche Dichte von Doppelmotiven aufweist wie ein Roman von Chrétien«. Und weiter: Die von den Autoren zweifellos vielfach angewandte Technik der Motivdoppelung kann in der Mehrzahl der Fälle nicht als Keimzelle der Doppelkomposition angesehen werden, denn bei weitem nicht alle späteren Artusromane folgen überhaupt dem Prinzip der Zweitei39 lung[.]
Ein Befund, der mit deutlicher und berechtigter Kritik an dem Bemühen von Marie-José Southworth einhergeht,
|| 36 Szkilnik (wie Anm. 35), 286. 37 Das Zitat bezieht sich auf den Titel der großen Publikation von Norris J. Lacy u. a. (Hrsg.), The Legacy of Chrétien de Troyes, 2. Bde., Amsterdam 1987/1988 (Faux Titre 31/37). 38 Beate Schmolke-Hasselmann, Der arthurische Versroman von Chrétien bis Froissart. Zur Geschichte einer Gattung, Tübingen 1980 (Beihefte zur ZrP 177), 33ff. 39 Alle Zitate ebd., 41.
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jede Wendung der Handlung, die sich etwa in der Mitte oder im zweiten Drittel des Werkes ergibt und ohne die kaum ein literarisches Produkt der Zeit denkbar ist, als Einschnitt [zu] 40 begreifen, um daraus eine Doppelkomposition nachweisen zu können.
Als »überzeugend zweiteilig«41 bleiben letztlich nur La Vengeance Raguidel (mit dem zweimaligen Auszug Gauvains), Le Chevalier as deus espées (wo Meriaduc vom Artushof erneut aufbricht, um seine quête zu vollenden) und der deutlich epigonale Roman Floriant et Florete, in dem der Perceval ähnliche Held nach dem Muster des Erec, doch anders motiviert, nach der Hochzeit mit seiner Frau auf Abenteuerfahrt zieht. Der letztere Roman ist aber aufgrund der epischen Einflüsse nur in eingeschränktem Maße überhaupt noch als Artusroman zu bezeichnen. Le Chevalier as deus espées reinszeniert dagegen, ähnlich wie der einsträngig biographische Roman Fergus, die Perceval-Struktur. Ein eher mageres Ergebnis, das von Alison Adams weitgehend bestätigt worden ist. Die Verfasserin sieht das »Erec model«42 ihrerseits bei einer erneuten Durchsicht des Materials nur in La Vengeance, Yder und Floriant et Florete verwirklicht. Die Funktion des Artushofes als ›Romanteiler‹ wird für Yder, Meraugis und Fergus, etwas verändert auch für Durmart und Le Chevalier as deus espées in Anspruch genommen, während in den späten Romanen mit einer kollektiv-pluralistischen Handlungsstruktur Claris et Laris, Escanor oder Meliador dagegen »any kind of systematic use of Arthurian scenes is abandoned«.43 Wahrscheinlich aber nicht nur hier, denn wir werden sehen, dass z. B. auch Yder oder Durmart gerade nicht dem Modell entsprechen. Andererseits macht Adams ungeachtet möglicher stilistischer Einflüsse Chrétiens ein früheres und von Chrétien unabhängiges »Floire et Blancheflor pattern«44 der getrennten Liebenden geltend, das offensichtlich Parallelen im griechischen Roman hat und nicht dem archetypischen enfances-Schema entspricht. Folgerichtig verabschiedet Matilda Tomaryn Bruckner45 das Konzept eines von Chrétien begründeten gattungsgeschichtlichen Strukturmodells und begreift den nach-Chrétien’schen Artusroman stattdessen als intertextuellen Dialog autonomer Werke mit Chrétien, aber auch untereinan|| 40 Schmolke-Hasselmann (Anm. 38), 41. Die Verfasserin bezieht sich auf Marie-José Southworth, Étude comparée de quatre romans médiévaux: Jaufré, Fergus, Durmart, Blancandin, Paris 1973. 41 Schmolke-Hasselmann (wie Anm. 38), 41. 42 Alison Adams, ›The Shape of Arthurian Verse Romances (to 1300)‹, in: Norris J. Lacy u. a. (Hrsg.), The Legacy of Chrétien de Troyes, 2. Bde., Bd. 1, Amsterdam 1987 (Faux Titre 31), 141–65, hier: 141. 43 Ebd., 161f. 44 Ebd., 143. 45 Vgl. Matilda Tomaryn Bruckner, ›Intertextuality‹, in: Norris J. Lacy u. a. (Hrsg.), The Legacy of Chrétien de Troyes, 2. Bde., Bd. 1, Amsterdam 1987 (Faux Titre 31), 224–66.
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der. So wird etwa Li Biaus Desconneüs als Neufassung zentraler Motive des Erec oder Meraugis als Auseinandersetzung sowohl mit Erec als auch mit Li Biaus Desconneüs begriffen. Das Romanwerk Chrétiens verliert so seine exklusive Stellung als architexte im Sinne Gérard Genettes. Einige wenige strukturell verwandte Beispiele müssen hier genügen, um den Entwicklungsrahmen vom späten 12. zur Mitte des 13. Jh. abzustecken und zudem typologisch signifikante Strukturen zu veranschaulichen. Im Hinblick auf die eingangs genannte enfances-These greife ich drei spezifische Beispiele heraus. Das anschauliche Beispiel eines gleichsam verkümmerten und funktionslos gewordenen ›doppelten Kursus‹ bietet die französische Version des Wigalois-Stoffes Li Biaus Desconneüs (Ende des 12. Jh.) von Renaut de Beaujeu.46 Wie spätestens der Vergleich mit dem Wigalois (um 1210) des Wirnt von Grafenberg oder dem italienischen Carduino (um 1375) von Antonio Pucci zeigt, handelt es sich hier um eine klassische enfances-Erzählung, die freilich (im Gegensatz zum Wigalois) um die Frühgeschichte – von der Geburt bis zur Mannbarkeit – gekappt ist und unmittelbar mit dem Auftritt des jungen ›Unbekannten‹ am Hoftag des Königs Artus einsetzt. Ebenso unterscheidet sich der nüchterne, knappe Schluss von der barocken Abenteuerfülle des Wigalois, der – übrigens ähnlich wie der Durmart – den Schritt aus dem Artusbereich in die Kreuzzugsepik wagt und damit dem vollständigen episch-dynastischen enfances-Schema wesentlich näher steht als die altfranzösische Fassung.47 Die anschließende quête ergibt sich aus der zufälligen Verknüpfung des don contraignant-Motivs48 und der Ankunft des hilfesuchenden Fräuleins Elie und führt durch eine Reihe von Abenteuern und Prüfungen konsequent zu der Höhepunktsepisode des Fier Baiser, in der der ›schöne Unbekannte‹ zugleich über seine Identität als Sohn Gauvains und der Fee Blanchemal aufgeklärt wird und erfährt, dass er Guinglain heißt. Damit ist die enfances-Handlung eigentlich abgeschlossen, und tatsächlich folgt ja unmittelbar der Aufbruch an Artus’ Hof, wo die Hochzeit stattfinden soll. Von einer Fortsetzung oder einem erneuten Aufbruch ist keine Rede. Der Autor hat aber stattdessen die innere, mit dem erotischen Thema verknüpfte Struktur komplexer oder auch widersprüchlicher gestaltet als erforderlich und auf diese Weise ein Interpretationspotential geschaffen, das die Forschung aus motivgeschichtlicher oder psychoanalytischer Perspektive immer wieder beschäftigt hat.
|| 46 Benutzte Ausgabe: Renaut de Beaujeu, Le bel inconnu. Roman d’aventures, hrsg. von G. Perrie Williams, Paris 1929 (Les classiques français du Moyen Âge 38). 47 Zu einem Vergleich und der Forschungstradition vgl. jetzt Stephan Fuchs (wie Anm. 1). 48 Vgl. Antoinette Saly, ›Le motif du »don contraignant« dans la littérature du Moyen Âge‹, Travaux de linguistique et de littérature 7/2 (1969), 7–63.
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Bevor der Held nämlich in der Drachenepisode die spätere Frau erlöst, besiegt er auf der goldenen Insel den brutalen Wächter dieses irdisch-künstlichen Paradieses und verliebt sich in die Dame mit den weißen Händen, die ihm selbst den Weg zu der verzauberten Drachenburg weisen wird. Im Gegensatz zu dem Erlösungsschema, das in der Drachenkussepisode (das bekannte Sir Ragnell-Thema) zum Tragen kommt, bildet die Erlösung der Goldenen Insel den Schluss- und Höhepunkt einer Reihe von Abenteuern, in denen es – mit sich steigernder Tendenz – jeweils um die Beseitigung einer üblen coutume geht. Die Dame mit den weißen Händen bezeichnet also einen Angel- oder Drehpunkt zwischen zwei Abenteuertypen und die erste Etappe einer erotischen Initiation. Psychoanalytisch: Als mütterliche feenhafte Figur führt sie zu der Blonde Esmérée hin, deren Namen Felicitas Olef-Krafft wortspielerisch als es-mère-ée, d. h. ›entmuttert‹, gedeutet hat.49 Bis hierhin ist die Entwicklungslinie völlig stimmig. Problematisch wird das Verhältnis des Mannes zwischen zwei Frauen erst dadurch, dass der junge Held sich nach der Erlösung erneut der Blonde Esmérée, also der eigentlich überwundenen mütterlichen Instanz erinnert und von einer heftigen (regressiven) Liebeskrankheit ergriffen wird. Am Tag der Abreise zu König Artus macht er sich unter einem Vorwand davon, erringt die volle Gunst der einstigen Beinahe-Geliebten, verlässt diese aber wiederum, als Artus’ Herolde ein Turnier ansagen. Also doch ein doppelter Kursus? Das Schema wird merkwürdigerweise von Olef-Krafft so beschrieben und zugleich als gültig vorausgesetzt, obwohl die Verfasserin selbst implizit das Gegenteil beweist: Der Held bricht vom Artushof auf und durchläuft eine erste Kette von ›Abenteuern‹ wachsenden Schwierigkeitsgrades. Das dadurch erlangte Glück ist freilich nur von kurzer Dauer; es gilt noch einmal auszuziehen, erst nach einem doppelten Kursus ist das Ziel endgültig 50 erreicht, und der Ritter kehrt an den Hof zurück.
Aber welches Glück, welcher neue Auszug? Geht es nicht offensichtlich um einen bloßen Umweg, der strukturell und psychologisch unbefriedigend bleibt und am ehesten auf psychoanalytischer Ebene eine Erklärung fände? Wenn nämlich die goldene Insel tatsächlich eine Form des Irdischen Paradieses und die Fee mit den weißen Händen eine mütterliche Instanz verkörpern, dann wäre der Umweg des jungen Helden als regressive Zwangshandlung und Rückfall zu interpretieren, aus dem der väterliche Ruf der arthurischen Herolde befreit. Die Struktur wäre
|| 49 Vgl. das Nachwort in: Renaut de Beaujeu, Der schöne Unbekannte. Ein Artusroman, aus dem Altfranz. übers. von Felicitas Olef-Krafft, mit 8 Miniaturen, Zürich 1995, 219–49, hier: 245; die Deutung steht im Zusammenhang einer lacanistischen Psychoanalyse der Namen. 50 Ebd., 227.
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dann die folgende: [Mutter] – väterlicher Hof von König Artus – Mutter-Geliebte (ohne erotisch-sexuelle Beziehung) – Drachen/Jungfrau (sexuelle Initiation und Kastration) – erneuter Regress (mit sexueller Beziehung) – endgültiges Erwachsenwerden.51 Was auf den ersten Blick an das Turniermotiv im Yvain erinnert, erhält also eine völlig andere Bedeutung als Mittel, den Helden aus der sexuellen Regression in die erwachsene Welt zurückzuholen: ›Doppelter Kursus‹ als zwanghafte Wiederbegegnung mit der Mutter-Geliebten und als turnierhaft-spielerische Wiederholung der ersten Zweikampfabenteuer. Offensichtlich ist die Anwendung der klassischen Formel unter diesen Prämissen unangebracht, denn noch wurde ein erster Endpunkt wie im Erec oder Yvain gar nicht erreicht. Oder anders: Die verkümmerte und offen regressive Form des zweiten Kursus erscheint in ironischer Perspektive als kleiner Umweg auf der Rückkehr an den Artushof. Tatsächlich spricht Alain Guerreau von einer inzestuösen Vermittlungsstruktur »entre des rapports horizontaux (fraternité chevaleresque) et des rapports verticaux (vassalité)«52 und interpretiert die Rückkehr zur Insel als Inversion sozialer Verhaltensweisen.53 Wenn aber der Schluss tatsächlich zweideutig sein sollte und der Held keineswegs von seiner anderen Liebe geheilt wäre, dann ergäbe sich nicht ein doppelter Weg, sondern eine virtuell unabschließbare Pendelbewegung zwischen zwei gegensätzlichen Frauengestalten. Mit der Vertiefung und Intensivierung des ersten Kursus im arthurischen Sinn hätte dies nichts zu tun, es sei denn, dass man von einer ironischen Umdeutung des bekannten Musters sprechen wollte. Vielleicht könnte man sogar noch weiter gehen und in der Unsicherheit der Struktur von Li Biaus Desconneüs die Anzeichen einer Tendenz zum linearen, einsträngigen Erzählverlauf im Verzicht auf den schwierig zu handhabenden und schon bei Chrétien problematischen Doppelweg sehen. Der Artushof fungiert dabei entweder als rahmende Voraussetzung oder aber – ähnlich wie im Perceval – als Durchgangsstation des jungen Helden zu einer eigenen Identität. So weiß der Held des Yder-Romans,54 der Sohn des Nuth und einer edlen, von ihrem Geliebten verlassenen Dame, nichts von seinem Vater, nur ein halber Ring wird ihm später
|| 51 Zur Struktur vgl. auch Jeanne Lods, ›»Le baiser de la reine« et »le cri de la fée«. Étude structurale du Bel Inconnu de Renaut de Beaujeu‹, in: FS Pierre Jonin, Aix-en-Provence 1979 (Sénéfiance 7), 413–26. 52 Alain Guerreau, ›Renaud de Bâgé: Le Bel Inconnu, structure symbolique et signification sociale‹, Romania 103 (1982), 28–82, hier: 78f. 53 Vgl. ebd., 68: »tout le passage du retour à l’Isle d’Or présente un ensemble de conduites sociales inversées«. 54 Benutzte Ausgabe: Der altfranzösische Yderroman, nach der einzigen bekannten Handschrift mit Einleitung, Anm. und Glossar hrsg. von Heinrich Gelzer, Halle a. d. S. 1913 (Gesellschaft für romanische Literatur 31).
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im Zweikampf mit dem Vater wichtig sein. Mit Perceval vergleichbar wächst er bis zu seinem siebzehnten Lebensjahr arm bei Mutter und Großmutter auf, um sich dann auf die Suche nach dem Vater zu begeben. Nach dem Aufenthalt am Hof der Königin Guenloïe, die sich in ihn verliebt, geht er an den Artushof, um sich zu bewähren, keineswegs aber, um sich in dessen Hofstaat einzugliedern. Vielmehr unterstützt er den armen Ritter Talac gegen Artus, kämpft mit Keu und Gauvain und wird durch die Hinterlist Keus verwundet. Die Sukzessivität von Verliebtheit und Bewährung in zahlreichen epischen enfances ist hier auf den Artusroman übertragen, wobei das Bewährungsmotiv deutlich in einen Rahmen der allmählichen sukzessiven Steigerung eingespannt ist. Der siegreiche Kampf mit einem riesigen Bären, mit einem Riesen und der Zweikampf mit dem unbekannten Vater qualifizieren das enfant im episch-mythischen Sinn zur Übernahme väterlicher Verantwortung. Von Artus zum König gekrönt, heiratet er Guenloïe, verheiratet aber endlich auch die Mutter mit dem wiedergefundenen Vater und restituiert so die gestörte epische Ordnung. Nicht der Artushof, sondern die Geliebte bezeichnen den eigentlichen Fixpunkt, der am Anfang der Ausfahrt steht und zu dem der Held am Schluss zurückkehrt, und nicht die Begegnung mit dem Anderen, sondern das epische Motiv des Vater-Sohn-Zweikampfs bildet den Sinnhorizont einer Aventürefahrt, die streng genommen nur wenig mit dem Chrétien’schen Aventürebegriff gemein hat und die epische Vatersuche und ›Vaterwerdung‹ im arthurischen Rahmen verortet.55 Das typisch epische Motiv der Versöhnung der Eltern und der Rechtfertigung der Mutter56 ist von besonderer Bedeutung. Es beleuchtet den gelungenen Kreislauf der enfances einschließlich der eigenen Legitimierung, die ihrerseits die Verankerung des Helden in der sozialen Wirklichkeit beleuchtet. Der zwischen 1205 und spätestens 1225 verfasste, normannische Roman hybridisiert offenbar ganz bewusst die Muster des Artusromans mit Reminiszenzen der epischen und höfischen Literatur. In mehreren konsequenten Stufen schildert er die Identitätssuche seines Helden, der des Artushofs nurmehr bedarf, um die eigene Überlegenheit zu demonstrieren und um von diesem anerkannt zu werden. Wie in den meisten enfances folgt auf die Liebe die Notwendigkeit der Bewährung, die wiederum die Heirat ermöglicht. Mit der Abwertung von König Artus57 ist auch jede Spur eines
|| 55 Vgl. Anthony van der Lee, Zum Literarischen Motiv der Vatersuche, Amsterdam 1957 (Verhandelingen der Koninklijke Nederlandse Akademie van Wetenschappen, Afd. Letterkunde N. R. 63, 3). 56 Vgl. Wolfzettel (wie Anm. 11), 342ff. 57 Vgl. Beate Schmolke-Hasselmann, ›King Arthur as Villain in the ThirteenthCentury Romance Yder‹, Reading Medieval Studies 6 (1980), 31–43.
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problematisierenden doppelten Kursus verschwunden; die Rückkehr an den Artushof dient lediglich als notwendige Vorstufe für eine nicht-arthurische adlige Karriere. Noch weiter geht der wohl etwas spätere Durmart le Galois,58 eine ideologisch konservative, ritterliche enfances-Geschichte, die die arthurischen Episoden programmatisch als Propädeutikum für eine episch geschilderte Wirklichkeit einsetzt.59 Der arrivierte Held wird am Ende nach einer Christuserscheinung zum Kampf um die Befreiung des Papstes und zum Kreuzzug gegen die Ungläubigen rüsten. Gleichzeitig stellt der Durmart-Roman die Geschichte einer zunächst missglückten und dann doch noch zum Besseren gewendeten, adligen Erziehung dar, »ein Fürstenspiegel in Form eines Artusromans«,60 den schon Gaston Paris mit dem Fénelon’schen Télémaque verglichen hat.61 Mit Marie-José Southworth: Durmart est un roman où les aventures servent à établir la preuve de la chevalerie et de la courtoisie du héros, et où le thème de la quête [...] est en grande partie un prétexte pour les 62 voyages de Durmart, au cours desquels il rencontre aventure et gloire.
Der junge Tunichtgut, der »luxure« und »perece« ohne »proëce« (V. 457f.) liebt, wird erst spät zur Selbsteinsicht und Umkehr gebracht, um als filz de roi am Pfingstfest zu höheren Taten aufzubrechen. In dieser selbstbewusst unarthurischen Konstellation übernimmt der Artushof die Funktion eines Relais, durch das der Held initiiert und für seine späteren Aufgaben reif wird. Dennoch verweilt Durmart, eine Art unabhängiger Verbündeter von Artus, nicht lange am Artushof und schlägt auch das Angebot aus, Ritter der Tafelrunde zu werden. Im Grunde zeigt der Roman, wie man seinen Weg als ›Erwählter‹ auch ohne arthurische Beglaubigung geradlinig gehen kann. Deshalb werden im folgenden Handlungsverlauf die Artusritter im Kampf um die Befreiung der Königin von Irland auf der falschen Seite stehen, während Durmart – und dies scheint eine signifikante Neuerung – die Befreiungstat gegen Artus siegreich zu Ende führt. Von diesem erzählerischen Höhe- und Endpunkt, der in der Tradition des Brautgewinnungs- und Erlösungs-
|| 58 Benutzte Ausgabe: Durmart le Galois. Roman arthurien du treizième siècle, hrsg. von Joseph Gildea, 2 Bde., Vilanova/PA 1965/1966. 59 Vgl. Friedrich Wolfzettel, ›Idéologie chevaleresque et conception féodale dans Durmart le Galois. L’Altération du schéma arthurien sous l’impact de la réalité politique du XIIIe siècle‹, in: Charles Foulon u. a. (Hrsg.), Actes du 14e Congrès international Arthurien (Rennes, 16–21 août 1984), Rennes 1985, Bd. 2, 668–86. 60 Schmolke-Hasselmann (wie Anm. 38), 146. 61 Vgl. Gaston Paris, ›Romans en vers du cycle de la Table Ronde‹, Histoire littéraire de la France 30 (1888), 1–270, hier: 144. 62 Southworth (wie Anm. 40), 113.
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motivs die Initiation des jungen Helden beschließt, führt kein Weg an den Artushof zurück, d. h., der zweiteilige Roman kündigt selbst den einfachen Kursus auf. Die Schauzweikämpfe, die Durmart in Limeri vor den Augen seines Vaters Jozefent gegen berühmte Artusritter ausficht, ratifizieren im Gegenteil die progressive Emanzipation des enfant, dessen enfances unter Berufung auf Charlemagne und Alexander als Exempel für alle »riche home« (V. 15975) dienen sollen. Poetologisch zeigt die Episode den Sieg des epischen Lignage-Prinzips und seiner literarischen Tradition über die Verlockungen der arthurischen Welt.63 Die Reepisierung des Stoffes scheint für die Dysfunktionalität der arthurischen Welt von ausschlaggebender Bedeutung, insofern Artus mit seinen Rittern ungeachtet der zunächst angedeuteten Idealität der Tafelrunde und ihrer Ideale am Ende im wörtlichen Sinn auf der falschen Seite steht, den realen Machtkämpfen also nicht mehr gewachsen erscheint. Der umfangreiche späte Roman Claris et Laris64 wird dem angedeuteten Problem Rechnung tragen, indem er die arthurische Welt nach dem Beispiel des Cligés von vornherein wieder in die epischen Machtkonflikte eingliedert, ohne ihren zeitlos idealen Charakter preiszugeben. Denn, wie es gleich am Anfang heißt: »Et joie a si perdu son pris« (V. 24), die Gegenwart ist so sehr von »tristece et torment« (V. 82) geprägt, dass nur die ›Flucht‹ in die »aventures de Bretagne« (V. 88) bleibt. Die arthurische Welt erscheint als Gegenmodell zum Heute und legitimiert den Kampf gegen jede Form der Entartung, ohne mehr als episodische Bedeutung zu haben. Allerdings hilft Artus in dem durch das Freundschaftsthema und zahlreiche Nebenthemen aufgeblähten enfances-Roman dann folgerichtig dem enfant Laris gegen den ungarischen Aggressor, damit Laris als Retter des Vaters zugleich dessen Nachfolge antreten und zum König gekrönt werden kann: Die arthurische Tradition dient dem epischen Motiv der Vaterrettung und der Restitution der epischen Welt. In dem Hin und Her der Doppelhandlung, die keinen Ruhepunkt kennt, geht denn auch jede Andeutung eines doppelten Kursus verloren. Es sei denn, dass man von einem virtuellen Repetitionsschema spräche, das die Handlung nach dem Muster eines Gummiballs in dem Augenblick, wo dieser den Boden berührt, wieder hochschnellen lässt. Der Doppelweg ist zum Vorbild des Fortsetzungsromans65 verkommen, || 63 Mit Bezug auf den Schluss, wo Durmart als epischer Held gegen die Heiden aufbricht, schreibt schon Wendelin Foerster, ›Li romans de Durmart le Galois‹, Jahrbuch für romanische und englische Sprache und Literatur 13/N. F. 1 (1874), 65–103 und 181–201: »Man glaubt plötzlich in eine Chanson de geste hineingeraten zu sein« (193). 64 Benutzte Ausgabe: Li Romans de Claris et Laris, hrsg. von Johann Alton, Tübingen 1884 (BLV 169). 65 Vgl. auch Douglas Kelly, ›Multiple Quest in French Verse Romance: Mervelles de Rigomer and Claris et Laris‹, L’Esprit créateur 9/4 (1969), 257–66.
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der im Wesentlichen aus den Interferenzen zwischen epischer Realität und arthurischer Idealität gespeist wird.
4 Eine andere Möglichkeit der Auflösung des klassischen Modells oder besser: der klassischen Modelle, scheint in der Subversion des Schemas selbst zu liegen. Ich beende diese allzu knappe Übersicht daher mit einem Blick auf die sogenannten Gauvain-Romane, die spätestens nach der Arbeit von Keith Busby66 als eigene Gruppe zwischen dem ›klassischen‹ Artusroman und der sogenannten epigonalen Produktion von Artusromanen angesehen werden dürfen, zumal das enfancesSchema in diesem Fall nicht greift. In ihrem Schwanken zwischen intertextueller Tradition und derber Realistik,67 in ihrer subversiven Tendenz und ihrer Suche nach neuen Effekten – Heinz Klüppelholz spricht von einem »Faszinosum des Kuriosen«68 – scheinen diese Romane besonders geeignet, Funktion und Problematik des Doppelwegs zu beleuchten. Zwei Beispiele: Im Meraugis de Portlesguez69 von Raoul de Houdenc haben wir es mit einer doppelten quête zu tun, die in ihrer Geschlossenheit und Gesetzmäßigkeit auf den ersten Blick als modellhafte Veranschaulichung der Doppelwegstruktur erscheint. Freilich spielt nicht nur der Artushof als Handlungsteiler keine Rolle, auch die geforderte Intensivierung und Problematisierung des ersten Kursus in der Folge der Ereignisse bleibt aus. Vereinfacht gesagt, ergibt sich die zweite quête aus der problematischen Erfüllung der ersten: Meraugis ist mit seiner Freundin Lidoine auf die Suche nach Gauvain aufgebrochen; als er nach zahlreichen Abenteuern Gauvain endlich gefunden und befreit hat, verliert er Lidoine und begibt sich auf deren Suche. Die scheinbare Erreichung des Ziels setzt den Verlust des bereits Gewonnenen voraus und bewirkt ein Wiederholungsspiel, das offensichtlich als subtile Ironisierung des klassischen || 66 Vgl. Keith Busby, Gauvain in Old French Literature, Amsterdam 1980 (Degré second 2). 67 Vgl. Friedrich Wolfzettel, ›Arthurian Adventure or Quixotic »Struggle for Life«? A Reading of Some Gauvain Romances in the First Half of the Thirteenth Century‹, in: Kenneth Varty (Hrsg.), An Arthurian Tapestry. Essays in Memory of Lewis Thorpe, Glasgow 1981, 260–74. Wieder in: Raymond H. Thompson und Keith Busby (Hrsg.), Gawain. A Casebook, New York, London 2006 (Arthurian Characters and Themes 8), 125–38, sowie im vorliegenden Band, 3–17. 68 Heinz Klüppelholz, ›Die Idealisierung und Ironisierung des Protagonisten in den altfranzösischen Gauvain-Romanen‹, GRM 44 (1994), 18–36, hier: 31. 69 Benutzte Ausgabe: Meraugis von Portlesguez. Altfranzösischer Abenteuerroman von Raoul de Houdenc, zum ersten Mal nach allen Handschriften hrsg. von Mathias Friedwagner, Halle a. d. S. 1897 (Raoul von Houdenc, Sämtliche Werke 1).
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Musters inszeniert wird. Dazu kommt das Spiel der Pseudoaporien, etwa wenn der Held ausgerechnet mit dem zuvor befreiten Gauvain kämpfen muss, um die wiedergefundene Geliebte zu erlangen; oder wenn der anfangs am Hof aufgetretene Zwist zwischen Meraugis und Gorvain – eine eigene Handlung, die den Rahmen der Einleitung sprengt – am Schluss erst in einem Zweikampf ausgetragen werden muss, bevor das Happy End und die allseitige Versöhnung möglich werden. Die schiedsrichterliche, neutrale Funktion des Hofes wird so durch die Handlung selbst relativiert oder aufgehoben. Diese Dekonstruktion eines Handlungsschemas schließt in L’Âtre périlleux70 (Mitte des 13. Jh.) auch die Dekonstruktion des Helden ein. Auch wenn hier keine enfances-Handlung vorliegt, spielt das biographische Element eine wichtige Rolle. Annie Combe spricht in ihrer eindrucksvollen Deutung des Romans von »deux schémas de quête pour un seul chevalier, et cela apparemment sans relation entre les deux«.71 Tatsächlich scheint das oben bezeichnete Gewinn-Verlust-Spiel hier zu den letzten Konsequenzen getrieben. Gauvain, der als Feigling beschimpft den Artushof verlässt, um die ihm entrissene Damoiselle wiederzugewinnen, geht in Wahrheit auf die Suche nach der eigenen verlorenen Identität. An die Stelle eines wie auch immer gearteten doppelten Kursus tritt dann der mythisch dialektische ›Doppelweg‹ der wachsenden Entblößung, Beraubung und Anonymisierung, die an dem Punkt der äußersten Selbstentfremdung in die Aufwärtskurve der allmählichen Regeneration und Selbstgewinnung übergeht. Der mit geheimnisvollen, kuriosen, obszönen und unheimlichen Episoden vollgestopfte Roman repräsentiert so erstmals in der altfranzösischen Literatur ein tiefenpsychologisch deutbares, archetypisch-anthropologisches Schema, das den Doppelweg nurmehr ironisch als Teil einer überwundenen Tradition aufruft, um ihn sogleich zu verabschieden. Die Datierung um die Mitte des 13. Jh. zeigt unmissverständlich, welchen Grad der Unabhängigkeit vom Chrétien’schen Vorbild der späte Artusroman schon bald darauf erreicht hat und wie fragwürdig die angebliche ›Selbstverständlichkeit‹ der Doppelwegstruktur in Wirklichkeit geworden ist – wenn sie es nicht von Anfang an war. Welche Schlüsse lassen sich also aus den vorangehenden, notwendig kursorischen Überlegungen ziehen, deren Unvollständigkeit die Ergebnisse freilich nicht beeinträchtigen dürften? Der schon von Zeitgenossen Chrétiens und Nachfolgern offensichtlich als Strukturformel begriffene Doppelweg stellt auch bei Chrétien keineswegs ein festes, ›typisch arthurisches‹ Schema dar, sondern erscheint eher
|| 70 Benutzte Ausgabe: L’Âtre Périlleux. Roman de la Table Ronde, hrsg. von Brian Woledge, Paris 1936 (Les Classiques français du Moyen Âge 76). 71 Annie Combes, ›L’Âtre Périlleux. Cénotaphe d’un héros retrouvé‹, Romania 113 (1992/1995), 140–174, hier: 142.
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als eine mögliche und signifikante Variante allgemeiner Formen der Handlungsdoppelung. Die nachfolgenden Autoren spielten mit diesem Vorbild, variierten es, ignorierten es oder ebneten es ein. Auffällig ist dabei v. a. das Vordringen einer rein biographischen Verlaufskurve, die nach unserer Eingangsthese einer immer schon latenten oder virtuellen enfances-Struktur die Aufhebung eines spezifisch arthurischen Handlungsmusters signalisiert. Zumindest in der französischen Entwicklung des Artusromans deutet mithin wenig auf das Bewusstsein einer verpflichtenden Strukturkonvention hin.
Temps et histoire dans la littérature arthurienne Abstract : This article is focused on the relation of the individual hero to history. The history of Arthurian romance is conceived of as a history of emancipation, first from Sacred History and then from contemporary feudal history. The Arthurian myth creates, as it were, a sort of hermeneutic distance from the present by transforming the individual romance into a critical and experimental instrument. Individual adventure marks a triumph over history, i. e. the triumph of an open future over the bonds of the past represented by feudal history. Arthurian enfances are thus the contrary of epic enfances. While Arthurian prose romances will restore historicity, the great achievement of verse romance may be seen in the fertile element of permanent crisis which epitomizes the freedom of the chivalric individual.
1 Temps e t histoire – c’est la conjonction ‹ et › qui semble faire problème. S’il est évident que la notion d’histoire – et je vais me référer dans la suite à la grande Histoire (avec une majuscule) – est indissolublement liée à la temporalité, il n’en est pas de même pour le temps humain qui existe aussi – du moins théoriquement – en dehors de l’Histoire, de sorte que la (petite) histoire d’une narration peut, ou non, s’insérer dans une temporalité historique. Dans cette perspective, la conjonction ‹ et › désigne un rapport d’inclusion ou d’exclusion, dans la mesure où la dimension temporelle est liée à celle de l’historicité. A y regarder de prés, nous constatons cependant que le rapport d’exclusion visant une temporalité indépendante de l’historicité est en réalité un indice qui en dit long sur la fonction non avouée, refoulée d’une Histoire qui, pour être niée, n’en existe pas moins. Et ceci d’autant plus qu’au Moyen Âge, toute histoire a toujours, et nécessairement, partie liée avec l’Histoire Sainte et que la notion moderne d’une Histoire autonome n’existe pas. Mais, même compte tenu de ces restrictions, est-il possible de parler de l’Histoire au sens moderne, c’est-à-dire au sens d’un temps linéaire, homologue à la durée d’une vie individuelle ?
|| Conférence plénière au XIXe Congrès International Arthurien de Toulouse. Première parution in : Jean-Claude Faucon (éd.), Temps et Histoire dans le roman arthurien, Toulouse 1999, 9–31. Le texte intégral de l’article est réédité in : BBSIA 54 (2002), 362–84. https://doi.org/10.1515/9783110694567-004
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Le grand romaniste et médiéviste Erich Auerbach, a fait observer autrefois l’impact que la pensée typologique de l’Antiquité tardive et des débuts du Moyen Âge a eu sur la manière médiévale de penser l’Histoire : à la manière moderne de concevoir la durée historique, « so to speak on a horizontal plane »,1 s’oppose alors une construction ‹ verticale › et analogique. Si, en effet, toute l’Histoire sainte est soumise au modèle bipartite de la pensée typologique, obéissant à la loi bipolaire du t y p e et de l’ a n t i t y p e , de la préfiguration et de l’accomplissement, il résulte de ce fait la conception fermée et circulaire d’une Histoire en deux temps qui obéit à un principe fondamentalement répétitif. Sous ces auspices, la petite histoire – la littérature hagiographique le démontre clairement – n’est jamais susceptible d’être conçue autrement que comme la variation d’un schéma et d’une vérité d’ordre historique. Or, il semble que la notion de progrès – notion encore inexistante mais néanmoins implicite déjà dans les théories culturelles de ce qu’on appelle l’Ecole de Chartres et la Renaissance du douzième siècle – et, par conséquent, la découverte d’un temps linéaire et d’une Histoire ouverte – représentent la condition préalable de la naissance du roman, c’est-à-dire d’une narrativité axée vers l’avenir et virtuellement exempte d’exemplarité. C’est une narrativité dont la fonction ne consiste plus à ‹ boucler la boucle › – si j’ose dire –, en ratifiant une vérité préexistante ou en confirmant un paradigme connu et consacré, mais à ouvrir, au contraire, une voie vers le futur, en plaçant le chemin parcouru par le ou la protagoniste sous le signe d’une recherche, d’une quête individuelle. L’Histoire sacrée du Haut Moyen Âge – la Heilsgeschichte, histoire du salut du genre humain – présuppose en effet des étapes sur le chemin du salut, étapes qui sont autant de repères dans le processus historique censé nous rapprocher de la grande vérité qui nous attend à la fin des temps. Si le temps chronologique, la rerum gestarum narratio, selon la définition de Hugue de Saint-Victor,2 reste toujours soumis au système des valeurs dérivé de l’allégorèse, si, dans un cadre augustinien, le saeculum, li siècles, se réfère naturellement à l’éternité divine, le cours spécifique de l’ordre du temps, de tel ou tel événement historique, n’en devient pas moins l’objet de la curiosité et du désir de connaissance. Dès lors, la narration historique qui, pour Hugues de Saint-Victor, comprend les trois facteurs tempus, || 1 Erich Auerbach, ‹ Typological symbolism in medieval literature ›, in : idem, Gesammelte Aufsätze zur romanischen Philologie, Berne, Munich 1967, 109–14, ici : 111. 2 Je me réfère au célèbre ‹ Prologue › de la chronique de Hugues de Saint-Victor, De tribus maximis circumstantiis gestorum, éd. par William M. Green, Speculum 18 (1943), 484–93, ici : 491. Cf. à cet égard Hans-Werner Goetz, ‹ Zeitbewusstsein und Zeitkonzeptionen in der hochmittelalterlichen Geschichtsschreibung ›, in : Trude Ehlert (éd.), Zeitkonzeptionen, Zeiterfahrung, Zeitmessung. Stationen ihres Wandels vom Mittelalter bis zur Moderne, Paderborn et al. 1997, 12–32.
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locus et persona,3 doit aussi prendre en compte les cas individuels, s’intéresser aux ressorts cachés de telle ou telle action particulière, c’est-à-dire au temps particulier dont la variété se déploie dans l’ordre d’une Histoire multiforme, riche en exemples curieux. Pour l’historien Gert Melville,4 la tâche de l’historiographie du haut Moyen Âge réside ainsi dans la mise par écrit de la variété diachronique de la réalité historique. Citons en exemple le roman d’Eracle de Gautier d’Arras, émule et rival de Chrétien de Troyes. Produit de ce passage de la conception typologique à l’Histoire sainte ouverte, il semble constituer l’illustration parfaite d’une fusion des deux types d’historiographie en ce sens que le fond hagiographique sert ici à rehausser aussi bien la ‹ grande › Histoire que la ‹ petite › histoire d’un individu dont l’ascension sociale fulgurante dénote un horizon historique ouvert, plein de promesses et de possibilités. Mais le courant décrit ici rapidement et, bien entendu, sans tenir suffisamment compte des recherches détaillées, implique sans doute une tendance à séculariser l’Histoire sacrée et à revaloriser l’Histoire profane. De là, probablement, la tentation de resacraliser cette Histoire, tentation dont témoigne dès la fin du douzième siècle, l’émergence du thème du graal et l’élaboration de la grande somme de Robert de Boron. J’aurai l’occasion d’en parler dans la suite. Pour le moment, il s’agit de refléchir aux conséquences de ce processus de revalorisation de plusieurs histoires parallèles. En effet, à la différence de l’Histoire sacrée, l’Histoire profane, et les histoires particulières ont besoin d’être rattachées à un système de références pour être légitimées. En d’autres termes : l’avenir a besoin d’un point fixe. La temporalité n’ayant pas de sens en tant que telle, la production narrative doit avoir recours à la notion de continuité ; c’est-à-dire que le temps historique concret doit être ancré dans un début mythique ou sacré en vue d’être justifiée. C’est dire aussi que le savoir historique va être mis à profit pour légitimer et interpréter le présent et l’avenir. Le thème de la translatio tel qu’il apparaît vers le milieu du douzième siècle, représente peut-être l’exemple le plus clair de cette nouvelle aspiration à une légitimité et à une identité historique, processus dont la fonction principale consiste, on le sait, à conférer une légitimité aux nouvelles strates de la société dite courtoise et à confirmer l’alliance de la c h e v a l e r i e et de la clergie. Or, le souci de se donner une histoire implique nécessairement un processus d’historisation qui ne va pas sans ouvrir les sources du mythe et du romanesque.
|| 3 De tribus maximis circumstantiis gestorum (voir note 2), 491. 4 Cf. Gert Melville, ‹ System und Diachronie. Untersuchungen zur theoretischen Grundlegung geschichtsschreiberischer Praxis im Mittelalter ›, Historisches Jahrbuch 95 (1975), 33–67 et 308–41, ici : 319.
64 | Temps et histoire dans la littérature arthurienne
Dans un livre passionnant, l’historienne américaine Gabrielle Spiegel5 a choisi la formule « romancing the past » pour caractériser l’obsession historique qui, dès le milieu du douzième siècle, se fait sentir dans l’historiographie, la biographie romancée et la littérature de fiction, tendance qui ira en s’accentuant tout au long du treizième siècle. Si, au début, la chanson de geste avaient déblayé le terrain en créant, pour ainsi dire, une identité collective et nationale (avant la lettre) pour la monarchie capétienne ; si le roman, dont la forme, la suite ininterrompue de couplets rimés, affiche le nouveau besoin de continuité,6 avait pris la relève de cette grande entreprise en y ajoutant la dimension de la continuité et de l’identité culturelles, les chroniques, le roman chevaleresque et courtois et, plus spécialement, le roman arthurien ont évidemment pour but et pour fonction de ratifier la nouvelle conception culturelle et historique en créant une identité de classe. Au cours de cette évolution, la profondeur historique a visiblement tendance à s’élargir au fur et à mesure que les points de référence reculent dans le passé, de sorte que plus on recule dans ce passé lointain, plus on a la chance d’éclairer la conscience culturelle de l’actualité. Le titre d’un livre de Daniel Poirion, Résurgences,7 semble résumer heureusement ce travail collectif et successif d’une récupération de l’Histoire profane. C’est cette Histoire complète qui permettra de raconter d e s h i s t o i r e s individuelles et – comme le précise Emmanuèle Baumgartner – de « pratiquer une coupe signifiante dans le temps de la chronique ».8 C’est dire que le roman de l’individu ne se déploie que sur la toile de fond d’une construction historique plus large et plus compréhensive. L’aventure individuelle n’est pas vraiment autonome parce qu’elle dépend de la nouvelle conception de l’Histoire. J’irai jusqu’à soutenir que chaque aventure individuelle est là pour confirmer implicitement la grande Histoire, pour en tester la fertilité et les limites. Si chaque chanson de geste particulière peut être considérée, ainsi que l’a fait Alfred Adler,9 comme une tentative de ‹ tester › (« ausspekulieren ») les fondements de l’ordre féodal, le roman est susceptible d’être compris comme une mise à l’épreuve des valeurs concomitantes de ce grand projet historique. D’une façon plus particulière, le temps de l’histoire particulière sert à ‹ tester › la vision historique liée à l’avènement de la chevalerie. J’ai parlé tout à l’heure du roman || 5 Cf. Gabrielle M. Spiegel, Romancing the Past. The Rise of Vernacular Prose. Historiography in Thirteenth-Century France, Berkeley u. a. 1993 (The New Historicism. Studies in Cultural Poetics 23). 6 Cf. Michel Zink, Le Moyen Âge : Littérature française, Nancy 1990, 62. 7 Daniel Poirion, Résurgences. Mythe et littérature à l’âge du Symbole (XIIe siècle), Paris 1986. 8 Emmanuèle Baumgartner, Le récit médiéval XIIe–XIIIe siècles, Paris 1995, 33. 9 Cf. Alfred Adler, Epische Spekulanten. Versuch einer synchronen Geschichte des altfranzösischen Epos. Vorwort von Hans Robert Jauß, Munich 1975 (Theorie und Geschichte der Literatur und der schönen Künste. Texte und Abhandlungen 33).
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courtois et du roman arthurien, sans marquer les différences d’ordre générique. C’est cependant justement la thématique traitée ici qui donnera lieu à une différenciation de principe entre les deux genres presque strictement parallèles et susceptibles, tous les deux, de se prévaloir du statut de modernité. Car si le roman courtois non-arthurien assume l’Histoire en en faisant la base même de la narrativité, le roman arthurien, lui, va récuser l’historicité, comme s’il s’agissait de ne pas exposer le modèle idéal aux périls de la réalité historique. En un sens, le roman arthurien peut donc être compris comme un modèle créé ‹ ex nihilo › par Chrétien de Troyes en vue de concurrencer le roman chevaleresque et courtois, voire même d’opposer à ce dernier un modèle spécifique à la fois formel et idéologique.10 La rivalité de Chrétien avec Gautier d’Arras, par exemple, ainsi que les objections formulées par Gautier à l’encontre du roman dit ‹ breton › en disent long sur un conflit qui semble d’abord viser la légitimité du merveilleux arthurien, et au-delà de ce merveilleux, le statut même de l’histoire ; ce n’est pas pour rien que Gautier présente son roman d’un jeune parvenu chevaleresque, Ille et Galeron, comme « grant cose » (v. 931), où il « n’i a fantome ne alonge » (v. 932) et où le public ne trouvera nul « mensonge » (v. 933) – à la différence, bien entendu, du modèle breton abhorré.11 A première vue, il s’agit donc d’une opposition entre deux positions différentes, mais unies par une idéologie identique, opposition qui va se prolonger tout au long du treizième siècle et même au-delà. Dans une perspective psychologique et quelque peu jungienne, on serait alors tenté de qualifier le roman courtois non-arthurien de ‹ spectre › ou d’‹ ombre › (‹ Schatten ›) du roman arthurien en ce sens que le roman courtois assumerait les aspects refoulés de ce dernier. Si, en effet, la plupart des romans courtois s’installent résolument dans la réalité et l’histoire contemporaine ou peu s’en faut, pour en refléter certains problèmes et traits pertinents, le roman arthurien se déplace nécessairement dans un passé mythique et idéalisé, quitte à prendre en charge la société et l’histoire contemporaine par le biais de cette position de recul. On dirait qu’en s’émancipant des entraves de l’histoire contemporaine, le roman arthurien s’est ménagé une distance herméneutique commode et fertile qui le transforme en un instrument critique de premier ordre – mais aussi en un instrument utopique et en un moyen d’évasion.12 || 10 Cf. aussi Friedrich Wolfzettel, ‹ Probleme der Geschichtskonstruktion im arthurischen Roman ›, in: Hans-Werner Goetz (éd.), Hochmittelalterliches Geschichtsbewusstsein im Spiegel nichthistorischer Quellen, Berlin 1998, 341–56. 11 Édition citée : Gautier d’Arras, Ille et Galeron, éd. par Yves Lefèvre, Paris 1988 (Les Classiques français du Moyen Âge 109). 12 Aspect mis en lumière par le livre ‹ classique › d’Erich Köhler, Ideal und Wirklichkeit in der höfischen Epik. Studien zur Form der frühen Artus- und Graldichtung, Vorwort von Henning Krauß, Tübingen 21970 (Beihefte zur ZrP 97).
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L’évolution postérieure de ce type romanesque est susceptible d’illustrer ce que j’appellerais volontiers la tentation utopique propre à la construction spécifique du modèle. C’est surtout l’histoire du thème du graal, donc du merveilleux religieux, ainsi que celle du merveilleux breton qui mettront en évidence les dangers inhérents à la construction arthurienne de l’histoire, à savoir la grandeur et la décadence d’un modèle d’écriture romanesque tendant de plus en plus à s’égarer dans une achronie onirique et obsessionnelle. La fascination et l’aberration semblent aller de pair.
2 Je ne voudrais pas m’attarder ici sur les problèmes idéologiques et les apories logiques du modèle arthurien. On sait que Chrétien a isolé l’époque arthurienne du contexte historique plus large décrit d’abord par Geoffroy de Monmouth et puis par Wace pour créer l’image idéale, achronique et anachronique, de la société chevaleresque de la Table Ronde propre à harmoniser des aspirations apparemment contraires : pour ce qui est d’Arthur, il représente à la fois le pouvoir central d’un roi fort, créateur d’un empire, successeur d’Alexandre le Grand et rival de Charlemagne, et l’idéal d’un roi faible, dépendant de ses barons, point de mire du nouveau code chevaleresque. Pour ce qui est des chevaliers de la Table Ronde, il s’agit d’une société d’élite formée des grands vassaux de l’Empire arthurien, qui sont en général fils de rois, mais qui ont adopté une conduite de petits chevaliers et, le plus souvent, renoncé à leurs véritables fonctions sociales pour s’adonner, à l’opposé, au jeu des aventures. Faisons d’ailleurs remarquer en passant que le roman arthurien allemand présente, à cet égard, un aspect sensiblement différent, plus proche de la réalité féodale. Il est évident que cette conception contradictoire traduit – psychanalytiquement parlant – la ‹ wish fulfilling phantasy › et le besoin d’agrandissement de la chevalerie et la petite noblesse. Mais ce modèle renversé et idéologiquement déformé de la réalité n’en laisse pas moins transparaître le fondement historique. Littérature d’une ‹ classe › parvenue, elle donne aussi une chance aux parvenus ; c’est ce que montre le roman arthurien du treizième siècle. Il suffit de penser à l’exemple du roman de Fergus qui décrira l’ascension sociale d’un bâtard issu des couches les plus basses de la société. C’est que le modèle mixte et apparemment anachronique est basé en réalité sur le principe très réel de compétition déguisé sous forme d’aventures. Ce sont les aventures individuelles qui, en l’absence de problèmes d’ordre historique, donnent un sens à la quête chevaleresque, mais aussi à la cour arthurienne. Ce sont
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les aventures qui mettent le héros aux prises avec les forces antagonistes s’opposant à la réalisation complète de l’utopie arthurienne. La notion d’aventure s’avère être aussi une catégorie sociale et historique de première importance puisqu’il s’agit d’abolir les coutumes néfastes et dangereuses, résidus diabolisés et irréels d’une Histoire dépassée qui empêchent la victoire de ce projet de modernisation enracinée dans un passé mythique, mais orientée vers l’avenir. C’est surtout Donald Maddox13 qui, s’appuyant sur les thèses d’Erich Köhler, mais dans une perspective différente, a élucidé récemment cette dialectique des aventures et des coutumes. Quant à la dimension subjective et individuelle, l’aventure qui est le moyen par excellence et le seul moyen d’épanouissement et d’épreuve dont dispose le héros arthurien, présuppose précisément la durée individuelle. On sait qu’Erich Köhler,14 se basant sur les notions hegeliennes et marxiennes de l’Entfremdung (‹ aliénation ›), a parlé d’une dialectique de la Wesenssuche individuelle et de la ‹ réintégration › sociale, dialectique qui privilégie le temps vécu et qui présuppose le mûrissement et l’accomplissement des qualités individuelles. C’est là, semble-t-il, que réside l’originalité de Chrétien : le temps individuel s’affirme aux dépens de l’Histoire, mais nous fait assister à l’ouverture d’une Histoire moderne. L’épanouissement de l’individu chevaleresque sert à expulser les restes d’une Histoire marginalisée et diabolisée et à rehausser par là l’idéal utopique du règne arthurien qui ne fait que prendre en compte – sous des apparences traditionnelles, il est vrai – les ressorts cachés de la société ‹ moderne ›. Ceci m’amène à mon véritable propos. S’il est vrai que – comme je le crois – le roman chevaleresque et courtois représente en majeure partie et en principe une variation courtoise et romanesque du type épique des ‹ enfances ›15 dont le point culminant tombe justement dans la seconde moitié du douzième siècle, il est clair que le chemin des épreuves parcourues obéit à un schéma archétypal plus ou moins variable. Dans cette perspective, la fameuse distinction établie jadis par Gaston Paris16 entre le ‹ roman complet › et le ‹ roman épisodique ›, n’a plus de sens pour la simple raison que le roman épisodique apparaît comme un roman d’‹ enfances › tronqué, dont le schéma fondamental ne varie pas pour autant. Or, comme j’ai essayé de le démontrer dans une contribution déjà ancienne sur l’en|| 13 Cf. Donald Maddox, The Arthurian Romances of Chrétien de Troyes. Once and Future Fictions, Cambridge et al. 1991 (Cambridge Studies in Medieval Literature 12), 119–32. 14 Cf. Köhler (voir note 12), ch. III, 66–88. 15 Cf. aussi Friedrich Wolfzettel, ‹ Doppelweg und Biographie ›, in: idem (éd), Erzählstrukturen der Artusliteratur. Forschungsgeschichte und neue Ansätze, Tübingen 1999 [SIA 4], 119–41. Le texte intégral de l’article de Friedrich Wolfzettel est réédité dans le présent volume, 37–59. 16 Cf. Gaston Paris, ‹ Romans en vers du cycle de la Table Ronde ›, Histoire littéraire de la France 30 (1888), 1–270.
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semble de ce type de narration,17 les ‹ enfances › chevaleresques se distinguent des ‹ enfances › épiques justement en ceci que la courbe des étapes archétypales est moins stéréotypée et plus ouverte à des variations que celle des chansons de geste consacrées au problème des ‹ jeunes ›. L’‹ enfant › épique est appelé à succéder à son père en vue d’assurer la continuité du lignage. L’‹ enfant › chevaleresque, lui, n’hérite pas nécessairement du statut social de son père ; il doit, au contraire, s’imposer par sa seule valeur. Loin de devoir ‹ boucler la boucle › de la succession lignagère, il est appelé à résoudre des problèmes spécifiques qui dépassent largement la portée mythique des archétypes. Et à la limite, nous avons même affaire à des espèces de parvenus qui sont obligés de se forger leur propre destin – anticipant ainsi sur la forme du roman de formation (Bildungsroman) moderne. À une conception fermée, typée et fondamentalement répétitive de la vie individuelle intégrée dans la succession des générations, conception propre au domaine épique et à la haute noblesse terrienne, correspond donc une conception plutôt libre et ouverte qui, au lieu de viser à une restauration de l’ordre, a en vue le futur. En reprenant mes réflexions préliminaires, je dirais que les ‹ enfances › épiques sont encore très proches du modèle typologique de l’Histoire, tandis que les avatars d’enfances romanesques dénotent en général un esprit nouveau d’ouverture temporelle et historique. La notion de Bewährung – notion que le terme français d’épreuve ne rend malheureusement qu’approximativement, car la Bewährung implique la mise en valeur, la valorisation du moi –, relève uniquement du mérite individuel. Si Jacques Le Goff a fait valoir, en discutant le temps médiéval, l’avènement d’un « temps du marchand »18 dès le douzième siècle ; si Michael Nerlich,19 dans un livre récent, a pu parler de l’esprit d’aventure du marchand en faisant en même temps de l’aventure chevaleresque un avatar chimérique de cette vraie aventure, il n’est peut-être pas trop osé de concevoir un « temps du chevaliers » qui se placerait entre le temps féodal et le temps ‹ moderne › du marchand. Historiquement parlant, il s’agirait alors d’une étape intermédiaire sur le chemin de l’histoire des mentalités qui marquerait un premier indice de modernité. Bien entendu, je viens de brosser un tableau plutôt général. Pour ce qui est du roman arthurien – tout semble donc dénoter, à première vue, l’appartenance du genre à la nouvelle conception de l’épreuve individuelle et du temps indivi|| 17 Cf. Friedrich Wolfzettel, ‹ Zur Stellung und Bedeutung der Enfances in der altfranzösischen Epik‹, ZfSL 83 (1973), 317–48, et ZfSL 84 (1974), 1–32. 18 Cf. Jacques Le Goff, ‹ L’Occident médièval et le temps ›, in : idem, Un autre Moyen Âge, Paris 1999, 401–20, ici : 412ssq. (« Le temps nouveau : temps de la ville, temps du marchand, XIIe–XIVe siècle »). 19 Cf. Michael Nerlich, Abenteuer oder das verlorene Selbstverständnis der Moderne. Von der Unaufhebbarkeit experimentalen Handelns, Berlin 1997.
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duel, conception susceptible, du point de vue socio-historique, d’être interprétée comme un projet éminemment moderne. L’Histoire arrêtée, le « temps toujours présent, ‹ présentifié › », du monde arthurien, moment pseudo-historique « qui n’a ni début ni fin, ni passé ni futur »,20 constitue ainsi la condition nécessaire de la mise à l’épreuve d’un type de roman qui, tout en récusant l’Histoire en tant que telle, n’en garde pas moins les traces de la mentalité de son époque. En se référant encore une fois à Jacques Le Goff, on peut dire que l’expulsion de l’Histoire prépare le ‹ projet mythique › d’une transformation de la n a t u r e en c u l t u r e et le triomphe d’une conception nouvelle et moderne de la civilisation.21 Serait-il alors permis de parler d’un ‹ roman expérimental › avant la lettre, roman expérimental qui se met à tester les fondements de la société chevaleresque ? Projet idéologique de modernité sur le plan de l’action romanesque, mais aussi projet de modernité sur le plan de l’écriture. C’est ce que précisent les vers d’Erec concernant « l’estoire / qui toz jorz mes iert an mémoire / tan con durra crestïantez, / De ce s’est Chrestïens vantez ... » (v. 23–26),22 citation qui a amené Gabrielle Spiegel à ’conclure : « Thus Chrétien [...] no longer professes to preserve the memory of the past, but boasts that the future will, instead, preserve the memory of his work ».23 Le triomphe de la culture, des forces de la lumière sur les ténèbres, est de la sorte coexistencielle au triomphe d’une écriture consciente d’elle-même et qui singe, pour ainsi dire, la parole divine inscrite dans l’Histoire sainte. Le mythe arthurien24 est la base même d’un mythe de l’œuvre tel que Michelle A. Freeman25 l’a vu en filigrane derrière l’action romanesque du roman de Cligés. Cependant, le projet de Chrétien semble être menacé de deux côtés : du côté de sa conception même et, d’autre part, du côté de l’Histoire. Dans les deux cas, on dirait une revanche de l’Histoire expulsée de l’univers romanesque. J’ai utilisé tout à l’heure en passant le terme de ‹ projet idéologique ›. Or, on sait que celui|| 20 Emmanuèle Baumgartner, ‹ Temps linéaire, temps circulaire et écriture romanesque (XIIe– XIIIe siècles)›, in : Yvonne Bellenger (éd.), Le Temps et la durée dans la littérature au Moyen Âge et à la Renaissance. Actes du colloque l’Université de Reims, Paris 1986, 7–21, ici : 11. 21 Cf. Jacques Le Goff, ‹ Lévi-Strauss en Brocéliande. Esquisse pour une analyse d’un roman courtois ›, in : idem, Un autre Moyen Âge, Paris 1999, 581–614, ici : 592. 22 Édition citée : Les Romans de Chrétien de Troyes 1 : Erec et Enide, éd. par Mario Roques, Paris 1955 (Les Classiques français du Moyen Âge 80). 23 Spiegel (voir note 5), 63. 24 Cf. Alfred Ebenbauer et Ulrich Wyss, ‹ Der mythologische Entwurf der höfischen Gesellschaft im Artusroman ›, in: Gert Kaiser et Jan-Dirk Müller (éds.), Höfische Literatur – Hofgesellschaft – Höfische Lebensformen um 1200. Kolloquium am Zentrum für Interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld (3. bis 5. November 1983), Düsseldorf 1986 (Studia humaniora 6), 513–37. 25 Cf. Michelle A. Freeman, The Poetics of translatio studii and conjointure. Chrétien de Troyes’s Cligés, Lexington/KY 1979, 36.
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ci a été élaboré par Pierre Macherey en vue d’une théorie de ‹ l’œuvre disparate › : cela veut dire que l’œuvre en tant que telle dément jusqu’à un certain degré le ‹ projet idéologique › affiché par son auteur en sapant de l’intérieur toute conception unitaire et univoque. Dans une perspective sémiologique analogue, Roland Barthes a fait sienne une conception conflictuelle des ‹ discours › ou des ‹ codes › qui sont à l’œuvre à l’intérieur d’une trame narrative donnée, conception qui renvoie évidemment à celle d’une plurivocité ou polyphonie telle qu’elle a été élaborée par Bakhtine, reprise par Julia Kristeva et continuée par la critique déconstructiviste. Sans vouloir approfondir ici le problème de cette approche méthodologique, je me demande si l’application de ces catégories ne s’avérerait pas fertile pour cerner de plus près les problèmes du roman de Chrétien et du roman arthurien en général – s’il ne serait pas temps de mettre en question certaines positions herméneutiques traditionnelles pour mieux circonscrire la fascination ambiguë de ce type romanesque. En effet, le projet de Chrétien n’est-il pas contradictoire en lui-même, en ce sens que le refus de la temporalité au niveau de l’Histoire représente pour lui la condition sine qua non de l’ouverture temporelle au niveau de l’individu ? Emmanuèle Baumgartner a défini l’aventure du graal comme « l’inscription d’un temps linéaire, originé et clos, dans l’éternel retour du cycle ».26 Mais cette définition n’est-elle pas aussi valable pour le roman arthurien en général ? En allant plus loin, on dirait que le jeu romanesque est lié à l’abolition de la temporalité27 transformée en une temporalité cyclique.28 Le cadre mythique et figé dans lequel se meuvent les protagonistes arthuriens semble exiger en effet une structure profondément répétitive, variée, certes, de roman en roman, mais qui est aussi à l’œuvre à l’intérieur de chaque roman particulier. D’aventure en aventure, c’est la même structure monotone de ‹ challenge and response › – pour reprendre la formule célèbre de l’historien Toynbee –, vice inhérent que Chrétien ne réussit pas complètement à cacher et qui va en s’accentuant dans la suite. Dans une perspective de critique idéologique, Donald Maddox a interprété la tentative prestigieuse de Chrétien de présenter un modèle du passé mythifié et modernisé à la fois, nettoyé de toutes les scories d’un passé barbare définitivement dépassé comme un processus d’autoblocage. Mettant en question la tradition critique d’aprèsguerre par trop affirmative, il insiste justement sur les apories du genre créé par l’auteur champenois. « It is as if in what was to be the auspicious rebirth of legend
|| 26 Pierre Macherey, Pour une théorie de la production littéraire, Paris 1966 (Théorie 4). 27 Cf. Albert Gier, ‹ Zum altfranzösischen Artusroman. Literarisches Spiel und Aufhebung der Zeitgesetze ›, Lendemains 4/16 (1979), 11–24. Gier parle d’un « Faszinationstyp Zeitentrücktheit » (17). 28 Cf. Philippe Walter, La Mémoire du Temps. Fétes et calendriers de Chrétien de Troyes à la Mort Artu, Paris 1989 (Nouvelle Bibliothèque du Moyen Âge 13).
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in literature, a potentially crippling deformity has crept in. »29 La réussite de l’entreprise serait alors fonction d’une tare congénitale. C’est surtout le topos du Doppelweg, c’est-à-dire d’une réduplication nécessaire de l’action romanesque, qui semble souligner ce problème, en ce sens que « die Dynamik des Doppelwegs ist eng verbunden mit der Geschichtslosigkeit des Artusromans ».30 On sait que cette théorie du Doppelweg a eu une grande fortune dans la recherche d’après-guerre et, plus spécialement, dans la recherche allemande.31 Strictement parlant – je renvoie à la définition de Hugo Kuhn – il n’y va pas seulement d’un procédé de réduplication ; il s’agit, en plus, d’une répétition sujette à des variations combinées avec un principe d’intensification. L’exemple le plus convaincant de cette théorie reste toujours le roman d’Erec. Bien que je croie personnellement qu’on a surestimé et mythifié cet aspect-là,32 il n’en reste pas moins vrai qu’on peut voir des traces de ce procédé inventé par Chrétien dans un certain nombre de romans arthuriens postérieurs. Mais indépendamment de cette question de l’applicabilité complète ou partielle de la théorie moderne, d’où vient donc ce procédé ? S’agit-il d’un principe d’origine anthropologique, comme Walter Haug33 semble le croire ? La duplication servirait alors à confirmer les résultats de la première série. Est-ce la conséquence de la dialectique de l’individu et de la société, comme l’a postulé Erich Köhler ?34 Dans cette perspective, la seconde étape servirait à doter la quête individuelle d’une dimension sociale. S’agit-il d’une réminiscence du motif hagiographique de la ‹ conversion ›, comme l’a rappelé Dagmar Hirschberg35 dans sa thèse sur le Parzival de Wolfram von Eschenbach ? Sans vouloir contester la validité de ces explications, je voudrais me référer surtout à un quatrième modèle narratologique. Dans notre perspective
|| 29 Donald Maddox (voir note 13), 3. Maddox fait valoir « an intertextuality of crisis elaborated in successive depictions of the Arthurian court » (5). 30 Hans Fromm, ‹ Doppelweg ›, in: Ingeborg Glier et al. (éds.), Werk – Typ – Situation. Studien zu poetologischen Bedingungen in der älteren deutschen Literatur. FS Hugo Kuhn, Stuttgart 1969, 64–79, ici : 72. 31 Pour un résumé de la recherche, cf. l’article de Fromm (voir ibid.), ainsi que – dans une perspective non-allemande – celui de Donald Maddox, ‹ Trois sur deux : théories de bipartition et de tripartition des œuvres de Chrétien de Troyes ›, Œuvres et critiques 5/2 (1980/1981), 91–102. 32 Cf. Wolfzettel (voir note 15). 33 Cf. Walter Haug, ‹ Struktur, Gewalt und Begierde. Zum Verhältnis von Erzählmuster und Sinnkonstruktion in mündlicher und schriftlicher Überlieferung ›, in: Gerd Wolfgang Weber (éd.), Idee – Gestalt – Geschichte. FS Klaus von See. Studien zur europäischen Kulturtradition, Odense 1988, 143–58, ici : 151sq. 34 Cf. Erich Köhler (voir note 12), 236ssq. (ch. VII: « Die Form des Artusromans bei Chrestien »). 35 Cf. Dagmar Hirschberg, Untersuchungen zur Erzählstruktur von Wolframs Parzival. Die Funktion von erzählter Szene und Station für den doppelten Kursus, Göppingen 1976 (GAG 139).
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à la fois temporelle et historique, il semble, en effet, que ce soit surtout la thèse de Rainer Warning36 qui doive nous occuper, car Warning a été le premier à établir un parallèle entre la cyclicité de la structure romanesque et la pensée typologique. Les deux parties du roman arthurien seraient alors comparables aux deux versants du schéma figuratif, de sorte que la seconde partie ne ferait que résoudre le problème posé par la première. En instaurant un schéma d’attente et de réponse, le roman arthurien servirait à clôturer l’histoire de l’individu. Ce n’est pas un hasard si – comme Köhler l’a montré – les deux trajets parallèles revêtent la forme de deux cercles dont le point de départ et le point d’arrivée se situent à la cour d’Arthur. En d’autres termes, il est indéniable que l’intrigue romanesque décrit une évolution psychologique et une prise de conscience individuelle en revalorisant le temps ouvert de la durée biographique, mais la circularité redoublée de la structure narrative n’en serait pas même susceptible d’être interprétée comme un écho – écho lointain ? – de la conception bipolaire fermée et statique de la pensée typologique. J’ai parlé de deux menaces. La seconde, à mon sens, est justement représentée par la réapparition de l’Histoire, symptôme qui, d’une manière ou d’une autre, doit nécessairement dégrader le modèle de la société arthurienne au rang d’un phénomène politico-social intéressant parmi d’autres. C’est ce qui se passe déjà dans le Cligés, qui n’est plus, à proprement parler, un roman arthurien, mais un roman byzantin dans lequel la cour d’Arthur joue le rôle d’un point de mire et d’attraction. D’Yder et Durmart jusqu’à Claris et Laris et au Méliador, c’est là la formule d’un compromis problématique entre le Mythe et l’Histoire.37 Le royaume d’Arthur, monde mythique aux frontières indécises, monde centré sur lui-même, se trouve de la sorte de plus en plus déplacé et marginalisé ; il devient un objet de ‹ curiosité › situé aux confins du monde connu, royaume à la fois féerique et exemplaire dans lequel il est convenable que le jeune aspirant à la chevalerie passe un certain temps pour repartir ensuite, au moment où se poseront des problèmes plus sérieux. C’est ainsi que dans le Cligés, – et je laisse de côté l’allure épique de l’épisode arthurien qui n’a rien de commun avec le type de l’Erec – les ‹ enfances › arthuriennes d’Alixandre s’arrêtent brusquement au moment où l’usurpation de son oncle rappelle au protagoniste ses droits et ses devoirs d’ordre dynastique. Ce n’est pas pour rien que, dans Durmart le Galois, par exemple, la fin du roman
|| 36 Cf. Rainer Warning, ‹ Formen narrativer Identitätskonstitution im höfischen Roman ›, in: Jean Frappier et Reinhold R. Grimm (éds.), Le Roman jusqu’à la fin du XIIe siècle, vol. 1: Partie historique, Heidelberg 1978 (Grundriß der romanischen Literaturen des Mittelalters 4, 1), 25–59, ici : 56ssq. 37 Cf. aussi Beate Schmolke-Hasselmann, Der arthurische Versroman von Chrétien bis Froissart. Zur Geschichte einer Gattung, Tübingen 1980 (Beihefte zur ZrP 177).
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s’ouvre sur le problème épique d’une croisade à entreprendre contre les infidèles ; le protagoniste arthurien doit ainsi affronter une tâche autrement sérieuse qui relève de la vraie Histoire et, plus particulièrement, de l’Histoire sainte. La cour d’Arthur n’a donc plus qu’un rôle d’honneur. En tant que lieu d’un tournoi – dans le Cligés, le Bel Inconnu, Fergus, le Méliador et d’autres romans –, la cour arthurienne assume ainsi la fonction de garder les règles du jeu chevaleresque et de servir de lieu de médiation et de communication idéale. C’est que le monde arthurien, tel que l’a conçu Chrétien, semble être devenu incompatible avec le monde historique, et toute tentative de faire converger les deux mondes est par conséquent vouée à l’échec. Le devenir arthurien, la maturité du jeune héros arthurien, est donc à ce prix. À vrai dire – disons-le carrément –, tout se passe comme si Chrétien lui-même n’avait pas eu une conception à priori très nette de son entreprise ; comme si le ‹ projet idéologique › dont j’ai parlé plus haut, avait été l’objet d’une expérimentation et d’un tâtonnement ; comme si, en somme, le problème de l’Histoire était le ‹ talon d’Achille › de ce type de roman mythique qui s’est émancipé de ses attaches historiques. Personne n’a encore pu élucider le pourquoi et la fonction du Cligés placé chronologiquement entre le roman d’Erec et le Chevalier de la Charrete, étant donné que le Cligés représente sans doute une ‹ formule › complètement étrangère à la forme du roman épisodique construit en diptyque. Et dois-je rappeler le fait que la structure en diptyque du Cligés rappelle une conception épique et généalogique ? Quant à l’ordre des deux romans postérieurs au Cligés, pourquoi donc le Chevalier au Lion dont le thème et la structure binaire présupposent le modèle de l’Erec, est-il séparé de ce dernier par la Charrete qui, au contraire de l’Yvain, représente une structure mythico-folklorique lacunaire et qui, mis à part le thème de l’adultère, laisse deviner les premiers symptômes d’une crise profonde du monde arthurien ? Et qui plus est, ces symptômes de crise seront liés à l’Histoire même dans le roman de Perceval. Dans son livre sur l’historicité tragique de la matière de Bretagne, The Fall of Kings and Princes – d’ailleurs l’un des travaux les plus originaux et provocants de ces dernières années –, Victoria Guerin38 a en fait interprété la Charrete comme l’ombre prémonitoire du Conte du Graal, en mettant l’accent entre autres sur l’ambiguïté profonde de Lancelot, adversaire, mais aussi double bénéfique de Méléagant et préfiguration de Mordred. Voici qui reviendrait à dire que les étapes de l’œuvre romanesque de Chrétien esquissent un rythme de crise dont le point culminant serait représenté par le Per-
|| 38 Cf. M. Victoria Guerin, The Fall of Kings and Princes. Structure and Destruction in Arthurian Tragedy, Stanford/CA 1995, 87–138.
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ceval dont la curieuse structure parallèle dénoterait l’essai problématique d’harmoniser deux types romanesques contradictoires, ceux du roman d’histoire et du roman mythique respectivement, c’est-à-dire le roman de Perceval et celui de Gauvain. Ou bien, ce dernier dénoterait-il également la hantise de l’Histoire comme l’a affirmé Michèle Vauthier ?39 Le Conte du Graal se distingue par ailleurs de ses prédécesseurs en ce sens que, pour la première fois, Chrétien se met ici à raconter une biographie complète ou plutôt des ‹ enfances › complètes, en imitant à son tour l’auteur du roman d’Eracle : roman éducatif ou d’éducation, selon une vieille perspective reprise récemment par Per Nykrog.40 Mais curieusement, cette biographie est justement liée indissolublement à un fond historique, voire épique. Tout se passe, en effet, comme si la réalisation de la durée biographique impliquait le retour de l’Histoire. En plaçant le mystère du graal au centre de ses préoccupations, la recherche arthurienne a longtemps négligé ce problème d’ordre historique. L’ironie veut qu’en privilégiant ainsi l’une des deux grandes innovations introduites par Chrétien, la recherche n’a fait que suivre – Emmanuèle Baumgartner41 nous le fait remarquer – l’exemple de la mère de Perceval dont le refus de l’Histoire serait alors susceptible d’être interprété comme une ‹ mise en abyme › du projet de refoulement qu’est le Graal. C’est surtout à Brigitte Cazelles42 que revient le mérite d’avoir approfondi des suggestions antérieures43 en attirant notre attention sur cet horizon d’une histoire partiellement occultée qui semble déjà préfigurer l’univers potentiellement tragique du Lancelot-Graal. Dans cette perspective, l’énigme des origines de Perceval, c’est peut-être aussi l’origine, niée et refoulée, du roman arthurien. L’intrusion du problème des origines, donc de l’Histoire, ainsi que la construction d’une biographie chevaleresque qui présuppose un nouveau sens de la temporalité et de la durée, semblent être susceptibles de déstabiliser le mythe atemporel du royaume d’Arthur en y inscrivant ce qu’Em-
|| 39 Cf. Michèle Vauthier, ‹ Les aventures de Gauvain dans la seconde partie du Conte du Graal de Chrétien de Troyes. Une apologie de la croisade ? ›, in : Danielle Buschinger (éd.), La Croisade : réalité et fiction. Actes du Colloque d’Amiens 18–22 mars 1987, Göppingen 1989 (GAG 503), 219–49. 40 Cf. Per Nykrog, Chrétien de Troyes. Romancier discutable, Genève 1996 (Publications romanes et françaises 213), 179ssq. 41 Cf. Emmanuèle Baumgartner, Chrétien de Troyes : Le Conte du Graal, Paris 1999 (Études littéraires 62), 108. 42 Cf. Brigitte Cazelles, The Unholy Grail. A Social Reading of Chrétien de Troye’s Conte du Graal, Stanford/CA 1996. 43 Je pense surtout à l’article de Philippe Ménard, ‹ Problèmes et mystères du Conte du Graal. Un essai d’interprétation ›, in : Denis Hüe (éd.), Polyphonie du Graal, Orleans 1998 (Medievalia 26), 59–75.
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manuèle Baumgartner a décrit comme une dialectique « de l’exil et du royaume »44 – et en parsemant tout au long de ce roman déséquilibré les signes avant-coureurs du désastre.
3 Dans cette optique, le refus de l’Histoire, c’est aussi le refus de poser des questions. Perceval n’est-il pas le symbole même de cette limitation à laquelle les romans de Chrétien s’étaient volontairement, délibérément astreints. Et – faisons un pas de plus – le Graal n’est-il pas aussi le symbole de cette mystification, de ce refoulement et de ce mensonge originaire du monde arthurien ? Donnons encore une fois la parole à Emmanuèle Baumgartner qui écrit en guise de conclusion : Que l’ermite dissipe pour Perceval l’essentiel des mystères du Graal, rend plutôt inutile le retour au château du Roi Pêcheur. Le héros sait désormais qu’il faut questionner, interroger le monde, que la parole – et le vrai péché de la mère est sans doute son trop long silence – 45 est le seul moyen d’accès à l’autre.
Le graal qui va concurrencer le projet idéologique du royaume arthurien semble assumer et concrétiser l’ahistoricité de ce projet. En ce dernier sens, le règne du graal est l’héritier du règne arthurien et substitue son message utopique religieux et clérical au message utopique sécularisé du règne d’Arthur. Logiquement, il n’y a que deux solutions au problème soulevé d’une coexistence des deux domaines d’une chevalerie t e r r i e n n e et d’une chevalerie c é l e s t i e l l e , comme on dira dans la suite. Ou bien le graal doit disparaître dans l’apothéose d’un cercle restreint d’élus de Dieu, comme c’est le cas dans la Queste du Saint Graal ; ou bien le graal retrouvé et le règne du graal sont destinés à abolir littéralement la fonction utopique du règne arthurien désormais dépassé. Du Perceval en prose (ou Didot-Perceval) jusqu’au Perlesvaus, la réussite de la recherche du graal mettra fin à toutes les sorcelleries, à tous les enchantements qui avaient menacé le règne arthurien tout en en constituant la véritable raison d’être. Mais c’est là précisément l’expression d’un ‹ projet › rival, qui peut être caractérisé de tentative d’inspiration cléricale visant à arrêter et à clôturer l’Histoire en y inscrivant de nouveau le mouvement circulaire et typologique d’une histoire
|| 44 Baumgartner (voir note 41), 80. 45 Ibid., 108.
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sacrée. En même temps et paradoxalement, voilà que ressurgit la hantise de la continuité. On sait que Robert de Boron simplifie radicalement le problème de la chronologie historique en y substituant le temps de quelques biographies. C’est que l’idéal de continuité semble exiger une Histoire abrégée, basée sur la succession de quelques générations. Entre Joseph d’Arimathie et Perceval ou Galaad, s’étend la durée biologique d’un roman de famille, de sorte que la mort du Christ se trouve presque directement liée au projet utopique de la société du Graal, pour laquelle, une fois de plus, les noms arthuriens évoquent un présent mythifié. C’est comme si, dans l’inconscient collectif du Moyen Âge ‹ moderne ›, il y avait le problème d’une espèce de ‹ moyen âge › avant le Moyen Âge, à savoir d’une période sombre, mal définie, qui sépare l’Antiquité (dont on se réclame du point de vue culturel de même que du point de vue de l’Histoire chrétienne) de la naissance des sociétés contemporaines. Tout l’arthurianisme résulte peut-être de ce malaise, en ce sens que le mythe arthurien est susceptible d’être interprété comme un essai de jeter un pont en direction des âges reculés et de ménager ainsi, en raccourcissant les intervalles, une zone intermédiaire qui participe à la fois de l’Antiquité tardive et de l’époque présente. Or, il semble que la construction généalogique proposée par Robert de Boron ait pour objectif de mettre à la disposition des lecteurs le chaînon manquant, quitte à faire déboucher l’Histoire sur le mythe ou plutôt à substituer une histoire sainte mythique à celle – trop ouverte et trop générale, sans doute – qui constitue le fond commun de l’historiographie et de la conception historique médiévale. Raccourcir le temps historique et concentrer le message christique autour d’une famille et autour d’un cercle d’élus, c’est tout un. En me référant au beau livre de Francesco Zambon46 sur Robert de Boron et le fond gnostique du message du graal, j’ai enchaîné dans un article récent47 avec la thèse de Matarasso selon laquelle il s’agirait d’une « rédemption de la chevalerie » (« redemption of chivalry »).48 L’évangile alternatif du Roman de l’Estoire dou Graal constituerait alors le texte fondateur d’une Histoire sainte alternative qui, à n’en pas douter, est nourrie par des aspirations profondes de l’imaginaire de Cîteaux et des disciples spirituels de Bernard de Clairvaux, c’est-à-dire de l’ordre des Templiers. Si le projet idéologique de Chrétien avait été basé sur la conception fondamentalement
|| 46 Cf. Francesco Zambon, Robert de Boron e i segreti del Graal, Firenze 1984 (Biblioteca dell’ Archivum Romanicum I, 189). 47 Cf. Friedrich Wolfzettel, ‹ Ein Evangelium für Ritter : La Queste del Saint Graal und die Estoire dou Graal von Robert de Boron ›, Speculum Medii Aevi 3 (1997), 53–64. 48 Pauline Matarasso, The Redemption of Chivalry. A Study of the Queste del Saint Graal, Genève 1979 (Histoire des idées et critique littéraire 180).
