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German Pages 240 Year 2019
Schriften zum Internationalen Recht Band 224
Probleme der Rechtssetzung in Korea und Deutschland Vorträge auf dem 8. Koreanisch-Deutschen Symposium zum Verwaltungsrechtsvergleich 2018 am 15. März 2018 in Seoul
Herausgegeben von
Wolf-Rüdiger Schenke und Jong Hyun Seok
Duncker & Humblot · Berlin
Wolf-Rüdiger Schenke und Jong Hyun Seok (Hrsg.)
Probleme der Rechtssetzung in Korea und Deutschland
Schriften zum Internationalen Recht Band 224
Probleme der Rechtssetzung in Korea und Deutschland Vorträge auf dem 8. Koreanisch-Deutschen Symposium zum Verwaltungsrechtsvergleich 2018 am 15. März 2018 in Seoul
Herausgegeben von
Wolf-Rüdiger Schenke und Jong Hyun Seok
Duncker & Humblot · Berlin
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Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2019 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Ochsenfurt-Hohestadt Druck: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7646 ISBN 978-3-428-15656-6 (Print) ISBN 978-3-428-55656-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-85656-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Vorwort Der Band gibt die Referate wieder, die im Rahmen des 8. Koreanisch-Deutschen Symposiums zum Verwaltungsrechtsvergleich am 15. März 2018 in Seoul an der Sungkyunkwan Universität gehalten wurden. Gegenstand des Symposiums, das unter der Leitung von Professor Dr. Dr. Jong Hyun Seok, Dankook Universität Seoul, und Professor Dr. Wolf-Rüdiger Schenke, Universität Mannheim, stand, waren Probleme der Rechtssetzung in Korea und Deutschland. Überschattet wurde die Tagung durch den Tod von Herrn Professor Dr. Hans-Werner Laubinger, M.C.L., der kurz vorher plötzlich und unerwartet verstarb. Sein bereits für die Tagung gefertigtes Referat konnte so nur noch verlesen werden. Herr Laubinger war von Anbeginn an einer der tragenden Säulen der Tagungen, die dem KoreanischDeutschen Verwaltungsrechtsvergleich gewidmet waren; sein Tod hinterlässt eine von allen Teilnehmern des Kolloquiums schmerzlich empfundene große Lücke. Bei dem 8. Koreanisch-Deutschen Symposium ging es schwerpunktmäßig um rechtliche Fragen, die sich in Verbindung mit untergesetzlichen Normen stellen. Diese Thematik war Gegenstand von Referaten, die die Voraussetzungen und den Anwendungsbereich von Satzungen und Rechtsverordnungen zum Gegenstand hatten und sich mit den Fragen des Rechtsschutzes gegen untergesetzliche Normen befassten. Näher beleuchtet wurden aber auch Regeln der Technik und technische Regelwerke sowie die in der Verwaltungspraxis besonders bedeutsamen Verwaltungsvorschriften, deren Abgrenzung von Rechtsverordnungen sowohl in Korea wie auch in Deutschland Schwierigkeiten bereitet und intensiv diskutiert wird. Bei der Behandlung der Themen wurden trotz einiger Spezifika der jeweiligen Rechtsordnung auch viele Gemeinsamkeiten deutlich und belegten damit den hohen Stellenwert, der einer Rechtsvergleichung zwischen koreanischem und deutschem Recht beizumessen ist. Gegenstand des Symposiums waren aber auch allgemeine Fragen, die sich in Verbindung mit dem Erlass von Gesetzen ergeben. Ihnen wurde in Referaten zur Gesetzesfolgenabschätzung sowie zum rechtsstaatlich gebotenen Vertrauensschutz bei der Gesetzgebung nachgegangen. Die in der deutschen Verfassungsrechtsprechung und der Verfassungsrechtslehre vorgenommene Differenzierung zwischen echter und unechter Rückwirkung von Normen wird auch von dem koreanischen Verfassungsgericht und dem koreanischen obersten Gerichtshof sowie der koreanischen Staats- und Verwaltungsrechtslehre befürwortet. Auch hier wird ebenso wie in Deutschland von der grundsätzlichen Unzulässigkeit echt rückwirkender Gesetze ausgegangen, während eine unechte Rückwirkung von Gesetzen als grundsätzlich zulässig angesehen wird.
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Vorwort
An die Referate schlossen sich jeweils intensive Diskussionen an, die gleichfalls deutlich machten, wie befruchtend ein Gedankenaustausch zwischen der koreanischen und der deutschen Rechtswissenschaft zu Fragen ist, denen in beiden Rechtsordnungen eine fundamentale Bedeutung zukommt. Die Teilnehmer freuen sich deshalb bereits auf die Durchführung des 9. Koreanisch-Deutschen Symposiums, das im Sommer 2019 in Mainz stattfinden und sich schwerpunktmäßig mit Fragen des Polizeirechts befassen wird. Seoul und Mannheim, im März 2019
Jong Hyun Seok und Wolf-Rüdiger Schenke
Inhaltsverzeichnis Jong Hyun Seok Eröffnungsrede anlässlich des 8. Koreanisch-Deutschen Symposiums zum Verwaltungsrechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Annette Guckelberger und Katja Viktoria Gluding Rechtsverordnungen als untergesetzliche Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Okju Shin Eine Studie über die Rechtsverordnung im koreanischen Rechtssystem hinsichtlich der Notwendigkeit der verstärkten Mitwirkung des Parlaments . . . . . .
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Josef Ruthig Verwaltungsvorschriften im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht . . . .
65
Hyun Ho Kang Die Verwaltungsvorschriften in Korea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Hans-Werner Laubinger „Regeln der Technik“ und „Technische Regelwerke“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Dongsoo Song Regeln der Technik im koreanischen Umweltrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Ralf P. Schenke Normsetzung und Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Sung Soo Kim Unechte Rückwirkung von Normen. Vertrauensschutz als offene Flanke des Rechtsstaates? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Wolf-Rüdiger Schenke Rechtsschutz gegen untergesetzliche Rechtsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Nam-Chul Chung Kommunale Satzungsgebung und verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Republik Korea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Hee-Gon Kim Satzungen und Rechtsverordnungen. Diskussionsbeitrag zum Vortrag von WolfRüdiger Schenke über „Rechtsschutz gegen untergesetzliche Rechtsnormen“ . . 211 Byoung-Hyo Moon Gesetzesfolgenabschätzung in Korea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Verzeichnis der Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239
Eröffnungsrede anlässlich des 8. Koreanisch-Deutschen Symposiums zum Verwaltungsrechtsvergleich Von Jong Hyun Seok Es ist für mich eine große Ehre und Freude, das 8. Koreanisch-Deutsche Symposium zum Verwaltungsrechtsvergleich, das zugleich das 109. Wissenschaftliche Symposium der Vereinigung der Koreanischen Verwaltungsrechtslehrer ist (Korean Public Land Law Association), eröffnen zu dürfen. Leider muss ich Ihnen zu Beginn die traurige Mitteilung machen, dass Herr Professor Dr. Hans-Werner Laubinger am 16. Januar 2018 plötzlich und unerwartet an einem Herzinfarkt verstorben ist. Sein Vortragsmanuskript hatte er bereits im Dezember 2017 abgeschlossen, so dass es heute verlesen werden kann. Sein Tod hat uns alle sehr getroffen und traurig gemacht. Herr Professor Laubinger hat die deutsch-koreanische Verwaltungsrechtsvergleichung seit Beginn unserer gemeinsamen Symposien mit seinen Beiträgen wesentlich bereichert und wurde von uns allen als Kollege und Freund sehr geschätzt und verehrt. Ich bitte Sie, einen Moment der Stille einzulegen und unseres lieben Kollegen Laubinger zu gedenken. Herrn Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schenke von der Universität Mannheim, Herrn Prof. Dr. Josef Ruthig von der Universität Mainz und Herrn Prof. Dr. Ralf P. Schenke von der Universität Würzburg, die einen langen Flug auf sich genommen und hervorragende Vortragsmanuskripte vorgelegt haben, darf ich herzlich willkommen heißen und Ihnen meinen wärmsten Dank aussprechen. Frau Professorin Dr. Annette Guckelberger von der Universität des Saarlandes und Herr Professor Jan Ziekow von der Universität Speyer konnten aus persönlichen Gründe zu ihrem großen Bedauern nicht nach Seoul kommen. Frau Professor Guckelberger hat uns jedoch ihr Vortragsmanuskript zur Verfügung gestellt, dessen Übersetzung ins Koreanische Ihnen bereits vorliegt. Wie Sie wissen, versucht unsere Vereinigung, wissenschaftliche Verbindungen zwischen den koreanischen und den deutschen Kollegen herzustellen und zu pflegen1. Seit 2005 finden regelmäßig koreanisch-deutsche Symposien in Deutschland und Korea statt.