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optimiste d’une alliance, non seulement de la c h e v a l e r i e et de la c l e r g i e , mais aussi de l’aristocratie terrienne et de la chevalerie, unies par un nouveau concept de la royauté, la littérature du graal, le dernier roman de Chrétien partiellement inclus, semble dénoter la faillite de ce projet initial pour aboutir, en revanche, à une conception élitiste et ouvertement théocratique de la société, qui n’accorde même plus de place aux valeurs arthuriennes. Au rétrécissement de l’effectif admis au cercle du graal correspond donc le rétrécissement de l’Histoire. Il est significatif que le Perlesvaus, le Haut Livre du Graal, écrit probablement vers 1240 et qualifié par Emmanuèle Baumgartner de « somme arthurienne »,49 fasse valoir une ‹ Nouvelle Loi ›, formule modelée évidemment sur l’exemple de l’Histoire sacrée et qui implique le retour à une conception typologique de l’Histoire. Ce roman inquiétant, « l’œuvre la plus troublante du Moyen Âge »,50 comme l’a définie Charles Méla, semble viser sa propre abolition. Voilà que la boucle est vraiment bouclée. Si la prolifération presque délirante des aventures arthuriennes rappelle une machine qui tourne à vide avant de se briser, l’aventure suprême du Graal n’a pas d’autre sens que de mettre fin à la ‹ petite › histoire du récit en abolissant en même temps la dimension historique.
4 Le problème des deux conceptions rivales du temps et de l’Histoire nous ramène finalement au statut historique du roman en prose. A cet égard, je voudrais rappeler brièvement quelques aspects de ce dernier, avant d’en venir à la conclusion. En vue de résumer et de compléter mes remarques préliminaires concernant le rapport qui existe entre le temps biographique et l’Histoire dans le roman arthurien en vers et plus spécialement dans celui de Chrétien, je voudrais d’abord avancer l’hypothèse – peut-être un peu osée – d’une règle d’exclusion mutuelle des deux dimensions temporelles. En effet, là où s’affirme la primauté de l’Histoire, le temps et la durée d’ordre biographique et individuel restent dans l’ombre ; là, par contre, où l’individu occupe le devant de la scène, le récit tend à occulter l’Histoire. Dans cette optique, la littérature arthurienne se développe en trois temps. Dans la littérature chronicale, il s’agit justement de libérer la matière de Bretagne des entraves du folklore en vue d’en faire une matière proprement épique et his-
|| 49 Baumgartner (voir note 8), 88. 50 Charles Méla, La reine et le Graal. La conjointure dans les romans du Graal, de Chrétien de Troyes au Livre de Lancelot, Paris 1984, 192.
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torique susceptible d’être mise à côté de la matière de France. Mais – comme nous l’avons vu – le processus qui débute de la sorte sous le signe de l’Histoire et d’une rivalité entre la matière de France et la matière de Bretagne, ne va pas tarder à subir une transformation profonde : de matière épique du passé, le mythe arthurien se mue en un projet idéal du présent qui tend à éclipser l’Histoire. Les raisons en sont évidentes. À la différence de tout projet idéologique ancré dans un mythe des origines, le nouveau mythe chevaleresque est un mythe récent et forgé exprès au profit d’une classe qui n’a pas encore d’histoire proprement dite derrière elle et qui ne doit ni ne peut être légitimée par un passé quelconque. Dans ces conditions, l’histoire personnelle va remplacer et faire oublier la grande Histoire. Le temps biographique est valorisé sur le fond d’un présent stable et anhistorique. La crise de cette conception au tournant du treizième siècle amène la restauration de l’historicité. Une fois de plus, la biographie individuelle se trouve subordonnée au grand cycle de l’histoire arthurienne, une fois de plus le règne arthurien acquiert le statut relatif d’un règne parmi d’autres, aux prises avec les forces ennemies des Saxons, des Ecossais et des Romains, en butte aux luttes féodales intestines et à la rivalité des chevaliers de la Table Ronde. A juste titre, Elspeth Kennedy a, pour caractériser ce nouvel état des choses, parlé d’une « strongly feudal conception of the Arthurian world ».51 La réhistorisation équivaut à une reféodalisation mettant fin à l’autonomie temporelle dont avait joui la chevalerie des romans en vers. Ceci d’autant plus qu’au lieu de retracer l’histoire complète du règne d’Arthur, le cycle du Lancelot-Graal – de même d’ailleurs que les autres avatars du roman en prose arthurien –, fait débuter l’action collective et épique au milieu ou plutôt juste avant la péripétie qui prépare la catastrophe, en soulignant ainsi le caractère virtuellement tragique de celle grande aventure pathétique. Dans le grand triptyque formé par la chronique, le roman en vers et le roman en prose, ce dernier a donc la fonction de décrire la fin d’une expérience idéologique en mettant l’accent sur l’histoire d’un passé définitivement révolu. Passé proche – présent mythique – passé antérieur – tel serait peut-être la formule appropriée pour résumer cette expérience qui mène d’un passé ouvert sur le présent et l’avenir à un passé fermé. La conception historique des débuts est donc radicalement différente de celle que comporte le roman en prose. Vu la fonction polémique de la prose qui, en tant que médium de vérité s’oppose à la fiction mensongère des vers, le roman arthurien en prose recèle une vision radicalement pessimiste du monde de l’Histoire.
|| 51 Elspeth Kennedy, ‹ The Role of the Supernatural in the First Part of the Old French Prose Lancelot ›, in : William Rothwell et al. (éds.), Studies in Medieval Languages and Literature in Memory of Frederick Whitehead, Manchester, New York 1973, 173–84, ici : 176.
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Reste le problème du temps individuel. En fait, la biographie individuelle estelle possible dans ces conditions ? Pour répondre à cette question, il faut probablement faire une distinction. D’abord, il n’est guère probable qu’une vision du monde négative, telle que celle qui sous-tend la fabrique de l’action multiple, collective, du Lancelot-Graal, ne laisse pas ses empreintes dans la conception du et des héros. Il y a cependant la thématique du Graal qui présente – si j’ose dire – un programme de contraste en annonçant une chance de salut que l’aventure arthurienne traditionnelle ne semble plus pouvoir sauvegarder. Cette chance de salut semble inclure aussi la possibilité d’une vie significative guidée par la Providence, sinon la Prédestination divine, mais elle tend à clôturer, d’autre part, la dimension ouverte du temps individuel. On sait d’ailleurs que l’auteur de la compilation ne réussit pas ou ne veut pas réussir à concilier le monde ‹ terrien › et le monde ‹ célestiel ›. Il en résulte un conflit de principe qui rappelle de loin les thèses de Lucien Goldmann52 concernant le monde tragique dichotomisé des drames raciniens. La comparaison est peut-être moins incongrue qu’il ne paraît à première vue, car dans les deux cas, il s’agit d’un monde régi par la providence mystérieuse d’un « dieu caché ». En effet, loin de réorienter le monde arthurien, la quête du Graal tend de plus en plus à s’isoler du reste de l’intrigue romanesque et épique jusqu’au point où la partie intitulée La Queste del Saint Graal en vient à démontrer l’incompatibilité radicale des deux sphères. La fin édifiante et l’apothéose de Galaad symbolisent l’horizon visionnaire du thème religieux qui se soustrait littéralement à l’emprise de l’Histoire. Le retour du héros saint en Terre Sainte clôt le cercle ouvert par Joseph d’Arimathie et le Graal retourne à son lieu d’origine. Il n’en sera plus question par la suite. La fin de l’histoire du Graal sera racontée à la cour d’Arthur – presque comme une aventure parmi d’autres : Quant il orent mengié, li rois fist avant venir les clers qui metoient en escrit les aventures aus chevaliers de laienz. Et quant Boroz ot contees les aventures del Saint Graal telles come 53 il les avoit veues, si furent mises en escrit et gardees en l’almiere de Salebieres (279sq.). Quand ils auront mangé, le roi fit venir les clercs qui mettaient par écrit les aventures des chevaliers de sa maison. Et lorsque Bohort eut raconté les aventures du Saint-Graal telles qu'il les avait vues, elles furent mises par écrit et conservées dans la bibliothèque de Salisbury.
|| 52 Cf. Lucien Goldmann, Le dieu caché. Étude sur la vision tragique dans les Pensées de Pascal et dans le théâtre de Racine, Paris 1955. 53 Édition citée : La Queste des Saint Graal, éd. par Albert Pauphilet, Paris 1923 (Les Classiques français du Moyen Âge 33).
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Dans sa grande thèse récente, Clôtures du cycle arthurien, Richard Trachsler soutient donc – sans doute avec raison – que l’action liée au Graal ne joue qu’un rôle secondaire, quand il s’agit d’analyser les facteurs décisifs de la clôture : « A l’issue de la Quête, au début de la Mort Artu, tout est donc à nouveau prêt pour que le récit puisse reprendre le fil des événements là où le Lancelot l’avait laissé. »54 Et pourtant, en accord avec les recherches de Leupin55 ou de Méla,56 on peut dire que le graal est le symbole d’une faille et d’une absence qui atteint aussi le monde arthurien. Pour ce qui en est, par conséquent, des personnages présentés et même de Lancelot dont les ‹ enfances › semblent contenir la promesse d’une vie rectiligne, il ne peut être question d’un temps cohérent ni d’une durée signifiante. Il suffit de penser au manque de précision de l’ordre chronologique. La technique de l’entrelacement ne sert d’ailleurs qu’à mettre en lumière la circularité répétitive des actions enchevêtrées. Comme l’a montré Gerhard Wild,57 les facteurs de multiplication, de récurrence et de parallélisme, sinon de réduplication contribuent à brouiller l’identité des protagonistes, à en faire les victimes d’une intrigue labyrinthique en les privant de leur singularité. La prolifération de fonctions folkloriques de même que la répétition de schémas tendent à obnubiler le caractère exemplaire d’une action. Le motif du retour à la cour arthurienne, par exemple, motif qui, dans l’œuvre de Chrétien, constitue la colonne vertébrale de la structure romanesque, tend à dégénérer, ici, en un stratagème récurrent, répétitif qui semble dénoter le circuit de la trame collective. Mais c’est surtout l’absence d’identité qui touche au problème du temps romanesque individuel. Les deux protagonistes de ce grand drame à plusieurs personnes, Guenièvre et Lancelot, semblent être soumis tous les deux à un principe de déréalisation. Pour ce qui est de Guenièvre, elle est doublée par une ‹ fausse Guenièvre ›, sinon par Morgane et d’autres personnifications féeriques d’amantes maternelles. Dans mon article sur « Lancelot et les fées », j’ai essayé naguère d’interpréter le jeu concomitant des reflets et des répétitions à la lumière de la psychanalyse ; qu’il me soit permis de citer ici mes conclusions : Les procédés de stéréotypisation qu’on peut déceler tout au long du roman ont l’air de fonctionner comme des équivalents structurels de ce qu’on désigne dans la psychanalyse par le terme de ‹ compulsion à répétition › qui domine manifestement les actions du héros. Son
|| 54 Richard Trachsler, Clôture du cycle arthurien. Étude et textes, Genève 1996 (Publications romanes et françaises 215), 80. 55 Cf. Alexandre Leupin, Le Graal et la littérature, Lausanne 1983. 56 Cf. Méla (voir note 50). 57 Cf. Gerhard Wild, Erzählen als Weltverneinung. Transformation von Erzählstrukturen im Ritterroman des 13. Jahrhunderts, Essen 1993 (Fora. Studien zur Literatur und Sprache 1).
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rythme délirant entre les divers pôles féminins et la faillite radicale de sa quête de la Mère dénotent par conséquent l’insuffisance d’un simple retour plus pur à l’idéal chevaleresque 58 [...].
Il n’y a pas d’avenir ni de durée biographique pour celui qui reste fixé à un stade d’‹ enfant ›. Ce n’est pas pour rien que l’obsession de continuité dont j’ai parlé au début sert ici, d’une manière perverse, à promouvoir un ‹ glissement › des noms. Quelle est l’identité d’un héros qui s’appelle Lancelot, mais qui porte aussi le nom de Galaad, dont l’ami s’appelle Galehaud, et dont un ancêtre porte le nom de Lancelot, pour ne pas parler d’une confusion possible dans les manuscrits entre les graphies de Galehaud, Galehot et Galahad. Charles Méla et Ulrich Wyss59 nous ont fait remarquer à quel point le jeu des noms identiques, homophones ou presqueidentiques contribue à créer une atmosphère de quiproquo irréel, jeu de reflets susceptible de saper par la base toute notion d’identité individuelle et historique. Là encore, je serais donc enclin à proposer une interprétation emblématique en ce sens que la quête récurrente et répétitive du héros principal et des héros secondaires met en lumière l’impasse à laquelle se voit acculé le modèle arthurien du récit. Si le roman en prose constitue une tentative de dépasser le roman en vers problématique, en s’ouvrant sur le monde de l’Histoire et en multipliant les personnages de la quête chevaleresque, il ne réussit pas pour autant à résoudre le problème fondamental de l’arthurianisme. Le problème identitaire peut être interprété comme l’indice d’une inadaptation fondamentale des héros arthuriens dont le monde irréel semble être loin de l’historicité affichée par le cycle. Avec Ulrich Wyss, on pourrait soutenir que le Lancelot-Graal parodie une écriture historique tout en liquidant l’Histoire et en en fermant l’horizon, qu’il est un ‹ simulacre d’historicité › qui fait triompher la fiction romanesque sur l’Histoire, tandis que l’Histoire semble désavouer à son tour la cohérence romanesque. « Erzählen als Weltverneinung », le récit en tant que négation du monde – tel est le titre et telle est la conclusion de la thèse citée de Gerhard Wild.60 Le modèle arthurien ne paraît être plus à même d’assumer sa fonction exemplaire. Son historicité est devenue une historicité en fuite et en faillite. La recherche d’une identité et d’une continuité, tant au niveau de l’Histoire que sur le plan du temps in-
|| 58 Friedrich Wolfzettel, ‹ Lancelot et les fées. Essai d’une lecture psychanalytique du Lancelot en prose ›, Marche romane 32/2–4 (1982), 25–42. Le texte intégral de l’article de Friedrich Wolfzettel est réédité dans le présent volume, 19–35. 59 Cf. Ulrich Wyss, ‹ Erzählstrukturen im Prosaroman ›, in: Friedrich Wolfzettel (éd.), Erzählstrukturen der Artusliteratur. Forschungsgeschichte und neue Ansätze, Tübingen 1999 [SIA 4], 257–273. 60 Cf. Wild (voir note 57).
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dividuel, a débouché sur son contraire : la non-identité et la fragmentation qui préparent et qui symbolisent la ‹ tragédie arthurienne ›. Cependant, comme l’indique le terme de ‹ tragédie ›, cette faillite ne va pas sans grandeur. Le prestige de la matière arthurienne est lié à ce vaste horizon d’une interrogation de l’Histoire, d’une conception dilemmatique du rapport qui existe entre l’Histoire profane et l’Histoire sacrée, entre le temps historique et le temps individuel. Ce serait là une piste à suivre à l’avenir. En guise de conclusion : La singularité et le mérite du roman arthurien (dans ses réalisations diverses) semblent consister justement à problématiser – d’une façon ou d’une autre – la notion d’Histoire et la conception de 1’individu. Contrairement à ce qu’on a souvent dit et malgré les apparences, il s’agit bien d’une littérature de la crise, mais d’une crise féconde en ce sens qu’elle permet de poser des questions et qu’elle a donné lieu à l’affranchissement de l’imaginaire qui constitue un attrait susceptible de dépasser le temps et l’Histoire.
Der lange Weg zu einem ›anderen‹ Chrétien Zur Nachkriegsforschung über den Conte du Graal Abstract: This broad survey of scholarship on Chrétien’s Conte du Graal since World War II would like to show a remarkable shift from the ›classic‹ concept of continuity of Chrétien’s romances including the last one to the growing awareness of the unprecedented aspects of the work. From Howard Bloch to Francis Dubost and others we are confronted with the otherness of a romance that was not even fully appreciated by the contemporary reader Wolfram von Eschenbach. The Conte du Graal appears more and more as an experiment in crisis, an aporetic ›myth‹ and an unfinished opera aperta (Umberto Eco) in search of itself.
1977 legte der amerikanische Forscher Rupert Pickens, der eben erst durch theoretisch-strukturelle Studien zu Erec et Enide, Cligés und Marie de France bekannt geworden war, seine wegweisende Monographie The Welsh Knight. Paradoxicality in Chrétien’s ›Conte del Graal‹ vor.1 Erstmals bricht diese mit dem traditionellen Schema der Chrétien-Kritik, das man unter der Formel ›Kontinuität und Variation‹ zusammenfassen könnte; der Conte du Graal, konstatiert der Verfasser, gehe nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ über das bisherige Werk Chrétiens hinaus: »The construction of the Conte du Graal is far more complex than that of any other narrative by Chrétien.«2 Die einleitende Kritik an dem ›modernen‹ Ironiebegriff Peter Haidus ist dabei insofern von Bedeutung, als dessen Arbeit über komische und ironische Elemente im Cligés und im Perceval von 19683 zwar einen wesentlichen Anstoß für die nachfolgende Fiktionalitätsdebatte und eine spezifisch ästhetische Wertung des altfranzösischen Romanciers darstellte, mit der These einer wachsenden Bewusstwerdung des Prinzips der »aesthetic distance«4
|| 1 Vgl. Rupert T. Pickens, The Welsh Knight. Paradoxicality in Chrétien’s Conte del Graal, Lexington/KY 1977 (French Forum Monographs 6). 2 Ebd., 18. 3 Vgl. Peter Haidu, Aesthetic Distance in Chrétien de Troyes. Irony and Comedy in Cligès and Perceval, Genf 1968 (Histoire des idées et critique littéraire 87). 4 Ebd., 262. || Erstveröffentlichung in: Matthias Meyer und Hans-Jochen Schiewer (Hrsg.), Literarische Leben. Rollenentwürfe in der Literatur des Hoch- und Spätmittelalters. FS Volker Mertens, Tübingen 2002, 871–92. https://doi.org/10.1515/9783110694567-005
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aber den Perceval-Roman wie üblich als Endpunkt eines Prozesses stilisierte, in dem »we watch the unfolding of his romances, a point of view continually indicated by the individual ironies and comic moments«.5 Für Pickens liegt dagegen die eigentliche Ironie darin, dass Chrétien im Perceval eine neue Form der ironischen Verrätselung betreibt und wohl auch unter dem Einfluss theologischer Denkmuster6 den herkömmlichen Diskurs ›paradoxikalisiert‹: »Chrétien constantly implies that he knows more than he is telling [...]. Paradox lies at the very foundation of the Conte del Graal.«7 Anders als in den früheren Romanen bewegen sich die Helden dieses Romans in einer offenen Welt ohne feste Koordinaten, und die Handlung Percevals und auch Gauvains definiert sich geradezu in Bezug auf den dezentrierten Artushof, ein schimärisches Relikt der einstigen Totalität des Artusreiches. Letzteres ist nicht neu; doch die Krise der höfisch-arthurischen Welt wird in dieser Perspektive nicht aufgefangen durch die neue geistliche Welt des Grals. Die Irrealisierung des Artusreiches spiegelt sich im Gegenteil in der Irrealität des Gralsschlosses,8 »a world of signs«,9 welche die bisherige Funktion der Sprache in Frage stellt: »Yet courtly language itself, in the poem, is an imprecise and treacherous medium of communication«.10 Der Conte du Graal erscheint so – erstmals in der Kritik – nicht eigentlich als Roman über den Gral, sondern als »a poem about language, its modes, and its uses.«11 Das Spätwerk – »Romance exploded«12 – ist »a poem largely ›about‹ signs and the interpretation of signs.«13 Das Kontinuitätsparadigma hat einer dezidierten Konstruktion von Alterität Platz gemacht. Unter dem Leitbegriff eines ›unfolding‹ (Peter Haidu) potentiell schon in früheren Werken angelegter Voraussetzungen war nämlich das Disparate bisher zur bloßen Variante des Ähnlichen herabgestuft worden; der Conte du Graal hatte – wie es die seinerzeit maßgebliche Monographie von Stefan Hofer formuliert – notwendig den Höhepunkt der »Laufbahn eines Dichters«14 bezeichnet – wenngleich als neue Form des Artusromans auf höherer Stufe »im Dienste mystisch-religiöser
|| 5 Haidu (wie Anm. 3), 263. 6 Vgl. Herbert Weisinger, Tragedy and the Paradox of the Fortunate Fall, London 1953. 7 Pickens (wie Anm. 1), 32. 8 Vgl. ebd., 79. 9 Ebd., 80. 10 Ebd., 88. 11 Ebd., 99. 12 Ebd., 37f. 13 Ebd., 138. 14 Stefan Hofer, Chrétien de Troyes. Leben und Werke des altfranzösischen Epikers, Graz, Köln 1954, 237.
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Vorstellungen«.15 Und da der Verfasser auch das – meist eskamotierte – Problem des hagiographischen Guillaume d’Angleterre diskutiert, der auf den Apolloniusroman rekurriert, erschiene der Conte du Graal – nach der vorübergehenden Abkehr des Autors vom Artusroman – in gleichsam dialektischer Perspektive als neue Synthese aus höfischem Artusroman und Heiligenroman und indizierte so einen Zuwachs an Bedeutsamkeit und Komplexität, der auch für die nachfolgenden Gralsromane charakteristisch ist. Als Verbindungsglied zwischen Artusdichtung und Gralsthematik wird der letzte Roman Chrétiens aber nicht nur zusätzlich aufgewertet, er partizipiert nach Hofer auch an der senefiance, die die eschatologische Gralssymbolik auf den Roman zurückspiegelt. Damit kommt noch ein weiterer Kontinuitätsfaktor ins Spiel, der den letzten Chrétienroman zugleich retrospektiv und prospektiv auf seinen Platz innerhalb einer an Entwicklungsgeschichte interessierten Literaturgeschichtsschreibung festlegt. Im Lichte der in der Queste del Saint Graal gipfelnden Eindeutigkeit der religiösen Funktion ist dann naturgemäß für offene, widersprüchliche oder krisenhafte Züge bei Chrétien wenig Platz. Die zugleich symmetrische und polare Doppelung der Perceval- und Gauvainhandlung erscheint als willkommener formaler Ausdruck dieser doppelten Blickrichtung nach vorn (Gral) und zurück (höfische Artuswelt), wobei die offensichtlichen Symmetrien16 zwischen den beiden Teilen den Befund nur zu stützen scheinen. Forschungsgeschichtlich gesehen, stellt die hier skizzenhaft umrissene Sehweise zunächst einen unbestreitbaren Fortschritt dar. Nach der wegweisenden Arbeit von Wilhelm Kellermann,17 der insbesondere für die Entwicklungsperspektive wichtigen, leider fast vergessenen Dissertation von Hildegard Emmel18 und den Arbeiten der frühen Nachkriegszeit seit Reta R. Bezzola rückte Chrétien zu einer mit den großen neuzeitlichen Autoren gleichberechtigten Stellung auf – ein Vorgang, der in Frankreich durch die Aufnahme des Autors in die renommierte Klassikerreihe der Bibliothèque de la Pléiade19 vollendet wurde. Das implizit abwertende Verdikt einer ›Alterität‹ unter folkloristischen Vorzeichen wird durch eine neue, offene und hermeneutisch-biographische Fragestellung überwunden.
|| 15 Hofer (wie Anm. 14), 237. 16 Vgl. dazu Antoinette Saly, ›La récurrence des motifs en symétrie inverse et la structure du Perceval‹, in: Denis Hüe (Hrsg.), Polyphonie du Graal, Orleans 1998 (Medievalia 26), 147–67. 17 Vgl. Wilhelm Kellermann, Aufbaustil und Weltbild Chrestiens von Troyes im Percevalroman, Halle a. d. S. 1936 (Beihefte zur ZrP 88). 18 Vgl. Hildegard Emmel, Formprobleme des Artusromans und der Graldichtung. Bedeutung des Artuskreises für das Gefüge des Romans im 12. und 13. Jahrhundert in Frankreich, Deutschland und den Niederlanden, Bern 1951. 19 Vgl. das Avertissement von Michel Zink in der Ausgabe: Chrétien de Troyes, Romans, hrsg. und übers. von Michel Zink, Paris 1994: »II ne faut pas s’etonner de voir Chrétien de Troyes figurer
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Per Nykrog hat diesen Prozess in seinem Chrétien-Forschungsbericht – wenn auch aus anderer Sicht – kürzlich ausführlich dargestellt.20 Chrétien ist nicht mehr das ›Opfer‹ einer im Einzelnen unverstandenen und wahrscheinlich aus mündlichen Quellen übernommenen Mythologie keltischer Provenienz; er erscheint als ein seinem Material gegenüber überlegener Künstler, der von Werk zu Werk das einmal gefundene und erprobte Schema im Lichte neuerer ideologischer Fragestellungen umarbeitet, variiert, anreichert und komplexer gestaltet, ja dem Wunderbaren und auch dem Leser gegenüber eine »playful attitude«21 einnimmt. Paradigmatisch hat dies in der deutschen Nachkriegsforschung Erich Köhler gezeigt: Ausgehend von der These eines geschichtlich notwendigen, ideologisch zentralen Projekts der Versöhnung von Individuum (Rittertum) und höfisch-feudaler Gesellschaft macht die 1956 erschienene, geschichtsphilosophische und literatursoziologische Arbeit Ideal und Wirklichkeit in der höfischen Epik den Entwicklungsweg des Chrétien’schen Artusromans als eine in sich konsequente, aufsteigende Linie von Problemlösungsansätzen geltend, in deren Horizont noch die Krisensymptome des Conte du Graal auf vorangehende Romane verweisen und der Roman selbst als höchste Stufe eines in Form umgesetzten Bewusstseinsprozesses erscheint.22 Nach dem Grundprinzip eines dialektisch konzipierten Entwicklungsweges stellt der Perceval-Roman – den Ansatz Hofers systematisierend – die Übersteigung der bisherigen Versuche einer innerweltlichen Bewältigung des Initialproblems dar, insofern die Disjunktion von Artus- und Gralsreich »die eschatologische Vollendung der ritterlichen Selbstauslegung«23 verlangt, denn: »die zur Gralsuche notwendige Überwindung der bloßen ritterlichweltlichen Lebensform hat diese Lebensform selbst zur unabdingbaren Voraussetzung«.24 Die Endaventüre impliziert die ›Erlösung‹ aller bisherigen Aventürewege; die Aufspaltung in »die zwei Bereiche des Erlösenden und des zu Erlösenden«25 bringt darüber hinaus »die Eigengesetzlichkeit der echten künstlerischen Thema-
|| dans une collection consacree aux Classiques Modernes. Il peut etre dit classique, car s’il existe un canon de grands auteurs, il y figure a coup sür. Et il est moderne [...]« (5). 20 Vgl. Per Nykrog, Chrétien de Troyes, romancier discutable, Genf 1996 (Publications romanes et françaises 213), 7–40 (»Chrétien chez les medievistes«). 21 Lucienne Carasso-Bulow, The Merveilleux in Chrétien de Troyes’ Romances, Genf 1976 (Histoire des idées et critique littéraire 153), 143. 22 Vgl. Erich Köhler, Ideal und Wirklichkeit in der höfischen Epik. Studien zur Form der frühen Artus- und Graldichtung, Vorwort von Henning Krauß, 2. ergänzte Aufl., Tübingen 1970 (Beihefte zur ZrP 97). 23 Ebd., 181. 24 Ebd., 87. 25 Ebd., 254.
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tik« zur Geltung, die sich »gegen das subjektive Bewusstsein des Dichters durchsetzt«:26 Der Conte du Graal ist so nicht nur die dialektische Summe aller früheren Romane, die Anomalie des Doppelromans selbst ist notwendiger Kulminationspunkt der durchlaufenen Entwicklung. Keine andere Studie erreicht die stupende Stringenz der Köhler’schen Habilitationsschrift; in der Tendenz aber präsupponiert auch Köhler die schon von Wilhelm Kellermann angedeutete, später von Bezzola27 neu aktualisierte Konzeption des psychologisch moralistischen Problemromans, dessen erkennbare Muster von Werk zu Werk variiert werden. »Ce plan méthodique«, schreibt 1968 Jean Frappier ausgehend vom Erec, »s’assouplit et souffre des variantes. Mais d’un roman à l’autre les lignes générales se reconnaissent.«28 Nichts scheint auf eine Fremdheit des letzten Romans zu deuten, in dem Chrétien lediglich »innove en appliquant le principe de dualite au parallélisme partiel des aventures«.29 Das Urteil der auf Vorlesungen von 1953 zurückgehenden ›Gesamtmonographie‹ unterscheidet sich zunächst nicht wesentlich von der umfangreichen Studie zum Conte du Graal von 1971,30 doch enthält letztere einige wesentliche Einsichten, die freilich nicht weiterverfolgt werden. Die Gauvain-Abenteuer sprechen hier für die »ironie feutrée de Chrétien«, die »s’exerce contre le donjuanisme courtois de celui qui se plaisait tant à colectionner les aventures d’amour«.31 Diese These der Ironisierung der eigenen früheren Position ließe sich natürlich mit der eingangs genannten Annahme von Peter Haidu vergleichen und als bloße Potenzierung bisheriger Verfahren begreifen. Frappier entdeckt aber auch Züge, die, ernst genommen, die Forschung in eine neue Richtung hätten lenken müssen. Er spricht von einem »univers enchanté, hétéroclite et fluide«,32 was wohl auch eine neue Offenheit und Ungreifbarkeit impliziert und den herkömmlichen hermeneutischen Ansatz problematisch erscheinen lässt. Die »ambiguïté qui créait son symbolisme«33 müsste so auch als Ausdruck einer Krise der symbolischen écriture verstanden werden, und es ist so gesehen durchaus einleuchtend, dass Frappier dem alternden Autor einen neuen
|| 26 Beide Zitate Köhler (wie Anm. 22), 255. 27 Programmatisch schon im Titel des Buches von Reto R. Bezzola, Le sens de l’aventure et de l’amour, Paris 1947. 28 Jean Frappier, Chrétien de Troyes, durchges. und erw. Neuedition, Paris 1971 (Connaissance des Lettres 50), 228. 29 Ebd. 30 Vgl. Jean Frappier, Chrétien de Troyes et le mythe du Graal. Étude sur Perceval ou le Conte du Graal, 2., korr. Aufl., Paris 1979. 31 Beide Zitate ebd., 216. 32 Ebd., 231. 33 Ebd., 212.
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Sinn für das Phantastische zuschreibt. Chrétien entzieht sich mit dieser Tendenz nicht nur dem eigenen früheren Werk, sondern auch – so scheint es – seinen sogenannten Nachfolgern, besteht doch deren Aufgabe – und auch die eines Wolfram von Eschenbach – darin, diese Ambiguität und das Wuchern der Bedeutungen wieder zurückzunehmen. Mit Frappier: »Chrétien, aux approches de la mort (tout le donne à penser), a composé là une atmosphere singuliere et belle dont les continuateurs ne connaîtront plus le secret.«34 In der Interpretation Frappiers, der eine gewisse Präferenz für die sogenannte keltische These nicht verhehlt, ist der mythe du graal so zugleich Ausdruck bewusster Ambiguisierung, mythisches Symbol einer neuen Schreibweise und »un commencement d’art symboliste«.35 Und auch wenn Frappier betont, dass »sa genèse peut s’expliquer par certains aspects, déjà connus, du talent de Chrétien«,36 so bleibt doch das essentiell Neue im Conte du graal die Fähigkeit des Dichters »de rajeunir un mythe et de créer un Symbole prestigieux«.37 Dennoch: Der Leser spürt, dass der große Altmeister der französischen Nachkriegsmediävistik der »ombre mythique de Perceval«38 nur bedingt zu folgen bereit ist; nicht zufällig geht die von Jean Dufournet beigegebene Bibliographie der zweiten Auflage weit über den letztlich doch noch humanistischen Verstehenshorizont des Autors hinaus. Nirgends wird der etwa von Charles Méla 1979 betonte »effet saisissant d’Unheimlichkeit, où se défait le fantasme et qui menace la représentation elle-même«,39 die »dissémination«40 des Erzählens als einer in Handlung umgesetzten Suche nach dem Unnennbaren greifbar. Erstaunlich ist freilich weniger die genannte, wohl auf eine frühe Entstehungszeit der Studie zurückzuführende Diskrepanz, als die Tatsache, dass ein Großteil der Forschung bis zur Gegenwart die von Pickens geltend gemachte »paradoxicality« nach wie vor kaum zu sehen scheint. So geht etwa Norris J. Lacy in seiner narratologischen Studie The Craft of Chrétien de Troyes41 von dem Begriff des Bildungsromans aus
|| 34 Frappier (wie Anm. 30), 231. 35 Ebd., 212. 36 Ebd. 37 Ebd., 255. 38 Daniel Poirion, ›L’ombre mythique de Perceval dans le Conte du Graal‹, Cahiers de Civilisation médiévale 16 (1973), 191–98. Wieder in: Denis Hüe (Hrsg.), Polyphonie du Graal, Orleans 1998 (Medievalia 26), 77–88. 39 Charles Méla, Blanchefleur et le saint homme ou la semblance des reliques. Étude comparée de littérature médiévale, Paris 1979, 41. 40 Ebd., 41f. 41 Vgl. Norris J. Lacy, The Craft of Chrétien de Troyes. An Essay on Narrative Art, Leiden 1980 (Davis Medieval Texts and Studies 3).
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und sucht – gegen Haidus These eines fehlenden Erkenntnisfortschritts – nach der »organic unit«42 – auch wenn dieser Begriff problematisiert wird. Howard Bloch konnte dagegen nur wenig später von einem »Bildungsroman à rebours«43 sprechen und den Conte du Graal folgerichtig grundsätzlich von den früheren Werken Chrétiens absetzen. Lacys verdienstvolle strukturbetonte Studie des Gesamtwerks unterstreicht dagegen nicht nur die innere Logik der Handlungsführung, sondern auch die des Lebensweges des Helden, den etwa Jacques Ribard als »itinéraire« und als »long voyage allégorique jalonné de personnages et de lieux symboliques«44 definiert hat. Diesen Erkenntnisweg hat Barbara N. SargentBaur denn auch als einen Prozess der sich erweiternden Sinn und Sinneswahrnehmung des Helden und Bekehrung von anfänglicher Ich-Zentriertheit zu altruistischem Verstehen beschrieben;45 die Neuheit des ausdrücklich als psychologisch moralistisch charakterisierten Romans liege in einer konsequent personalisierten point de vue-Technik, die mit derjenigen eines Flaubert und Henry James verglichen werden könne. Die These von Sargent-Baur fußt auf einer langen, moraltheologischen Tradition, die jüngst auch von Keith Busby aufgenommen worden ist.46 Letztere impliziert, wie es Leslie T. Topsfield in seiner großen Gesamtstudie von 1981 gezeigt hat, die Suche nach einer spirituellen Botschaft (»quest for a meaning«) und einen gerichteten Entwicklungsprozess (»an order which will explain this process«).47 Dabei sieht Topsfield durchaus die problematischen Züge des Romans, doch anders als frühere Interpreten situiert er die Krise eines »naive belief in the divine ordo of life«48 bereits in Lancelot und Yvain, zum Teil sogar im Cligés, und macht den Conte du Graal so zum Gipfelpunkt eines langen Prozesses des Verstehens: »This is the struggle of an individual who allows conventional moral values to disguise his true self« und endlich »regains peace of mind in a sense of identity || 42 Lacy (wie Anm. 41), 116. 43 Howard Bloch, Etymologie et généalogies. Une anthropologie littéraire du Moyen Âge français, übers. von Béatrice Bonne und Jean-Claude Bonne, Paris 1989, 204 (das englische Original Etymology and Genealogy erschien Chicago, London 1983). 44 Beide Zitate Jacques Ribard, ›Les romans de Chrétien de Troyes sont-ils allégoriques?‹, in: Denis Hüe (Hrsg.), Polyphonie du Graal, Orleans 1998 (Medievalia 26), 107–18, hier: 117. 45 Vgl. Barbara N. Sargent-Baur, ›Avis li fu. Vision et connaissance dans le Conte du Graal‹, in: Denis Hüe (Hrsg.), Polyphonie du Graal, Orleans 1998 (Medievalia 26), 169–80; vgl. auch Barbara N. Sargent-Baur, La Destre et la Senestre. Etude sur Le Conte du Graal de Chrétien de Troyes, Amsterdam, Atlanta/GA 2000 (Faux Titre 185). 46 Vgl. Keith Busby, Perceval (Le Conte du Graal), London 1993 (Critical Guides to French Texts 98). 47 Beide Zitate Leslie T. Topsfield, Chrétien de Troyes. A Study of the Arthurian Romances, Cambridge u. a. 1981, 300. 48 Ebd., 30f.
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and oneness with life«.49 Die Technik der »concealed and enigmatic combination of themes, myths and beliefs«50 wird dabei als »allusive reaching out to seize the imagination of the audience« begriffen und mit »the art of the metaphysical troubadours such as Macabru, Peire d’Alvernhe and Arnaut Daniel«51 verglichen. Fremdheit mithin als eine Form des integumentum, das den Roman in die Nähe des trobar clus rückt, aber tiefenpsychologischen Deutungen gegenüber offen ist. Abgesehen nämlich von der These der »correspondances orientales« geht es auch in der großen Monographie Perceval et l’initiation von Pierre Gallais52 um einen Bildungs- und Initiationsroman, eine Art Weisheitsbuch, das die früheren Artusromane einschließt und überholt: Perceval a beaucoup plus de chemin à parcourir qu’Erec, Yvain ou Lancelot. [...] II y a, dans ce roman, des signes de diverse sorte qui montrent que Perceval doit accomplir un plus long chemin qu’Erec, qu’Yvain, que Lancelot, et que, plus qu’eux, il doit faire tot el (tout autre53 ment) que les autres.
Die Alterität tot el des letzten Artusromans beruht – ähnlich wie bei Sargent-Baur – auf dem Ungenügen oder der Begrenztheit des früheren Werkes; das Geheimnis enthält keine beunruhigenden Züge – ohnehin schreibt Gallais – und auch dies verbindet ihn mit den Vertretern der moraltheologischen These – über den initiatischen Weg Percevals, nicht über die merkwürdig missglückte errance Gauvains: »II n’y a pas de secret du Graal. II n’y a que le secret que Perceval porte en lui-même.«54 Schon Leo Pollmann konnte den Perceval in seiner Habilitationsschrift von 1965 als große philosophische »Summe höfischer und zugleich humanistischer Virtutes«55 deuten. Und wenn Topsfield an das Vorbild der Troubadours erinnert, so betont Pollmann den Einfluss der Schule von Chartres und interpretiert den Weg des Helden (Gauvain spielt hier wiederum keine Rolle) als »spiritual ascent« im Sinn der Deutung von M. Amelia Klenke aus bloßer Stofflichkeit – analog zum homo novus des Anticlaudianus.56 Auch für Pollmann vollendet sich damit eine
|| 49 Beide Zitate Topsfield (Anm. 47), 302. 50 Ebd., 303. 51 Beide Zitate ebd., 302. 52 Vgl. Pierre Gallais, Perceval et l’initiation. Essai sur le dernier roman de Chrétien de Troyes, ses correspondances orientales et sa signification anthropologique, Paris 1972. 53 Ebd., 35. 54 Ebd., 235. 55 Leo Pollmann, Chrétien de Troyes und der Conte del Graal, Tübingen 1965 (Beihefte zur ZrP 110), 146. 56 Vgl. ebd., 144, und Sister M. Amelia Klenke, ›The spiritual ascent of Perceval‹, Studies in Philology 53 (1956), 1–21.
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Tendenz, die in früheren Werken Chrétiens bereits ansatzweise erkennbar ist. So verweist hier der Yvain »in verschiedener Hinsicht auf den Conte del Graal voraus, ja er enthält die zentrale Thematik desselben schon im Kleinen«,57 nämlich die Berufung der Ritterhelden zu »Profanerlösern in einer Welt, die der (sic!) Gesetze der Höflichkeit und Ritterlichkeit vergißt«.58 Der Perceval entspringt mithin in der Perspektive Pollmanns dem bewussten Versuch Chrétiens, das bisherige Werk zu überbieten und dessen ›Unzulänglichkeiten‹ durch »höhere, d. h. philosophische Ansprüche«59 zu überwinden. Nicht Krise, sondern Vollendung ist angesagt, wobei die Problematik der Gauvain-Handlung nicht zufällig ausgespart bleibt. Perceval erscheint als »der Mensch schlechthin«, aber er ist zugleich mehr als dies, er ist ein Mensch, in dem sich »die gefallene Natur stellvertretend aufmacht zur Intervention bei Gott«.60 Als Weisheitsbuch über die Dialektik von »prowess« und »charity« hatte schon David C. Fowler den Perceval (unter Zugrundelegung einer betont dualistischen Symbolik) interpretiert;61 und an die mystische Theologie von Bernhard von Clairvaux hatte Fanni Bogdanow den Chrétien’schen Roman angeschlossen.62 Auch wenn die Symbolsprache dunkel ist, so lässt doch die Annahme eines tieferen Sinns unter dem integumentum keinen Zweifel an der klaren gedanklichen Zielsetzung und der hermeneutischen Verfügbarkeit der Handlung. Lediglich in der Divergenz der angenommenen Quellen und Einflüsse scheint sich eine solche Deutung von der tiefenpsychologischen These von Pierre Gallais zu unterscheiden. Im Schnittpunkt zwischen theologischer und mystischer Bedeutung situiert sich auch die neuere Arbeit von Karl D. Uitti und Michelle Freeman mit dem anspruchsvollen Titel Chrétien de Troyes Revisited: Der Conte du Graal wird hier literarhistorisch als »a response to – or, a re-writing of – the anonymous Roman d’Eneas«63 interpretiert, seine eigentliche Bedeutung liegt aber in der – im Prolog vom Autor angesprochenen – Bildlichkeit des Samens und des Säens. Der Tor Perceval ist – im Unterschied zu dem älteren, von weltlicher Klug-
|| 57 Pollmann (wie Anm. 55), 141. 58 Ebd., 142. 59 Ebd., 143. 60 Beide Zitate ebd., 144f. 61 Vgl. David C. Fowler, Prowess and Charity in the Perceval of Chrétien de Troyes, Seattle 1959 (University of Washington Publications in Language and Literature 14). 62 Vgl. Fanni Bogdanow, ›The mystical theology of Bernard de Clairvaux and the meaning of Chrétien de Troyes’ Conte du Graal‹, in: Peter S. Noble und Linda M. Paterson (Hrsg.), Chrétien de Troyes and the Troubadours. Essays in Memory of the Late Leslie Topsfield, Cambridge 1984, 249–82. 63 Karl D. Uitti und Michelle A. Freeman, Chrétien de Troyes Revisited, New York u. a. 1995 (Twayne’s World Authors Series Revisited 855).
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heit geleiteten Gauvain – ein Fruchtbarkeitsträger, dessen Narrheit in Analogie zu biblischen Konnotationen eine neue Synthese von courtoisie und Spiritualität begründet und dessen Weg mythische Muster in christliche Spiritualität übersetzt.64 Insofern kann er auch als response auf die gottlos mythische Stilisierung des Tristan’schen Gegentypus begriffen werden.65 Die Interpretation, die an Thesen der älteren Arbeit Uittis, Story, Myth and Celebration in Old French Narrative Poetry 1050–1200, anschließt, macht den Conte du Graal erneut zum gleichsam dialektischen Endpunkt eines problemorientierten, aber nicht problematischen Erzählens. Wie ein vergleichender Blick auf psychoanalytische Verfahren noch zeigen wird, leistet die tiefenpsychologische Sehweise, wie sie paradigmatisch durch die Arbeit von Emma Jung und Marie-L. von Franz vertreten wird,66 einer latent erbaulichen Tendenz Vorschub, die durch eine mächtige abendländische Rezeption noch zusätzlich gestützt wird. Wie etwa der singuläre Versuch von Paulette Duval, dem Conte du Graal einen alchemistischen Geheimcode zu unterlegen,67 zeigt, kann die Annahme einer verschlüsselten Botschaft nur auf die Hypostasierung von Sinnhaftigkeit hinauslaufen. 1995 wird André de Mandach68 gestützt auf diese Arbeit und auf die Forschungen von Hans-Wilhelm Schäfer69 von einem gemeinsamen pyrenäischen Geheimcode von Chrétien und Wolfram von Eschenbach sprechen. D. h., der Chrétien’sche Roman wird in humanistischer Perspektive als Antwort auf eine Frage (oder auf Fragen) verstanden, nicht als vielleicht unbeantwortete Frage selbst, die sich in der zentralen Handlung des Romans spiegelt. Die Dialektik von Sprechen und Schweigen kann daher in entgegengesetzter Weise gedeutet werden. Geht man etwa, wie Danièle James-Raoul in ihrer großen Bestandsaufnahme des Schweigemotivs in der arthurischen Literatur von 1997, davon aus, dass »le || 64 Vgl. Uitti/Freeman (wie Anm. 63), 115, sowie Rupert T. Pickens, The Sower and His Seed. Essays on Chrétien de Troyes, Lexington/KY 1983 (French Forum Monographs 44). 65 Vgl. Uitti/Freeman (wie Anm. 63), 128. 66 Vgl. Emma Jung und Marie-Louise von Franz, Die Gralslegende in psychologischer Sicht, Zürich, Stuttgart 1960 (Studien aus dem C. G. Jung-Institut Zürich 12). 67 Vgl. Paulette Duval, La Pensée alchimique et le Conte du Graal. Recherches sur les structures (Gestalten) de la pensée alchimique, leurs correspondances dans le Conte du Graal de Chrétien de Troyes et l’influence de l’Espagne mozarabe de l’Ebre sur la pensée symbolique de l’œuvre, Paris 1979. 68 Vgl. André de Mandach, Auf den Spuren des heiligen Gral. Die gemeinsame Vorlage im pyrenäischen Geheimcode von Chrétien de Troyes und Wolfram von Eschenbach. Neue Version, Göppingen 1995 (GAG 596). 69 Vgl. Hans-Wilhelm Schäfer, Kelch und Stein. Untersuchungen zum Werk Wolframs von Eschenbach, Frankfurt a. M. u. a. 1985 (Europäische Hochschulschriften I, 565).
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silence n’est jamais une fin en soi«,70 dann liegt wiederum die These eines spirituellen Erkenntnisweges nahe. Der »apprentissage de la contemplation«71 des Helden Perceval erinnert – und hier nähert sich die Autorin der These Pollmanns, ohne offensichtlich dessen Buch zu kennen, und der Perspektive von Fanni Bogdanow – an die drei von Richard von St. Victor in Benjamin Major beschriebenen Typen der Erkenntnis von der cogitatio über die contemplatio zur meditatio.72 Die Blickrichtung ändert sich jedoch in dem Augenblick, da diese Annäherung an den Sinn dekonstruiert und die Handlung nicht als spirituelle Progression, sondern als entfremdete Suche ohne Erfüllung begriffen wird.73 Die Umwertung etwa der zentralen Gralsepisode zu einer phantastischen Konstruktion deutet sich schon 1960 in der These von Mario Roques an,74 der das Schloss des Fischerkönigs als Vision, nicht als wirkliche Handlungsepisode interpretiert. Aus lacanistischer Perspektive hat Roger Dragonetti 1980, zum Teil in Analogie zu den schon zuvor geäußerten Thesen von Charles Méla (1979), den Roman als Frage und Suche nach dem ›Namen des Vaters‹ und damit nach der Legitimität des in der Sphäre des symbolique angesiedelten, seine Ursprünge notwendig verdrängenden Romandiskurses interpretiert.75 Die These impliziert auf der Ebene des signifiant ein ständiges Spiel der Verschiebungen und Substitutionen und macht den Roman zur unvollendeten, weil virtuell unabschließbaren Suche nach der verdrängten Wahrheit. Letzteres impliziert auch eine Neubewertung des Verhältnisses der Perceval- zur Gauvainhandlung. Typisch für nahezu alle ›traditionalistischen‹ Thesen erscheint die extreme Position von Jean Marx,76 der aus folkloristischer Sicht die ›Merk-
|| 70 Danièle James-Raoul, La parole empêchée dans la littérature arthurienne, Paris 1997 (Nouvelle Bibliothèque du Moyen Âge 40), 245. 71 Ebd., 207. 72 Vgl. ebd., 208f. 73 So in der psychoanalytischen Deutung von Henri Rey-Flaud, ›Le sang sur la neige – analyse d’une image-écran de Chrétien de Troyes‹, Littérature 37 (1980), 15–24: »Le Conte du Graal se présente comme une suite de tableaux à deux personnages, dans lesquels Perceval va chaque fois remonter (je ne dis pas: decouvrir) un visage de l’Autre« (21). Die aus dem nicht eingestandenen désir resultierende Entfremdung begründet nach der Meinung des maßgeblichen Vertreters eines freudianischen approach in der französischen Mediävistik eine durchgehende Struktur der ›Verklemmung‹ oder Handlungshemmung, die auf das surplus-Verbot der eifersüchtigen Mutter verweist. Die Vorstellung spiritueller Reifung ist mit diesem statischen Modell und der These einer Ich-Spaltung des Helden nur schwer vereinbar. 74 Vgl. Mario Roques, ›Pour l’introduction du Roman de Perceval de Chrétien de Troyes‹, Romania 81 (1960), 1–36. 75 Vgl. Roger Dragonetti, La vie de la lettre au Moyen Âge (Le Conte du Graal), Paris 1980. 76 Vgl. Jean Marx, ›La quête manquée de Gauvain‹, in: Callistus Edie (Hrsg.), FS Etienne Gilson, Toronto, Paris 1959, 415–36.
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würdigkeit‹ der Gauvainhandlung aus schlecht verstandenem Quellenmaterial erklärt: »Pour nous, Chrétien a trouvé dans les textes une tradition qu’il a utilisée, ici comme toujours, avec grâce et liberté et peut-être un peu de gêne.«77 Angesichts der Behauptung, dass »dans la pensée de Chrétien l’aventure est évidemment réservée à Perceval«,78 werden die Gauvainabenteuer zu einem misslichen à part des Romans. Die nicht-folkloristische Forschung – soweit sie Gauvain überhaupt zur Kenntnis nahm – hat diese Tendenz im Sinne einer dichotomischen Sehweise weitergeführt. Die Abenteuer Gauvains repräsentieren ein bewusst entleertes Schema, das auf die Überholung des Artusreiches durch die Gralsherrschaft verweist. In den Kategorien von Carasso-Bulow bedeutet dies die Überwindung eines traditionellen »exterior merveilleux« magischer Provenienz – »the old magical senseless merveilleux« – durch ein neues, spirituell geprägtes »inner merveilleux« mit »a mysterious inner meaning«79 religiöser Provenienz. In psychoanalytischer Sicht wären die beiden Teile aber nicht wie Licht und Dunkel bequem voneinander zu trennen, und nur dem oft vernachlässigten Gauvain-Teil käme »onirischer Charakter«80 zu. Denn wenn Gauvain das ›dunkle‹ Spiegelbild Percevals darstellt, welches »das dort Verdrängte wieder hervorhebt und aktualisiert«,81 und wenn sich überdies mit Antoinette Saly ein dichtes Netz der »recurrences«82 und Analogien zwischen der Perceval- und der Gauvain-Handlung feststellen lässt, dann begründet dieser Spiegeleffekt auch die onirischen Züge der Perceval-Handlung. Der Conte du Graal erschiene nicht so sehr als Träger einer tieferen Botschaft denn als ein Spiegelkabinett des krisenhaften Diskurses. In der geheimnisvollen Schuld Percevals manifestiert sich nach Dragonetti auch »la colpe d’or du recit«;83 die Gralsprozession ist Ausdruck einer paradoxen Unsichtbarkeit des Sichtbaren,84 und der Gral selbst wird zum Symbol des sich entziehenden Sinns des Romans: L’enchevêtrement inextricable des anamorphoses du Graal fait de ce conte un grimoire illisible, d’abord parce que la merveille du récit débouche sur l’in-ou’ï, et ensuite parce qu’il
|| 77 Marx (wie Anm. 76), 421. 78 Ebd., 419. 79 Alle Zitate Carasso-Bulow (wie Anm. 21), 131. 80 Chrétien de Troyes, Perceval, Afrz./Nhd., hrsg. und übers. von Felicitas Olef-Krafft, Stuttgart 1991, Nachwort, 677. 81 Ebd. 82 Saly (wie Anm. 16). 83 Dragonetti (wie Anm. 75), 221. 84 Vgl. ebd., 223f.
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est impossible d’ancrer dans un signifié décisif le réseau des signifiants dont la seule loi est 85 leur déplacement indéfini.
Der Roman schildert weder eine tiefenpsychologisch begründbare »quete d’une identité perdue« noch eine mythische »recuperation d’une seigneurie«;86 er entzieht sich jeder beruhigenden Allegorese, und in seinem Kampf »contre le pouvoir du silence«87 bleibt er doch insofern ohnmächtig, als seine Verfasstheit selbst nach Dragonetti die ›Schuld‹ der volkssprachlichen ecriture und die nicht angenommene Vergangenheit darstellt: »La polymorphie du conte n’aboutit à aucune identité.«88 Das geschaffene Werk ist zugleich das ›betäubte‹, ›getötete‹ Werk, wie es Dragonetti mit Blick auf die Mehrdeutigkeit der »œuvre assomée«89 umschreibt. Diese extreme Deutung auf den Spuren Derridas und Lacans ist, soweit wir sehen, in der Folge nirgends voll angenommen und weitergeführt worden. Am ehesten dürfte sie in der – freilich epistemologisch gewendeten – These von Howard Bloch eine Fortsetzung gefunden haben. Das schon oben genannte Stichwort eines ›umgekehrten Bildungsromans‹ impliziert nämlich die Krise der linear-genealogischen Romanstruktur in der Suche des Helden nach dem nom du père und weist auf die Problematisierung der Verwandtschaftsbeziehungen und die Verunklarung der Handlungslogik nicht nur im Gralsroman, sondern im gesamten Gralskorpus hin bzw. voraus: L’impossible quête de la présence paternelle qui restaurerait l’intégrité du lignage est finalement condamnée par l’impossibilité, à l’intérieur de la structure romanesque, d’un sens to90 talisateur – d’une transcendance identifiable au Graal.
Über das Einzelwerk hinaus, das mithin statt einer ›Botschaft‹ eine Aporie offenbart, indiziert das Gralskorpus in dieser Perspektive eine epistemologische und zivilisationsgeschichtliche Krise der herkömmlichen écriture. Ungeachtet der verhaltenen Aufnahme durch die Kritik bezeichnen die Ansätze von Méla, Dragonetti oder auch Bloch wohl doch den entscheidenden Wendepunkt in der Forschung, auch wenn man gerade in jüngster Zeit von einer Tendenz zur Rephilologisierung und Rehermeneutisierung (Busby, Sargent-Baur) sprechen muss. Der bereits genannte Sammelband von 1998, Polyphonie du Graal,91 eine Art Spiegel von zwei
|| 85 Dragonetti (wie Anm. 75), 237. 86 Beide Zitate ebd., 237. 87 Ebd., 238. 88 Ebd., 237. 89 Ebd., 241. 90 Bloch (wie Anm. 43), 282. 91 Vgl. Denis Hüe (Hrsg.), Polyphonie du Graal, Orleans 1998 (Medievalia 26).
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Jahrzehnten Forschung, nimmt daher nur scheinbar auf die bei Dragonetti geltend gemachte »polymorphie« Bezug; im Wesentlichen geht es im Gegenteil darum, den »message« des Texts in hermeneutischer Perspektive zu retten: »Ne perdons pas de vue l’originalité de la portée de son message«, schreibt (in einem Beitrag von 1973) Daniel Poirion, »ne lâchons pas la proie pour l’ombre, l’ombre mythique d’un Perceval trop vite confondu avec notre Œdipe.«92 Die von OlefKrafft wiederaufgenommene psychoanalytische These von Gouttebroze,93 wonach Perceval ein »anti-Œdipe« oder »Œdipe inversé« sei, scheint damit entschärft, hätte sie doch – ernstgenommen – den Status Percevals als Erlöserheld problematisch gemacht. Tatsächlich möchte man daher in dem genannten Sammelband von einem kollektiven, ›polyphonen‹ Versuch sprechen, die sinnhafte Einheit des Romans jenseits der bereits geahnten Andersheit festzuschreiben. So erkennt etwa Susan Aronstein in ihrem einleitenden Artikel von 1991 durchaus »la nature profondément trouble du dernier roman de Chrétien«94 und »le caractère arbitraire du discours courtois«,95 interpretiert das Werk aber selbst als einen Versuch, die »réalitè autre«96 des Grals gleichsam zu entschärfen und zu integrieren; dass gerade diese angestrebte Harmonie durch die absurden Züge der Gauvain-Handlung wieder gesprengt wird, bleibt dabei unreflektiert: »Pour réintégrer Perceval comme un personnage courtois, le monde romanesque doit réussir à incorporer le Graal dans son propre discours.«97 Einen resoluten Versuch, die Widersprüche zu glätten und doch noch zu einer klaren Aussage zu gelangen, stellt endlich der Beitrag von Philippe Ménard (von 1984) dar, der – mit Bezug auf Wolfram und Manessier oder auch auf die keltisch folkloristische Forschungstradition – eine einheitliche »structure d’ensemble [...] solidement établie«98 aus Erlösungshandeln und ›Vengeance Quest‹ (Roger Sherman Loomis) konstruiert. Die verbleibenden »zones d’ombre«, »les détails énigmatiques qui résistent à l’analyse«, können in solcher Perspektive als »des pousses, toujours vivantes, de rêves et de
|| 92 Poirion (wie Anm. 38), 88. 93 Vgl. Jean Guy Gouttebroze, Sur le Conte du Graal de Chrétien de Troyes. Essai d’interprétation, Thèse Caen 1977, bzw. ders., Qui perd gagne. Le Percevall de Chrétien de Troyes comme représentation de l’Œdipe inversé, Nizza 1983. 94 Susan Aronstein, ›Chevaliers estre deüssiez – pouvoir, discours et courtoisie dans le Conte du Graal‹, in: Denis Hüe (Hrsg.), Polyphonie du Graal, Orleans 1998 (Medievalia 26), 11–31, hier: 30. 95 Ebd., 21. 96 Ebd. 97 Ebd., 25. 98 Philippe Ménard, ›Problèmes et mystères du Conte du Graal. Un essai d’interprétation‹, in: Denis Hüe (Hrsg.), Polyphonie du Graal, Orleans 1998 (Medievalia 26), 59–75, hier: 75.
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poesie«99 begriffen werden. Dass die »non compiuta interpretazione dei segni nel Conte du Graal«,100 die Dietmar Rieger in den Rahmen einer sukzessiven Auseinandersetzung des Helden bzw. des Autors selbst mit der Realität stellt, weniger einer Krise als einer gewollten Verrätselungsstrategie entspricht, hat ja FrankRutger Hausmann101 noch kürzlich am Beispiel der Blutstropfenepisode wahrscheinlich zu machen versucht. Dass der Ansatz Dragonettis nicht umstandslos das Tor zu Umwertungen und Problematisierungen aufgestoßen hat, zeigt eine Reihe von Arbeiten der späten 1990er Jahre. Ein Beispiel stellt die bereits zweimal erwähnte Interpretation von Per Nykrog dar, der den Roman unter das Leitthema des »Père caché«102 stellt, ohne sich allerdings auf die lacanistische Dekonstruktion einzulassen oder Dragonetti zu nennen, dessen Ansatz in dem genannten Forschungsbericht abgewertet wird. Der dänische Gelehrte unterstreicht die Andersheit des Conte du Graal nicht nur gegenüber den vorangehenden Werken Chrétiens – »une structure topographique et une dimension historique claire et explicite« –,103 sondern auch gegenüber den Nachfolgern: »En déplaçant l’accent du Père caché pour le mettre sur le Graal comme objet, les épigones et toute leur postérité ont faussé le sens du récit tel qu’il se lit chez Chrétien.«104 Der ›Père caché‹ verweist nicht auf eine psychoanalytische Tiefendimension, sondern auf die religiöse Dimension des ›Dieu caché‹, in deren Licht der Roman als doppeltes Exempel der Problematik des Rittertums gedeutet wird. An die Stelle der beliebten Interpretationsfigur des initiatischen Weges setzt Nykrog die Vorstellung zweier moralischer ›Wege‹, deren einer durch Blindheit und Verfehlen des Ziels, der andere durch Demut, Barmherzigkeit und Erfolg bestimmt ist. Die These erinnert an die von Sargent-Baur geltend gemachte Symbolik von »la Destre« und »la Senestre«,105 aber anders als in der bereits genannten Arbeit wird die traditionelle Gewichtung der Perceval- und der Gauvainhandlung radikal vertauscht. Ausgehend von der Widmungsadresse an den Gra-
|| 99 Alle Zitate Ménard (wie Anm. 98), 75. 100 Dietmar Rieger, ›Il ne set que ce senefie – Si panse tant que il s’oblie. Sull’interpretazione della realtà in Chrétien de Troyes‹, in: Hinrich Hudde und Udo Schöning (Hrsg.), Literatur, Geschichte und Verstehen. FS Ulrich Mölk, Heidelberg 1997 (Studia Romanica 87), 251–64. 101 Vgl. Frank-Rutger Hausmann, Blancheflor und die ›Drei Blutstropfen im Schnee‹. Erneute Lektüre einer bekannten Episode in Chrétiens Perceval ou le Conte du Graal, in: Hinrich Hudde und Udo Schöning (Hrsg.), Literatur, Geschichte und Verstehen. FS Ulrich Mölk, Heidelberg 1997 (Studia Romanica 87), 265–76. 102 Nykrog (wie Anm. 20), 179f. 103 Ebd., 181. 104 Ebd., 180. 105 Vgl. Sargent-Baur (wie Anm. 45).
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fen von Flandern im Prolog, wo von Alexander, vaine, gloire und charité die Rede ist, gelangt der Autor zu seiner hypothèse apparemment paradoxale: ce serait Gauvain qui personnifierait le chevalier idéal selon le comte, et l’obsession de Perceval qui incarnerait le faux idéal représenté par 106 Alexandre.
Der ›andere‹ Chrétien ist hier also gerade nicht das Ergebnis einer methodisch ungewöhnlichen Optik. Nykrog plädiert im Gegenteil für eine Rückkehr zum ›Text‹, wie sie durch die großartige kritische Gesamtausgabe des Romans durch Keith Busby107 nahegelegt wurde. Einen regelrechten Bruch mit dem mainstream der Forschung bildet dagegen die Dekonstruktion des Conte du Graal als erbaulicher Artus- und Gralsroman, wie sie Brigitte Cazelles 1996 unter dem bezeichnenden Titel The Unholy Grail vorgelegt hat.108 Gestützt auf die ältere folkloristische Forschung und die auch von Ménard gestützte These einer archaischen ›Vengeance Queste‹Thematik spürt die Autorin gleichsam der verdrängten und überlagerten epischen Tiefenstruktur eines Geschlechterkonflikts (zwischen Artus- und Gralsgeschlecht) im Conte du Graal nach. Spricht Nykrog von der moralischen Problematik des Rittertums, die in der pietà-Figur der trauernden Kusine zum Bild geworden sei und die »résume toutes les misères qu’une chevalerie déchaînée inflige au monde«,109 so macht Cazelles die Verwischung der Grenzen zwischen Gut und Böse und eine neuartige Aggressivität geltend.110 Anders als bei Nykrog ist freilich die Abwertung Percevals nicht mit der Aufwertung Gauvains verknüpft: Perceval erscheint als Verräter an seiner Sippe, aber Gauvain disqualifiziert sich durch »a relentless devotion to prowess for the sake of prowess«.111 Die schon von Pickens bemerkte Schrumpfung und Irrealisierung des Artusreiches inmitten eines annähernd realen geschichtlich geographischen Koordinatensystems bildet den Hintergrund für den postulierten »factional context«,112 eine gründliche Entzauberung der höfischen Werte und damit auch eine späte revocatio durch den großen Wegbereiter der arthurischen Wertwelt.113 Der ›andere‹ Artusroman verweist auf einen ›anderen‹ Chrétien.
|| 106 Sargent-Baur (wie Anm. 45), 219. 107 Vgl. Chrétien de Troyes, Le Roman de Perceval ou le conte du Graal, hrsg. von Keith Busby, Tübingen 1993. 108 Vgl. Brigitte Cazelles, The Unholy Grail. A Social Reading of Chrétien de Troyes’s Conte du Graal, Stanford/CA 1996. 109 Nykrog (wie Anm. 20), 198. 110 Vgl. Cazelles (wie Anm. 108), 48f. 111 Ebd., 111. 112 Ebd., 225. 113 Vgl. ebd., 226.
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Die in mancher Hinsicht sicher überzogene These der amerikanischen Verfasserin wäre in die Nähe zweier Arbeiten zu rücken, die ebenfalls Krisenhaftigkeit in der Wiederkehr des Verdrängten situieren. Donald Maddox untersucht in seiner 1991 erschienenen Monographie das Konfliktpotential der coutume vor dem Hintergrund einer Romankonzeption, die ihre eigenen Ursprünge und die der geschilderten idealen arthurischen Welt verdrängt bzw. suspendiert.114 Aus der sich steigernden Problematik der »textuality of crisis« ergibt sich eine »intertextuality of crisis«,115 die die seinerzeit wegweisenden Analysen Erich Köhlers als zu optimistisch widerlegen wollen. Maddox kehrt also zu dem Kontinuitätsparadigma zurück; die angedeutete Steigerung des Konfliktpotentials führt jedoch zu einem qualitativen Bruch, zur »reconfiguration«116 der früheren Ordnung und zur Unterminierung des Artushofes »as an adequate basis for an ethic of knighthood«.117 Gleichsam malgré lui zeichnet Maddox das Bild eines ›alternativen‹ Artusromans. Um die Fremdheit zu erkennen, bedarf es einer fremden Perspektive. Wenn Rezeption und Forschung ein – bei allen Unterschieden – vertrautes Bild des Conte du Graal gezeichnet haben, so erzwingt, wie Maddox betont, jeder Neuzugang »a certain degree of defamiliarization in any attempt to see it anew«.118 Auch Victoria Guerin konstruiert in ihrer Studie der Konnotationen des Tragischen im Artusroman eine »intertextuality of crisis«, die jedoch über Chrétien hinaus die tragische Dimension in der Wiederkehr des Verdrängten zum Kennzeichen der Artusdichtung macht.119 Insofern bildet hier der Conte du Graal nur ein zentrales Relais der Alteritätskonstruktion. Die unter der Leitung von Charles Méla in Stanford entstandene Arbeit trägt alle faszinierenden und vielleicht auch fragwürdigen Züge der die Textoberfläche verfremdenden psychoanalytischen Vorgehensweise, wie sie Méla selbst v. a. in seiner monumentalen Arbeit La Reine et le Graal von 1984 praktiziert hatte.120 In der Verbindung von psychoanalytischen Kategorien mit Mythensymbolik in der Nähe zur strukturalen Anthropologie hatte jener die »psychanalyse grossière«121 zu überwinden gesucht und den
|| 114 Vgl. Donald Maddox, The Arthurian Romances of Chrétien de Troyes. Once and Future Fictions, Cambridge u. a. 1991 (Cambridge Studies in Medieval Literature 12). 115 Beide Zitate ebd., 5, u. ö. 116 Ebd., 108. 117 Ebd., 122. 118 Ebd., 91. 119 Vgl. M. Victoria Guerin, The Fall of Kings and Princes. Structure and Destruction in Arthurian Tragedy, Stanford/CA 1995. 120 Vgl. Charles Méla, La reine et le Graal. La conjointure dans les romans du Graal, de Chrétien de Troyes au Livre de Lancelot, Paris 1984. 121 Ebd., 131.
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Conte du Graal als Ausdruck einer – auf das Reich der Mütter und das der Väter verteilten – doppelten Abenteuersuche gedeutet, die sich fundamental von der nachfolgenden Verchristlichung und Moralisierung des Gralsmythos unterscheidet und das Zeichen der eigenen Aporie an sich trägt. Der Conte du Graal bricht ab, »parce qu’il rencontre son impossibilité«.122 Die Alterität des Gralsromans erweist sich durch eben die Kompromisslosigkeit, mit der die Paradoxie des objektlosen Begehrens der ritterlichen Queste ihre eigenen verdrängten Voraussetzungen, »le savoir en souffrance«, bis an die Grenzen des »indicible«123 sichtbar macht. Victoria Guerin fügt dieser innerarthurischen Perspektive die auch von Maddox und Cazelles ins Spiel gebrachte episch-historische Dimension des Verdrängten hinzu, welche die »Arthurian Tragedy« zwischen Arthurs illegitimer Geburt, seinem Inzest mit der Schwester und seinem Tod durch Mordred entfaltet. Dabei hüllt die Autorin die Figuren und Orte in ein symbolisches Netz der Spiegelungen und Entsprechungen: Perceval, aber auch Gauvain erscheinen als ›Double Mordreds‹, Gauvain als seitenverkehrte Spiegelung Percevals, Artus verweist auf den Fischerkönig usw. Das Kontinuitätsparadigma zeigt sich hier von der beängstigenden Kehrseite des Verdrängten. Im Conte du Graal vollendet sich das im Lancelot angedeutete Katastrophenszenario; als eine Art weiterführender Kommentar zur Charrette stellt der Roman das notwendig unvollendete Ergebnis des Versuchs dar, den angedeuteten Fluch in einer Art ›Traumarbeit‹ zugleich zu ›verschieben‹ und zu verdrängen. Die Originalität der Arbeit – bei Méla bereits angedeutet – besteht darin, dass Conte du Graal und Charrette als »Chrétien’s two most enigmatic texts«124 die Funktion übernehmen, das beruhigende Bild des Artusromans als ›Bildungsroman‹ und spirituelle Suche zu unterlaufen. Als Bilder des verdrängten Anderen sind beide Romane Ausdruck bewusst gewordener Fremdheit und einer Tiefendimension des Unheimlichen. Der Conte du Graal geht den Weg noch weiter, den Méla als dessen eigene Unmöglichkeit bezeichnet hatte: Er ist »Chrétien’s flirtation with disaster, with the destruction of his literary focus and therefore with self-annihilation as an artist«.125 Die Perceval-Monographie, die Emmanuèle Baumgartner 1999 einer früheren Studie über den Yvain und die Charrette hinzugefügt hat,126 kann als Versuch der Sichtung neuerer Ansätze und deren Vermittlung verstanden werden. Die Psychoanalyse hat darin einen geringen Platz, aber die von Brigitte Cazelles gewiesene
|| 122 Méla (wie Anm. 120), 89. 123 Beide Zitate ebd., 85f. 124 Guerin (wie Anm. 119), 166. 125 Ebd., 194. 126 Vgl. Emmanuèle Baumgartner, Chrétien de Troyes: Le Conte du Graal, Paris 1999.
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Richtung wird z. B. durchaus bedacht, d. h., der Conte du Graal erscheint nicht als traditioneller Artusroman, sondern als Roman der Einübung und Befragung arthurischer Werte. Die Autorin spricht von einem Prozess der Verinnerlichung des ritterlichen Codes127 und interpretiert insbesondere Percevals Fehlverhalten vor dem Hintergrund eines Kommunikationsmangels, der die gesellschaftliche Krise als wechselseitige perspektivische Fremdheit inszeniert: »Le héros sait désormais qu’il faut questionner, interroger le monde, que la parole – et le vrai péché de la mère est sans doute son trop long silence – est le seul moyen d’acces à l’autre.«128 Es ist klar, dass das Stichwort des ›manque de communication‹ nicht allein auf das psychologische Problem des ›Dümmlings‹ bezogen ist, sondern auch auf die grundsätzlichere Dimension mythischer Offenheit und Verrätselung verweist, die Jean-Jacques Vincensini schon 1996 angesprochen hatte: A travers son destin, le Conte du Graal raconte l’effort tenace pour ›com-prendre‹ et faire communiquer, par la pensée et sa mise en fable aventureuse, la diversité désespérante des mots, des états de la conscience, des actes et des êtres qui se présentent, à tous les étages 129 de la vie, comme inadmissiblement séparés.
Die »nouveauté«130 oder Andersheit des Romans läge dann – wenn man diese Überlegungen etwas fortspinnt – in einer in die Romankonstruktion integrierten autohermeneutischen Perspektive, welche die Welt im Wortsinn als ›fragwürdig‹ und fremd erscheinen lässt. Mit der Krise des ritterlichen Codes und der höfischen Kommunikation hört der Roman auf, Werte in Handlung umzusetzen, und wird stattdessen zum enigmatischen Roman des Fragens. Es geht mithin darum, die Zeichen zu setzen und sie zu lesen. Der ›hermeneutische‹ Held wird zum innerfiktionalen Analogen einer offenen, womöglich sogar aporetischen Struktur. Obwohl kurz zuvor erschienen, scheint die Arbeit von Francis Dubost, Le Conte du Graal ou l’art de faire signe genau diese Perspektive auszuloten.131 Von vornherein steht für den großen Theoretiker des Phantastischen in der altfranzösischen Literatur das Unvertraute, nicht das Vertraute im Vordergrund; der Conte du Graal erscheint im Gegensatz zu den früheren Romanen Chrétiens als mythischer Entwurf, der Erlösung in einer unerklärlich, ja unheimlich gewordenen Welt
|| 127 Vgl. Baumgartner (wie Anm. 126), 64. 128 Ebd., 108. 129 Jean-Jacques Vincensini, Pensée mythique et narrations médiévales, Paris 1996 (Nouvelle Bibliothèque du Moyen Âge 34), 299. 130 Ebd., 64. 131 Vgl. Francis Dubost, Le Conte du Graal ou l’art de se faire signe, Paris 1998 (Collection Unichamp 71).
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verheißt – freilich ohne diese einlösen zu können. Denn der mythische Diskurs begründet hier kein in sich geschlossenes und deutbares Weltmodell; neu ist vielmehr der Verrätselungsduktus, der den ganzen Roman – auch in seinen scheinbar ›realistischen‹ Teilen – durchzieht. Grundlegend ist der Abstand zwischen voir und savoir,132 der sich in einer Ästhetik der »fugitives images«133 niederschlägt – eine These, die auf Umwegen an das lacanistisch-Derrida’sche Konzept einer immer aufgeschobenen Bedeutung bei Roger Dragonetti erinnert.134 Romaninternes Symbol dieser gebrochenen Ästhetik ist der Gral, der sich wesentlich von dem christlich-zisterziensischen Gral unterscheidet und das immer wieder von der Kritik bemühte Initiationsschema, das Dubost nicht zufällig ausführlich diskutiert,135 als Missverständnis und Projektion von den späteren Gralsromanen her ausweist: L’aventure de Perceval est loin d’offrir une ligne initiatique aussi pure que celle qui soustend le cheminement spirituel de Galaad. Dans le Conte du Graal l’initiation reste toujours 136 problématique. Elle ne débouche sur aucune élucidation décisive.
Letztlich geht es nicht um die Initiation in ein bestimmtes Geheimnis, sondern um eine »initiation au langage des signes«.137 So wie die Episode der Blutstropfen im Schnee als emblematische Verbildlichung der Romanpoetik verstanden werden kann,138 stünde dann der gebrochene ›initiatische‹ Weg Percevals für die Einführung in eine Poetik der Stille, in der die Dinge, wie z. B. das sprechende Schwert, zu sprechen beginnen. Eine Reihe scheinbar nur erzähltechnischer Details wie die paradoxe Zeitstruktur,139 die Technik der Fokalisierung140 und der Perspektive141 (die auch bei Pickens und Sargent-Baur im Vordergrund steht) und v. a. die bei Chrétien neue Problematik von Schweigen und Sprechen142 unterstreichen den Befund eines paradoxen Romans, der letztlich an die eingangs erwähnte These von Pickens anschließt, geht es doch um eine paradoxe Positivierung des Negativen, die in dem entgegengesetzten und doch analogen Weg der beiden Helden Per-
|| 132 Vgl. Dubost (wie Anm. 131), 47f. und v. a. 77. 133 Ebd., 77. 134 Vgl. den différance-Begriff ebd., 188. 135 Vgl. ebd., Kap. 3 und 97f. 136 Ebd., 105. 137 Ebd., 126. 138 Vgl. ebd., 128. 139 Vgl. ebd., 44. 140 Vgl. ebd., 62. 141 Vgl. ebd., 72. 142 Vgl. ebd., Kap. 4 und 131f.
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ceval und Gauvain zum Ausdruck kommt. Während nämlich »le passage de Gauvain au château de la merveille est un succès«, dieses Positive aber offensichtlich problematisch bleibt, ist Perceval »le héros du décalage, de la perte et des occasions ratées, qui n’a su répondre aux signes du temps«143 – und scheint eben damit die Poetik des Romans zu verkörpern. Die Dialektik von senefiance und semblance, die Méla in seiner frühen Studie144 in den Mittelpunkt gestellt hatte, charakterisiert mithin auch den Interpretationsansatz von Dubost: »la véritable senefiance ne se livre pas en clair. Elle est une conquête en surplus [...]. Le surplus, ce supplément de sens [...] représente aussi la meilleure part de la lecture«145 – Sounds of Silence, wie der Autor mit dem Titel des Songs von Simon und Garfunkel schließt. Zwischen Pickens und Dubost erschließt sich ein ›anderer‹ Chrétien, dessen unvollendetes Spätwerk ebenso aus dem jahrzehntealten Kontinuitätsparadigma wie aus einer mystizistisch eschatologischen Tradition der Gralskritik herausgelöst wird. Zwischen herkömmlichen Ansätzen und dekonstruktionistischen Folgerungen vermittelnd, scheinen Pickens und Dubost einen brauchbaren Schlüssel nicht zuletzt auch für die – gerne übergangene – paradoxe oder zumindest auffällige Handlungsstruktur bereitzuhalten. Letztere resultiert ja nicht zuletzt aus der Dekonstruktion und Verunklarung traditioneller, archetypischer Handlungsmuster und indiziert eben so die von Pickens postulierte »paradoxically«146 der Handlungsmuster. Dem irrenden Helden korrespondiert ja nach Howard Bloch ein irrender Autor, der selbst den Weg nicht weisen kann; mit den Versen 2976–79:147 Et tote jor sa voie tint, Qu’il n’encontra rien terïene Ne crestïen ne crestïene Qui li seüst voie ensaignier. Den ganzen Tag blieb er auf seinem Weg und traf niemanden, weder Christen noch Christin, die ihm hätten den Weg weisen können.
Dass Perceval erst nach seinem Aufstieg zum potentiellen Landesherrn sich auf einen neuen, offenen Initiationsweg begibt, der das bisher Erreichte gleichsam
|| 143 Beide Zitate Dubost (wie Anm. 131), 46. 144 Vgl. Méla (wie Anm. 39). 145 Dubost (wie Anm. 131), 191. 146 Vgl. Pickens (wie Anm. 1), Kap. 3 und 101f. 147 Benutzte Ausgabe: Chrétien de Troyes, Le Roman de Perceval ou Le Conte du Graal, nach der Hs. Ms Fr. 12576 der Bibliothèque Nationale hrsg. von William Roach, 2., durchges. und erw. Aufl., Genf, Paris 1959 (Textes littéraires français 71).