1 Zur Rezeption des deutschen Verwaltungsrechts in Korea, vgl. Jong Hyun Seok, Die Rezeption des deutschen Verwaltungsrechts in Korea, Schriften zum Öffentlichen Recht, Band 604, Duncker & Humblot, Berlin, 1991.
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Jong Hyun Seok
So haben wir gemeinsam mit der Juristischen Fakultät der Universität Mannheim im Juli 2005 ein erstes Koreanisch-Deutsches Symposium mit dem Hauptthema „Rechtsschutz gegen staatliche Hoheitsakte, insbesondere gegen Verwaltungshandlungen“ veranstaltet. Auf diesem Symposium haben Prof. Dr. Hong Suck Cho über das Thema „Die verfassungsrechtliche Kontrolle staatlicher Hoheitsakte in Korea“, Prof. Dr. Hae Ryoung Kim über „Die verwaltungsgerichtlichen Klagearten in Korea“, Prof. Dr. Hee Gon Kim über „Vorläufiger Rechtsschutz im koreanischen Verwaltungsprozessrecht“, Prof. Dr. Jee Tai Ryu über „Die Klagebefugnis in Korea“, Prof. Dr. Choon Hwan Kim über „Kollektivklagen in Korea“, Prof. Dr. Dong Soo Song über „Grenzen der gerichtlichen Überprüfung von Hoheitsakten in Korea“, Prof. Dr. Hyun Ho Kang über „Justizfreie Hoheitsakte, insbesondere Regierungsakte in Korea“ und ich über „Entwicklungstendenzen der Koreanischen Verwaltungsgerichtsbarkeit“ jeweils einen Gastvortrag gehalten. Von deutscher Seite haben Vorträge gehalten: Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schenke über „Die verfassungsrechtliche Garantie des Rechtsschutzes gegenüber Hoheitsakten in Deutschland“, Prof. Dr. Thomas Würtenberger über „Die verwaltungsgerichtlichen Klagearten in Deutschland“, Prof. Dr. Josef Ruthig über „Subjektiver Rechtsschutz und objektive Rechtskontrolle in Deutschland“, Prof. Dr. Hans-Werner Laubinger über „Grenzen der gerichtlichen Überprüfung von Hoheitsakten in Deutschland“ und Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kurt Graulich über „Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten in Deutschland“. Die auf dem Symposium gehaltenen Vorträge wurden 2006 als Tagungsband in die „Schriften zum Internationalen Recht“ (Band 160) aufgenommen, die im Verlag Duncker & Humblot erscheinen. Das zweite Symposium vom 29. bis 30. August 2006 haben wir zum Rahmenthema „Die öffentlich-rechtlichen Fragen in der Risikogesellschaft“ in Seoul veranstaltet. Auf diesem zweiten Symposium haben Prof. Dr. Dongsoo Song über „Vorsorge im koreanischen Umweltrecht“2, Prof. Dr. Nam Cheol Kim über „Umweltschutz in der Risikogesellschaft“3, Prof. Dr. Byung Ki Kim über „Informales Verwaltungshandeln als eine Herausforderung für das koreanische Verwaltungsrecht“4, Prof. Dr. 2 Dongsoo Song, Vorsorge im koreanischen Umweltrecht, in: Public Land Law Review, Band 32 (Sept. 2006), S. 41 ff.; Hee Gon Kim, Diskussionsbeitrag zum Vortrag von Songsoo Song über Vorsorge im koreanischen Umweltrecht, in: Public Land Law Review, Band 32 (Sept. 2006), S. 58 ff. 3 Nam Cheol Kim, Umweltschutz in der Risikogesellschaft, in: Public Land Law Review, Band 32 (Sept. 2006), S. 135 ff.; Jong Yeong Yi, Diskussionsbeitrag zum Vortrag von Prof. Dr. Nam Cheol Kim über Umweltschutz in der Risikogesellschaft, in: Public Land Law Review, Band 32 (Sept. 2006), S. 169 ff. 4 Byung Ki Kim, Informales Verwaltungshandeln als eine Herausforderung für das koreanische Verwaltungsrecht, in: Public Land Law Review, Band 32 (Sept. 2006), S. 201 ff.; Joon Kyu Kil, Diskussionsbeitrag zum Vortrag von Prof. Dr. Byung Gi Kim über „Informales Ver-
Eröffnungsrede
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Soong Pyo Eun über „Die staatliche Geldpolitik in der Risikogesellschaft5“, Prof. Dr. Hyun Ho Kang über „Die öffentlich-rechtliche Gefährdungshaftung in Korea“6, Dr. Mun Soo Kang über „Die Gesetzgebung in der Risikogesellschaft“7 und ich jeweils einen Vortrag gehalten. Von deutscher Seite referierten: Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schenke über „Anscheinsgefahr und Gefahrenverdacht im Recht der öffentlichen Sicherheit (Polizeirecht)“8, Prof. Dr. Hans-Werner Laubinger über „Gefahr, Nachteil, Belästigung und Risiko im Immissionsschutzrecht“9, Prof. Dr. Jan Ziekow über „Folgenabschätzung und Folgenbeobachtung durch die öffentliche Verwaltung“10, Prof. Dr. Peter Baumeister über „Die staatshaftungsrechtlichen Fragen in der Risikogesellschaft“11. Allerdings konnten Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schenke und Prof. Dr. Jan Ziekow aus persönlichen Gründen nicht kommen. Daher verlasen Prof. Dr. Hans-Werner Laubinger und Prof. Dr. Peter Baumeister die Vorträge von Prof. Dr. Schenke und Prof. Dr. Ziekow. Auf diesem Symposium haben Prof. Dr. Bong Gi Shin, Prof. Dr. Hee Gon Kim, Prof. Dr. Jong Yeong Yi, Prof. Dr. Hong Suck Cho, Prof. Dr. Joon Kyu Kil, Prof. Dr. Dong Sik Lee, Prof. Dr. Jae Young Son, Prof. Dr. In Sung Cho und Prof. Dr. Kyong Je Kim als Diskutanten teilgenommen. Die deutschen Vortragsmanuskripte wurden ins Koreanische übersetzt. Die Übersetzungsarbeit haben Prof. Dr. Jae Young Son, Prof. Dr. Dongsoo Song, Prof. Dr. waltungshandeln als eine Herausforderung für das koreanische Verwaltungsrecht“, in: Public Land Law Review, Band 32 (Sept. 2006), S. 219 ff. 5 Soong Pyo Eun, Die staatliche Geldpolitik in der Risikogesellschaft, in: Public Land Law Review, Band 32 (Sept. 2006), S. 222 ff.; Dong Sik Lee, Diskussionsbeitrag zum Vortrag von Prof. Dr. Soong Pyo Eun über „Die staatliche Geldpolitik in der Risikogesellschaft“, in: Public Land Law Review, Band 32 (Sept. 2006), S. 259 ff. 6 Hyun Ho Kang, Die öffentlich-rechtliche Gefährdungshaftung in Korea, in: Public Land Law Review, Band 32 (Sept. 2006), S. 286 ff.; In Sung Cho, Diskussionsbeitrag zum Vortrag von Herrn Prof. Dr. Hyun Ho Kang über „Die öffentlich-rechtliche Gefährdungshaftung in Korea“, in: Public Land Law Review, Band 32 (Sept. 2006), S. 316 ff. 7 Mun Soo Kang, Die Gesetzgebung in der Risikogesellschaft, in: Public Land Law Review, Band 32 (Sept. 2006), S. 321 ff.; Kyong Je Kim, Diskussionsbeitrag zum Vortrag von Dr. Mun Soo Kang über „Die Gesetzgebung in der Risikogesellschaft“, in: Public Land Law Review, Band 32 (Sept. 2006), S. 355 ff. 8 Wolf-Rüdiger Schenke, Anscheinsgefahr und Gefahrenverdacht im Recht der öffentlichen Sicherheit (Polizeirecht), in: Public Land Law Review, Band 32 (Sept. 2006), S. 5 ff.; Bong Ki Shin, Diskussionsbeitrag zum Referat von Wolf-Rüdiger Schenke über „Anscheinsgefahr und Gefahrenverdacht im Recht der öffentlichen Sicherheit (Polizeirecht)“, in: Public Land Law Review, Band 32 (Sept. 2006), S. 38 ff. 9 Hans-Werner Laubinger, Gefahr, Nachteil, Belästigung und Risiko im Immissionsschutzrecht, in: Public Land Law Review, Band 32 (Sept. 2006), S. 69 ff. 10 Jan Ziekow, Folgenabschätzung und Folgenbeobachtung durch die öffentliche Verwaltung, in: Public Land Law Review, Band 32 (Sept. 2006), S. 171 ff. 11 Peter Baumeister, Staatshaftungsrechtliche Fragen in der Risikogesellschaft, in: Public Land Law Review, Band 32 (Sept. 2006), S. 261 ff.; Jae Young Son, Diskussionsbeitrag zum Referat von Peter Baumeister über „Staatshaftungsrechtliche Fragen in der Risikogesellschaft“, in: Public Land Law Review, Band 32 (Sept. 2006), S. 283 ff.
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Jong Hyun Seok
Hyun Jun Kim, Prof. Dr. Nam Choel Kim, Dr. Se Min Oh, Prof. Dr. Byung Gi Kim, Prof. Dr. Soong Pyo Eun, Prof. Dr. Seung Pil Choi, Prof. Dr. Hyun Ho Kang und Dr. Mun Soo Kang übernommen. Die Vorträge auf dem Symposium wurden von der Vereinigung der koreanischen Verwaltungsrechtslehrer in der Zeitschrift Korean Public Land Law Review Band 32 vom September 2006 veröffentlicht. Das dritte Symposium vom 13. bis 15. September 2007 wurde von uns zum Rahmenthema „Die Einbeziehung Privater in der Erfüllung öffentlicher Aufgaben“ in Speyer veranstaltet12. Auf diesem Symposium haben Prof. Dr. Sung Soo Kim über „Public Partnership als neue Form der Erfüllung staatlicher Aufgaben“, Prof. Dr. Hae Ryoung Kim über „Staatliche Verantwortung für die Inanspruchnahme von Raum- und Umweltressourcen“, Prof. Dr. Kee Hong Kang über „Möglichkeiten und Grenzen der Bürger zur Teilnahme an der Ortsrechtsgesetzgebung der koreanischen Gemeinden“, Prof. Dr. Dongsoo Song über „Zugang zu Informationen Privater Unternehmen, die öffentliche Aufgaben erfüllen“ und ich über „neue Entwicklungstendenzen des koreanischen Verwaltungsrechts“ jeweils einen Vortrag gehalten. Von deutscher Seite hielten Vorträge: Prof. Dr. Jan Ziekow über „Neue Entwicklungstendenzen im Verhältnis zwischen öffentlicher Verwaltung und Privaten bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben“13, Prof. Dr. Peter Baumeister über „Public Partnership als neue Form der Erfüllung staatlicher Aufgaben“, Prof. Dr. Ulrich Stelkens über „Regelung wirtschaftlicher Tätigkeit als Form der Einbeziehung privatwirtschaftlicher Tätigkeit in die staatliche Daseinsvorsorge am Beispiel Telekommunikation“, Frau Professorin Dr. Annette Guckelberger über „Die Einbeziehung Privater durch Öffentlichkeitsbeteiligung in raumbedeutsame Planungsprozesse“, Prof. Dr. Hans-Werner Laubinger über „Bürgerbeteiligung im Kommunalrecht“, Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schenke über „Staatliche Haftung für Fehlverhalten von Privaten, die in die Erfüllung staatlicher Aufgaben einbezogen sind“, Dr. Alexander Windoffe über „Zugang zu Informationen privater Unternehmen, die öffentliche Aufgaben erfüllen“. Die Vorträge auf dem Symposium wurden 2008 als Tagungsband in die Schriftenreihe der Hochschule Speyer (Band 193) aufgenommen, die im Verlag Duncker & Humblot erscheint. Das vierte Symposium vom 9. bis 13. September 2009 haben wir zum Rahmenthema „Mediation als Methode und Instrument der Konfliktmittelung im öffentlichen Sektor“ in Speyer veranstaltet.
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Vgl. hierzu Jong Hyun Seok, Die Enteignung zu Gunsten des privaten Unternehmers in Korea, in: VerwArch Bd. 97. Heft 3 – 4 (Juli 2006), S. 611 ff. 13 Vgl. Jan Ziekow, Public Private Partnership – auf dem Weg zur Formierung einer intermediären Innovationsebene, in: VerwArch. Band 97, Heft 3 – 4 (Juli 2006), S. 626 ff.