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vergessen macht; sein ambivalentes Verhältnis der Anziehung und Abstoßung vom Artushof, der damit aus dem Zentrum der Artushandlung bisheriger Romane an die Peripherie gerückt und zur bloßen Relaisstation abgewertet wird; dass Gauvain, wie schon Pickens notiert,148 nicht eine, sondern drei heterogene Aufgaben hat und dass die entscheidende Funktion, die Erlösung der Wunderburg (analog zum Gralsschloss) gleichsam zufällig dazwischen geschoben und durch nichts vorbereitet wird; dass die Erlösung mit einer Gefangenschaft zusammenfällt, die soziosymbolisch die Unfähigkeit des Helden zur Übernahme feudaler, landesväterlicher Verantwortung indiziert und so in ironischer Parallele zum Lebensweg Percevals dessen Unfähigkeit zur Vaterwerdung in der Blanchefleur-Episode spiegelt; dass diese Unreife den Helden in eine Welt der impotenten Väter führt, die er nicht zu erlösen vermag, während die gelungene Erlösungshandlung Gauvains die Begegnung mit einer überwunden geglaubten Vergangenheit der Mütter und die Gefahr des inzestuösen Zirkels einschließt – diese hier nur stichpunktartig in Erinnerung gerufene systematische Technik der aporetischen Aufgipfelung scheinbar vertrauter Handlungsmuster, ihre Inversion, Doppelung und Spiegelung, stellen eine Reise ins Unvertraute dar und verleihen diesem späten Roman eine subversive Potenz, die durch die verständliche Suche nach Bedeutung, Stimmigkeit und handlicher spiritueller Botschaft allzu lange verdeckt worden ist. Die im Grunde restaurativen Fortsetzungen und auch die Vorwürfe eines Wolfram von Eschenbach, dass Chrétien »disem mære hât unreht getân« (827, 2),149 erscheinen dadurch in einem anderen Licht – nämlich im Licht einer bis an die Grenzen des im Hochmittelalter Möglichen gehenden Aufwertung und Infragestellung der écriture und als mittelalterliche Form der opera aperta im Sinne Umberto Ecos, die keine geschlossenen Sinnstrukturen mehr anbietet und stattdessen als fundamental unabgeschlossene, weil unabschließbare romanhafte Reflexion über die Grenzen der Sprache und Sinnkonstitution erscheint.
|| 148 Vgl. Pickens (wie Anm. 1), 38. 149 Benutzte Ausgabe: Wolfram von Eschenbach, Parzival, nach der Ausgabe Karl Lachmanns revidiert und komm. von Eberhard Nellmann, übertragen von Dieter Kühn, 2 Bde., Frankfurt a. M. 1994 (Bibliothek des Mittelalters 8/Bibliothek deutscher Klassiker 110).
Der Lancelot-Roman als Paradigma Vom geschlossenen symbolischen Stil des Chrétien’schen Versromans zur offenen Welterfassung der Prosa Abstract: After a brief survey of recent research this article is focused on a comparative view of the theme of Lancelot and Guinevere in the verse and the prose version which reveal two fundamentally different approaches to the theme. The episodic structure of the metrical romance with its emphasis on individual adventure, conjointure and senefiance is opposed to the claim to totality of the prose version with its ideal of plurality, disjointure and collective adventure. The openness of this concept characterized by entrelacement and a labyrinthic plurality may be interpreted as the contrary of the »allégorie du salut« (Jacques Ribard) of verse romance and as decisive step towards modernity.
Jede vergleichende Überlegung zum Verhältnis von Prosa-Lancelot und Charrette wird mit der – scheinbar banalen – Feststellung der Unvergleichbarkeit der beiden Werke beginnen müssen. Tatsächlich bezeichnet das von Walter Haug einmal – in thematischer Sicht – als »Endspiel des arthurischen Romans«1 bezeichnete Abenteuer des Prosaromans eine diskursgeschichtliche Revolution, die weit über den üblicherweise genannten Aspekt des gattungsgeschichtlichen Paradigmenwechsels, der Klerikalisierung der matière de Bretagne, und die damit verbundene Krise des fiktionalen Erzählens hinausreicht. Rückblickend erscheint das Missverständnis der ersten Generation der Artusforschung, Paulin Paris u. a., wonach nicht der Prosaroman auf Chrétien antworte, sondern umgekehrt Chrétien sich vereinzelte Episoden aus dem riesigen Geschichtenverbund des Prosaromans herausgeschnitten habe, daher gar nicht so unplausibel.2 Zu groß ist die || 1 Walter Haug, ›Das Endspiel des arthurischen Romans im Prosalancelot‹, in: ders., Brechungen auf dem Weg zur Individualität. Kleine Schriften zur Literatur des Mittelalters, Tübingen 1995, 288–300. 2 Ferdinand Lot, Etude sur le Lancelot en prose, 2. Aufl., bearb. von Myrrha Lot-Borodine, Paris 1954 (Bibliothèque de l’Ecole des Hautes Etudes. Sciences historiques et philologiques 226), 2, erwähnt die heute fast vergessene Debatte der Artusforschung mit Paulin Paris, Willem Jozef Andries Jonckbloet und Konrad Hofmann; sie wurde bekanntlich erst von Gaston Paris zugunsten der heutigen Sehweise entschieden; vgl. Paulin Paris, Les Romans de la Table Ronde mis en nouveau langage et accompagnés de recherches sur l’origine et le caractère de ces grandes compositions, 5 Bde., Paris 1868–1877. || Erstveröffentlichung in: Klaus Ridder und Christoph Huber (Hrsg.), Lancelot. Der mittelhochdeutsche Roman im europäischen Kontext, Tübingen 2007, 13–26. https://doi.org/10.1515/9783110694567-006
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Diskrepanz zwischen den immer episodischen Versromanen und der arthurischen Summe, die man nicht ohne Grund mit dem Zeitalter der Kathedralen oder dem Werk eines Thomas von Aquin in Verbindung gebracht hat.3 Bezeichnet die Prosa im Verhältnis zu dem als lügenhaft empfundenen Vers das Bedürfnis nach Wahrheit,4 so impliziert diese Wahrheit zugleich ein neues Bewusstsein von Totalität, das mit den bisherigen Beschränkungen des »âge du Symbole«,5 wie Daniel Poirion das 12. Jh. nannte, offenbar unvereinbar war und ein neues – totalisierendes – Verhältnis zur Wirklichkeit erzwang. »Before the act of writing, then, lies the myth«,6 schreibt Douglas Kelly in Bezug auf die Entstehung des mittelalterlichen Romans, die Poirion u. a. auf den Subtext des Ödipus-Mythos zurückgeführt haben.7 Die Rationalisierung des Mythos im 13. Jh., die Erich Köhler seinerzeit in literatursoziologischer Perspektive mit einer Gewichtsverlagerung vom Feudaladel zum Klein- bzw. Ritteradel in Verbindung gebracht hat8 und deren kennzeichnender Ausdruck die euhemeristische Tendenz des Prosaromans ist, negiert den Mythos – mit Kelly – »by the invention of its surplus de san.«9 Die Anonymisierung, Kollektivierung und »völlige Entpersonalisierung des Erzählens«, die Gerhard Wild einmal – vielleicht etwas zu schroff – dem »eitlen Maskenspiel Chrétiens«10 entgegensetzt, verweisen nicht allein auf die radikale Veränderung des Erzählstatus und die Zurücknahme der eben erst literarästhetisch legitimierten Fiktionalität, sie begründen auch einen neuen Anspruch auf Verbindlichkeit. Die Ernsthaftigkeit der Prosa antwortet auf den ironischen Gestus des höfischen Erzählens von
|| 3 Vgl. Jean Frappier, Etude sur la Mort le Roi Artu, Roman du XIIIe siècle, dernière partie du Lancelot en prose, Paris, Genf 1961 (Publications romanes et françaises 70), 142–44. 4 Noch immer grundlegend Peter M. Schon, Studien zum Stil der frühen französischen Prosa. Robert de Clari, Geoffroy de Villehardouin, Henri de Valenciennes, Frankfurt a. M. 1960 (Analecta Romanica 8). 5 Daniel Poirion, Résurgences. Mythe et littérature à l’âge du Symbole (XIIe siècle), Paris 1986. 6 Douglas Kelly, The Art of Medieval French Romance, Madison/WI 1992, 314. 7 Vgl. Daniel Poirion, ›Edyppus et l’énigme du roman médiéval‹, Sénéfiance 9 (1980), 287–98. 8 Vgl. Erich Köhler, Ideal und Wirklichkeit in der höfischen Epik. Studien zur Form der frühen Artus- und Graldichtung, Vorwort von Henning Krauß, 2. ergänzte Aufl., Tübingen 1970 (Beihefte zur ZrP 97), 20 und 30. 9 Kelly (wie Anm. 6), 314. 10 Beide Zitate Gerhard Wild, ›Merlinus Poeta – der schreibende Zauberer auf dem Weg in die Mancha und nach Macondo: das Abenteuer der Fiktionalität in den Libros de Caballerías, im Don Quijote und in Cien años de soledad‹, in: Brigitte Schlieben-Lange und Axel Schönberger (Hrsg.), Polyglotte Romania. FS Tilbert Dídac Stegmann, Frankfurt a. M. 1991, Bd. 2, 559–626, hier: 568.
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Versromanen.11 Michel Zink spricht von einem neuen Typus der »narration objective.«12 Dass wir es nicht mit tastenden Neuorientierungen zu tun haben, sondern mit einem epochalen Bedürfnis nach Reorganisation des Wissens, nach Mehrstimmigkeit und Vernetzung, zeigt die rasche Aufeinanderfolge der Prosaversionen am Anfang des 13. Jh. So vermutet etwa Ulrich Mölk, »dass in der Zeitspanne von 1220 bis 1235 nicht einmal, sondern viermal der Versuch unternommen worden ist, einen Prosa-Lancelot-Gral-Zyklus zu gestalten«.13 Eine solche ungeheure Anstrengung entspringt nicht einer ideologischen Laune; sie verweist auf eine innere Notwendigkeit und indiziert zugleich die außerordentliche historische Beschleunigung der höfisch-klerikalen Kultursymbiose zwischen 1100 und 1250, zugleich aber auch der Krise dieser von Stephen Jaeger nachgezeichneten Symbiose und des Wiedererstarkens der klerikalen Position.14 Der von Ferdinand Lot seinerzeit eingeführte Titel Lancelot-Graal trägt eben diesem Bedürfnis nach einer beinahe gewaltsamen Inbezugsetzung der ursprünglichen matière de Bretagne mit der aus der Gralsidee geborenen Geschichtskonstruktion Rechnung, wo Oskar Sommer noch schlicht von der ›Vulgate Version of the Arthurian Romances‹ gesprochen hatte.15 Wozu also das Unvergleichbare vergleichen? Um eben diese Unvergleichbarkeit herauszuarbeiten.
|| 11 Bekanntlich hat Peter Haidu, Aesthetic Distance in Chrétien de Troyes. Irony and Comedy in Cligés and Perceval, Genf 1968 (Histoire des idées et critique littéraire 87), mit dieser These der Nachkriegsforschung 1968 einen neuen Weg gewiesen. Haidus Definition des Versromans, »a universe of structural fantasy offered to his [the reader’s, F. W.] delight« (263), wäre für den Prosaroman unannehmbar. 12 Michel Zink, La subjectivité littéraire. Autour du siècle de saint Louis, Paris 1985, 44. Edwin Williamson, The Half-Way House of Fiction. Don Quixote and Arthurian Romance, Oxford 1984, spricht diesbezüglich von einer Wertminderung der Fiktion und »the decline in the authority of the imagination« (204). 13 Ulrich Mölk, Der Prosa-Lancelot-Gral-Zyklus, in: Lancelot en prose. Farbmikrofiche-Edition der Handschrift Bonn, Universitätsbibliothek, Hs. S 526. Literarhistorische Einführung von Ulrich Mölk. Kodikologische Beschreibung von Irmgard Fischer, München 1992 (Codices illuminati medii aevi 28), 7–25, hier: 14. 14 Vgl. C. Stephen Jaeger, The Origins of Courtliness. Civilizing Trends and the Formation of Courtly Ideals 939–1210, Philadelphia 1985. Vgl. dazu auch Walter Haug, ›Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem klerikalen Konzept der Curialitas und dem höfischen Weltentwurf des vulgärsprachlichen Romans?‹, in: Christoph Huber und Henrike Lähnemann (Hrsg.), Courtly literature and clerical culture. Höfische Literatur und Klerikerkultur. Littérature courtoise et culture cléricale. Selected papers from the tenth triennial congress of the International Courtly Literature Society, Universität Tübingen, Deutschland, 28. Juli–3. August 2001, Tübingen 2002, 57–76. 15 Vgl. den Titel der Ausgabe: The Vulgate Version of the Arthurian Romances, hrsg. von H. Oskar Sommer, 8 Bde., Washington 1909–1916 (Publication – Carnegie Institution of Washington 74).
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In der ersten großen Phase der in der volkssprachlichen Literatur im Wesentlichen anonymen, epischen Überlieferung verkörpert der höfische Versroman ein tendenziell emanzipatorisches Projekt. Ein personaler Erzähler zeichnet verantwortlich für die Geschichte einer individuellen Bewährung, die zugleich von kollektiver Relevanz ist, weil das je Besondere symbolisch für das Ganze steht. In seinem Buch von 1953, The Making of the Middle Ages, brachte Donald William Southern seinerzeit die Geburt der Individualität und das Motiv des auf Abenteuer ziehenden jungen Ritters bzw. Ritteranwärters mit der Krise des monastischen Weltbilds in Verbindung.16 Nicht die Gemeinschaft rechtfertigt jetzt das Individuum, vielmehr wird jede einzelne, gelungene Emanzipationsbewegung für die Gemeinschaft fruchtbar gemacht – einer Gemeinschaft, die, wie es das Ideal der table ronde zeigt, aus gleichberechtigten Einzelnen zusammengesetzt ist. Es zeugt von einer objektiven Ironie der Geschichte, dass die Krise dieses Säkularisierungsmodells, wie es in dem experimentellen Rahmen des Artusromans zum Ausdruck kommt, ausgerechnet erneut unter klerikalmonastischen Vorzeichen ratifiziert wird und zu einem neuen, pluralen Romanmodell führt, das streng genommen keine Autonomie des Einzelhelden mehr kennt. Die arthurischen Helden, Erec, Yvain, Lancelot, bei Chrétien de Troyes noch Protagonisten fast ohne Vorgeschichte, erhalten dadurch – entsprechend dem genealogic turn des frühen 13. Jh. – eine in die Nacht der Zeit zurückreichende Vorgeschichte,17 deren Ziel die umfassende »élucidation des mystères«18 ist. Eben um die Ausblendung einer solchen Vorgeschichte, die bewusst exemplarische Enthistorisierung geht es dagegen im frühen Artusroman, der am Beispiel der coutume, wie Donald Maddox gezeigt hat,19 den dämonischen Restbeständen der Geschichte den Kampf ansagt und den mythischen Formen des Bösen einen Mythos der Aufklärung und Erlösung entgegensetzt. Diese optimistische Befreiung von der Geschichte wird in der obsessiven Rehistorisierung des Prosaromans konsequent zurückgenommen. An die Stelle einer nur ausschnitthaft nachgezeichneten, archetypischen Regeln folgenden Phase der enfances des ritterlichen Helden tritt, wie besonders Gerhard Wild20 und Mi-
|| 16 Vgl. Richard William Southern, The Making of the Middle Ages, New Haven, London 1953. 17 Vgl. Gabrielle M. Spiegel, Romancing the Past. The Rise of Vernacular Prose. Historiography in Thirteenth-Century France, Berkeley u. a. 1993 (The New Historicism. Studies in Cultural Poetics 23). 18 Michel Stanesco und Michel Zink, Histoire européenne du roman médiéval. Esquisse et perspectives, Paris 1992, 59. 19 Vgl. Donald Maddox, The Arthurian Romances of Chrétien de Troyes. Once and Future Fictions, Cambridge u. a. 1991 (Cambridge Studies in Medieval Literature 12). 20 Vgl. Gerhard Wild, Erzählen als Weltverneinung. Transformation von Erzählstrukturen im Ritterroman des 13. Jahrhunderts, Essen 1993 (Fora. Studien zur Sprache und Literatur 1).
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chelle Szkilnik21 gezeigt haben, das geistliche Vitenmodell, mit dem der symbolisch konstruierte, individuelle Bewährungsweg in die Unübersichtlichkeit und Beliebigkeit der Biographie überführt wird. Doch nicht nur das. In einem programmatischen Vortrag über das Problem der »Invention dans les romans en prose« hat Douglas Kelly von der Öffnung der conjointure des Versromans zu einer Poetik der disjointure, der expansion und der diversite gesprochen,22 einer Poetik, die nicht nur die traditionellen Inhalte, sondern auch das traditionelle Gleichgewicht des höfischen Versromans obsolet machen sollte. François Suard geht in seinem wichtigen Beitrag über die »conception de l’aventure« im Prosa-Lancelot noch weiter; er sieht die Proliferation der Abenteuer, ausgehend von denen des Haupthelden, auch in qualitativer Hinsicht im Zeichen eines Wertverfalls und der Ambiguität: »Dans une histoire oû les règles du jeu entrent en conflit les unes avec les autres, oû le juste et l’injuste, le héros luimême n’est pas à l’abri des incertitudes et des erreurs.«23 Die Öffnung des Kernbegriffs des ritterlichen Abenteuers für Täuschung und Ambiguität gefährdet demnach »la substance même de l’action romanesque«,24 während die Öffnung des symbolischen Raums des Versromans zum rehistorisierten Raum des Prosaromans Hand in Hand mit der Entdeckung des pluralen, kollektiven Abenteuers geht, für das es keine orientierende Vorgaben mehr gibt. Nicht eine einzelne Vita wird konsequent verfolgt; vielmehr überkreuzen sich verschiedene Viten, und diejenige des zentralen Helden Lancelot besitzt nurmehr eine Leitfunktion, aber keinen Ausschließlichkeitsanspruch mehr. Monastische Pluralität kreiert so ein Modell erzählerischer Pluralität und Unübersichtlichkeit, das natürlich weit über den klösterlichen Rahmen hinausgeht und das angehende 13. Jh. als Zeitalter sündhafter Kollektivität ausweist. Die Pluralisierung der Handlungskonstellation der Queste del Saint Graal vor dem tragischen Endpunkt der Mort le Roi Artu ist der sinnfälligste Ausdruck dieser neuen Tendenz, die das Individualabenteuer nur als Teil eines Gruppenoder Kollektivabenteuers denkbar erscheinen und zugleich eine neue Dialektik von Gemeinsamkeit und Einsamkeit, Angepasstheit und Andersheit hervortreten lässt.
|| 21 Vgl. Michelle Szkilnik, ›Vie des pères et romans en prose, une filiation?‹, in: Danielle Buschinger (Hrsg.), La littérature d’inspiration religieuse. Théâtre et vies de saints. Actes du colloque d’Amiens des 16, 17 et 18 Janvier 1987, Göppingen 1988 (GAG 493), 214–24. 22 Vgl. Douglas Kelly, ›L’Invention dans les romans en prose‹, in: Leigh A. Arrathoon (Hrsg.), The Craft of Fiction: Essays in Medieval Poetics, Rochester/MI 1984, 119–42, hier: 125. 23 François Suard, ›La conception de l’aventure dans le Lancelot en prose‹, Romania 108 (1987), 230–53, hier: 240. 24 Ebd., 253.
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Es ist zugleich eine neue Dialektik von Ich und Geschichte, in der die hochgemute Autonomie des Helden zugunsten mythischer Züge eines komplexen Systems der Vorherbestimmung, Erwählung, Bestrafung, Beratung, Führung oder Fehlsteuerung in Frage gestellt wird. Ganz abgesehen davon, dass die Proliferation der Einzelabenteuer keine klare Richtung des Lebensweges erkennen lässt und die Verschlingung der Wege einschließlich der eingeschobenen Berichte (recit de ...) bereits an die tiroir-Technik des Barockromans erinnert.25 Der Bewährungsheld des arthurischen Versromans ist ein handelnder Held, der in einer Reihe klar abgestufter Abenteuer und im Sieg über das Widerständige und Fremde zugleich sich selbst findet. Erecs Double Maboagrain steht fast emblematisch für diese Poetik der Integration und Bemächtigung, die immer wieder mit dem archetypischen Muster des Bewährungsmärchens verglichen worden ist. Die dergestalt vorgegebene Ereigniskette ist daher stets in sich vollständig; auf jede Herausforderung findet der ritterliche Held die ihm gemäße Antwort, und jede Herausforderung fügt sich in die übergeordnete Architektur der conjointure ein. Von daher die geringe Rolle des Zufalls und der Fortune, deren Rolle bereits durch die funktional providentielle Z u f ä l l i g k e i t des Abenteuers ausgefüllt wird. So klagt erst der im Turm gefangene, zur Untätigkeit verurteilte Lancelot in der Charrette über Fortuna, deren »roe / m’est ore leidemant tornee« (Roques, V. 6468f.).26 Dagegen wird »Fortune, chose contrere et diverse, la plus desloial chose qui soit el monde« (Frappier, 172, 45–47),27 nicht nur eine widrige Episode im Leben Lancelots, sondern das gesamte Schicksal Arthurs bestimmen.28 Zufall und »imprévu«29 übernehmen nach François Suard im Lancelot en prose eine bestimmende Rolle innerhalb eines »système très subtil d’explications et d’occultations«.30 Die von E. Jane Burns untersuchte plurale Ästhetik des Prosaromans31 impliziert daher eine grundsätzliche Veränderung der erzählerischen Ordnung und einen fundamentalen || 25 Diese durch die traditionelle Wissenschaftsgliederung und Singularisierung der Mediävistik bisher kaum gesehene Dimension wird jetzt zumindest ansatzweise in dem Sammelband von Emmanuel Bury und Francine Mora (Hrsg.), Du roman courtois au roman baroque. Actes du colloque des 2–5 juillet 2002, Paris 2004, deutlich. 26 Benutzte Ausgabe: Les Romans de Chrétien de Troyes 3: Le Chevalier de la Charrette, hrsg. von Mario Roques, Paris 1965 (Les Classiques français du Moyen Âge 86). 27 Vgl. auch Frappier, 192, 21–24. Benutzte Ausgabe: La Mort le Roi Artu. Roman du XIIIe siècle, hrsg. von Jean Frappier, Genf, Paris 31964 (Textes litteraires français 58). 28 Vgl. M. Victoria Guerin, The Fall of Kings and Princes. Structure and Destruction in Arthurian Tragedy, Stanford/CA 1995, 78–83. 29 Suard (wie Anm. 23), 253. 30 Ders., ›Lancelot et le chevalier enferre (XXII sq.)‹, in: Jean Dufournet (Hrsg.), Approches du Lancelot en prose, Paris 1984 (Collection Unichamp 6), 178–96, hier: 181. 31 Vgl. E. Jane Burns, Arthurian Fictions. Rereading the Vulgate Cycle, Columbus 1985.
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Wandel der Protagonistenkonzeption. Burns hat z. B. darauf hingewiesen, dass der Propp’sche Begriff der Märchenfunktionen angesichts eines mangelnden »sequential ordering«32 sinnlos wird, während umgekehrt die fast obsessive Suche nach Vollständigkeit, »a search for completion«,33 eine kreisende, fundamental repetitive und immer lückenhafte Bewegung erzeugt, die den Text ständig überfrachtet und überfordert. Symbolisches Erzählen dagegen kennt Tiefenschichten, aber keine Lücken. Zwar hat Victoria Guerin in ihrer psychoanalytischen Studie des Katastrophenmotivs kürzlich eine Filiation zwischen dem Prosaroman, der Charrette und dem Conte du Graal nahegelegt, doch wird man »Chrétien’s flirtation with disaster, with the destruction of his literary locus and therefore with self-annihilation as an artist«,34 wie Guerin meint, sinnvollerweise doch auf den krisenhaften Sonderfall des letzten Romans beschränken und die Charrette als Versuch des Autors ansehen müssen, einen wie immer fragwürdigen und enigmatischen, doch in sich stimmigen Plot zu konstruieren. Die Suche nach einer solchen Ordnung, so zeigt v. a. Charles Méla, ist in der »masse d’allure désordonnée ou extravagante des aventures« des Prosaromans obsolet; »jeux d’écho et non d’intrigue«35 – diese Formel entspricht einem dezentrierten Erzählen ohne Mitte. »Textual idolatry«36 im Sinne von Jane Burns ist die Antwort; das von Burns konstatierte »general malaise plaguing the entire Arthurian World«37 scheint sein Pendant in der Hypertrophie und tendenziellen Unabschließbarkeit des Erzählers zu finden. Der handelnde Held hat in dieser auf Selbstrechtfertigung bedachten Form der Textualität nur eine geringe Chance. Er soll ja nicht nur eine vorgegebene Überlieferung des vorgeblich anonymen conte einlösen; er fungiert auch selbst als Werkzeug der Suche nach Sinn und Kohärenz. Der conte, auf den die Prosafassung immer wieder Bezug nimmt, um sich selbst und ihren gleichsam anonymen Status des bloßen Nacherzählens zu rechtfertigen, hat daher längst die ursprüngliche Funktion verloren und verweist auf eine Vielzahl sich überkreuzender contes, die mit dem Anspruch des Textes auf Historizität in Widerspruch geraten. In einer überdeterminierten und unübersichtlich gewordenen Welt, in der der Umweg den geraden Weg ersetzt hat, hat der Held zunächst die Aufgabe, die Zeichen zu deuten und sich zu orientieren. Als Suchender nach der eigenen Identität ist || 32 Burns (wie Anm. 31), 91f. 33 Ebd., 148. 34 Guerin (wie Anm. 28), 194. 35 Beide Zitate Charles Méla, La Reine et le Graal. La conjointure dans les romans du Graal, de Chrétien de Troyes au Livre de Lancelot, Paris 1984, 330. 36 Burns (wie Anm. 31), 148. 37 Ebd., 145.
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der Lancelot des Prosaromans der Prototyp einer neuen hermeneutisierenden Tendenz, die wohl auch in dem häufigen Motiv der geistigen Abwesenheit und Verwirrung per negationem deutlich wird. In einem Vergleich der Friedhofsszene in der Charrette mit der entsprechenden Szene der ›Douloureuse Garde‹ und ähnlichen Szenen im Lancelot en prose hat z. B. Marc Le Person gezeigt, wie eben die Szene, die im Versroman zur einmaligen Beglaubigung der Identität des Helden als zukünftiger Erlöser dient und die Befreiung der Königin vorbereitet, im Prosaroman den Helden selbst über seine Identität aufklärt und ihn umständlich über Vergangenheit und Zukunft unterrichtet, ohne dass die Episode für den Fortgang der Handlung von entscheidender Bedeutung wäre.38 Der junge Held, dem Gauvain am Anfang der Charrette auf der Heide begegnet, ist der typische Bel Inconnu des höfischen Romans (Roques, V. 268–97); der junge Erlöserheld des Prosaromans dagegen ist nicht nur unbekannt, sondern auch auf der Suche nach sich selbst. Zwischen Erzähler und Leser übernimmt der arthurische Held damit eine vermittelnde Aufgabe der virtuell endlosen Sinnsuche, die sich in der Queste zu dem obsessiven Motiv der Befragung der Einsiedler verdichtet und durch die Katastrophe in La Mort le Roi Artu nicht überholt wird. Jacques Ribard hat den Chrétien’schen Roman – vielleicht etwas einseitig – als »allégorie du salut«39 interpretiert, deren offener Schluss als ein Innehalten vor dem göttlichen Geheimnis begriffen werden könne; immerhin wird die symbolische Deutung der klaren Zielgerichtetheit des Versromans gerecht. Der Lancelot en prose setzt dieser klaren Symbolstruktur ein labyrinthisches Muster entgegen, an dessen Anfang der Zweifel und an dessen Ende das tragische Scheitern des Helden eine grundsätzliche Unangemessenheit zwischen Ich und Welt – um mit Georg Lukács zu sprechen – indizieren. Der sich selbst suchende Held, von dem es einmal heißt, er liebe die Königin mehr als sich selbst und jeden anderen (Kennedy/Mosès, 564),40 lebt gewissermaßen in einem Zustand permanenter Selbstentfremdung; »Lancelot sera d’une autre nature que celle des compagnons de la Table Ronde«,41 bemerkt François Suard mit Blick auf die symbolische Bedeutung der Szene mit dem
|| 38 Vgl. Marc Le Person, ›Les métamorphoses du cimetière: de la tombe prophétique au terrain d’aventure (comparaison entre Le Chevalier de la Charrette et Le Lancelot propre)‹, in: Claude Lachet (Hrsg.), L’Œuvre de Chrétien de Troyes dans la littérature française. Réminiscences, résurgences et réécritures, Lyon 1997 (CEDIC 13), 107–25. 39 Jacques Ribard, Chrétien de Troyes, Le Chevalier de la Charrette. Essai d’interprétation symbolique, Paris 1972, 173. 40 Benutzte Ausgabe: Lancelot du Lac. Roman français du ΧΙΙIe siècle, nach der Ausgabe von Elspeth Kennedy hrsg., übers. und komm. von François Mosès, Vorwort von Michel Zink, Paris 1991 (Le livre de poche – Lettres gothiques 4528). 41 Suard (wie Anm. 23), 184.
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chevalier enferré, dem ›Urabenteuer des Helden‹.42 Wesentliche Begriffe wie pensif oder folie verändern ihren Stellenwert, wenn sie zu Merkmalen der Wiederholung und des Charakters werden, denn – wie die Dame du Lac an die Königin gewendet, betont – »mout a grant raison de sa folie qui raison i trove et amor« (Kennedy/ Chênerie, 546).43 Zeitliche Unbestimmtheit, verbunden mit interner Dramatizität, ist das Zeichen mythischen Erzählens. Das gilt auch für die Charrette, deren geschlossener Handlungsrahmen durch eine klare und konzise, beinahe dramatische Zeitstruktur unterstrichen wird. Douglas Kelly erklärt diese Eigenart u. a. mit dem Zeitmangel des Helden: »Lancelot must reach the goal of his quest in the shortest possible time because the fate of Guenevere depends on it«.44 In nur sechs Nächten ist die Schwertbrücke erreicht, und erst nach der Befreiung Guenièvres entspannt sich der zeitliche Rahmen. Der Prosaroman verfährt nun gerade umgekehrt. Dem genauen historischen Rahmen entspricht eine eher lose Chronologie der Einzelhandlungen. In seinem umfangreichen Werk über Zeitstrukturen und Zeitsymbolik in der altfranzösischen Epik hat Philippe Walter die chronologie continue der Prosaromane mit der apotheotischen, auf einen Höhepunkt hin ausgerichteten Struktur des sogenannten roman curial verglichen.45 Dessen temporale Steigerung, die erst zu dem Eindruck einer mythischen Zeit beiträgt, steht nach Walter in offensichtlichem Gegensatz nicht nur zu der offenen, episodischen Zeitstruktur der Prosa, sondern besonders auch zu den sogenannten ›autonomen‹ Zeitangaben (eines Abends, eines Morgens ...), die die Zeitstruktur des Prosaromans relativieren. Freilich hat Ferdinand Lot ungeachtet solcher Unschärfen doch eine relativ präzise chronologische Gliederung des Lancelot en prose herauszuarbeiten versucht.46 Es ist jedoch eine Präzision, die sich durch die Episodenhäufung und die gleichsam flache chronologische Gliederung in gewisser Weise selbst in Frage stellt. Aus der Summe der sich häufenden, nur selten dramatisch relevanten Zeitangaben resultiert eine plane kalendarische Wirklichkeit, die der Chronik angemessener ist als der Gattung Roman. Vor dem Hintergrund der lückenlosen heilsgeschichtlichen Konstruktion des Lancelot-Graal ergibt sich der paradoxe Sachverhalt, dass die
|| 42 Vgl. Suard (wie Anm. 23), 185. 43 Benutzte Ausgabe: Lancelot du Lac II. Roman français du ΧΙΙIe siècle, nach der Ausgabe von Elspeth Kennedy hrsg., übers. und komm. von Marie-Luce Chênerie, Paris 1993 (Le livre de poche – Lettres gothiques 4535). 44 Douglas Kelly, Sens and Conjointure in the Chevalier de la Charrette, Den Haag, Paris 1966 (Studies in French Literature 2), 193. 45 Vgl. Philippe Walter, La Mémoire du Temps, Fêtes et calendriers de Chrétien de Troyes à La Mort Artu, Paris 1989 (Nouvelle Bibliothèque du Moyen Âge 13), 97 und 201–37. 46 Vgl. Lot (wie Anm. 2), 29–62 (Kap. III: »Du procédé chronologique«).
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phantasmatisch entgrenzte historische Zeit – Alexandre Micha spricht einmal von einem »espace temporel dilaté«47 – ihr interstrukturelles Pendant in dem Verlust einer kohärenten, nachzeichenbaren Zeitstruktur hat. Aus der Sicht Walters bedingt so die Krise des klassischen, ›kurialen‹ Romantypus die Öffnung der Prosa auf eine »dynamique romanesque plus large«48 eschatologischer Prägung. Auf Einzelheiten der Handlung in vergleichender Perspektive will ich noch zu sprechen kommen. Was aber hier bereits angedeutet sein soll, ist das Stichwort ›Verlust des Mythischen‹, mit dem ich zugleich den Bogen von den Thesen Philippe Walters zu Walter Haugs Überlegungen über »Das Land, von welchem niemand wiederkehrt«,49 schlagen möchte. Trotz der unterschiedlichen Ansätze ist in beiden Fällen die geschlossene Sinnstruktur die Voraussetzung für die Entstehung mythischer Konnotationen. Die Überführung des einsträngig symbolischen Erzählens in die plurale heilsgeschichtliche Welt des Prosaromans kann so von vornherein als bewusste Strategie der Verhinderung mythischer Strukturen und mythischer Bedeutungen begriffen werden. Man möchte von einer Strategie der Banalisierung sprechen. Die offene Welterfassung der Prosa hat ihren Preis im Verlust der Tiefendimension, der sich aus der konsequenten Klerikalisierung eines nach scholastischem Vorbild pseudorational verfahrenden Summa-Projekts ergibt. Die rationalisierende und antimythische Tendenz zeigt sich auch in der eingangs genannten Eigenart, auf die schon Ferdinand Lot aufmerksam gemacht hat: die Zurückdrängung des merveilleux breton durch betont euhemeristische Ansätze. Die Reste des folkloristisch geprägten Wunderbaren stehen so in umgekehrtem Verhältnis zu der auffälligen Proliferation des religiösen Wunders bzw. des teuflischen Blendwerks im Kontext der Heilsgeschichte des Grals. Das Leben Lancelots, des Enkels des ersten Lancelot der Estoire del Saint Graal, wird genealogisch und heilsgeschichtlich zur exemplarischen Funktion ›entschärft‹ und verliert eben dadurch jene Absolutheit und Fortsetzungslosigkeit, die für Haug die Voraussetzung des mythischen Geschehens darstellen. Tatsächlich bildet das von Chrétien verarbeitete Geschehen bekanntlich nur einen Bruchteil des Lancelot propre, eingelagert zwischen den Tod Galehauts und den breiten Agravain-Teil, der die Queste del Saint Graal vorbereiten soll. Nach der alten Sommer-Ausgabe hat Lot vorgerechnet, dass nur etwa siebzig Seiten von
|| 47 Alexandre Micha, ›Sur un procédé de composition de Lancelot‹, in: Jean Dufournet (Hrsg.), Approches du Lancelot en prose, Paris 1984 (Collection Unichamp 6), 7–23, hier: 21. 48 Walter (wie Anm. 45), 236. 49 Vgl. Walter Haug, »Das Land, von welchem niemand wiederkehrt.« Mythos, Fiktion und Wahrheit in Chrétiens Chevalier de la Charrette‹, im Lanzelet Urichs von Zatzikhoven und im Lancelot-Prosaroman, Tübingen 1978 (Untersuchungen zur deutschen Literaturgeschichte 21).
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über 1100 den 7000 Versen Chrétiens und der Fortsetzung entsprechen. Dass die Charrette en prose rezeptionsgeschichtlich den Chrétien’schen Text buchstäblich vergessen lassen konnte, obwohl dieser vom Verfasser zweimal explizit (Mosès, 181; Lepage/Ollier II, 67)50 genannt wird, spricht für die Geschicklichkeit des Prosa-Redakteurs, kann aber doch eine gewisse Willkür nicht ganz verdecken. Man kann daher die neueste und genaueste Interpretin des Lancelot en prose, Annie Combes, auch so verstehen, dass die Charrette zugleich unvermeidlich und störend, ja überflüssig war,51 auch wenn, wie schon Ferdinand Lot betont, die Charrette so »au centre du roman biographique, au coeur de sa partie courtoise«52 steht. Denn diese zentrale Stellung ist in Wahrheit prekär, wenn nicht gar funktionslos. Als End- und Höhepunkt der bisherigen Laufbahn des Helden bezeichnet die Episode, in der Lancelot in der Lüftung des Grabdeckels Aufschluss über sich selbst erhält und in der die Liebesnacht mit Guenièvre im Gefängnis Meleagants stattfindet, den eigentlichen Endpunkt der unendlich in die Länge gezogenen enfances des Helden.53 Dazu kommt, dass die Suite de la Charrette, mit Ferdinand Lot, nicht nur »une des parties les plus insipides de l’ouvrage«54 darstellt; Lancelot entfernt sich tatsächlich – real und symbolisch – immer mehr aus dem Zentrum der Handlung und aus dem Umkreis der Königin, die nach den großen Herausforderungen durch die Zauberin Camille, die falsche Guenièvre und die Entführung durch Meleagant ebenfalls keinen wesentlichen Anteil an der Handlung mehr nimmt. Der Fluch, den sie über Lancelot nach dessen ungewollter Liebesnacht mit der Tochter des Pellès ausspricht, erklärt die längere Trennung der Liebenden, deren erneute Begegnung am Ende ein Auslöser der Katastrophe sein wird. Andererseits wird die Charrette-Episode eben durch die tragische Geschichte mit der falschen Guenièvre von der vorangehenden Handlung getrennt und kann nach dem drohenden Feuertod für die Königin kaum mehr als wirklicher Höhepunkt der chronologischen Ereignisse betrachtet werden: Hatte Lancelot die Königin zuvor gegen ihren eigenen Hof verteidigt und gerettet, so rettet er sie jetzt
|| 50 Benutzte Ausgaben: Lancelot du Lac III: La fausse Guenièvre, hrsg. und übers. von François Mosès, Paris 1998 (Le livre de poche – Lettres gothiques 4553); Lancelot du Lac V: L’enlèvement de Guenièvre, hrsg. und übers. von Yvan G. Lepage und Marie-Louise Ollier, Paris 1999 (Le livre de poche – Lettres gothiques 4555). 51 Vgl. Annie Combes, Les voies de l’aventure. Réécriture et composition romanesque dans le Lancelot en prose, Paris 2001 (Nouvelle bibliothèque du Moyen Âge 59), 201–20. 52 Lot (wie Anm. 2), 383. 53 Zu diesem Aspekt vgl. Friedrich Wolfzettel, ›Les enfances de Lancelot du Lac. Pour une approche générique du thème‹, PRIS-MA 12 (1996), 105–16. 54 Lot (wie Anm. 2), 70.
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vor dem fremden Zugriff, dessen skandalöser Charakter nach dem vorausgegangenen Skandal beinahe verblasst. Die von Elspeth Kennedy herausgegebene, angeblich nicht-zyklische Version des Lancelot do Lac55 endet denn auch mit der Hinrichtung der falschen Braut und der – scheinbar – endgültigen Integration Lancelots in den arthurischen Hof. Die Charrette-Episode scheint hier weder notwendig noch vorgesehen zu sein. Auch die Vorstellung, dass die Liebesnacht den absoluten Höhepunkt des Geschehens darstelle, bringt gewisse Schwierigkeiten mit sich. Auffällig ist bereits die knappe Schilderung der Episode – eine Seite – im Vergleich mit den über 280 Versen der Charrette, in der die wechselseitige Sehnsucht, das lange Gespräch der Liebenden, das hymnisch geschilderte Glück der Vereinigung und die Mystik der »amors [...] anterine« (V. 4667) einen breiten Raum einnehmen. Der genauen Beschreibung der mühsamen und schmerzhaften Entfernung der Gitterstäbe des Fensters bei Chrétien entspricht in der Prosa der lakonische Hinweis, dass Lancelot »sace les fiers hors des piertruis si souef ke noise ne fait ne nul n’en brise« (Lepage/Ollier II, 206). Aus den überschwänglichen Versen Chrétiens (Roques, V. 4676–79: »que il lor avoit sans mantir / une joie et une mervoille / tel c’onques ancor sa paroille / ne fu oïe ne seüe«), einschließlich des Unsagbarkeitstopos macht der Prosa-Autor den einen, fast lakonischen Kommentar: »grant fu la joie k’il s’entrefisent« (Lepage/Ollier II, 206). Vielleicht sollte man noch hinzufügen, dass Guenièvre Lancelot mit der Nachricht vom Tode Galehauts empfängt, obwohl der Held naturgemäß in diesem Augenblick für die Nachricht wenig empfänglich ist und sie kaum zur Kenntnis nimmt: »si en eust fait assés grant deul, mais le lieus n’i estoit pas« (Lepage/Ollier II, 206). Tatsächlich scheint der berühmten Szene in dem episodischen Romantypus Chrétiens eine wesentlich andere, absolutere Rolle zuzukommen, als dies in der durch vielfache Echos und Querverweise gestützten, chronologischen Konzeption des Prosaromans möglich ist. Nicht die mythische Transgression des aus den Normen der Gesellschaft entlassenen, notwendig einmaligen Ereignisses qua Ereignis steht im Vordergrund, sondern ein ganzes, der folie der amour anterine gewidmetes Lebensprojekt, das bekanntlich den Einfluss des Tristanromans zeigt. Denn auch diese Liebe unterliegt dem für die Prosa typischen Strukturprinzip der Wiederholung und Variation. Die Episode ratifiziert so, völlig anders als im Chrétien’schen Roman, der die Epiphanie der Liebe an das Auftauchen des jungen Unbekannten knüpft, eine langsam gewachsene Beziehung, deren Einzigartigkeit durch den digressiven Charakter der immer wieder dazwischentretenden
|| 55 Benutzte Ausgabe: Lancelot do Lac. The Non-cyclic Old French Prose Romance, hrsg. von Elspeth Kennedy, 2 Bde., Oxford 1980.
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Abenteuer noch unterstrichen wird. Es geht nicht, wie bei Chrétien, um die mythische Begegnung, den hieros gamos zwischen Lancelot und der Königin, sondern um den verschlungenen Lebensweg des Helden, in dem die Königin immer wieder – nach dem rhythmischen Muster von Absenz und Präsenz – auftaucht, bis der Held schließlich gleich zweimal auch als Retter der Königin fungiert. Drei Begegnungen mit der Königin an der ›Douloureuse Garde‹ hatten das privilegierte Verhältnis seit der ersten Bekanntschaft an einem Johannistag am Artushof bestätigt, wo Lancelot beglückt die nackte Hand Guenièvres in der seinen gespürt hatte (Kennedy/Mosès, 458). Als Befreier der Königin bestätigte er sich bereits in der ›Douloureuse Garde‹, wo er einen regelrechten Gang durch die Unterwelt unternimmt und den bösen Zauber löst. Das Motiv des verzückten Betrachters finden wir dreimal (Kennedy/Mosès, 696, 706 und 876), zuletzt im Kontext der Kämpfe Arthurs gegen Galehaut, der zum Ritter dieser Liebe wird: »Ainsi fu Ii premiers acointenanz faiz de la reine et de Lancelot do Lac par Galehot« (Kennedy/Mosès, 896). Aussprache und Liebesgeständnis besiegeln schon hier das Bündnis der Liebenden, das bald auch die erotische Zuwendung einschließt. Auf der Ile Perdue umarmt die Königin Lancelot »tot armé« (Kennedy/Chênerie, 516), und nach dem lächerlichen Ehebruch Arthurs heißt es, dass die beiden Liebenden »orent totes les joies que amant puent avoir« (Kennedy/Chênerie, 520). Wie das Abenteuer des ›Val sans retour‹, auch das ›Tal der falschen Liebenden‹, zeigt, geht es letztlich um eine – in den Augen der Welt – beinahe närrische Absolutheit und Treue der Liebe. Die ärgste Prüfung wird daher nicht die Rettung der Königin auf dem Höhepunkt der arthurischen Krise sein, sondern die Gefangenschaft Lancelots durch die eifersüchtige Morgane, die den Helden am Hof verleumdet und des Treuebruchs bezichtigt. Erst die äußerste Entfremdung im Wahnsinn bildet sodann die Voraussetzung für den Beweis der Treue in der Charrette-Episode. Die hier nur knapp resümierten Begegnungs- und Rettungsszenen knüpfen so ein breites psychologisches Netz, das in absolutem Gegensatz zum Versroman auf einem bipolaren Schema von ständig variierter Annäherung und Entfremdung beruht und die Artuswelt, wie ja auch den König selbst, in einen permanenten Gegensatz zu dämonischen und feenhaften Gegenwelten stellt.56 Dem äußersten Zustand der Entfremdung im doppelten Motiv des Wahnsinns entspricht die innigste Form der Zuwendung. Das Kontinuum dieser schicksalhaften Liebe, die unter dem aus-
|| 56 Vgl. dazu auch Friedrich Wolfzettel, ›Lancelot et les fées. Essai d’une lecture psychanalytique du Lancelot en prose‹, Marche romane 32/2–4 (1982), 25–42, wieder im vorliegenden Band, ###, sowie ders., ›L’autre dans le Lancelot do Lac‹, in: Trude Ehlert (Hrsg.), Chevaliers errants, demoiselles et l’Autre. Höfische und nachhöfische Literatur im europäischen Mittelalter. FS Xenja von Ertzdorff, Göppingen 1998 (GAG 644), 327–38.
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drücklichen Schutz der Dame du Lac steht, ist von der Charrette Chrétiens, trotz der inhaltlichen Übereinstimmungen, grundlegend unterschieden. Das sichtliche Bemühen um psychologische Plausibilität steht in Verbindung mit der genannten entmythisierenden Tendenz, die dazu führt, dass das arthurische Wunderbare – wie etwa im Zusammenhang mit der Fee Morgane – nur eine geringe Rolle spielt. In den großen Gräberszenen z. B. mutiert das Wunderbare zum phantastisch diabolischen merveilleux im Dienste der heilsgeschichtlichen Konstruktion. Ein besonders deutliches Beispiel hierfür ist das mythische ›andere‹ Land Gorre, das lange vor der Charrette-Handlung vorgestellt wird, wobei sich der Autor übrigens wieder auf »Ii droiz contes de la charete« (Mosès, 180) beruft. Aber auch dies ist natürlich ein Aspekt, der den mythischen Kontext der beiden Welten, wie ihn der Chrétien’sche Roman andeutet, zerstört. Nur das Motiv des dunklen Flusses, »une altre eve qui a non Tiniebre« (Mosès, 180), eng, tief und schlammig, ist quasi als mythisches Versatzstück unter allegorischen Vorzeichen geblieben. Auch die Bezeichnung ›Land ohne Wiederkehr‹ hat das sumpfige und entvölkerte Grenzland des Artusreiches verloren, allerdings ist noch von der »costume malveise« (Mosès, 180) die Rede, wonach kein Artusritter, der die Grenze überschreitet, zurückkehren kann. Schließlich erinnern die beiden von Baudemagu eigens gebauten und mit dieser Erklärung zugleich um ihr Geheimnis gebrachten Brücken, ein überfluteter Steg und eine Schwertbrücke, noch an die ursprünglichen Vorgaben. Eine historische Erklärung tritt auch an die Stelle der Anderwelt-Konnotationen: Es geht um den ausführlich begründeten Konflikt zwischen dem machthungrigen Uterpendragon und dem frommen König Urien und den vergeblichen Versuch Arthurs, das Geschehen wiedergutzumachen. Denn obwohl auch Baudemagu, der Neffe Uriens, als gütiger Herrscher und zweiter Artus geschildert wird, scheitert alle Vermittlung an dem hoffärtigen und bösartigen Sohn Uriens, Meleagant. In gewisser Weise reduziert sich so die eigentliche Handlung auf ein Vater-Sohn-Problem. Strukturell gesehen, erscheint Meleagant, der zunächst nur als tückischer Rivale Lancelots hervortritt, als der typische Störer aus einem fremden Land, ähnlich wie die falsche Guenièvre aus Carmélide kurz darauf der echten Guenièvre ihre Rolle streitig macht und sie in die Schande stürzt, das heißt, Meleagant ist nur ein weiterer ›Störer‹ von draußen, den Lancelot nicht, wie seinerzeit Galehaut, zur Umkehr bringen kann. Die beiden Hauptfiguren des Romanzyklus werden so von dritter Seite herausgefordert, und Lancelot kann, wie gesagt, schon vor der zentralen Charrette-Episode als Retter der Königin auftreten. Diese Doppelung verweist somit auf eine ebenfalls schon angedeutete Eigenart: das Spiel der Wiederholungen, Variationen und Echos, das die Handlung paradigmatisiert und den einzelnen Motiven ihre Einzigartigkeit raubt. Die Ge-
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schichte der falschen, zweiten Guenièvre ist ja nur das deutlichste Beispiel einer bis zur Identitätsproblematik gehenden Doppelungstendenz, die wohl letztlich mit dem Wiederholungszwang einer falsch verstandenen Totalität in Verbindung zu bringen ist, die keine Einmaligkeit anzuerkennen scheint. Die Wiederholung stärkt die Bedeutung nicht, sondern schwächt sie, so dass auch in diesem Fall von mythischer Tiefe keine Rede mehr sein kann. Betrachten wir abschließend nur die Vervielfältigung des zentralen Symbols des Schandkarrens, den Rey-Flaud in seiner Psychoanalyse des Conte du Graal als »la figure d’une loi dégradée et avilie«57 gedeutet hat. Eine solche Deutung legt der Chrétien’sche Text aber höchstens nahe; erst der Verfasser dieses Teils des Prosa-Lancelot ergeht sich in einer ausführlichen kulturhistorischen Erklärung der »coustume« (Lepage/Ollier II, 88) und nimmt dem Objekt so die für Chrétien typische mythische Aura des Geheimnisvollen. Von letzterem ist denn auch hier nichts übrig geblieben. Der Chrétien’sche Zwerg hält z. B. »une longue verge an sa main« (Roques, V. 349) und scheint mit diesem phallischen Attribut seine Funktion als gesunkene Vaterfigur anzudeuten; ähnlich wie der junge Erec in der Eingangsszene von Erec et Enide kämpft der Held mithin gegen die von den Vätern überkommene und längst pervertierte coutume,58 die ihm bei der versuchten Rettung der Mutter-Geliebten und Königin – ähnlich wie im Erec – dennoch in Form eines überlegenen Wissens buchstäblich in die Quere kommt und ihn zur Selbsterniedrigung zwingt. Seine Identität ist mit dieser Kernszene verbunden, die ihm die Züge eines gedemütigten Erlösers verleiht. Der Zwerg des Prosaromans entspricht dagegen lediglich dem Typus des »nain disharmonieux«;59 er ist bucklig, aber weitgehend funktionslos. Den Sprung in den Karren, den Rey-Flaud bei Chrétien als Sieg des Begehrens (im Gegensatz zur Haltung Percevals in der Gralsszene) interpretiert60 und dem bei Chrétien daher ein allegorisch gewendeter Kampf des Helden mit sich selbst vorausgeht, vollzieht Lancelot im Prosaroman kommentarlos; er wird letztlich bedeutungslos sein. Das Motiv der Schande bleibt zunächst: So weigert sich Gauvain, der dem Karren mit Lancelot begegnet, anfangs, dessen Beispiel nachzuahmen, und reitet neben dem »chevalier hounis« (Lepage/Ollier II, 92) her. Lancelot selbst steht wegen dieser Schande wenig später zweimal kurz vor dem Selbstmord, bevor die weiteren Abenteuer dazwischen kommen. Doch all || 57 Henri Rey-Flaud, Le chevalier, l’autre et la mort. Les aventures de Gauvain dans Le conte du Graal, Paris 1998, 124. 58 Zu diesem Aspekt vgl. Maddox (wie Anm. 19). 59 Vgl. Anne Martineau, Le nain et le chevalier. Essai sur les nains français du Moyen Âge, Paris 2003, Kap. I, 2. 60 Vgl. Rey-Flaud (wie Anm. 57), 123: »Lancelot passe outre à la mise en garde surmoïque de Raison.«
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das bleibt nur Episode. Im Lichte der späteren Grabepisode scheint der Karren denn auch v. a. als Sinnbild des durch die Sünde gefallenen Menschen zu fungieren und wird schließlich buchstäblich zum Ehrenzeichen aufgewertet. Lancelots Cousin Boort wird später vor aller Augen im Artushof aufspringen und kann nur durch einen anderen Ritter befreit werden, der die Schande auf sich nimmt; denn »nus ne doit mais avoir honte de monier en karete puis ke Lancelos i monta« (Lepage/Ollier II, 226). Aus dem quasi mythischen Symbol des Karrens ist ein moralisches ›Markenzeichen‹ geworden, und Gauvain zögert am Ende nicht – »pour le boin chevalier ki i monta« (Lepage/Ollier II, 232) –, ebenfalls aufzusteigen. In dem Augenblick verkündet eine demoiselle das baldige Ende des Artusreiches und sagt zum König gewendet, auch er hätte den Karren besteigen sollen, denn: Um Lancelots willen »devroient iestre karetes hounerees a tous jours mais« (Lepage/Ollier II, 232). Der Schandkarren hat als Symbol ritterlicher Demut eine eigene symbolische Logik erzeugt, die nurmehr wenig mit der Haupthandlung zu tun hat, wohl aber das Ende des Artusreiches präfiguriert. Schon im Versroman bezeichnen Schandkarren und Grabplatte die beiden sichtbaren und konträren Symbole der Auserwählung des Helden. Wie schon erwähnt, erhält die Grabepisode im Prosaroman aber die Breite einer heilsgeschichtlichen Offenbarung, in der die Berufung Lancelots zugleich dessen ›Sünde‹ und dessen Versagen einschließt; aus der quasi-mythischen Erlöserrolle ist im Zeichen des Grals der fragwürdige Erlöser geworden, der ohne Zweifel gegenüber dem in Galaad verkörperten absoluten Reinheitsideal für das Rittertum an sich, wenn nicht für die ganze Menschheit steht. In der Rede des Symeu, des Neffen von Joseph von Arimathäa, heißt es, Lancelot habe »la prouece et la valeur ki poet iestre en homme corronpu« (Lepage/Ollier II, 136). Offensichtlich fungiert er als der weltliche Erlöserheld, der unterhalb der geistlichen Erlöserfiguren steht. So sagt Symeu auch zu ihm, er sei der Cousin dessen, der ihn, Symeu, dereinst erlösen solle und – nach der Probe des ›Siege Perilleux‹ – »les aventures de Bretaingne metra a fin« (Lepage/Ollier II, 136). In einem solchen Netz von Bezügen präzisiert und relativiert sich zugleich die Rolle des geheimnisvollen Helfers der Charrette. Als heilsgeschichtliches oder genauer moraltheologisches Symbol steht die Karre, deren Merkwürdigkeit aus einer historisch ableitbaren coutume heraus erklärt wird, zugleich für ein neues, seiner Unzulänglichkeit bewusstes Rittertum. Jeder echte Ritter muss einmal die Schanderfahrung der Karre auf sich genommen haben, und die Schwäche des Königs, der mehr als andere versagt hat, besteht auch darin, dass er eben diese Probe gescheut hat. Die Allegorisierung des Karrens hebt die geheimnisvollen Umstände, die das unerwartete Auftreten des wissenden Zwergs im Versroman umgeben, auf eine allgemeine, providentielle Ebene.
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Während die Handlung als solche in einem Geflecht von Liebe, Treue, Treulosigkeit und Verrat psychologisiert und moralisiert wird, werden die beiden zentralen symbolischen Szenen allegorisch entgrenzt. Das je Einmalige, mythisch Überhöhte des Versromans wird so zum exemplarischen Ausdruck einer über das Besondere hinausgehenden, allgemeinen Bedeutung. Mittelalterlich gesprochen: Die senefiance liegt jenseits des spezifischen Geschehens. In dem Kontinuum der ritterlichen Vita wird das Herausragende überdies zu einem Glied der langen Kette exemplarischer Episoden und verliert auch dergestalt an Eigenwert. Anders etwa als die Geschichte Alexanders, des berühmtesten Beispiels einer weltlichen Vita im 12. Jh., tendiert die Lancelot-Vita in diesem Netz der Bezüge, Echos und Analogien dazu, nur Teil eines größeren Ganzen zu sein und insgesamt eine exemplarische Bedeutung anzunehmen. Das zeigt auch das Ende. Während der Untergang des Artusreiches in La Mort le Roi Artu noch einmal mythische Erzählmuster bemüht, kann der erbauliche Tod Lancelots als Flucht vor dem Mythos interpretiert werden.61 Die Stationen seines Lebensweges repräsentieren nicht mehr das Faszinosum des Einmaligen, Außerordentlichen; sie weisen beständig über sich hinaus. In einer neuen Arbeit über die allegoretische Tendenz zeitgenössischer Literatur schreibt Susanne Knaller: Allegorisch nenne ich ein Verfahren, das eine erzählte Geschichte zu einem semiotischen Zeichen werden lässt und damit eine weitere bzw. weitere Geschichten eröffnet, ohne dass 62 die erste Geschichte irrelevant wird.
›Allegorisch‹ heißt in dieser – nicht figural bestimmten – Perspektive Mehrstöckigkeit und »Interferenzstruktur mehrerer Texte/Narrationen.«63 Vielleicht ließe sich behaupten, dass der Lancelot en prose in diesem Sinn bereits ›modern‹ ist, indem er sich von den mythischen Konnotationen symbolischen Erzählens und auch von dem früheren Anspruch auf senefiance verabschiedet hat bzw. indem es diese von Fall zu Fall explizit nachliefert. In einem pluralen, beinahe synchronen Textgebilde, dessen eigentliches Kennzeichen das entrelacement ist, dient jede der Einzelhandlungen, auch die des Haupthelden, als exemple, das nach einer weitergehenden Deutung ruft, die entsprechenden Koordinaten aber werden schon mitgeliefert. Die mannigfachen hermeneutischen Hilfsinstanzen – Dame du Lac, Gräbervisionen, Träume und ihre Entschlüsselung, Befragung von Eremiten usw. – tragen zu dem Eindruck bei, dass jede Handlung zugleich für etwas anderes steht, in der Verschlingung – entrelacement – mit anderen Handlungen aber auch || 61 Vgl. Virginie Greene, Le sujet et la mort dans La Mort Artu, Saint-Genouph 2002, 341–45. 62 Susanne Knaller, Zeitgenössische Allegorien – Literatur, Kunst, Theorie, München 2003, 11. 63 Ebd.
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keine Geschlossenheit im herkömmlichen Sinne mehr verbürgt, sondern lediglich noch auf eine übergeordnete moralische Sinnschicht verweist. Der umherwandernde Schandkarren, auf den man gleichsam aus wechselnden Lebenssituationen unverhofft aufspringt, wird so fast zum Symbol dieses neuen problematischen Erzählens, das die Einsinnigkeit des Mythos nicht mehr einzuholen vermag und das die Ambivalenz des Mythischen zugleich als unvereinbar mit allegorischexemplarischem Erzählen zurückweisen muss.
Der defiziente arthurische Körper Nacktheit als Gattungs-Paradigma Abstract: The status of nakedness in medieval literature remains still to be ascertained. The whole Middle Ages are overshadowed by the Augustinian interpretation of the Fall according to which postlapsarian human nakedness necessarily is turpis nuditas. Only mythic reminiscences seem to constitute an exception to this rule. Nevertheless, medieval literary genres present a greater variety of examples than the Augustinian verdict would have us expect. The contention of this essay, then, is that, compared with other genres, even courtly literature in general, Arthurian romances present us with an especially orthodox and reticent view of nudity, as if this genre that ever since Chrétien bears the burden of a somewhat christological cultural mission was bound to function as a sort of collective generic Superego within the literary system of the Middle Ages. Consequently, exceptions can be made out only on the margins of Arthurian literature, in parody (like Le Chevalier à l’épée) or in superficially Arthurianized subject matters (like Tristan, Cligès, Perceforest ...). In psychoanalytic terms this deficient corporeality points to a specially Arthurian effect of suppression.
1 Am Ende des zweiten Teils des Rosenromans hat Jean de Meun die Parabelerzählung von Pygmalion eingefügt, die – zusammen mit Anspielungen auf Orpheus und Amphyon von Theben – die Fähigkeit des Dichters zur Verlebendigung der Materie beleuchten soll und zugleich als mise en abyme der Haupthandlung und des beide Teile überwölbenden Themas des Begehrens fungiert. Die Elfenbeinstatue, die der Künstler besingt und nach Kräften schmückt, ist – so heißt es – in schmuckloser Nacktheit mindestens ebenso schön wie bekleidet: »N’el apert pas, quant ele est nue, / Mains bele que s’ele est vestue« (V. 21075f.).1 Nacktheit, vor-
|| 1 Benutzte Ausgabe: Guillaume de Lorris und Jean de Meun, Le Roman de la Rose, Edition nach den Handschriften BN 12786 und BN 378, hrsg., übers. und komm. von Armand Strubel, Paris 1992 (Livre de poche – Lettres gothiques 4533). || Erstveröffentlichung in: Friedrich Wolfzettel (Hrsg.), Körperkonzepte im arthurischen Roman, Tübingen 2007 [SIA 6], 201–30. https://doi.org/10.1515/9783110694567-007
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erst am künstlerisch geformten Körper, gewinnt damit eine eigene ästhetische Wertigkeit, die der bloßen erotischen Anspielungen im sogenannten höfischen ersten Teil des Romans von Guillaume de Lorris nicht mehr bedarf. Eben dies gilt aber auch umso mehr für den lebendigen Leib der durch ein Wunder der Venus mit einer Seele begabten und in Fleisch und Blut verwandelten Statue, die der Künstler zitternd vor Staunen und Erregung betrachtet: Et quand de plus pres la regarde, Plus art son cuer et frit et larde; Lors voit qu’ele est vive et charnue, Si li debaille la char nue Et voit les biaus crins blondoianz Comme ondes ensamble ondoianz, Et sent les os et sent les vaines Qui de sanc erent toutes plaines, Et le pouls debatre et mouvoir. (V. 21135–43) Und je mehr er sie betrachtet, desto mehr entbrennt und glüht sein Herz; da sieht er, dass sie lebendig ist und aus Fleisch. Das nackte Fleisch offenbart sich ihm, und er sieht das schöne blonde Haar, das in Wellen tanzt, und spürt die Knochen und fühlt die Venen, die voll Blut waren, und den Puls schlagen.
Lebendige Nacktheit zeichnet sich aus durch das Zusammenspiel des sichtbaren und des nicht sichtbaren Körpers, das Blut und den Pulsschlag und ist über das Motiv der blonden Haare mit den kosmischen Konnotationen des Meeres verbunden und dem üblichen preziösen Vokabular des höfischen Registers entzogen. Die epiphanieähnliche Szene des Erkennens bildet dann den Auftakt zu einer fast anakreontisch anmutenden Liebesbegegnung: Par grant amour lors s’entre’embracent, Com. Il. colombiaus s’entrebaisent, Mout s’entr’aiment, mout s’entreplaisent. (V. 21173–75) In großer Liebe umarmen sie sich dann, wie zwei Tauben küssen sie sich, sehr lieben sie sich und erfreuen sich aneinander.
Schon zuvor hatte Pygmalion die symbolische Hochzeit Bezug nehmend auf die antiken Gottheiten Hymenäus und Juno mit den Worten vollzogen: Je n’i quier plus ne clerc ne prestre Ne de prelaz mistre ne croces, Car cist sont li vrai dieu des noces. (V. 21022–24) Weder Kleriker noch Priester, noch Hut und Kreuz des Prälaten brauche ich noch, denn dies sind die wahren Hochzeitsgötter.
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Die kosmisch konnotierte Nacktheit löst sich aus den gesellschaftlich religiösen Beschränkungen; der antike Rahmen der Metamorphosen Ovids, des eigentlich Anstoß erregenden Texts des Mittelalters,2 dient dem Autor als Rahmen, um die künstlerische Gestaltung der Nacktheit als Vorstufe des Natürlichen zu exkulpieren. Erotische Nacktheit und Kunst sind erstmals aufeinander bezogen. Die Pygmalionszene ist ganz offensichtlich in der mittelalterlichen Literatur singulär und noch weit von einer abschließenden Deutung entfernt. Der den Rosenroman als Ganzes prägenden Kunst der »allégorie érotique«3 und der erotischen Verkleidung und Metaphorisierung des Geschlechts setzt der Autor hier die strahlende erotische Nacktheit entgegen, die so zugleich als Transgression der Ästhetik des Romans und als Dekonstruktionssignal verstanden werden könnte.4 In der anthropologisch genderspezifischen Perspektive, in der Danielle RégnierBohler die symbolischen Formen mittelalterlicher Nacktheit untersucht hat, erscheint die verlebendigte Statue als Inbegriff des »Statut objectal«5 der Frau als erotisches Objekt des männlichen Blicks. Von einer Szene wie der von RégnierBohler erwähnten Brautschau nackter Jungfrauen im Roman du Comte de Poitiers unterscheidet sich die genannte Episode allerdings nicht allein durch das Motiv der ›Heimlichkeit und Privatheit‹, mit der die individuelle erotische Beziehung des Künstlers zu seinem Werk angezeigt wird: weibliche Nacktheit nicht nur als Objekt des männlichen Blicks, sondern auch als Gegenstand und Ergebnis männlich künstlerischen Schaffens. Entscheidend scheint die mythisch-mythologische Rahmung des anstößigen Themas. Die Thematisierung des männlichen Phantasmas, das nicht zufällig an die antike Einkleidung der Szene gebunden ist, erscheint so als merkwürdig ambivalente, beinahe traumhafte und allen gesellschaftlichen Bedingungen entrückte Szene. Auch deklariert Jean de Meun die Pygmalionszene ausdrücklich zur Vorstufe der erotischen Schlussszene, in der die gesuchte Rose selbst zur noch schöneren Statue in Tabernakel-ähnlicher Stellung geworden ist und das Ziel der erotischen Pilgerreise des Helden bezeichnet. Nur so schert diese aus dem von Régnier-Bohler angeführten Sachverhalt aus, wo-
|| 2 James R. Simpson, Fantasy, Identity and Misrecognition in Medieval French Narrative, Oxford u. a. 2000, Kap. 3, hat den Ovide moralisé als Versuch interpretiert, dieses Skandalon zu verharmlosen. 3 René Louis, Le Roman de la Rose. Essai d’interprétation de l’allégorie érotique, Paris 1974 (Nouvelle bibliothèque du Moyen Âge 1). 4 Thomas D. Hill, ›Narcissus, Pygmalion and the Castration of Saturn. Two Mythological Themes in the Roman de la Rose‹, Studies in Philology 71 (1974), 404–26, integriert das Motiv dagegen in den mythologischen Gesamtrahmen. 5 Danielle Régnier-Bohler, ›Le corps mis à nu. Perception et valeur symbolique de la nudité dans les récits du Moyen Age‹, Europe 654 (Oktober 1983), 51–61, hier: 61.
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nach »toujours baignés de honte les nus médiévaux portent le sceaux d’interdit et de tabous«.6 Spricht man allerdings mit Gwenhaël Ponnau von einer Ästhetik der Idolatrie,7 so verliert die erotische Epiphanie sogleich ihre positiv-mythische Funktion und erinnert daran, dass das mittelalterliche Schönheitsideal der integritas nicht mit dem nackten, sondern mit dem geschmückten, bekleideten Körper verbunden ist: Der postlapsarische nackte Körper ist bekanntlich ausgehend von der Interpretation des Augustinus in De civitate Dei (XIV, 17) durch seine turpis nuditas gekennzeichnet,8 und entsprechend den christlichen Vorgaben ist er daher auch nicht selten der sakrifizielle Körper. Es genügt, an die unaufgelöste Dialektik von voyeuristischer Erotik und unsinnlicher Opferthematik in Der Arme Heinrich von Hartmann von Aue zu denken. Nur auf den ersten Blick scheint die ästhetikgeschichtlich zentrale Pygmalionszene mithin den chronologischen Befund von Kenneth Clark zu bestätigen, wonach die Ablösung des sündhaften, entsexualisierten Körpers durch den schönen und seiner erotischen Ausstrahlung bewussten Körper etwa um die Mitte des 13. Jh. erfolgt und damit »a new direction in iconography forced artists to study the naked human body«.9 Die postulierte Aufwertung gelingt offensichtlich nicht ohne Einschränkungen, wie die betont antichristliche, mythologische Einbettung der Pygmalionszene zeigt. Eine ähnlich emblematische Bedeutung hat in dieser Beziehung die von Clark erwähnte Auferstehungsszene der Kathedrale von Bourges. Der in der Mitte der Szene platzierte weibliche Akt, »a maiden of confident virtue who shows, for the first time, the Gothic style applied to a female nude«,10 müsste so als Ausdruck wiederer-
|| 6 Régnier-Bohler (wie Anm. 5), 52. 7 Vgl. Gwenhaël Ponnau, ›Une expression esthétique de l’idolâtrie. Pygmalion‹, in: L’Idolâtrie, Paris 1990 (Rencontres de l’Ecole du Louvre 3), 97–105. 8 Vgl. auch Klaus Schreiner, ›Si homo non pecasset... Der Sündenfall Adams und Evas in seiner Bedeutung für die soziale, seelische und körperliche Verfaßtheit des Menschen‹, in: ders. und Norbert Schnitzler (Hrsg.), Gepeinigt, begehrt, vergessen. Symbolik und Sozialbezug des Körpers im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit, München 1992, 41–84. In der sogenannten populären Version von Floire und Blancheflor erinnert sich Blancheflor vor dem brennenden Scheiterhaufen an den Sündenfall. Adam und Eva, heißt es da, waren vor dem Sündenfall reich gekleidet (V. 799f.: »Molt richement erent vestu / Des vestemenz qu’ierent lasus«); erst nach dem Verlust des Paradieses »Tantost se trouverent tuit nus; / De paradis furent issu« (V. 801f.). Benutzte Ausgabe: Li romanz de Floire et Blancheflor, in beiden Fassungen nach allen Handschriften mit Einleitung, Namenverzeichnis und Glossar neu hrsg. von Felicitas Krüger, Berlin 1938 (Romanische Studien 45). 9 Kenneth Clark, The Nude. A Study of Ideal Art, London 1956, 305. 10 Ebd., 307.
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standener, siegreicher Nacktheit11 interpretiert werden. Auch Georges Duby hat den versöhnlichen Charakter der genannten Gestalt betont.12 Indessen erinnert Michael Camille in einer breiten Übersicht über die verschiedenen Funktionen und Begriffsbereiche des Körpers wohl zu Recht daran, dass »this body is dead [...] and precisely for all its charms is on the side of the damned, the sinister side of sinners«.13 Der schöne nackte Körper ist also zugleich ein sündhafter toter Körper, der den Höllenstrafen verfallen ist. Die scheinbare Epiphanie siegreicher naturhafter Nacktheit unter den bürgerlich klerikalen Vorzeichen des zweiten Teils des Rosenromans verweist denn auch auf das Ende des Romans, wo die endgültige Aufwertung sexuell konnotierter Nacktheit lediglich in allegorisierender Andeutung erfolgt, d. h. »nur um den Preis des Verschwindens ihres Körpers«14 gelingt, und beleuchtet mithin auch das Problem des nackten höfischen Körpers, den Guillaume de Lorris noch gleichsam hinter dem Bild der Rose versteckt. Das Phänomen der Nacktheit ist in der Mediävistik bislang vorwiegend als mentalitätsgeschichtliches15 und semiotisches16 Grenzproblem der Körperlichkeit diskutiert worden. Nach Régnier-Bohler muss die geschlechtsspezifische Konstante mitbedacht werden: »Par conséquent s’impose d’emblée une typologie qui repose sur le clivage du Masculin et du Féminin«.17 In beiden Fällen indiziert Nacktheit weniger einen ursprünglichen als einen defizitären Zustand und ist so immer auch mit dem bekleideten Körper korreliert. Die Herausgeber des wichtigen Sam-
|| 11 Zu der Vorgeschichte der unterdrückten und kulpabilisierten Nacktheit vgl. auch Aline Rousselle, Porneia. De la maîtrise du corps à la privation sensorielle. IIe–IVe siècles de l’ère chrétienne, Paris 1983 (Les Chemins de l’histoire 1). 12 Vgl. Georges Duby, A History of Private Life, Bd. 2: Revelations of the Medieval World, Cambridge/MA 1988, 526. 13 Michael Camille, ›The Image and the Self: Unwriting Late Medieval Bodies‹, in: Sarah Kay und Miri Rubin (Hrsg.), Framing Medieval Bodies, Manchester, New York 1994, 62–99, hier: 78. 14 Silke-Katharina Philipowski, ›Erzählte und beschriebene Körper: »allegorische Subversion« in der Epik des hohen und späten Mittelalters‹, DVjs 75 (2001), 363–386, hier: 377. In ähnlicher Perspektive postuliert schon Peter Czerwinski, Der Glanz der Abstraktion. Frühe Formen von Reflexivität im Mittelalter. Exempel einer Geschichte der Wahrnehmung, Frankfurt a. M., New York 1989, einen höfisch-symbolischen Körper. 15 Vgl. Hans Peter Duerr, Der Mythos vom Zivilisationsprozeß, Bd. 1: Nacktheit und Scham, Frankfurt a. M. 1988, v. a. 318; vgl. auch das Kap. »Das Mittelalter und die Entblößung des Leibes«, 283–91. 16 Vgl. Robert Jütte, ›Der anstößige Körper. Anmerkungen zu einer Semiotik der Nacktheit‹, in: Klaus Schreiner und Norbert Schnitzler (Hrsg.), Gepeinigt, begehrt, vergessen. Symbolik und Sozialbezug des Körpers im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit, München 1992, 109–30. 17 Régnier-Bohler (wie Anm. 5), 53.
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melbandes über die Semiotik des Körpers, Gepeinigt, begehrt, vergessen, weisen darauf hin, dass Nacktheit nicht weiterhin als isoliertes Handlungselement, sondern im Kontext des Zeichensystems ›Kleidung‹ zu betrachten und gegebenenfalls mit moralisch-religiösen Wert18 zuweisungen in Zusammenhang zu bringen
sei. Die mit sexueller Lust19 konnotierte Nacktheit, könnte man ergänzen, ist in einer solchen, implizit augustinischen Perspektive ein Zustand des Mangels und der geistigen Verwirrung, unvereinbar mit dem domestizierten höfischen Körper, den Wolfgang Beutin auch als den heroischen Körper von anderen Gattungen absetzt.20 Nacktheit als Ausdruck des Wahnsinns und des Ausschlusses aus der gesellschaftlichen Ordnung erscheint als Phantasma der »désocialisation«,21 wie es v. a. die Werwolf-Varianten nahelegen.22 Der nackte Mensch ist der zum Tier gewordene Mensch. Der implizit gattungsspezifische Ansatz Beutins legt darüber hinaus nahe, auch das Problem des mittelalterlichen Gattungssystems einzubeziehen, wenn es darum geht, das von Umberto Eco als »Lendendenken«23 bezeichnete, zivilisationsgeschichtliche Problem des voyeuristischen Blicks genauer zu verorten. Letzterer ist ja offensichtlich als Kehrseite des Sehtabus und der Abwertung des Körpers interpretierbar und durchzieht im Übrigen die gesamte abendländische Kultur.24 Wie Aimé Petit in einem quantitativen Vergleich des Begriffsfeldes der sexuell konnotierten Nacktheit bei Chrétien und im antikisierenden Roman zeigen konnte,25 geht nämlich der Artusroman in der Unterdrückung erotischer Nackt-
|| 18 Klaus Schreiner und Norbert Schnitzler, ›Historisierung des Körpers. Vorbemerkungen zur Thematik‹, in: dies. (Hrsg.), Gepeinigt, begehrt, vergessen. Symbolik und Sozialbezug des Körpers im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit, München 1992, 5–22, hier: 14. 19 Vgl. John W. Baldwin, The Language of Sex. Five Voices from Northern France around 1200, Chicago, London 1994, 1–10 (»Pierre the Chanter and the Augustinian Tradition«). 20 Vgl. Wolfgang Beutin, Sexualität und Obszönität. Eine literaturpsychologische Studie über epische Dichtungen des Mittelalters und der Renaissance, Würzburg 1990, v. a. 64ff. 21 Régnier-Bohler (wie Anm. 5), 58. 22 Vgl. François Suard, ›Bisclavret et les contes du loup-garou: Essai d’interprétation‹, Marche Romane 30/3–4 (1980), 267–76. 23 Umberto Eco, Über Gott und die Welt. Essays und Glossen, übers. von Burkhart Kroeber, München 1985, 220–24. 24 Vgl. z. B. Claudia Öhlschläger, Unsägliche Lust des Schauens. Die Konstruktion der Geschlechter im voyeuristischen Text, Freiburg i. Br. 1996 (Rombach Litterae 41). 25 Vgl. Aimé Petit, ›Nu et nudité dans les romans antiques‹, in: Le Nu et le Vêtu au Moyen Age (XIIe–ΧΙΙIe siècles). Actes du 25e Colloque du CUERMA, 2–3–4 mars 2000, Aix-en-Provence 2001 (Sénéfiance 47), 283–98.
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heit noch weiter als letzterer; mythische Szenen wie die der Wassernixen oder der Blumenmädchen im Alexanderroman (V. 2904ff., V. 3318ff.) wären hier ebenso undenkbar wie die Pygmalionszene von Jean de Meun. Umgekehrt bildet, wie wir noch sehen werden, kaum zufällig gerade der byzantinische Cligés-Roman, der weder strukturell noch thematisch als echter Artusroman gelten kann, eine bezeichnende Ausnahme, auf die wir zurückkommen werden. Ähnliches gilt für den nur lose arthurisierten Tristanroman, dessen zentrale Episode der Entdeckung der Liebenden im Wald geradezu als emblematischer Ausdruck der nur halb gelungenen Verdrängung interpretiert werden kann. Das nackte Schwert zwischen den fast nackten Leibern von Tristan und Yseut in der Béroul’schen Version verweist zugleich auf das Tabu der Nacktheit und auf frühere, nicht eigens beschriebene Szenen ihrer vollkommenen Realisierung. Über die Entdeckung der Nacktheit in der Dornröschen-Episode im späten Roman de Perceforest wird noch zu sprechen sein. Besonders interessant erscheint in diesem Zusammenhang der Roman de l’Escoufle von Jean Renart, der aufgrund seiner aufdringlichen TristanReminiszenzen beinahe als parodistische réécriture bzw. als realistische Replik auf die arthurische Tradition verstanden werden könnte. Der Roman geht in der nonchalanten Evokation erotischer Nacktheit bezeichnenderweise besonders weit und schreckt dabei auch nicht vor Zweideutigkeiten zurück. Eben noch hat der junge Held des nach dem Muster des sogenannten idyllischen Romans26 konstruierten Werks jeden sinnlichen Kontakt mit der gleichaltrigen Aelis geleugnet: »Ainc voir ne send sa char nue / Α sa honte, n’a son damage« (V. 3028f.),27 da erinnert sich die Geliebte wenig später nach einer unruhigen Nacht an seine Berührungen: Nackt erhebt sie sich in ihrem Bett (V. 3280f.: »ele s’est nue / Levee en son lit en estant«) und ruft: Ahi! Guilliaumes, biax amis, Tantes foïes avés mis Vos beles mains, qui si sont blanches A cest bel ventre et a ces hanches Et tasté mon cors en tos sens! (V. 3283–87) Oh, Wilhelm, lieber Freund, so oft habt Ihr Eure schönen Hände, die so weiß sind, an diesen schönen Leib und diese Hüften gelegt und meinen Körper von oben bis unten betastet.
|| 26 Vgl. Myrrha Lot-Borodine, Le roman idyllique au Moyen Âge, Paris 1913, Nachdruck Genf 1972, Kap. IV, 189–232. 27 Benutzte Ausgabe: Jean Renart, L’Escoufle, roman d’aventure, Neuedition nach der Handschrift ms. 6565 der Bibliothèque de l’Arsenal, hrsg. von Franklin Sweetser, Genf 1974 (Textes littéraires français 211).