Eröffnungsrede
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Auf dem Symposium haben Prof. Dr. Sang Kyum Kim über „Mediation im Kontext des Rechtsstaatsgebots der koreanischen Verfassung“14, Prof. Dr. Soong Pyo Eun über „Entstaatlichung des Rechtsschutzes? Mediation vor der Garantie staatlicher Rechtsschutzgewährung“15, Prof. Dr. Hyun Ho Kang über „Mediation und Vorverfahren nach dem koreanischen WVfG“16, Prof. Dr. Sung Soo Kim über „Mediation und Verwaltungsgerichtsbarkeit – unter besonderer Berücksichtigung der koreanischen Erfahrung“17und Prof. Dr. Hee Gon Kim über „Mediation und Verwaltungsgerichtsbarkeit – insbesondere zu der Möglichkeit der Einführung und deren Aufgabe“18, Prof. Dr. Dongsoo Song über „Mediation im Umweltrecht unter besonderer Berücksichtigung des koreanischen Umweltmediationsgesetzes“19, Prof. Hae Ryoung Kim über „Mediation bei der Planung in Korea“20und ich über „Mediation im Kontext wandelnder Staatlichkeit“21 jeweils einen Vortrag gehalten. Von deutscher Seite hielten Vorträge: Prof. Dr. Jan Ziekow über „Mediation im Kontext wandelnder Staatlichkeit“22, Prof. Dr. Franz-Josef Peine über „Mediation im Kontext von Demokratie- und Rechtsstaatsgebot“23, Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch über „Entstaatlichung des Rechtsschutzes, Mediation vor der Garantie staatlicher Rechtsschutzgewährung“24, Prof. Dr. Mario Martini über „Mediation und Gemeinwohl – eine Beziehungsanalyse“25, Prof. Dr. Peter Baumeister über „Mediation und Vorver14
Sang Kyum Kim, Mediation im Kontext des Rechtsstaatsgebots der koreanischen Verfassung, in: Public Land Law Review, Band 47 (Dez. 2009), S. 33 ff. 15 Soong Pyo Eun, Entstaatlichung des Rechtsschutzes? Mediation vor der Garantie staatlicher Rechtsschutzgewährung, in: Public Land Law Review, Band 47 (Dez. 2009), S. 65 ff. 16 Hyun Ho Kang, Mediation und Vorverfahren nach dem koreanischen WVfG, in: Public Land Law Review, Band 47 (Dez. 2009), S. 229 ff. 17 Sung Soo Kim, Mediation und Verwaltungsgerichtsbarkeit – unter besonderer Berücksichtigung der koreanischen Erfahrung, in: Public Land Law Review, Band 47 (Dez. 2009), S. 157 ff. 18 Hee Gon Kim, Mediation und Verwaltungsgerichtsbarkeit – insbesondere zu der Möglichkeit der Einführung und deren Aufgabe, in: Public Land Law Review, Band 47 (Dez. 2009), S. 195 ff. 19 Dongsoo Song, Mediation im Umweltrecht unter besonderer Berücksichtigung des koreanischen Umweltmediationsgesetzes, in: Public Land Law Review, Band 47 (Dez. 2009), S. 265 ff. 20 Hae Ryoung Kim, Mediation bei der Planung, in: Public Land Law Review, Band 47 (Dez. 2009), S. 329 ff. 21 Jong Hyun Seok, Mediation im Kontext wandelnder Staatlichkeit, in: Public Land Law Review, Band 47 (Dez. 2009), S. 1 ff. 22 Jan Ziekow, Mediation im Kontext wandelnder Staatlichkeit, in: Public Land Law Review, Band 47 (Dez. 2009), S. 13 ff. 23 Franz Josef Peine, Mediation im Kontext von Demokratie- und Rechtsstaatsgebot, in: Public Land Law Review, Band 47 (Dez. 2009), S. 49 ff. 24 Michael Ronellenfitsch, Entstaatlichung des Rechtsschutzes Mediation vor der Garantie staatlicher Rechtsschutzgewährung, in: Public Land Law Review, Band 47 (Dez. 2009), S. 83 ff. 25 Mario Matini, Mediation und Gemeinwohl – eine Beziehungsanalyse, in: Public Land Law Review, Band 47 (Dez. 2009), S. 109 ff.
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Jong Hyun Seok
fahren“26, Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schenke über „Mediation und verwaltungsgerichtliches Verfahren“27, Prof. Dr. Rainer Pitschas über „Die Rechtswirkungen der Mediation im Bewirkungsspektrum in kollaborativer Governance“, Frau Professorin Dr. Annette Guckelberger über „Mediation im Umweltrecht“28, Dr. Thorsten Siegel über „Mediation in Planungsverfahren“. Die Vorträge wurden als Tagungsband in die Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Band 207 aufgenommen und vom Verlag Duncker & Humblot im Jahre 2010 veröffentlicht. Das fünfte Symposium vom 24. August 2012 haben wir zum Rahmenthema „Der Staat als Wirtschaftssubjekt und -regulierer“ in Daegu an der Yeungnam Universität veranstaltet. Auf dem Symposium haben Prof. Dr. Hae-Ryoung Kim und Prof. Dr. Seung Pil Choi über „Tendenzen der koreanischen Wirtschaftsregulierung und deren Streitpunkte“29, Prof. Dr. Sung Soo Kim über „Verfassungsrechtliche Grundlagen und Grenzen der Schutzgesetze für kleine Handelsgeschäfte“30, Prof. Dr. Dongsoo Song über „Entwicklungen des kommunalen Unternehmensrechts in Korea“31, Prof. Dr. Joon Kyu Kil über „Eine kritische Betrachtung über die Rekommunalisierung privatisierter Leistungen in der Republik Korea – einschließlich rechtsvergleichender Bewertungen mit dem deutschen Recht“32, Prof. Dr. Hyun Ho Kang über „Rechtsschutz gegen wirtschaftliche Betätigung der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften in Korea“33 jeweils einen Vortrag gehalten. Von deutscher Seite hielten Vorträge: Prof. Dr. Jan Ziekow über „Harte und weiche Regulierung – Instrumente der Regulierung“34, Prof. Dr. Josef Ruthig über „Aktuelle Entwicklungen der Finanz26 Peter Baumeister, Mediation und Vorverfahren, in: Public Land Law Review, Band 47 (Dez. 2009), S. 247 ff. 27 Wolf-Rüdiger Schenke, Mediation und verwaltungsgerichtliches Verfahren, in: Public Land Law Review, Band 47 (Dez. 2009), S. 177 ff. 28 Annette Guckelberger, Mediation im Umweltrecht, in: Public Land Law Review, Band 47 (Dez. 2009), S. 287 ff. 29 Hae Ryoung Kim/Seung Pil Choi, Tendenzen der koreanischen Wirtschaftsregulierung und deren Streitpunkte, in: Public Land Law Review, Band 59 (Nov. 2012), S. 349 ff. 30 Sung Soo Kim, Verfassungsrechtliche Grundlagen und Grenzen der Schutzgesetze für kleine Handelsgeschäfte, in: Public Land Law Review, Band 59 (Nov. 2012), S. 387 ff. 31 Songsoo Song, Entwicklungen des kommunalen Unternehmensrechts in Korea, in: Public Land Law Review, Band 59 (Nov. 2012), S. 477 ff. 32 Joon Kyu Kil, Eine kritische Betrachtung über die Rekommunalisierung privatisierter Leistungen in der Republik Korea – einschließlich rechtsvergleichender Bewertungen mit dem deutschen Recht, in: Public Land Law Review, Band 59 (Nov. 2012), S. 503 ff. 33 Hyun Ho Kang, Rechtsschutz gegen wirtschaftliche Betätigung der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften in Korea, in: Public Land Law Review, Band 59 (Nov. 2012), S. 537 ff. 34 Jan Ziekow, Harte und weiche Regulierung – Instrumente der Regulierung, in: Public Land Law Review, Band 59 (Nov. 2012), S. 338 ff.
Eröffnungsrede
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marktaufsicht in Europa“35, Prof. Dr. Hans-Werner Laubinger über „Die Ergänzung der staatlichen Beaufsichtigung von Wirtschaftsbetrieben durch Betriebsbeauftragte“36, Prof. Dr. Peter Baumeister über „Entwicklungen im Kommunalwirtschaftsrecht in Deutschland“37, Frau Professorin Dr. Annette Guckelberger über „Die Rekommunalisierung privatisierter Leistungen in Deutschland“38, Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schenke über „Rechtsschutz Privater gegen eine wirtschaftliche Betätigung der Kommunen“39. Die Vorträge auf dem Symposium wurden von der Vereinigung der Koreanischen Verwaltungsrechtslehrer in der Zeitschrift Korean Public Land Law Review Band 59 vom November 2012 aufgenommen. Zugleich wurden die Vorträge als Tagungsband in die Schriftenreihe der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, Band 218 aufgenommen und vom Verlag Duncker & Humblot 2013 veröffentlicht. Das sechste Symposium vom 18. bis 19. Oktober 2013 haben wir zum Rahmenthema „Systemkrisen und Systemvertrauen“ in Speyer veranstaltet. Auf diesem Symposium hielt ich die Eröffnungsrede und führte kurz in das Rahmenthema ein. Von koreanischer Seite hielten ferner Vorträge: Prof. Dr. Sung Soo Kim über „Wirtschafts- und Finanzkrisen als juristisches Problem – Krisenstaat und seine rechtsstaatliche Kontrolle“40, Frau Prof. Dr. Okju Shin über „Eine Studie über die verfassungsrechtliche wirtschaftliche Ordnung unter Berücksichtigung der Novellierungsdiskussion“, Prof. Dr. Seung Pil Choi über „Tendenzen und Strukturen der südkoreanischen Bankenregulierung“41, Prof. Dr. Hyun Ho Kang über „Sozialstaatliche Streitpunkte hinsichtlich der Finanz- und Wirtschaftskrise in Korea“42, Frau Prof. Dr. Hyun Im über „Aktuelle Fragen des Berufsbeamtentums“, Prof. Dr. Hee Gon Kim über „Die systemstabilisierende Funktion und die Aufgabe des Berufsbe-
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Josef Ruthig, Aktuelle Entwicklungen der Finanzmarktaufsicht in Europa, in: Public Land Law Review, Band 59 (Nov. 2012), S. 369 ff. 36 Hans-Werner Laubinger, Die Ergänzung der staatlichen Beaufsichtigung von Wirtschaftsbetrieben durch Betriebsbeauftragte, in: Public Land Law Review, Band 59 (Nov. 2012), S. 407 ff. 37 Peter Baumeister, Entwicklungen im Kommunalwirtschaftsrecht in Deutschland, in: Public Land Law Review, Band 59 (Nov. 2012), S. 457 ff. 38 Annette Guckelberger, Die Rekommunalisierung privatisierter Leistungen in Deutschland, in: Public Land Law Review, Band 59 (Nov. 2012), S. 491 ff. 39 Wolf-Rüdiger Schenke, in: Public Land Law Review, Band 59 (Nov. 2012), S. 523 ff. 40 Sung Soo Kim, Wirtschafts- und Finanzkrisen als juristisches Problem – Krisenstaat und seine rechtsstaatliche Kontrolle, in: Public Land Law Review, Band 63 (Nov. 2013), S. 329 ff. 41 Vgl. Seung Pil Choi, Tendenz der südkoreanischen Bankenregulierungsstruktur und diesbezügliche Streitpunkte, in: Public Land Law Review, Band 63 (Nov. 2013), S. 381 ff. 42 Vgl. Hyun Ho Kang, Der Sozialstaat in der Wirtschaftskrise, in: Public Land Law Review, Band 63 (Nov. 2013), S. 311 ff.
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amtentums“43, Prof. Dr. Byoung Hyo Moon über „Unabhängige Ombudsleute und Bürgerbeteiligung“44. Von deutscher Seite hielten Vorträge: Prof. Dr. Josef Ruthig über „Finanz- und Wirtschaftskrisen als juristisches Problem“, Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schenke über „Die Bankenaufsicht als Mittel zur Bekämpfung von Finanzkrisen“, Prof. Dr. Peter Baumeister über „Der Sozialstaat in der Finanz- und Wirtschaftskrise“, Prof. Dr. Hans-Werner Laubinger über „Die systemstabilisierende Funktion des Berufsbeamtentums“45, Frau Prof. Dr. Annette Guckelberger über „Unabhängige Ombudsleute“, Prof. Dr. Jan Ziekow über „Bürgerbeteiligung als systemstabilisierendes Element der parlamentarischen Demokratie“. Die Vorträge auf dem Symposium wurden als Tagungsband in die Schriftenreihe der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, Band 218 aufgenommen und im Jahr 2015 vom Verlag Duncker & Humblot veröffentlicht. Das siebte Symposium, zugleich das 97. Wissenschaftliche Symposium der Korean Public Land Law Association, fand vom 13. bis 15. März 2015 in Seoul an der Yonsei Universität statt und war dem Rahmenthema „Gestaltung des städtischen Raums“ gewidmet. Auf diesem Symposium hielt ich die Eröffnungsrede und führte hierbei kurz in das Rahmenthema ein46. Von koreanischer Seite hielten zudem Vorträge: Prof. Dr. Byoung Hyo Moon über „Urban Governance: Gestaltung des städtischen Raums in partizipativen Netzwerken“47, Frau Prof. Dr. Okju Shin über „Eine Studie über die tatsächliche Garantie der Bürgerbeteiligung hinsichtlich Kernkraftwerksfragen“48, Prof. Dr. Hyun Ho Kang über „Planungs- und Verwaltungsermessen“49, Prof. Dr. Bo Cook Seo über „Mittel zur Sicherung der Bauleitplanung in Deutschland und Korea“50, Prof. Dr. Sung Soo Kim über „Inhaltliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Bebauungsplänen und ihre verfassungsrechtliche Implikation unter besonderer Berücksichtigung des Gemeinwohlerfordernisses von Bebauungsanlagen“51. Von deutscher Seite hielten Vorträge: Prof. Dr. Jan Ziekow über 43 Hee Gon Kim, Die systemstabilisierende Funktion und die Aufgabe des Berufsbeamtentums, in: Public Land Law Review, Band 63 (Nov. 2013), S. 345 ff. 44 Byoung Hyo Moon, Unabhängige Ombudsleute und Bürgerbeteiligung, in: Public Land Law Review, Band 63 (Nov. 2013), S. 369 ff. 45 Hans-Werner Laubinger, in: Public Land Law Review, Band 63 (Nov. 2013), S. 473 ff. 46 Jong Hyun Seok, Eröffnungsrede, in: Public Land Law Review, Band 70 (Nov. 2015). 47 Byung Hyo Moon, Urban Governance: Gestaltung des städtischen Raums in partizipativen Netzwerken, in: Public Land Law Review, Band 70 (Nov. 2015), S. 71 ff. 48 Ok Ju Shin, Eine Studie über die tatsächliche Garantie der Bürgerbeteiligung hinsichtlich Kernkraftwerksfragen, in: Public Land Law Review, Band 70 (Nov. 2015), S. 225 ff. 49 Hyun Ho Kang, Planungs- und Verwaltungsermessen, in: Public Land Law Review, Band 70 (Nov. 2015), S. 205 ff. 50 Bo Cook Seo, Mittel zur Sicherung der Bauleitplanung in Deutschland und Korea, in: Public Land Law Review, Band 70 (Nov. 2015), S. 87 ff. 51 Sung Soo Kim, Inhaltliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Bebauungsplänen und ihre verfassungsrechtliche Implikation unter besonderer Berücksichtigung des Gemeinwohlerfordernisses von Bebauungsanlagen, in: Public Land Law Review, Band 70 (Nov. 2015), S. 99 ff.