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Guillaumes Verhalten erinnert offensichtlich an die eingangs evozierte Pygmalionszene, die durch das Überschreiten des lustvollen Blicks gekennzeichnet ist. Nicht zufällig trägt die Heldin die beiden fast magischen Objekte, Ring und Tasche, die selbst sexuelle Konnotationen tragen, auf der gemeinsamen Flucht mit dem Geliebten »a sa char nue« (V. 4477); deren Übergabe bildet die Voraussetzung für frei geschenkte Sexualität. Der ›roman rose‹28 kann mithin in bewusst ironischer Anspielung auf die höfische Tradition Dinge an- und aussprechen, die im Artusroman undenkbar wären. Die Nacktheit ist in diesem postarthurischen Realismus eine unmittelbare Funktion der diskordanten Poetik, auf die Roger Dragonetti hingewiesen hat.29 Es scheint also, dass erotische Nacktheit auch als ein gattungsspezifisches Grenzphänomen anzusehen ist. Da, wo sie im arthurischen Kontext auftaucht, verweist sie auf die Ränder des Gattungssystems oder ist, wie in dem noch zu behandelnden Chevalier à l’épée, kritisch parodistischen Zielen untergeordnet. In einer solchen Perspektive gattungsgeschichtlich ›verordneter‹ Verdrängung möchte man der Szene der verliebten demoisele im Chevalier de la Charrette eine emblematische Bedeutung zumessen. Die Romanfigur, die an die v. a. aus der späten Chanson de geste bekannte, topische Gestalt der aufdringlich Liebenden erinnert, wird hier von Lancelot abgewiesen und legt sich »tote nue« (V. 1263)30 ins eigene Bett, während sie auf dem Nachtlager des Helden »n’oste mie sa chemise« (V. 1203). In dieser Form trotzig solipsistischer Frustration dient die ausdrückliche Nennung der Nacktheit als Signal der ironischen Marginalisierung und Abwertung einer im erotischen Kontext offenbar unzulässigen Grenzüberschreitung. In der großen mythischen Liebesszene zwischen Lancelot und Guenièvre wird das Motiv dagegen ebenso ausgespart bleiben wie später im Lancelot en prose, wo schon die nackte Hand der Königin, »la soe main et tote nue« (458)31 der erotischen Spannung Genüge tut. Offensichtlich stört unverstellte Nacktheit im arthurischen Kontext. In ihrem Beitrag über Körperlichkeit in der höfischen Literatur hat Silke-Katharina Philipowski von dem »diaphanen« oder »gläser-
|| 28 Vgl. Michel Zink, Roman rose et roman rouge. Le Roman de la rose ou de Guillaume de Dôle de Jean Renart, Paris 1979. 29 Vgl. Roger Dragonetti, Le mirage des sources. L’art du faux dans le roman médiéval, Paris 1987, 59ff. 30 Benutzte Ausgabe: Les Romans de Chrétien de Troyes 3: Le Chevalier de la Charrette, hrsg. von Mario Roques, Paris 1965 (Les Classiques français du Moyen Âge 86). 31 Benutzte Ausgabe: Lancelot du Lac. Roman français du ΧΙΙIe siècle, nach der Ausgabe von Elspeth Kennedy hrsg., übers. und komm. von François Mosès, Vorwort von Michel Zink, Paris 1991 (Le livre de poche – Lettres gothiques 4528)
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nen«32 arthurischen Körper gesprochen, der immer schon in den kollektiven Körper eingebunden sei und dergestalt dem Ideal höfischer Offenheit und Berechenbarkeit nicht Abbruch tun dürfte. Der gläserne Körper aber ist zugleich ein idealer Körper, dessen Körperlichkeit weitgehend negiert wird. Er ist in paradoxer Weise ein höfisch und ritterlich überformter, gleichsam unsichtbar gemachter Körper, dessen Nacktheit nur als problematisches Grenzphänomen begriffen werden kann. Das Bestreben des arthurischen Dichters besteht darin, den Körper als Oberfläche zu begreifen,33 Nacktheit als Ausdruck des Mangels und der Defizienz zu schmücken, zu tarnen und zu verhüllen. Der geharnischte Ritter ist ohnehin die Negation des Körpers. Ausdruck höchster erotischer Gewagtheit ist, wie Romaine Wolf-Bonvin gezeigt hat, das durchscheinende Hemd der Frau, »un vêtement sans l’être«,34 das nie den Blick auf Körperlichkeit als solche freigibt, sich gleichsam als ›Schirm‹35 zwischen den Körper und den Betrachter schiebt und das Begehren bremst. Die ärmlich gekleidete Enide im Roman d’Erec ist das wohl bekannteste Beispiel solcher lediglich angedeuteten Nacktheit. Der französische Artusroman erscheint in dieser Perspektive als bemerkenswert systemkonforme, ideologisch angepasste Gattung, welche das kontestatorische Moment der Nacktheit bewusst ausklammert und anderen Gattungen überlässt.
2 Es ist daher wohl kein Zufall, dass das einzige Beispiel, das zugleich auf die erwähnten Beispiele, die Auferstehung von Bourges und die Pygmalion-Szene, vorauszuweisen scheint, wie schon angedeutet, ebenfalls an den Rändern des arthurischen Gattungssystems angesiedelt ist. Chrétiens Roman de Cligés, von der Kritik seit jeher als experimenteller Roman eingestuft,36 benützt den arthurischen Rah-
|| 32 Beide Zitate Philipowski (wie Anm. 14), 377. 33 Vgl. ebd. 34 Romaine Wolf-Bonvin, ›Un vêtement sans l’être: la chemise‹, in: Le Nu et le Vêtu au Moyen Âge (XIIe–ΧΙΙIe siècles). Actes du 25e Colloque du CUERMA, 2–3–4 mars 2000, Aix-en-Provence 2001 (Sénéfiance 47), 383–94; vgl. auch Jean-Guy Gouttebroze, ›Entre le nu et le vêtu: le transparent‹, in: Le Nu et le Vêtu au Moyen Âge (XIIe–ΧΙΙIe siècles). Actes du 25e Colloque du CUERMA, 2–3–4 mars 2000, Aix-en-Provence 2001 (Sénéfiance 47), 153–64. 35 Die Metaphorik des écran hat Jean Rousset, Forme et signification. Essai sur les structures littéraires de Corneille à Claudel, Paris 1962, 17ff. und 171ff., bei Madame de Lafayette und Paul Claudel untersucht. 36 Vgl. Per Nykrog, Chrétien de Troyes. Romancier discutable, Genf 1996 (Publications romanes et françaises 213), 81–109; Jean Frappier, Chrétien de Troyes, Paris 1968 (Connaissance des lettres 50), 104.
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men nur, um den translatio-Gedanken im Hinblick auf eine erträumte Versöhnung abendländischer chevalerie mit orientalischem, aus der Antike ererbtem Wissen neu zu instrumentalisieren. Gleichzeitig impliziert die arthurische Vorgeschichte nach Catherine Gaullier-Bougassas auch die Regeneration des Ostens durch den Westen und ein Programm der kulturellen Appropriation.37 Michelle A. Freeman ist der Symbolik des programmatischen Prologs nachgegangen,38 in dem der Autor die Erneuerung der »parole remese« (V. 43)39 und die erneute Entfachung der bereits erloschenen »vive brese« (V. 44) verkündet. Die damit verbundene Dialektik von Licht und Dunkelheit, Sonne und Nacht, durchzieht den ganzen Roman,40 aber erst in dem nichtarthurischen, byzantinisch kolorierten zweiten Teil erscheint dann die Nacktheit der Fenice – ähnlich wie in der Pygmalion-Episode – als mise en abyme einer Poetik des Aufdeckens und der Wiederentdeckung, die im klassisch arthurischen Roman offensichtlich nicht zu leisten wäre. Karl Uitti hat den Roman daher zu Recht nicht der arthurischen, sondern der romance-Tradition zugeordnet – zusammen mit Floire et Blancheflor, Amadas et Idoine und anderen – und die paradoxe »profundity«41 gerade in der fehlenden Tiefe und einer virtuos ausgespielten Literarität gesehen.42 Die Umstände der Handlung, die Wiederauferstehung der – nach dem Phoenix benannten – Heldin Fenice nach ihrem freiwilligen Scheintod und die Verwandlung des scheinbar toten Körpers in einen neuen und strahlenden erotischen Körper, legen dabei gewagte Analogien zu dem zentralen christlichen Credo nahe43 und scheinen die Auferstehung von Bourges literarisch heterodox vorwegzunehmen. Noch ist freilich die Epiphanie des Natürlichen – wiederum ähnlich wie in der Pygmalionepisode – durch höchste Kunstfertigkeit vermittelt, noch ist der
|| 37 Vgl. Catherine Gaullier-Bougassas, La Tentation de l’Orient dans le roman medieval. Sur l’imaginaire médiéval de l’Autre, Paris 2003 (Nouvelle Bibliotèque du Moyen Âge 67), 73f. 38 Vgl. Michelle A. Freeman, The Poetics of translatio studii and conjointure. Chrétien de Troyes’ Cligés, Lexington/KY 1979 (French Forum Monographs 12). 39 Benutzte Ausgabe: Chrétien de Troyes, Cligés, hrsg. von Claude Luttrell und Stewart Gregory, Cambridge 1993 (Arthurian Studies 28). 40 Vgl. dazu Friedrich Wolfzettel, ›Cligès, roman »épiphanique«‹, in: Jean-Claude Faucon u. a. (Hrsg.), Miscellanea mediaevalia. FS Philippe Ménard, 2 Bde., Paris 1998 (Nouvelle bibliothèque du Moyen Âge 46), Bd. 2, 1489–507. 41 Karl David Uitti, Story, Myth and Celebration in Old French Narrative Poetry 1050–1200, Princeton/NJ 1973, 172. 42 Vgl. ebd., 171. 43 Ähnliche Analogien gelten übrigens auch für die Szene, in der die Ärzte von Salerno den nackten Körper der scheintoten Heldin foltern; vgl. Jocelyn Wogan-Browne, ›Saints’ Lives and the Female Reader‹, Forum for Modern Language Studies 27 (1991), 314–32, hier: 324.
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Anblick des Nackten als Tabubruch inszeniert. Der durch den Architekten Johannes erbaute Turm, der von einer hohen Mauer umschlossen ist, symbolisiert eine märchenhaft magische Anderwelt, die durch die Zauberkunst des Erbauers von der gewöhnlichen Welt abgesondert und so ähnlich wie in der Pygmalion-Szene der Sphäre der Kunst zugeordnet ist.44 Ähnlich wie die Liebeseinsamkeit von Tristan und Isolde – in der Zaubergrotte bei Thomas und Gottfried von Straßburg noch mehr als in dem Motiv der Waldeinsamkeit bei Béroul – nur in einer magisch und mythisch konnotierten Gegenwelt mit utopischen Zügen möglich ist, ist auch die Liebesidylle von Cligés und Fenice an den künstlichen Raum gebunden, in dem das Wunder der Wiederauferstehung gelingt. Der Liebesturm in einem nicht lokalisierten Niemandsland stellt ein klassisches Beispiel der von Foucault herausgearbeiteten Heterotopie des Anderen in einem scheinbar realistischen Kontext dar.45 Nur hier ist die Transgression der Normen vorstellbar. Freilich bereitet die Szene zugleich die Rückkehr zur Natur und damit auch das Ende der Nacht vor. Das Wiedererwachen der Natur im Frühsommer bildet den Hintergrund für Fenices Sehnsucht nach einem vergier, durch den die bislang verborgene erotische Zweisamkeit symbolisch in den Bereich des Außen und einer – allerdings noch immer eingeschlossenen und behüteten – Natur gerückt wird. Tatsächlich wird der erste Gang nach draußen als befreiender Akt der Wiederbegegnung mit dem Licht geschildert: Quant Fenice vit l’uis ovrir Et le soloil leanz ferir, Q’ele n’avoit pieça veü, De joie a tot le san meü. (V. 6371–74) Als Fenice sah, wie sich die Tür öffnete und die Sonne hereinschien, die sie seit langem nicht mehr gesehen hatte, geriet ihr Blut vor Freude in Wallung.
Fenice und Cligés, auf dem Liebeslager unter dem Baum »nu a nu« (V. 6429) ruhend, repräsentieren die Versöhnung von Nacktheit, Licht und Natur, aber auch den gefährdeten, ambivalenten Status einer offenbar gewordenen Nacktheit, die nicht öffentlich ist und nie öffentlich sein kann. Die Übernahme der topischen Formel nu a nu aus der höfischen Liebeslyrik und dem höfischen Roman indiziert das demonstrative Öffentlichmachen des im lyrischen Diskurs Verheimlichten.
|| 44 Hierauf geht v. a. Charles Méla in der Einleitung seiner Ausgabe ein; vgl. Chrétien de Troyes, Cligès, hrsg. nach der Handschrift BN fr. 12560 von Charles Méla, Paris 1994 (Lettres gothiques – Le Livre de poche 4541). 45 Vgl. Michel Foucault, ›Des espaces autres‹, in: ders., Dits et écrits 1954–1988, 4 Bde., hrsg. von Daniel Defert und François Ewald, Bd. 4, Paris 1994, 415–30.
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Nacktheit konnotiert hier Blüte, Entfaltung, Fülle und Überfluss, v. a. auch Freude, in einem Grenzbereich gesellschaftlicher Konventionen: »Ne li faut rien que ele vuelle« (V. 6405), heißt es von Fenice, aber es ist eben eine Fülle, die mit der ritterlichen Welt nicht wirklich vereinbar scheint. Nicht zufällig wird die Katastrophe durch die Suche eines fremden Ritters nach seinem verlorenen Falken, einem zugleich erotischen und ritterlichen Symbolobjekt, ausgelöst. Das Schwert, das im Tristanroman die Liebenden trennt, liegt hier v o r ihnen und wird der symbolischen Kastration des Voyeurs, des Ritters Bertrand, dienen, der beim Versuch, die Mauer zu überwinden, ein Bein verliert. Dabei kommt es nicht auf Schuld und Absicht an; entscheidend ist das – auch versehentliche – Eindringen in die mythische Heterotopie, in der Nacktheit, Glück und Natur zur Einheit geworden sind. Als der Ritter dem Kaiser von der »empereriz trestote nue« (V. 6492) berichtet, ist daher zugleich der magische Bann gebrochen. Ähnlich wie die Entdeckung der halbnackten Liebenden durch König Marke auf die – nur angedeutete – vollkommene Nacktheit von Tristan und Isolde beim Auftauchen des verräterischen Försters zurückgeht und eine Episode magischer Andersheit beschließt, führt der Botenbericht im Cligés in die dynastische Realität zurück. Die Epiphanie der Nacktheit ist dadurch als Ausnahmezustand ausgewiesen, der auf eine gleichsam subterrane, doch im Textgefüge nicht wirklich einlösbare, neue Ästhetik des Offenbarens verweist. Indem Cligés unmittelbar darauf nach England aufbricht, um seinen Onkel, König Artus, um Hilfe bei der Durchsetzung seiner Thronansprüche zu ersuchen, bringt er erneut den arthurischen Trumpf ins Spiel, der – wiederum ähnlich wie im Tristanroman – dem Triumph des Körpers ein Ende setzt. Die satirischen Bemerkungen Chrétiens über byzantinische Sitten am Schluss des Romans zeigen im Übrigen, dass für einen solchen Triumph nur unter quasi mythischen Ausnahmebedingungen Platz ist. Im Tristan wie im Cligés ist die Dichotomie von magisch-mythischer und realer Welt an das Motiv des Voyeurismus gebunden; das damit verbundene Sehtabu könnte man im Sinne der ideologiekritischen Voyeurismus-These von Kathryn Gravdal in ihrem Buch über Phantasma und Realität der Vergewaltigung auch auf die arthurische Gattung als solche beziehen. Gravdal hat den halbnackten Körper Enides in Chrétiens Erec als emblematischen Ausdruck einer tieferen Ambivalenz von Verhüllen und Offenbaren, Tabu und Transgression gedeutet.46 Die klassische Artusdichtung, die sozialpsychologisch – Erich Köhler folgend – als Produkt der Sublimierung und Verdrängung verstanden werden kann, kennt daher nur die allusive Form der Nacktheit. Bezeichnenderweise bestimmt das Motiv
|| 46 Vgl. Kathryn Gravdal, Ravishing Maidens. Writing Rape in Medieval French Literature and Law, Philadelphia 1991, 58.
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der Nacktheit dagegen gerade zwei Beispiele, die zwar oberflächlich ›arthurisch‹ sind, die Gattungstradition jedoch parodistisch oder ironisch relativieren: den halb burlesken Gauvain-Roman Le Chevalier à l’épée und die Dornröschen-Episode im Roman de Perceforest. Beide Beispiele bestätigen die These, dass erotische Nacktheit nur an den Rändern des arthurischen Gattungssystems zu finden ist. Der Kurzroman Le Chevalier à l’épée, der mit dem ironischen Tadel an Chrétien, Gauvain vergessen zu haben, einsetzt, beschreibt ein missglücktes Liebesund Eheabenteuer Gauvains unter deutlich misogynen Vorzeichen, die von vornherein eine positive Wertung der Nacktheit ausschließen.47 Freilich scheint die Forschung mit dieser wenig anfangen zu können. Keith Busby vermerkt lediglich »a few licentious overtones«48 und legt ein »fabliau-like innuendo«49 im zweiten Teil der Erzählung nahe. Der Kurzroman als solcher aber nähert sich, anders als die Herausgeber Johnston und Owen betonen,50 einem höfischen Fabliau, mit dem der Verfasser erheblich von dem Vorbild Chrétiens abweicht. Die Handlung wird in gewisser Weise zum grotesken ›Traum‹, aus dem der Held am Ende gleichsam folgenlos an den Artushof zurückkehrt. Der Text beschreibt statt einer ersten Aventüre den zufälligen Ausritt des Helden aus Cardoil: Conment il en desduit ala, Et puis comment il esgara En la forest por un pensé (V 91–93). Wie er so freudig dahinging und wie er sich durch Sinnen im Wald verirrte.
In diesem Fall unterstreichen die märchenhaften Elemente eben nicht die arthurischen Konventionen, sondern bezeichnen im Gegenteil den Abstand zur arthu-
|| 47 Simon Gaunt, Gender and Genre in Medieval French Literature, Cambridge 1995 (Cambridge Studies in French 53), 115–21, hier: 121, interpretiert den Text – etwas verkürzt – im Kontext der Frauenrolle im höfischen Roman und des höfischen »fear of female power« gepaart mit männlicher Ohnmacht. 48 Keith Busby, Gauvain in Old French Literature, Amsterdam 1980 (Degré second 2), 252. 49 Ebd., 255. 50 Benutzte Ausgabe: Two Old French Gauvain Romances: Le Chevalier à l’Epée and La Mule sans frein, mit Einführung, Anmerkungen und Glossar hrsg. von Ronald C. Johnston und Douglas D. D. R. Owen, Edinburgh, London 1972. Der Roman, ebenso wie La Mule sans frein, »lie [...] directly downstream from Chrétien’s later romances and follow a current of burlesque that he himself had initiated« (›Introduction‹, 7). Vgl. dazu Busby (wie Anm. 48), 248–57. Heinz Klüppelholz, ›Die Idealisierung und Ironisierung des Protagonisten in den altfranzösischen GauvainRomanen‹, GRM 44 (1994), 18–36, geht leider gerade auf Le Chevalier à l’épée nicht weiter ein und bescheinigt diesem lediglich einen »misogynen Zug« (26), der Zweifel an den erotischen Qualitäten des Helden wecken solle.
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rischen Welt: Der Held verirrt sich, gelangt zu einem prächtigen Schloss mitten im Wald und erhält, gleichsam als erotisches Gastgeschenk, eine Liebesnacht mit der Tochter des Schlossherrn, die »Si s’est lez lui cochiee nue« (V. 516) und ihn die ganze Nacht erotisch verwöhnen soll. Erst als Gauvain auch den Liebesakt vollziehen will, macht sie ihn auf die perverse coutume des über ihnen hängenden Schwertes aufmerksam, dem schon viele ihrer Liebhaber zum Opfer gefallen seien. Die ungehinderte Nacktheit ist also mit einem Tabu verknüpft, in dem Epiphanie und Tod virtuell zusammenfallen. Das Sehen spielt dabei eine ganz besondere Rolle, schärft der Vater doch der Tochter ausdrücklich ein, das Licht in der Nacht nicht zu löschen. Es ist, als wollte der Vater, der die Tochter als erotischen Lockvogel benützt, sich par procuration selbst an deren nackter Schönheit, vielleicht sogar am dem Anblick der beiden nackten Liebenden, ergötzen: Mes d’itant vos voie chastoier Que les cierges nen estaingniez, Que j’en seroie mout iriez. Jo voil, por ce l’ai conmandé, Qu’il voie vostre grant biauté Quant vos giroiz entre ses braz, Si en avra graignor solaz, Et que vos veoiz son gent cors. (V. 504–11) Doch möchte ich Euch gleich einschärfen, dass Ihr die Kerzen nicht löscht, worüber ich sehr verärgert wäre. Ich will, so habe ich es befohlen, dass er Eure große Schönheit sieht, wenn Ihr in seinen Armen liegt, und so noch größere Lust verspürt, und dass Ihr seinen edlen Leib seht.
Der nackte erotische Körper wird zum Schau- und Imaginationsobjekt, an dem der Vater zunächst seine eigenen voyeuristischen und inzestuösen Phantasien51 auslebt, um dann selbst das verhinderte Liebespaar in ihrer Kammer zu überraschen. Die erotische Prüfung ersetzt im Übrigen in ironischer Weise die ritterliche Bewährung: »Savez conment j’é esprovez / Trestoz les chevaliers do mont / Qui aventures querre vont?« (V. 752–54), klärt der Schlossherr den Helden auf, der auf das Angebot, mit der Frau auch das Schloss zu übernehmen, verzichten wird und wenig später erleben muss, wie die ihm eben angetraute Frau ihn zugunsten eines fremden Ritters verlässt. Die perverse Aventüre unterstreicht die Tabuisierung der vollkommenen, durch die Schaulust überhöhten Nacktheit, welche eine Art Pornographisierung des Artusromans bewirkt. Zugleich könnte man die Epi|| 51 Zu diesem Motiv vgl. Claude Roussel, ›Aspects du père incestueux dans la littérature médiévale‹, in: Danielle Buschinger und André Crépin (Hrsg.), Amour, mariage et transgressions au Moyen Âge. Actes du colloque des 24, 25, 26 et 27 mars 1983, Göppingen 1984 (GAG 420), 47–62.
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sode als mise en abyme der kritischen Herausforderung der Gattung Artusroman durch eine quasi experimentell arrangierte ›Nacktheitsprobe‹ verstehen. Noch in der ironischen Infragestellung aber bewährt sich das Ethos der Gattung; zwar bewahrt Gauvain gegenüber der aufdringlich verliebten demoisele seine – keineswegs über alle Versuchungen erhabene – Tugend nur gegen seinen Willen. Der Ausgang der eher grotesken Episode unter Zurücklassung des Liebesobjekts scheint aber doch den Sieg der Gattung über den Versuch der parodistischen Infragestellung52 zu dokumentieren. Die virtuell inzestuöse Komponente der hier zur Schau gestellten Nacktheit kennzeichnet auch die erste schriftlich überlieferte Variante des Dornröschenstoffs im Roman de Perceforest.53 Die Suche des jungen Troylus nach der verlorenen Geliebten Zellandine führt diesen in einen tiefen Wald und zu einem hohen Turm, in dem der Vater das in einen todesähnlichen Schlaf gefallene Mädchen nackt aufgebahrt hat. Er hat sich damit zum Hüter und Herrn des Liebesobjekts gemacht, das er eifersüchtig bewacht. Troylus wird von dem Wundervogel Zephyr (der aus dem Märchen von Amor und Psyche stammt) in die Schlafkammer getragen und vereint sich, von Venus selbst dazu ermuntert, mit der schlafenden Geliebten. Wiederum wird die nackte Geliebte zum Schauobjekt, dessen Faszination durch die scheinbare Todesstarre noch erhöht wird. Elizabeth Bronfen hat das Motiv des toten weiblichen Körpers in Kunst und Literatur des Abendlandes verfolgt.54 Die Szene im Perceforest, die die genannte Tradition vorwegzunehmen scheint, fungiert dabei zugleich als Epiphanie und als Tabuverletzung: Troylus zieht die Vorhänge des Bettes zurück, et vey illecq gisant la personne du monde qu’il aimoit le mieulx, toute nue, pourquoy le cuer et les membres lui attenrirent, tellement qu’il fut constraint de soy seoir sur l’esponde du lit (289).
|| 52 Es verwundert nicht, dass auch in dem parodistischen Roman Hunbaut (13. Jh.) – Marie-Luce Chênerie, Hunbaut, in: Danielle Régnier-Bohler (Hrsg.), La Légende arthurienne, Paris 1989, 533–82, spricht von »tout un courant héroï-comique dans le roman arthurien en vers du XIIIe siècle« (535f.) – gleich zweimal von einer nackten Bettgespielin die Rede ist. Nicht parodistisch, doch ebenfalls untypisch ist Le Chevalier as deus espées (Anfang 13. Jh.), in dem das Motiv im Übrigen folgenlos bleibt. 53 Die nicht als geschlossene Erzählung überlieferte Geschichte ist abgedruckt bei Jeanne Lods, Le roman de Perceforest. Origine, Composition, Caractères, Valeur et influence, Genf, Lille 1951 (Publications romanes et françaises 32), Appendice, 283–95. Vgl. dazu v. a. Jacques Barchilon, ›L’histoire de La Belle au bois dormant dans le Perceforest‹, Fabula 31 (1990), 17–23, sowie Esther Zago, ›Some Medieval Versions of Sleeping Beauty: Variations on a Theme‹, Studi francesi 69 (1979), 417–31. 54 Vgl. Elisabeth Bronfen, Nur über ihre Leiche. Tod, Weiblichkeit und Ästhetik, übers. von Thomas Lindquist, München 1994 (engl. Original Manchester 1992).
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und da lag die Person, die er am meisten auf der Welt liebte, ganz nackt, weshalb ihm Herz und Glieder erzitterten, so dass er sich auf den Bettrand setzen musste.
Vor der Liebesvereinigung steht das voyeuristische Staunen. Entscheidend ist jedoch, dass die mythologische Einbettung des Märchenstoffs im Rahmen des nur noch vage arthurischen Geschichtsromans für die Ironisierung des Unerhörten sorgt. Die Transgression des Liebesverbots setzt das – pervers konnotierte – väterliche Gesetz außer Kraft. Ähnlich wie im Cligés bezeichnet die erotische Nacktheit selbst die Überwindung illegitimer Herrschaft und die Epiphanie der Wahrheit und hat wenig mit dem arthurischen Sagenkreis zu tun. Erst im Laufe des umfangreichen Romans wird sich zeigen, dass diese Wahrheit mit einer geschichtsphilosophischen Konstruktion der englischen Besiedlungsgeschichte zwischen Alexander dem Großen und dem Artusreich verbunden ist und – avant la lettre – aufklärerische Konnotationen trägt.55 Das Stichwort ›Perversion‹ gibt Gelegenheit, an eine phantasmagorische Szene des Livre de Caradoc (in der Continuation Gauvain)56 zu erinnern, in der die erotische Nacktheit in einer perversen Erlösungszeremonie zum Lockpfand einer begehrenden Schlange wird. Nicht um Parodie, sondern um den Sündenfall der arthurischen Welt geht es in diesem Roman, in dem die Erlöserin zugleich die Züge Evas trägt. Die in der Handlung getilgte sexuelle Bedeutung des Begehrens wird so über den Umweg des diabolischen Schlangenmotivs doch noch restituiert, zugleich aber die arthurische Gattung als solche von dem Unsagbaren entlastet. Caradoc Briebras, aus der ehebrecherischen Liebe zwischen dem Zauberer Eliavrés und Ysave, der Nichte Arthurs, hervorgegangen, hat die Rechte seines ›offiziellen‹ Vaters, Caradoc de Vannes, gegen den Zauberer verteidigt und das Verhältnis der Mutter entlarvt. Zur Strafe hat sich auf Wunsch der Mutter und Betreiben des Zauberers eine Schlange in den rechten Arm des Helden verbissen, die nur durch das Opfer einer Jungfrau entfernt werden kann. Guinier, die Braut Caradocs, ist zu diesem Opfer bereit. Die Liebesprobe, die deutliche Parallelen zu Hartmanns Der Arme Heinrich aufweist, trägt innerhalb der Liebe- und TreueThematik des Romans die Züge eines Exempels: Das Opfer Guiniers soll alle ›fal-
|| 55 Vgl. dazu in funktionsgeschichtlicher Perspektive Friedrich Wolfzettel, Le Conte en palimpseste. Studien zur Funktion von Märchen und Mythos im französischen Mittelalter, Stuttgart 2005, Kap. 7: »La Belle Endormie: le conte merveilleux populaire mis au service des idéologies courtoises« (114–35). 56 Benutzte Ausgabe: The Continuations of the Old French Perceval of Chrétien de Troyes, Bd. 2: The First Continuation, Redaction of Mss E M Q U, hrsg. von William Roach und Robert Henry Ivy, Philadelphia 1965 (Romance Languages and Literatures 10). Es handelt sich um den ausführlichen Text der Handschrift E.
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schen Liebenden‹ mit Scham erfüllen. Der Freund Caradocs und Bruder Guiniers, Cador, überredet den dahinsiechenden Liebenden, der sich in eine Waldeinsiedelei geflüchtet hat, diese Probe zuzulassen, und daraufhin wird ein magisches Arrangement inszeniert: Bei Vollmond muss Caradoc sich bis zum Hals in einen mit Essig gefüllten Bottich knien, während Guinier daneben, »tote nue sans plus d’error« (V. 11460), in einen Milchzuber steigt, von dem aus sie die Schlange ermuntert, sich an ihrer rechten Brust festzubeißen. Die Nacktheit des Mannes ist verborgen, die der Jungfrau offenbar. Die erotische Szene der nackten Heldin, welche die Aufmerksamkeit auf ihre weißen Brüste und ihr – im Vergleich zu Caradoc – weiches Fleisch zieht, erfährt eine besondere Steigerung durch die liturgischen Gesänge der dem Ereignis beiwohnenden Einsiedler, die Gott um ein Wunder anflehen. Ähnlich wie in manchen weiblichen Heiligenlegenden, die sich durch erotische Überdeterminierung auszeichnen,57 dient die gesteigerte Erotik scheinbar dazu, die mehr als latente Sexualität zu entschärfen, die in der Lockwerbung der pucele an die Schlange zum Ausdruck kommt.58 Und ebenfalls in Analogie zur hagiographischen Tradition ist der anschließende Schlangenbiss als »contemplation of violence against the female body«59 zu verstehen. Doch zunächst zum Körper, der sich selbst zum Schauobjekt machenden Heldin: Car esgarde or mes mamelles, Com sont blanches, tandres et beles, Esgarde ma blanche poitrine Qu’est plus blanche que flor d’espine. (V. 11475–78) Betrachte jetzt doch meine Brüste, wie weiß, zart und schön sie sind, betrachte meine weiße Brust, die weißer ist als eine Weißdornblüte.
Und weiter, mit ironischem Verweis auf die Magerkeit und Unattraktivität des ausgemergelten Körpers von Caradoc: Vien t’an a moi et si te pran. [...] Car je suis blanche, grasse et tandre. Bien te porras an moi antandre. (V. 11484–90) Komm zu mir und mach dich daran. [...] Denn ich bin weiß, weich und zart. Gut kannst du dich auf mich einlassen.
|| 57 Vgl. Gaunt (wie Anm. 47), 213. 58 Vgl. Matilda Tomaryn Bruckner, ›Rewriting Chretien’s Conte du Graal – Mothers and Sons: Questions, Contradictions, and Connections‹, in: Douglas Kelly (Hrsg.), The Medieval Opus. Imitation, Rewriting, and Transmission in the French Tradition, Amsterdam, Atlanta/GA 1996 (Faux Titre 116), 213–44, hier: 237. 59 Gravdal (wie Anm. 46), 197.
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Matilda Tomaryn Bruckner hat auf die typologische Dialektik dieser Szene zwischen Versuchung und Erlösung, Prostitution und Selbstopfer, aufmerksam gemacht. Gegenüber der lasterhaften Mutter Caradocs vertritt die jungfräuliche Heldin als neue nackte Eva zugleich eine erlösende, Muttergottes-ähnliche Rolle: A virginal Guignier immersed in milk appears as the very image of the good mother, pure and white, who will fool the snake eager to suck at her breast and give Caradoc a new life 60 at the very moment when he was about to die, sucked by the evil mother’s serpent.
Eben die ambivalente Dialektik der Nacktheit scheint jedoch für den Artusroman charakteristisch. Die strahlende Nacktheit der sich zugleich opfernden und anbietenden Heldin soll gerade nicht als solche zum Sieg gelangen. Guiniers Bruder wird mit dem ›nackten Schwert‹ die Schlange von der Brust der Schwester trennen und dabei eine Brustwarze abschlagen, die später durch eine goldene Spitze ersetzt werden wird. Die ritterliche Geste eliminiert nicht nur das Böse an sich, sie straft symbolisch auch die opferbereite Nacktheit. Auch der durch die Schlange geschädigte Held – mit dem sprechenden Beinamen Briebras – wird die Folgen der Verstümmelung seines Arms zu tragen haben. Der künstliche bzw. der lädierte Körper sind die Folgen einer symbolischen Kastration, welche keine erlöste Nacktheit zulässt. Die an den nackten Brüsten festgebissene Schlange ist eines der beunruhigendsten Bilder des Mittelalters für die durch den Sündenfall vergiftete Nacktheit, die gerade im Artusroman eine besondere Gattungssymbolik impliziert. Nicht zufällig wird der Roman in dem bekannten Motiv der magischen Treueprobe (aus dem Lai du Cor) enden und so die in der Haupthandlung durchgespielte Problematik des Verlusts der arthurischen Tugenden abschließend noch einmal zur Frage stellen. Wie sehr die mit Sexualität konnotierte Nacktheit zugleich mit grotesker Animalität konnotiert ist, hatte zuvor bereits die Strafe des Königs an dem ehebrecherischen Eliavrés gezeigt, der nacheinander mit einer Windhündin, einer Sau und einer Stute koitieren musste. Das folkloristisch mythische Motiv der sexuellen Inbesitznahme des Universums wird zum schimpflichen Ausdruck der Entmenschung. Die ›sublime‹, aber im Ehebruch der Frau unterlegene Vaterfigur siegt so zuletzt über den stärkeren, aber tierischen Vater, dem Caradoc das Leben, doch nicht seinen Namen verdankt.61
|| 60 Bruckner (wie Anm. 58), 237. 61 Vgl. Michelle Szkilnik, ›Les deux pères de Caradoc‹, BBSIA 40 (1988), 268–86.
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3 Wie sich arthurische und nicht-arthurische Inszenierung der erotischen Nacktheit unterscheiden, mag an zwei motivisch verwandten Beispielpaaren veranschaulicht werden. In dem einen Fall geht es um die Begegnung mit der lockenden Fee in der Lanval-Graelent-Gruppe. Ebenso wie Guingamor hat Jean-Claude Aubailly die beiden Lais in tiefenpsychologischer Perspektive als Jenseitswanderungen begriffen, in denen die Fee jeweils die Rolle der anima und Mittlerin übernimmt und den jungen Helden aus der ödipalen Verstrickung der zudringlichen Königin herausführt.62 Letztere, »image de la Mère qui est la première projection de l’Animus«,63 verweise auf die ursprüngliche Krise des Helden, dessen Erwachsenwerden die vorübergehende Flucht aus der Gesellschaft und die mythische Initiation durch die anima-Fee einschließt. Nach der eingangs genannten Typologie von Danielle Régnier-Bohler gehört die Erzählung zu den Beispielen glücklicher weiblicher Nacktheit in den »récits à coloration matriarcale«.64 Die von Graelent nackt in einer Quelle erspähte Fee repräsentiert ebenso wie die Fee Lanvals die spätere Gabenfülle. V. a. im Graelent verweist die Nacktheit aber zugleich auf jene Anderwelt, deren Grenze in dem Motiv der gefährlichen Quelle angedeutet ist und in die der Held am Ende entführt werden wird. Die Flucht in die Anderwelt ist in beiden Lai-Versionen ähnlich. Auffällig ist nur, dass Marie de France mit dem Putiphar-Motiv der liebenden und eifersüchtigen Königin das mythische Motiv des Schönheitswettbewerbs in Graelent psychologisiert. Was immer das vom König anlässlich dieser merkwürdigen Zeremonie befohlene Ablegen des Kleides der Königin (V. 434) bedeuten mag, deutlich ist, dass zwischen der heimlich erspähten Nacktheit der Fee in der Quelle und der öffentlich inszenierten Zurschaustellung der Königin eine symmetrische Beziehung besteht. Im Sinne der genannten Typologie von Régnier-Bohler werden mithin ursprüngliche mythische Nacktheit und gesellschaftlich objekthaft verdinglichte ›Nacktheit‹ miteinander kontrastiert. Aubailly hat daher bei Marie de France zu Recht von einem Versuch gesprochen, den mythischen Subtext zu rationalisieren und zu okkultieren.65 Er schließt sich damit auch der Auffassung von William C. Stokoe an, der von der Priorität des anonymen Lais und seiner Adaptation durch die höfische Autorin ausgegan-
|| 62 Vgl. Jean-Claude Aubailly, La fée et le chevalier. Essai de mythologie de quelques lais féeriques des ΧΙIe et XIIIe siècles, Paris 1986 (Essais 10), 71ff. 63 Ebd., 78. 64 Régnier-Bohler (wie Anm. 5), 54. 65 Vgl. ebd., 79.
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gen war.66 Doch hat Jean Frappier die Frage der Chronologie für letztlich sekundär erklärt; entscheidend ist für ihn, que »Graëlent et Guingamor restent fidèles à des formes archaïques du mythe qu’en aucune façon leurs auteurs n’ont pu emprunter à Marie de France«.67 An die Stelle der klaren linearen Symbolstruktur in Graelent tritt die bipolare Struktur des Lai de Lanval, dessen Funktion als »Problemmärchen« (im Sinne Leo Spitzers)68 durch das Schema der individuation nicht mehr hinreichend erfasst wird. Der Komplexitätsgewinn ist also offensichtlich durch die Tilgung wichtiger ursprünglicher Textsignale erkauft. Der Lai de Graelent konfrontiert den Helden mit der erotischen Nacktheit der Fee und verbindet diese Nacktheit zudem mit der Jagd auf die weiße Hirschkuh, das Alter Ego der Fee, und den traditionellen Motiven von Wald und Quelle. Die ritualisierte Szene bleibt trotz allem im Rahmen des u. a. von Pierre Gallais untersuchten Motivs der Feenquelle,69 die dem niedergeschlagenen Helden neue Kraft zu verleihen scheint und mit naturhafter Regeneration konnotiert ist. Die Begegnung mit der Nacktheit ist so auch eine Begegnung mit dem Ursprung.70 Anders im Lai de Lanval, der das höfische Ambiente in die Natur verpflanzt und das Motiv der Fruchtbarkeit durch das des plötzlichen Reichtums ersetzt. Marie de France situiert die erotische Mittagsvision Lanvals bekanntlich in einem hortus conclusus-ähnlichen Zwischenbereich von Wiese und Wald und rahmt die Begegnung durch höfische Konnotationen der Kostbarkeit und der indirekten erotischen Verlockung. Die zwei demoiseles, die in Graelent am Quellenrand sitzen,71 kommen hier auf den Helden zu; die eine trägt eine goldene Schale, die andere ein Tuch, was wohl eine rituelle Waschung andeutet. Die Fee selbst ruht bei einem kostbaren Zelt, nur mit einem Hemd bekleidet – »En sa chemise senglement« (V. 99) –, doch mit entblößter Brust und Seite – »Tot ot descovert le costé, / Le vis, le col e la peitrine« (V. 104f.).72
|| 66 Vgl. William C. Stokoe, ›The Sources of Sir Launfal: Lanval and Graelent‹, PMLA 63 (1948), 392–404. 67 Jean Frappier, ›A propos du lai de Tydorel et de ses éléments mythiques‹, in: ders., Histoire, mythes et symboles. Etudes de littérature française, Genf 1976 (Publications romanes et françaises 137), 219–44, hier: 236, Anm. 50. 68 Vgl. Leo Spitzer, ›Marie de France, Dichterin von Problem-Märchen‹, ZrP 50 (1930), 29–67. 69 Vgl. Pierre Gallais, La Fée à la Fontaine et à l’arbre, un archétype du conte merveilleux et du récit courtois, Amsterdam, Atlanta/GA 1992 (CERMEIL 1), v. a. 55ff. 70 Benutzte Ausgabe: Les Lais anonymes des XIIe et XIIIe siècles, hrsg. von Prudence Mary O’Hara Tobin, Genf 1976 (Publications romanes et françaises 143), 83–125. 71 Vgl. V. 208–16: »devers le sors d’une fontaine, / dont l’iaue estoit clere e bele. / Dedens baignoit une pucele; / dex damoiseles le servoient, / sor l’eur de la fontainne estoient. / Li drap dont ele est despoulie / erent dedens une foillie. / Graelens a celi veüe / qui en la fontainne estoit nue.« 72 Benutzte Ausgabe: Les Lais de Marie de France, hrsg. von Jean Rychner, Paris 1966 (Les Classiques français du Moyen Âge 93).
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Mit dieser preziös zur Hälfte versteckten Nacktheit wird sie so zum Gegenbild der naturhaften, durch die Hirschkuh auch animalisch konnotierten Nacktheit der Fee Graelents, die ihre Abkunft von den irischen Schwanenjungfrauen nicht verleugnen kann. Der Lai de Graelent stimmt in dieser Hinsicht übrigens mit dem Szenario im Lai de Désiré überein. Die Poetik mythischer Unmittelbarkeit in den nicht-arthurischen Erzählungen wird mithin in dem höfisch-arthurischen Ambiente des Lai de Lanval durch eine Poetik der Vermittlung ersetzt, welche die vollständige Nacktheit nicht zuzulassen scheint. Dem Motiv der Jagd entspricht in Graelent das Motiv der Vergewaltigung, dem freilich alsbald Eheversprechen und Versöhnung folgen. Die arthurisierte Fee hingegen schenkt sich dem Geliebten freiwillig, nachdem sie alle Vorbedingungen für eine erfolgreiche Verführung geschaffen hat; anders als die Fee Graelents folgt sie einem höfischen Kodex: »S’amur e sun cors li otreie« (V. 133). Die Geschlechterrollen sind vertauscht, ja in gewisser Weise schlüpft die Fee selbst in die Rolle der verführerischen Muttergeliebten, die in Graelent und Guingamor den Ausgangspunkt des Individuationsprozesses bildet. Nacktheit, Offenheit, Natürlichkeit und v. a. psychologischer Fortschritt stehen so bei Marie de France einem fundamental statischen Fall inszenierter und kunstvoll vermittelter Erotik gegenüber, die keine psychologische Entwicklung gestattet und die Motivik des Natürlichen durch die des Reichtums und der ostentatorischen Verschwendung ersetzt. Mit Blick auf die keltische These von Tom Peete Cross73 hat Jean Frappier Schale und Tuch der beiden demoiseles seinerzeit als »›reliquat‹ de la scène du bain nu«74 gedeutet, das ursprünglich die erotische Begegnung rahme. Jacques Ribard hat in seinem »essai d’interprétation polysémique«75 des Lai de Lanval als Grundproblem die unfruchtbare Opposition zwischen der einsamen Welt des Protagonisten und der kollektiven Welt des Artushofes geltend gemacht; die Flucht Lanvals ebenso wie die Graelents in die Jenseitswelt der Fee indiziert die unmögliche Beziehung zwischen beiden Sphären und fungiert als Ausdruck einer blockierten psychischen Situation. Das Motiv des Schönheitswettbewerbs in Graelent demonstriert aber die Überlegenheit der mythisch erotischen Feenwelt über die exhibitionistische Eitelkeit des Hofes, die der ihrerseits exhibitionistischen Erotik der Fee in Lanval merkwürdig nahe kommt. In der halb verhüllten, erotisierten Form reich verkleideter Nacktheit bleibt die solipsistische Phantasie des Helden
|| 73 Vgl. Tom Peete Cross, ›The Celtic Elements in the Lays of Lanval and Graelent‹, Modern Philology 12 (1915), 585–644. 74 Frappier (wie Anm. 67), 236. 75 Jacques Ribard, ›Le Lai de Lanval: essai d’interprétation polysémique‹, in: FS Jeanne Wathelet-Willem, Liège 1978, 529–44.
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den äußerlichen Werten des Hofes verbunden, an denen er schließlich scheitert: »cette renaissance, au sens étymologique du terme«, kommentiert Michèle Koubichkine die Verquickung von Erlösung und Zwang, »porte en germe des risques d’anéantissement.«76 Die partielle Nacktheit der erotischen Fee hat alle mythischen Kennzeichen eingebüßt und fungiert in widersprüchlicher Weise als Synekdoche des nackten Körpers und als Metonymie des reichen Kleiderschmucks, der die natürliche Nacktheit doch wieder verdeckt und vermittelt. Die höfisch-arthurische Adaptation des folkloristischen Materials nimmt bereits neuzeitliche Formen ›erotischer‹ Mediatisierung vorweg. Das zweite Beispiel betrifft das geläufige Motiv der nächtlichen erotischen Initiation. Sowohl die Liebesszene zwischen Melior und Partonopeu im Partonopeu de Blois als auch die beiden Besuche von Guinglain bei der Fee as Blanches Mains auf der Ile d’Or im Bel Inconnu situieren sich in einer mythischen Anderwelt, die die Nacktheit als Tabubruch ausweist. Ähnlich wie in den oben behandelten Lais scheint dennoch ein wesentlicher Unterschied zwischen dem mythisch-märchenhaften Dekor des byzantinischen Romans,77 der den passiven, erotisch beschenkten jungen Helden herausstellt, und dem Feenambiente des arthurischen Romans zu bestehen, der den suchenden und frustrierten Helden thematisiert. Wie im Cligés ist die erotische Transgression an das byzantinisch orientalische Ambiente gebunden.78 Kennzeichnend ist bereits die geschlechtsspezifische Verteilung der Rollen. Während die nächtliche Liebesszene im Partonopeu, Catherine Gaullier-Bougassas zufolge »l’une des premières scènes érotiques du genre romanesque en français«,79 die sexuelle Initiation dem byzantinischen roman idyllique entsprechend auf beide enfants bezieht, so dass die Beinahe-Vergewaltigung der jungen Fee erst im Nachhinein in einen Liebespakt, freilich mit Sehtabu, mündet, bleibt die entsprechende arthurische Szene wiederum durch das Motiv der verschleierten, erotisch vermittelten und lange hingehaltenen Verführung der überlegenen Fee bestimmt. Interessanterweise ist die Nacktheit Meliors, deren nächtliche Begegnung mit Partonopeu nicht ohne humoreske Züge geschildert wird, zunächst eine gefühlte Nacktheit: »Tant l’a soëf et cras trové /
|| 76 Beide Zitate Michèle Koubichkine, ›A propos du Lai de Lanval‹, Le Moyen Age 78 (1972), 467– 88, hier: 475. 77 Vgl. dazu Helaine Newstead, ›The Traditional Background of Partonopeus de Blois‹, PMLA 61 (1946), 916–46, und v. a. Gallais (wie Anm. 69), 73ff. 78 Zu dieser Verknüpfung von Erotik und Orient vgl. Catherine Gaullier-Bougassas, La tentation de l’Orient dans le roman médiéval. Sur l’imaginaire médiéval de 1’Autre, Paris 2003 (Nouvelle Bibliothèque du Moyen Âge 67), 57ff. und 84–89. 79 Ebd., 59.
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que tot en a le sens müe« (V. 1275f.),80 heißt es, bevor von den geraubten »flors del pucelage« (V. 1304) die Rede ist; und im Zusammenhang mit dem an Amor und Psyche erinnernden Schautabu sagt dann die längst versöhnte Heldin: De moi ferés vostre delit; Cascune nuit tot a loisir Me porés avoir et sentir, Mais ne vorroie estre veüe (V. 1444–47) Nehmt Eure Lust an mir; jede Nacht könnt Ihr mich nach Belieben haben und fühlen, doch will ich nicht gesehen werden.
Abgesehen von dieser Abwandlung des Tabumotivs ist eine gewisse Analogie zum Lai de Graelent unübersehbar. Trotz des betont mythisch-märchenhaften Dekors – Zaubernachen, verlassener Märchenpalast und Tischlein-deck-dich-Effekt – betont der Autor gerade nicht die anderweltlichen, sondern die natürlichen Umstände der sexuellen Begegnung, die als entscheidender Beginn der Initiation des noch unerfahrenen enfant fungiert. Das mythische Ambiente dient allein als Schutzraum der angedeuteten Nacktheit, die nicht beschrieben zu werden braucht. »Mais ne vorroie estre veüe« – der Satz der Heldin könnte auch als Verweigerung eines Voyeurismus verstanden werden, der im Bel Inconnu eine Erotik der Frustration und der missglückten Individuation signalisiert. Während nämlich die Entdeckung der Nacktheit im byzantinischen Roman den Weg zu den weiteren Abenteuern des Erwachsenwerdens bis zum schließlichen Happy End weist, bleibt der ›schöne Unbekannte‹ bekanntlich – nicht unähnlich Lanval zwischen der Fee und der Königin – zwischen den widerstrebenden Loyalitäten zur Fee as Blanches Mains und zur Blonde Esmeree gefangen, und nichts deutet darauf hin, dass der erotische Konflikt nach den archetypischen Gesetzen einer ritterlichen enfance gelöst werden kann. Wiederum übernimmt die sich zugleich anbietende und verweigernde Fee ähnlich wie im Lanval auch eine mütterliche Rolle, welche die Liebe in ein inzestuöses Licht rückt. Schließlich klärt sie ja den Helden über seine Mutter, die Fee Blancemal, auf, deren Name nicht zufällig ihrem eigenen ähnelt.81 Das Erwachen des Helden nach seiner zweiten Begegnung mit der Feengeliebten wird daher einer Vertreibung aus dem unmöglichen Paradies (V. 5397) gleichen
|| 80 Benutzte Ausgabe: Partonopeu de Blois. A French Romance of the Twelfth Century, hrsg. von Joseph Gildea, 2 Bde., Villanova/PA 1967/1970. 81 Zu einer psychoanalytischen Deutung vgl. das Nachwort von Felicitas Olef-Krafft zu der von ihr besorgten deutschen Ausgabe: Renaut de Beaujeu, Der schöne Unbekannte. Ein Artusroman, aus dem Altfranzösischen übers. von Felicitas Olef-Krafft, mit 8 Miniaturen, Zürich 1995, 219–49.
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und die Entlassung in ein betont glückloses Happy End sozialer Integration am Artushof einleiten.82 Die gegenseitige Schaulust – »L’uns l’autre molt volentiers voit« (V. 2428)83 – ist mithin weniger Ausdruck geglückter Sexualität als ein Ersatz für diese selbst. Die partielle Entblößung des weiblichen erotischen Körpers wird dabei durch das Motiv der Verhüllung und Verschleierung wieder zurückgenommen, und das formelhafte »nu a nu« (V. 2435) scheinbarer Unmittelbarkeit bleibt durch die Erwähnung des Hemdes – »que rien n’i avoit / Entr’els, non plus que sa cemisse« (V. 2436f.) – dennoch durch das écran-Motiv mediatisiert. Das erotische Signal des aufgelösten Haars – »Sans guinple estoit, eschevelee« (V. 2395) – steht im Kontrast zu dem Reichtum des mantiel mit Hermelinpelzbesatz und dem Gold der Schnallen; die Keuschheit des weißen Hemdes verdeckt nicht zur Gänze die Körperformen mit dem noch weißeren Fleisch: Les ganbes vit, blances estoient, Qui un petit aparissoient; La cemisse brunete estoit Envers les janbes qu’il veoit. (V. 2411–14) Er sah die Beine; sie waren weiß und waren etwas sichtbar; das Hemd war, wie er sah, zwischen den Beinen bräunlich.
Nur ›ein wenig‹ sind die Schenkel sichtbar, während sich das dunkle Geschlecht unter dem Hemd abzeichnet und dessen Weiß in Braun verwandelt. Das nicht weniger als dreimal genannte Hemd wird hier zum Symbol des Schirms, der sich zwischen den nackten Körper und den sehnsüchtigen Liebenden schiebt und Schaulust zum Ersatz für die unmögliche Unmittelbarkeit der Befriedigung macht. Nicht zufällig wird in der Liebesszene des zweiten Inselbesuchs, als sich die Fee dem Geliebten endlich hingibt, von all dem deskriptiven Aufwand des ersten Teils nicht mehr die Rede sein. Freilich liegt dazwischen auch die Erlösungsszene im Schloss der Blonde Esmeree. Der erotisierte Drachen, der den Helden mit seiner vorgestreckten Zunge küssen will, ist aber das märchenhafte Pendant der
|| 82 Vgl. Alain Guerreau, ›Renaud de Βâgé: Le Bel Inconnu. Structure symbolique et signification sociale‹, Romania 103 (1982), 28–82, und Jeanne Lods, ›Le baiser de la reine et le cri de la fée. Étude structurale du Bel Inconnu de Renaut de Beaujeu‹, in: FS P. Jonin, Aix-en-Provence 1979 (Sénéfiance 7), 413–26. Gaunt (wie Anm. 47), 103–13, spricht in genderspezifischer Perspektive von einem Konflikt zwischen dem männlich konnotierten Machtbereich der höfischen Gesellschaft und der antisozialen Sphäre individuellen Begehrens. 83 Benutzte Ausgabe: Renaut de Beaujeu, Le Bel Inconnu, hrsg. von G. Perrie Williams, Paris 1929 (Les Classiques français du Moyen Âge 38).
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Animalität und Nacktheit, die durch die Entzauberung symbolisch überwunden wird. Es gibt keine Epiphanie der Nacktheit in diesem erotischen Roman eines Manns zwischen zwei Frauen. Hat sich die verführerische Halbnackte dem Helden entzogen, so lernt er danach nur die schreckliche, tierische Seite der Nacktheit kennen, die es zu überwinden gilt. Zwischen Verlockung und Diabolisierung hat die Nacktheit im Zivilisationsprojekt ›Artusroman‹ offensichtlich keinen festen Ort. Im Extremfall weist sich arthurische Erotik so als gesteigerte Form eines érotisme aus, der als Funktion der Verdrängung des Mythischen im Sinne Georges Batailles zu interpretieren wäre.84 Ähnlich wie im höfischen Register der Lyrik erzwingt das aufgeschobene Begehren Strategien der Vermittlung, welche die erotische Nacktheit als solche nur in mediatisierter, ja pervertierter Form zur Sprache bringen. Das mythische Schautabu existiert indessen nur scheinbar nicht mehr; in Wirklichkeit ist es zu einem ohnmächtigen Voyeurismus geworden, durch den das Angeschaute immer nur verschleiert erscheint und letztlich ungreifbar wird. In der genannten Szene wird sich die Fee dem Geliebten in eben dem Augenblick prüde entziehen, als dieser »un doç baissier prendre cuida« (V. 2448). Liebesakt und triumphierende Nacktheit schließen sich im arthurischen Gattungssystem offensichtlich tendenziell aus.
4 Streifen wir abschließend die mit Narrheit konnotierte männliche Nacktheit, insofern es auch um erotische oder voyeuristische Komponenten geht. Nacktheit bezeichnet im höfisch-arthurischen Kontext, wie wir gesehen haben, grundsätzlich eine problematisch konnotierte Ursprünglichkeit, die auch als Form der Regression erscheint. Im Fall der männlichen Nacktheit ist das von Régnier-Bohler so genannte »fantasme de désocialisation«85 jedoch völlig eindeutig. Am Beispiel der Geschichten sogenannter wilder Kinder, wie in Valentin et Orson oder Tristan de Nanteuil, hat die französische Forscherin die Analogien zwischen der Nacktheit und der Wildheit als zivilisatorischem Zustand herausgearbeitet. 86 Tatsächlich bedeutet die Nacktheit die radikale Vereinzelung, den Verlust gesellschaftlicher Eingebundenheit, und scheint so schlechthin unvereinbar mit mittelalterlichem Denken überhaupt und arthurischem Denken im Besonderen. Der traumatisierte
|| 84 Vgl. Georges Bataille, L’érotisme, Paris 1957. 85 Régnier-Bohler (wie Anm. 5), 58. 86 Vgl. dies., ›Exil et retour: La nourriture des origines‹, Médiévales 5 (1983), 67–80.
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Liebende, der im Dit du Prunier auf die Stufe scheinbar paradiesischer Nahrungssuche und Nacktheit regrediert,87 stirbt an dieser an den Rousseau’schen Urzustand erinnernden Vereinzelung, die nichts mit einem prälapsarischen Zustand gemein hat. Der jeweils für drei Tage verzauberte Held des Lai du Bisclavret weist Nacktheit überdies als magischen Ausnahmezustand aus, der ihn jeweils von der Frau und der Gesellschaft isoliert. »Dame, fet il, ieo vois tuz nuz« (V. 70),88 heißt es in der Beichte, die er seiner Frau gegenüber ablegt und die ihn teuer zu stehen kommen wird. Es ist überdies ein Zustand, der gleichsam tabuisiert ist. Die Tatsache, dass die Frau sich selbst von diesem Zustand überzeugen will und die Kleider des nackten Werwolfs entwendet, erinnert in kurioser Weise an das umgekehrte Voyeur-Motiv im Lai de Graelent und in den Varianten der Schwanenrittersage. Aber von den erotischen Konnotationen der Übertretung des Schautabus ist nichts geblieben. Die Regression in die Nacktheit wird als Verzauberung begriffen, die erst mit der Wiedergewinnung der Kleider überwunden ist und deren Störung die neugierige Frau in diesem Fall mit dem Verlust ihrer Nase bezahlt. Einzig diese Form der symbolischen Kastration verweist auf den sexuellen Charakter des Tabus, das den Werwolf als Wilden Mann den weiblichen Blicken entzieht. Nacktheit ist weniger ein paradiesischer als ein animalischer Zustand, und nichts unterscheidet wahrscheinlich das mittelalterliche imaginaire mehr von der rinascimentalen Wiedergeburt siegreicher Nacktheit als eben diese Animalisierung, die in den Resten märchenhafter Überlieferung wie in der Geschichte von Jean de l’Ours89 zum Ausdruck kommt. Der Wilde Mann, auch die wilde Frau des Mittelalters, die sogenannten silvani,90 tragen immer auch dämonische Konnotationen und stellen die Antithese zur menschlichen, insbesondere zur höfischen Gesellschaft dar. In ihnen ist die tierische Nacktheit zugleich als Einsamkeit konnotiert, die dem archetypischen Ort des Waldes zugeordnet ist. Es ist eine Nacktheit, die immer auch als hässlich und abstoßend dargestellt wird und die Erlösungsbedürftigkeit der Nacktheit voraussetzt. Wie im Bisclavret geht es um einen Zustand, der die Verborgenheit sucht und mit dem Verlust gesellschaftlicher Identität einhergeht. Aus der höfischen Perspektive des arthurischen Romans stellt Nacktheit mithin zuallererst das Skandalon der Regression dar, welches nur durch das Motiv || 87 Benutzte Ausgabe: Emile Roy, ›Le Dit du Prunier‹, in: À la mémoire d’Émile Roy, Dijon 1929, Bd. 2, 23–73. 88 Benutzte Ausgabe: Rychner (wie Anm. 72). 89 Vgl. Daniel Fabre, ›L’Ours ravisseur dans les Mirabilia et les Histoires naturelles‹, Via Domitia 15 (1970), 51–67. 90 Vgl. Richard Bernheimer, Wild Men in the Middle Ages. A Study in Art, Sentiment, and Demonology, Cambridge/MA 1952. Das Kapitel »The Erotic Connotations« (121–85), bleibt unergiebig.
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des Wahnsinns erklärt werden kann. Im Rahmen einer Diskussion der anthropologischen Natur-Kultur-Antithese hat Le Goff im Übrigen gezeigt, dass diese auch symbolische Nacktheit nicht mit dem weitergehenden Motiv des homme sauvage identisch ist.91 Die einmalige Verwirrung Yvains im Chevalier au lion oder die mehrfache folie Lancelots im Lancelot en prose binden die – männliche – Nacktheit an den Wahnsinn des von einer besonderen Form der von Liebeskrankheit, »rage« und »melencolie« (V. 3001),92 ergriffenen höfischen Helden, die im Fall des Löwenritters auch mythenpsychologisch gedeutet werden könnte.93 Anders als Lancelot wird freilich nur Yvain als wirklich nackt geschildert, und nur seine Nacktheit stellt zugleich ein Phänomen der Verdinglichung durch den fremden Blick dar, zunächst durch den Einsiedler, »quant vit celui qui nuz estoit« (V. 2832), dann auch durch die demoiselles: »Vers l’ome nu que eles voient« (V. 2888). Der eindringliche Blick des einen Fräuleins – »mes molt le regarda einçois« (V. 2890) – entspringt hier wohl nicht erotischer Neugierde, sondern betrifft das Problem der Identität: »que rien nule sor lui veïst / qui reconuistre li feïst« (V. 2891f.). Der nackte Körper hat mithin seine Identität verloren, da mit der Kleidung alle Zeichen der Kenntlichkeit abgelegt sind. Der Bruch der Kommunikation mit der höfischen Gesellschaft scheint vollkommen. Die fehlende Kleidung verweist auf den sozialen und psychischen Abstieg des Helden, »povre et nu« (V. 2908), der erst an einer Wunde an der Stirn erkannt wird. Diese Entindividualisierung, die in der Folge erst durch die Bekleidung wieder überwunden wird, schließt im Übrigen auch Parallelen zur legendär christlichen Tradition der Buße aus. Daneben geht es aber auch um eine mythische Regression, welche die ursprüngliche Nacktheit zur Durchgangsstufe zu der von Erich Köhler immer wieder betonten ›Reintegration‹ in die höfische Gesellschaft macht.94
|| 91 Vgl. Jacques Le Goff, ›Lévi-Strauss en Brocéliande. Esquisse pour une analyse d’un roman Courtois‹, in: ders., Un autre Moyen Âge, Paris 1999, 581–614. 92 Vgl. Heinrich Schipperges, ›Melancolia als ein mittelalterlicher Sammelbegriff für Wahnvorstellungen‹, Studium Generale 20/11 (1967), 723–36. Benutzte Ausgabe: Les Romans de Chrétien de Troyes 4: Le Chevalier au lion (Yvain), hrsg. von Mario Roques, Paris 1960 (Les Classiques français du Moyen Âge 89). 93 Vgl. Michel Stanesco, ›Le Chevalier au lion d’une déesse oubliée: Yvain et Dea Lunae‹, Cahiers de Civilisation Médiévale 24 (1981), 221–32. Demgegenüber hat z. B. Philippe Walter, Canicule. Essai de mythologie sur Yvain de Chrétien de Troyes, Vorwort von Michel Zink, Paris 1988, den Roman, gestützt auf den lion zodiacal, als kosmisches Drama der Hundstage gedeutet (zur Melancholie vgl. 157ff.). 94 Vgl. Erich Köhler, Ideal und Wirklichkeit in der höfischen Epik. Studien zur Form der frühen Artus- und Graldichtung, Vorwort von Henning Krauß, 2. ergänzte Aufl., Tübingen 1970 (Beihefte zur ZrP 97), passim.
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Die Erlösung aus dem Zustand bewusstloser Nacktheit ist daher mit Selbsterkenntnis und magischer Heilung verbunden, wie wir sie ähnlich im Lai du Lévrier, in Amadas et Ydoine oder in Guillaume de Palerme finden. Gegen die ausdrückliche Anweisung der Herrin jedoch, nur die edlen Teile des Kopfes, Schläfen und Stirn, mit der Zaubersalbe der Fee Morgane einzureihen, bringt das Fräulein in Yvain eine Art Ganzkörpertherapie in Anwendung, die jetzt nicht ohne eine unterschwellige Erotik ist: Plus en i met qu’il ne covient, molt bien, ce li est vis, l’enploie: les temples et le front l’en froie, trestot le cors jus qu’au l’artuel. Tant li froia au chaut soleil les temples et trestot le cors que del cervel li trest si fors la rage et la melencolie. (V. 2994–3001) Mehr trägt sie auf, als nötig ist, und sehr gut, meint sie, verwendet sie die Salbe: Schläfen und Stirn reibt sie ihm ein und den ganzen Körper bis zum Zehen. So viel salbt sie ihm in der hellen Sonne Schläfen und den ganzen Körper, dass sie ihm Narrheit und Melancholie aus dem Kopf zieht.
Ein leicht mythischer Klang wird dabei in dem Motiv der Verschwendung und in dem Hinweis auf das warme Sonnenlicht noch deutlich, und für einen kurzen Augenblick scheint – wie im Cligès – die Vorstellung des siegreichen nackten Körpers im Licht der Sonne durch. Doch der wieder seiner selbst bewusst gewordene Held ist natürlich sogleich wieder der höfische Held, der ähnlich wie Adam und Eva seiner Nacktheit inne wird und sich schämt: »Mais nuz se voit com un yvoire; / s’a grant honte« (V. 3015f.); und weiter: »et de sa char que il voit nue / est trespansez et esbaïz« (V. 3024f.). Soll man in dem Bild des nackten Elfenbeins einen Vorschein auf den Pygmalion-Mythos im Rosenroman sehen? Auf jeden Fall steht der Rückverwandlung des Helden in »mon seignor Yvain« (V. 3128) nach dem Bade nichts mehr entgegen. Die höfisch-arthurische Version des Bisclavret-Themas kann mithin durch das Eingreifen der Fee entschärft werden, ähnlich wie das auf die Frau bezogene Voyeur-Motiv durch den Vorrang der helfenden und heilenden Funktion entschärft wird und nur das Einreiben des nackten Körpers ›bis zu den Zehen‹ noch einen Hauch Erotik ausstrahlt, der freilich einem betont medizinischen Ziel untergeordnet wird. Erst der bekleidete, höfisch restituierte Körper ist Ausdruck der Ganzheit; erst der nicht nur psychisch, sondern auch gesellschaftlich geheilte Körper macht die in Nacktheit und Wahnsinn thematisierte Spaltung von »coeur« und »corps« (V. 2649) rückgängig und bewirkt die Reintegration des nackten, ausgestoßenen Helden in die arthurische Gesellschaft. Die sozi-
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alen Konnotationen der negativ indizierten Nacktheit werden später noch deutlicher, wenn die im Zauberschloss festgehaltenen Seidenweberinnen ihren eigenen Zustand und sozialen Status mit eben den Adjektiven bezeichnen, die vordem für die folie Yvains Anwendung gefunden hatten: »toz jorz serons povres et nues« (V. 5294), oder wenn die zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilte Lunete »trestote nue en sa chemise« (V. 4316) erscheint. Nacktheit bezeichnet einen außergesellschaftlichen Zustand nicht nach der simplen Gegenüberstellung von Natur und Kultur, sondern in standesethischer Hinsicht.
5 »Feudale Adlige haben kein Unbewußtes«,95 beschließt Peter Czerwinski seine geschichtsphilosophische Theorie der territorialhöfischen Kultur. Vielleicht gibt es aber doch ein ›Unbewusstes‹ des Höfischen bzw. genauer: des arthurischen Romans. Ansätze zu einer psychoanalytischen Betrachtung von Großgattungen wie Tragödie und Komödie96 wie in Bezug auf die höfische Lyrik oder die Subversivität der Fabliaus sind seit langem geläufig, und den mittelalterlichen Roman z. B. hat Jean-Charles Huchet nach dem Archetypus des Roman d’Enéas als Ausdruck einer ›poétique au féminin‹97 interpretiert. Dass die Verlagerung psychoanalytischer Ansätze von einer autorbezogenen Interpretation zu einer text- und textsortenspezifischen Perspektive auch eine funktionsgeschichtliche Fragestellung nahe legt, zeigt Huchet dann im Rahmen seines Projekts einer ›clinique littéraire‹.98 Dabei beruft er sich auch auf den gattungstheoretischen Ansatz von Hans Robert Jauß,99 der seinerseits auf die formgeschichtlichen Anregungen von André Jolles Bezug nimmt, den Begriff der ›Geistesbeschäftigung‹ aber unter systemtheoretischem Einfluss durch den der ›Subsinnwelt‹ ersetzt. Dementsprechend geht es v. a. um die sogenannte kleinen Gattungen, die nach Huchet »un principe d’intelligibilité«100 konstituieren, d. h. dass sich der Gattungsbegriff in dieser Perspektive nicht in formalen Kriterien erschöpft, sondern auch die jeweilige Funktion
|| 95 Czerwinski (wie Anm. 14), 329. 96 Vgl. Jean Bellemin-Noël, Psychanalyse et littérature, Paris ³1989 (Que sais-je? 1752), 74, oder Peter von Matt, Literaturwissenschaft und Psychoanalyse. Eine Einführung, Freiburg i. Br. 1972, 66. 97 Vgl. Jean-Charles Huchet, Le roman médiéval, Paris 1984 (Littératures Modernes 36), 216ff. 98 Vgl. ders., Litterature médiévale et psychanalyse. Pour une clinique littéraire, Paris 1990, Kap. VI: »Psychanalyse et poétique des genres« (127–56). 99 Vgl. Hans Robert Jauß, ›Littérature médiévale et théorie des genres‹, Poétique 1 (1970), 79–101. 100 Huchet (wie Anm. 98), 127.
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mit einbezieht,101 was hier an Beispielen der Kurzerzählung, aber auch des Rosenromans und des Perceval erläutert wird. Es läge mithin nahe, den zugleich psychoanalytischen und funktionsgeschichtlichen Blick auch für die unterschiedlichen Formen von Epik und Roman geltend zu machen. Das bereits genannte Werk von Simon Gaunt ist nicht weit davon entfernt. Könnte man mithin der Artusliteratur eine Überich-ähnliche Zensurfunktion im Verhältnis zu den anderen Gattungen zuschreiben? Das ›literarische Projekt‹ Artusroman ist bekanntlich bestimmten strukturellen Vorgaben verpflichtet, die seine formale und ideologische Identität erst begründen und die Gattung von ähnlichen Formen des ›Ritterromans‹ oder höfischen Romans abheben. Die These Huchets zum Perceval – »Ecrire, c’est effacer«102 – wäre aus unserer Perspektive auf den Artusroman generell zu beziehen, der als formaler Ausdruck der Verdrängung interpretiert werden könnte. Erst die Infragestellung der zu dieser Verdrängungsfunktion beitragenden Koordinaten öffnet den Blick für das Phänomen der Nacktheit, die gewöhnlich im wörtlichen Sinn als Entblößung, Bloßstellung und Ausdruck von Defizienz begriffen wird. Im Zusammenhang mit dem Motiv der Tugendprobe, wie wir sie etwa auch in dem Schluss des oben genannten Caradoc-Romans finden, konstatiert Karina Kellermann: »Wer unzüchtig denkt, ist nackt.«103 Und noch etwas zeichnet den defizienten Status von Nacktheit im arthurischen Kontext aus. Arthurisches Erzählen scheint zwar in hohem Maße ein märchenhaftes Substrat zu assimilieren, jedoch nur in Ausnahmefällen jene Formen mythischer Transgression, zu denen auch die Nacktheit gehört. Das in jedem Artusroman erneut durchgespielte Erlösungsschema mythischen Ursprungs des Sieges der Kultur über die Natur, wie es Jacques Le Goff in seiner Yvain-Deutung vorgeführt hat,104 scheint tatsächlich ebenfalls konkomitant mit einer Poetik der Verdrängung.105 Vielleicht ist dies der eigentliche Sinn der schwer zu entschlüsselnden Eingangsaventüre in dem provenzalischen Jaufre-Roman, den Huchet ausgehend
|| 101 Vgl. Huchet (wie Anm. 98), 128. 102 Ebd., Kap. VIII (193ff.). 103 Karina Kellermann, ›Entblößungen: Die poetologische Funktion des Körpers in Tugendproben der Artusepik‹, Das Mittelalter 8 (2003), 102–17, hier: 116. 104 Vgl. Le Goff (wie Anm. 91). 105 Einen solchen Nexus der Erlösung und Verdrängung hat Alexandre Leupin, Phallophanies. La Chair et le Sacré, Paris 2000, an der Geschichte phallischer Andeutungen von Kreuzigungsdarstellungen gezeigt. Haben wir eingangs mit Philipowski (wie Anm. 14), 377, von dem »gläsernen« arthurischen Körper gesprochen, so wäre dem mit Leupin der zur Auferstehung bestimmte Körper als Simulacrum des Fleisches an die Seite zu stellen. Der christologische Mythos, der die mythische Verknüpfung von Sexualität und Sakralität zerbricht und überholt, impliziert »la figuration décisive d’un ultime et joyeux néant: le sens« (124).
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von der geläufigen Kleider-Text-Gleichung als »le roman arthurien mis à nu«,106 d. h. als ludische Entlarvung der Gattung Artusroman interpretiert hat. Bei einem den Hoftag unterbrechenden Jagdausflug wird Artus von einem wilden Tier, in dessen Hörnern er sich verfängt, in die Nähe eines Abgrunds getragen; die am Fuße des Felsens wartenden Ritter entkleiden sich daraufhin eilig, um mit ihrer Kleidung den Fall des Königs abzufedern. Nackt sehen sie dann zu, wie sich das wilde Tier in einen schönen Ritter und Zauberer verwandelt, der sich über ihre Torheit mokiert. Eine ganz ähnliche Szene ereignet sich gegen Ende des Romans, als Artus von einem Vogel Greif angelockt und in die Lüfte getragen, fallen gelassen und wieder aufgefangen wird. An die Stelle des Entkleidungsmotivs treten hier allerdings die vor Angst zerrissenen Kleider der Zeugen. Die Kritik hat hier im Wesentlichen von spielerischen Zutaten gesprochen.107 Die Verwechslung der Kleider im ersten Fall und die Neuanfertigung von Kleidern in der entsprechenden zweiten Episode interpretiert Huchet als mise en abyme des Umgangs mit der matière de Bretagne. Das hieße aber auch, dass erst die kollektive Entblößung und der Aufweis des Verdrängten die kreative Resituierung der écriture ermöglichen, die in der mythischen Begegnung des Helden mit der Unterwelt gipfelt. Marie-José Southworth hat diesbezüglich auf die Rahmenfunktion der beiden Szenen für die doppelte Begegnung des Helden mit der mythischen Anderwelt der Fee von Gibel verwiesen.108 Eine entscheidende Ironie der ›Vergewaltigung‹ des Königs scheint überdies darin zu liegen, dass sich der bedrohliche, weil nicht durchschaute Mythos an die Stelle der gesuchten ritterlichen Aventüre setzt und die Artuswelt buchstäblich ›nackt‹ dastehen lässt. Mit Gauvains Worten: ›Per ma fe, bels compains‹, dis el, ›Asats nos avets encantats 109 C’aisi faits anar despolats.‹ (V. 466–68) ›Meiner Treu, lieber Gefährte‹, sagte er, ›Ihr habt uns gut verzaubert, indem Ihr uns ganz nackt gehen ließet.‹
Die zwischen scheinbarer Tragik und offener Burleske schwankende, fast allegorische Szene zeigt die Rettung des Königs, der sich leichtsinnig auf das ungeformt Naturhafte eingelassen hat und eine mythische Rolle spielen wollte, der er nicht
|| 106 Jean-Charles Huchet, Le roman occitan médiéval, Paris 1991, 187. 107 Vgl. René Lavaud und René Nelli (Hrsg.), Les Troubadours. Jaufre, Flamenca, Barlaam et Josaphat, 2 Bde., Bd. 1, Brüssel 1960, 64, V. 466ff. 108 Vgl. Marie-José Southworth, Étude comparée de quatre romans médiévaux. Jaufre, Fergus, Durmart, Blancandin, Paris 1973, 55. 109 Benutzte Ausgabe: Lavaud/Nelli (wie Anm. 107), V. 466ff.
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gewachsen war. Im Übrigen kontrastiert die Nacktheit des Gefolges mit der überlegenen Gesittung des jungen Ritters und Zauberers. Die Nacktheit ist die Wahrheit des Artusromans. Die Koordinaten der arthurischen Welt sind durch den Ritter mit der Funktion eines barocken Zauberers für kurze Zeit durcheinander gebracht worden. Nur durch dessen mythischen Zaubertrick ist die übliche Verdrängung der Nacktheit zugleich überwunden und ins Bewusstsein gehoben worden.
Zum Problem der Epizität im ›postklassischen‹ Artusroman Abstract: The article will discuss a specific deficiency of Arthurian verse romance, the lack of an epic background. The episodic scheme of chivalric enfances is based on individual autonomy that has banished the aspects of History and may result in a loss of reality linked with the frequent theme of the loss of identity and the theme of brooding. In this context the Chevalier aux deux épées seems to be a typical case in point. Later romances will try to remedy this lack of contextuality. Floriant et Florete, for instance, is an Arthurianized Byzantine story; Durmart le Galois is a substantially epic story with Arthurian touches.