Eröffnungsrede
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„Urban Governance: Zukunftsplanung in partizipativen Netzwerken“, Frau Prof. Dr. Annette Guckelberger über „Abstimmungsmöglichkeiten der Bürger/-innen im Kontext von Bauleitplänen und Planungsvorhaben“52, Prof. Dr. Josef Ruthig über „Planungs- und Verwaltungsermessen“53, Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schenke über „Veränderungssperre und Zurückstellung des Baugesuchs als Mittel zur Sicherung der Bauleitplanung“54, Prof. Dr. Ralf P. Schenke über „Fehlerfolgen und Grundsatz der Planerhaltung im Bauplanungsrecht“55, Prof. Dr. Hans-Werner Laubinger über „Lärmschutzplanung, veranschaulicht am Beispiel der Stadt Mainz“56. Die Vorträge und die Diskussionsbeiträge von Prof. Dr. Nam Chul Chung über „Fehlerfolgen und Grundsatz der Planerhaltung im Bauplanungsrecht“ und von Prof. Dr. Hee Gon Kim über „Abstimmungsmöglichkeiten der Bürger/-innen im Kontext von Bauleitplänen und Planungsvorhaben“ wurden in der Public Land Law Review, Band 70 (November 2015) veröffentlicht und auch als Tagungsband in der Schriftenreihe der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, Band 231 im Jahr 2017 durch den Verlag Duncker & Humblot publiziert. Zusammenfassend kann ich feststellen, dass wir eine Vielzahl aktueller Themen miteinander diskutiert haben und damit einem für die koreanische wie die deutsche Seite gleichermaßen fruchtbaren Gedankenaustausch gedient haben. Das bisherige Symposium fügt sich damit in eine Reihe von Begegnungen zwischen koreanischen und deutschen Verwaltungsrechtslehrern ein, die bereits seit vielen Jahren stattfinden und die in diesem Jahr eine Fortsetzung in Seoul finden. Nun veranstalten wir das achte Symposium, das das Rahmenthema „Aktuelle Probleme der Rechtssetzung in Korea und Deutschland“ zum Gegenstand hat. In diesem Rahmen beschäftigen wir uns mit verschiedenen konkreten Themen, so der Gesetzesfolgenabschätzung in Korea und Deutschland, dem Rechtsschutz gegen untergesetzliche Normen (Satzungen und Rechtsverordnungen), der Satzungsgebung und der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle in Korea, den Rechtsverordnungen im deutschen Recht und im koreanischen Recht, den Regeln der Technik und technischen Regelwerken in Deutschland und Korea, den Verwaltungsvorschriften in Deutschland und Korea und dem Vertrauensschutz bei der Normsetzung sowie der echten
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Annette Guckelberger, Abstimmungsmöglichkeiten der Bürger/-innen im Kontext von Bauleitplänen und Planungsvorhaben, in: Public Land Law Review, Band 70 (Nov. 2015), S. 33 ff. 53 Josef Ruthig, Planungs- und Verwaltungsermessen, in: Public Land Law Review, Band 70 (Nov. 2015), S. 153 ff. 54 Wolf-Rüdiger Schenke, Veränderungssperre und Zurückstellung des Baugesuchs als Mittel zur Sicherung der Bauleitplanung, in: Public Land Law Review, Band 70 (Nov. 2015), S. 119 ff. 55 Ralf P. Schenke, Fehlerfolgen und Grundsatz der Planerhaltung im Bauplanungsrecht, in: Public Land Law Review, Band 70 (Nov. 2015), S. 1 ff. 56 Hans-Werner Laubinger, Lärmschutzplanung, veranschaulicht am Beispiel der Stadt Mainz, in: Public Land Law Review, Band 70 (Nov. 2015), S. 243 ff.
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und unechten Rückwirkung von Normen, auch das sind Themen, die sich in beiden Rechtsordnungen gleichermaßen stellen. Die Probleme der Normsetzung durch die Verwaltung sowie des Rechtsschutzes gegen untergesetzliche Normen und ihrer gerichtlichen Kontrolle sind sowohl in Korea wie auch in Deutschland von hoher Aktualität. In Korea versteht man genauso wie in Deutschland unter untergesetzlichen Normen Rechtsverordnungen und Satzungen. Gemäß Art. 75 und 95 der koreanischen Verfassung kann die Exekutive allgemeinverbindliche präsidiale bzw. ministerielle Anordnungen erlassen, soweit hierfür eine gesetzliche Ermächtigung besteht. Die Ermächtigung zum Erlass einer präsidialen bzw. einer ministeriellen Verordnung muss dabei nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und konkret sein. Der administrativen Verordnung kommt vor allem die Funktion zu, den Inhalt und Zweck des Gesetzes näher zu ergänzen und zu konkretisieren. Rechtsverordnungen sind demnach Rechtssätze, die durch die Verwaltung, nämlich durch den Präsidenten oder einen Minister, auf der Basis einer gesetzlichen Ermächtigung erlassen werden und Außenwirkung entfalten. Dagegen sind Verwaltungsvorschriften abstrakt-generelle Reglungen im verwaltungsinternen Bereich. Obwohl eigentlich schon seit jeher bekannt und eine Selbstverständlichkeit des Verwaltungsrechts, bilden sie sowohl in Korea wie auch in Deutschland Dauerbrenner der juristischen Diskussion. Die Frage, ob die administrative Normsetzung einschließlich der Verwaltungsvorschriften verfassungsgerichtlich oder verwaltungsprozessrechtlich nachzuprüfen ist, stellt eine Frage dar, mit der wir uns auch zu beschäftigen und die wir juristisch zu klären haben. Das diesjährige Symposium verfolgt auch das Ziel, Ihnen Informationen und Anregungen für die juristische Praxis zu geben und durch eine gemeinsame Diskussion der sich in Korea und Deutschland gleichermaßen stellenden Fragen zu deren Lösung beizutragen. Das Koreanisch-Deutsche Symposium zum Verwaltungsrechtsvergleich wird dem Thema „Probleme der Normsetzung in Korea und Deutschland“ weiter verbunden bleiben und auf die sich hier stellenden offenen Fragen immer wieder hinweisen. Die Tagung ist aus unserer Sicht ein wichtiges Element auf dem Weg zu einer Lösung der noch offenen Fragen der administrativen Normsetzung. Ich bin allen Teilnehmern dankbar, dass sie durch ihre Beiträge und ihre Anwesenheit deutlich gemacht haben, dass ein Problembewusstsein vorhanden ist. Alle, die sich mit dem Thema beschäftigen, wissen, dass die Probleme der Normsetzung von hoher Aktualität sind. Ich bin sicher, dass der Erfahrungsaustausch, den diese Tagung bewirken wird, zur Beleuchtung der behandelten Fragen beitragen und uns hilfreiche Hinweise für die Praxis geben wird.
Eröffnungsrede
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Zum Abschluss möchte ich allen danken, welche die heutige Veranstaltung möglich gemacht haben. Ich würde mich freuen, wenn wir uns dann nächstes Jahr in Deutschland wiedersehen würden. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Rechtsverordnungen als untergesetzliche Normen Von Annette Guckelberger und Katja Viktoria Gluding
I. Einleitung In Deutschland gibt es Gesetze im formellen und Gesetze im materiellen Sinne.1 Als Gesetze im formellen Sinne bezeichnet man solche Rechtssätze, die vom Parlament nach dem verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Gesetzgebungsverfahren in der vorgesehenen Form erlassen wurden.2 Gesetze im formellen Sinne entstammen dem Parlament. Sie werden daher auch Parlamentsgesetze genannt.3 Demgegenüber werden Gesetze im nur materiellen Sinne nicht vom Parlament verabschiedet. Bei ihnen handelt es sich vielmehr um abstrakt-generelle Regelungen mit Außenwirkung, die von einem Träger der Hoheitsgewalt erlassen wurden.4 Rein materielle Gesetze werden von der Exekutive erlassen. Zu den Gesetzen im materiellen Sinne zählen Rechtsverordnungen und Satzungen.5 Aufgrund ihrer unterschiedlichen Urheberschaft ist eine Abgrenzung der Rechtsverordnungen von den Parlamentsgesetzen im Normalfall relativ einfach vorzunehmen. In der 18. Legislaturperiode wurden 548 formelle Gesetze verkündet.6 Im gleichen Zeitrahmen wurden dagegen weitaus mehr, insgesamt 1.349, Rechtsverordnungen von der Exekutive erlassen.7 Rechtsverordnungen haben demnach eine große 1
Zum geschichtlichen Hintergrund s. Maurer, Staatsrecht I, 6. Aufl. 2010, § 17 Rn. 7 ff. BVerwG, Urt. v. 15. 12. 2016 – 2 C 31/15, NVwZ-RR 2017, 789 (790); Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2017, Rn. 88; Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Aufl. 2018, § 7 Rn. 4; Gröpl, Staatsrecht I, 9. Aufl. 2017, Rn. 434; Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl. 2017, § 4 Rn. 16. 3 Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4 Rn. 16. 4 Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 5; Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 435. 5 Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 5; Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 437. 6 https://www.bundestag.de/blob/194870/cf6769441cb2c733ca5f3948644d25e9/gesetzge bung_wp18-data.pdf, zuletzt abgerufen am 7. 2. 2018 um 8:55 Uhr. s.a. Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2011, S. 111 Tabelle 4.11.1: In der 14. Legislaturperiode wurden 549, in der 15. Legislaturperiode 385 und in der 16. Legislaturperiode 613 Gesetze erlassen. 7 Zahl basierend auf Informationen vom Bundesamt für Justiz. s.a. Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2011, S. 111 Tabelle 4.11.2: In der 14. Legislaturperiode wurden 943, in der 15. Legislaturperiode 868 und in der 16. Legislaturperiode 1073 Rechtsverordnungen erlassen. 2
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praktische Bedeutung.8 Wichtige Beispiele für solche Rechtsverordnungen sind u. a. die Baunutzungsverordnung (BauNVO)9, die Verordnungen zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchV)10 oder die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)11. Aus Praktikabilitätsgründen ist der Parlamentsgesetzgeber zum Teil dazu übergegangen, ein Parlamentsgesetz und gleichzeitig die sich darauf beziehenden Regelungen in der jeweiligen Rechtsverordnung abzuändern. So kann das Parlament bspw. Normen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) ändern und gleichzeitig die darauf Bezug nehmenden Normen der BImSchV anpassen. Obwohl dadurch einzelne Regelungen der Rechtsverordnung vom Parlament selbst getroffen werden, spricht ihnen die – in der Literatur durchaus kritisierte – Rechtsprechung ebenfalls Verordnungscharakter zu. Für die Abgrenzung ist insoweit einzig und allein entscheidend, dass die Regelung nach wie vor Bestandteil der Rechtsverordnung ist. Entscheidend ist die äußere Form. Das Parlament möchte nur den Inhalt und nicht den Rang der Vorschriften ändern. Auf diese Weise werden Normen hybriden Charakters vermieden.12 Für den Bürger macht die genaue Einordnung zunächst keinen Unterschied, da sowohl Gesetze im formellen und materiellen Sinne als auch rein materielle Gesetze in Bezug auf ihn Außenwirkung haben und verbindlich sind.13 Schwieriger ist die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Gesetzen im nur materiellen Sinne untereinander, den Satzungen und den Rechtsverordnungen. Rechtsverordnungen sind von der Exekutive erlassene Rechtsvorschriften, die der Regelung staatlicher Angelegenheiten dienen.14 Mittels einer Satzung kann eine juristische Person des öffentlichen Rechts dagegen im Rahmen ihrer gesetzlich zugewiesenen Autonomie ihre Angelegenheiten mit Wirkung für ihre Angehörigen regeln.15 Bekannte Beispiele einer gemeindlichen Satzung sind die Bebauungspläne (§ 10 Abs. 1 BauGB), mit denen die Gemeinden in Ausübung ihrer Planungshoheit die bauliche Nutzung der Grundstücke im Gemeindegebiet festlegen. Im Gegensatz zu den Rechtsverordnungen entstammen Satzungen von dem Staat zwar zugehörigen, 8 Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2016, § 2 Rn. 51; Guckelberger, UTR 2011, 49 (65). 9 Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke vom 26. 6. 1962, BauNVO, BGBl. I S. 429. 10 Z. B. erste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 26. 1. 2010 (Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen), BGBl. I S. 38. 11 Straßenverkehrs-Ordnung, Verordnung vom 6. 3. 2013, BGBl. I S. 367. 12 Mit Nachweisen und die BVerfG-Rechtsprechung auf den erstmaligen Erlass einer Verordnung ausdehnend BVerwG, Urt. v. 15. 12. 2016 – 2 C 31/15, NVwZ-RR 2017, 789 (789 ff.). 13 Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 437, 485. 14 Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 90. 15 BVerfG, Beschl. v. 9. 5. 1972 – 1 BvR 518/62, 308/64, BVerfGE 33, 125 (156); Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 96; Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 7; Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 1224.