Der Artusroman ist ein utopisches Projekt, das unter scheinbar realen Bedingungen auf seine Tauglichkeit getestet wird. Von zwei Seiten ist dieses Projekt notwendig defizitär: Denn es kann einerseits den idealen Ansprüchen nicht genügen; am Bild des Königs Artus und seines Hofes ist diese Problematik oft genug in der Forschung durchgespielt worden.1 Andererseits bewirken die Abkoppelung von der Realität und das Ausblenden der realen feudalen Welt ein Realitäts- und Legitimationsdefizit, das dieses Romanmodell von Anfang an charakterisiert und dessen Geschichte in Form einer gleichsam eingebauten Krisenhaftigkeit begleitet. Die Krise ist dem Artusroman inhärent. Sie bestimmt, wie v. a. der englische Forscher Simpson kürzlich gezeigt hat,2 bereits die Ausgangssituation und wesentliche Stationen des Erec-Romans, dessen Grundstruktur im Yvain variiert wird, und sie ist ein konstitutives Moment des Chevalier de la Charrete, den Victoria Guerin als Ankündigung der »Arthurian tragedy«3 bezeichnet hat: Nach Guerin sollten
|| 1 Verwiesen sei hier nur auf Matthias Däumer u. a. (Hrsg.), Artushof und Artusliteratur, Berlin, New York 2010 (SIA 7), sowie Friedrich Wolfzettel, ›Der Artushof: Ideale Mitte oder problematische Idealität‹, in: Matthias Däumer u. a. (Hrsg.), Artushof und Artusliteratur, Berlin, New York 2010 (SIA 7), 3–20. 2 Vgl. James R. Simpson, Troubling Arthurian Histories. Court Culture, Performance and Scandal in Chrétien de Troyes’s Erec et Enide, Oxford u. a. 2007 (Medieval and Early Modern French Studies 5). 3 M. Victoria Guerin, The Fall of Kings and Princes. Structure and Destruction in Arthurian Tragedy, Stanford/CA 1995. || Erstveröffentlichung in: Martin Przybilski und Nikolaus Ruge (Hrsg.), Fiktionalität im Artusroman des 13. bis 15. Jahrhunderts. Romanistische und germanistische Perspektiven, Wiesbaden 2013 (Trierer Beiträge zu den historischen Kulturwissenschaften 9), 29–41. https://doi.org/10.1515/9783110694567-008
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Charrete und Conte du Graal zusammen gelesen werden, denn »the one presents the sin at the heart of Arthur’s world, while the other illustrates its consequences«.4 Es erscheint daher wenig sinnvoll, von einem klassischen und einem nachklassischen Roman zu sprechen, zumal der sogenannte nachklassische Artusroman chronologisch gefährlich nahe an den sogenannten klassischen Roman heranrückt und mit den Chrétien’schen Vorgaben bewusst experimentiert. Schon Chrétien selbst spielt in gewisser Weise alle Möglichkeiten der Krisenhaftigkeit durch und begründet wohl als erster Autor der Weltgeschichte ein Erzählmodell, welches auf dem Scheitern oder Beinahe-Scheitern aufgebaut ist und aporetisches Erzählen zur Signatur einer ganzen Gattung macht. Der noch problematischere Begriff der Epigonalität, dessen ideologische Herkunft aus den Prämissen der Genie-Ästhetik Beate Schmolke-Hasselmann herausgearbeitet hat,5 erledigt sich in dieser Perspektive ohnehin von selbst. Postklassizität wäre mithin als eine Form bewusster Ausgestaltung und Potenzierung basaler und konstitutiver Defizite und Widersprüche im sogenannten klassischen Artusroman zu definieren. Wenn überhaupt, potenziert die spätere Romanentwicklung von Anfang an gegebene Elemente, denn eben als utopisches Projekt kann sich der Artusroman nicht wirklich verändern, entwickeln und reifen, er kann als zutiefst solipsistische Gattung nur immer neue Variationsmöglichkeiten, Steigerungen oder Negationen suchen. Norris Lacy hat einmal in Bezug auf den Motivtransfer im Artusroman darauf hingewiesen, in wie hohem Maße gerade diese Gattung auf einer Art ständigem, konstitutiven ›Recycling‹ intertextueller Elemente beruht6 und dass der »interpretive ›overflow‹«7 nicht zuletzt diesem ständigen »motif shifting«8 zu verdanken ist: »a reader’s focus is repeatedly expanded or redirected to other parts of a work, to other works, or – ideally – to the Arthurian corpus conceived as a whole«.9 Lacy zum Teil folgend, konnte Paul Vincent Rockwell am Beispiel des Chevalier aux deux épées zeigen, wie der nachklassische Roman »the truth-value of echoes inherited from the
|| 4 Simpson (wie Anm. 2), 144. 5 Vgl. Beate Schmolke-Hasselmann, Der arthurische Versroman von Chrestien bis Froissart. Zur Geschichte einer Gattung, Tübingen 1980 (Beihefte zur ZrP 177), 256–334. 6 Vgl. Norris Lacy, ›Motif Transfer in Arthurian Romance‹, in: Kelly Douglas (Hrsg.), The Medieval Opus. Imitation, Rewriting, and Transmission in the French Tradition, Amsterdam/Atlanta GA 1996 (Faux Titre 116), 157–68. 7 Ebd., 165. 8 Ebd., 163. 9 Ebd., 168.
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past«10 in Frage stellt, wie er Identität problematisiert, die Scheinhaftigkeit von Namen und Gestalten entlarvt oder Vorsehung durch Kontingenz ersetzt. Die Suche nach Kontinuität ist immer mit einer intertextuellen Frontstellung des späteren Werks zu dieser Tradition verbunden. Komische, ja parodistische Tendenzen scheinen einem Genre inhärent, das wie kein anderes von einem geschlossenen Weltentwurf ausgeht und offensichtlich auch beim Publikum eine solide Kenntnis der arthurischen Konventionen voraussetzen kann. Der Wiedererkennungseffekt scheint eines der wesentlichen Kennzeichen in der Rezeptionsgeschichte des Artusromans zu sein. Wie ein riesiger Echoraum schafft der Artusroman einen geschlossenen Bereich, in dem noch die Abweichungen, Verzerrungen und Gegenmotive die Kenntnis der ursprünglichen Vorgaben voraussetzen. Der arthurische Roman kreist in sich selbst, wofern er nicht, wie im LancelotGraal-Zyklus, an seine Entstehungsbedingungen erinnert und seinem Ende zugeführt wird, denn das Chrétien’sche Modell des episodischen Erzählens kennt keinen wirklichen Anfang und kein wirkliches Ende. Als eine Sonderform der enfancesGattung11 verbindet es einen ritterlichen Lernprozess mit den idealen Konstanten der Artuswelt und spielt einen möglichen Lebensentwurf seiner jugendlichen Helden exemplarisch durch. Kein Roman ist vielleicht charakteristischer für diese Eigenart eines fehlenden Davor und eines fehlenden Danach als der Chevalier de la Charrete, dessen Held gleichsam aus dem Nichts auftaucht und im Nebel des Hoflebens wieder verschwindet. Dass Chrétien diesen Roman nicht selbst vollenden konnte oder wollte, spricht für sich. Wie ich es einmal am Beispiel des Romans Erec et Enide zu zeigen versucht habe:12 Die jungen arthurischen Helden aus hohem Haus spielen am Hof bzw. ausgehend vom Hof ein ritterliches Bewährungsspiel mit parabolischem Charakter, und wie bei jedem Spiel ist die eigentliche Wirklichkeit aus diesem experimentellen Handeln ausgeklammert. Spätere Werke können dieses Spielszenario nur in stets variierten Ansätzen erneuern und wiederholen und so die Illusion einer sich selbst genügenden, sich selbst die Regeln gebenden Welt schaffen, die keines Wandels bedarf oder fähig ist. Psychoanalytisch gesprochen möchte man diese autonom arthurische Welt als Ergebnis einer Verdrängung charakterisieren, die für die Geschlossenheit des utopischen Projekts unerlässlich erscheint; Verdrängung als Abwehr einer stö|| 10 Paul Vincent Rockwell, ›Appellation contrôlée: Motif Transfer and the Adaptation of Names in the Chevalier as deus espees‹, in: Keith Busby und Catherine M. Jones (Hrsg.), Por le soie amisté. FS Norris J. Lacy, Amsterdam, Atlanta/GA 2000 (Faux Titre 183), 435–52, hier: 451. 11 Vgl. dazu Madeleine P. Cosman, The Education of the Hero in Arthurian Romance, Chapel Hill 1966. 12 Vgl. Friedrich Wolfzettel, ›Le rôle du père dans le procès d’arthurisation du sujet d’Erec/Gereint‹, Marche romane 25 (1975), 95–104.
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renden Realität, die man als das Andere des Artusromans bezeichnen könnte. Angesichts dieses von Anfang an aporetischen Unterfangens ist vielleicht nichts signifikanter als die Tatsache, dass Chrétien selbst in seinem Cligés-Roman aus den selbstgeschaffenen Zwängen auszubrechen zu versuchen schien, um die Artuswelt zu rehistorisieren und am Rande der Erfahrungswelt des byzantinischen Helden anzusiedeln. Die Idealität der Artuswelt ist hier nur noch notwendiges Postulat; die eigentliche Handlung aber spielt nach der arthurischen Vorgeschichte woanders und bedarf der typisch arthurischen Vorgaben nicht. Beate SchmolkeHasselmann unterscheidet daher zwischen dem arthurischen Schema des YvainTypus und dem genealogischen Schema des Cligés-Typus.13 Die Artuswelt wird zum Nebenschauplatz, auf dem sich der jugendliche Held als Liebender und im Kampf mit dem Verräter profilieren kann und die auch gegebenenfalls als helfende Instanz in das kontinentale Geschehen eingreifen könnte. Verdrängen heißt hier beiseiteschieben, depotenzieren. Dass aber Chrétien selbst den Problemen der von ihm geschaffenen, experimentellen Artuswelt nicht entgeht, scheint der änigmatische und nicht zufällig ebenfalls unvollendete Conte du Graal zu belegen, der ein geradezu paradigmatisches Beispiel darstellt.14 In einer der suggestivsten Publikationen der letzten Jahre hat die amerikanische Literaturhistorikerin Brigitte Cazelles unter dem Titel The Unholy Grail 199615 die ältere Forschung von Ernst Brugger16 u. a. über die Rolle von Percevals Vater Bliocadran wieder aufgenommen und den scheinbar erbaulichen Gralsroman gleichsam ›gegen den Strich‹ als epische Vendetta-Geschichte gelesen. In der Perspektive eines solchen social reading ist Perceval ein Verräter an seinem Vater, der von der Artussippe ermordet worden war: »An important and primitive element in the Perceval story is that the hero’s duty was vengeance.«17 Aber nicht nur Perceval hat diese ›Pflicht‹ verdrängt, um zum Feind seines Vaters überzulaufen und sich in die Artuswelt zu integrieren. Auch der Autor selbst hat einen epischen Vorwurf buchstäblich verdrängt, um die Geschichte Percevals für sein arthurisches Setting passend zu machen. Wie hier üblich, spielt die Herkunft des Helden keine entscheidende Rolle,
|| 13 Vgl. Schmolke-Hasselmann (wie Anm. 5), 40. 14 Vgl. Friedrich Wolfzettel, ›Der lange Weg zu einem anderen Chrétien. Zur Nachkriegsforschung über den Conte du Graal‹, in: Matthias Meyer und Hans-Jochen Schiewer (Hrsg.), Literarisches Leben. Rollenentwürfe in der Literatur des Hoch- und Spätmittelalters. FS Volker Mertens, Tübingen 2002, 871–92. Wieder im vorliegenden Band, 83–104. 15 Vgl. Brigitte Cazelles, The Unholy Grail. A Social Reading of Chrétien de Troyes’s Conte du Graal, Stanford/CA 1996. 16 Vgl. Ernst Brugger, ›Bliocadran, the Father of Perceval‹, in: Medieval Studies in Memory of Gertrude Schoepperle Loomis, Paris, New York 1927, 147–74. 17 Cazelles (wie Anm. 15), 171.
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da sich dieser in seiner arthurischen Umgebung selbst erschafft. Die später evozierten verwandtschaftlichen Beziehungen zu der Sippe des Fischerkönigs übertünchen geflissentlich den ursprünglichen angelegten epischen Konflikt. Die Ausklammerung und Verdrängung des ›realen‹ episch-feudalen Konflikts ist die Bedingung der Möglichkeit, das arthurische Modell einmal mehr, freilich in deutlich problematischeren Perspektiven, zu inszenieren, nicht ohne dieses Modell zugleich durch den Gralshof zu überholen und zu entwerten. Hier sei eine kleine Digression erlaubt. Ein Preis der Verdrängung ist nach Freud das Grübeln,18 dem der Begriffsbereich von altfranzösisch penser/pensif weitgehend entspricht.19 Liebeskrankheit des Helden, Schwermut des Herrschers, Versagensangst und Ähnliches treffen sicherlich einen Teil der Funktion, doch geht die Bedeutung der Melancholiepose gerade in dem handlungsbetonten Artusroman sicherlich weiter, als der unmittelbare Anlass zu verstehen gibt. So bleibt das Schweigen des Königs bei der Ankunft des jungen Perceval anders als die Versunkenheit des Helden in der späteren Blutstropfenepisode zunächst ungeklärt, bevor sich der König über die Schmach durch den Roten Ritter beklagt. Dreimal merkt Chrétien das merkwürdige Verhalten Arthurs an: Et li rois Artus, ert assis Au chief de la table pensis, 20 Et tuit li chevalier rioient (V. 907–09). Und König Artus saß nachdenklich am Kopf der Tafel, und alle Ritter lachten.
Und gleich darauf: »Et li un as autres gaboient / Fors il, qui pensis fu et mus« (V. 910f.). Und: »Li rois pensa et ne dist mot« (V. 924). Erst nach einiger Zeit heißt es, dass er »a tot son pensé laissié« (V. 940). In der vielkommentierten Blutstropfenepisode heißt es von Perceval: »Si pense tant que il s’oblie« (V. 4202). Monika Schöler-Beinhauer übersetzt: »da verfällt er so sehr ins Sinnen, dass er sich vergisst«.21 Im penser vergisst der Held nicht nur zu handeln und auf Außenreize zu || 18 Vgl. Sigmund Freud, ›Die Verdrängung‹ (1915) und ›Trauer und Melancholie‹ (1917), in: ders., Psychologie des Unbewussten, hrsg. von Alexander Mitscherlich u. a., Frankfurt a. M. 1975 (Sigmund Freud-Studienausgabe 3), 103–18 und 193–212. 19 Diesem Motiv im Perceval und in anderen Texten ist Volker Roloff, Reden und Schweigen. Zur Tradition und Gestaltung eines mittelalterlichen Themas in der französischen Literatur, München 1973 (Münchener Romanistische Arbeiten 34), nachgegangen. 20 Benutzte Ausgabe: Chrétien de Troyes, Le Roman de Perceval ou Le Conte du Graal, nach der Hs. Ms Fr. 12576 der Bibliothèque Nationale hrsg. von William Roach, 2., durchges. und erw. Aufl., Genf, Paris 1959 (Textes littéraires français 71). 21 Chrétien de Troyes, Der Percevalroman, übers. und eingeleitet von Monika Schöler-Beinhauer, München 1991 (Klassische Texte des Romanischen Mittelalters in zweisprachigen Ausgaben 23).
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reagieren; er vergisst auch die eigene Identität und stellt damit bisheriges Handeln und bisherige Funktionszusammenhänge in Frage. Das grüblerische penser lenkt die Aufmerksamkeit in beiden Fällen auf eine nicht verarbeitete Vergangenheit, die hier wohl nicht zufällig auch jedes Mal durch die märchenhafte Dreizahl bestimmt ist. Dass das Grübeln auf eine Handlungslähmung verweist und damit auch den Erzählvorgang selbst tangiert, scheint durch die Stimmung auf dem Gralsschloss unterstrichen zu werden, verweist doch das Schweigen des Königs in gewisser Weise auch auf das spätere Schweigen Percevals. Das Märchenhaft-Fremde begründet eine nicht auflösbare Ästhetik der Fremdheit, die Motivationslücken aufscheinen lässt. In unserer Perspektive deutet das Grübeln aber auch die defiziente Wirklichkeit des arthurischen Textes an, der auf der wachsenden Verdrängung der Außenwelt und einer märchenhaften Abschließung von dieser Außenwelt beruht. Sprech- und Handlungshemmung indizieren eine verzauberte, angehaltene Welt, die über den Conte du Graal hinaus die Gattung des Artusromans als Ganzes betrifft. Zur Selbstreflexivität kaum geeignet, projiziert der Artusroman das Nachdenken über seine eigene Konstitution in das Grübeln seiner Helden, die immer wieder von einer Handlungslähmung überfallen werden, denn die bange Frage eines Dinadan, der den Sinn der Welt sucht, ohne ihn finden zu können, scheint im Rahmen der künstlich eingeschränkten und ideal überhöhten Artuswelt nicht zu finden zu sein – wenn er überhaupt zu finden ist. Tatsächlich ist die Gralssuche im Conte du Graal nicht nur von Erich Köhler als Ausdruck des Ungenügens dieser arthurischen Welt und als Ansatz zu deren Überwindung gedeutet worden.22 Nichts anderes proponiert ja der Prosaroman Perlesvaus, der das Schema des traditionellen Artusromans beibehält und gleichzeitig vervielfältigt, um dem melancholischen Endstadium eines ins Grübeln versunkenen, verwahrlosten Artushofes die frohe Botschaft der wiedergewonnenen Gralsherrschaft entgegenzusetzen. Geradezu obsessiv ist das Motiv des Grübelns in dem Chevaliér aux deux épées oder Mériadeuc,23 den Douglas Kelly als Neuinterpretation des Perceval interpretiert hat.24 Der Roman, der das Spiel mit den Namen und Identitäten auf die Spitze treibt und der trotz seiner frühen Entstehung zwischen 1210 und 1235 alle || 22 Vgl. Erich Köhler, Ideal und Wirklichkeit in der höfischen Epik. Studien zur Form der frühen Artus- und Graldichtung, Vorwort von Henning Krauß, 2. ergänzte Aufl., Tübingen 1970 (Beihefte zur ZrP 97). 23 Benutzte Ausgabe: French Arthurian Romance III: Le Chevalier as deus espees, hrsg. und übers. von Paul Vincent Rockwell, Cambridge 2006 (Arthurian Archives 13). 24 Vgl. Douglas Kelly, ›The Name Topos in the Chevalier aux deux épées‹, in: Keith Busby und Catherine M. Jones (Hrsg.), Por le soie amisté. FS Norris J. Lacy, Amsterdam, Atlanta/GA 2000 (Faux Titre 183), 257–68.
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Züge eines ›epigonalen‹ Artusromans zu tragen scheint25 – der Herausgeber Paul Vincent Rockwell spricht gar von »a nostalgic parody«26 –, tritt bezeichnenderweise schon in der ersten Hälfte des 13. Jh. die Nachfolge des sogenannten klassischen Artusromans an: Epigonalität als Konstituens einer zum Stillstand verurteilten Gattung. Dass der Chevalier aux deux épées zugleich als – grotesk getönte – Herausforderung an das Artusreich verstanden werden kann, soll später noch kurz diskutiert werden. Hier nur zur Problematik des Grübelns. Es beginnt mit einer Botschaft des frechen Königs Ris, der den Bart von König Artus für die Vervollständigung seines Bärtemantels verlangt. Artus, heißt es, sieht den Boten nur gedankenverloren an, bevor er ihn überhaupt »par grant fierté« (V. 210) zum Sprechen auffordert: »Et li rois, si pensis / Comme il estoit, l’a regardé« (V. 208f.). Dann überlegt er, wo sein Herausforderer geblieben ist: »Ne set il pas, s’en est pensis« (V. 239). Nicht-Wissen, Verlust der Koordinaten, wird umgesetzt in Melancholie. Aber auch scheinbar grundlos verfällt der König beim Essen und danach ins Grübeln: »Et li rois manga mout pensis« (V. 1504). Der Roman entwirft eine Welt, in der die Personen nicht wissen, wen sie vor sich haben oder wer sie bedroht: »Lors se taist et si fu sans joie«, heißt es einmal vom König, »K’il ne set le quel i manece« (wen jener bedroht; V. 7806f.). Denn die melancholische Handlungshemmung betrifft eben nicht nur den König selbst, der einmal gedankenverloren die Schönheit eines melancholischen Mädchens bewundert (V. 544), anstatt sie nach ihrem Begehr zu fragen. Auch der Herausforderer scheint in der Krankheit erfasst: »Iriés e pense une grant piece / K’il n’ot pas cose ki li siece« (V. 389f.). Nur kurz durch einen Zwergboten aus seiner Träumerei gerissen (V. 425: »Ains ke de son pensé reviegne«), verfällt er gleich wieder in seine Trance (V. 442: »a son pensé recommencié«). Ja, das penser erscheint fast wie eine notwendige Vorstufe der Aktivität: »Quant li rois ot pensé assés / De pour piece s’est pourpensés« (V. 443f.). Ein fremder Ritter wird gedankenverloren geschildert: »vient pensant« (V. 2783). Ärger mischt sich bei Gauvain mit Melancholie, als er eine unliebsame Nachricht erhält: Er ist »[e]t mout iriés et mout pensans« (V. 3907), und v. a. äußert sich erotische Frustration als Melancholie: »Pensis et destrois et irés / Est mesire Gauvain« (V. 5091f.). Und: »Et il chevauche mout pensis« (V. 9074). Er ist »mout durement pensis« (V. 6373), als er mit dem magischen Schwert konfrontiert wird, das die Romanhandlung begründet, und zusammen mit anderen ist er »correcié
|| 25 Vgl. Li Chevaliers as deus espees: Altfranzösischer Abenteuerroman, hrsg. von Wendelin Foerster, Halle 1877, Nachdruck Amsterdam 1966. Foerster hatte noch 1250 angenommen, und die ältere Forschung ist ihm darin gefolgt. 26 Paul Vincent Rockwell, ›Introduction‹, in: French Arthurian Romance III: Le Chevalier as deus espees, hrsg. und übers. von dems., Cambridge 2006 (Arthurian Archives 13), 1–30, hier: 15.
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et pensant« (V. 11361). Kurz, gerade der neben dem jungen Schwertritter Mériadeuc zentrale Held, der gegenüber jenem zugleich eine Rivalitäts- und Vaterstellung einnimmt und als eigentlicher Repräsentant des Artushofes und der Artuswelt auftritt, verfällt von Mal zu Mal ins Grübeln und verliert den Kontakt zur Realität. Freund und Feind sind in dieser grüblerischen Pose vereint, die ungeachtet des guten Ausgangs der Geschichte eine grundlegende Krisenhaftigkeit allen Handelns suggeriert und das Schema des arthurischen Romans als solches in Frage stellt, indem sie fast unlösbare Identitätsprobleme schafft. Das Ausgangsmotiv der Königin von Caradigan mit dem Zauberschwert, die nach dem Ritter sucht, der dieser Rolle gewachsen wäre, oder die Tatsache, dass ein eitler Gauvain ohne Rüstung von einem jungen Herausforderer schwer verletzt und gedemütigt wird, v. a. aber die Tatsache, dass der zentrale Konflikt zwischen Gauvain und seinem noch anonymen jungen Freund Mériadeuc durch den versehentlichen Mord an dessen Vater Bléhéri ausgelöst wird, stellen bereits das vertraute arthurische Setting zur Disposition. Vor allem aber hat der Herausgeber Rockwell bei Gauvain die Spannung zwischen non (Name) und renon (Ruf), »the discontinuity between his name and the narratives that constiture his reputation«27 betont. Namengleichheit und falscher Anschein stehen darüber hinaus für »the dissemblance between language and the world«28 und sorgen wie das Gerücht von Gauvains Tod für »a parodic disorder threatening the Arthurian realm«.29 Was man als epigonale Züge deuten kann, belegt auch die Selbstgenerierung einer Problematik aus der Enge der arthurischen Welt. So ist es vielleicht kein Zufall, dass ausgerechnet der melancholiegesättigte Chevalier aux deux épées auch einen ersten Ansatz zur Reintegrierung welthaltiger epischer Elemente in die arthurische Welt zeigt. Der Roman selbst versucht, dem Problem der Enthistorisierung durch eine gewisse Öffnung und Reepisierung entgegenzusteuern. Mit Blick auf Gabrielle Spiegels These der Krise der feudalen Adelsfamilien im 13. Jh.30 hat Noel Corbett den Roman trotz seiner nostalgischen Verklärung des Artusrittertums als einen durch und durch feudalen Roman beschrieben, »a vigorous justification of hereditary families and their right to hold land and transmit lordship«.31 Ich komme damit zum zweiten Teil meiner Überle-
|| 27 Rockwell (wie Anm. 10), 437. 28 Ebd., 442. 29 Ebd., 443. 30 Vgl. Gabrielle M. Spiegel, Romancing the Past. The Rise of Vernacular Prose Historiography in Thirteenth-Century France, Berkley, Los Angeles 1993 (The New Historicism. Studies in Cultural Poetics 23). 31 Noel Corbett, ›Power and Worth in The Knight of the Two Swords‹, in: Joan Tasker Grimbert und Carol J. Chase (Hrsg.), Philologies Old and New. FS Peter Florian Dembowski, Princeton 2001 (The Edward C. Armstrong Monographs on Medieval Literature 12), 319–37.
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gungen. Ich begreife die episierenden Tendenzen als eine gewollte Strategie der Gattungsmischung, die darauf abzielt, den Artusroman aus seiner gattungsgeschichtlich isolierten Stellung herauszulösen und das utopische Projekt mit der feudalepischen Welt zu kompatibilisieren. Verschiedene Möglichkeiten, die ich an drei Werken illustrieren will, stehen dabei zur Verfügung. Der Erweiterung des Handlungsrahmens im Chevalier aux deux épées steht die Überschreitung der Gattungsgrenzen in Floriant et Florete gegenüber, während ein Roman wie Durmart le Galois das traditionelle Schema aufgibt und zuletzt den Schritt in die Kreuzzugsepik wagt. Wir werden sehen, dass diese episierende Tendenz in jedem Fall eine Marginalisierung der Artuswelt nach sich zieht. So erscheint der hochgradig ironische und intertextuell überfrachtete Chevalier aux deux épées, der nach seinem Herausgeber Rockwell die typische Distanznahme des anglonormannischen Artusromans zu den Vätern andeutet,32 als das Muster eines dezentrierten klassischen Artusromans: Während die enfances des jungen, noch namenlosen Helden nurmehr eine symbolische Nischenfunktion haben, kreist das eigentliche Geschehen mit seinen tragischen Verwechslungen und Missverständnissen um Gauvain, der sich als väterlicher Freund und Mentor des später als Mériadeuc vorgestellten Helden in die feudalen Gegenwelten hineinziehen lässt. Als zeitweise totgeglaubte ›Vaterfigur‹ wird Gauvain in die feudalen Auseinandersetzungen verwickelt und dabei auch seiner idealen Identität entkleidet. Der junge Held sucht den Abstand vom Artushof, der ältere Held wird durch die Ereignisse dazu gezwungen. Der Roman versucht, die gattungsspezifische Isolation zu überwinden, indem er die Artuswelt in die feudalepische Wirklichkeit zurückholt und den einstimmigen Chor ausweitet. Die am Anfang geschilderte groteske Herausforderung Arthurs durch den bisher immer siegreichen König Ris, nach Régine Colliot ein groteskes Double von Artus selbst,33 kann denn auch als symbolische Infragestellung der Zentralität des Artushofes interpretiert werden. Dazu trägt im Übrigen auch bei, dass ein Großteil des Geschehens von der tapferen Königin von Caradigan bestimmt wird, welche die neue Rolle der Frau in einer Welt des Versagens der Männer verkörpert,34 aber ähnlich wie Mériadeucs
|| 32 Vgl. Rockwell (wie Anm. 23), 10: Die ›Jungen‹ »might have preferred to emphasize in their myths the accomplishments of sons rather than the failure of fathers«. Vgl. dazu auch Friedrich Wolfzettel, ›Father and Son or the Problem of the Generational Paradigm in Arthurian Romance‹, Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte 37 (2013), 15–28; wieder im vorliegenden Band, 171–86. 33 Vgl. Régine Colliot, ›Ambiguïté de l’aventure dans le Chevalier aux deux épées: un monde étrange‹, in: De l’étranger à l’étrange ou la conjointure de la merveille. En hommage à Marguerite Rossi et Paul Bancourt, Aix-en-Provence 1988 (Sénéfiance 25), 71–88. 34 Vgl. ebd., 78.
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verwitwete Mutter die Selbstbehauptung im Rahmen des feudalen Geschlechterdenkens darstellt.35 Der totgeglaubte, seiner Identität beraubte Gauvain, der in das ferne Inselreich kommt, wo er die Hochzeit seines vermeintlichen Mörders Brien mit der Königin gerade noch verhindern kann, wird zugleich mit einer nichtarthurischen Welt konfrontiert, die im Conte du Graal nur eben angedeutet war. Er gerät in die fremde und fremdartige Welt, als er den Usurpator Bléhéri in fremder Rüstung bekämpfen muss, ihn tödlich verwundet und sich so die Feindschaft seines Gefährten und sohnähnlichen Freundes, des Ritters mit den zwei Schwertern, zuzieht, der der Sohn Bléhéris ist. Er wird zum Heerführer, als er Mériadeucs Mutter auf der Burg Tigan von den Belagerern befreit und sich an deren summarischer Hinrichtung beteiligt. Die Mutter und veuve dame erhält jetzt die Gelegenheit, ihren Sohn über seine Identität und Herkunft aufzuklären und ihn in sein väterliches Erbe wieder einzusetzen. Anders als im Perceval ist so der titelgebende Held gerade kein reiner Artusritter, sondern der Repräsentant und Retter eines feudalen Geschlechts. Wie der Autor mit den epischen Versatzstücken spielt, zeigt gegen Ende des Romans die Geschichte des ›Roten vom gefährlichen Tal‹, der mit Artus verwandt ist, ihm aber einen Streich spielen will, der alle Züge einer Familienfehde trägt. Die scheinbar episodische Handlung wird so zu einem epischen Geflecht ausgeweitet, das der Gestalt des Königs wenigstens ansatzweise seine geschichtliche Funktion wiedergibt und in seiner zum Teil drastischen Realitätsnähe die spirituelle Dimension des Abenteuers tilgt. Bezeichnend ist die Beschreibung des Krönungsmantels des Helden bei Mériadeucs Hochzeit: Anders als derjenige Erecs, der mit den sieben freien Künsten das neue Bildungsideal des Rittertums gefeiert hatte, beschreibt dieser Mantel die Artusgeschichte und erinnert damit wie in einer mise en abyme an den episch geschichtlichen Hintergrund der eben gehörten wunderbaren Geschichte und an die Geschichtlichkeit des Artusreiches, die durch die neue Apostelrunde der elf Könige an Arthurs Tafel unterstrichen wird. Die Apotheose der Artuswelt ist zugleich eine kritische Rekontextualisierung, die die feudalen Wurzeln auch des Artusreiches sinnfällig macht. Auf verschlungenen Wegen steht der dem Conte du Graal nachempfundene Roman, wie Rockwell zeigt, für das Ziel einer mühsam erkauften »legitimate continuity with the past«,36 indem sich hier Authentifizierungsstrategien mit Distanzierungsansätzen überlagern. Noch deutlicher als in dem eben genannten Beispiel bedingen sich Episierung und Marginalisierung der Artuswelt in dem lange Zeit unterbewerteten Abenteuer- und Liebesroman Floriant et Florete, einem Muster
|| 35 Vgl. Corbett (wie Anm. 31); Corbett lehnt eine feministische Lesart ab (326f.). 36 Rockwell (wie Anm. 10), 445.
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arthurischer Intertextualität,37 der erst kürzlich für die Reihe »Champion Classiques« neu entdeckt wurde.38 Sara Sturm-Maddox hat die »feudal success story«,39 die unübersehbare Parallelen zu dem historischen Abenteuerroman Guillaume de Palerne aufweist, mit dem Ende der Normannenherrschaft in Sizilien – »perhaps half a century later than Tancred’s encounter with Richard II«40 – in Verbindung gebracht, und tatsächlich haben wir es bei diesem sizilianischen Artusroman, der wohl zwischen 1250 und 1275, wahrscheinlich nach 1268, entstanden ist, mit einem folkloristisch gerahmten und arthurisch grundierten historischen Roman zu tun, der entfernte Ähnlichkeit mit dem Cligés-Schema zeigt. Das heißt, dass der von der Fee Morgane entführte und im Ätna erzogene Held, der dazu bestimmt ist, nach seiner Hochzeit mit der Kaisertochter Florete selbst Kaiser von Konstantinopel zu werden, bei Artus die Möglichkeiten einer erfolgreichen jugendlichen Karriere findet und so Rache für seinen von seinem Seneschall ermordeten Vater Elyadus, den König von Sizilien, üben kann. Anders als bei der zunächst ähnlichen Konstellation des jungen Lancelot, geht es mithin nicht um arthurische Abenteuer, sondern um ein arthurisch unterlegtes episches Geschehen. Auch vollbringt der Held nach seiner Entlassung aus dem Feenreich eine Reihe spektakulärer Taten, die ihn König Artus von fern und unbekannterweise empfehlen sollen, und gelangt erst im Rahmen eines von Gauvain ausgerichteten Turniers an den Artushof, wo er die Botschaft Morganes ausrichtet und um Unterweisung im Waffenhandwerk ersucht. Ein geheimnisvoller Bote Morganes, der mit dem Schiff gelandet ist, offenbart jetzt die Identität des Helden und das Verbrechen des Seneschalls. Was im Cligés nur als Möglichkeit angedeutet war, die Helferfunktion von Artus nach dem Turnier, wird hier mit der siegreichen Beendigung der Belagerung Palermos und dem Sieg über den mit dem verräterischen Usurpator zunächst verbündeten Kaiser von Konstantinopel breit ausgeführt. Ähnlich wie der chevalier aux deux épées von seiner Mutter, der Frau von Bléhéri, Namen und Herkunft erfährt, wird Floriant von der befreiten Mutter über die Umstände seiner Herkunft aufgeklärt, um dann wie Mériadeuc nach der Hochzeit die eigene Herrschaft anzutreten.
|| 37 Vgl. Keith Busby, ›The Intertextual Coordinates of Floriant et Florete‹, French Forum 20 (1995), 261–77. 38 Benutzte Ausgabe: Floriant et Florete, zweisprachige Ausg., hrsg., übers. und komm. von Annie Combes und Richard Trachsler, Paris 2003 (Champion Classiques, Moyen Âge 9). 39 Sara Sturm-Maddox, ›Arthurian Evasions: The End(s) of Fiction in Floriant et Florete‹, in: Keith Busby und Catherine M. Jones (Hrsg.), Por le soie amisté. FS Norris J. Lacy, Amsterdam, Atlanta/GA 2000 (Faux Titre 183), 475–89, hier: 484; vgl, auch die Übersetzung der Prosa-Version: Le Roman de Floriant et Florete ou Le Chevalier qui la Nef maine, hrsg. von Claude M. L. Levy, Ottawa 1983. 40 Sturm-Maddox (wie Anm. 39), 486.
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Die auffallenden epischen Elemente der pseudohistorischen Handlung sind von Florence Bouchet untersucht worden.41 Sie zeugen von dem Bestreben, die Artussage in einen historischen Funktionszusammenhang zurückzuholen. So kommt nicht nur, wie üblich, der junge Held an den Artushof, sondern auch Artus selbst wird mit seinen Getreuen auf die Reise geschickt. Was von der Artussage bleibt, ist wie im Schlussteil des Cligés der Hof mit dem Turnier und seinen anschließenden Festlichkeiten, während jeder Hinweis auf ein arthurisches Abenteuer sui generis unterbleibt. Sizilien, nicht das Artusreich steht im Zentrum, und obwohl dieses sein Prestige behält und immer noch Maßstäbe setzt, ist es unübersehbar an den Rand des Geschehens gerückt. Nichts verbindet die Befreiung Palermos mit dem traditionellen Motiv des Sieges über einen aufsässigen Vasallen oder Rivalen am Rande des Artusreiches. Die Artuswelt wird ein Teil des internationalen Kräftemessens, wenn sich z. B. Gauvain in Palermo in Floretes Begleiterin, Blanchandine, die ungarische Königstochter, verliebt, nachdem Florete längst ihr Auge auf den siegreichen Floriant geworfen hat. Allein die Verheiratung Gauvains zeigt das Bemühen, wesentliche Konstanten der arthurischen Tradition doch noch zu verändern. Nach der Rückkehr des Artushofes nach London zerfällt die Romanhandlung daher wieder in zwei getrennte, erzählerisch nur durch entrelacement verbundene Bereiche. Doch der arthurische Hintergrund fordert noch einmal seinen Tribut. Der arthurisch gesprochen unbefriedigende Zustand kann nur überwunden werden, indem der epische Held, dem längst ein Thronfolger geboren wurde, nach dem Muster des Erec-Romans noch einmal auf arthurische Wanderschaft geschickt wird. Der recreantise gescholten, schifft sich Floriant mit Florete nach Italien ein, um sich erneut im Artusreich zu bewähren. Unter dem neuen Namen Le Beau Sauvage durchzieht der Held mit seiner jetzt Plaisante de l’Isle genannten Gefährtin die Wälder Britanniens und holt gleichsam Teile der arthurischen Sozialisation nach. Er kämpft, nicht ohne die Hilfe seiner Frau, gegen einen Drachen und besiegt und erlöst im Zweikampf den gefürchteten König Julien, der an die Maboagrain-Episode im Erec erinnert. Wie prekär diese Rückkehr in den Artusbereich ist, zeigt jedoch die Tatsache, dass der Held nach der Beichte Juliens zu seiner epischen Bestimmung zurückkehrt: Er begleitet Julien in den Krieg nach Rom, um den Angriff des Sultans zurückzuschlagen und die Herrschaft des Kaisers zu erhalten. Es folgt ein dritter Aufbruch des Paares an den Artushof, wo Floriant sich feiern lässt und noch einen aufdringlichen Ritter abwehren kann, bevor er nach dem Tod von Floretes Vater nach Konstantinopel aufbricht, wo er zum Kaiser gekrönt wird. Die Episierung des Artusromans hat
|| 41 Vgl. Florence Bouchet, ›Les éléments épiques dans Floriant et Florete‹, in: Dominique Boutet u. a. (Hrsg.), Plaist vos oïr bone cançon vallant? FS François Suard, 2 Bde., Lille 1999, Bd. 1, 87–99.
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offensichtlich eine perfekte Rhythmisierung der Schauplätze zur Folge, während das arthurische Hauptmotiv der errance zum intertextuellen Versatzstück geworden ist, das sich immer wieder zwischen die historischen Ereignisse schiebt. Diese werden durch die arthurische Rahmung gleichsam bestätigt und aufgewertet. Freilich bleibt ein unaufgelöster Rest. Zurück in Sizilien wird der junge Kaiser nämlich bei der Jagd auf einen weißen Hirsch erneut in das Zauberreich der Fee Morgane entführt, die ihm Unsterblichkeit verheißt und auf seinen Wunsch hin auch Florete nachkommen lässt. Die Entführungsgeschichte scheint andeuten zu wollen, dass auch das marginalisierte Artusreich seine zauberische Macht nicht ganz verloren hat. Die epische Bestimmung des Helden war nur geliehen; die arthurische Fee hatte ihm den Weg geebnet, um ihn beizeiten wieder zurückzuholen. Freilich: Selbst das Feenreich Morganes bleibt dezentriert und ist nicht in der Artuswelt, sondern in der epischen Welt Siziliens angesiedelt. Werfen wir abschließend noch einen Blick auf den etwas jüngeren, um 1250 zu datierenden Artusroman Durmart le Galois,42 der jedoch die Episierung und Marginalisierung des Artusreiches noch weiter treibt als Floriant et Florete. Der in Wales spielende erbauliche Erziehungsroman, den Gaston Paris mit dem Télémaque von Fénelon verglichen hat,43 beginnt zunächst denkbar unarthurisch mit dem Motiv des verstoßenen und ungehorsamen Königssohnes, der mit der jungen Frau seines Erziehers ein unehrenhaftes Verhältnis pflegt; die recreantise steht hier am Anfang und muss durch den Sinneswandel des noch unreifen Helden überwunden werden. Beate Schmolke-Hasselmann spricht denn auch von einem »Anti-Erec«.44 Auch die ritterliche quête nach dem Ritterschlag imitiert zwar arthurische Motive, lässt aber keinen Bezug zur Artuswelt erkennen. Geadelt wird der junge Held durch die religiöse Erscheinung eines Lichterbaumes mit einem nackten Kind;45 das Ziel der ritterlichen Suche, die unvergleichlich schöne Königin von Irland, ist dem Helden von einem Bauern vor Augen gestellt worden. Als er ihr nach der Überfahrt nach Irland in einem Wald begegnet, erkennt er sie nicht, lässt sich jedoch von ihr überreden, mit ihr zu einem vorgesehenen Schönheitswettkampf um einen Sperber nach Landoc zu ziehen. Natürlich wird Durmart mit seiner Dame siegen. Auch diese von Erec-Reminiszenzen durchzogene || 42 Benutzte Ausgabe: Durmart le Galois. Roman arthurien du treizième siècle, hrsg. von Joseph Gildea, 2 Bde., Villanova/PA 1965–1966. 43 Vgl. Gaston Paris, Les romans en vers du cycle de la Table Ronde, Paris 1887, 144. 44 Schmolke-Hasselmann (wie Anm. 5), 146. 45 Vgl. Ernst Brugger, The Illuminated Tree in Two Arthurian Romances, New York 1929. Der Autor sieht in dem Motiv einen Vorläufer des Christbaums, »the May-tree transferred to Christmas« (619).
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Episode kommt ohne arthurische Verweise aus, als ob es darum ginge, einen Artusroman ohne Artus zu verfassen. Gleiches gilt für die wunderbare Heilung des verwundeten Helden, für die hier keine arthurische Fee nötig ist. Erst nachdem der Held auf einer gastlichen Burg erfahren hat, dass seine Begleiterin, die er in einem Zelt zurückgelassen hat, die gesuchte Königin war, ist von König Artus und seinem Gefolge und Yder die Rede. Durmart hat inzwischen seinen Bewährungskampf mit dem Bruder des Sperberritters bestanden, fühlt sich aber noch nicht würdig, in Artus’ Ritterschaft einzutreten. Nach weiteren Abenteuern hat der Held Gelegenheit, in einem arthurischen Turnier die Bewunderung des Artushofes zu gewinnen und als weißer Ritter zum Sieger erklärt zu werden. Doch dieser entzieht sich dem Artushof erneut und lehnt es ab, in die Tafelrunde aufgenommen zu werden. Er verbringt das Weihnachtsfest in der Artusrunde mit den Artusrittern und bricht dann wieder allein auf der Suche nach der Königin auf. Nach dem Ritt durch ein wüstes Land findet der Held endlich die arg bedrängte Königin, die von ihren Untertanen verlassen worden ist. Die Forschung hat hier im Übrigen auf die Analogien mit Mériadeuc hingewiesen, wo Gauvain das belagerte Schloss Tigan mit der Mutter Mériadeucs mit seinen Leuten erobert und befreit. In wochenlangen kollektiven Kämpfen bleibt Durmart Sieger; zuletzt kommt auch Artus mit seinen Rittern, wohnt den Kämpfen jedoch nur als Zuschauer bei. Durmart trifft seinen Vater wieder, von dem er eines der beiden Königreiche erhält, und als König gewinnt er die Hand der geliebten Königin. Durmart le Galois ist mithin eine epische enfances-Geschichte, die durch das quête-Motiv einen arthurischen Anstrich erhält. Die quête wird zur Bewährungsund Läuterungsfahrt, deren individuelle Abenteuer erst am Ende in einem epischen Schlussakkord gipfeln. Ungeachtet der genuin arthurischen Handlungsstruktur rückt die Artuswelt erst spät und gleichsam zufällig in den Blick. Auffällig ist nicht nur, dass Durmart sich ihr immer wieder entzieht; auffällig ist auch die Zuschauerrolle des Artushofes, der durch das bis zuletzt wiederholte Turniermotiv noch zusätzlich entwirklicht wird. Der von außen kommende Held verfolgt seinen Weg unabhängig von König Artus, der in sporadischen Begegnungen gleichsam zum Zeugen der wirklichen Welt wird. Literarhistorisch gesprochen: Es gibt einen arthurischen Roman ohne Artus und ohne die verbindlichen Regeln der arthurischen Erzählgattung. V. a. aber dient die arthurische Bewährungsfahrt nur der Vervollkommnung des Helden und dem unmittelbaren Ziel der Reife, ist also episch genealogisch unterlegt. Ähnlich wie bei Floriant geht es indessen um mehr. Dies zeigt der Epilog, mit dem der Roman aus der arthurischen Tradition ausschert. Bei einer Jagd erblickt der Held nämlich eines Tages wieder den Lichterbaum mit dem nackten Knaben und erfährt, dass er nach Rom aufbrechen solle. Dort wird er Gelegenheit haben, dem Papst gegen das gewaltige Heer von vier
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Heidenkönigen beizustehen und nach der Absolution Aufschluss über die Bedeutung des Baumes mit dem Kind zu erhalten. Wie schon Wendelin Foerster den Schluss kommentiert: »Man glaubt plötzlich in eine Chanson de geste hineingeraten zu sein.«46 Die »Verherrlichung des Rittertums«47 hat sich vom Artusroman emanzipiert, um in einem Stück Kreuzzugsepik zu gipfeln, mit dem die Bekehrung und Läuterung des fehlgeleiteten Königssohnes letztlich abgeschlossen wird und der Roman zugleich zu einer Form der im 13. Jh. aufkommenden Ritterbiographie48 wird. Nicht zufällig endet die Erzählung mit einem Lob der ritterlichen Tugend, v. a. aber der Herrschertugenden von Karl dem Großen und Alexander, deren Namen noch einmal den epischen Kontext gegen den mittlerweile fast vergessenen arthurischen Bereich ausspielen. Die Erinnerung an die Taten der Ahnen – »Membre vos des bons ancïens / Qui jadis fisent les grans biens / Dont il les grans honors conquisent« (V. 1596–98) – unterstreicht ebenso wie die Polemik gegen die neureichen Emporkömmlinge das adelsstolze genealogische Register, dem sich unser möchtegern-arthurischer Held gewachsen gezeigt hat.49
|| 46 Wendelin Foerster, ›Li romans de Durmart le Galois‹, Jahrbuch für romanische und englische Sprache und Literatur 13/N. F. 1 (1874), 65–103 und 181–201, hier: 193. 47 Ebd., 200. 48 Vgl. dazu Élisabeth Gaucher, La Biographie chevaleresque. Typologie d’un genre (XIIIe–XVe siècle), Paris 1994 (Nouvelle Bibliothèque du Moyen Âge 29). 49 Vgl. dazu auch Friedrich Wolfzettel, ›Idéologie chevaleresque et conception féodale dans Durmart le Galois. L’altération du schéma arthurien sous l’impact de la réalité politique du XIIIe siècle‹, in: Charles Foulon u. a. (Hrsg.), Actes du 14e Congrès international Arthurien (Rennes, 16–21 août 1984), Rennes 1985, Bd. 2, 668–86.
Father and Son or the Problem of the Generational Paradigm in Old French Arthurian Verse Romance Abstract: As opposed to the virtually fatherless young in early Arthurian romance – the patron is fatherless Merlin –, the hitherto repressed generational problem with its refeudalizing tendencies begins to reappear at the beginning of the postclassical period. The quest for identity of Guinglain in Le Bel Inconnu will be linked to the recognition of his father. In Yder the father-son relationship forms the background of the romance whose hero will save his parents by reconciling and wedding them. In Meriadeuc ou Le Chevalier aux deux épées the hero will be the redeemer of his family.
It may perhaps be interpreted as a symptom of approaching old age if, at the end of an academic career, one turns back to the very beginnings of one’s Arthurian research. In my first Arthurian essay dealing with a comparison between Chrétien’s Roman d’Erec and the Celtic Mabinogi Gereint,1 I set off the Celtic couple of father and son against the typically Arthurian myth of the lonely young hero who, in spite of being a king’s son, is starting his chivalric quest quite independently from his aristocratic past. In comparison with the static genealogical conception of the Welsh adaption of Chrétien’s romance, the Roman d’Erec not only describes a process of individual maturity, but also ensures that the process implies the hero’s emancipation from traditional dynastic values. So, in a way, this first Arthurian hero is about Arthurianism itself, in so far as both theme and structure are opposed to the traditional ancestral concept.2 In this perspective, ›arthurisation‹ represents the ideal of autonomy of the ›young‹ – in the sense of Duby’s famous contribution –3 and the virtual cutting off of family bonds and especially of the
|| 1 Cf. Friedrich Wolfzettel, ›Le rôle du père dans le procès d’arthurisation du sujet d’Erec/Gereint‹, Marche romane 25 (1975), 95–140. 2 Cf. ibid., 103. 3 Cf. George Duby, ›Dans la France du Nord-Ouest au XIIe siècle: les »jeunes« dans la société aristocratique‹, Annales 19 (1964), 835–46. || I should like to thank my friend Brian McCall for a critical reading of this paper which was given in 2007 at the Arthurian colloquium of Sydney. First published in: Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte 37 (2013), 15–28. https://doi.org/10.1515/9783110694567-009
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links between father and son. Just as the episodic model of romance, invented by Chrétien, cuts of the links with the broader Arthurian saga whose remnants have been reduced to the residual state of coutume investigated above all by Erich Köhler4 and, more recently, by Donald Maddox,5 cutting off family relationships means cutting off the very essence of dynastically-minded society. After all, is not the fatherless Brut who accidentally killed his father during a hunting expedition, the mythical founder of the Arthurian realm? The tremendous appeal and novelty of Chrétien’s Arthurian romances must be seen in this virtually utopian autonomy of a fatherless chivalric society represented by a king who is himself close to denying his father. Significantly, the whole Arthurian matter is placed under the spiritual and literary authority of fatherless Merlin, »Fils sans père«.6 On the other hand, the predicament of Lanval, son of a king, but obliged to rely on the help of his fairy mistress in the order to maintain his living standard, seems to represent the problematic aspects of this autonomy of the young. The main reason for this is reflected by two aspects. The first regards the status of chivalry as a new class lacking dynastic antecedents, but eager to be amalgamated to the higher nobility.7 Playfully acting out a chivalric mission, as Arthurian protagonists usually do, thus forms part of the chivalric ideology based on a new ethic of personal effort and individual abnegation, a sort of worldly asceticism that encompasses, above all, the whole range of courtly love. Secondly, there is an historical argument discussed already by Beate Schmolke-Hasselmann’s socio-political approach8 and put forward again by Paul Vincent Rockwell in his recent edition of Meriadeuc or the Chevalier aux deux épées.9 According to this latter scholar, the romance points to a generation of English or rather Anglo-Norman nobles who, after losing the land of their ancestors in France »conceived of themselves as living in exile in England« and who »might have preferred to emphasize in their myths the accomplishments of sons rather than the failures of
|| 4 Cf. Erich Köhler, Ideal und Wirklichkeit in der höfischen Epik. Studien zur frühen Artus- und Graldichtung, Vorwort von Henning Krauß, 2. ergänzte Aufl., Tübingen 1970 (Beihefte zur ZrP 97). 5 Cf. Donald Maddox, The Arthurian Romances of Chrétien de Troyes. Once and Future Fictions, Cambridge et al. 1991 (Cambridge Studies in Medieval Literature 12). 6 Cf. Denis Hüe (ed.), Fils sans père. Études sur le Merlin de Robert de Boron, Orléans 2000 (Medievalia 35). 7 Cf. Georges Duby, ›Les Chevaliers‹, in: id. and Robert Mandrou, Histoire de la civilisation française, 2 vols, Paris 1968, vol. 1, 52–68. 8 Cf. Beate Schmolke-Hasselmann, The Evolution of Arthurian Romance. The Verse Tradition from Chrétien to Froissart, trans. by Margaret and Roger Middleton, Cambridge 1998. 9 Cited edition: French Arthurian Romance III: Le Chevalier as deus espees, ed. and trans. by Paul Vincent Rockwell, Cambridge 2006 (Arthurian Archives 13).
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fathers«.10 In Chrétien’s romances the story of the fathers is out of question, as is the case with Lancelot, the nameless hero of the Chevalier de la Charrette.11 It is thus significant that the first time we are told the story of a father, in the Conte du Graal, it is the story of a dead father and that Gauvain, too, has lost his father. And it is certainly no accident that the whole father generation in Perceval is linked with failure and disease.12 Nevertheless, and this is my second point and the second attempt to go back to my own past, the Arthurian search for the father exists – the more so, if we consider the reverse of Paul Vincent Rockwell’s argument, namely the fact that the loss of the past also implies the search for the past. Roger Dragonetti’s brilliant and somewhat enigmatic book on the »la vie de la lettre«13 in the Conte du Graal deals precisely with the gap left by the missing father and the failure of a son who has obviously lost his autonomy because he is still dependent on the dead father, the ›name of the father‹ in Lacanian terms. In my early contribution to the problem of French medieval enfances, I argued that the generic difference between epic and romanesque enfances is accounted for by the more or less problematic role of the father figure in the respective narrative traditions. As opposed to the circular structure of epic enfances which heavily rely on the dynastic principle and exalt the son’s endeavour to supplant his father and to become a father himself, the structure of romance tends to be an open structure, the father of romance playing a precarious and rather minor part in the son’s career. The logic of the conservative myth is broken up by the new ethic of the search for identity, but what is more important is that we are faced with the different generic status of epic and Arthurian enfances. Epic enfances were added to epic cycles with a view to dynastic and biographical completion; they normally do not belong to the original matière. Dorothea Kullmann’s typological review of family relationships in epic and romance of the twelfth century has recently confirmed this position.14 By contrast, Arthurian enfances do not represent additional narrative material; they are the representative form of Arthurian romance, because the Arthurian
|| 10 Paul Vincent Rockwell, ›Introduction‹, in: French Arthurian Romance III: Le Chevalier as deus espees, ed. and trans. by id., Cambridge 2006 (Arthurian Archives 13), 1–30, here: 10. 11 Curiously, a complete and rather problematic father-son-relationship forms the background of the non-Arthurian part of this romance: Baudemagu, king of Gorre, resents the brutal behaviour of his son Meleagant. 12 Michelle Szkilnik, Perceval ou le Roman du Graal de Chrétien de Troyes, Paris 1998 (Foliothèque 74), 380, argues, that this romance is characterized by the »evanescence du père«. 13 Roger Dragonetti, La vie de la lettre au Moyen Age (Le Conte du Graal), Paris 1980. 14 Cf. Dorothea Kullmann, Verwandtschaft in epischer Dichtung. Untersuchungen zu den französischen Chansons de geste und Romanen des 12. Jahrhunderts, Tübingen 1992 (Beihefte zur ZrP 242).
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adventure is by definition the coming of age of the young. That this neat opposition seems to be a specific characteristic of old French romance, with hardly any equivalent in Middle German epic literature, has been shown by René Pérennec in his important essay on »Artusroman und Familie«,15 in which he also discussed my formerly mentioned approach. While Chrétien’s Lancelot, for instance, is the story of a redemption, the German counterpart, Lanzelet, is a biographical epic romance based on the traditional exile-and-return-formula which is typical of epic enfances. Not only does the hero try to track down his lost parents, he wants to be part of a complex family.16 Lanzelet may be conceived of as the contrary of the quest-figure17 and as the protagonist of family structures.18 The same thing seems to be true of a comparison between Chrétien’s Perceval and Wolframs’s Parzival. Everybody knows that Wolfram von Eschenbach has profoundly reworked Chrétien’s Perceval by spinning a whole web of family binds around his hero Parzival. The German romance presents indeed the first Arthurian example of a family tree. With Pérennec: Die Artuswelt darf diesmal offen als Feudalgesellschaft dargestellt werden, weil mit dem Übergang vom arthurischen Abenteuer zur spezifischen Enfances-Handlung ein Struktur19 gesetz des Chrestienschen Artusromans außer Kraft gesetzt wird.
The father figure means tradition; the symbolic implications of the father-sonrelationship has been analysed by Ursula Storp under the title »Tradition und Traditionsbruch«.20 The reappearance of family antecedents means reevaluating traditional values. In France itself a similar refeudalization on a large scale has been going on in the prose Grail romances obsessed by genealogy and a plethora of ancestors. Elisabeth Schmid has studied the role of family relationships in French and German Grail Romances,21 suggesting that these relationships even assume a redemptive function within the narrative fabric. The alliance of sacred history and the dynastic order in crisis seems to require this new model of an es-
|| 15 Cf. Friedrich Wolfzettel, ›Zur Stellung und Bedeutung der Enfances in der altfranzösischen Epik‹, ZfSL 83 (1973), 317–48, and ZfSL 84 (1974), 1–32. 16 Cf. ibid., 15. 17 Cf. ibid., 37. 18 Cf. ibid., 47. 19 Ibid., 50. 20 Ursula Storp, Väter und Söhne. Tradition und Traditionsbruch in der volkssprachlichen Literatur des Mittelalters, Essen 1994 (Item Mediävistische Studien 2). 21 Cf. Elisabeth Schmid, Familiengeschichten und Heilsmythologie. Die Verwandtschaftsstrukturen in den französischen und deutschen Gralromanen des 12. und 13. Jahrhunderts, Tübingen 1986 (Beihefte zur ZrP 211).
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chatological order of things in which nothing is left to chance. In spite of the Arthurian framework the new celestial chivalry thus has little to do with the original Arthurian chivalry. Nevertheless, and as if it were necessary to stress the link between verse romance and prose, the Lancelot of the prose romance cycle is still characterized as a fatherless hero.22 Refeudalizing tendencies are not restricted, however, to propose romance. What is often referred to as epigonal Arthurian verse romance – notwithstanding the ironic fact that the classical period seems to be rather short – may well be interpreted as an attempt by diverse, more or less anonymous authors to combine the older model with the pressure of increasingly important dynastic exigencies. In this particular respect, the father figure plays a conspicuous part as the symbol of a changing vision of chivalric adventures. It is as if the dead father in the background of Perceval’s life had set in motion a compulsive apparatus of variants of reappearing father figures; as if the model of prose romances haunted by the ghost of the past had contaminated verse romance as well. There is the mysterious father in the Bel Inconnu; there is the lost and guilty father in Yder; there is the despicable father in Fergus as opposed to the despicable child in Durmart le Galois; there is the illegitimate and criminal father in Caradoc; there is the father figure as a ›mentor‹ in Hunbaut or as a rivalling lover in Gliglois. And so on. Beside the – symbolically or literally – fatherless enfant and hero a growing number of ›fathers‹ testifies to the emergence of a hitherto hidden or repressed generational problem, which gradually contributes to transforming or perverting the original Chrétien-type of Arthurian romance. In the light of dynastic reality this latter type of romance seems in fact to be forced to form an alliance with other, fundamentally conservative forms of epic fiction, whether historical or fictional, and the success of the Melusine saga by the end of the Middle Ages testifies to the triumph of the family romance. Ursula Peters has investigated this process of the interaction of dynastic ideals and family structures from the beginnings of chronicle and romance to the fourteenth and fifteenth centuries.23 A case in point seems to be the ›epic‹ romance Durmart le Galois which combines traditional Arthurian devices with an overall biographical and dynastic structure and ends up in an apotheosis of the genealogical principle.24 But what
|| 22 Cf. Friedrich Wolfzettel, ›Vaterlosigkeit, Identitätsproblem und Rollenspiel in der altfranzösischen Literatur‹, Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte 29 (2005), 197–209. 23 Cf. Ursula Peters, Dynastengeschichten und Verwandtschaftsbilder. Die Adelsfamilie in der volkssprachlichen Literatur des Mittelalters, Tübingen 1999 (Hermaea NF 85). 24 Cf. Friedrich Wolfzettel, ›Idéologie chevaleresque et conception féodale dans Durmart le Galois. L’Altération du schéma arthurien sous l’impact de la réalité politique du XIIIe siècle‹, in:
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is more important is that Durmart is far from representing an isolated syndrome. In her broad typology of the chevalier errant, Marie-Luce Chênerie has shown that in the course of the thirteenth century the dynastic model even becomes the rule with Arthurian protagonists;25 few are the exceptions to this new trend of deArthurianization of the chevalier errant type of narrative. It goes without saying that in the wake of such tendencies, specifically Arthurian structural devices like the ›double cursus‹ are losing their raison d’être.26 But symptoms of crisis are always manifold and variegated. In spite of the tendency towards the inclusion of dynastic exigencies in Arthurian romance, this latter is still far from presenting us with a uniform picture of fictional patterns. Quite the contrary. The originality of the genre seems to be demonstrated by the very way in which the fundamental incompatibility of Arthurianism and dynastic necessities is highlighted by narrative structures in each particular case. The problems dynastic exigencies meet with in their application to Arthurian romance are thus indicative of the Arthurian ›otherness‹ and its resistance in the context of the generic system of the Middle Ages. Never is the epic dynastic scheme perfectly applicable to the specific structure of Arthurian romance, and in the majority of cases it is the farther problem that invests the ideological premises. I should now like to investigate three consecutive and different ›cases‹ of how the father problem is linked to the hero’s coming of age and to the subsequent dynastic connotations: Le Bel Inconnu, Yder and Le Chevalier aux deux épées. The main theme of these verse romances written between 1200 und 1230 is the hero’s search for identity, but contrary to what is true of Chrétien’s romances, this search of the son is no longer possible without the father playing a major role in the process. My first example still belongs to the ›classic‹ strand of Arthurianism; nevertheless it is marked by a certain unease and ambiguity. In the context of Pérennec’s important essay I have already mentioned the first trace of a hidden father in the quest-for-identity theme of Le Chevalier de la Charrette. I should also like to follow Pérennec with regard to his other example and shortly discuss the problem of the Bel Inconnu. The romance of Renaut de Bâjé or Beaujeu has been interpreted by Philippe Walter as the symbolic transposition of the conquest of sover-
|| Charles Foulon et al. (eds), Actes du 14e Congrès international Arthurien (Rennes, 16–21 août 1984), Rennes 1985, vol. 2, 668–86. 25 Cf. Marie-Luce Chênerie, Le Chevalier errant dans les romans arthuriens en vers des XIIe et XIIIe siècles, Geneva 1986 (Publications romanes et françaises 172). 26 Cf. Friedrich Wolfzettel, ›Doppelweg und Biographie‹, in: id. (ed.), Erzählstrukturen der Artusliteratur. Forschungsgeschichte und neue Ansätze, Tübingen 1999 [SIA 4], 119–41. Reprinted in the present volume, 37–59.
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eignty by means of feminine fairy help.27 The search for identity enables the young nameless would-be hero to conquer a wife and land in order to leave behind the status of the young. But in the light of the hero’s stance between two fairy women, and his search for the unknown father this thesis seems too simple. A psychoanalytic interpretation of the main triangle of the hero between two women has been suggested by Felicitas Oleff-Krafft:28 while the Fée aux Blanches Mains represents the loving fairy and the erotic promise of everlasting youth, the real object of the hero’s quest, the dragon fay La Blonde Esmeree who is to be redeemed by the Fier Baiser, will present the hero with the desired sovereignty. So, symbolically, youth is opposed to dynastic adulthood. Significantly, it is La Blonde Esmeree who informs the Bel Inconnu of his identity by telling him that his father is Gauvain and his mother Blanchemal and that his name is Guinglain. The episode of the Fier Baiser thus marks the end of the hero’s enfances and the end of his quest of identity. However, the grown-up hero is still torn between two conflicting authorities, each of which holds part of his identity. After the Fier Baiser episode our hero will try to escape from La Blonde Esmeree in order to return to the Fée aux Blanches Mains, but ultimately he will have to resort to the mother fay, La Blonde Esmeree. So the conflict is a conflict between Arthurianism and epic sovereignty, between regressive desires and adulthood. Even if, as Walter puts it, »le blanc renvoie à la royauté« and if »la blancheur est donc partout présente autour de Guinglain pour lui designer son destin royal«,29 Guinglain tries in fact to avoid sovereignty in favour of love. In other terms: Guinglain eschews adult responsibility just as he eschews adult love represented by the maternal dragon fay, the prototype of the devouring mother. His return to the Ile d’Or is a symbolic return to the womb and to the delectable beginnings of his childlike career as a ›bel inconnu‹ without parents. But there is also the problem of the father. By the end of the twelfth century and in ironic reference to Chrétien de Troyes, the author stresses the problems linked to the desired metamorphosis of the unknown Arthurian knight into a sovereign nobleman and by doing so he also stresses the aporetic symptoms of Arthur’s reign. The Bel Inconnu arrives at Arthur’s court at Carlion just after Arthur has been crowned king. His adventures are thus surrounded by the aura of youthful beginnings. Yet as the son of Gauvain and the Fay Blanchemal he is also the offspring of a mythical union and will always be tempted to return to his
|| 27 Cf. Philippe Walter, Le Bel inconnu de Renaut de Beaujeu. Rite, mythe et roman, Paris 1996. 28 Cf. Renaut de Beaujeu, Der schöne Unbekannte. Ein Artusroman, trans. by Felicitas Olef-Krafft, Zürich 1995, ›Nachwort‹, 219–49. 29 Walter (see note 27), 285.
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mythical origins. Whereas Erec, Yvain or even Lancelot were free to ›prove their souls‹, to put it in the terms of Robert Browning, Guinglain thus seems to represent a false start. He cannot escape the shadow of his father who, unlike Perceval’s father, is still alive and, above all, who is present at King Arthur’s court. As the son of the most prominent member of the Round Table he seems destined to share his father’s predicament, and in spite of the brevity of Arthur’s reign, he seems to hint at the secret crisis of an old king. It is hardly by chance that Guinglain will have to return to Arthur’s court in order to be married with Blonde Esmeree. The real father and mother figures then will be close in the realm of his adventures, and by seeking his future he will be thrown back on his lost past. Guinglain is an Arthurian hero who ironically reflects the impossibility of being an Arthurian hero because his quest of identity is inextricably linked with the quest for family relationships and because these family relationships function as a sign of crisis. »Le féerique destin«30 of Guinglain described by Philippe Walter actually reveals the failure of one who does not succeed in redeeming himself, because his father is already there and occupies the place that should be assigned to the young hero. Le Bel Inconnu subtly subverts the Arthurian model by linking the theme of the unknown origin of the hero and his subsequent quest for identity with the presence of his prestigious father Gauvain at the Arthurian court. The adventures of the hero thus underscore the artificial and experimental character of the young hero’s career. Much more radical is the subversion of the classical Arthurian model as suggested by Chrétien in the romance of Yder, which will be my second example. This romance is now dated as early as around 1200 and consequently almost contemporary with the romances of Chrétien. Like Fergus, Yder belongs to the Arthurian romances in which the father complex is subtly transformed into the fantasy of rescuing the mother. But inasmuch as the search for the lost and unknown father constitutes the primary goal of the hero’s quest, the latter’s own identity is obviously linked to the father figure, while his Arthurian quest is only a secondary one. Once again, the father is already present, but contrary to what happens in the Arthurian universe of Le Bel Inconnu, he lingers outside this universe and is not easily recognizable. No fay will inform the hero of his identity. In his meritorious study of the literary theme of the search for the father in epic poetry, the Dutch scholar Anthony van der Lee has associated the theme with Freud’s concept of the family neurosis suggesting the Oriental origin of a ›Wandersaga‹ (migratory saga). The Freudian theme is obviously linked with the
|| 30 Walter (see note 27), 157.
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theme of social ascent and may prove appropriate to the stance of the impoverished hero who sets out to seek his fortune. But van der Lee is certainly not right in postulating a deeper connection of this theme with courtly and Arthurian romance.31 The contrary is true. The romance of Yder may well boast an Arthurian ring; in its substance it is already a de-Arthurianized Arthurian romance. Alison Adams who reedited and translated the text in the Brewer edition has, for instance, argued that the debt of the unknown author »to Erec et Enide is particularly marked«, but that he »even knew Perceval from which he seems to borrow the motif of Yder’s impoverished youth and of the damsel mourning the dead knight«.32 But actually and in spite of some Arthurian reminiscences, this romance is much more than a mere variation of the classic tradition; in its attempt to integrate the epic tradition and to transform the lonely Arthurian quest into a family quest, Yder establishes no less than a counter discourse which encompasses the whole range of traditional themes and motifs and seems to be in accord with the marked depreciation of King Arthur’s court itself.33 This latter symptom – jealous unworthy king, a malicious seneschal who tries to murder the hero – naturally entails a blurring of the neat structure of the ›double cursus‹ invented by Chrétien; Arthur’s court loses its original function as a centre of communication, the beginning, the middle and the end of a coherent story, and degenerates instead into a fortuitous meeting point. It is true that in his Perceval Chrétien himself had already initiated this new ideological direction, but in this last romance there is the alternative of the Grail and of the Grail Castle whose superior value naturally diminishes traditional worldly Arthurian values. But this is not the case in the romance of Yder whose theme, the coming of age of the young fatherless hero, has really nothing to do with the Arthurian world and will be accomplished only with the lost father’s reappearance. It is not the father’s name that presides over the hero’s chivalric career, as is suggested by Dragonetti’s Lacanian approach of Perceval; it is the real father himself with whom the young hero will unwillingly and unconsciously fight and whom he will eventually reconcile with his mother by marrying his parents. So the action comes full circle in quite a literal sense, because the hero’s father Nuc, after leaving his young beloved, had taken one half
|| 31 Cf. Anthony van der Lee, Zum Literarischen Motiv der Vatersuche, Amsterdam 1957 (Verhandelingen der Koninklijke Nederlandse Akademie van Wetenschappen, Afd. Letterkunde NR 63, 3), 110. 32 Alison Adams, ›Introduction‹, in: The Romance of Yder, ed. and trans. by idem., Cambridge 1983 (Arthurian Studies 8), 1–25, here: 11. 33 Cf. Beate Schmolke-Hasselmann, ›King Arthur as Villain in the 13th Century Romance Yder«, in: Reading Medieval Studies 6 (1980), 31–43.
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of the future wedding ring with him, so that at the end the broken wedding ring can be restored. The broken ring is a telling symbol of what is at stake in this anti-Arthurian romance. It is the symbol of the broken union of the hero’s parents and of the illegitimacy of the son who not only dreams of love and success, but who wants to overcome the initial lack of his birth and to become ›whole‹ again. So it is only natural that he should be dubbed a knight at the very beginnings of his active career. What really matters is that he cannot be ›whole‹ before fighting and finally recognizing his lost father Nuc, who will now be willing to marry Yder’s mother and to make up for the damage he has caused. In an interesting article of 1977, Jean-Charles Payen has made out the symptoms of a marriage crisis by the end of the thirteenth century.34 Now it seems that Yder is a case in point that suggests a much earlier date. For here the whole family is at stake. The guilty father had been the missing link of the family that comprises mother, son and grandmother, that is three generations, and his own failure marks the stain from which the family suffers. The moral failure refers moreover to the social flaw of the impoverished noble-woman who had born an illegitimate child. In a way both parents are tarnished and have to be saved by their child. It does not seem to be by mere accident that our hero falls in love immediately after setting out on his quest and that he loves and is loved in his turn by the queen Guenloie who is, of course, socially above him and who will be able to marry him only after his becoming a king himself. This seems to be an example of a wishful-thinking mechanism that tries to by-pass the theme of social ascent by marriage. So this story of social inferiority is bound to end up in the autonomous social ascent of the hero, just as if the story needed a fairy-tale solution. Now, in her book Roman des origins, origins du roman, Marthe Robert has argued that Freud’s concept of the family neurosis linked with the dialectics of self-abasement and self-aggrandizement has been at the root of the modern psychological novel since the eighteenth century.35 But in the light of what is going on in our medieval romance it seems obvious that we are confronted with an analogous psychological mechanism in the Middle Ages. The dream of social ascent is linked to the redemption of the formerly despicable father, whose honour will be restored by the chivalrous enfant. By becoming a king himself, the chivalrous enfant will manage to rescue himself and his family
|| 34 Cf. Jean-Charles Payen, ›Le crise du mariage à la fin du XIIIe siècle d’apres la litterérature française du temps‹, in: Georges Duby and Jacques Le Goff (eds), Famille et parenté dans l’Occident medieval. Actes du colloque de Paris (6–8 juin 1974), Rome 1977 (Publications de l’École française de Rome 30), 413–26. 35 Cf. Marthe Robert, Roman des origines, origines du roman, Paris 1972.
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and to aggrandize his fallen family. The story of Yder is so to speak the chivalrous, aristocratic version of what Freud interpreted as a typically bourgeois neurosis. However, what is at the heart of the story is the crisis of a noble family, not the individual demonstration of the hero’s valour. Strictly speaking, as I have already suggested, this romance is not an Arthurian romance at all. In spite of some famous Arthurian names like Gauvain or Cligès, Key and Arthur himself, and in spite of some typically Arthurian scenes, this Arthurian universe is in fact part of a half-fantastic, half-real epic world of kings and queens and has lost its characteristic ideal superiority. After the probably ironic praise of Arthur apparently unjustifiably renowned for his valour, his wisdom and his courtliness, as the huntsman puts it at the very beginning of the romance, the first adventure the hero has to face after falling in love with Guenloie confirms Arthur’s negative image and his inability to rise to the occasion. Consequently, instead of promoting the hero’s integration in Arthurian society, this romance sketches an antagonistic or at least ambiguous relationship between Yder and the sought-for ideal Arthurian world marked in reality by falsity, confusion, misunderstandings, interrupted projects and broken promises and not least by Key’s criminal energy with respect to Yder. Yet significantly, in this collective muddle which reminds us somewhat of the world of the prose romances, which are going to spring into existence after 1200, Yder is constantly confronted with family relationships: King Ivenant promises to dub him if he can resist his charming wife; Arthur himself is tormented by jealousy because Guenevere names Yder as the person she would least dislike to marry; and right at the outset of his search for his father the hero meets a father and his son who offer him their hospitality; the son, Luguain, will accompany him as his servant and thus contribute to his own father’s social ascent. An intact father-son relationship thus forms the ideal background of the hero’s own quest. Significantly, after being poisoned by the treacherous Key, Yder is found mortally wounded by Alfred, the Irish King, and it is thanks to Alfred’s two sons that he will be healed. In other words, throughout the mutilated Arthurian world the generational paradigm characterizes the real aristocratic world and if Yder is once again attracted to King Arthur’s court, his real place will be elsewhere in an aristocratic society that has little to do with Arthurian leanings. In a way Arthurianism has abandoned its particular and privileged stance and seems ready for integration in the normal dynastic structures of epic romance. The key to his mental turns may be seen in the figure of the non-Arthurian father who becomes conscious of his social responsibility and the figure of the son who helps his father, but remains dependent on him. As Nuc says to his son Yder after the scene of mutual recognition:
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Car jo feroie deshonor A mon bon fiz, si por s’amor Ne fesoie honor a sa mere; Il avroit en moi vilain pere (ll. 4913–16). For I would be dishonest to my beloved son, if, for my love to him, I would not do honour to his mother. I would be a bad father for him.
Bonds of honour link father to son and vice versa. At the turn of the century or shortly thereafter and only a few years after Chrétien’s death the Arthurian romance returns to its epic origins by confirming the genealogical principle which Chrétien had carefully eliminated. But as his Perceval had already shown, the reappearance of the father figure may be interpreted in psychoanalytical terms as the reappearance of the repressed by confirming the victory of the principle of reality over the slightly utopian stamp of the Arthurian society as conceived by Chrétien. In this perspective the father figure is the incarnated agent of a reality-testing procedure. However, the father’s victory is linked to the phantasmal victory of the son, who will not hesitate to reinterpret his dependence on his father as an act of rescue on his own part. So the past represented by the father has to be redeemed by the son. Contrary to the simple mythical connotations of the epic exileand-return formula, which is at the heart of so many epic enfances, this romance seems to favour an oblique approach full of ambiguities. Nuc’s marriage means reconciliations with the past brought about by the son who is thus going to confirm his own fantasies of self-aggrandizement and social ascent and to prove his necessary social function. The finale of the romance really is an apotheosis of restoration. Chrétien’s romances were virtually directed to the future, Yder is directed to the past. The hero’s fortune and his name are restored before he marries Guenloie, and his personal valour only confirms his social standing: Tote sa vie en tele dolçor Ne quesist ja changier cel estre Por avoir parais terrestre. (ll. 6759–61) His whole life he lived in this bliss and never thought of exchanging it against the earthly paradise.
The restoration of natural order is not by chance compared by the author with Earthly Paradise, because it implies an end rather than a new beginning. With the hero’s coming of age, Arthurian romance itself seems to have come of age, too. Yder is still a redeemer in the best Arthurian tradition, but he no longer accomplishes his deeds within the Arthurian world but outside, in order to rescue his own fallen family. He redeems his despicable father while renouncing his own
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integration in the Arthurian realm. The contrary procedure would be to give up the despicable father in order to be integrated in the Arthurian world. Now this is exactly what happens in the romance of Fergus, which has perhaps too rashly been rejected among parodic forms of the chevalerie des sots.36 Suffice it to say that Fergus may be understood as an alternative solution to the problem of the despicable father. The young hero, the son of an aristocratic mother and an enriched villain, will not try to rescue his family, but rescue himself and his mother. Which will not be possible in the real epic world but only within the Arthurian universe. The whole story reminds us of the clash between the real and the fairytale world in Marie de France’s Lai de Yonec. The circular structure of the narrative – from midsummer to midsummer – clearly indicates the close structure of the fairy-tale Arthurian world which can be preserved only by excluding all disturbing elements. So the despicable father has to be eliminated and the son will have to sever his links with a despicable past. The romance, written before 1233, may thus be interpreted as a conscious effort not only to emulate the literary tradition but also to restore it.37 The despicable father who represents social reality also marks the major hindrance on the way back to unmitigated Arthurian ideals. But let us come to the last example, Le Chevalier aux deux épées, probably written between 1210 and 1235. This lengthy romance presents a number of parallels with Perceval and Le Bel Inconnu, but in spite of clinging to the traditional framework of Arthurian verse romance, it innovates in more than one respect, especially with regard to epic and dynastic aspects. According to its recent editor and translator Paul Vincent Rockwell, the romance »develops the death of Meriadeuc’s father in a way that colours the romance’s representation of familial continuity«.38 Following the theses of Beate Schmolke-Hasselmann, Rockwell interprets this romance as an ironic or even slightly parodic attempt at self-legitimisation and as a program linking up with literary tradition. References to the Roman d’Eneas and the Trojan legend which epitomize the founding of new realms underscore this tendency, and one would even be tempted to interpret the central part of the romance, the supposed death of Gauvain who has to set out in order to prove the contrary, as a symbolic mise en abyme of this problem of coming to terms with the past. The classical Arthurian tradition is falsely reputed to be dead || 36 Cf. La chevalerie des sots. Le Roman de Fergus, suivi de Trubert, fabliau XIIIe siècle, trans. and ed. by Romaine Wolf-Bonvin, Paris 1990. 37 »And one way also conjecture that the strong tendency of Guillaume [le Clerc] to copy Chrétien’s works suggests a conscious effort to benefit from literary tastes of the time«, comments the editor in: Guillaume Le Clerc, The Romance of Fergus, ed. by Wilson Frescoln, Philadelphia 1983, 30. 38 Rockwell (see note 10), 9.
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and has to be resuscitated. Obviously this endeavour implies a dialectic treatment of the father problem, just as the text itself may be characterized with Rockwell as an attempt at »rewriting the textual past«39 – in so far as the extraordinary complex Arthurian fabric, in itself a sort of summa of the Arthurian tradition, is interwoven with a new epic strand which reminds us of the prose romances. Consequently, as opposed to the biographical, virtually non-Arthurian schemes of Yder, Le Chevalier aux deux épées starts in an absolutely orthodox Arthurian way, in order to shift at once to a non-Arthurian, epic ground. Praise of King Arthur who is busy holding court at Whitsuntide is immediately followed by the disturbing appearance of a strange knight who defies the king in the name of his rival Ris d’Outre-Ombre – a name whose literal meaning ›beyond the river Humber‹ would equally be interpreted symbolically as ›beyond the realm of Shadows‹, which obviously reminds us of Meleagant’s counter-realm in Chrétien’s Charette. The innocent victim of the aggression by the foreign king is the queen of Garadigan, who has been interpreted by Rockwell as the emblematic representative of historic continuity. For by her exploits with the sword and her vow to marry only the best of all knights it is she who keeps the complex action in motion and brings it to a happy ending with glory for the king. At the end it is Whitsuntide again, as if the author wanted to underscore the ritual character of a circular structure marked by a game of hide-and-seek that aims at revealing the protagonist’s identity and at bringing about the truth, the triumph of the Arthurian values, which seems to constitute a major theme of our romance. So a collective test of valour, a variant of the virtue test in the mantel mautaillé theme, is placed right at the outset of the action; the queen of Garadigan has girded on the sword of a much lamented dead knight, but this sword can only be loosened by the best knight and twenty thousand men at King Arthur’s court try in vain to help the lady rid herself of the sword. Naturally, it is the bel inconnu, an unknown young bachelor, who will accomplish the deed and henceforth he will be called the ›knight with two swords‹. His identity, however, remains unknown. But a stroke of genius may be seen in the ironic reduplication of the young knight’s quest by Brien’s quest and by a parallel quest of Gauvain who is reputed to be dead and will therefore have to prove that he is still alive. This narrative device thus results in a competition between old and young, between the father and the son generation. And what is equally important, both spheres are reduplicated. For the older knight is said to have been slain by young Brien who wants to win the queen’s love and who acts as a sort of double of the knight with two swords. The latter will also fight against Gauvain, while Brien, having been defeated, will have to live as a pris|| 39 Rockwell (see note 10), 13.
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oner at Arthur’s court where he is called »le biel prison« (l. 6125) because he wants to hide his identity, too. And in the middle of the narrative the young knight with two swords learns from his mother that he is the son of Bleheri who has been killed by the usurpator Brien (not identical with young Brien) who plays the part of the villainous father and will finally be killed by Gauvain. So, ultimately, there are two father figures and two son figures, each couple being split up into a negative and a positive figure. Thus the plot of romance is really about identity and generation. The story around Bleheri has the flavour of an epic tragedy and the poet seems to have deliberately rewritten the Perceval story as an epic quest without the Grail. Recent research has again stressed this epic component in Chrétien’s Perceval, interpreted by Brigitte Cazelles as the subversion of an epic vendetta story.40 It is clear that, while transforming the epic quest into the mould of an Arthurian enfances story, Chrétien did not succeed in completely suppressing the father figure that looms up like the shadow of something repressed, so that the Conte du Graal still bears the marks of a hidden family tragedy. Perceval, the saviour and redeemer of an enchanted past, fulfills only half of his duty; he fails because his mother tells him how to behave in the future but does not tell him enough about the past. Now this is exactly what is done by our hero’s mother, another veve dame, thus enabling her son to act according to his family duty and finally to re-establish friendly relations with Gauvain, too. In the central scene of the wounded knight carried in a sedan-chair and ritually healed by our hero by means of a second stroke, which makes the poison fall out of his wound, the knight with two swords therefore succeeds in finding the ritual gesture which enables him to rise to the occasion, instead of failing to recognize what he ought to do, like Perceval. And this gesture is a prerequisite for winning the identity that is linked to the ancestors and the || 40 Cf. Brigitte Cazelles, The Unholy Grail. A Social Reading of Chrétien de Troyes’s Conte du Graal, Stanford/CA 1996, 226. Cazelles attempts to demystify or »deromanticize« the Grail story and Perceval himself, who in this perspective becomes a traitor to his dead father killed by Arthur’s lineage. Ernst Brugger, ›Bliocadran, the father of Perceval, in: Medieval Studies in Memory of Gertrude Schoepperle Loomis, Paris, New York 1927, 147–74, had already looked for traces of the original Perceval story in Sir Percyvall of Gales, the Cantare di Caduino and also in the so-called Bliocadran-Prologue and the Perlesvaus. His conclusion: »An important and primitive element in the Perceval story is that the hero’s duty was vengeance« (171). Madeleine Blaess, ›Perceval et les »illes de mer«‹, in: Mélanges de littérature du Moyen Âge au XXe siècle offerts à Mademoiselle Jeanne Lods, 2 vols, Paris 1978 (Collection de l’Ecole Normale Supérieure de Jeunes Filles 10), vol. 1, 69–77, arrived at similar results. It is true that this critical approach has been challenged by Lenora D. Wolfgang’s demonstration of the uncertain state of Perceval’s father in the whole medieval tradition, cf. Lenora D. Wolfgang, ›Perceval’s father: Problems in medieval narrative art‹, Romance Philology 34 (1980), 28–47.
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past. The hero finds his name Meriadeus written on the magic sword and he learns that this was also his grandfather’s name: Et on l’a tantost aportee. Et voit on escrit en l’espee D’ambres .II. pars ›Meriadeus‹. Et cil as espees dit lues K’ainsi fu ses taions nommés. (ll. 10867–71) And the sword was soon brought in and you could see on both sides written ›Meriadeus‹ and the knight with the swords said at once that his grandfather had been so named.
Contrary to the orthodox Arthurian redeemer Perceval, Meriadeus will be integrated into Arthurian society by redeeming his own family and by coming to terms with his own past. Behind the mask, as it were, of traditional Arthurian components our poet has thus restructured and reinterpreted Arthurianism as an ideal epic device. The circular structure seems to emphasize the conservative lesson of a story which may be termed an ›epic of revolt‹ and usurpation in Arthurian disguise. To discover one’s own name means finding out the name of one’s grandfather too and becoming conscious of the whole epic past normally excluded from the Arthurian world. But it seems that the author was not content with refeudalizing the Arthurian tradition in the light of dynastic reality. He might have had an ›ideological project‹ in mind – I’m using this term as it is applied by Pierre Macherey –41 with a view to reconciling the separate strands of the epic and the Arthurian tradition. Maybe the duality, rivalry and friendship of Gauvain and Meriadeus may be interpreted in this way. I have already suggested that Gauvain, the emblematic Arthurian knight, who tries to prove that he is well and that he is still among the living, is like a symbol of Arthurianism resuscitated by confirming the persistency of the Arthurian values and the undiminished fascination of the Arthurian model. In terms of the father problem he may well be looked upon as the older friend and as the sublime father of Meriadeus, who has lost his natural father, in order to supplant him by an Arthurian father figure without forgetting his epic and dynastic past. Incidentally, finding his own past and finding Gauvain again, with whom the hero renews the former bonds of friendship, constitute almost simultaneous episodes which seem to demonstrate the interdependence of the two domains. So, would it be too audacious to take one further step by interpreting our knight’s two swords as the emblem of this double postulation of an epic hero in Arthurian armour or of an Arthurian hero with epic antecedents? || 41 Cf. Pierre Macherey, Pour une théorie de la production littéraire, Paris 1966 (Théorie 4).
Parodie und Artusroman Versuch einer Problematisierung Abstract: Recent Arthurian criticism shows a growing tendency to apply the label of parody to various phenomena of intertextual reference, bringing even such ›classical‹ and canonical texts as Le Chevalier au lion within its scope. However, if parodic devices may be conceived of as »one of the major forms of modern self-reflexivity« and a »form of inter-art discourse« (Hutcheon); if, moreover, medieval and especially Arthurian genres are liable to engage in what has been called »the conspiracy of allusion« (Kelly); and if the parodic scheme, often identified as an epigonal narrative device, is incompatible with the serious business of creative rewriting, then it is high time to question the validity of the parodic concept in all instances that do not openly mock Arthurian values. This paper suggests that seemingly parodic procedures actually serve to prepare the ground for the modernization and reinvigoration of Arthurian romance. Three 13th-century romances, using three different techniques, illustrate how the literary tradition of Arthurian romance would not exist without this revitalizing function: Le Chevalier aux deux épées, in which ›parodic‹ allusions at the beginning and at the end are used as generic reminders of dubious traditional elements; Floriant and Florete, in which major Arthurian elements are grafted onto a Greek genealogical romance in order to make it fit for generic competition; and Fergus by Guillaume Le Clerc, which transforms the mystic Perceval story into a modern local study of a Scottish upstart.
1 Die Omnipräsenz der Parodie Zeichnet sich bereits der Cligès-Roman durch parodistische Züge aus?1 Und deutet die Sprachkomik in »Chrétiens Ritterparodie«2 Le Chevalier au lion gleichsam metonymisch auf eine »parodistische Schreibweise« hin, durch die »das Ritter-
|| 1 Vgl. Annalisa Comes, ›Tra parodia e critica letteraria: Cligés, miles gloriosus e la distinzione cuer-cor‹, Studi Mediolatini e Volgari 42 (1996), 119–28. 2 Xuan Jing, Subjekt der Herrschaft und christliche Zeit. Die Ritterromane Chrestiens de Troyes, München 2012, 151. || Erstveröffentlichung in: Cora Dietl u. a. (Hrsg.), Ironie, Polemik und Provokation, Berlin, Boston 2014 (SIA 10), 303–17. https://doi.org/10.1515/9783110694567-010
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ideal einer komischen Demontage unterzogen wird«?3 Kann man im Lancelot en prose von einem parodistischen Prozess sprechen, der letztlich auch die Idealität Lancelots tangiert?4 Ist die Joie de la Cité im Méraugis de Portelesguez ein parodistisches Spiel?5 Ist Cristal et Claris »un questionnement parodique et humoristique de l’idéal courtois«?6 Und kann der späte Roman de Fergus als Parodie oder Pastiche oder eher als »creative rewriting«7 bezeichnet werden? Nicht zufällig hat Romaine Wolf-Bonvin den Fergus zusammen mit dem Romanfabliau Trubert unter die Formen einer ›Narrenepik‹ (chevalerie des sots) eingereiht.8 Haben wir es in Les Merveilles de Rigomer mit einer parodistischen Entwertung der Artustradition in der Nähe zur Folklore zu tun?9 Verweist die Vater-Sohn-Problematik im Chevalier aux deux épées auf eine »nostalgic parody«?10 Und ist der späte Ipomedon, »a masterwork of trichery and disguise«,11 tatsächlich eine Parodie der Romane Chrétiens? Parodien, wohin man schaut, und die Beispiele ließen sich noch leicht vermehren. Es genügt, die letzten zwei Dutzend Jahrgänge des BBSIA durchzusehen, um die wachsende Konjunktur des Parodiebegriffs allein im altfranzösischen Bereich zu bemerken. Nach den grundsätzlichen Arbeiten von Max Schiendorfer über die Parodie in der deutschen höfischen Literatur12 und von Kathryn Gravdal über die
|| 3 Jing (wie Anm. 2), 147. 4 Vgl. Bénédicte Milland-Bove, ›La pratique de la discovenance comique dans le Lancelot en prose: les mésaventures amoureuses de Guerrehet‹, AT 19 (2003), 105‒15. 5 Vgl. Michelle Szkilnik, ›Méraugis et la Joie de la Cité‹, CRM 15 (2008), 113‒27. 6 Christine Ferlampin-Acher, ›Cristal et Claris et Perceforest: un problème de taille, du petit chevalier au Bossu de Suave‹, in: Francis Gingras u. a. (Hrsg.), Furent les merveilles pruvees / Et les aventures truvees. FS Francis Dubost, Paris 2005 (Colloques, congrès et conférences sur la Renaissance 6), 225‒45, Zitat in BBSIA 58 (2006), Nr. 228. 7 Tony Hunt, ›The Roman de Fergus: Parody or Pastiche?‹, in: Rhiannon Purdie und Nicola Royan (Hrsg.), The Scots and Medieval Arthurian Legend, Cambridge 2005 (Arthurian Studies 55), 55‒ 70, hier: 69. 8 Vgl. La Chevalerie des sots. Le Roman de Fergus, suivi de Trubert, fabliau du XIIIe siècle, übers. von Romaine Wolf-Bonvin, Paris 1990. 9 Vgl. Christine Ferlampin-Acher, ›La Table Ronde dans Les Merveilles de Rigomer‹, CRM 14 (2007), 40‒49. 10 Paul Vincent Rockwell, ›Introduction‹, in: French Arthurian Romance III: Le Chevalier as deus espees, hrsg. und übers. von dems., Cambridge 2006 (Arthurian Archives 13), 1–30, hier: 15. 11 William Calin, ›The Exaltation and Undermining of Romance: Ipomedon‹, in: Norris J. Lacy u. a. (Hrsg.), The Legacy of Chrétien de Troyes, 2 Bde., Bd. 2, Amsterdam 1988 (Faux Titre 37), 111‒24, hier: 123. 12 Vgl. Max Schiendorfer, Ulrich von Singenberg, Walther und Wolfram: Zur Parodie in der höfischen Literatur, Bonn 1983 (Studien zur Germanistik, Anglistik und Komparatistik 112).
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Transgression des Höfischen in der französischen Literatur des 12. und 13. Jh.13 scheint der parodistische Ansatz – vielleicht etwas vorschnell – im Begriff, unser gattungsspezifisches Bild der höfischen Literatur maßgeblich zu verändern. Neben bisher geläufigen Fragestellungen wie der nach der kontestatorischen Parodie höfischer Werke in den Fabliaus (man denke an die Aufsätze von Albert Gier und Keith Busby)14 werden so auch innerhöfische Bezüge als parodistisch gewertet, die man bisher eher unter dem Titel »Perspectives of Irony«15 verbucht oder im Sinne der Epenforschung dem Bereich des Burlesken und Spöttischen zugeordnet hätte,16 nicht der Satire und Parodie im engeren Sinn.17 Ist also der Parodiebegriff wirklich tauglich? Es sei daran erinnert, dass Gérard Genette in seinem oft zitierten Standardwerk Palimpsestes. La littérature au second degré vor einem »abus du mot parodie«18 gewarnt und z. B. gezeigt hat, dass der Begriff gerade im Hochbereich burlesk parodistischer Verfahren und Gattungen der frühen Neuzeit kaum üblich war19 – weshalb der Autor selbst lieber von »transformation« als von »parodie«20 sprechen möchte. In Bezug auf das Mittelalter stellt sich ohnehin die Frage, in welchem Verhältnis der sogenannte parodistische Diskurs zu einem auf formaler Stereotypie (Robert Guiette) und Kontrafaktur aufgebauten Literaturverständnis stehen könnte, und erst recht stellt sich die Frage in Bezug auf ein Korpus, das wie das arthurische in eminentem Maße auf intertextuellem recycling beruht. Norris Lacy hat von einem »interpretive overflow« gesprochen, der nicht zuletzt einem ständigen
|| 13 Vgl. Kathryn Gravdal, Vilain and Courtois: Transgressive Parody in French Literature of the 12th and 13th Centuries, Lincoln/NE, London 1989. 14 Vgl. Albert Gier, ›Chrétien de Troyes et les auteurs de fabliaux: La parodie du roman courtois‹, in: Norris J. Lacy u. a. (Hrsg.), The Legacy of Chrétien de Troyes, 2 Bde., Bd., 2, Amsterdam 1988 (Faux Titre 37), 207–14; Keith Busby, ›Courtly Literature and the Fabliaux: Some Instances of Parody‹, ZrP 102 (1986), 67‒87. 15 Vladimir R. Rossman, Perspectives of Irony in Medieval French Literature, Den Haag 1975 (De proprietatibus litterarum. Series maior 35). 16 Vgl. Bernard Guidot (Hrsg.), Burlesque et dérision dans les épopées de l’Occident médiéval, Actes du Colloque International des Rencontres Européennes de Strasbourg, Besançon 1995 (Littéraires 3/Annales littéraires de l’Université de Besançon. Littéraires 558). Vgl. dazu auch Massimo Bonafin, Parodia e modelli di cultura. Studi di teoria letteraria e critica antropologica, Mailand 1990, und Luciano Rossi, ›Trubert: Il trionfo della scortesia e dell’ignoranza. Considerazioni sui fabliaux e sulla parodia medievale‹, Studi Francesi e Portoghesi 79 (1979), 5–42. 17 Vgl. Peter Richter (Hrsg.), Parodie und Satire in der Literatur des Mittelalters, Greifswald 1989 (Deutsche Literatur des Mittelalters 5). 18 Gérard Genette, Palimpsestes. La littérature au second degré, Paris 1982, 41. 19 Vgl. ebd., 27. 20 Beide Zitate ebd., 40.
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»motif shifting«21 zu verdanken sei und das Verständnis des Einzelwerkes immer schon von der Kenntnis des arthurischen Korpus als Ganzem abhängig mache. Umgekehrt heißt das natürlich, dass der mittelalterliche Autor um die Einführung wiederkehrbarer Versatzstücke bemüht sein müsste. Der Parodieverdacht liegt dann nahe. Wenn überdies, wie Genette einmal bemerkt, »tout énoncé bref, notoire et caractéristique est pour ainsi dire naturellement voué à la parodie«,22 wenn nicht nur jeder Ausspruch, sondern auch jedes markante Werk notwendig zu jenem parodieverdächtigen »effect of interplay based upon the divergence of a work from a model«23 führt oder führen kann, wenn wir also in einem umfassenden Verweissystem gefangen sind, das Douglas Kelly einmal als »the conspiracy of allusions«24 bezeichnet hat, wenn die Vielzahl der intertextuellen Anspielungen noch kein Argument für parodistische Absicht bildet – wo wären dann die Grenzmarkierungen für die Parodie zu ziehen und welche Funktion hätte der Begriff überhaupt noch? Wie ließe er sich etwa von dem zentralen Begriff der Autoreflexivität unterscheiden, den Linda Hutcheon ihrer modernen Theory of Parody zugrunde legt, wenn sie Parodie als »one of the major forms of modern self-reflexivity« und als »form of inter-art discourse«25 definiert. Und ist die Parodie noch Parodie, wenn sie weniger »die verspottende, verzerrende oder übertreibende Nachahmung eines schon vorhandenen ernst gemeinten Werkes oder einzelner Teile daraus unter Beibehaltung der äußeren Form«26 betreibt, als dass sie in der Auseinandersetzung mit dem avisierten Text eine neue Bewusstheit, eine neue Aussage innerhalb des bekannten fremden Rahmens anstrebt? Durchaus überzeugend definiert Paul Lehmann die mittelalterliche Parodie: Ich verstehe hier unter Parodien nur solche literarischen Erzeugnisse, die irgendeinen als bekannt vorausgesetzten Text [...] verzerrend umkehrend mit bewußter, beabsichtigter und 27 bemerkbarer Komik [...] formal nachahmen oder anführen.
|| 21 Beide Zitate Norris J. Lacy, ›Motif Transfer in Arthurian Romance‹, in: Douglas Kelly (Hrsg.), The Medieval Opus. Imitation, Rewriting and Transmission in the French Tradition, Amsterdam, Atlanta/GA 1996 (Faux Titre 116), 157–68, hier: 165. 22 Genette (wie Anm. 18), 53. 23 Anne Elizabeth Cobby, Ambivalent Conventions. Formula and Parody in Old French, Amsterdam, Atlanta/GA 1995 (Faux Titre 101), 14. 24 Douglas Kelly, The Conspiracy of Allusion. Description, Rewriting, and Authorship from Macrobius to Medieval Romance, Leiden u. a. 1999 (Studies in the History of Christian Traditions 97). 25 Beide Zitate Linda Hutcheon, A Theory of Parody. The Teachings of Twentieth-Century Art Forms, New York, London 1985, 2. 26 Gero von Wilpert, Art. ›Parodie‹, in: ders., Sachwörterbuch der Literatur, Stuttgart 1961, 431. 27 Paul Lehmann, Die Parodie im Mittelalter, München 1922, Bd. 1, 13.
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In ihrer Ausgabe von Floriant et Florete verzichten Annie Combes und Richard Trachsler ungeachtet der massiven, parodistisch anmutenden Anleihen des Romans bei Chrétien auf den Parodiebegriff und sprechen lieber von einer »écriture ›commutative‹«.28 Tatsächlich scheint das Problem aber nicht nur für das Mittelalter zu gelten. Charles Grivel hat die gängigen Parodiethesen als untauglich zurückgewiesen, insofern sie der jeweiligen Eigenart des ›parodistischen‹ Textes nicht gerecht werden und die Suche des parodierenden Künstlers nach der eigenen Identität vernachlässigen.29 Innerhalb eines virtuell geschlossenen Systemkorpus wie dem arthurischen Bereich wäre dann der parodisierende Ansatz, sofern man den Begriff verwenden will, die einzige Möglichkeit, die Vorgaben zu verändern, Originalität zu zeigen, ohne das System zu sprengen. Und dass ein solches Originalitätsbewusstsein in Frankreich und Deutschland durchaus vorhanden war, ja die Voraussetzung für die Bearbeitung der arthuriana bildete, konnte kürzlich Monika Unzeitig in ihrer Arbeit über mittelalterliche Autorschaft zeigen.30 Ich will das Gesagte an drei verschiedenen Beispielen erläutern: der punktuellen Anspielung, dem partiellen Werkbezug und der Variation eines ganzen Romans.
2 Punktuelle Anspielungen Der späte Roman Le Chevalier aux deux épées, der das Motiv des namenlosen Ritters variiert, ist als Identitätsdrama zunächst kaum parodieverdächtig. Dennoch gibt es zwei entsprechende Passagen, die als Anfang und Ende den Roman rahmen und gerade deshalb eine offensichtliche Signalfunktion haben. Die einleitende Passage unterstreicht offensichtlich eine gealterte arthurische Welt. Eben wurde noch das Lob des Königs Artus auf einem Pfingstfest verkündet, da lässt ein Bote des fremden Königs Ris jenseits der Humber (»Outre-Ombre«; V. 208) ausrichten, Artus’ Bart solle dem Usurpator zum Füttern seines Mantels dienen, den bereits die Bärte von neun unterworfenen Königen zierten; andernfalls würde er das ganze Königreich einnehmen, auch belagere er gerade die Königin von Caradigan, die ihr Lehen von Artus habe. Artus will zwar sofort gegen Ris zu Felde
|| 28 Floriant et Florete, zweisprachige Ausg., hrsg., übers. und komm. von Annie Combes und Richard Trachsler, Paris 2003 (Champion Classiques, Moyen Âge 9), XXXIX. 29 Vgl. Charles Grivel, ›Le retournement parodique des discours à leurres constants‹, in: Clive Thomson und Alain Pagès (Hrsg.), Dire la Parodie. Colloque de Cerisy, New York u. a. 1989, 1‒34. 30 Vgl. Monika Unzeitig, Autorname und Autorschaft. Bezeichnung und Konstruktion in der deutschen und französischen Erzählliteratur des 12. und 13. Jahrhunderts, Berlin, New York 2010 (MTU 139).
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ziehen, aber die Ausführung des Plans verzögert sich, während das Fräulein von Caradigan sich in einer nächtlichen Mutprobe in der Wüsten Kapelle, wo Ris seinen Rock gelassen hat, selbst befreit und mit den zwei umgegürteten Schwertern des dort liegenden toten Ritters zwanzigtausend Rittern des Artushofes eine weitere Blamage zufügt. Die Episode folgt dem beliebten Muster der Tugendprobe, aus dem als Sieger der schöne fremde, aber namenlose »chevaliers a .II. espees« (V. 1669) hervorgehen wird, um den es in diesem Gauvain-Roman hauptsächlich geht. Die Herausforderung des Königs durch Ris erinnert an eine Episode in Waces Brut, wo der Riese Rithon eine ähnliche Forderung an Artus stellt (V. 11561–92).31 Hinzu kommt nach Rockwell32 vielleicht die Anspielung auf König Rions am Anfang des Conte du Graal (V. 850‒58);33 dieser war freilich inzwischen von Artus besiegt worden. Die beiden Gründungstexte der Artussage machen die intertextuelle Funktion des parodistischen Verfahrens deutlich, sie unterstreichen überdies die Dekadenz des Reiches, das nicht mehr, wie bei Wace, durch einen barbarischen Riesen, sondern durch einen frechen Usurpator herausgefordert wird, v. a. aber wird aus Rithon oder Rion hier Ris, also das Äquivalent des Lachhaften: At the beginning of this romance, then, an invasion led by laughter threatens the hierarchy of Arthurian identities. Through the parodic rewriting of the twelfth-century tradition the 34 cultural values of the audience’s ancestors were perhaps called into question.
In beinahe allegorischer Weise dringt das fleischgewordene groteske Lachen aus dem Randbereich des Landes der barbarischen Riesen in den Kernbereich der höfischen Artuswelt und setzt am Anfang der Ereignisse ein Deutungssignal für das erwartete wissende Publikum. Als prominentes Beispiel des von Rockwell angesprochenen zentralen Verfahrens des »rewriting« stimmt die Eingangsepisode gleichzeitig auf die zahlreichen Anleihen an der klassischen Artusfiktion ein.35 Das offensichtlich parodistische Verfahren fungiert mithin zugleich als positives Signal der kreativen intertextuellen Auseinandersetzung mit der Tradition, die groteske Tonalität färbt aber auf die Folgeabenteuer nicht ab; eher im Gegenteil. Nachdem sich Ris, vom Ritter mit den zwei Schwertern besiegt, Artus ergeben || 31 Benutzte Ausgabe: Wace, Le roman de Brut, hrsg. von Ivor Arnold, 2 Bde., Paris 1938/1940 (Société des Anciens Textes Français 83) 32 Vgl. Rockwell (wie Anm. 10), 16. 33 Benutzte Ausgabe: Chrétien de Troyes, Le Roman de Perceval ou Le Conte de Graal, nach der Hs. Ms Fr. 12576 der Bibliothèque Nationale hrsg. von William Roach, 2., durchges. und erw. Aufl., Genf, Paris 1959 (Textes littéraires français 71). 34 Rockwell (wie Anm. 10), 16. 35 Vgl. Robert Thedens, Li Chevaliers as deus espees in seinem Verhältnis zu seinen Quellen, insbesondere zu den Romanen Crestiens von Troyes, Göttingen 1908.
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musste, weitet sich das arthurische Abenteuer Gauvains und des jungen Ritters zu einem großen epischen Fresko,36 das erst am Ende – der Ritter hat inzwischen seinen Namen Meriaduc erfahren – wieder in arthurische Bahnen einlenkt. Die Hochzeit Meriaducs, die den Roman beschließt, bildet nun das zweite Beispiel eines beinahe parodistischen Rückbezugs auf Chrétien. Der Krönungsmantel des Helden variiert offensichtlich den Mantel Erecs bei Chrétien, zeigt aber nicht die Sieben Freien Künste, sondern die Artusgeschichte selbst, deren Apotheose auf diese Weise den Roman beschließt – freilich mit einer gewichtigen Einschränkung, auf die auch Rockwell aufmerksam macht: Vor den »proëces« und »fait« des Königs (V. 12204) nimmt der Autor nur auf die betrügerische Vorgeschichte der Zeugung Artus’ Bezug, in der der Zauberer Merlin Uther hilft, die Züge seines Vasallen Gorloys anzunehmen, um der geliebten Ygerne beizuwohnen. Die Apotheose ist so zugleich die Geschichte eines Betruges, der die Legitimität des Artusreiches in Frage stellt und nach Rockwell auf das historische Versagen der Vätergeneration für die jetzt gleichsam im englischen Exil lebende, anglonormannische Generation der Söhne verweist.37 Der symbolischen Kastration Artus’ in der Geschichte des versuchten Bartraubs entspricht so am Ende die Erinnerung an die fragwürdige Vorgeschichte des Artusreiches und der Zeugung des Königs. Parodie – wenn man denn von Parodie sprechen will – fungiert als Deutungshinweis, der die innerfiktionale Identitätssuche des Ritters mit den zwei Schwertern und den ironischen Identitätsverlust des lange tot geglaubten Gauvain in eine historische Perspektive rückt und »the ambivalent view of histori-cal continuity«38 nahelegt. Die auffällige Betonung der epischen und genealogischen Elemente scheint diesen Bedeutungs- und Prestigeverlust der Artuswelt angesichts autonomer epischer Gegenwelten zu unterstreichen. Die Artuswelt, »a nebulous world in which misperception seems to be the rule«,39 hat sicherlich einen wesentlichen Teil ihrer ursprünglichen Deutungshoheit eingebüßt. Trotzdem bleibt fraglich, ob man mit Rockwell – wie eingangs angedeutet – insgesamt von einer »nostalgic parody« sprechen und dem Roman als Ganzem eine Parodieähnliche »mockery of the textual tradition«40 attestieren kann. Die Neufunktiona-
|| 36 Vgl. dazu Friedrich Wolfzettel, ›Zum Problem der Epizität im »postklassischen« Artusroman‹, in: Martin Przybilski und Nikolaus Ruge (Hrsg.), Fiktionalität im Artusroman des 13. und 14. Jahrhunderts. Romanistische und germanistische Perspektiven, Wiesbaden 2013 (Trierer Beiträge zu den Historischen Kulturwissenschaften 9), 29‒41; wieder im vorliegenden Band, ### ####. 37 Vgl. Rockwell (wie Anm. 10), 10. 38 Ebd., 11. 39 Ebd., 7. 40 Ebd., 15.
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lisierung der Artustradition erfordert den ironischen Vergleich mit dieser Tradition, nicht jedoch die Infragestellung der geschilderten epischen Welt als solcher durch die Parodie, geht es doch auch nach Meinung des Herausgebers um »the accomplishments of sons rather than the failures of fathers«.41 Das Happy End des Chevalier aux deux épées parodiert nicht das Ende von Erec et Enide; es erinnert vielmehr an die fragwürdigen Voraussetzungen arthurischer Idealität, zeigt aber auch, dass ein solcher glücklicher Ausgang angesichts der veränderten historischen bzw. narrativen Bedingungen noch immer möglich ist. Was vordergründig als parodistische Anspielung erscheint, ist in Wahrheit Teil eines dekonstruktiven, ironischen Signalsystems im Zuge der Umwertung traditioneller arthurischer Elemente und der Neukonzeptionierung des arthurischen Romans.42
3 Partieller Werkbezug Das zweite Beispiel betrifft die parodieverdächtige Montage eines ganzen Erec et Enide-Teils und einer Yvain-Passage in dem synkretistischen späten Roman Floriant et Florete. Keith Busby spricht allerdings nicht von Parodie, sondern von »intertextual coordinates«,43 welche v. a. die Romane Chrétiens und den Lancelot en prose umspannen und nicht nur in einem Teil nachweisbar sind. Die arthurischen Reminiszenzen sind freilich nicht in ein primär arthurisches, sondern in ein byzantinisches Romanmuster eingearbeitet, das ungeachtet einer gewissen Nähe zum Cligès für einen epischen Grundton sorgt. Sara Sturm-Maddox hat den wahrscheinlich nach 1268 entstandenen Roman mit dem Ende der Normannenherrschaft in Sizilien in Verbindung gebracht und mit Guillaume de Palerne verglichen,44 den Christine Ferlampin-Acher kürzlich ebenfalls in die Nähe der Parodie gerückt hat.45 In der »feudal success story«46 geht es kurz gesagt um einen Helden, der seinen vom treulosen Seneschall ermordeten Vater Elyadus, den König von Sizilien, rächen und durch die Ehe mit der Kaisertochter Florete selbst Kai-
|| 41 Rockwell (wie Anm. 10), 10. 42 Vgl. dazu Wolfzettel (wie Anm. 36). 43 Keith Busby, ›The Intertextual Coordinates of Floriant et Florete‹, French Forum 20 (1995), 261‒77. 44 Vgl. Sara Sturm-Maddox, ›Arthurian Evasions. The End(s) of Fiction in Floriant et Florete‹, in: Keith Busby und Catherine M. Jones (Hrsg.), Por le soie amisté. FS Norris J. Lacy, Amsterdam, Atlanta/GA 2000 (Faux Titre 183), 475‒90. 45 Vgl. Christine Ferlampin-Acher, ›Guillaume de Palerne: une parodie?‹, CRM 15 (2008), 59‒72. 46 Sturm-Maddox (wie Anm. 44), 484.
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ser von Konstantinopel werden soll. Seine Entführung durch Morgane und seine enfances im Feenreich des Ätna erinnern natürlich an den Lancelot en prose, aber mit dem Artusreich in Berührung kommt er erst im Rahmen eines von Gauvain ausgerichteten Turniers, wo er ähnlich wie einst Cligés die Unterstützung von Artus für seinen Kampf gegen den Seneschall erhält. Nach der Eroberung Palermos wird er von seiner Mutter über seine Identität aufgeklärt und kann die byzantinische Kaisertochter Florete gewinnen, die längst auf ihn aufmerksam geworden war. Mit der Bewältigung des dynastisch-epischen Konflikts wäre die Handlung eigentlich an ein Ende gekommen. Für die Logik der Haupthandlung spielt das arthurische Setting also nur eine nachgeordnete Rolle – auch wenn das Paar ganz am Schluss in das Feenreich Morganes zurückkehren wird und so für eine arthurische Rahmung gesorgt ist. Wie also kann man aus dem Ganzen noch einen Artusroman machen? Scheinbar sehr einfach, indem der Held, dem längst ein Thronfolger geboren wurde, seine späte arthurische Berufung entdeckt und den zweiten Teil des Erec‒Romans gleichsam nachstellt. Floriant et Florete führt in gewisser Weise vor Augen, dass die Entscheidung für den Artusroman einer gattungsgeschichtlichen Option gleichkommt; die Koordinaten der arthurischen Tradition können über ein beliebiges andersartiges Schema gestülpt werden und sind schon von daher naturgemäß parodieverdächtig. Fiktionaler Ausdruck dieser Gattungsumleitung ist das Motiv der Entführung des Kindes Floriant in das Morgane-Reich des Ätna, in dem die weltliche Fürstenerziehung im Rahmen eines archetypischen Schemas der Vaterrächung und Throngewinnung durch eine präarthurische Sozialisation ersetzt wird. Ein selbstverständlich gewordener Synkretismus lässt etwaige Probleme dabei gar nicht mehr in den Blick geraten. Tatsächlich setzt die erneute ›Arthurisierung‹ an einer scheinbar beliebigen Stelle ein. Von einer Frau im Volk der recreantise verdächtigt, schifft sich Floriant mit Florete, die ihn begleiten will, auf das italienische Festland und nach England ein, um unter dem Namen ›Le Beau Sauvage‹ die Wälder Britanniens zu durchstreifen und seine fehlende arthurische Bewährung nachzuholen. Wie Enide steht Florete ihrem Mann hilfreich zur Seite, v. a. als es darum geht, einen Drachen zu erschlagen, und wie im Fall Maboagrains besiegt der Held den gefürchteten König Julien, den seine Freundin dazu gezwungen hat, alle Ritter in seiner Burg herauszufordern. Das Abenteuer der Jungfraueninsel variiert überdies den Chevalier au Lion.47 Das Bemühen des Autors ist deutlich, die Elemente seiner Vorlage neu zu interpretieren, ohne die intertextuellen Parallelen zu verstecken. Wie bei einem Baukasten spricht Richard
|| 47 Vgl. Combes/Trachsler (wie Anm. 28), XLIII.
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Trachsler von einem Spiel des Zerlegens und Neuzusammensetzens.48 Die Beinahe-Parodie dient dazu, ein arthurisches Gegengewicht zu den historischen Ereignissen zu schaffen und die arthurische Welt als Voraussetzung gegenwärtigen Erzählens auszuweisen. Es ist, als ob der Roman des späten 13. Jh. ohne arthurische Versatzstücke nicht denkbar wäre. Nur das scheinbar parodistische Verfahren gewährleistet die rasche Erkennbarkeit des traditionellen Materials, das auf diese Weise zugleich eine neue Funktion der Fiktionsbewahrung und Rechtfertigung erhält. Die parodistischen Signale sollen freilich gerade nicht das Vertraute persiflieren, sondern es in einen neuen Zustand archetypischer Rechtfertigung des Fiktiven überführen. Trachsler spricht zu Recht von einer »écriture commutative«.49 Deren Ort ist nicht nur die passgerechte Übernahme einzelner Elemente an entsprechenden Stellen der Handlung, sondern gewissermaßen die Transplantation ganzer Romanteile in einen andersartigen Kontext. Was sich wie eine Parodie ausnimmt, ist in Wirklichkeit der Versuch, das Alte in das Neue zu montieren, Altes und Neues nebeneinander zu stellen und die Gründungstexte zum Spielmaterial zu machen. Psychologisch gesprochen, verbürgt das arthurische Muster das gültige Modell einer Sozialisation, die schlimmstenfalls nachgeholt werden kann und die Sinnhaftigkeit des epischen Lebensweges des Helden garantiert. Gerade eine solche Perspektive der Werthaltigkeit scheint aber eine Parodie im engeren Sinn auszuschließen, geht es doch darum, die arthurischen Elemente zum unerlässlichen Bestandteil einer Ritterbiographie im Rahmen eines genealogischen Romans aufzuwerten. Die sogenannte ›Parodie‹ fungiert hier in paradoxer Weise als Gütesiegel der Tradition.
4 Variation eines ganzen Romans Ungeachtet seiner anerkannt literarischen Qualitäten ist wahrscheinlich kein anderer Artusroman so beharrlich in die Nähe der Parodie gerückt worden wie der Anfang des 13. Jh. entstandene Fergus von Guillaume Le Clerc.50 Die Yvain und Perceval nachempfundene Geschichte handelt von dem älteren Sohn eines schottischen Großbauern, der nach der Begegnung mit Artus und seinem Gefolge von seiner adligen Mutter unterstützt an den Artushof aufbricht und schließlich in Carduel (Carlisle) als Artusritter König von Lothian wird. Er wird Galiene heira|| 48 Vgl. Combes/Trachsler (wie Anm. 28), XLII. 49 Ebd., XXXIX. 50 Benutzte Ausgabe: Guillaume Le Clerc, The Romance of Fergus, hrsg. von Wilson Frescoln, Philadelphia 1989.
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ten, die Landesherrin, die er gleich am Anfang in Lidel getroffen hatte, die prompt liebeskrank geworden war, auf deren Liebe er jedoch ähnlich wie Perceval bei Blancheflor zugunsten der Bewährungsabenteuer zunächst verzichtet hatte. Nach dem Abenteuer mit dem Schwarzen Ritter am Schwarzen Berg erfährt er von Galienes Verschwinden, streift wie Yvain ein Jahr verloren durch die Wälder, wird durch einen Zauberbrunnen geheilt, aber nach weiteren Abenteuern zu Lande und auf See und dem Gewinn eines magischen leuchtenden Schildes im Kampf mit der Riesin von Dunostre erfährt er, dass Galiene in Rochebourc/Roxburgh belagert wird, und kann sie unerkannt befreien. Auf einem Turnier, als dessen Preis Artus die Hand der Prinzessin ausgesetzt hatte, gelingt dann die Zusammenführung der Liebenden, die am Johannistage heiraten und mit einem Königreich belohnt werden. Der dem Durmart le Gallois ähnliche Aufsteigerroman, der auf Malorys Erzählung von der Dame Lyones vorausweist,51 zeichnet sich durch keine anderen Besonderheiten aus als durch geographische Realistik und das meist gutgelaunte Selbstbewusstsein des jugendlichen Helden, aber möglicherweise genügt schon die etwas plakativ vereinfachte Handlung mit ihren unverkennbar ironischen Anleihen bei der klassischen Tradition, um den Verdacht der Parodie zu wecken: Ausdruck einer Fabliau-ähnlichen »chevalerie des sots«,52 Vorläufer der als parodistisch eingestuften chantefable Aucassin et Nicolete,53 wie D. D. R. Owen meint,54 der von einer »comedy of reversal«55 spricht. Der Roman wäre das Beispiel einer metaliterarischen Parodie »in its equation of conjointure with the parodic«56 und der systematischen Dekonstruktion sinntragender Elemente bei Chrétien; das Muster von »parodic playfulness«57 in der Nähe zur Chanson de geste Ferraguz, aber
|| 51 Vgl. Alexandre Micha, ›Miscellaneous French Romances in Verse‹, in: Roger Sherman Loomis (Hrsg.), Arthurian Literature in the Middle Ages. A Collaborative History, Oxford 1959, 358–92, hier: 377‒79. 52 So der Titel der Übersetzung von Romaine Wolf-Bonvin (wie Anm. 8). 53 Vgl. dazu Tony Hunt, ›La parodie médiévale: le cas d’Aucassin et Nicolette‹, Romania 100 (1979), 341‒81, der die Parodie-These Schritt für Schritt zurückweist. 54 Vgl. ›Guillaume Le Clerc: The Romance of Fergus, Einleitung und Übersetzung von D. D. R. Owen‹, Arthurian Literature 18 (1989), 79‒183, und ders., ›The Craft of Fergus: Supplementary Notes‹, French Studies Bulletin 25 (1987/88), 1–5, hier: 4. 55 D. D. R. Owen, ›Chrétien, Fergus, Aucassin et Nicolette and the Comedy of Reversal‹, in: Peter S. Noble und Linda M. Paterson (Hrsg.), Chrétien de Troyes and the Troubadours. Essays in Memory of the Late Leslie Topsfield, Cambridge 1984, 186‒94. 56 Michelle A. Freeman, ›Fergus: Parody and the Arthurian Tradition‹, French Forum 8 (1983), 197‒215, hier: 211. 57 Gravdal (wie Anm. 13), 27.
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auch dem Roman de Renart und dem Fabliau-Roman, wobei selbst die unarthurisch-realistische Geographie Schottlands als »a fictional frontier between serious Arthurian romance and the realm of parody«58 interpretiert wird. Dabei geht es natürlich nicht um schiere Parodie, wie schon die mittelalterliche Rezeption zeigt, sondern – ähnlich wie bei Freeman oder Wolf-Bonvin – um »the peaceful coexistence of transgression and integration« und das Echo eines »parodic of cultural change«,59 also um jene »generic transformation«,60 die man gerne an der rostigen Rüstung des Roten Ritters festmacht: Anders als im Perceval ist die rote Farbe lediglich dem Rost geschuldet, wie überhaupt die Anspielungen auf Chrétien »the gratuitous use of adventure and of the marvelous« und die Verweigerung eines »explicit symbolism or purpose«61 dokumentieren. Oder positiver gewendet: »une parodie, déplaçant, dépaysant et inversant le canon arthurien dans une perspective qui peut aller jusqu’à la critique«.62 Wie fragil solche Zuschreibungen anmuten, zeigt schon der genannte Aufsatz von Michelle Freeman, die den Fergus auch mit Le Bel Inconnu vergleicht, der in ähnlicher Weise als reworking verstanden werden kann, doch in Bezug auf die implizite Kritik arthurischer Motive hinter der bewussten kritischen Perspektive des Guillaume Le Clerc zurück bleibt, »a fascinating and open-ended meditation on the nature of romance composition«.63 Dass das realistisch gewendete Aufsteigermärchen, dessen ideologische Problematik noch keineswegs ausdiskutiert scheint,64 mit den traditionellen Vorgaben bewusster spielt als eine Reihe anderer Artusromane des 13. Jh., dass es die epischen Elemente in einem Maße verstärkt, dass schon Ernst Brugger darin die romaneske Vorlage für den epischen Huon de Bordeaux sehen konnte,65 dass der Roman selbst auf seine Quellen auf-
|| 58 Gravdal (wie Anm. 13), 25. 59 Beide Zitate ebd., 49. 60 Freeman (wie Anm. 56), 27. 61 Ebd., 210. 62 Alex Devine in einem Vortrag auf dem 22. Internationalen Artuskongress, zitiert in: BBSIA 61 (2009), Nr. 172, 78. 63 Freeman (wie Anm. 56), 207. 64 Leo Jordan, ›Zum altfranzösischen Fergusroman‹, ZrP 43 (1923), 154‒86, interpretiert den Roman bekanntlich als ›demokratisches‹ Aufsteigermärchen, während Beate Schmolke-Hasselmann, ›Le roman de Fergus: technique narrative et intention politique‹, in: Kenneth Varty (Hrsg.), An Arthurian Tapestry. Essays in Memory of Lewis Thorpe, Glasgow 1981, 342‒53, den Sieg des adligen Blutes über die bäuerliche Herkunft und den konservativen dynastischen Hintergrund der schottischen Erzählung betont. 65 Vgl. Ernst Brugger, ›Huon de Bordeaux and Fergus‹, Modern Language Review 20 (1925), 158‒ 79.
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merksam macht,66 aber gerade in dieser Hinsicht auf jede tiefere Symbolik verzichtet und den Helden stattdessen von Fortuna zu einem glücklichen Ende führen lässt, einer Fortuna, die eben nicht mehr das ritterliche Bewährungsabenteuer der aventure meint,67 dass dem Artushof selbst lächerliche, ja parodistische Züge eigen sind – all dies dürfte schwerlich reichen, um den von Southworth mit Jaufre und Durmart verglichenen Roman68 in eine Reihe mit der programmatischen Parodie eines Trubert oder der explizit ludischen chantefable Aucassin et Nicolette zu rücken. Die »Veränderungen im Verhältnis von Ideal und Wirklichkeit« – von der Brüchigkeit der Table Ronde bis zu dem Anti-Artus-Roman Yder – sind von Beate Schmolke-Hasselmann ausführlich und erneut in den Blick gerückt worden.69 Ein anderer Artusroman ist noch kein parodistischer Artusroman: »Fergus ist ein neuer, ein anderer Perceval«.70 Gleichsam im Gegenzug gegen ihre eigene Parodie-These hat Wolf-Bonvin die Originalität des Romans betont, der die Form des Ritterromans in die Richtung der von Élisabeth Gaucher71 untersuchten spätmittelalterlichen Ritterbiographie lenkt und die intertextuellen Bezüge dazu benützt, den Übergang in ein stärker realistisches Register vorzuführen, oder genauer: in ein Register, in dem auch das Wunderbare (Drachen, Riesen, Zauberbrunnen, Hexe, usw.) eine gewisse hausbackene Konkretheit besitzt. Wolf-Bonvin spricht diesbezüglich einmal von einem »merveilleux naturel«.72 Sie macht gegenüber dem ›klassischen‹ Wunderbaren die Nähe des merveilleux zum Märchen, hier dem Dümmlingsmärchen geltend; nicht zufällig hat Tony Hunt in dem genannten Aufsatz zu Aucassin et Nicolette73 vorgeschlagen, das parodistische Paradigma durch Kategorien des Märchenhaften zu ersetzen, das am Anfang des Artusromans steht. Und Wolf-Bonvin zeigt schließlich, dass der höfische Ritter des Guillaume Le Clerc, der Ritter des Waldes, der wie Yvain ein Jahr der folie im Wald verbringt, bevor er die verlorene Geliebte Galiene wieder findet, in einer ganz || 66 Vgl. dazu Wilhelm Marquardt, Der Einfluss Kristians von Troyes auf den Roman Fergus des Guillaume Le Clerc, Diss. Göttingen 1906. Mit Tristan vergleicht sich der Held in V. 4216. 67 Vgl. Wolf-Bonvin (wie Anm. 8), »Introduction«. 68 Vgl. Marie-José Southworth, Étude comparée de quatre romans médiévaux; Jaufré, Fergus, Durmart, Blancandin, Paris 1973. 69 Vgl. Beate Schmolke-Hasselmann, Der arthurische Versroman von Chrestien bis Froissart. Zur Geschichte einer Gattung, Tübingen 1980 (Beihefte zur ZrP 177), Kap. 3, 48‒85; vgl. auch dies. (wie Anm. 64). 70 Schmolke-Hasselmann (wie Anm. 69), 139. Vgl. auch 117–29 (»Das Prinzip der Variation: Fergus als ›neuer‹ Perceval«). 71 Vgl. Élisabeth Gaucher, La Biographie chevaleresque. Typologie d’un genre (XIIIe–XVe siècles), Paris 1994 (Nouvelle bibliothèque du Moyen Âge 29). 72 Wolf-Bonvin (wie Anm. 8), ›Introduction‹, 144. 73 Vgl. Hunt (wie Anm. 53).
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neuen Weise mit dem Wald und der Natur verbunden ist74 und wohl auch deshalb an einem Johannisfest gekrönt werden soll: Anders als im Chevalier au lion, in dem die »feste saint Jehan« (V. 2752)75 das Ende der festgesetzten Frist für die Rückkehr Yvains bezeichnet und auf die Problematik des zweiten Teils verweist, steht die Sommersonnwende hier für die natürliche Reife, mit der der Roman auch begonnen hatte und die diesen als Kreisform der Erkenntnis ausweist.
5 Fazit Die Wege der Artusforschung sind manchmal verwunderlich. Nichts deutet in diesem zugleich ironischen und handfesten, gutgelaunten und betont synkretistischen Ritterroman auf eine parodistische Intention. Eher hätte es nahe gelegen, das dem Floriant et Florete-Stoff aufgepfropfte Erec et Enide-Hors-d’œuvre als parodistisch einzustufen. Denn noch ein Aspekt ergibt sich verglichen mit dem Chevalier aux deux épées, in dem leicht parodistischen Elemente sich an den Rändern festsetzen, ohne jedoch – entgegen der Meinung Rockwells – den Roman als Ganzes zu tangieren: Floriant et Florete und Fergus, in gewisser Weise auch der hier nicht behandelte Durmart benützen das Perceval- und Lancelot-Schema des an den Artushof aufbrechenden Ritters, um eine existentielle Wahl sichtbar zu machen. Erst Floriants Erec und Yvain nachempfundene Abenteuer runden den Lebensweg des zum Kaiser von Konstantinopel berufenen Helden in Floriant et Florete ab, und nur die arthurischen Abenteuer erlauben dem Bauernsohn Fergus, die adlige Welt der Mutter zurückzugewinnen. Der Blick von außen lässt aber die Artuswelt nicht mehr als gegeben erscheinen, wie noch im Chevalier aux deux épées, sondern als eine Option unter mehreren, als Ziel einer Suche nach Werten. Ein solcher Blick von außen verträgt, ja bedingt die ironische Messlatte und den Blick auf die Tradition; er ist aber unvereinbar mit parodistischer Infragestellung, die nicht ohne kontestatorische Zielsetzung möglich ist. Es geht nicht darum, den klassischen Artusroman zu parodieren; es geht um die Suche nach Erzählformen, die das Prestige der Tradition einbringen, ohne das Neue gleichzeitig zum epigonalen Abklatsch des Alten zu machen. Wie Beate Schmolke-Hasselmann gezeigt hat, ist der Vorwurf der Epigonalität eine latente Versuchung für die um ›Abhängigkeitsverhältnisse‹ bemühte Artusforschung, der es nur selten um die Neufunk-
|| 74 Vgl. Hunt (wie Anm. 53), 154‒57. 75 Benutzte Ausgabe: Les romans de Chrétien de Troyes 4: Le Chevalier au lion (Yvain), hrsg. von Mario Roques, Paris 1960 (Les Classiques français du moyen âge 89).
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tionalisierung des scheinbar Epigonalen ging.76 Der Schritt von der Epigonalität zur Parodie ist nur gering, und er birgt offensichtlich die Gefahr, die vom Autor angestrebte Dialektik von Vorbild und Korrektur zu verzerren – dies umso mehr, als die positive Funktion des Helden als »an upwardly mobile Scot in the Norman period« in der gleichzeitigen literarhistorischen Vermittlung mit »the broader tradition of the Continental romances«77 jede parodistische Intention ausschließen dürfte. Das Urteil gilt auch für den Artushof, der hier keineswegs zum ersten Mal von einer »overall atmosphere of decadence and ridicule«78 umgeben ist. Nicht der Hof ist das eigentliche Ziel des Möchtegern-Helden, sondern die arthurische Welt und ihre Tradition, die keiner parodistischen Verfremdung bedürfen, um dem zukünftigen König von Lothian, der immerhin von Artus abhängig bleibt, ein Fenster in eine wertvollere Wirklichkeit zu öffnen.
|| 76 Vgl. Schmolke-Hasselmann (wie Anm. 69), 34. 77 Beide Zitate Neil Thomas, ›The Old French Roman de Fergus: Scottish mis-en-scène and political implication‹, Parergon 11 (1993), 91‒101, hier: 100. 78 Freeman (wie Anm. 56), 199.
Fictional History as Ideology Functions of the Grail legend from Robert de Boron to the Roman de Perceforest Abstract: Arisen from the theological controversies around the Eucharist by the turn of the twelfth century, the Grail is more than a religious symbol; as a political and ideological emblem it becomes the core of a series of alternative concepts of Sacred History whose background seems to be the crisis of chivalry. From Robert de Boron to the anonymous author of the Estoire del Saint Graal we are presented with the variants of a sacralized Arthurian history in which chivalry forms a providential genealogy. In the Queste del Saint Graal, however, the Grail has become a mighty, but vanishing ideal that will not be able to impede the breakdown of the Arthurian realm. More than a century later, in the Perceforest, the last attempt at fictional history, the loss of significance of the Grail serves to illustrate a new secularized chivalric religion.
The discussion in this chapter continues a line of research into the way in which history functions in medieval romance and especially in Arthurian literature. From a critical/ideological perspective that was inspired by the eminent study of my teacher, Professor Erich Köhler, Ideal und Wirklichkeit in der höfischen Epik, first published in 1956,1 I tried to investigate what might be called – in psychoanalytical terms – the suppression of real history by ever-new attempts at imaginary historical constructs. In light of this regressive tendency, the ideological project as conceived in the romances of Chrétien de Troyes seems endangered from the outset by a self-destructive or deconstructive principle. The sacred symbol of the Grail, first introduced into Chrétien’s Conte du Graal, may be interpreted as the revenge of repressed reality, but at the same time it may be regarded as a further step towards the irrealization of history, replaced by a sort of counter-history. I studied the dialectics of utopian thoughts in »Probleme der Geschichtskonstruktion im
|| 1 Cf. Erich Köhler, Ideal und Wirklichkeit in der höfischen Epik. Studien zur Form der frühen Artus- und Graldichtung, Vorwort von Henning Krauß, 2. ergänzte Aufl., Tübingen 1970 (Beihefte zur ZrP 97). || First published in: John Whitman (ed.), Romance and History. Imagining Time from the Medieval to the Early Modern Period, Cambridge 2015 (Cambridge Studies in Medieval Literature 92), 90–104. https://doi.org/10.1515/9783110694567-011
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arthurischen Roman« (1998),2 to which might be added my essay on »Temps et histoire dans la littérature arthurienne« (1999).3 Closest to the thesis developed here, however, is another article on the problematic status of the Grail, »Ein Evangelium für Ritter: La Queste del Saint Graal und die Estoire dou Graal von Robert de Boron« (1997).4 In this essay I argued that the heretical message of the Grail story was directly linked to crusading chivalry, especially to the Knights Templar, who were themselves suspected of heretical tendencies. The rewriting of the apocryphal story of Joseph of Arimathea, the Gospel of Nicodemus, to serve the interests of the chivalric class testifies to a form of reactive megalomania from which this class suffered: it needed a new aristocratic gospel for its own justification. The following discussion is based on these ideas. It aims at deconstructing a long tradition of positive interpretations of the Grail symbol, which in recent popular representations in books, films, and television is still surrounded by an aura of mysterious forces. Actually, the Grail is far from being the conspicuous sacred symbol of a ›history of the human spirit‹, as Gerhard von dem Borne has put it in a combination of humanistic and theosophic approaches to the subject.5 Neither is it simply an alternative sacred myth which tends to supplant the gospels, the Eucharist and the hierarchy of the Church in a new mix of myth and religion. From this perspective one might even be tempted to attribute a progressive function to it. Contrary to assertions about a supposed lack of utopian dimensions, the Grail in fact represents a strong argument in favor of the existence of a utopian strain. But it is a utopian strain that serves class interests and not the spiritual well-being of mankind as a whole. Finally, like all utopian systems, the Grail negates history by suggesting alternative historical constructions. It is dependent on these ›false‹ histories which, however, in a sort of dialectical irony, may reveal fascinating new aspects of history as such. As the ontological and Lacanian interpretation of the Grail by Alexandre Leupin suggests,6 the symbol of the Grail is liable to be considered as an empty symbol, as a sort of fata morgana of the medieval mind. For Leupin, the
|| 2 Cf. Friedrich Wolfzettel, ›Probleme der Geschichtskonstruktion im arthurischen Roman‹, in: Hans-Werner Goetz (ed.), Hochmittelalterliches Geschichtsbewusstsein im Spiegel nichthistoriographischer Quellen, Berlin 1998, 341–56. 3 Cf. Friedrich Wolfzettel, ›Temps et histoire dans la littérature arthurienne‹, in: Jean-Claude Faucon (ed.), Temps et histoire dans le roman arthurien, Toulouse 1999, 9–31. Reprinted in the present volume, 61–82. 4 Cf. Friedrich Wolfzettel, ›Ein Evangelium für Ritter: La Queste del Saint Graal und die Estoire dou Graal von Robert de Boron‹, Speculum Medii Aevi 3 (1997), 53–64. 5 Cf. Gerhard von dem Borne, Der Gral in Europa: Wurzeln und Wirkungen, Stuttgart 21982. 6 Cf. Alexandre Leupin, Le Graal et la littérature, Lausanne 1983.
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Estoire del Saint Graal of the Lancelot-Grail Cycle is the »texte fondateur«7 that necessarily condemns every subsequent text to being a fragmentary, empty text needing completion. It is the dead end of the apotheosis of sacred history, which proves totally incompatible with traditional history. In »Temps et histoire dans la littérature arthurienne« I concluded by emphasizing the problematic relationship between worldly and sacred history, or more precisely between the open secular history which is part of the Augustinian conception of sacred history and the ›sacred‹ history of the Grail, which is actually a mythological construct. But I also advanced the idea that it was this latter construct that opened up the vast horizon of reflection on history.8
1 Neither in Chrétien’s Conte du Graal nor in Wolfram’s Parzival is the Grail a specifically historical symbol. On the contrary, its rapid growth in popularity was probably due to the dogmatic revival of interest in the Eucharist in the late twelfth and early thirteenth centuries. But in terms of the Grail’s genealogical implications, analyzed by Brigitte Cazelles,9 as well as its utopian connotations, arising out of the sacralization of an originally folkloric or mythic object,10 these two early Grail romances display an inherently eschatological meaning. Some perspectives on genealogical and historical progression in Wolfram’s romance are considered by Adrian Stevens.11 With regard to Grail romance in France, Pauline Matarasso
|| 7 Leupin (see note 6), 35. 8 Cf. Wolfzettel (see note 3), 31. 9 Cf. Brigitte Cazelles, The Unholy Grail. A Social Reading of Chrétien de Troyes’s Conte du Graal, Stanford/CA 1996. 10 Cf. William A. Nitze, Perceval and the Holy Grail. An Essay on the Romance of Chrétien de Troyes, Berkeley, Los Angeles/CA 1949 (University of California Publications in Modern Philology 28/5), 309: »But, I think, the filiation is quite clear. The French poet was not concerned primarily with Eastern material [i. e. »the Byzantine side of the question«, 308, F. W.]. His grail is only superficially Christian. Its real source is Celtic, as is the sword which the Fisher King hands the hero. Chrétien’s whole setting for the Grail episode has analogs in Ireland, not specifically in the Orient.« As for the sacralization, we have seen that Nitze assumes Byzantine influence, which helps him to minimize the overtly heterodox traits of the Grail imagery. These have been interpreted as a mirror of Catharic rites by Leonardo Olschki, The Grail Castle and Its Mysteries, translated by J. A. Scott, ed. by Eugène Vinaver, Manchester 1966 (Italian original 1961). 11 Cf. Adrian Stevens, ›Gottfried, Wolfram, and the Angevins: History, Genealogy, and Fiction in the Tristan and Parzival Romances‹, in: Jon Whitman (ed.), Romance and History. Imagining
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has pointed out that the redemption of chivalry, which will be the subject of the Queste del Saint Graal, is already implicit in the biblical scheme of Fall, sin, and decadence, on the one hand, and rise, restoration, and redemption, on the other.12 After the episodic Arthurian romances, whose actions are identical to their chivalric message, Chrétien’s Conte du Graal is the first fully-fledged biographical romance whose structure aims to stress the above-mentioned scheme of moral guilt and expiation, but whose open end also suggests the end of both genealogical and Arthurian history, and even the end of history as such. We know that this conception, which gave rise to numerous continuations of the Grail legend as conceived by Chrétien, is explicitly stated as a sort of leitmotiv in the bulk of Arthurian Grail romances. Paradoxically, the Grail as a historical symbol emancipated from myth is bound to bring about the end of history. It suggests more than the end of the kingdom of Arthur in its own right, a closing movement which is discussed by Edward Donald Kennedy and Helen Cooper.13 It seems to denote a deep-rooted scepticism or even anxiety about the historical process as such, an anxiousness to shorten the remaining span of time allotted to the history of mankind and to put an end even to the former ideal of chivalric Arthurian society. It is this tendency to depreciate implicitly the present time in light of an utopian future that requires critical attention. The Grail implies the devaluation of history as such – history as an independent category of human life – and it is certainly no accident that the new conception of the Grail legends was immediately preceded by the Franciscan utopia of the coming Third Realm of the Holy Spirit, as described by the Calabrian monk Joachim da Fiore. Quite convincingly, the American scholar F. W. Locke has attributed a Pentecostal structure to the Queste, which is structured according to the evangelical parousia-model.14 Both
|| Time from the Medieval to the Early Modern Period, Cambridge 2015 (Cambridge Studies in Medieval Literature 92), 74–89. 12 Cf. Pauline Matarasso, The Redemption of Chivalry. A Study of the Queste del Saint Graal, Geneva 1979 (Histoire des idées et critique littéraire 180). 13 Cf. Edward Donald Kennedy, ›The Prose Brut, Hardyng’s Chronicle, and the Alliterative Morte Arthure: The End of the Story‹, in: Jon Whitman (ed.), Romance and History. Imagining Time from the Medieval to the Early Modern Period, Cambridge 2015 (Cambridge Studies in Medieval Literature 92), 105–19; Helen Cooper, ›Arthur in transition: Malory’s Morte Darthur‹, in: Jon Whitman (ed.), Romance and History. Imagining Time from the Medieval to the Early Modern Period, Cambridge 2015 (Cambridge Studies in Medieval Literature 92), 120–34. 14 Cf. Frederick W. Locke, The Quest for the Holy Grail. A Literary Study of a Thirteenth Century French Romance, Stanford/CA 1960 (Stanford studies in language and literature 21). Locke has interpreted the Queste as a liturgical drama based on the »pattern of expectation and fulfilment« (36).
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Kurt Ruh15 and Klaus Speckenbach16 in Germany have made a case for the importance of this religious and eschatological philosophy of history for Robert de Boron and the Prose Lancelot of the Lancelot–Grail Cycle, but without recognizing sufficiently that the conception of the Grail itself announces the closure of history. The new conception of sacred history will from now on rival worldly Arthurianism and eventually tend to supplant it – and not only Arthurian history but historiography as well. While Chrétien may well be said to have paved the way for a monumental alliance of sacred history and Arthurianism, he did not take the ultimate, decisive step. It was his successor, Robert de Boron, and the anonymous author of the Estoire del Saint Graal who first managed this combination by creating the most powerful historical vision ever conceived in this context until then. To the incomplete Grail story as it was – rather vaguely – delineated by Chrétien, Robert opposed »la plus grant Estoire« (l. 3487),17 a complete eschatological construction in the wake of chivalric and Arthurian dreams of boundless power and the imagery of the Crusades.18 Robert de Boron laid the foundations of what was to be finished in the Queste del Saint Graal. The conception in the Queste of the new Saviour, Galahad, whose portrayal has been compared by the German scholar Hans Bayer to Catharic attempts at self-deification, had been prepared by Robert de Boron’s new gospel,19 a reworking of Christian history in view of apocryphal sources with regard to the history of medieval chivalry. Pauline Matarasso has written in her 1979 study of a spiritual reinterpretation and upgrading of the chivalric class eager to grasp at every possibility of proving its own historical necessity. The problem of chivalry, exemplified by contemporary works on the chivalric code and by passages such as the long didactic accounts in the first part of the Lancelot story, may well support the traditional hypothesis of a Cistercian spirit
|| 15 Cf. Kurt Ruh, ›Joachitische Spiritualität im Werke Roberts von Boron‹, in: Stefan Sonderegger et al. (eds), Typologia litterarum. FS Max Wehrli, Zürich, Freiburg 1969, 167–96. 16 Cf. Klaus Speckenbach, ›Endzeiterwartung im Lancelot-Gral-Zyklus. Zur Problematik des Joachitischen Einflusses auf den Prosaroman‹, in: Klaus Grubmüller et al. (eds), Geistliche Denkformen in der Literatur des Mittelalters, Munich 1984 (Münstersche Mittelalter-Schriften 51), 210–25, here: 221–25. 17 Cited edition: Robert de Boron, Le Roman du Saint-Graal, translated by Monica Schöler-Beinhauer, Munich 1981 (Klassische Texte des Romanischen Mittelalters in zweisprachigen Ausgaben 18). 18 Cf. Helen Adolf, Visio Pacis, Holy City and Grail. An Attempt at an Inner History of the Grail Legend, University Park/PA 1960. 19 Cf. Hans Bayer, Gral: Die hochmittelalterliche Glaubenskrise im Spiegel der Literatur, 2 vols, Stuttgart 1983 (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 28).
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at work in the Queste and the Prose Lancelot. But neither medieval redactors nor most modern readers and critics have seemed to examine seriously the openly heretical character of this sort of alternative or counter-history, which was created under the spiritual guidance of Bernard of Clairvaux and which was based on the claims of the Order of Cîteaux to be, in the phrase of Albert Pauphilet, »la conductrice du monde chrétien«.20 Hans Bayer has argued that Robert de Boron and his successors followed orthodox pedagogical efforts to combat contemporary heretical tendencies in northern and southern France. The German historian seems deliberately to ignore the fact that sacramental orthodoxy – if indeed the literal interpretation of the blood symbolism in the Joseph of Arimathea story is really orthodox – is by no means incompatible with a heretical concept of the subsequent history of the Church. Being rather benevolent towards leanings like these, Myrrha Lot-Borodine, for instance, spoke of an »apostolic fraternity«21 that has nothing of a warrior ethos, without noticing that this apostolic fraternity culminates in a new apostolic succession and – still more provocatively – in a theocratic alliance of priesthood and chivalry. Joseph of Arimathea, a knightly figure himself, who relies on the fidelity of five other knights and maintains a privileged relationship with Pontius Pilate and the officers of the Roman Empire, is both a new secular Moses and the predecessor of Galahad. Having been kept alive in prison for fifteen years by the Sacred Vessel in which he had collected the blood of Christ at the moment of Christ’s death, he establishes a divergent rite of the Last Supper and recruits officers as new apostles from amongst his own relatives. Instead of imitating the apostolic succession of the Church, Joseph resorts to the aristocratic principle of lineage. Bron, who is the brother-in-law of Joseph and whose name recalls Hebron, the guardian of the Ark in the Old Testament, as well as Bran the Blessed, the owner of the vessel or horn of plenty in Celtic mythology, will be the future riche Pescheeur. His children will spread out as new apostles, and in particular his chaste son Alain will be the prototype of Galahad. Alain will go to the Land of the West, into the valleys of Avaron (apparently the Arthurian Avalon), »la terre, vers Occident, / [...] Es vaus d’Avaron« (ll. 3219–21), thereby linking Arthurian history with the Apocryphal Acts of the Apostles. The new Church of the Chosen Few founded by Joseph of Arimathea will thus establish a new chivalric succession designed to link Arthurianism to Christological beginnings or else to demonstrate the Christological foundation of Arthurian society
|| 20 Albert Pauphilet, Études sur la Queste del Saint Graal attribuée à Gautier Map, reprint Paris 1968, 71. 21 Myrrha Lot-Borodine, ›Autour du Saint-Graal, II‹, Romania 57 (1931), 147–205, here: 199 (»terrain de fraternité apostolique qui n’a rien d’un idéal guerrier«).
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and of chivalry as such. Francesco Zambon has rightly reminded us of the fact that the mysteries of the Grail are from the very beginning dependent on aristocratic principles of property and inheritance.22 Similarly, Hans Bayer has emphasized the importance of genealogical concepts in this Arthurianized gospel. Salvation has thus ceased to be a universal promise of the Church, as it is now linked to a cryptic message and is dependent on special election. Robert de Boron manifestly rewrites the gospel in light of the new, obsessional principle of genealogy, the importance of which around 1200 has been pointed out by R. Howard Bloch23 and Gabrielle Spiegel;24 some chapters in John Whitman’s Romance and History explore the recurrent concern with genealogy in the twelfth and thirteenth centuries.25 We know almost nothing about Robert de Boron,26 who claims to have written his new gospel of future chivalry at the request of his lord, Gautier de Montbéliard. The latter participated in the Fourth Crusade and went to Jerusalem, not Constantinople. At the end of Robert’s account of Joseph of Arimathea in the Roman del saint Graal, before the continuation of his work in the (fragmentary) story of Merlin, the author remarks – in the previously cited phrase – that he wanted to tell »dou Graal la plus grant Estoire« (l. 3487) and that he planned to add to his book the remaining parts that were still lacking and that would restore the whole meaning of the Grail. La plus grant Estoire may well mean the great or wonderful story, as Monica Schöler-Beinhauer has put it in her translation, but it might also refer to Chrétien and imply the wish to surpass his work. As for the Grand Livre also mentioned in Robert’s text, Gerhard von dem Borne, who stresses the respect with which such thirteenth-century authors refer to a ›great Book,‹ has suggested the existence of a secret Manichaean manuscript to which Robert de Boron might have been referring and which might well recall similar tendencies on the part of the Knights Templar.27 The radical reworking of the traditional Arthurian material
|| 22 Cf. Francesco Zambon, Robert de Boron e i segreti del Graal, Florence 1984 (Biblioteca dell’Archivum romanicum I, 189). 23 Cf. R. Howard Bloch, Etymologies and Genealogies: A Literary Anthropology of the French Middle Ages, Chicago, London 1983. 24 Cf. Gabrielle M. Spiegel, Romancing the Past. The Rise of Vernacular Prose. Historiography in Thirteenth-Century France, Berkeley et al. 1993 (The New Historicism. Studies in Cultural Poetics 23). 25 Cf. Jon Whitman (ed.), Romance and History. Imagining Time from the Medieval to the Early Modern Period, Cambridge 2015 (Cambridge Studies in Medieval Literature 92). 26 Cf. William A. Nitze, ›Messire Robert de Boron: Enquiry and Summary‹, Speculum 28 (1953), 279–96. 27 Cf. Gerhard von dem Borne (see note 5), 246–47.
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by an author who was probably, as Alexandre Micha puts it in his Étude sur le Merlin, »[m]essires et mestres tout à la fois«28 – an aristocrat and a cleric at the same time – thus not only reflects the spirit of the Crusades. Robert’s enterprise seems also to short-circuit normal ecclesiastical history by rooting the Christianization of Britain and the subsequent rise of the Arthurian ideal society in one figure, a man who had been neglected by the official Church. Contrary to what we normally associate with the end of the twelfth century, which is supposed to have been the golden age of arts and letters in France, the growing popularity, or rather the obsessive proliferation, of the Grail legends thus seems to indicate an age of crisis for chivalry, a crisis that might be overcome by the claim of a mysterious providential origin and a sort of apostolic mission. The former ideal of an alliance of chevalerie and clergie, which had spread in the wake of the rise of vernacular romance since the middle of the twelfth century, seems to have been no longer sufficient to warrant the supremacy of the chivalric class, which now had to rely on messianic overtones and to usurp even clerical functions. The historical concept put forward by Robert de Boron aims at a consistently elitist and clerical scheme of history, which leaves no room for other aspects of world history. In the Sacred Vessel to which Joseph of Arimathea is in the habit of speaking, and which in its turn speaks to him in order to reveal to him God’s providential will, Joseph finds the guarantee of his sacred task. It is in this sacred symbol of plenty that sacred history and worldly history seem to converge, presenting an exemplar of how things ought to be. The utopian connotations of Arthurian history, which in Chrétien’s work had been made subservient to exclusively social and moral aims, now form the framework of a whole eschatological construction that indirectly censures the growing gap between history and Christian lore. The genealogical scheme not only serves as a powerful agent to legitimize a class; it is employed by Robert de Boron to establish a providential genealogy in the name of Christ. The new conception highlights the crisis of the chivalric class. The Grail legend is the epitome of an apparently gratuitous historical construction, the breakdown of which at the end of the Lancelot-Grail Cycle may be interpreted as a sort of deconstruction of the ideological aim of confirming the conflicting claims of sacred symbolism and historical demands. The amplification of Robert de Boron’s romance in the subsequent Estoire del Saint Graal,29 the
|| 28 Alexandre Micha, Étude sur le Merlin de Robert de Boron. Roman du XIIIe siècle, Geneva 1980 (Publications romanes et françaises 151), 231. 29 Cf. L’Estoire del Saint Graal, ed. by Jean-Paul Ponceau, 2 vols, Paris 1997 (Les Classiques français du Moyen Âge 120/121).
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first part of the Lancelot-Grail Cycle, spans the whole passage between the Fall of Man, the Old Testament, and Arthurian Camelot, between the heathen Orient and the Christian Occident.30 »How could the descent from Breton kings not be enhanced in value by an oriental origin?« comments Gérard Gros in the Pléiade edition of Le Livre du Graal. The anonymous author of the work no longer competes with Chrétien in writing a romanz. His aim is to give us the authentic estoire – the complete history, whose revelation he claims to have received directly from God himself. The stupendous beginning of the work in the style of the book of Revelation clearly exhibits the new self-assurance of the clerical writer militating for »sainte Eglise« (281). While the author adopts the fundamental circumstances described in Robert de Boron’s verse romance, he tries to mitigate the heretical overtones of Robert’s Roman del saint Graal by stressing the importance of his estoire for the history of Christianity as such. But the major innovation of the book, the appearance of Josephé, the son of Joseph, the first bishop and spiritual ancestor of Galahad, correspondingly strengthens the spiritually purified genealogical design of the whole construct – without leveling any critical remarks at »mesire Robert de Boron qui ceste estoire translata de latin en romans« (537). Joseph of Arimathea thus in a way becomes the indirect ancestor of »bon eüré Chevalier qui mist a fin les aventures del Saint Graal et de la Grant Bretagne« (556). By this means, the linkage established between sacred beginnings and the redemption effected by Galahad becomes even closer. Moreover, a great number of episodes referring to the conversion of heathen Oriental kings reinforce the importance of the Oriental theme, which seems to function as a sort of metonymical reference to ancient history. Much more consistently than is the case in Robert’s treatment of the Grail legend, world history as a whole forms the antecedent of a providentialized and sacralized Arthurian history. In addition, a web of onomastic resemblances, echoes, and references supports the relationship between ancient and modern history, pre-Arthurian and properly Arthurian history. Nothing is left to chance. The author has eliminated every gratuitous detail with a view to enhancing the effect of a completely, obsessively s i g n i f i c a n t universe.31 Genealogy not only bridges the obvious gap of hundreds of years but also contributes to creating a well-
|| 30 »Comment le lignage des rois bretons ne gagnerait-il pas en lustre par une origine orientale?«; cited edition: Le Livre du Graal, 3 vols, vol. 1: Joseph d’Arimathie, Merlin, Les Premiers Faits du roi Arthur, ed. by Daniel Poirion and Philippe Walter, Paris 2001 (Bibliothèque de la Pléiade 476), 1670. 31 Cf. Michelle Szkilnik, L’Archipel du Graal: Étude de l’ Estoire del Saint Graal, Geneva 1991 (Publications romanes et françaises 196).
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rounded history with no lacunae at all. By leaving aside all further historical information, this kind of estoire suggests a simplified, ideal history which, in light of the ultimate failure of Galahad’s providential mission, seems to evince a desperate hope, namely that historical problems can be solved by resorting to utopian means. The Estoire, which is composed in ›authenticating‹ prose (discussed by Catherine Croizy-Naquet and Jonathan Stavsky)32 and which openly commends historical truth, claims to be history. Of course, it is pseudo-history. Contrary to what most scholars have maintained with regard to the Prose Lancelot, I should like to suggest that one function of the Lancelot-Grail Cycle as a whole is to demonstrate the breakdown of this utopian framework and to restore the open history of chivalric biography. In contrast to the harmonizing eschatological features of the Perlesvaus,33 written probably before the Queste, in the first decade of the thirteenth century, the LancelotGrail is based on the conflicting issues of secular and ›celestial‹ chivalry. In spite of its catastrophic scenery, the Perlesvaus includes a vision of spiritual harmony brought about by the realm of the Grail; the Haut Livre du Graal could in fact be interpreted by J. Neale Carman as a symbolic New Testament.34 The LancelotGrail, however, makes it clear that the history of the Grail, for all its sacred antecedents, is just a failure preceding the catastrophe of King Arthur’s realm. Lancelot is the epitome of this world. He is the chevalier errant par excellence, and thus becomes a sort of chivalric Everyman, whose errors constitute the stuff of life itself.35 So the verdict that will definitely exclude the hero from the achievement of the Holy Grail may also be positively interpreted as a symbol of the contradictory status of history, since the Grail is the negation of worldly history. Lancelot, the first and the best knight, will win a biographical consistency that will outlast even the end of the Arthurian kingdom after the death of King Arthur, to say nothing of the quest for the Grail. In contrast to his father, accordingly, Lancelot’s son, Galahad, will not have any historical biography of his own, his real function being the removal or transferal of the Holy Grail to its origin. By creating a special
|| 32 Cf. Catherine Croizy-Naquet and Jonathan Stavsky, Troy and Rome, Two Narrative Presentations of History in the Thirteenth Century: the Roman de Troie en prose and the Faits des Romains, in: Jon Whitman (ed.), Romance and History. Imagining Time from the Medieval to the Early Modern Period, Cambridge 2015 (Cambridge Studies in Medieval Literature 92), 40–52. 33 Cf. The High Book of the Grail: A Translation of the Thirteenth-century Romance of ›Perlesvaus‹, translated by Nigel Bryant, Cambridge 1978, introduction. 34 Cf. J. Neale Carman, ›The Symbolism of the Perlesvaus‹, Publications of the Modern Language Association of America 61 (1946), 42–83, here: 42. 35 Virginie Green, Le sujet et la mort dans La Mort Artu, Saint Genouph 2002, has underlined this personal consistency of the hero in her well-documented book.
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sacred history that has proved incompatible with normal human history, the Grail has in fact become a hindrance to anything that lies outside its realm. That is the paradox of the double bind in which Lancelot finds himself. His bad luck, his complete failure, constitutes a prerequisite for the emergence of his historical status as a fictional character. The derogatory commentary of the hermit in the Queste del Saint Graal, »Or puez tu bien dire que tu es mesaventureuz, quant tu a achever ceste haute aventure n’as esté ou cil troi preudome ont esté« (248, 21– 22),36 thus simply denotes the particular stance of the hero who does not belong to the chosen few. Ironically, the apotheosis that we witness at the end of the Queste del Saint Graal confirms the failure of the Grail adventure and the failure of the collective quest, which is the real subject of the work. The self-revelation of the Grail, which seems to constitute the apex of the whole story, actually points to the definite separation of the two incompatible spheres of history and sacred utopia. In spite of having fulfilled all his tasks – or should we say, just because he has fulfilled these tasks – Galahad will be forced to return to the »pales espirituel« (265, 17) of the mythic origin of the Grail and, moreover, to keep the Grail company (266, 18: »fere compaignie a cest saint Vessel«), since it is not allowed to stay in the sinful realm of Logres. But this realm, though it is bound to perish symbolically, is also the realm of history, whereas the divine transferal of Galahad clearly indicates a mythic (unreal) solution. His being crowned king in oriental Sarraz after the death of the heathen king Escorant and the later removal of the Grail and the Holy Lance by a heavenly hand at the hour of the hero’s death both testify to mythical models as opposed to the reality of history. The return of the Grail (and of the Grail king) to the Holy Land is indicative of the failure of a grandiose experiment: the experiment of the sacralization of the Arthurian world and the replacement of a secular utopia by an eschatological utopia.
2 It is not the end of the idea. Imaginary or fictionalized constructions of history must have had a powerful attraction for the late medieval mind. More than a century after the Queste (written probably about the1220s) and the Estoire (written perhaps shortly after the Queste), the anonymous author of the Roman de Perceforest, written between 1337 and 1344 in Hainaut, makes a new and – as it seems –
|| 36 Cited edition: La Queste del Saint Graal, ed. by Albert Pauphilet, Paris 1923 (Les Classiques français du Moyen Âge 33), reprint 1978.
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last attempt to combine ancient and modern (i. e., contemporary medieval) history by means of the Grail legend: »the most expansive romance that the Middle Ages has bequeathed to us and perhaps also the most tedious of all its compositions«,37 as Louis-Fernand Flûtre comments in 1948. Meanwhile, the monumental critical edition by Jane Taylor and especially Gilles Roussineau,38 as well as the research done by scholars like Jeanne Lods, Anne Berthelot, Christine FerlampinAcher, and others, has considerably modified postwar judgments of this kind. The five parts of the Perceforest are in fact a grandiose genealogical epic that presents an alternative story of the antecedents of the Arthurian Grail history. What is even more important is that it is a sort of pre-Arthurian epic, in which the Grail has only a symbolic part. By shifting the latter symbol to the end of his work, the author seems to suggest that this symbol is in fact of minor narrative importance. The ›pre-Arthurian‹ romance39 is also a pre-Grail romance and even a pre-Geoffrey-of-Monmouth romance in the sense that the work’s real subject is the history or pre-history of the British Isles. Instead of rewriting the Grail history the author simply hints at the story of Joseph of Arimathea with regard to Gallafur, a sort of new Galahad, who is seeking the Truth and will be healed of leprosy by looking at the Grail itself. Although the Grail is the symbol of the ›good news‹ of the Gospel, inaugurating a new epoch in the history of the redemption of chivalry, the ideological center of the narrative is clearly elsewhere, engaged with what this history was like before the coming of the Grail. King Arthur and Arthurian heroes are the descendants of their non-Arthurian ancestors, but like the Grail they do not seem to have a life of their own. Themes, motifs, and narrative procedures are still indebted to Arthurian models, and the author takes pains to introduce many premonitory or prefigurative elements which are to lead up to Arthurian history. However, the
|| 37 Cf. Louis-Fernand Flûtre, ›Études sur Le Roman de Perceforêt‹, Romania 70 (1948/49), 474–522; 71 (1950), 374–92 and 482–508; 74 (1953), 44–102, here: 70 (1948/49), 474. 38 Cited edition: Le Roman de Perceforest, 12 vols, Geneva 1979–2012, Première Partie, ed. by Jane H. M. Taylor, 1979 (Textes littéraires français 279); Première Partie, ed. by Gilles Roussineau, 2 vols, 2007 (Textes littéraires français 592); Deuxième Partie, ed. by Gilles Roussineau, 2 vols, 1999 and 2001 (Textes littéraires français 506/540); Troisième Partie, ed. by Gilles Roussineau, 3 vols, 1988, 1991, 1993 (Textes littéraires français 356/409/434); Quatrième Partie, ed. by Gilles Roussineau, 2 vols, 1987 (Textes littéraires français 343); Cinquième Partie, ed. by Gilles Roussineau, 2 vols, 2012 (Textes littéraires français 615); Sixième Partie, ed. by Gilles Roussineau, 2015 (Textes littéraires français 631); Complement, ed. by Gilles Roussineau, 2018 (Textes littéraires français Nr. 647). 39 Cf. Jeanne Lods, Le Roman de Perceforest: origines, composition, caractères, valeur et influence, Geneva, Lille 1951 (Société de publications romanes et françaises 32), 58.
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main emphasis is on the preceding history, as if the author wanted to invert the normal function and direction of prefiguration by giving the antecedents a special value. In this pre-Arthurian light the theme of the ideal kingdom has likewise been shifted from the Arthurian kingdom to that of Perceforest – whose name of course echoes that of Perceval – but unlike in Chrétien’s Perceval (the Conte du Graal) and the subsequent Grail romances, there is no longer a dichotomy between the secular and the divine realms. The Grail no longer functions as a strong expression of eschatological and utopian ends. The history of Perceforest may prefigure Christian history, establishing a sort of typological link between two periods that roughly correspond to antiquity and modern times. But the completely new, de-Arthurianized conception of the period of pre-history overtly opposes the evangelical apparatus of the Estoire del saint Graal and seems already to announce the new spirit of humanism and the Renaissance. The whole fabric of the Grail romance has thus undergone important ideological modifications. The main function of the Grail as a symbol of sacred history seems to have been preserved: the Grail still acts as a catalyst for the production of imaginary history. But in contrast to what happens in orthodox Grail romances, the alternative imaginary history is no longer subservient to the Grail story. On the contrary, the pre-history has largely emancipated itself from its sacred end, to which it is only loosely linked, mainly by genealogical means. What also strikes the modern reader – and perhaps struck the contemporary medieval reader as well – is the positive image of the pre-Grail epoch. The theme of pagan ignorance and sinfulness connected with the first inhabitants of the British Isles becomes irrelevant at the moment when, right after the conquest of the country by Perceforest and his companions, the temple of the hermit Dardanon is discovered in an out-ofthe-way place. Perceforest has just broken the malicious spell of the enchanted Forest of Darnant and has secured the victory of his own good lineage over the bad lineage of his enemies. He is ready to listen to the new ›gospel‹ of the one sovereign God, in whose honor a magnificent temple will be erected. Long before the appearance of the Grail and the new Christian religion embodied in a sacred object, the reign of Perceforest and his knights is thus placed under the protection of the one invisible God, who, of course, prefigures the coming of Christ, but whose worship requires no ritual except meditation and prayer. There are no priests and no clerics, no sacraments administered by a special class of men. Even marriage is celebrated without the assistance of any priest. Dardanon and other hermits who appear in the course of the narrative continue to live in seclusion »pour le Dieu Souverain servir selon la loy de adont« (IV/I, 473, 29) but this religious law does not imply any secular claim. As Gilles Roussineau puts it,
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»[b]etween pagan mythology and Christianity the author has fashioned an intermediary religion to whose sober and austere cult he seems to be partial.«40 This unique and slightly utopian religious creed thus constitutes a sort of anti-Grail conception, if not a conception with anti-Christian leanings, which might well be related to Judaic parallels. Accordingly, if the typological theme of prefiguration seems to be perfectly fitting for this historical scheme, the overwhelmingly positive value attributed to the pre-Christian condition of a completely internalized religious feeling is more than surprising. The Grail legend was liable to be interpreted as the overtly heretical concept of an elitist chivalric gospel tinged by current Pentecostal connotations, but even so it remained a very Catholic symbol, which was employed to promote the cause of the chivalric order, especially that of the Templars. Its utopian tendencies were directed at the present and the immediate future. The antiritualistic cult of the Sovereign God, however, represents an ideal religion of the past. Far from prefiguring Christianity, as the author would like to suggest, it prefigures a sort of enlightened religion that might make present-day readers think of Protestantism, if not of the age of Enlightenment itself. In his discussion of providential history the author even goes so far as to refer to »le Dieu de Nature« (IV/I, 400, 625). The notion of natural religion or natural revelation seems to anticipate popular conceptions of the eighteenth century. In other words, the prefiguration scheme serves to disguise the characteristics of a non-Catholic religion, which has been removed to a historical past, but of which the target seems to be Catholic Christianity as such. As an autonomous imaginary history, this pre-Arthurian epic is not content with reminding us of a forgotten aspect of Revelation, as the Grail legends do. It reminds us of a possible alternative history, which we could very well characterize in terms of the modern concept of ›counterfactual history‹, according to the scheme ›What would the course of things have been if ...?‹ It seems that the whole Perceforest is built on this astonishingly modern device. So the author obviously wonders what would have happened if Alexander the Great – whose extensive exploits had intrigued medieval romance from its early stages41 – had conquered || 40 Gilles Roussineau, ›Introduction‹, in: Perceforest IV/1 (see note 38), ix–cxiii, here: lxxxvii (translated by F. W.). With regard to the theological problem of this pre-Christian religion, cf. Jane H. M. Taylor, ›Reason and Faith in the Roman de Perceforest‹, in: William Rothwell et al. (eds), Studies in Medieval Literature and Languages in Memory of Frederick Whitehead, Manchester, New York 1973, 303–22. 41 Cf. Christopher Baswell, Fearful Histories: The Past Contained in the Romances of Antiquity, in: Jon Whitman (ed.), Romance and History. Imagining Time from the Medieval to the Early Modern Period, Cambridge 2015 (Cambridge Studies in Medieval Literature 92), 23–39.
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the British Isles, and he does not hesitate to elaborate the point. By compiling an impressive number of historical reference points from Gildas, Bede, Henry of Huntingdon, Geoffrey of Monmouth, and others, he succeeds in underscoring the historical veracity of his counterfactual conception. And significantly, at the root of this counterfactual conception lies the theme of salvation. In Book I the oracle of Venus announces the arrival of Alexander, whom the Breton lords in distress had sent for to help them against their enemies. Alexander thus arrives as a savior, and he leaves the country after installing a righteous rule. His helpers are Betis, who will be called Perceforest after cutting through the enchanted Forest of Darnant and being crowned king of England, and Gadifer, who will be crowned king of Scotland and whose task is to found the chivalric community of the chevaliers auz douze vœus at the end of Book I, obviously a prefiguration of the Knights of the Round Table. As already indicated, the main event after the military exploits is the discovery of the hermit Dardanon, which implies a new revelation, a gospel of truth. As the author himself points out, the new realm is the realm of spiritual truth. But Alexander is not only the savior of the country. By falling in love with a beautiful fay and becoming the father of a male child, he will also be an ancestor of King Arthur himself. The Arthurian kingdom would thus not have been possible without this providential turn of events brought about by the Sovereign God. And once more, Alexander’s exploits not only prefigure those of King Arthur, but also form the very basis of subsequent events. Thus, even if all the following adventures consciously remind us of Arthurian models and prepare for the coming of the ultimate Truth, which is Christ, this ideal chivalric society seems to have an intrinsic value that is not subordinated to future ends. Two symbolic events especially punctuate the ongoing struggle between Good and Evil. First, there is the foundation of the Order of the FrancPalais (in Book II) by Perceforest, who has been restored to health after a long period of depression. The Franc-Palais obviously prefigures the Arthurian Round Table. And then we are told of the great religious feasts which are to be celebrated (in Book IV) at the temple of the Sovereign God. In this temple Gallafur will have a visionary dream about his destiny. Gallafur is the grandson of King Gadifer and, in light of the Arthurian symbolism of the work, he clearly is to be a new Galahad. But once more, the author tries to adjust and correct the former Arthurian tradition, to which he refers without imitating it. Gallafur, the new Galahad, is not chaste. He has children, among them Ygerne, an ancestress of Arthur. His function does not consist of building up a new Christian militia or ›celestial‹ chivalry as opposed to secular chivalry. In this alternative history, the prefiguration of Galahad is deeply rooted in the chivalric values represented by the inscriptions
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of the Franc-Palais. In the face of the forthcoming catastrophe that will threaten the two kingdoms of Perceforest and Gadifer, he stands for the historical permanence and validity of these values. They are celebrated for the last time during the opening feast in Book IV, which, according to Roussineau, has a pivotal function: it marks the climax of Perceforest’s reign and the last happy moment of this alternative history.42 The Roman invasion, which puts an end to the chivalric idyll, is of course also reminiscent of the fall of the Arthurian empire. But here, too, there is a notable difference between the Arthurian end and the destruction of Alexander’s legacy. Not only will the chivalric values attached to the Franc-Palais outlast the existence of the state – significantly the final battle will be waged near this temple of an enlightened chivalry – but there is also a magic sword sticking in the threshold of the palace gate, which is a guarantee of the future renewal of this society. The author has obviously rewritten the history of the fall of Arthur with a view to suggesting a divergent historical development. Now, as Gilles Roussineau has pointed out, the realm of Perceforest is also marked by decadence: »Omens of the fall are not lacking. On many occasions there are allusions to the senescence of chivalry.«43 However, this chivalric decadence is clearly not a moral one, but a sort of weakening, a growing loss of conviction and vitality. No sinful lust, no adulterous love is sapping the foundations of the empire as the prevailing moral argument of the Lancelot story informs us. On the contrary, we are faced with a historical process. At the end of the so-called Middle Ages, the author describes the crisis of a class and the waning of an age in terms of physiological and psychological weariness and moral exhaustion. Roussineau has stressed the symbolic meaning of the disappearance of a knight called Estonné44 who, as a member of the community of the Franc-Palais, represents the »maistre pillier qui a par cy devant soustenu l’honneur et l’estat de toute prouesse et chevalerie« (IV/I, 186, 295–97). Much could be said about the frequent theme of despondency and melancholy in this romance. In view of a medical diagnosis, Perceforest, the founder of this ideal kingdom, is in fact a problematic hero from the outset. The learned author of the work seems to have deliberately combined his sources in order to sketch an image of decadence in terms of vitality, not morality. This is another sign of his pre-humanistic outlook on life and of a cyclic and fundamentally philosophical conception of history. By the same token there is also the hope of renewal and restoration. This cycle of decadence and rebirth is not a Christian but a humanistic concept. In some
|| 42 Cf. Roussineau (see note 40), lxxx: »le pivot central du roman.« 43 Ibid., lxxxiii (translated by F. W.). 44 Cf. ibid.
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ways, the Arthurian age is preceded by two Perceforest periods of history, and history at large appears as a never-ending process of civilization. In the face of the imminent catastrophe, Gadifer reminds his despondent uncle of this circular movement of history under the eye of the Sovereign God. All the great kingdoms of the earth since Noah, »Babilonne en Orient, Cartage pardevers Midy, Grece devers Septentrion et Romme en Occident« (IV/1, 400, 628–29), are mentioned as historical exempla of »contraire fortune« (IV/1, 400, 634). For a moment the author even seems to forget that Perceforest will succumb to the Roman invasion, and that, consequently, Roman history is not yet over. But the implicit historical fatalism seems to have a dialectics of its own. On the one hand, »prophetic warnings introduce a heavy atmosphere of fatalism«,45 as Roussineau remarks. On the other hand, the fatal »muttations de Fortune« (IV/1, 400, 621) seem to open up the horizon of a cyclic history which does not and must not come to an end. At the end of Book IV, Perceforest’s daughter, Betoine – the widow of the son of Alexander – will be sought. Chivalry is maintained; in Book V, twelve ritual tournaments demonstrate the renewal of chivalric civilization. The winner can gain a rose, and he who wins all the roses will win also the hand of the granddaughter of the Fay, Alexander’s love. The latter, who bore the symbolic name Sibylle and who represents Nature, guarantees a natural history under the providence of a natural God. The new chivalry will still be the chivalry of Alexander before it is metamorphosed into Arthurian chivalry. Actually, the latter, in its turn, is but an episode of this cyclical process. This last Grail romance is thus a Grail romance in quotation marks. The holy objective of the Grail is only of minor importance for the narrative. Prefiguration serves as a mask to hide the growing autonomy of the new genealogical construction of history. Obviously, there is no way back to the Grail romances as conceived by Chrétien, Robert de Boron, and the authors of the Lancelot-Grail Cycle. By exaggerating the eschatological meaning of the Grail, these authors were increasingly induced to invent an alternative history, to say nothing of an alternative, virtually heretical message regarding their designs. It was a historical construction that ultimately proved sterile in spite of being obsessively reiterated and rewritten for almost half a century. It was sterile because it represented a dead end. As previously indicated, Galahad’s final return to the holy city of Sarraz and the Grail’s assumption into heaven both indicate a symbolic closure. The Grail simply returns to where it had come from; Arthurian history is over; but, as Lancelot makes us realize, life goes on.
|| 45 Roussineau (see note 40), lxxxii (translated by F. W.).
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The Roman de Perceforest seems to make use of the Grail story simply as a means of integrating a distinguished tradition into its historical design. The cyclical conception of history put forward by the narrative suggests the preeminence of a prestigious past that is neither Arthurian nor Christian. And the story itself suggests an open historical process even if the hoped for renewal of chivalry seems to remain doubtful. In spite of the numerous Arthurian reminiscences and many features recalling conventional notions of the Middle Ages, the Perceforest seems to denote a new, proto-humanist spirit. So it is perhaps no mere coincidence that this romance contains the first medieval example of a full-fledged popular fairy tale, the tale of Sleeping Beauty (at the end of Book III),46 and that this tale has the function of echoing the main aim of the story in a sort of mise en abyme. Awakening the unclad Sleeping Beauty is an equivalent to awakening a long-forgotten historical truth. Perhaps it is due to this virtual premodernity that the Perceforest, amongst all the prose romances of the Middle Ages, became one of the most popular romances in the Renaissance.
|| 46 It was Jeanne Lods who first drew attention to this text, the discontinuous parts of which are printed as a coherent tale at the end of her book (see note 42), 283–95. As for the philosophical and historical dimensions of the tale, cf. Friedrich Wolfzettel, ›La Belle Endormie: Le conte merveilleux populaire mis au service des idéologies courtoises‹, in: id., Le Conte en palimpseste. Studien zur Funktion von Märchen und Mythos im französischen Mittelalter, Stuttgart 2005, 114–35.
Forschungsinterferenzen Chrétien de Troyes und der Artusroman Abstract: In literary history we are accustomed to treat interference as a problem of genre. But interference between genres is far from being restricted to literature as such, and may also be found in concomitant research criticism. Chrétien de Troyes-studies seem to be a case in point. From the very beginning, Chrétien de Troyes was considered as the ›father‹ and inventor of a specific model of Arthurian narrative; recent Arthurian scholarship, however, has tended to show that this fundamental aspect plays a minor, almost negligible role. The initial critical approach of Arthurian scholarship has increasingly been overshadowed, and ultimately supplanted, by new critical tendencies. With regard to the bulk of Arthurian verse romance it is possible to talk of an ongoing process of autonomisation within Chrétien studies, in which even the author’s ›classical‹ romances are often a playground for experimental approaches interfering with traditional aspects of genre.
Chrétien de Troyes et la tradition du roman arthurien en vers lautet der Titel eines neuen Sammelbandes von 2013,1 der die Rolle Chrétiens nicht nur als »l’inventeur d’un genre«, sondern auch als »maître«2 festschreiben möchte. In dem großen Projektband The Legacy of Chrétien de Troyes von 1987 heißt es noch vorsichtig: »comparatevely few studies have taken Chrétien texts as obligatory models for later romance«.3 Im eingangs genannten Band beschreibt Richard Trachsler einleitend die Forschungsgeschichte dieser Konzeption seit Gaston Paris, Gustav Gröber und Wendelin Foerster.4 Er schlägt vor, das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Chrétien und dem Cycle de la Table Ronde im Gegensatz zu dem unspezifi-
|| 1 Annie Combes u. a. (Hrsg.), Chrétien de Troyes et la tradition du roman arthurien en vers, Paris 2013 (Rencontres 58, Série Civilisation médiévale 6). 2 Richard Trachsler, ›Chrétien de Troyes, Créateur. De l’linventeur d’un genre au statut de maître‹, in: Annie Combes u. a. (Hrsg.), Chrétien de Troyes et la tradition du roman arthurien en vers, Paris 2013 (Rencontres 58, Série Civilisation médiévale 6), 13–25, hier: 21 und 23. 3 Norris J. Lacy u. a., ›Preface‹, in: Norris J. Lacy u. a. (Hrsg.), The Legacy of Chrétien de Troyes, 2 Bde., Bd. 1, Amsterdam 1987 (Faux Titre 31), 1–3, hier: 1. 4 Vgl. Trachsler (wie Anm. 2). || Erstveröffentlichung in: Cora Dietl u. a. (Hrsg.), Gattungsinterferenzen. Der Artusroman im Dialog, Berlin, Boston 2016 (SIA 11), 221–30. https://doi.org/10.1515/9783110694567-012
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schen Terminus ›Intertextualität‹ als »interdiscursivité« zu bezeichnen. Die formale Tradition wurde bekanntlich in der glänzenden, inzwischen auch ins Englische übersetzten Studie von Beate Schmolke-Hasselmann aus dem Jahr 1980 festgeschrieben,5 die – mit Keith Busby – »was to become a landmark in the study of French Arthurian romance«6 und die Vorstellung eines fest umrissenen Textkorpus mit allen damit verbundenen Problemen von der réécriture bis hin zur Parodie zementierte. Die Beiträge des neuen Sammelbandes sollen freilich auch die Fruchtbarkeit des kaum mehr in Frage gestellten Abhängigkeitsverhältnisses beweisen, insofern – wie Arianna Punzi schreibt – »la strada aperta da Chrétien condurrà a soluzioni fino ad allora inesplorate, come mostrano i tanti autori certamente influenzati dalla lezione del maestro«.7 Beeinflusst ja, geprägt vielleicht weniger. Ohnehin steht die Zahl und Bedeutung der Chrétien gewidmeten Arbeiten in keinem Verhältnis zu der Forschung zum späteren Artusroman. Ein Blick auf den knappen Forschungsüberblick von Keith Busby bestätigt diesen Befund.8 Letzterer wurde zudem gerade in den vergangenen beiden Jahrzehnten offensichtlich von einer Tendenz durchkreuzt, die man vielleicht mit dem Terminus ›Forschungsinterferenz‹ charakterisieren könnte. Sie impliziert eine zunehmende Autonomisierung des immer komplexer wahrgenommenen Chrétien’schen Werkes von der nachfolgenden arthurischen Verstradition, deren Abhängigkeit von ihrem Vorbild zwar nie in Frage gestellt wird, doch durch den wachsenden Abstand zwischen gleichsam genormter Epigonalität und unerreichter Originalität des Vorbilds immer stärker relativiert erscheint. Das beginnt z. B. mit den lange Zeit wenig diskutierten Continuations de ›Perceval‹, die seit Mary Williams’ kritischer Ausgabe der beiden ersten Bände von Gerbert de Montreuil in den 1920er Jahren9 und der fünfbändigen Gesamtausgabe durch William Roach10 ihre rand-
|| 5 Vgl. Beate Schmolke-Hasselmann, Der arthurische Versroman von Chrestien bis Froissart. Zur Geschichte einer Gattung, Tübingen 1980 (Beihefte zur ZrP 177). 6 Keith Busby, ›In principio erat verbum Beatae. The Study of Post-Chrétien Verse Romance since 1980‹, in: Annie Combes u. a. (Hrsg.), Chrétien de Troyes et la tradition du roman arthurien en vers, Paris 2013 (Rencontres 58, Série Civilisation médiévale 6), 35–48, hier: 35. 7 Arianna Punzi, ›Ripensando a Chrétien de Troyes. Il caso del Bel Inconnu di Renaut de Beaujeu‹, in: Annie Combes u. a. (Hrsg.), Chrétien de Troyes et la tradition du roman arthurien en vers, Paris 2013 (Rencontres 58, Série Civilisation médiévale 6), 107–28, hier: 113. 8 Vgl. Busby (wie Anm. 6). Zum Vergleich: Allein Douglas Kelly, Chrétien de Troyes. Supplement 1: An Analytic Bibliography, Woodbridge, Rochester/NY 2002, umfasst 582 Seiten. 9 Vgl. Gerbert de Montreuil, La Continuation de Perceval, 3 Bde., Bd. 1 und 2 hrsg. von Mary Rhionnan Williams, Paris 1922–25 (Les Classiques français du Moyen Âge 28/50), Bd. 3 hrsg. von Marguerite Oswald, Paris 1975 (Les Classiques français du Moyen Âge 101). 10 Vgl. The Continuation of Old French Perceval of Chrétien de Troyes, hrsg. von William Roach, 5 Bde., Philadelphia 1949–83.
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ständige Position verloren haben und zu einem wesentlichen ergänzenden Forschungsbereich geworden sind. Thomas Hinton spricht 2012 nicht nur von einem wichtigen Bereich arthurischer Überlieferung; er postuliert darüber hinaus auch, »that Chrétien de Troyes’s romances became models for later authors, partly because of the success of the Conte du Graal Cycle«.11 Der klassische Artusroman und die Continuations bezeichnen so letztlich zwei getrennte Rezeptionslinien des Chrétien’schen Romans. Man wird einem solchen Urteil nur bedingt zustimmen können. Intertextuelle Anregungen begründen noch keinen gattungsspezifischen Einfluss; eher wäre wohl mit Blick auf den Prosaroman ein Seitenzweig der Entwicklung geltend zu machen, der den sogenannten ›klassischen‹ Artusroman hinter sich lässt. Immerhin hat Leah Tether kürzlich eine Theorie der Continuation entwickelt, die selbst Züge einer eigenen Gattungstheorie annimmt.12 Die Forschung der Nachkriegszeit war durch die Vorstellung der Kontinuität zwischen Chrétien und den nachfolgenden nationalen Traditionen geprägt. Die von Roger Sherman Loomis herausgegebene »collaborative history« Arthurian Literature in the Middle Ages von 1959 ist das Monument dieser auf Ausgleich angelegten Forschungsgeschichte.13 Kurz zuvor, 1956, war die epochale Monographie Erich Köhlers erschienen,14 die durch ein versöhnlich utopisches Bild des Chrétien’schen Romans geprägt ist und – Wilhelm Kellermann folgend – auch die formalen Vorgaben herausarbeitet, durch die die Folgeentwicklung des Artusromans anschließbar wird. Die in sich gerundete, gleichsam selbstgenügsame Form des Artusromans, die das Enfances-Modell in der Dialektik von Desintegration und Reintegration, Herausforderung, Krise und Versöhnung zu einem neuen Gattungsmodell für das aufstiegswillige Rittertum macht, kann so in immer neuen Variationen und unter den unterschiedlichen historisch-dynastischen Bedingungen, die v. a. Beate Schmolke-Hasselmann untersucht hat,15 immer wieder erprobt werden. Was aber, wenn sich der Archetyp selbst als krisenhaft bzw. inkompatibel erweist? In seiner Monographie über Erec et Enide hat der englische Forscher James R. Simpson 2007 für eine Umwertung des bislang als gattungs-
|| 11 Thomas Hinton, The Conte du Graal Cycle: Chrétien de Troyes’ Perceval, the Continuations, and French Arthurian Romance, Cambridge 2012 (Gallica 23), 165. 12 Vgl. Leah Tether, The Continuations of Chrétien’s Perceval. Content and Construction, Extension and Ending, Cambridge 2012 (Arthurian Studies 79). 13 Vgl. Roger Sherman Loomis (Hrsg.), Arthurian Literature in the Middle Ages. A Collaborative History, Oxford 1959. 14 Vgl. Erich Köhler, Ideal und Wirklichkeit in der höfischen Epik. Studien zur Form der frühen Artus- und Graldichtung, Tübingen 1956 (Beihefte zur ZrP 97). 15 Vgl. Schmolke-Hasselmann (wie Anm. 5).
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konstitutiv geltenden frühen Romans geworben.16 Unter dem Einfluss Jacques Lacans und seines Interpreten Slavoy Žižek geht der Glasgower Gelehrte den Ambiguitäten und dem verdrängten Unbewussten des scheinbar harmonischen Textes nach, »the idealized visions of a young aristocrat«,17 der sich in Wahrheit seit dem Eingangsszenario, der mit der coutume begründeten Jagd auf den weißen Hirsch, am Rande einer sozialen Katastrophe bewegt. Simpson betont die Widersprüchlichkeit des Romans, dem er gleichsam die hermeneutische Unschuld raubt. Er sieht Artus »as a cynical artist of spin playing fast and loose with the foundation of aristocratic legitimacy«18 und interpretiert die eigentliche Apotheose eines dialektischen Ausgleichs, die Joie de la Cort, als einen romantypischen Versuch der Verdrängung des Unheimlichen und Unstimmigen vor dem Hintergrund des immer präsenten, doch nie eingestandenen »future doom«.19 Da verrät Erecs verspätetes Auftauchen »a rippling undercurrent of desire«,20 was auf Guenièvres begehrlichen Blick auf den fremden Ritter vorausweist;21 da erinnert Arthurs Recht, Enide zu küssen, an das feudale ius primae noctis,22 während die Hochzeitsnacht des Paares als kaum verhüllte Form der Vergewaltigung erscheint; da ist die Gefühlsarmut Erecs beim Tod des Vaters oder seine Falschaussage über eine gar nicht geplante quête am Hof von Laluth; da vergibt der Held merkwürdig rasch dem verbrecherischen Maboagrain, seinem umgekehrten Spiegelbild; da wird Enide, der Erec seine Rettung verdankt, bei den Krönungsfeierlichkeiten schlicht vergessen – die Beispielreihe wäre leicht fortzusetzen. Solche kaum zufällige Unstimmigkeiten vertragen sich schlecht mit der postulierten Vorbildfunktion für den späteren Artusroman. Die angesprochene apokalyptische Dimension ist denn auch aus dem Korpus des Artusromans nach Chrétien zugunsten handlungsinterner Geschlossenheit gestrichen worden. Von der Problematisierung des vorgeblichen Modells führt keine Verbindung zu der späteren, in sich ruhenden Gattungstradition. Donald Maddox hat dieses Paradox schon 1991 angedeutet und dabei v. a. die hegeliani-
|| 16 Vgl. James R. Simpson, Troubling Arthurian Histories. Court, Culture, Performance and Scandal in Chrétien de Troyes’s Erec et Enide, Oxford u. a. 2007 (Medieval and Early Modern French Studies 5). Vgl. dazu die Rezension von Friedrich Wolfzettel, ZrP 126 (2010), 368–71. 17 Ebd., 19. 18 Ebd., 464. 19 Ebd., 46. 20 Ebd., 132. 21 Vgl. ebd., 133. 22 Vgl. ebd., 234.
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sche Lesart Köhlers in Frage gestellt.23 Mit Blick auf das Anfangsszenario von Erec et Enide, in dem sich Artus auf die coutume seines Vaters Uterpendragon beruft und damit die Grundlagen seines table ronde-Ideals gefährdet, interpretiert Maddox das Chrétien’sche Werk insgesamt »as a powerful vehicle of medieval legal fictions«24 in steter Auseinandersetzung mit der coutume: »The Arthurian world gradually ermerges in Chrétien’s romances as a dimension beset by conflicts which the legal models of that earlier era are no longer capable of resolving.«25 Es geht mithin gerade nicht um »an idealized feudal community«, um »the attainment of courtly chivalric perfection« oder gar um »an eschatological mission for chivalry«;26 der frühe Artusroman ist nach Maddox vielmehr »a literary medium for exploring the legal roots of social instability«, er demonstriert »the fragility and the vulnerability of a fragmenting feudal world«.27 Als Spiegel einer substantiellen Krise hat diese Form des Romans nur noch wenig mit dem späteren Artusroman gemeinsam, der das Krisenmotiv zum willkommenen Motor einer entproblematisierten Handlung macht. Das facettenreiche und widersprüchliche Artusbild der Folgezeit läge aber in der problematischen Vorgabe der Chrétien’schen Romane begründet. Besonders spannungsreich scheint die Filiation Chrétien-Artusroman, wo sich die postulierte Kohärenz der Modellgattung in verschiedene Tendenzen aufsplittert. In ihrer 2012 erschienenen Münchener Habilitationsschrift, der ersten deutschen Chrétien-Monographie seit Stefan Hofer und Erich Köhler, akzeptiert Xuan Jing zwar kursorisch die herkömmlichen Gliederungskriterien, weist den Romanen Chrétiens aber jeweils verschiedene Teloi und eine je eigene Zeitauffassung zu: die noch in die Zukunft weisende, teleologische Zeit im Erec, die zyklische Zeit im Yvain und endlich die Parusie im Lancelot; der Conte du Graal wird nicht mehr eigens thematisiert.28 Im Zentrum aller Romane steht nicht das Modell des Artushofs und der table ronde, sondern der Übergang vom feudalen Staat (den die Verfasserin im Rolandslied verortet) zum Motiv der Herrschaftsgewinnung. Was Erec et Enide betrifft, so schließt das eine kritische Relativierung im Sinne
|| 23 Vgl. Donald Maddox, The Arthurian Romances of Chrétien de Troyes. Once and Future Fictions, Cambridge u. a. 1991 (Cambridge Studies in Medieval Literature 12). Vgl. dazu die Rezension von Friedrich Wolfzettel, ZrP 110 (1993), 522–25. 24 Maddox (wie Anm. 23), 119. 25 Ebd., 139. 26 Alle Zitate ebd., 13. 27 Beide Zitate ebd., 140. 28 Vgl. Xuan Jing, Subjekt der Herrschaft und christliche Zeit. Die Ritterromane Chrestiens de Troyes, München 2012. Vgl. dazu die Rezension von Friedrich Wolfzettel, PBB 136 (2014), 290–95.
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Simpsons (der nicht genannt wird) aus. Der »Königsweg des Ritters«29 meint hier vielmehr einen Weg der »Selbstverwirklichung« vermittels der »Beherrschung des Anderen«30 und der »Selbstüberwindung des narzisstischen Imaginären«.31 In der postulierten »mimetischen Krise«32 des Rittertums und an einem entscheidenden Punkt des Institutionswandels kreiert Chrétien der Verfasserin zufolge eine von Zahlensymbolik, Erlösungssemantik und antiken epischen Reminiszenzen gerahmte »allegorische Figur«,33 die mit späteren Artushelden nur noch wenig gemein hat. Krisenhafter erscheint in der Konstruktion Xuan Jings Yvain, der Chevalier au lion, als »eine Machtfigur, welche die Ordnung von Innen zusammenhalten muss«;34 er gewinnt Frau und Land durch Rechtsbruch und verliert sie wieder. Auch trägt er im Vergleich mit Erec als »Anti-Aeneas«35 ohne Gründungsauftrag und als Tiermensch fast komische Züge. Noch vor dem Siegeszug der Artusliteratur ist der maßgebliche Vorbildritter mithin nach der Verfasserin durch die ›Melancholie des Erwachsenseins‹ (im Sinne von Georg Lukács) geprägt. Die zyklische Struktur des Romans stützt das »Verlierer-Narrativ«.36 Wäre Letzteres vielleicht doch an spätere Artushelden anschließbar, so konterkariert der etwas aufgesetzt wirkende Schluss, der Yvain zum ›Aufhalter‹ und ›Katechon des Endes‹ sowie zum Vorläufer der apokalyptischen Grundierung des Lancelot-Romans macht, dann gerade solche Kontinuitätsvorstellungen. Als heilsgeschichtlich grundierter Roman teilt der Chevalier au lion nur die »christologische Modellierung«37 mit Erec et Enide. Die hier lediglich angedeutete institutionsgeschichtliche Problematik weitet sich endlich nach der These der Verfasserin in der Charrette zur Vorausdeutung auf die mondäne Monarchie, insofern die Krise des Königs ihr Gegengewicht in der Königin als »Dame-Souverän«38 habe. Lancelot selbst erscheint als »eschatologisch kodierte Übergangsfigur«, als »Moses-Christus« und »Endzeitritter«, der die »eschatologische Lähmung«39 des Artusreichs nurmehr verwaltet.
|| 29 Jing (wie Anm. 28), 25. 30 Beide Zitate ebd., 78. 31 Ebd., 100. 32 Ebd., 15. 33 Ebd., 118. 34 Ebd., 166. 35 Ebd., 164. 36 Ebd., 163. 37 Ebd., 211. 38 Ebd., 181. 39 Ebd., 214, 224, 208 und 225.
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Folgt man Xuan Jing, so wäre nach dieser Lesart das Sinnpotential des Artusromans bereits an dieser Stelle erschöpft, ohne dass die für den Conte du Graal und den späteren Prosaroman entscheidende Funktion der genannten eschatologischen Dimension in den Blick rückte. Als Vorstufe des als Tragödie interpretierten Conte du Graal hatte schon Victoria Guerin in ihrer Monographie von 1995 den Chevalier de la Charrette begriffen.40 Auf jeden Fall wird der Conte du Graal so noch weiter vom Mainstream der Artusliteratur abgehoben. Ich habe diese schon früh einsetzende methodologische Entwicklung in der Chrétien-Philologie in meinem Beitrag »Der lange Weg zu einem anderen Chrétien« beschrieben41 und hier von einem »änigmatischen Roman des Fragens«42 gesprochen, der die traditionelle Handlungsstruktur im Wortsinn als fremd und ›frag-würdig‹ erscheinen lässt. In diesem Kontext sei daran erinnert, dass Francis Dubost, der sein Konzept des Unheimlichen als »l’art de se faire signe« auf den Conte du Graal überträgt, eine gebrochene Ästhetik der Verrätselung geltend macht.43 Die Neigung, den letzten Roman Chrétiens, wenn nicht auch, wie Victoria Guerin, den Lancelot, aus dem Korpus herauszulösen, ist also nicht neu. Der Cligés spielt in den strukturkritischen Ansätzen der Forschung ohnehin keine Rolle. In seiner großen kulturvergleichenden Monographie hatte Pierre Gallais den Conte du Graal schon 1972 als ersten neuzeitlichen Roman tendenziell von der arthurischen Gattungsgeschichte entlastet.44 Orientalische ›correspondances‹ und tiefenpsychologisch-anthropologische Einsichten machen diesen Roman zu einem mythenschöpfenden Gründungswerk der Moderne, während gleichzeitig die bislang für die Artusliteratur konstitutive Frage nach dem keltischen Substrat zunehmend an Bedeutung verliert. Und während Brigitte Cazelles 1996 noch den erbaulichen Roman mit Blick auf eine verdrängte feudalepische Dimension der vengeance quest dekonstruiert hatte,45 geht Laurent Guyénot 2010 von eben der || 40 Vgl. M. Victoria Guerin, The Fall of Kings and Princes. Structures and Destruction in Arthurian Tragedy, Stanford/CA 1995. Vgl. dazu die Rezension von Friedrich Wolfzettel, Mediaevistik 19 (1997), 454–58. 41 Vgl. Friedrich Wolfzettel, ›Der lange Weg zu einem »anderen« Chrétien. Zur Nachkriegsforschung über den Conte du Graal‹, in: Matthias Meyer und Hans-Jochen Schiewer (Hrsg.), Literarische Leben. Rollenentwürfe in der Literatur des Hoch- und Spätmittelalters. FS Volker Mertens, Tübingen 2002, 871–92. Wieder im vorliegenden Band, 83–104. 42 Ebd., 889. 43 Vgl. Francis Dubost, Le Conte du Graal ou l’art de se faire signe, Paris 1998 (Unichamp 71), v. a. 97f. 44 Vgl. Pierre Gallais, Perceval et l’iniation. Essai sur le dernier roman de Chrétien de Troyes, ses correspondances ›orientales‹ et sa signification anthropologique, Paris 1972. Vgl. dazu die Rezension von Friedrich Wolfzettel, GRM 25 (1975), 119–21. 45 Vgl. Brigitte Cazelles, The Unholy Grail. A Social Reading of Chrétien de Troyes’s Conte du Graal, Stanford 1996.
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›Differenz‹ des Chrétien’schen Romans zu seinem gattungsgeschichtlichen Umfeld aus: »Chrétien de Troyes a pour ainsi dire, ›dénoyauté‹ cette histoire, pour en faire le point de départ d’un roman totalement différent«.46 Gestützt auf Parallelen in mittelalterlichen Jenseitsvisionen, darunter auch Les Merveilles de Rigomer oder Amadas et Ydoine, untersucht der Verfasser die Implikate einer Totenfolklore, die gerade nach seiner These dem standesspezifisch heterodoxen Glauben des Adels an eine »solidarité des morts et des vivants«47 entsprechen. Die der Forschung geläufige Anderwelt-These der Charrette wird auf den Conte du Graal ausgedehnt. Die parallelen Lebenswege Percevals und Gauvains gipfeln beide in der Begegnung mit den Toten, wobei der unspelling quest Percevals anders als bei Lancelot, dem »libérateur des prisonniers de l’Autre Monde«,48 von Anfang an misslingt. Die getrennten Wege der beiden komplementären Helden bezeichnen aber, diametral anders als in der bisherigen Forschung seit eineinhalb Jahrhunderten, gleichwertige, wenngleich getrennte Heilswege, »la conversion à une vie pieuse« im Falle Percevals und »la mort au service du Christ«49 im Falle Gauvains. Denn im Gegensatz zu der These Cazelles steht hier die Begegnung mit dem toten Vater – der Fischerkönig erscheint als »le double vivant du père mort de Perceval«50 – nicht für die Verdrängung, sondern für die Überwindung des Rachemotivs und für »la conversion du fils à la non-violence«.51 Die blutende Lanze verweist auf Opfer, nicht auf Rache: eine mythisch-erbauliche, geistesgeschichtliche komplexe Lesart, die den Conte du Graal einmal mehr in die Nähe von Robert de Boron und des Prosaromans52 rückt, während das Band, das den Roman mit dem roman arthurien en vers verbindet, eher noch schwächer geworden zu sein scheint. Der im Titel angezeigte Hypertext verweist jedenfalls nicht in Richtung Versroman. Wenn, wie der Verfasser meint, »le Conte du Graal n’est pas si inachevé qu’on l’a cru«,53 sondern zwei offene Heilswege beschreibt, die kein konventionelles Romanende verlangen, dann ist der Abstand im Gegenteil nicht nur inhaltlich, sondern auch formal fast unüberwindbar. Das Neue des Conte du Graal liegt dann nicht mehr nur, wie von Emmanuèle Baumgartner postuliert, darin, »de mon-
|| 46 Laurent Guyénot, La Lance qui saigne. Métatextes et hypertextes du Conte du Graal de Chrétien de Troyes, Paris 2010 (Essais sur le Moyen Âge 44), 75. Vgl. dazu die Rezension von Friedrich Wolfzettel, ZrP 130 (2014), 847–50. 47 Guyénot (wie Anm. 46), 90. 48 Ebd., 46. 49 Beide Zitate ebd., 235. 50 Ebd., 88. 51 Ebd., 138. 52 Vgl. ebd., Kap. 10. 53 Ebd., 319.
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trer comment s’acquiert et s’intériorise ce code [courtois], qui donne toute sa noblesse à l’ordre de chevalerie«,54 sondern darin, die angedeutete Identitätssuche zugleich als Suche nach dem Heil auszuweisen; dann lassen die Offenlegung des Verdrängten und die Überwindung der »communication interrompue«55 nicht wie bei Baumgartner Raum für die »continuateurs de Chrétien«.56 Der Conte du Graal wird, wie es Baumgartner in ihrer Forschungskritik im Klappentext andeutet, zum Gefangenen des ›mystischen‹ Intertexts der Kritik. Abgesehen von dem originellen Motiv der Begegnung mit den Toten und dem Bestreben, Perceval und Gauvain gleichberechtigt nebeneinander zu sehen, situiert sich Guyénot in einer langen Tradition des christlich erbaulichen Initiationsund Thesenromans (z. B. Myrrha Lot-Borodine, Paul Imbs, Leo Pollmann, Martín de Riquer, Jacques Ribard, Pierre Gallais usw.), der nur wenig mit der postulierten autonomen Fiktionalität der Gattungsgeschichte gemein hat. Keith Busby hatte diesem Ansatz mit seinem »critical guide« zum Conte du Graal – die englische Monographie erschien 199357 parallel zu der édition critique bei Niemeyer58 ‒ einen wichtigen Anstoß gegeben, indem er den Weg Percevals in moralischen Kategorien als einen Weg der Bekehrung von verblendeter Ichzentriertheit zu einem altruistischen Verstehen des Anderen deutete. Die amerikanische Forscherin Barbara N. Sargent-Baur, die bereits durch zahlreiche Vorarbeiten zu Chrétien hervorgetreten war, folgte ihm in ihrer programmatischen Studie aus dem Jahr 2000.59 Entsprechend dem im Prolog zitierten Bibelspruch, wonach die Linke nicht wissen soll, was die Rechte tut, begreift sie die Romanhandlung als den Weg des Helden zu sich selbst, als einen Prozess des Reifens und der Heilung von ursprünglicher Blindheit.60 Der Verfasserin zufolge schildert Chrétien bewusst einen defizitären Helden, der ähnlich wie bei Leslie Topsfield »cannot grieve because he has not loved.«61 Die Unreife Percevals, der »tel un gros bébé [...] se tient pour le
|| 54 Emmanuèle Baumgartner, Chrétien de Troyes, Le Conte du Graal, Paris 1999 (Études littéraires 62), 64. 55 Ebd., 100. 56 Ebd., 101. 57 Vgl. Keith Busby, Chrétien de Troyes: Perceval (Le Conte du Graal), London 1993 (Critical Guides to French Texts 98). 58 Vgl. Chrétien de Troyes, Le Roman de Perceval ou le Conte du Graal, hrsg. von Keith Busby, Tübingen 1993. 59 Vgl. Barbara Sargent-Baur, La Destre et la Senestre: Etude sur le Conte du Graal de Chrétien de Troyes, Amsterdam, Atlanta/GA 2000 (Faux Titre 185). Vgl. dazu die Rezension von Friedrich Wolfzettel, ZrP 118 (2002), 249–51. 60 Vgl. Sargent-Baur (wie Anm. 59), Kap. IX: »L’Aveugle«. 61 Leslie T. Topsfield, Chrétien de Troyes: A Study of the Arthurian Romance, Cambridge 1981, 264.
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centre de l’univers«,62 verhindert einen dem Erec oder Yvain vergleichbaren Reifungsprozess. Vergleichbar der 9. Symphonie Beethovens erscheint der Conte du Graal in dieser Beleuchtung als ein christlich philosophisches Alterswerk, in welchem Chrétien kritisch von seinem früheren Werk abweicht und ein neues, nurmehr äußerlich arthurisches Romankonzept erprobt. Gerade die genuin arthurischen Elemente werden von der Verfasserin heruntergespielt und den Leitgedanken des Sehenlernens und des rechten Weges untergeordnet. So spielt auch der ›arthurische‹ Held Gauvain in dieser Sicht kaum eine Rolle. Als Reflexion über Sünde und Gnade, richtiges und falsches Handeln stellt der Conte du Graal nach SargentBaur die arthurische, höfisch-ritterliche Wertewelt in Frage: Chrétien de Troyes [...] donne à entendre que le monde chevaleresque et courtois, sans être foncièrement mauvais et tout en étant supérieur à la sauvagerie, est insuffisant dans l’échelle 63 de valeurs qui sous-tend le Conte du Graal.
Der fehlende Schluss sollte danach einen »Perceval toujours chevalier, mais ayant enfin appris la charité et se conduisant en chevalier chrétien«64 zeigen – der Perceval als ›Antiroman‹, nicht als Modell einer neuen Tradition des Erzählens bis zu Froissart. Unter dem Stichwort einer christlichen »paradoxicality« hatte Rupert T. Pickens übrigens in seiner originellen Monographie von 197765 bereits einen vergleichbaren Weg vorgezeichnet.
|| 62 Sargent-Baur (wie Anm. 59), 46. 63 Sargent-Baur (wie Anm. 59), 188. 64 Ebd., 206. 65 Vgl. Rupert Pickens, The Welsh Knight. Paradoxicality in Chrétien’s Conte del Graal, Lexington/KY 1977 (French Forum Monographs 6).
Artusrittertum und Melancholie Im Zeichen des penser Abstract: Compared with other medieval narrative genres, French Arthurian romance seems to be characterized by unusually frequent use of the word field of thoughtfulness (manifested in the words penser and pensif), often to imply melancholy and brooding. It is actually the only genre to celebrate melancholy in this way. Here, melancholy might be explained as a foreboding of doom or, more generally, as the product of an unresolved and virtually utopian tension between ideals and reality (Erich Köhler) and by the intimation of futility which identifies Arthurian literature as the first ›adult‹ and ›modern‹ narrative model of the Middle Ages. Aside from this, from a narratological point of view there is a functional difference between verse and prose romance. In the former, the word field penser triggers a temporary immobilization of the lonely hero’s quest or even a kind of ecstasis. In the latter, penser and its correlatives imprint a seal of emotional intensity on entire sections of the action, as can be seen in the Galehaut episode of the Lancelot en prose or in the final moments of the Arthurian realm in La Mort Artu. In these different realisations, melancholy/penser is woven into the fabric of the Arthurian concept.
1 penser oder Perspektiven des Verdrängten Kaum ein Begriffsbereich dürfte für den Artusroman charakteristischer sein als der des topischen penser bzw. pensif, in welchem neben der üblichen Bedeutung ›nachdenken‹, ›sich kümmern um‹ auch die Bedeutung ›Nachdenklichkeit‹, ›Melancholie‹ und ›Grübeln‹ anklingen kann. Das in allen Textsorten gebräuchliche Wortfeld weist nach Tobler-Lommatzsch1 gerade hier ein breites Spektrum auf. Denn ein wesentliches Element der Originalität der Artusliteratur dürfte in deren neuartiger emotionaler Gewichtung liegen. In seiner Studie über kognitive Emotionalität im Artusroman spricht Anatole Pierre Fuksas z. B. in Bezug auf die Wir-
|| 1 Vgl. Altfranzösisches Wörterbuch, hrsg. von Adolf Tobler und Erhard Lommatzsch, Bd. 7, Wiesbaden 1969, 668–81. || Erstveröffentlichung in: Cora Dietl u. a. (Hrsg.), Emotion und Handlung im Artusroman, Berlin, Boston 2017 (SIA 13), 3–18. https://doi.org/10.1515/9783110694567-013
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kung der Adjektive pensif, mat und morne von einer »emotional landscape so persistent that audiences can still easily envisage it in the twenty-first century«.2 Anders als in der Chanson de geste und im antikisierenden Roman spürt man von Anfang an einen Hauch von Vergeblichkeit und Melancholie, die sich, wie M. Victoria Guerin gezeigt hat,3 im Spätwerk Chrétiens zu einer ambivalenten Katastrophenstimmung verdichtet, »groping from medieval toward a modern concept of tragedy«.4 Dass die Spuren des Verdrängten und der Krisenhaftigkeit im Hinblick auf den »future doom«5 freilich schon in dem noch scheinbar optimistischen Roman d’Erec zu beobachten sind, hat James R. Simpson in seiner Monographie von 2007 gezeigt. Das vom Ende her konstruierte Idealreich Arthurs wäre vielleicht überhaupt mit dem Titel des Buches – Troubling Arthurian Histories – zu überschreiben. Der hochgestimmte Brut von Wace endet kurz vor dem Tod Arthurs mit der Traurigkeit der Königin, die »mult fud triste, mult fud pensive« (V. 4374) ist.6 Das Wissen um das Ende überschattet offensichtlich auch die Anfänge und rückt die Artusgattung in die Nähe endzeitlich-apokalyptischer Strömungen des unruhigen 12. Jh. In ihrer Habilitationsschrift Subjekt der Herrschaft und christliche Zeit hat Xuan Jing kürzlich in dieser Richtung argumentiert: Lancelot erscheint als Endzeitritter, Perceval verharrt in eschatologischer Lähmung.7 Die Gattung würde dann noch weiter in eine Parallele zur christlichen Heilsgeschichte zwischen Sündenfall und Apokalypse gerückt. Die von Wace geschilderten Friedensjahre des Artusreichs weisen auf das topische ›Ende der Abenteuer‹ voraus. Wahrscheinlich hat keine Literatur die Spannung zwischen hochgemutem Aufbruch einerseits und Altern und Versagen andererseits so deutlich thematisiert wie der Artusroman. Mit Donald Maddox8 kann man dies auf die Dialektik der coutume
|| 2 Anatole Pierre Fuksas, ›Ire, Peor and their somatic correlates in Chrétien’s Chevalier de la Charrette‹, in: Frank Brandsma u. a. (Hrsg.), Emotions in Medieval Arthurian Literature. Body, Mind, Voice, Cambridge 2015 (Arthurian Studies 83), 67–86, hier: 85. 3 Vgl. M. Victoria Guerin, The Fall of Kings and Princes. Structure and Destruction of Arthurian Tragedy, Stanford/CA 1995. 4 Ebd., 87. 5 James R. Simpson, Troubling Arthurian Histories. Court Culture, Performance and Scandal in Chrétien de Troyes’s Erec et Enide, Oxford u. a. 2007 (Medieval and Modern French Studies 5), 46. 6 Benutzte Ausgabe: La Geste du roi Arthur selon le Roman de Brut de Wace et l᾿Historia Regum Britanniae de Geoffroy de Monmouth, hrsg. von Emmanuèle Baumgartner und Ian Short, Paris 1993. 7 Vgl. Xuan Jing, Subjekt der Herrschaft und christliche Zeit. Die Ritterromane Chrestiens de Troyes, München 2012, 208–31. 8 Vgl. Donald Maddox, The Arthurian Romance of Chrétien de Troyes. Once and Future Fictions, Cambridge 1991 (Cambridge Studies in Medieval Literature 12).
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zurückführen und vielleicht weitergehend die Bindung an Uterpendragon und die ererbte coutume mit dem sündhaften Ursprung des Artusreiches in Verbindung bringen. Die aporetische Situation am Anfang des Erec-Romans, in dem Arthurs Treue zur Sitte der Väter die Grundfesten der Artusgesellschaft zu erschüttern droht, wäre hier anzuführen. Eine aporetische Spannung zwischen dynastischen Zwängen und subjektiver Stimmung – unabhängig von Vorgaben der Artusgesellschaft – ist auch Thema des Cligés. Nicht allein der Kaiser, heißt es hier, »pansis s’en vet, pansis remaint« (V. 4137),9 auch Fenice gibt sich ihrer Schwermut hin: Mes Fenice est sor toz pansive; Ele ne trueve fons ne rive El panser dom ele est emplie, Tout i entant et monteplie. (V. 4281–84) Aber Fenice ist gedankenschwerer als alle; sie findet weder Grund noch Ufer für die melancholischen Gedanken, die sie erfüllen und die immer mehr Platz in ihr einnehmen.
Umso problematischer erscheint in einer solchen Perspektive das utopische Projekt des Artusrittertums, das Erich Köhler mit dem Gegensatz von ›Ideal und Wirklichkeit‹ umschrieben hat.10 Melancholie würde so nicht nur aus der dem Artusroman zugrunde liegenden Krise der Feudalität, sondern auch aus dem postulierten, aber nicht einholbaren Ideal resultieren, welches wiederum eine Parallele zum religiösen Denken nahelegt. In dem Kapitel »Yvain und das Ende der Abenteuerzeit« hat Xuan Jing auch auf die Theorie des Romans von Georg Lukács und dessen Formel der ›Melancholie des Erwachsenseins‹ Bezug genommen.11 Vielleicht könnte man weitergehend die Gattung des Artusromans als eine mittelalterliche Form des Erwachsenwerdens und des Erwachens aus illusionärer Gebundenheit begreifen. So beginnt schon der Yvain-Roman mit dem auch von Xuan Jing zitierten Bericht Calogrenants über ein Versagen, das bedrohlich auch hinter dem problematischen Werdegang Yvains stehen wird. Und noch schlimmer: Nach siebenjähriger errance findet Calogrenant einen Artushof vor, der selbst alle Anzeichen der Dekadenz trägt und längst von der ›Wirklichkeit‹ des höfischen Lebens eingeholt worden ist. Wie im Lancelot und im Perceval muss der Retter in-
|| 9 Benutzte Ausgabe: Chrétien de Troyes, Cligés, hrsg. von Stewart Gregory und Claude Luttrell, Cambridge 1993 (Arthurian Studies 28). 10 Vgl. Erich Köhler, Ideal und Wirklichkeit in der höfischen Epik. Studien zur Form der frühen Artus- und Graldichtung, Vorwort von Henning Krauß, 2. ergänzte Aufl., Tübingen 1970 (Beihefte zur ZrP 97). 11 Vgl. Jing (wie Anm. 7), 119–68.
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zwischen von außen kommen, um die Lähmung des Artushofes zu überwinden. Das Märchenmotiv des Lachens der pucele, die sechs Jahre nicht gelacht hat,12 bestätigt mit dem Eintritt Percevals in die ritterliche Welt zugleich die Wahrheit des verdrängten Ideals. Paradigmatisch steht hierfür die Melancholiepose Arthurs, dessen Sprachlosigkeit im Zeichen des penser bekanntlich viermal betont wird: »Et li rois Artus, s’est assis / au chief d’une table pensis« (V. 907f.); alle sprechen miteinander »fors lui qui fu pensis et muz« (V. 910); und wenig später heißt es: »Li rois pensa et ne dist mot« (V. 924) bzw. »Li rois fort pense et mot ne sone« (V. 926).13 Handlungslähmung und Gedankenlähmung des nicht mehr ansprechbaren Herrschers verweisen auf den Verlust des einstigen ›Ideals‹. Und dass die Erweckungs- und Erlösungsaufgabe Percevals am Ende des fragmentarischen Conte du Graal zum Teil gescheitert ist, scheint die Tatsache zu belegen, dass der König, der seinen Neffen Gauvain verloren zu haben glaubt, am Ende erneut als »mornes et pensis« (V. 9220) geschildert wird. Offensichtlich ist die Melancholie der Artusdichtung insofern eingeschrieben, als die von Köhler postulierte Spannung zwischen Ideal und Wirklichkeit nicht einholbar ist. Wenn Artusrittertum und fin’amors sich überdies wechselseitig bedingen, dann wird auch deutlich, warum sich Thomas am Ende seines Tristan direkt »as pensis et as amerus« (Sneyd2, V. 822)14 wendet. Erinnert sei daran, dass die Folie de Berne einer der frühesten französischen Texte ist, in denen neben dem penser-Begriff auch der gelehrte Begriff melancolie auftaucht.15 Die am stärksten von ›hohem Mut‹ geprägte Gattung des Mittelalters steht so in paradoxer Weise im Zeichen der Vergeblichkeit; Handlungsreichtum schlägt um in Nachdenklichkeit und Melancholie.
|| 12 Vgl. dazu auch Thomas Ollig, ›Das wiedergefundene Lachen in Chrétiens Conte du Graal‹, Literaturwissenschaftliches Jahrbuch 57 (2016), 37–60. 13 Benutzte Ausgabe: Chrétien de Troyes, Le Roman de Perceval ou Le Conte de Graal, nach der Hs. Ms Fr. 12576 der Bibliothèque Nationale hrsg. von William Roach, 2., durchges. und erw. Aufl., Genf, Paris 1959 (Textes littéraires français 71). 14 Benutzte Ausgabe: Thomas, Les Fragments du Roman de Tristan. Poème du XIIe siècle, hrsg. von Bartina H. Wind, Genf, Paris 1960 (Textes littéraires français 92). Vgl. auch Danielle Buschinger, ›Tristan, le héros triste. La mélancolie dans le Tristan de Gottfried von Strassbourg‹, Quaderni di Studi Indo-Mediterranei 3 (2010), 181–86. 15 Vgl. Philippe Walter, Tristan et Yseut. Le porcher et la truie, Paris 2006, 161–86.
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2 penser und Handlungshemmung Wie Marie-Luce Chênerie in ihrer großen Studie über den chevalier errant gezeigt hat, ist das Motiv der Gedankenschwere nicht selten mit dem der Einsamkeit des Helden verbunden.16 Bezeichnenderweise werden die realen Bedingungen des Rittertums zugunsten einer gattungsspezifischen Leitmotivik der errance bewusst derealisiert. Einsamkeit ist so – wohl erstmals in der Weltliteratur – konstitutiv für den Lebensweg und die Sinnsuche des Protagonisten. Anders als etwa Jean Marx, der seinerzeit im Zeichen der keltischen These die Verweltlichung des fahrenden Ritters betont hatte,17 fragt sich Marie-Luce Chênerie überdies, ob nicht auch religiöse Vorstellungen den Begriffsbereich des ritterlichen penser geprägt haben könnten.18 In den von Wace geschilderten ›goldenen‹ Friedensjahren des Artusreiches angesiedelt, ist die Einsamkeitserfahrung offensichtlich initiatischer Natur und gewöhnlich noch nicht von Endzeitängsten überschattet. Unabhängig von solchen Überlegungen begegnen wir in dem Motiv des penser freilich einem neuen Aspekt, der ebenfalls kaum mit herkömmlichen literarischen Traditionen verrechenbar scheint: der fehlenden Motivation und – verbunden damit – der Folgenlosigkeit des Motivs für die weiterführende Handlung. Es ist, als wollten die jeweiligen Verfasser einen kurzen Blick auf ein zentrales Kennzeichen des Artusrittertums werfen, ohne weiter auf Begründungen und Folgerungen einzugehen. Da sie schwach motiviert sind, sind die Momente des penser nicht eigentlich Teil der Handlung. Als ekstatische oder melancholische Augenblicke fallen sie aus der linearen Zeit der Erzählung heraus und tragen so kaum zu deren Motivationsgefüge bei. Ob glücklich oder – wie meist – nachdenklich oder unglücklich, verweigert sich das penser so dem Fortgang des Geschehens und könnte als unbewusster Ausdruck der Verweigerung, dem Ende zuzustreben, interpretiert werden. Wie ich an anderer Stelle in Bezug auf verdrängte Epizität argumentiert habe,19 verweist das einer bestimmten Person zugeschriebene penser vielleicht zugleich auf eine Malaise des Romans selbst, der durch das Medium seiner Personen über
|| e 16 Vgl. Marie-Luce Chênerie, Le Chevalier errant dans les romans arthuriens en vers des XII et e XIII siècles, Genf 1986 (Publications romanes et françaises 172), 122–25. 17 Vgl. Jean Marx, ›Quelques observations sur la formation de la notion de chevalier errant‹, Etudes celtiques 11 (1966/67), 344–50. 18 Vgl. Chênerie (wie Anm. 16), 219. 19 Vgl. Friedrich Wolfzettel, ›Zum Problem der Epizität im »postklassischen« Artusroman«, in: Martin Przybilski und Nikolaus Ruge (Hrsg.), Fiktionalität im Artusroman des 13. bis 15. Jahrhunderts. Romanistische und germanistische Perspektiven, Wiesbaden 2013 (Trierer Beiträge zu den Historischen Kulturwissenschaften 9), 29–41. Wieder im vorliegenden Band, 155–69.
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sich selbst nachdenkt und in gewisser Hinsicht seine eigene Vollendung hintertreibt. Im grübelnden Heraustreten aus der Handlung nähert sich die jeweilige Person nicht nur der eigenen nicht fassbaren Problematik, sondern zugleich auch dem Verdrängten der Artusgattung selbst, deren literarische Proliferation vielleicht mit diesem Phänomen des ›Anschreibens‹ gegen das Unnennbare zu tun hat. An die Stelle eines traditionellen, nachvollziehbaren Motivationsgefüges – wie etwa in den Chansons de geste – tritt so eine gleichsam tastende und (sich selbst) suchende Schreibweise oder écriture, die den kürzlich von Hélène Bouget untersuchten »écritures de l’énigme«20 bzw. den von Frédérique Le Nan thematisierten Begriffsfeldern des Geheimnisses und des Verbergens nahe kommt.21 Grübeln und Versagensangst liegen eng beieinander. Könnte es sein, dass der Artusroman in Vers und Prosa das erste literarische Medium ist, das diesen Zusammenhang wie beiläufig zur Sprache bringt und das literarische Projekt des arthurischen Erzählens so implizit mit einem Fragezeichen versieht? Wo sonst wäre es möglich, sich einen Helden wie den berühmten Dinadan des Tristan en prose vorzustellen,22 der auf die Frage Agravains nach dem Grund seiner Handlungshemmung antwortet: »Sire [...], je sui un chevalier errant qui chascun jour voiz aventures querant e le sens du monde; mes point n’en puisse trouver«.23 Erich Köhler hat diesen Satz leicht verkürzt an den Schluss seiner Gegenüberstellung von Epos und höfischem Roman gestellt, um den neuartigen Krisencharakter der Artusgattung deutlich zu machen.24 Ungeachtet der motivgeschichtlichen Kritik Alfred Adlers,25 der auf die Tradition des schönen Feiglings verweist, scheint sich
|| 20 Hélène Bouget, Écritures de l’énigme et fiction romanesque. Poétiques arthuriennes (XIIe– XIIIe siècles), Paris 2011 (Nouvelle Bibliothèque du Moyen Âge 104). 21 Vgl. Frédérique Le Nan, Le secret dans la littérature narrative arthurienne (1150–1250). Du lexique au motif, Paris 2002 (Nouvelle Bibliothèque du Moyen Âge 62). 22 Vgl. dazu Eugène Vinaver, ›Un chevalier errant à la recherche du sens du monde‹, in: FS Maurice Delbouille, Gembloux 1964, Bd. 2, 677–86, wieder in: dies., À la recherche d’une poétique médiévale, Paris 1970, 163–77 (zit.), sowie Jean-Charles Payen, ›Le Tristan en prose, manuel de l’amitié: Le cas Dinadan‹, in: Ernstpeter Ruhe und Richard Schwaderer (Hrsg.), Der altfranzösische Prosaroman. Funktion, Funktionswandel und Ideologie am Beispiel des Roman de Tristan en prose. Kolloquium Würzburg 1977, München 1979 (Beiträge zur romanischen Philologie des Mittelalters 12), 104–30. 23 Benutzte Ausgabe: Le roman de Tristan en prose, le roman de Palamède et la compilation de Rusticien de Pise, hrsg. von Eilert Löseth, Paris 1891, 174f. 24 Vgl. Erich Köhler, ›Quelques observations d’ordre historico-sociologique sur les rapports entre la chanson de geste et le roman courtois‹, in: Chanson de geste und höfischer Roman. Heidelberger Kolloquium (30.1.1961), Heidelberg 1963, 21–30. 25 Vgl. Alfred Adler, ›Dinadan, inquiétant ou rassurant?‹, in: FS Rita Lejeune, Gembloux 1969, Bd. 2, 935–43.
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das Artusrittertum hier zur metaphysischen Frage auszuweiten: Für Eugène Vinaver destabilisiert der fröhliche Melancholiker Dinadan eine nur scheinbar stabile Welt: »Car le monde qui l’entoure est un monde dépourvu de toute sagesse et brouillé avec la raison.«26 Durch seine Handlungsverweigerung unterläuft der arthurische Antiheld die Regeln der coutume; seine zur Schau gestellte vorgebliche Feigheit offenbart die Künstlichkeit arthurischer Aktivität. Vielleicht hat man der Tragik des Calogrenant in der einleitenden Passage des Chevalier au Lion zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, »car parole est tote perdue / s’ele n’est de cuer entandue« (V. 151f.),27 wie der Ritter auf die Fragen der Königin antwortet. Sieben Jahre war er, »seus come païsanz« (V. 174), auf Abenteuersuche gewesen und dann auf den Stierhüter und die Zauberquelle gestoßen und von dem fremden Ritter schimpflich besiegt worden: »Et je, qui mon roi ne savoie, / remés angoisseus et pansis« (V. 546f.). Sein missglücktes Abenteuer wird er noch ironisch kommentieren: »Ensi alai, ensi reving; / Au revenir por fol me ting« (V. 577f.). Das in der angedeuteten Melancholie des Helden mitschwingende Motiv des Scheiterns verweist auf eine Literaturgattung, in der unabhängig von heroischen Schablonen das Scheitern des Helden möglich erscheint. Yvain, der seinen Cousin Calogrenant rehabilitieren will, wird dieser Gefahr nur knapp entgehen. Nach der Zeit des Wahnsinns, in der er sich selbst entfremdet war, führt ihn ein melancholischer Ritt durch den Wald – »Mes sire Yvain pansis chemine / par une parfonde gaudine« (V. 1337f.) – zur Begegnung mit dem Löwen und damit zum Gelingen seines Lebensweges. Er, der zeitweilig aus dem sozialen Kontext herausgetreten war, wird sich mit Hilfe auch des Löwen und der durch diesen gewonnenen quasi mythischen Identität wieder in die Gesellschaft eingliedern. Penser und pensif bezeichnen offensichtlich eine vorübergehende Selbstvergessenheit, in der der arthurische Held auch sich selbst sucht. So hatte schon der Vater Enides dem Treiben der Ritter gedankenverloren zugeschaut: »bien resambloit qu’il fust pansis« (V. 380).28 In positiv ekstatischer Bedeutung illustriert schon die Blutstropfenepisode des Conte du Graal eine Handlungsverweigerung des Helden, dessen Selbstvergessenheit zugleich die Romanhandlung suspendiert und Handlung durch ekstatisches Sinnen ersetzt: »Si pense tant que il s’oblie« (V. 4202). Rhythmisch wird danach bis zum Ende der Szene das penser durch kurzfristiges Handeln so unterbrochen und gestört, dass man von einer bewussten Zurücknahme der Prämissen
|| 26 Vinaver (wie Anm. 22), 166. 27 Benutzte Ausgabe: Les Romans de Chrétien de Troyes 4: Le Chevalier au lion (Yvain), hrsg. von Mario Roques, Paris 1978 (Les Classiques français du Moyen Âge 89). 28 Benutzte Ausgabe: Les Romans de Chrétien de Troyes 1: Erec et Enide, hrsg. von Mario Roques, Paris 1955 (Les Classiques français du Moyen Âge 80).
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des Ritterromans sprechen könnte. Dies umso mehr, als der höfisch edle Charakter der Gedankenversunkenheit in dem anschließenden Gespräch von Gauvain ausdrücklich bestätigt wird: Certes, fait mesire Gavain, Cist pensers n’estoit pas vilains, Ainz estoit molt cortois et dols (V. 4457–59). Sicher, sagt Herr Gavain, dieses Nachsinnen war nicht unedel; es war im Gegenteil sehr höfisch und süß.
Vorweggenommen hatte Chrétien dieses ›süße‹ und handlungshemmende penser bereits in den 40 Versen, in denen die Versunkenheit Lancelots an der Schwertbrücke thematisiert wird: e ses pansers est de tel guise que lui meïsmes en oblie, ne set s’il est, ou s’il n’est mie, 29 ne ne li membre de son nom. (V. 713–16) Und sein Grübeln ist dergestalt, dass er sich selbst darüber vergisst, er weiß nicht, ob er da ist oder nicht, und er erinnert sich nicht an seinen Namen.
Weiter heißt es: »a cele seule panse tant / qu’il n’ot, ne voit, ne rien n’antant« (V. 723f.). Und wieder ist die mit dem Grübeln einhergehende Handlungsverweigerung explizit angesprochen: »n’ancor ne se remuet ne lasse / li chevaliers de son panser« (V. 736f.). Gegen Ende der Szene liest man: C’il ne l’antant ne ne l’oï, car ses pansers ne li laissa [...]. C’il panse tant qu’il ne l’ot pas. (V. 744–53) Jener achtet nicht darauf und hört es nicht, denn sein Grübeln lässt ihn nicht [...]. Er ist so in seine Gedanken versunken, dass er ihn nicht hört.
Mit dem penser schafft der Held mithin eine Aura der Unansprechbarkeit und Einsamkeit um sich, die in den Romanen nach Chrétien nicht zufällig mit dem einsamen Ritt des chevalier errant verbunden wird. Der Perceval der Première Continuation des Gerbert de Montreuil verliert sich so inmitten des Weges, der wohl nicht zufällig als eng und steil beschrieben wird: »Une estroite voie soutieve /
|| 29 Benutzte Ausgabe: Les Romans de Chrétien de Troyes 3: Le Chevalier de la Charrette, hrsg. von Mario Roques, Paris 1965 (Les Classiques français du Moyen Âge 86).
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Chevalche tote jor pensant« (V. 7532f.).30 In L’Âtre périlleux löst die freche Entführung der am Hof weilenden pucele durch einen anmaßenden Ritter schon am Anfang des Romans eine Handlungslähmung aus, die den König und Gauvain gleichermaßen betrifft: »Gauvains fu dolans et pensis« (V. 208), während Artus das eben Geschehene nicht zu deuten vermag und »de l’aventure moult pensis« (V. 301) ist.31 Schon die Blutstropfenepisode hatte den Helden gleichsam der Realität entrückt und für soziale Kontakte unansprechbar gemacht. Der märchenhafte Hintergrund der berühmten Szene unterstreicht die mystische Weltvergessenheit des Helden, die Perceval selbst im Anschluss im Gespräch mit Gauvain thematisiert: »Et je estoie si pensis / D’un penser qui molt me plaisoit« (V. 4446f.). Der Begriffsbereich des penser ist hier nicht nur überdeutlich betont: »Si pense tant que il s’oblie« (V. 4202), wie der Held selbst hervorhebt. Gauvain verweist auf die Unziemlichkeit, jemanden »de son penser« (V. 4356) aus seinem Sinnen zu reißen. Das penser, von dem es heißt: »Cist pensers n’estoit pas vilains« (V. 4458), unterstreicht auch die Distanz zwischen Perceval und dem Artushof und bildet so mehr als etwa Gauvains Melancholie im Château des Pucelles (V. 8035) eine grundsätzliche Spannung zu der Melancholie des Herrschers am Anfang und am Ende des Romanfragments. Die Einkehr in sich selbst durchbricht die äußere Handlung und stellt sie zugleich in Frage. Die Befindlichkeit tritt an die Stelle der Ereignisfolge, wie es in der Leseranrede des Tristan von Thomas deutlich wird; die mehrfach betonte Melancholie der Protagonisten (V. 458, V. 2051) soll offensichtlich in der schon zitierten Wendung »as pensis et as amerus« ein verwandtes Echo finden. Im melancholischen Verweilen sucht der arthurische Held mithin eine innere Pause, eine Ekstase im wörtlichen Sinn. Es ist ein Motiv, das offensichtlich auch unabhängig von konkreter Handlungsmotivation eingefügt werden kann, weil es gerade der Aufhebung der Handlung dient und eine eigentümliche Stimmung befördert. Ohne ersichtlichen Anhaltspunkt heißt es so im Durmart li Galois: »Li Galois se met al chemin / Tous seuls chevache mout pensant« (V. 8946f.). Oder: Un jor chevachoit mout pensis, Tos armés, la teste enclinee, Si ot erré tres la jornee 32 Tant que mïedis fu passés. (V. 10410–13)
|| 30 Benutzte Ausgabe: Gerbert de Montreuil, La Continuation de Perceval, hrsg. von Mary Rhionnan Williams, 2 Bde., Paris 1922/1925 (Les Classiques français du Moyen Âge 28/50). 31 Benutzte Ausgabe: L’Âtre périlleux. Roman de la table ronde, hrsg. von Brian Woledge, Paris 1936 (Les Classiques français du Moyen Âge 76). 32 Benutzte Ausgabe: Durmart Le Galois. Roman arthurien du treizième siècle, 2 Bde., hrsg. von Joseph Gildea, Villanova/PA 1965/66.
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Eines Tages ritt er gedankenverloren dahin, voll bewaffnet, mit gesenktem Kopf; so war er den halben Tag geritten, bis Mittag schon vorüber war.
Die melancholische Zeitlosigkeit in einer wilden irischen Landschaft bereitet hier freilich die Begegnung mit einer vom Krieg verwüsteten Erde vor – ganz als ob das zeitweilige Heraustreten aus dem Geschehen eine umso stärkere Rückbesinnung auf die Realität erforderte. Zu überlegen wäre auch, warum das topische Motiv gerade im späten Artusroman proliferiert. So wären den eher zufälligen Beispielen eine ganze Reihe von Belegen aus dem Chevalier as deus espées hinzuzufügen, der nach seinem Herausgeber Paul Vincent Rockwell das Problem der Epigonalität schon in der ersten Hälfte des 13. Jh. beleuchtet.33 In dem späten, z. T. parodistischen Roman Cristal et Clarie hat Géraldine Toniutti nicht weniger als acht Beispiele genannt und dabei betont, dass »ces moments de penser interviennent souvent pendant l’errance à cheval, parfois pendant la nuit.«34 Vielleicht haben die auffällig häufigen Belege des Begriffsbereichs des penser gerade deshalb eine besondere Bedeutung, die über die individuelle Komponente hinaus auf einen Mangel und eine Suche verweist. Als z. B. im Chevalier as deus espées der freche König Ris durch seinen Boten den Bart von König Artus fordert – das Motiv erinnert an Huon de Bordeaux –, heißt es nur: »Et li rois, si pensis / Comme il estoit, l’a regardé« (V. 208f.). Die angedeutete Parodie wird durch ›Psychologie‹ entschärft. »Nicht-Wissen, Verlust der Koordinaten«, habe ich an anderer Stelle geschrieben, »wird umgesetzt in Melancholie.«35 Als der König überlegt, wo sein Herausforderer geblieben ist, heißt es: »Ne set il pas, s’en est pensis« (V. 329). Die freudlose Welt unerwartbarer Ereignisse scheint hier freilich nicht allein die Artuswelt befallen zu haben, sondern auch bei den Herausforderern eine Rolle zu spielen: »Quant li rois ot pensé assés / De pour rien s’est pourpensés (V. 442f.). Dass auch Gauvain »chevauche mout pensis« (V. 9074), als er über eine erotische Enttäuschung »mout pensis« (V. 9074) ist und bei anderen Gelegenheiten immer wieder zur Schwermut neigt, sei nur angemerkt. Gerade der Chevalier as deus espées scheint eine Art Dialektik zwischen Schwermut und Kampfbereitschaft, Selbstbespiegelung und Handlungsintensität andeuten zu wollen, wie sie sonst in keiner literarischen Gattung des Mittelalters begegnet.
|| 33 Vgl. Paul Vincent Rockwell, ›Introduction‹, in: French Arthurian Romance III: Le Chevalier as deus espees, hrsg. und übers. von dems., Cambridge 2006 (Arthurian Archives 13), 1–30, hier: 15. 34 Géraldine Toniutti, Pour une poétique de l’implicitation. Cristal et Clarie, ou l’art de faire du neuf avec de l’ancien, Lausanne 2014 (Essais 19), 106. 35 Wolfzettel (wie Anm. 19), 33.
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3 penser als leitmotivisches narratives Element In welcher Weise der Begriffsbereich des penser über die episodische Funktion hinaus auch strukturell bedeutsam sein kann, soll abschließend an zwei Beispielen des Lancelot en prose gezeigt werden. Am Anfang und am Ende des gewaltigen Zyklus, am Ende der sogenannten enfances und am Ende der ritterlichen Laufbahn, erweist sich die Melancholie als handlungstragendes Element, das über das topisch-okkasionelle Auftreten des Wortfeldes im Versroman die übergreifende atmosphärische Verdichtung des Prosaromans bewirkt. Letzteres ist wahrscheinlich mit dem chorischen Aspekt verbunden, der den arthurischen Prosaroman zum Vorläufer des modernen Kollektivromans macht.36 Unbeschadet der Einsamkeit der Protagonisten und fahrenden Ritter schildert der Prosaroman bekanntlich ein kollektives heilsgeschichtliches Abenteuer. Der von Barbara Rosenwein ins Spiel gebrachte Begriff einer »emotional community«37 ebenso wie das von Frank Brandsma diskutierte Schlagwort der »mirror characters«,38 die gleichsam stellvertretend die Emotionen des Publikums fiktionsintern spiegeln, beziehen sich auch auf den arthurischen Prosaroman. Was dessen Neufunktionalisierung von Emotionalität betrifft, könnte man weiter an eine faszinierende, wenngleich wohl überzogene Einlassung von Jane Gilbert denken.39 Gestützt auf Sartres Esquisse d’une théorie des émotions von 1939 und dessen phänomenologische These, wonach dem emotionalen Respons auf die instrumentelle Wirklichkeit eine magische Qualität eignet, deutet sie Emotionalität im postklassischen Prosaroman als eine Form des magischen re-enchantement der entzauberten Realität. Emotionalität im Prosaroman unterscheidet sich danach funktional von topischen Emotionalitätssignalen im Versroman.
|| 36 Vgl. dazu Friedrich Wolfzettel, Michel Butor und der Kollektivroman. Von Passage de Milan zu Degrés, Heidelberg 1969 (Studia Romanica 17). 37 Vgl. Barbara Rosenwein, Emotional Communities in the Early Middle Ages, Ithaca/NY 2006. 38 Vgl. Frank Brandsma, ›Mirror Characters‹, in: Keith Busby und Christopher Kleinhenz (Hrsg.), Courtly Arts and the Art of Courtliness. Selected Papers from the Eleventh Triennial Congress of the International Courtly Literature Society, University of Wisconsin-Madison, 29 July–4 August 2004, Cambridge 2006, 275–82. 39 Vgl. Jane Gilbert, ›Being-in-the-Arthurian-World: Emotions, Effect and Magic in the Prose Lancelot, Sartre and Jay‹, in: Frank Brandsma u. a. (Hrsg.), Emotions in Medieval Arthurian Literature. Body, Mind, Voice, Cambridge 2015 (Arthurian Studies 83), 13–30.
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Halten wir hier gerade diesen letztgenannten Aspekt fest und betrachten zunächst die Galehaut-Episode am Ende des Lancelot propre,40 die um das Motiv des penser kreist bzw. dieses in Handlung umsetzt. Variierend ist die Episode auch in der von François Mosès edierten Fassung der Fausse Guenièvre41 wiedergegeben. Die Nähe zum Motiv der Liebeskrankheit ist offensichtlich. Insofern nimmt die Galehaut-Geschichte auch eine Thematik vorweg, die in der Folge v. a. durch die hoffnungslose Liebe des sarazenischen Ritters Palamedes und den Liebessuizid Kaherdins im Tristan en prose vorgestellt wird. Die Geschichte des eroberungshungrigen Fürsten der Îles Lointaines, des Sohnes der Riesin, schließt an das Erscheinen des noch unbekannten Lancelot am Hofe an und schiebt sich vor die zentrale Handlung der Charrette, ohne dass von einem erkennbaren Fortgang oder Erzählzweck die Rede sein könnte. Vielmehr suggeriert die Verschränkung der Einzelepisoden die handlungshemmende Verblendung oder Ohnmacht durch die Liebe, die den mächtigen und kriegstechnisch überlegenen Fürsten und Sohn der Riesin dazu bewegt, auf Verlangen Lancelots mit Artus Frieden zu schließen und dem geliebten und bewunderten Lancelot schließlich sogar zu seiner ersten erotischen Begegnung mit der Königin Guenièvre zu verhelfen. In der Einleitung zu La fausse Guenièvre betont Mosès zu Recht die »atmosphère différente, une sorte de tristesse religieuse«,42 die die epische Handlung in die Nähe einer Racine’schen Tragödie rücke. Flankierend geht es auch um die hoffnungslose Liebe der Dame von Malehaut für Lancelot und in gewisser Weise sicherlich zugleich um die Verhexung Artus’ durch die falsche Guenièvre. Die Dame von Malehaut, deren Name wohl nicht zufällig an den Galehauts anklingt, hält Lancelot ja gerade gefangen, als der Fürst nach seiner Herausforderung Artus’ Heer belagert. Nach einem Waffenstillstand und der erneuten Aufnahme der Kämpfe – Lancelot ist inzwischen freigekommen – versetzt Lancelot als unbekannter schwarzer Ritter Galehaut durch seine Taten in Erstaunen; er war zuvor als »pansis« (I, 808) bzw. als »cel chevalier qui la pense« (I, 810) beschrieben worden. Voll Bewunderung spricht Galehaut ihn im Kampf an, um ihm seine Gastfreundschaft anzubieten. Ohne seine Identität zu kennen, verbringt er mit ihm eine gemeinsame Nacht zusammen mit anderen Rittern und bietet ihm am folgenden Morgen seine Freundschaft an. Die von
|| 40 Benutzte Ausgabe: Lancelot du Lac. Roman français du ΧΙΙIe siècle, nach der Ausgabe von Elspeth Kennedy hrsg., übers. und komm. von François Mosès, Vorwort von Michel Zink, Paris 1991 (Le livre de poche – Lettres gothiques 4528). 41 Benutzte Ausgabe: Lancelot du Lac III: La fausse Guenièvre, hrsg. und übers. von François Mosès, Paris 1998 (Le livre de poche – Lettres gothiques 4553). 42 Lancelot du Lac (wie Anm. 40), ›Introduction‹, 7.
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Lancelot genannte Bedingung erscheint mehr als merkwürdig: Galehaut soll Artus nach seinem eigenen absehbaren Sieg um Erbarmen bitten und sich ihm bedingungslos ergeben. Das Kriegsgeschehen steht offensichtlich für das psychologische Geschehen und die Umkehr aller erwartbaren Reaktionen. Ein großer Eroberungszug wird an der Liebe zu Lancelot scheitern, die Galehaut am Ende sogar den Tod bringt. Der Kommentar des Erzählers, nachdem Lancelot seine Bedingung genannt hat, lautet: »Quant Galehoz l’antant, si est toz esbahiz et commence a penser« (I, 842). Vergeblich machen seine Leute ihm klar, dass dies nicht die Stunde des Grübelns ist: »Sire, a que pensez vos? Ci androit n’a pensers mestiers« (I, 842). Tatsächlich überholt die Wahrheit des penser die Logik der Kriegsführung, denn – wie Galehaut antwortet – selbst wenn er die ganze Welt besäße, würde er sie seinem neuen Freund schenken. Nach der Beendigung der Kämpfe mündet die Romanhandlung in das interne höfische Geschehen, in das Galehaut mehr oder weniger eingebunden bleibt – übrigens wie die Dame von Malehaut, die wie Galehaut Lancelots Liebe zu Guenièvre ertragen muss: Totes ces choses met Galehoz devant ses iauz, et si l’an toiche au cuer si grant angoisse que a force lo covint pasmer et chaoir a terre si durement comme cil que n’avoit pooir ne de son cors ne de son cuer (II, 584) Alle diese Dinge führt sich Galehot vor Augen und empfindet darüber so große Angst, dass er ohnmächtig zu Boden sinkt wie jemand, der über Körper und Geist die Macht verloren hat.
Die ursprünglich epische Handlung ist zum Stillstand gekommen, und dieser Stillstand spiegelt sich im penser beider Helden. Die Paarbeziehung von Lancelot und Galehaut löst sich erst durch den Tod des Letzteren auf, um den Weg Lancelots für neue Abenteuer zu öffnen. Noch kann sich Galehaut ein Leben ohne Lancelot nicht vorstellen: »Ne ja ne m’aïst Dex, se je savoie vivre sanz lui« (II, 580). Aber die angedeutete Liebeskette – Galehaut liebt Lancelot, Lancelot liebt Guenièvre – lässt keine Zweifel an der Hierarchie der Beziehungen. Lancelot sagt das deutlich an einer Stelle, als Galehaut von der notwendigen Abreise in sein Land spricht: »Mais se ma dame me commande que je remaigne, il covandra que il soit, car escondire ne l’an oseroie« (I, 586). Als Lancelot dann doch den Freund zu den Îles Lointaines begleitet, erleben die Freunde das wundersame Ereignis der bröckelnden und zusammenbrechenden Mauern der Burg L’Orgueilleuse Garde; das Ereignis steht für den Zusammenbruch eines Projekts, das quer zu den Hauptereignissen gestanden hatte. Die Kreisbewegung des penser spiegelt sich in der Tatsache, dass eben die Wiederholung des gemeinsamen Nachtlagers in einen Traum Galehauts mündet, der dessen Tod durch Lancelot weissagt. Wenig später wird Galehaut dann auch bei der trügerischen Nachricht von Lancelots Tod sterben: »Issi fu Galehoz morz por
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Lancelot, issi com li clercs lo distrent qui li expelerent son sonje si com li contez l’a autre foiz devisé« (I, 682). Die Erzählung hört hier mit dem Thema auf, heißt es lakonisch am Ende des Buches. Lancelot bleibt voller Angst und Schmerz am Artushof, und eigentlich deutet alles darauf hin, dass ein trauriges, aber auch störendes Kapitel überwunden ist. Der Roman selbst hat ›geträumt‹ und den Fortgang der zentralen Ereignisse für eine Zeitlang angehalten, eine Epoche des penser, nach der alles weitergeht, bevor die endgültige Katastrophe und Handlungslähmung des Artusreiches einsetzt. In gewisser Weise deutet die Galehaut-Episode, mit der die enfances Lancelots abgeschlossen sind, die Identität des unbekannten Ritters geklärt und die sexuelle Initiation gelungen ist, das Ende Lancelots in La Mort le roi Artu schon an; nicht zufällig wird hier daran erinnert.43 Die tragischen Umstände des Liebestodes der pucele von Escalot zeichnen sich durch die gleiche Liebeskette aus wie diejenigen, die den Tod Galehauts begleiten: Die pucele liebt Lancelot, der jedoch weiter nur Guenièvre liebt; sie liebt Artus nicht, so wie die pucele den galanten Gauvain nicht lieben kann. Vor dem Ausbruch der kriegerischen Ereignisse und dem Verrat Mordreds dreht sich ein Großteil der Handlung um die psychologischen Verwicklungen, die Enttäuschung des Artus über die endlich entdeckte Untreue seiner Frau und die ihm zugefügte Schande, über Zwiste und ungewollte Verletzungen, welche den tragischen Untergang des Artusreiches insgeheim ankündigen. Da ist der Kampf zwischen Bohort und Lancelot, der seinen Gegner nicht kennt, aber schwer verwundet wird; da ist die versehentliche erneute Verwundung Lancelots bei einer Rast im Wald, als die Wunde gerade geheilt ist; da ist der versehentliche Giftmord an Gaheriz de Karaheu im Angesicht der Königin, die prompt der Tat beschuldigt wird; da ist der Tod Gaheriets, des Bruders von Gauvain, durch Lancelot und der bruderkampfähnliche Zwist zwischen Lancelot und Gauvain »por amor de Gaheriet« (Kap. 96); da ist der Tod der pucele, auf deren Grabstein Lancelot der Niedertracht beschuldigt wird (Kap. 71); da erscheint Agravains berechtigte Anklage Guenièvres bei Artus als Lüge, während die lügenhafte Rechtfertigung Lancelots wenig später als Wahrheit verstanden wird. Dem bei Wace beschriebenen epischen Geschehen wird so ein verwirrendes Geflecht von Täuschungen, Lügen, Versehen, Hoffnungen und Feindschaften vorgeschaltet; die Erholung des Artushofes nach der misslungenen quête du Graal und der Rückkehr von Bohort aus Jerusalem, nachdem Galaad mit dem Gral entrückt worden war, erweist sich als täuschendes retardierendes Moment, das die Einsicht in
|| 43 Benutzte Ausgabe: La Mort le Roi Artu. Roman du XIIIe siècle, hrsg. von Jean Frappier, Genf, Paris 1964 (Textes littéraires français 58), Kap. 119.
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das geweissagte Ende aller Abenteuer und den Anbruch einer Phase des languir und der mesaise (Kap. 41) nicht verhindern kann. Der Begriffsbereich des Schmerzes und der Bedrückung (duel, dolent, peser) durchzieht die nicht enden wollende Vorgeschichte des Untergangs, die von sinnloser Betriebsamkeit und melancholischer Handlungslähmung erfüllt ist und deren gewolltes Durcheinander von jeder epischen Stilisierung Abschied genommen hat. In ihrer Arbeit über das Todesmotiv in La Mort Artu spricht Virginie Greene aus psychoanalytischer Perspektive von einer manischen Trauer, die Artus, Gauvain und Lancelot gleichermaßen erfasst hat. In der ironischen Trinität von Vater (Artus), Sohn (Gauvain) und Heiligem Geist (Lancelot) bezeichnet der Letztgenannte nach Greene »le premier névrosé de l’histoire culturelle occidentale«.44 Hilflose Nachdenklichkeit und Grübelei werden jetzt zum Ausweis einer Endzeitstimmung, die fast alle Personen des Dramas erfasst hat. Artus selbst wird zum Inbegriff des getäuschten und gekränkten Herrschers, der »se coucha en un lit touz pensis quant il ot assez pensé« (Kap. 86). Im Freskensaal seiner Schwester Morgaine endlich über die Liebe zwischen Lancelot und Guenièvre aufgeklärt, verbringt er die Nacht mit Grübeln – »Assez pensa cele nuit a cele chose« (Kap. 50) und »en cele pensee demora« (ebd.), bis er einschläft. Tief in Gedanken – »trespansez« (Kap. 52) – studiert er tags darauf Lancelots Illustrationen längst vergangener Ereignisse um Galehaut und die Königin: »Moult regarda li rois l’ouvraigne de la chambre e i pensa moult durement« (Kap. 53). Gauvain verbringt im Nachdenken an das Fräulein von Escalot eine schlaflose Nacht (Kap. 29: »car assez pensa a la damoisele«), während der Liebesschmerz das Mädchen bedrückt (Kap. 38: »pesa moult«, »poise moult«, »langor«) und zum Tode führt. Über Lancelots Traurigkeit werden sich alle wundern, »car il ne l’avoient pas apris a veoir si triste« (Kap. 57). Aber als der Nachen mit dem Leichnam des Mädchens naht, reagiert auch der König selbst »moult pensis et maz« (Kap. 69). Es sind fast exakt dieselben Worte wie in der späteren Aussprache mit Lancelot, den Artus »moult maz et moult pensis« (Kap. 119) empfängt. Guenièvre, durch Bohort über die angebliche Liebe Lancelots zu der pucele und seine Untreue informiert, reagiert »tant dolente et tant courroucie comme nule plus« (Kap. 36); in ihrer melancholischen Stimmung – »toute pensive« (Kap. 36) war sie am Fenster gestanden – hatte sie die Nachricht sofort geglaubt und war »tant a malese comme nule plus« (ebd.). Indessen kann Artus die Wahrheit über seine Frau noch immer nicht ertragen, und als Agravain, der ihn von Anfang an gewarnt hatte, ihn erneut aufzuklären versucht, verfällt er in tiefe Melancholie: »Lors commence a penser et ne dit mot d’une grant piece« (Kap. 86). Als Mordred insistiert, heißt es: || 44 Virginie Greene, Le sujet et la mort dans La Mort le Roi Artu, Saint Genough 2002, 385.
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»De ceste chose est li rois pensis et dolenz et tant a malese qu’il ne set qu’il doie fere« (Kap. 86). Weiter ist die Rede von Artus »plus pensis qu’il ne selt« (Kap. 87). Ein Universum, das für die höfische Freude gemacht schien und dessen Symbol die Joyeuse Garde ist, wird immer tiefer in Misstrauen, Angst und Trauer gestürzt. Ähnlich wie die wiederholte Verwundung Lancelots am Anfang und am Ende des Buches ist die Belagerung der Joyeuse Garde sichtbarer Ausdruck des bevorstehenden Zusammenbruchs der arthurischen Weltordnung. Als Lancelot sein Friedensangebot abgelehnt sieht, hat er einen Anfall tiefer Melancholie, der hier durch das Stilmittel der mehrfachen Variation des Begriffsbereichs von penser unterstrichen wird: Lors s’en entre en une chambre et comença a penser trop durement; et en cel penser sospiroit moult parfondement, si que les lermes li venoient as iex et contreval la face li coroient, et quant il ot grant piece esté en tel manière, il avint que madame la roïne sorvint iluec et le trova si pensif qu’ele fut grant piece devant lui, ainsi qu’il la veïst; et quant ele vit qu’il pensoit si durement ele l’aresna et li demanda por coi il fesoit si mate chiere; et il dist que il pensoit trop durement a ce qu’il ne pooit trover pes ne merci envers le roi Artu. (Kap. 111) Darauf ging er in ein Zimmer und verfiel in tiefes Grübeln; und dabei seufzte er immer wieder tief auf, bis ihm die Tränen aus den Augen traten und über das Gesicht liefen; und nachdem er lange Zeit so verblieben war, überraschte ihn die Frau Königin da und fand ihn so in Gedanken verloren, dass sie lange vor ihm stand, bevor er sie sah; und als sie sah, dass er so tief in Gedanken war, sprach sie ihn an und fragte ihn, warum er so bedrückt aussah, und er sagte, er sei so niedergeschlagen, weil er bei König Artus weder Frieden noch Gnade finden könne.
Als Lancelot am Ende im Kloster die Geliebte ein letztes Mal sieht, ist nicht von Verzweiflung die Rede, sondern nur von einem besiegten Helden, der weinend Abschied nimmt und »tout pensant et dolosant« (Appendice, 266) durch die Berge reitet, um eine Einsiedelei zu finden. Der Satz »il chevaucha une eure avant, et une autre arriers« (ebd.) steht für die Orientierungslosigkeit des Helden, aber auch für die Gedankenbewegung des penser, des Grübelns, mit der der Austritt des Artusreiches aus der Geschichte und der Abstieg des epischen Geschehens zum psychologischen Drama als zukunftsloses Auf-der-Stelle-Treten gekennzeichnet ist. Die zum Grübeln einladende Einsamkeit des fahrenden Ritters mit seiner Offenheit für das jeweils Neue ist zur statischen Gedankenschwere verkommen.
Der Artusheld als Opfer oder Begünstigter des Wunderbaren im nachklassischen Artusroman Abstract: Recent research has pointed to the growing increase of wonder, magic and enchantment in post-Chrétien Arthurian romance. The initial mission of the Arthurian knight appointed to fight against the demonic and magic forces on the outskirts of king Arthur’s realm is thus obviously doomed to failure. In search of an answer to the reasons of this negative stance, this article would like to propose to interpret the examples of magic as metonymic variants of all the forces opposed to knightly existence. The article cites a series of romances from Le Bel Inconnu to Les Merveilles de Rigomer in order to show the growing loss of liberty of the Arthurian knight. The examples culminate in the Byzantine romance Floriant et Florete in which the hero and actually the whole story are dominated by the fay Morgane, the enchantress of Mount Gibel. The evolution of the genre thus ends up in the apotheosis of what was initially fought against.
1 Der Artusritter und das Wunderbare Das plakative Bild des einsamen Ritters im magischen Wald umschreibt recht genau die Rolle des Artushelden, dessen Aufgabe es ist, die Magie an den Rändern des utopischen Artusreiches zurückzudrängen. Vielleicht hat eine in die Reste keltischer Folklore und Mythologie verliebte Forschung diesem eigentlich aufklärerischen Auftrag zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, vielleicht ist auch die Gattung selbst ein Opfer dieser mythischen Faszination geblieben, obwohl die Gültigkeit des Kampfes gegen die sogenannten sortilèges nirgendwo in Frage gestellt wird. Jedenfalls wäre in der Gattungsentwicklung die sukzessive Zurückdrängung des Magischen und Wunderbaren und damit die Behauptung des Chrétien’schen Modells zu erwarten gewesen, das in geistesgeschichtlicher Perspektive mit dem Aufkommen des sogenannten ›Aristotelischen Zeitalters‹ und der Stadtkultur in Verbindung zu bringen wäre. Umso erstaunlicher ist daher seit den Forschungen von Walter Haug,1 dass dies nicht der Fall war und dass der Zunahme und Steigerung des Wunderbaren eine offensichtlich wachsende Ohnmacht des Artusrit-
|| 1 Vgl. Walter Haug, Literaturtheorie im deutschen Mittelalter. Von den Anfängen bis zum Ende des 13. Jahrhunderts, Darmstadt 1985. https://doi.org/10.1515/9783110694567-014
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ters entspricht. Nach Haug konstatiert man im nachklassischen Artusroman eine stetige Zunahme des Wunderbaren gleich welcher Provenienz, welche die drohende Funktionslosigkeit des arthurischen Helden andeutet. Auf der Suche nach den Gründen wird man kaum oder nicht in erster Linie auf typologische Ansätze wie die großartige Synthese von Francis Dubost2 oder die jüngst von Jutta Eming postulierte und seit der Antike bezeugte rhetorische Tendenz des Wunderbaren zur Übersteigerung der eigenen Vorgaben3 setzen können, sondern eher im Sinne von Wolfgang Achnitz von einer funktionsgeschichtlichen Problematik ausgehen.4 Die Zunahme des Wunderbaren weil Unverständlichen und Unheimlichen wäre dann als Indiz für eine zunehmende Dysfunktionalität des Artusritters in einer zunehmend unverstandenen Wirklichkeit zu interpretieren, die mit dem genannten Erlösungsmodell in immer stärkeren Maße unvereinbar erscheint. Die mythische und magische Funktion des Wunderbaren bliebe zwar erhalten, erschiene aber zugleich als Kürzel für die Lockungen und Bedrohungen der Moderne, die nur in dieser regressiven Form Teil der um die ritterliche Existenz kreisenden Romanhandlung sein können. Wenn, wie Haug ausführt, »in einer zunehmend phantastischer werdenden Szenerie [...] die Dinge ihre feste Form«5 verlieren, bleibt die Frage, welche Folgen dies für die ursprüngliche Suche der Gattung nach einer utopisch geläuterten Wirklichkeit hat – und welche Folgen für die Identitätssuche des jungen Helden. Es sei hier daran erinnert, dass Rainer Warning in seinem Beitrag zur Festschrift für Jan-Dirk Müller ausgehend von Gilles Deleuze eben dieses Stichwort des Suchens in den Mittelpunkt gestellt hat.6 Warning spricht von der »Kraft des Suchens« und der gattungstypischen »Wiederholung, die sich in der Differenz konstituiert«,7 und begreift den nachklassischen Artusroman als einen Roman des Begehrens und der Suche – man könnte ergänzen: der Suche nach
|| 2 Vgl. Francis Dubost, Aspects fantastiques de la littérature narrative médiévale (XIIe–XIIIe siècles). L’autre, l’ailleurs, l’autrefois, 2 Bde., Paris 1991 (Nouvelle Bibliothèque du Moyen Âge 15). Vgl dazu auch Friedrich Wolfzettel, ›Das Problem des Phantastischen im Mittelalter. Überlegungen zu Francis Dubost‹, in: ders. (Hrsg.), Das Wunderbare in der arthurischen Literatur. Probleme und Perspektiven, Tübingen 2003 [SIA 5], 3–21. 3 Vgl. Jutta Eming, ›Wunder über Wunder. Immanente Überbietung im mittelhochdeutschen Roman‹, in: Cora Dietl u. a. (Hrsg.), Jenseits der Epigonalität. Selbst- und Fremdbewertungen im Artusroman und in der Artusforschung, Berlin, Boston 2020 (SIA 15), 225–43. 4 Vgl. Wolfgang Achnitz, Deutschsprachige Artusdichtung des Mittelalters. Eine Einführung, Berlin, Boston 2012, 327. 5 Haug (wie Anm. 1), 255. 6 Vgl. Rainer Warning, ›Fiktion und Transgression‹, in: Ursula Peters und Rainer Warning (Hrsg.), Fiktion und Fiktionalität in den Literaturen des Mittelalters. FS Jan-Dirk Müller, München 2009, 31–55. 7 Beide Zitate ebd., 55.
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Identität in einer nicht mehr unmittelbar gegebenen Wirklichkeit, in der die ursprüngliche Aufgabe des Kampfes gegen das Wunderbare längst einer neuen Rolle des Helden zu weichen im Begriff ist. Ob Opfer oder Günstling des Wunderbaren, der Held erfährt offensichtlich die Unumgänglichkeit einer zum Mythos gewordenen Vorsehung. Eine zumindest partielle Plausibilität der Haug’schen Thesen auch im romanistischen Bereich sollen in der Folge vier historisch gestaffelte Beispiele nahelegen: Le Bel Inconnu von Renaut de Beaujeu und Méraugis de Portlesguez von Raoul de Houdenc, jeweils an der Schwelle zum 13. Jh. und noch mit deutlichem Bezug auf das – ironisierte – Vorbild von Chrétien, sowie die beiden anonymen Werke L’Âtre perilleux und Les Merveilles de Rigomer, beide um die Mitte des 13. Jh. und von Chrétien deutlich entfernt. Der Steigerung entspricht hier zugleich die Neufunktionalisierung des Wunderbaren, dessen wachsende imaginäre Bestandteile die wachsende Problematik der ritterlichen Existenz und deren zunehmenden Realitätsverlust indizieren. Die Aussagekraft unserer Beispiele bleibt auch dann erhalten, wenn man mit Beate Schmolke-Hasselmann einem Großteil der nachChrétien’schen Romane eine strukturelle Konformität mit dem großen Vorbild attestieren will.8 Den Abschluss sollen Überlegungen zur Eingebundenheit des Artusritters in die mythische Vorwelt in Floriant und Florete bilden.
2 Le Bel Inconnu In struktureller Hinsicht, aber auch in Bezug auf die identitäre Thematik und die damit verbundene Rolle des Wunderbaren, stellt der um 1200 entstandene und noch deutlich mit ironischer Spitze gegen Chrétien gerichtete Roman von Renaut de Beaujeu9 einen bislang von der Forschung noch immer zu wenig beachteten Wende- und Angelpunkt dar. Die bewusst beibehaltene Struktur des doppelten Kursus subvertiert insofern das klassische Vorbild, als der Held mit der Erlösung der Drachenfee La Blonde Esmeree und der Regeneration ihres waste land bereits seine soziale Integration und Bewährung vollzogen hat und mit dem dem Yvain entlehnten Motiv der Bitte um Urlaub von der Verlobten nicht auf ritterliche Bewährung aus ist, sondern zur Stätte seiner ersten Liebe, der Isle d’Or der Fee as Blanches Mains zurückkehrt. Die Haupthandlung bis V. 3660 umfasst wohl ge|| 8 Vgl. Beate Schmolke-Hasselmann, Der arthurische Versroman von Chrestien bis Froissart. Zur Geschichte einer Gattung, Tübingen 1980 (Beihefte zur ZrP 177). 9 Benutzte Ausgabe: Renaut de Beaujeu, Le Bel Inconnu, hrsg. von G. Perrie Williams, Paris 1929 (Les Classiques français du Moyen Âge 38).
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merkt kaum mehr als die Hälfte des Textes, der gewissermaßen eigene Wege geht. Da sich der junge Held in der Folge als Sohn einer Fee erweisen wird, spricht Georges Duby wohl zu Recht von einem »substitut de la mère lointaine«,10 deren gesellschaftlich abgewandtes, wunderbares Korrelat die märchenhafte Zauberinsel der geliebten Fee ist. Von einem Kampf gegen das Wunderbare kann in diesem Kontext keine Rede sein. Die Bewährungshandlung im konventionellen ersten Teil, der im Übrigen der Feenliebe breiten Raum gegeben hatte, wird so zurückgenommen und das von Philippe Walter merkwürdigerweise als Botschaft des Romans akzeptierte konformistische Ende am Artushof (mit Ehe und Landerwerb)11 wird vom Erzähler selbst ironisch in Frage gestellt: Mais por un biau sanblant mostrer Vos feroit Guinglain retrover S’amie, que il a perdue, Qu’entre ses bras le tenroit nue. (V. 6255–58) Aber um fröhlich dreinzuschauen, müsste er [der Autor] zeigen, wie Guinglain seine Freundin wiederfindet, die er verloren hat, und dass er sie nackt in seinen Armen hielte.
Der Chrétien’sche Entwurf zerbricht an der Übermacht des Wunderbaren. Wie ernst der Autor seine Infragestellung des klassischen Artusromans meint, zeigt wohl der exzessive ›Aufmarsch‹ berühmter arthurischer Persönlichkeiten am Anfang und am Ende des Romans. Der Beinahe-Sieg des Wunderbaren über die eigentlich erwartete arthurische Wirklichkeit wird auch dadurch dokumentiert, dass der Held seinen wahren Namen Guinglain in der Mitte des Romans von der geliebten Fee erfährt; Identität und Wunderbares bleiben untrennbar miteinander verwoben, auch wenn es sich noch um ein höfisch und ästhetisch aufgewertetes merveilleux handelt. Nicht der Kampf gegen die Magie – die Fee as Blanches Mains deklariert sich ja selbst als Zauberin – bildet das Grundmuster, sondern die Vertreibung des regressiven Helden aus dem ›mütterlichen‹ Paradies: »Si ert Guinglains en tel esmai / Que ja mais n’avera s’amie« (V. 6260f.), so lauten denn auch die abschließenden nostalgischen Verse.
|| 10 Georges Duby, Le Chevalier, la Femme et le Prêtre. Le marriage dans la France féodale, Paris 1981, 237. 11 Philippe Walter, Le bel inconnu de Renaut de Beaujeu. Rite, mythe et roman, Paris 1996, interpretiert den Roman als »conquête de la souveraineté« (267–94) und begreift die eigentliche Geliebte als Königin der Nacht (130), die der Sonnenheld besiegt. Auinglain erscheint hier als Überwinder mythischer »coutumes« (101–03).
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3 Méraugis de Portlesguez Anders als Renaut de Beaujeu versucht sich Raoul de Houdenc,12 dessen Rivalität mit Chrétien gerade die neuere Forschung betont hat,13 erst gar nicht in einer dialektischen Zweiteilung von individueller und sozialer Integration, um das coming of age seines Jungritters Meraugis zu beschreiben, und anders als Renaut begnügt er sich mit einer nicht weiter kommentierten Andeutung des Wunderbaren, das als Störung und Unterbrechung der linearen Handlung, nicht als fatale Abweichung begriffen wird. Meraugis, der als Bewerber um die Gunst der Königstochter Lidoine im Winter (!) an den Artushof gekommen war und fortan zum Rivalen seines ebenfalls in Lidoine verliebten Freundes Gorvain wird, besteht hier eine Reihe von fast ironisch zusammengekleisterten Abenteuern, die in den abschließenden Zweikampf mit Gorvain, die Versöhnung mit dem Freund und das glückliche Ende münden, ohne dass man von einer entscheidenden Handlungslinie oder Entwicklung sprechen möchte. In dem Inselabenteuer mit Gauvain möchte man fast von parodistischen Zügen sprechen. Entscheidend scheint allein eine zufällige Begegnung mit dem Wunderbaren, das den Helden zeitweise um den Verstand bringt. Eben noch auf der Suche nach dem anmaßenden Outredotez, den er für seine Frevel bestrafen und besiegen will, mithin in einer typisch arthurischen Konstellation, erblickt er den Genannten an einem Wintertag mitten in dem frühlingshaften Mädchenreigen eines nicht endenden Tanzes. Alsbald nimmt er den Platz des Gegners ein, der sich ungeachtet der an ihn gerichteten Herausforderung aus dem Reigen gelöst hat, und kommt erst Wochen später mitten im Frühling wieder zu sich, um sich verwirrt nach dem Vorgefallenen zu fragen. Nicht der Kampf gegen das Magische und Wunderbare, sondern der sofortige Verlust der eigenen Identität in der Begegnung mit einem Rätsel, das auch anschließend nicht gelöst wird, steht im Zentrum des Romans, der nach seinem eigentlichen Ziel zu fragen scheint.14 Bei Chrétien diente das Wunderbare als selbstverständlicher Teil der Handlung – ob Zauberbrunnen oder Zaubergarten – dem Helden dazu, sich zu bewäh-
|| 12 Benutzte Ausgabe: Meraugis von Portlesguez. Altfranzösischer Abenteuerroman von Raoul de Houdenc, zum ersten Mal nach allen Handschriften hrsg. von Mathias Friedwagner, Halle a. d. S. 1897 (Raoul von Houdenc, Sämtliche Werke 1). 13 Vgl. Sébastien Douchet, ›Introduction‹, in: ders. (Hrsg.), Raoul de Houdenc et les routes noveles de la fiction, 1200–1235, Aix-en-Provence 2018 (Sénéfiance 66), 5–19. 14 Ähnliches gilt für die Übernahme des Motivs im Lancelot en prose, wo Meraugis ausdrücklich erwähnt wird. Vgl. dazu Friedrich Wolfzettel, ›La Carole magique ou le triomphe de l’esthétique. D’un maléfice arthurien à une épiphanie esthétique moderne‹, im vorliegenden Band, 257–67.
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ren. Von einer solchen Bewährung kann hier keine Rede sein. Meraugis wird umstandslos zum Opfer eines Zaubers, dem er fraglos erliegt, der aber zugleich für das weitere Geschehen folgenlos bleibt. Das Wunderbare verliert damit seine kathartische Funktion und wird zu einem rätselhaften Anderen, dem der Held verständnislos gegenübersteht. Von einer Erlösung kann man auch insofern nicht sprechen, als das magische Geschehen ja nach dem Ausscheiden des Helden weitergeht und dergestalt nicht nur die Autonomie des Wunderbaren bezeugt, die sich dem Zugriff des arthurischen Erlösungshelden entzieht, sondern zugleich auch die Belanglosigkeit des Wunderbaren für das arthurische Geschehen. Auch die Isle d’Or des Bel Inconnu war ja autonom, war aber doch in das Geschehen integriert. Das heißt, der Artusritter reibt sich sozusagen an einem Wunderbaren jenseits der eigenen Verfügung und gesteht sich am Ende seine eigene Fremdheit ein. Die autonome Gegenwelt des Mythischen ist eigentlich keine Gegenwelt mehr, weil sie längst jeden Bezug zur arthurischen Wirklichkeit als geschönter ritterlicher Wirklichkeit verloren hat. Ja mehr noch, der ursprüngliche Antagonismus ist einer latenten oder offenen Faszination gewichen, welche die ursprüngliche aufklärerische Funktion des Artusromans ad absurdum führt. Die Episode des magischen Tanzes ist dem Modell der folie nachempfunden, durch die sich der Ritter selbst verliert. Aber die magische Verzauberung hat nicht dieselben Folgen wie die der Reue geschuldete Verzweiflung. Der von seinem Wahnsinn geheilte Held sucht sich selbst, um sich auf einer höheren Ebene wiederzufinden; der aus einem zauberischen Wahn entlassene Held bedarf keiner neuen Bewusstheit. Der Artusroman schildert auf diese Weise getrennte Bereiche, eine banal gewordene arthurische Welt und eine ungreifbare Welt des Wunderbaren, die sich dem arthurischen Zugriff entzieht und aus dieser Sicht nurmehr als Störung erscheint.
4 L’Âtre périlleux Welche Rolle die Identitätsproblematik nach Chrétien spielt, zeigt L’Âtre périlleux, dessen eigentliches Thema die Suche des Helden Gauvain nach seinem verlorenen Namen ist. Das Nichtwissen um die eigene Identität betont ähnlich wie die Unerkennbarkeit des merveilleux die letztlich passive Opferrolle des Helden, der in einem enumerativen Schema der voraussetzungslos aneinandergereihten Abenteuer immer wieder eine identische schützende und helfende Funktion hat. Der Namensverlust erscheint als nicht durchschaubarer Fluch, der die soziale Hilflosigkeit des im ritterlich arthurischen Sinn paradox überlegenen Helden erweist. Nicht nur das Chrétien’sche Schema der ineinandergreifenden Integrati-
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onsstufen des Protagonisten verliert damit jeden Sinn, auch der Typus des Helden ist in der zirkelhaften Reihung zufälliger Abenteuer nicht mehr mit Chrétien vergleichbar. Entscheidend scheint gleich am Anfang der nächtliche Kampf Gauvains mit dem Dämon des verzauberten Friedhofs. Er legitimiert den Helden und zeigt zugleich ein merkwürdiges Missverhältnis zwischen der gesteigerten Extravaganz des geschilderten merveilleux und seinen unheimlichen Komponenten, die mit den eigentlich erwarteten mythischen sortilèges nichts zu tun haben. Der anfängliche Höhepunkt bleibt denn auch folgenlos und mündet lediglich in die Episodenreihe um zu schützende und zu rettende Jungfrauen. Der Held wird zur stehenden Figur, »le Bon Chevalier, / Et cil qui tox jors seut aidier / As damoiseles au besoig« (V. 1411–13).15 Am Ende der acht großen Abenteuer knüpft dann der Roman in charakteristischer Weise wieder an die Ausgangssituation des arthurischen Fests an. Der Artusroman erscheint so als bloße Erzählrunde des Außergewöhnlichen, als Zeugnis einer sich selbst fremd gewordenen ritterlichen Existenz, die sich zunächst der Dämonie des Wunderbaren bedient, ohne dass letztere eine Bedeutung für das weitere Geschehen hätte. Vom arthurischen Geschichtenerzählen handeln denn auch die letzten Verse des Romans: Car li Aitres Perilleus faut Des que Gavains a tuat erré Qu’il est a cort a sauveté, Si fine ichi nostre romans. (V. 6670–73) Denn der Âtre Périlleus endet, nachdem Gauvain so lange herumgeirrt ist, bis er am Hof in Sicherheit ist, und so endet hier unser Roman.
5 Les Merveilles de Rigomer Das vierte Beispiel, Les Merveilles de Rigomer,16 berühmt für die Fülle folkloristischer Details, führt an den Rand der Selbstaufgabe des arthurischen Helden und des arthurischen Romans als Gattung. In einer nicht mehr durchschaubaren Welt erweist sich der Artusritter – und zwar nicht irgendein junger Aspirant, sondern kein Geringerer als Lancelot – als Opfer des Wunderbaren. Die auffällige Zweitei-
|| 15 Benutzte Ausgabe: L’Âtre pérrileux. Roman de la Table Ronde, hrsg. von Brian Woledge, Paris 1936 (Les Classiques français du Moyen Âge 76). 16 Benutzte Ausgabe: Les mervelles de Rigomer von Jehan. Altfranzösischer Artusroman des XIII. Jahrhunderts, nach der einzigen Aumale-Handschrift in Chantilly zum ersten Mal hrsg. von Wendelin Foerster, 2 Bde., Dresden 1908/1915 (Gesellschaft für romanische Literatur 19/39).
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lung der Romanhandlung hat denn auch nichts mehr mit dem dialektischen Integrationsmodell Chrétiens zu tun, sondern erinnert an ein beliebtes Motiv des Prosaromans, die enumerative Steigerung der Handlung durch die jeweilige Suche nach einem verlorenen Ritter der Artusrunde. Vergleichbar mit dem ersten Teil des Bel Inconnu, doch in dämonischer Variante, wird hier Lancelot zum Opfer einer magischen Welt, der er nicht mehr gewachsen scheint, und muss in einer zweiten quête durch seinen Freund Gauvain befreit und zurückgeholt werden. Bis zur Lächerlichkeit wird Lancelot dabei erniedrigt und an die Funktionslosigkeit der arthurischen Wertewelt erinnert. Auffällig ist zugleich, dass das Motiv der Verstrickung im magisch-mythischen Bereich jedes Zaubers entkleidet ist und in die derb volkstümliche Welt der Folklore zurückgestuft wird: In der nächtlichen Welt irischer Folklore ist die Fee zur Hexe geworden, die den Helden nicht nur an sich bindet, sondern zu ihrem häuslichen Sklaven macht. Dabei dient die seit der Antike geläufige Gestalt der Hexe vielleicht auch der Banalisierung des Wunderbaren, das seine arthurische Eigenart eingebüßt hat. Das Erlebnis der Wilden Jagd in einer unheimlichen Nacht, die Begegnung mit einem nackten wilden Mann, ein weiteres nächtliches Erlebnis der Begegnung mit einer Zauberin, wiederum bei Nacht im Wald – das Wilde und Unheimliche verweist nicht mehr, wie noch bei Chrétien, auf eine positive Gegenwelt, sondern bleibt gleichsam unaufgelöst von Episode zu Episode bestehen, ohne einer Erklärung zugeführt zu werden. So wird die aus der Charrete bekannte Schwertbrücke zur Drachenbrücke, bei der der Held zwar den ihn verfolgenden Drachen besiegt, die aber zur Gefangenschaft in der Hexenküche des magischen Weibes führt und den Gefangenen jeder gegenweltlichen Perspektive beraubt. Eine größere Erniedrigung lässt sich für einen berühmten Helden der table ronde nicht denken. Die Abenteuer Lancelots werden gewissermaßen parodistisch nach unten transferiert und betont sinnentleert, bevor Gauvain als Vertreter der traditionellen Artuswelt den früheren status quo noch einmal restituieren kann.
6 Floriant et Florete Der späte, nach 1268 entstandene und betont intertextuelle Roman Floriant et Florete17 bildet den Abschluss unserer notwendig selektiven Enquête über den Stellenwert des Wunderbaren im arthurischen Versroman. Tatsächlich ist dieser by-
|| 17 Benutzte Ausgabe: Floriant et Florete, zweisprachige Ausg., hrsg., übers. und komm. von Annie Combes und Richard Trachsler, Paris 2003 (Champion Classiques, Moyen Âge 9).
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zantinisch-arthurische historische Roman nicht nur, wie Keith Busby gezeigt hat, »a conscious reworking of major episodes from both Erec et Enide and Cligés«18 mit zahlreichen Anleihen aus Yvain und Perceval; er kann auch als bewusste Rückkehr zum Mythos und seiner zirkularen Struktur und als Absage an die erstmals im Perceval erprobte lineare Struktur der Heilsgeschichte19 verstanden werden. Die Geschichte des sizilianischen Königssohns Floriant wird durch das Wunderbare gerahmt und ermöglicht – der durch einen treulosen Seneschall seines Vaters geraubte Knabe wird von der Fee Morgane in ihr Reich im Mongibel entführt und dort bis zu seinem 15. Lebensjahr erzogen, und anders als der junge Lancelot im Lancelot en prose wird der Held am Ende zu seiner mythischen Bestimmung zurückkehren: Durch seine Heirat mit Florete zum byzantinischen Kaiser aufgestiegen, wird der Held bei einer Jagd durch einen wundersamen weißen Hirsch in den Bergpalast der Fee Morgane gelockt, die ihn und seine Frau vor dem drohenden Tod bewahren will. Wie die Fee ihrem Ziehsohn erklärt, ist ihr Zauberschloss, in das dereinst auch König Artus kommen soll, nämlich der Ort mythischer Unsterblichkeit: Sachiés de voir et sanz mentir Que cist chastiaus si est feez – Sachiés que ço est veritez – Nus hons ne puet çaienz morir. (V. 8242–45) Wisset fürwahr und ohne Falsch, dass dieses Schloss ein Zauberschloss ist – wisset, das ist die Wahrheit –, dass hier keiner sterben kann.
Die ritterliche Existenz und mit ihr die historische Performanz werden dergestalt in wunderbarer Weise durch das merveilleux des Mythos gestaltet und bewahrt. Nicht der Artusritter besiegt die Reste der überholten sortilèges, vielmehr bilden jene als eine Art Vorsehung die überwölbende Struktur eines ohne die Hilfe des Wunderbaren nicht denkbaren Lebens. Die Bedeutung der eingangs genannten auffälligen Funktion intertextueller ›Fährten‹ ergibt sich aus dieser Rolle eines zum Strukturprinzip aufgewerteten Mythos. Das intertextuelle Gerüst verweist auf den Ehrgeiz des Autors, die gesamte arthurische Tradition seit Chrétien und v. a. das Chrétien’sche Werk selbst in das mythische Schema zu integrieren. Die enfances-Abenteuer Floriants im ersten Teil des Romans, durch ein Zauberschiff der Fee Morgane ermöglicht, stehen
|| 18 Keith Busby, ›The Intertextual Coordinates of Floriant et Florete‹, French Forum 20 (1995), 261–77, hier: 273. 19 Vgl. dazu Thomas Ollig, ›Die Wahrnehmung der Zeit im altfranzösischen Gralskorpus‹, Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte 44 (2020), 11–34.
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ebenso im Zeichen der Artustradition, insbesondere des Cligés, wie der kürzere zweite Teil, der auf Erec und das Motiv des Verliegens rekurriert. Nach der Erlangung der Königswürde und der Bestrafung des Usurpators sieht sich der Held nämlich auf offener Straße durch eine ältere Frau der recreantise beschuldigt und beschließt unverzüglich, zusammen mit Florete quer durch Italien ins Artusreich aufzubrechen, um diesen Makel abzuwaschen. Die Geschichte des Paares Floriant und Florete imitiert diejenige von Erec und Enide und legitimiert zugleich die ganze Tradition, die im Zeichen der Unsterblichkeitsgarantie der Fee Morgane die Überlegenheit des Wunderbaren beweist. Um die Mitte des 13. Jh. – der Prosa-Artusroman hat das Artusreich gerade verabschiedet – ist die Autonomie des Artusritters Vergangenheit, seine Mission überholt. Das Spiel intertextueller Vernetzungen zeigt die Abhängigkeit des Artusritters von einer langen Tradition und von den sortilèges, die sein Überleben überhaupt erst garantieren. Letztere erscheinen gleichsam metonymisch als magische Kürzel für die Herausforderungen, denen er unterliegt.
La Carole magique ou le triomphe de l’esthétique D’un maléfice arthurien à une épiphanie esthétique moderne Abstract : The magic carol of young women in springtime surroundings is one of the striking images of the verse romance Méraugis de Portlesguez by Raoul de Houdenc and reappears twice in the Lancelot en prose. As a moment of chivalric failure and impotence – the knight joins the damsels and is unable to get rid of their fascination –, the scene may also be interpreted as the triumph of erotic esthetics over the chivalric Arthurian world. This fascination will be reassumed without its demonic and negative connotations in the ‹ Earthly Paradise › of Dante’s Purgatorio and Boccaccio will use it as a major element of his theme of erotic reconciliation of man with the Earth. In Edmund Spenser’s Fairie Queene the carol is the magic apex of chivalric initiation and the triumph of naked beauty interpreted as the apotheosis of truth. Finally, in his early Romantic novel Ardinghello und die glückseligen Inseln by Wilhelm Heinse the magic carol of a group of young people in a Roman summer night has become the symbol of liberation from bourgeois restraints and as an erotic epiphany.
Notre petite promenade littéraire autour du thème de la carole1 doit commencer par s’occuper des exemples particulièrement extravagants de l’instrumentalisation littéraire d’une donnée de la vie quotidienne du Moyen Âge, la carole, une ronde chantée et dirigée par un maître de chœur, le plus souvent une femme, la ‹ chante-avant › qui se trouve au milieu de la ronde. Reflet de la dépréciation à la fois religieuse et sociale de la danse publique2 ou bien reflet d’une tradition mythique inconnue, le roman arthurien en vers et en prose a transformé cette pratique anodine en un acte magique, voire démoniaque pour indiquer l’abolissement de toute volonté, l’asservissement par un mouvement circulaire maintenant un ailleurs mythique qui fonctionne à la manière d’un automatisme. Une fois intégré à la ronde, l’individu ne peut plus ni ne veut la quitter qu’à condition qu’un autre se présente pour prendre sa place, ce qui implique l’oubli de la vie réelle.
|| 1 Cf. Margit Sahlin, Étude sur la carole médiévale. L’origine du mot et ses rapports avec l’Église, Uppsala 1940. 2 Cf. Françoise Ferrand, ‹ Esprit et fonctions de la danse au XIIIe siècle ›, La Recherche en danse 1 (1982), 29–38. https://doi.org/10.1515/9783110694567-015
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C’est que le lieu de la ronde constitue un lieu magique et étant donné qu’il s’agit du monde chevaleresque, l’enchantement a naturellement pour fonction de ridiculiser le chevalier qui devient un étranger à lui-même. Vu le rôle de la femme dans la carole et la participation des deux sexes à la fête publique, la ronde est de surcroît la manifestation d’une féminisation du chevalier qui abdique son identité masculine et qui oublie ses devoirs sociaux en se laissant réduire à la seule fonction ludique indigne d’un chevalier, la danse ininterrompue. Contrairement à la dimension cosmologique de la danse dans l’Antiquité, la carole magique est donc l’emblème d’un péché. Image d’une perversion, elle représente la subversion des valeurs chrétiennes et la fin de la quête de pureté. Elle est le symbole d’un ‹ l’art pour l’art › illégitime. Rien de plus approprié, paraît-il, que ce thème quand il s’agit d’ironiser et de réinterpréter le nouveau schéma du roman arthurien rendu populaire par Chrétien de Troyes. Émule, mais aussi rival de ce dernier, Raoul de Houdenc semble avoir voulu montrer dans son Méraugis de Portlesguez3 que la perte de temps causée par des mois de danse n’empêche nullement la réalisation d’une carrière chevaleresque et le gain de la femme aimée. Dans ce roman dont l’action ne s’étend que de Noël jusqu’à la Pentecôte, la carole magique dont le héros devient la victime, va freiner l’activité de ce dernier de la fin de l’hiver jusqu’au début du printemps. Mais curieusement, Méraugis, ancien ami et rival impétueux de Gorvain Cadruz, amoureux, comme lui, de la belle Lidoine,4 pourra rater la moitié de sa carrière chevaleresque, sans que sa victoire finale sur l’ami et son mariage avec Lidoine ne soient mis en cause. Après une quête inexpliquée de l’esplumeor Merlin, la recherche d’un nain dans la neige, le combat avec un adversaire inconnu dont il finira par sauver l’honneur et l’aventure pénible d’un combat avec Gauvain dans une île magique dont il ne réussira à fuir que déguisé en femme, notre héros s’égare – on ne sait pas trop pour quelles raisons – dans le lieu paradisiaque d’une carole magique où il s’oubliera lui-même. Au milieu de l’hiver, il voit dans le pré d’un château de marbre « un pin vert si com en esté » (v. 3671) autour duquel des jeunes filles dansent une carole avec un chevalier monstrueux, l’Outredotez, son pire ennemi : Se li pins fu de grant beauté, Ce ne fet mie a demander.
|| 3 Édition citée : Meraugis von Portlesguez. Altfranzösischer Abenteuerroman von Raoul de Houdenc, éd. par Mathias Friedwagner, Halle a. d. S. 1897 (Raoul von Houdenc, Sämtliche Werke 1). 4 Cf. Carine Giovénal, ‹ Héroïne ambiguë, personnage novateur. Lidoine dans Meraugis de Portlesguez de Raoul de Houdenc ›, in : Sébastien Douchet (éd.), Raoul de Houdenc et les routes noveles de la fiction 1200–1235, Aix-en-Provence 2018 (Sénéfiance 66), 121–37.
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Entor le pin por caroler Avoit puceles qui chantoient. (v. 3672–75) Que le pin ait été d’une grande beauté va de soi. Autour du pin des pucelles dansaient en chantant.
Le cadre d’un lieu idyllique en hivers ainsi que la scène de pucelles évoquent sans doute l’origine mythique de cette expérience magique qui va interrompre brusquement la carrière chevaleresque de Méraugis. Avant de pouvoir faire face au défi de son adversaire, notre héros est captivé par le charme du lieu. Attiré par la beauté de la scène, il n’hésite pas à prendre la place que l’Outredotez lui cède volontiers, et Autant talent com il avoit Orainz, quant il estoit la fors, De ferir de sa lance el cors Le chevalier que il haoit, Aurant talent a orendroit De caroler ; car il oblie Tot ce defors, neïs s’amie. (v. 3694–700) La même envie qu’il avait eu quand il était exclu de la scène, de transpercer le chevalier détesté avec sa lance, s’est maintenant emparée de lui grand il s’agissait de danser, de sorte qu’il a tout oublié du dehors, même son amie.
Il a tout oublié, sa vengeance, ses devoirs, son amour. Il a perdu son identité. Il ne fait plus attention aux insultes de son ennemi : Tant chante avant et tant carole Que l’Outredotez qui ne dote Chevalier, n’i entent mes gote Ainz s’en vet, car la faim l’en chace. (v. 3726–29) Et lui de chanter et de caroler de sorte que l’Outredotez qui ne craint aucun chevalier, n’y entend plus rien et préfère s’en aller car la faim le chasse.
Naturellement, dans cet univers mythique, le temps n’avait plus compté et on avait pu danser sans avoir faim ni soif. Dix semaines de danse ininterrompue vont s’écouler avant qu’il ne soit sauvé par un autre chevalier qui a voulu joindre la carole « par aventure » (v. 4339) et qu’il ne finisse par se réveiller de son rêve : Et Meraugis, que devient il ? Carole il encore ? – Oïl, Einsi com la matire conte. Raous qui romance le conte
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Trueve qu’onques n’en remua De caroler, ainz carola X. semaines tant qu’il avint Qu’uns autre chevaliers revint Qui entra enz par aventure. (v. 4331–39) Et que devient Méraugis ? Est-ce qu’il danse encore ? Eh oui, comme notre histoire le raconte. Raoul qui s’est mis à romancer ce conte a trouvé en fait que Méraugis n’a pas cessé de danser, qu’il a dansé au contraire dix semaines jusqu’à ce qu’un autre chevalier vienne par aventure s’intégrer à la ronde.
Frappé par le chant du rossignol – c’est le printemps –, il se livre à un soliloque amer sur son aventure et sur son identité mise en question par cette aventure dans un Autre Monde incompris. Entretemps, Lidoine avait été rendue captive par le puissant Belchis et Gorvain la sauvera sans être récompensé. Le lecteur doit donc se poser la question de savoir pourquoi l’auteur a écrit ce roman sur un protagoniste qui ne joue qu’un rôle secondaire, mais n’en sera pas moins celui qui gagne. Tout se passe en effet comme si l’épisode de la carole magique devait montrer le caractère illusoire de la notion d’aventure basée sur la rivalité des meilleurs chevaliers. Ce n’est certainement pas un hasard si Gauvain joue aussi un rôle ambivalent dans l’épisode de l’île magique. Il suffit de danser pour gagner. En un sens, on dirait que le thème arthurien de la folie a été remplacé par celui de la danse esthétique dans laquelle le héros abdique son rôle masculin pour se ranger du côté des jeunes filles. N’oublions pas que Raoul de Houdenc lui-même ne nous donne aucune explication de l’épisode en question, mais qu’il laisse son héros y réfléchir. L’altérité du lieu dont les origines folkloriques n’ont aucune importance, assume ainsi une fonction esthétique et initiatique susceptible de démontrer une élection alternative du héros. Peut-être la belle Lidoine n’est-elle pas sans raison comparée à Fénice (v. 266),5 l’héroïne du Cligés de Chrétien qui exalte plus qu’aucun autre roman de l’auteur une dimension esthétique. Danser au lieu de se battre, ce serait l’autre face de la médaille et le complément nécessaire du métier chevaleresque. Raoul aurait-il réinterprété un cliché folklorique dans un sens radicalement nouveau en faisant du thème de l’empêchement une dimension nécessaire de la chevalerie ou bien une mise en question des valeurs chevaleresques par un phénomène d’ordre esthétique énigmatique ? En comparaison de l’ambiguïté ironique du roman en vers, les versions folkloriques et moralistes du thème dans deux romans en prose semblent faire un pas en arrière en restituant toutefois la fonction, sans doute originelle, d’une fée ja|| 5 Giovénal (voir note 4), 127, parle d’une « Énide à l’envers ».
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louse qui prend la place du maître de la ronde. Dans l’épisode du ‹ Chastel des Caroles › des Premiers Faits du roi Arthur,6 qui se refère d’ailleurs à Méraugis, le maléfice de la carole en tant que preuve d’amour a été créé par la belle Guinebaut, Princesse de la Terre Étrange, soutenue et aimée par le frère du roi Bohort. La scène décrite a été préparée par l’épisode où il est question de l’installation de cette coutume de la carole et de l’invention de l’escechier (échiquier) magique de la Princesse. Par rapport à Méraugis, les conditions du maléfice ont été légèrement altérées : « Car il fist puis tourner le chastel et les charoles que Meraugis trouva puis a la cité sans nom » (1143sq.). Il est question d’une « Forest Perillous » (1144) et l’auteur parle de la charole que Guinebaus ses freres avoit establie en tel manière que tout li chevalier qui puis vinrent demourerent charolant tout tant que Lancelot du Lac i vint qui tous les desfist, et envoia l’escechier qui si matoit les gens a la roïne Guenievre. (1144) carole que Guinebaut, son frère, avait établie de la manière suivante : tous les chevaliers qui y viendraient par la suite y demeureraient dansant, jusqu’à ce que vienne Lancelot du Lac qui dénouerait les enchantements, et enverrait l’échiquier qui faisait mat tous ses partenaires à la reine Guénièvre.
L’ambiance est pourtant différente de celle du Lancelot, car le maléfice de Guinebaut se réfère au thème de la trahison en amour, « pour ce que ne demourast la charole tant que cil qui onques n’aura fausé vers amours i venra » (1142). Dans la seconde partie de la quête de Lancelot dans le Lancelot en prose, le héros doit lutter contre l’empire de la princesse tyrannique d’une Forêt Perdue. Dans les deux cas il s’agit de donner au héros sauveur la chance de mettre fin à un maléfice dont il faillit être la victime. Le thème fait donc partie d’un programme idéologique. Malgré le rôle de rédempteur attribué à Lancelot, l’épisode de la ronde enchantée constitue un empêchement de plus dans la voie du héros vers la perfection. L’aventure chevaleresque a été remplacée une fois de plus par une aventure esthétique démoniaque. Dans le Lancelot en prose,7 la carole enchantée a lieu dans la ‹ Forest Perdue › dans laquelle déjà deux cents chevaliers étaient entrés sans jamais en ressortir, et Lancelot est averti par un forestier hospitalier qui lui dit qu’il marcherait à sa mort. Mais le héros rédempteur reste naturellement inébranlable. Accompagné de son écuyer, il entre dans la forêt et arrive à
|| 6 Édition citée : Le Livre du Graal, 3 vols., t. 1 : Joseph d’Arimathie, Merlin, Les Premiers Faits du roi Arthur, éd. préparée par Daniel Poirion, publ. par Philippe Walter, Paris 2001 (Bibliothèque de la Pléiade 476), 807–1662, ‹ L’aventure de Guinebaut ›, 1139–44. 7 Édition citée : Le Livre du Graal, 3 vols., t. 3 : Lancelot, éd. préparée par Daniel Poirion, publ. par Philippe Walter, Paris 2009 (Bibliothèque de la Pléiade 554).
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une magnifique prairie qui s’étend devant une tour somptueuse ; au milieu des plus riches pavillons, quatre pins majestueux ont été plantés autour du trône de la princesse magicienne qui dirige la carole des chevaliers et des dames. Lancelot s’approche de la scène, mais dès qu’il a fait les premiers pas, « se li est mués li corages » (266), et il ne pense plus à rien d’autre qu’à participer à la danse : « si en oublie sa dame et ses compagnons et soi meismes qu’il ne li souvient de nului » (266). En vain, son écuyer essaie de retenir son seigneur « decheüs et engigniés par la carole » (367). C’est la fin d’une carrière, et comme chez Raoul de Houdenc, le lecteur doit assister à une série d’autres événements avant que l’auteur ne revienne à notre scène. Quatorze ans se sont écoulés (322), mais – trait ironique – contrairement à ce qui se passe dans le roman en vers, c’est la princesse elle-même qui commence à s’ennuyer ; amoureuse de son héros, elle va se laisser convaincre par lui de jouer avec lui à un jeu d’échecs enchanté qu’elle a inventé et dont Lancelot va sortir vainqueur. Ceci lui permettra de mettre un terme à l’enchantement qui lui a gaspillé une partie de sa vie et qui a préparé une nouvelle phase de sa déchéance dans la prison de la fée Morgain. Notre texte ne dit rien sur un oubli de Guenièvre, mais il est évident que nous sommes témoins d’une scène adultérine dans laquelle la reine n’a pas de place. Est-ce que la carole magique n’a en fait été rien d’autre qu’une variation du thème de la femme8 ou ne s’agit-il pas plutôt d’un essai de montrer le charme secret du thème esthétique de l’épreuve magique? Lancelot prisonnier de la fée Morgane et peintre des fresques fameuses que le roi Arthur verra plus tard, ne sera-t-il pas aussi la victime d’une constellation esthétique contraire à sa vocation chevaleresque ? Il paraît que la diabolisation du thème de la carole dans le roman arthurien commence à s’estomper vers la fin du Moyen Âge en effaçant peu à peu la dichotomie traditionnelle retracée par Julia Zimmermann entre « Teufelsreigen » et « Engelstänze ».9 Notons toutefois que le roman arthurien et la première Renaissance ont en commun l’emphase esthétique ainsi que l’ambiance idyllique et paradisiaque. Il suffit de penser à la sacralisation de la danse dans la Divine Comédie de Dante quand il s’agit de célébrer la liberté des pécheurs rachetés et la fin de la dimension temporelle de la vie terrestre. C’est le moment où le mouvement circulaire de
|| 8 Cf., à cet égard, Friedrich Wolfzettel, ‹ Lancelot et les fees. Essai d’une lecture psychanalytique du Lancelot en prose ›, Marche romane 32/2–4 (1982), 25–42. Le texte intégral de l’article de Friedrich Wolfzettel est réédité dans le présent volume, 19–35 9 Julia Zimmermann, Teufelsreigen – Engelstänze. Kontinuität und Wandel in mittelalterlichen Tanzdarstellungen, Francfort-sur-le-Main et al. 2007 (Mikrokosmos 76).
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la ronde est devenu l’équivalent de la vie éternelle. Dans le Paradiso,10 il est question de « Tre donne in giro dalla nostra ruota » (XXIX, v. 121) ainsi que d’une carole que les anges dansent avec Beatrice (XXXI, v. 132). Le poète n’hésite pas à comparer les cercles des âmes bienheureuses à des danseurs, « quei che vanno a ruota » (XIV, v. 20) ou bien, en recourant à la vieille tradition pythagoricienne, à des caroles cosmiques : « Così quelle carole, differente / Mente danzando » (XXIV, v. 17sq.). Et même le mouvement circulaire de la lumière apostolique ressemble à une carole céleste. Ce qui avait été le symbole d’une damnation, est donc devenu le signe du règne de Dieu. Cette réinterprétation s’annonce déjà à la fin du Purgatorio. Quand le moi dans son ascension du mont du Purgatoire, arrive au Paradis Terrestre, il rencontre Matelda, une Proserpine chrétienne qui chante et qui danse en rond : Come si volge con le piante strette A terra ed intra sè donna che balli, E piede innanzi piede appena mette, Volsesi in su i vermigli ed in su i gialli Fioretti verso me [...]. (XXVIII, v. 52–56). En se retournant et en faisant glisser les semelles sur le sol comme une femme qui danse et qui met à peine les pieds avant, elle foulait les petites fleurs rouges et jaunes pour s’approcher de moi.
Plus tard, dans la vision de la procession de Beatrice, le moi remarque trois femmes qui chantent et qui dansent ; elles représentent les trois couleurs symboliques, le rouge, la couleur d’émeraude et la couleur de neige, qui vont se répéter dans l’apparition de Beatrice (XXX, v. 29–145), et près d’elles quatre autres femmes dansent dans un « pertrattato modo » (XXIX, v. 33). À la différence des exemples maléfiques du thème au Moyen Âge, le moi n’est plus que le spectateur d’un spectacle ravissant. Cependant, on croit reconnaître des traces du modèle médiéval vers la fin de la scène visionnaire quand le moi, après avoir pris le bain de la rédemption, est invité à s’intégrer à la carole des quatre belles femmes, nymphes du ciel qui mettent leurs bras autour de lui pour ne plus le lâcher : « ciascuna del braccio mi coperse » (XXXI, v. 105). La carole est devenue l’équivalent de l’innocence récupérée pour toujours et l’imagination paradisiaque a oblitéré les traces d’un univers mythique qui devait cacher la beauté esthétique de scènes pareilles. On sait combien Giovanni Boccaccio doit à Dante, son maître vénéré. Dans sa vision d’un paradis terrestre érotique, Amorosa Visione, espèce d’anti-Comédie
|| 10 Édition citée : Dante Alighieri, Die göttliche Komödie, trad. par Hermann Gmelin, 3 vols., Stuttgart 1949–1951.
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Divine, on assiste par conséquent à la sécularisation de la danse sacrée. La scène des jeunes femmes qui dansent en chantant dans une prairie fleurie (dans les cantos XL, XLI et XLII)11 représente un écho manifeste et voulu du modèle du Purgatorio. Il est en fait difficile d’imaginer les nombreuses scènes bucoliques décrites par l’auteur, depuis Caccia di Diana jusqu’au Ninfale fiesolano, sans penser au thème érotique de la danse des nymphes. La sécularisation de la carole sacrée semble être implicite dans l’œuvre de jeunesse qui exalte les coins idylliques et les grandes prairies ensoleillées près d’un lac ou d’un fleuve. Que ce soit le jeune protagoniste de Caccia di Diana qui, nouvel Actéon, découvre la joie de vivre, ou le rustre Ameto qui, en sortant des bois, admire la beauté des nymphes de Lia, les scènes en question rappellent les charmes de la carole féminine magique tout en restituant l’innocence que Dante avait trouvée dans la sphère céleste.12 Le thème littéraire de la carole, danse peut-être trop folklorique et un peu démodée, ne va pas jouer un grand rôle dans la littérature post-médiévale. Il y a cependant deux exemples ravissants d’une renaissance du thème, à l’époque élisabéthaine, dans le grand poème épique The Faerie Queene (1590–1596) d’Edmund Spenser et dans le roman viatique de formation préromantique Ardinghello und die glückseeligen Inseln (1787), de Wilhelm Heinse. Dans les deux cas, il s’agit d’une apothéose de la ronde rehaussée d’éléments érotiques. Spenser,13 dont le poème ne serait pas concevable sans la Renaissance italienne et le bucolisme de Boccaccio, a voulu placer sa scène d’une grande carole en l’honneur de la reine, au milieu d’un poème de douze livres, selon le modèle de l’Énéide, mais dans l’état inachevé actuel, la scène en question constitue le point culminant du dixième et dernier livre. Le poème en vers qui devait raconter l’histoire du roi Arthur (le duc de Leicester) qui représente toutes les vertus masculines, commence par un festin de douze jours organisé par Gloriana, la reine des fées qui a donné à six chevaliers allégoriques, les représentants des vertus théologales, la possibilité de se distinguer par leurs aventures. Le sixième livre raconte la quête de Sir Calidore représentant de la Courtoisie. Au bout d’une série d’aventures dans lesquelles il doit lutter contre les ennemis || 11 Édition citée : Tutte le opere di Giovanni Boccaccio, éd. par Vittore Branca, 10 vols., Milan 1974–1992, t. III. 12 Cf. aussi Friedrich Wolfzettel, ‹ Diana und Venus : Funktionen der Landschaft im Erzählwerk Boccaccios ›, in : Christa Bertelsmeier-Kierst et Rainer Stillers (éd.), 700 Jahre Boccaccio. Traditionslinien vom Trecento bis in die Moderne, Francfort-sur-le-Main 2015 (Kulturgeschichtliche Beiträge zum Mittelalter und zur frühen Neuzeit 7), 127–44. 13 Édition citée : Edmund Spenser, The Faerie Queene, 2 vols., introduction par J. W. Hales, Londres, New York 1965 (Everyman’s Library 443/444).
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de Curtesie, et malade d’amour, il arrive (au chant X) à une colline paradisiaque protégée par un bois et un petit fleuve, il entend la musique d’un fifre et finit par être le témoin d’une carole de jeunes filles : There he a troupe of Ladies dauncing found Full merrily, and making glaful glee, And in the midst a Shepheard piping he did see. (X, 10) Là il rencontra un groupe de pucelles qui s’amusaient et se réjouissaient, et au milieu d’elles il voyait un pâtre qui jouait de son chalumeau.
Ce sont « An hundred naked maidens lily white / All raunged in a ring and dauncing in delight » (X, 11). Et à l’intérieur de la ronde, le chevalier aperçoit « three other Ladies » qui dansent et chantent autour d’une quatrième « Damzell, as a precious gemme / Amidst a ring most richly well enhanced » (X, 12) et qui « Seem’d all the rest in beauty to excell » (X, 14). La nudité, motif implicite ou explicite des scènes idylliques de Boccaccio, fait ici partie d’une scène allégorique visionnaire qui voudrait concilier l’érotisme mythologique de la Renaissance avec la sacralité virtuelle de cette carole, car il s’agit des « Venus Damzells » (X, 21) et des « Handmaides of Venus », des « Graces, daughters of delight » (X, 15). L’auteur se soucie peu de la tradition diabolique de cette chorea cuius centrum est diabolus. C’est une nudité « without guile / Or false dissemblance » (X, 14), symbole de vérité et de courtoisie sans mensonge – « which skill men call Civility » (X, 23). Le caractère ouvert de cet idéal avait déjà été annoncé par la configuration du site de la scène, « an hill plaste in an open plaine » (X, 6), et renvoie naturellement en dernier lieu à Gloriana : « Another Grace she well deserves to be » (X, 27), « Sunne of the world, great glory of the sky » (X, 28). La carole, ancien symbole d’un maléfice esthétique, est devenue l’image d’une apothéose esthétique du règne d’Elisabeth en accord avec le mouvement du ciel. Le spectateur s’en approche, mais il ne participe pas à la vision qui doit confirmer sa quête de Civility. Notre dernier exemple, peut-être le plus beau et le plus original, mais aussi celui qui s’écarte le plus de l’image d’une carole médiévale dont The Faerie Queene de Spenser reste encore proche, se trouve à la fin de la première partie du roman déjà cité de l’auteur allemand Wilhelm Heinse, Ardinghello,14 dont l’apparition fut un scandale et qui est resté controversé chez les historiens de la littérature jusqu’à nos jours.15 ‹ Künstlerroman ›, récit de voyage et témoignage d’un nouvel
|| 14 Édition citée : Wilhelm Heinse, Ardinghello und die glückseligen Inseln, éd. critique, éd. par Max Lorenz Baeumer, Stuttgart 1975. 15 Cf., à cet égard, Heinse (voir note 14), ‹ Dokumente zur Wirkungsgeschichte ›, 560–623.
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esprit dionysiaque16 qui s’oppose à l’image un peu édulcorée du classicisme de Winckelmann, cette œuvre ne porte pas par hasard le sous-titre historisant Eine Italiänische Geschichte aus dem sechszehnten Jahrhundert qui semble trahir une certaine parenté avec l’exotisme stendhalien en prenant ses distances d’avec la tradition contemporaine du voyage en Italie. À cette tradition, Ardinghello oppose de prime abord une nouvelle conception extatique de la totalité de l’art et de la nature ainsi qu’une nouvelle conception du voyage de formation. Dans cette perspective, la scène extatique de la carole qui couronne la première partie du roman est le point culminant d’une expérience existentielle du voyage. Loin du maléfice d’un mouvement statique et dénué de sens, comme la carole littéraire médiévale, mais aussi de l’allégorie mythologique de Spenser, la danse a pour fonction de promouvoir l’intégration du moi à un groupe sympathisant dans un mouvement dramatique de libération du corps et de l’âme. Car, comme nous le lisons un peu plus haut : Was sich selbst bewegt, ist Seele, ewig, ohne Anfang, davon alles Werden und alle Körper, die sich bewegen. Schönheit ist die vollkommene Harmonie der Bewegung, und die Seele erkennt darin ihren reinsten Zustand. Schönheit gibt der Seele das lauterste Gefühl ihres Daseins. Schönheit ist die freieste Wohnung der Seele. Schönheit erinnert die Seele an ihre Gottheit, an ihre Schöpfungskraft, und daß sie über alle die Körperwelt, die sie umgibt, ewig erhaben ist. (179) Ce qui se meut lui-même, c’est l’âme, éternelle, sans commencement, d’où le devenir et les corps qui se meuvent. La beauté, c’est harmonie parfaite du mouvement, et l’âme y découvre son essence la plus pure. La beauté donne à l’âme le sentiment le plus pur de son existence ; elle est le domicile plus libre de l’âme ; elle rappelle à l’âme sa nature divine, sa force créatrice et le fait qu’elle est éternellement supérieure à tous les corps qui l’environnent.
Comme chez Dante et Boccaccio, la dance implique la participation à la beauté cosmique et à l’harmonie de l’univers. La danse restitue le sens de la quintessence de la vie, la conjugaison de l’âme et du corps dans le mouvement esthétique. Pour décrire cette harmonie suprême, l’auteur a choisi certes non par hasard, un paysage nocturne du Tibre romain, de sorte que la Ville Éternelle, ce but d’une longue tradition du voyage en Italie, devient le fond d’un bacchanal dionysiaque de six jeunes filles et de neuf jeunes artistes qui s’enivrent de la danse commune, qui a été le modèle d’autres fêtes pareilles dans la littérature allemande romantique :
|| 16 Cf. Max Lorenz Baeumer, Das Dionysische in den Werken Wilhelm Heinses. Studie zum dionysischen Phänomen in der deutschen Literatur, Bonn 1964 (Abhandlungen zur Kunst-, Musikund Literaturwissenschaft 19), ainsi que Heinrich Mohr, Wilhelm Heinse. Das erotisch-religiöse Weltbild und seine naturphilosophischen Grundlagen, Munich 1971.
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Nach Mitternacht ging es in ein echtes Bacchanal aus ; das erhitzte Leben blieb nicht mehr in den gewohnten Schranken, und jeder tobte nach seinem Gefühl und seiner Regung. Demetri machte seinen Einfall zu einem spartanischen Tanz laut, und dieser wurde mit Jauchzen ausgeführt. [...] Man entkleidete die Jungfrauen [...] zuerst bis auf die Hemder [...]. Sie schwebten in Kreisen, drückten einzeln ihre Empfindungen aus, und jede enthüllte in den süßesten Bewegungen ihre Reize, bis Paar und Paar wieder sich faßten und hoben und wie Sphären herumwälzten. (196) Après minuit tout dégénéra dans un véritable bacchanal ; la vie exaltée ne se tint plus dans ses restreintes accoutumées, et tout le monde se demenait selon ses goûts et ses instincts. Demetri fit la suggestion d’initier une dance spartiate et cette proposition fut accueillie avec enthousiasme. On dévêtit les démoiselles jusqu’à la chemise. Elles se laissaient aller en formant des cercles et en exprimant leurs sentiments et leurs attraits dans les mouvements les plus séduisants, jusqu’à ce que les paires se retrouvent en s’élevant et en en se retournant comme des sphères.
La comparaison avec les sphères rappelle évidemment la dimension cosmique de ce bacchanal sujette à un permanent crescendo dramatique. Les jeunes gens finissent par jeter leurs vêtements, et cette nudité assume une teinte sacrale : « Es ging immer tiefer ins Leben, und das Fest wurde heiliger ; die Augen glänzten von Freudentränen, die Lippen bebten, die Herzen wallten vor Wonne » (196). C’est le moment d’une apothéose mythique où la ‹ déesse › du groupe va se montrer dans la nudité suprême : « wo eine wahrhaftige Phryne darunter mit errötendem und lächelndem Stolze sich endlich ganz nackend zeigte, in den verschämtesten und mutwilligsten Stellungen » (197). Ce n’est plus la nudité allégorique des Grâces de Spenser, c’est l’apothéose du corps humain et de sa vérité – et bientôt aussi des corps de tous ceux qui participent à cette danse orgiastique éclairée par le clair de lune : Gegen Morgen macht ich die Zeche richtig, und wir schwärmten im Geisterglanze des Vollmonds unter Chor und Rundgesang an der Tiber vorbei und hernach durch die hehren Ruinen und Triumphpforten über den Tarpejischen Felsen. (197) À l’aube je réglai le compte, et nous déambulâmes sous le clair de la pleine lune le long du Tibre en chantant les chœurs de la ronde pour nous approcher, en passant à travers des ruines sublimes et des portes de triomphe, du Roc Tarpéiem.
La scène qui a fait couler beaucoup d’encre d’indignation scandalisée n’a pourtant jamais été guère appréciée à sa juste valeur. Elle marque la redécouverte d’un sens total qui n’a rien à voir avec le classicisme bien-pensant au tournant du siècle. La carole remonte ici à ses origines en devenant la forme d’une danse cosmique sacrée. Ce que le Moyen Âge n’avait pas compris et ce qui a été partiellement redécouvert au début de la Renaissance, est devenu ici, au seuil de l’ère moderne, l’épiphanie d’une expérience collective existentielle sans précédent.
| Anhang
Verzeichnis der arthurischen Schriften von Friedrich Wolfzettel 1 Aufsatzsammlungen 1. 2.
Le Conte en palimpseste. Studien zur Funktion von Märchen und Mythos im französischen Mittelalter, Stuttgart 2005. Friedrich Wolfzettel, Probleme des Artusromans. Ausgewählte kleine Schriften, hrsg. von Brigitte Burrichter u. a., Berlin, Boston 2021 (SIA 16).
2 Herausgegebene Sammelbände 1.
Artusrittertum im späten Mittelalter. Vorträge des Symposiums der Deutschen Sektion der Internationalen Artusgesellschaft vom 10. bis 13. November 1983 im Schloß Rauischholzhausen, Gießen 1984 (Beiträge zur deutschen Philologie 57/[SIA 1]). 2. Artusroman und Intertextualität. Beiträge der Deutschen Sektionstagung der Internationalen Artusgesellschaft vom 16. bis 19. November 1989 an der J. W. Goethe-Universität Frankfurt am Main, Gießen 1990 (Beiträge zur deutschen Philologie 67/[SIA 2]). 3. Fiktionalität im Artusroman. Dritte Tagung der Deutschen Sektion der Internationalen Artusgesellschaft in Berlin vom 13. bis 15. Februar 1992, Tübingen 1993 [SIA 3] (hrsg. mit Volker Mertens). 4. Arthurian Romance and Gender – Masculin/Féminin dans le roman Arthurien médiéval – Geschlechterrollen im mittelalterlichen Artusroman. Selected Proceedings of the XVIIth International Arthurian Congress – Actes choisis du XVIIe Congrès International Arthurien – Ausgewählte Akten des XVII. Internationalen Artuskongresses, Amsterdam, Atlanta/GA 1995 (Internationale Forschungen zur Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft 10). 5. Erzählstrukturen der Artusliteratur. Forschungsgeschichte und neue Ansätze, Tübingen 1999 [SIA 4]. 6. Das Wunderbare in der arthurischen Literatur. Probleme und Perspektiven, Tübingen 2003 [SIA 5]. 7. Körperkonzepte im arthurischen Roman, Tübingen 2007 [SIA 6].
https://doi.org/10.1515/9783110694567-016
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8. Artushof und Artusliteratur, Berlin, New York 2010 (SIA 7) (hrsg. mit Matthias Däumer und Cora Dietl). 9. Artusroman und Mythos, Berlin, Boston 2011 (SIA 8) (hrsg. mit Cora Dietl und Matthias Däumer). 10. Aktuelle Tendenzen der Artusforschung, Berlin, Boston 2013 (SIA 9) (hrsg. mit Brigitte Burrichter, Matthias Däumer, Cora Dietl und Christoph Schanze). 11. Ironie, Polemik und Provokation, Berlin, Boston 2014 (SIA 10) (hrsg. mit Cora Dietl und Christoph Schanze). 12. Gattungsinterferenzen. Der Artusroman im Dialog, Berlin, Boston 2016 (SIA 11) (hrsg. mit Cora Dietl und Christoph Schanze). 13. Emotion und Handlung im Artusroman, Berlin, Boston 2017 (SIA 13) (hrsg. mit Cora Dietl, Christoph Schanze und Lena Zudrell). 14. Réécriture und Rezeption. Wandlungen des Artusromans, Berlin, Boston 2019 (SIA 14) (hrsg. mit Cora Dietl und Christoph Schanze). 15. Jenseits der Epigonalität. Selbst- und Fremdbewertungen im Artusroman und in der Artusforschung, Berlin, Boston 2020 (SIA 15) (hrsg. mit Cora Dietl und Christoph Schanze).
3 Aufsätze 1.
›Zur Stellung und Bedeutung der Enfances in der altfranzösischen Epik‹, ZfSL 83 (1973), 317–48, und ZfSL 84 (1974), 1–32. 2. ›Le rôle du père dans le procès d’arthurisation du sujet d’Erec/Gereint‹, Marche romane 25 (1975), 95–104. 3. ›Arthurian Adventure or Quixotic »Struggle for Life«? A Reading of Some Gauvain Romances in the First Half of the Thirteenth Century‹, in: Kenneth Varty (Hrsg.), An Arthurian Tapestry. Essays in Memory of Lewis Thorpe, Glasgow 1981, 260–74. Wieder in: Raymond H. Thompson und Keith Busby (Hrsg.), Gawain. A Casebook, New York, London 2006 (Arthurian Characters and Themes 8), 125–38, sowie in: Friedrich Wolfzettel, Probleme des Artusromans. Ausgewählte kleine Schriften, hrsg. von Brigitte Burrichter u. a., Berlin, Boston 2021 (SIA 16), 3–17. 4. ›Lancelot et les fées. Essai d’une lecture psychanalytique du Lancelot en prose‹, Marche romane 32,2–4 (1982), 25–42. Wieder in: Friedrich Wolfzettel, Probleme des Artusromans. Ausgewählte kleine Schriften, hrsg. von Brigitte Burrichter u. a., Berlin, Boston 2021 (SIA 16), 19–35. Italienische Fassung: ›Lancilloto e le fate. Saggio di lettura psicoanalitica del Lancelot en prose, in: L’Immagine riflessa VI (Intersezioni) (1983), 227–48.
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