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aber sonst rechtlich autonomen Organisationen.16 Dass sie Satzungen zur Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten erlassen dürfen, ist Ausfluss ihres Selbstverwaltungsrechts. Deshalb stellen Satzungen autonomes Recht dar.17 Dennoch sind die Grenzen zwischen Satzungen und Rechtsverordnungen oftmals fließend. Umstritten ist z. B., in welcher Rechtsform Raumordnungspläne zu erlassen sind. Weil die überörtliche Raumordnung zum staatlichen Aufgabenkreis zählt, werden Landesraumordnungspläne in aller Regel richtigerweise als Rechtsverordnung eingestuft.18 Eine genaue Abgrenzung ist daher häufig nur anhand der äußeren Form möglich.19 Außerdem sind Verwaltungsvorschriften von Rechtsverordnungen zu unterscheiden. Beide werden von der Exekutive erlassen.20 Allerdings stellen Verwaltungsvorschriften im Unterschied zu Rechtsverordnungen keine Gesetze im materiellen Sinne dar.21 Verwaltungsvorschriften beinhalten generell-abstrakte Regelungen oder Anordnungen, die eine Behörde gegenüber einer ihr nachgeordneten Behörde bzw. ein Vorgesetzter gegenüber ihm unterstellten Verwaltungsbediensteten aufstellt.22 Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften enthalten Auslegungsvorgaben an die Behördenmitarbeiter, etwa ob das Merkmal der „Unzuverlässigkeit“ für die Untersagung eines Gewerbes in einem engen oder weiten Sinne zu verstehen ist. Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften enthalten Direktiven an die Behördenmitarbeiter zur Ermessensausübung, etwa dass nach zehn Jahren vom Einschreiten gegen Schwarzbauten abzusehen ist, sofern kein atypischer Fall vorliegt. Ebenso wie die norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften steuern ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften die behördliche Entscheidungsfindung und dienen einem einheitlichen Normvollzug.23 Verwaltungsvorschriften entfalten grundsätzlich keine unmittelbare Außenwirkung.24 Hiervon weichen lediglich die normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften ab, die ausnahmsweise für Bürger sowie Gerichte bindend sind.25 Hauptbeispiel für solche normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften sind die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) und 16
Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 7. Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 7; Ipsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 2017, Rn. 108, 302; s.a. Voßkuhle/Wischmeyer, JuS 2015, 311 (312). 18 Kment, Rechtsschutz im Hinblick auf Raumordnungspläne, 2002, S. 187 ff. 19 Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 98. 20 Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 1186; Guckelberger, Die Verwaltung 2002, 61 (62). 21 Bull/Mehde, Allgemeines Verwaltungsrecht mit Verwaltungslehre, 9. Aufl. 2015, Rn. 174. Ossenbühl, Rechtsverordnung in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts [der Bundesrepublik Deutschland], 3. Aufl. 2007, §103 Rn. 7 bezeichnet sie als NichtRechtssätze. 22 Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 100; Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 8; Guckelberger, Die Verwaltung 2002, 61 (62). 23 Guckelberger, Die Verwaltung 2002, 61 (64). 24 Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 8; Guckelberger, Die Verwaltung 2002, 61 (62, 65 ff.). 25 Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 1186. 17
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die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm). Ihre unmittelbare Außenwirkung wird mit der für ihren Erlass vorgesehenen besonderen Rechtsgrundlage (§ 48 BImSchG) und ihrem formalisierten Verfahren unter Beteiligung von Vertretern aus der Wissenschaft, den Betroffenen und der beteiligten Wirtschaft begründet.26 Da derartige Verwaltungsvorschriften in atypischen Fällen und bei Überholtsein nicht binden, eignen sie sich mangels gesetzesgleicher Wirkung nach dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) nicht zur Umsetzung von EU-Richtlinien ins nationale Recht.27 Im Übrigen dürfen die deutschen Rechtsverordnungen nicht mit den Verordnungen der Europäischen Union verwechselt werden. Letztere werden von den Organen der Europäischen Union als sekundäres Gemeinschaftsrecht erlassen. Sie sind in allen Teilen verbindlich und gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat, Art. 288 Abs. 2 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Beispielsweise gelten die meisten Regelungen der EU-Datenschutz-Grundverordnung seit dem 25. Mai 2018 in Deutschland unmittelbar und sind daher für die Bürger, Behörden und Gerichte ohne weiteren nationalen Umsetzungsakt verbindlich.28 Auf den ersten Blick einfach scheint die Abgrenzung der Rechtsverordnung vom Verwaltungsakt. Rechtsverordnungen enthalten generell-abstrakte Regelungen. Einfachgesetzlich bestimmt bspw. § 59 Abs. 2 des Saarländischen Polizeigesetzes, dass Polizeiverordnungen der Gefahrenabwehr dienende Gebote oder Verbote enthalten, „die für eine unbestimmte Zahl von Fällen an eine unbestimmte Zahl von Personen gerichtet sind“. Als Beispiel für eine solche Verordnung sei genannt, dass das Füttern von Tauben im gesamten Gemeindegebiet verboten ist. Im Unterschied dazu enthält ein Verwaltungsakt die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtete Regelung eines Einzelfalls, § 35 S. 1 VwVfG. Abgrenzungsprobleme entstehen vor allem im Hinblick auf Allgemeinverfügungen. Bei diesen handelt es sich um Verwaltungsakte, die sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richten (= personenbezogene Allgemeinverfügung, z. B. Verbot einer konkreten Versammlung an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Uhrzeit) oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache (= sachbezogene Allgemeinverfügung, z. B. Benennung einer bestimmten Straße) oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betreffen (= benutzungsregelnde Allgemeinverfügung), § 35 S. 2 VwVfG. Unterschiedliche Ansichten gab es z. B. darüber, ob ein Verkehrszeichen an einer bestimmten Stelle eine Rechtsverordnung oder ein Verwaltungsakt ist. Früher wurde in der Literatur teilweise der Standpunkt eingenommen, das jeweilige Verkehrszeichen enthalte eine Vorgabe für das Verhalten einer unbestimmten Zahl von Verkehrsteilnehmern in einer unbestimmten Zahl von Fällen und sei
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Ausführlich Guckelberger, Die Verwaltung 2002, 61 (66 ff.). EuGH, Urt. v. 30. 5. 1991 – Rs. C-59/89, NVwZ 1991, 868 (868 ff.). 28 Art. 99 Abs. 2 Verordnung (EU) = 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27. 6. 2016, ABl. EU Nr. L 119, S. 1 ff. 27
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daher eine Rechtsverordnung.29 Die Rechtsprechung erblickt darin eine benutzungsregelnde Allgemeinverfügung, denn es bezieht sich auf eine konkrete örtliche Verkehrssituation und tritt gleichsam an die Stelle eines den Verkehr regelnden Polizisten.30 Letztlich ist für die Abgrenzung eines Verwaltungsakts von einer Rechtsverordnung das Merkmal der „Regelung eines Einzelfalls“ entscheidend. Bei einer Allgemeinverfügung wird sachlich im Kern eine Einzelfallregelung getroffen. Eine Allgemeinverfügung nach § 35 S. 2 Var. 1 VwVfG enthält ihrem Wesen nach eine generell-konkrete Regelung, d. h. eine Regelung gegenüber einer (un)bestimmten Anzahl von unmittelbaren personalen Adressaten für einen bestimmten Sachverhalt.31 Argument für die Annahme einer Allgemeinverfügung kann sein, dass die Regelung einen kleineren räumlichen Bereich betrifft.32 Auch bei einem größeren räumlichen Geltungsbereich kann noch eine Allgemeinverfügung anzunehmen sein, wenn die Maßnahme von nur kurzer Zeitdauer anlässlich einer bestimmten Situation ergeht.33
II. Anforderungen an Rechtsverordnungen Rechtsverordnungen sind das typische Mittel der Normsetzung durch die vollziehende Gewalt.34 Den verfassungsrechtlichen Rahmen für den Erlass von Rechtsverordnungen gibt Art. 80 GG vor, wenn die Verordnungsermächtigung eine solche des Bundes ist.35 Ermächtigt ein Landesgesetz zum Rechtsverordnungserlass, findet sich in den meisten Landesverfassungen eine dem Art. 80 GG vergleichbare Norm.36 Sollten diese im Einzelfall hinter den Anforderungen des Art. 80 GG zurückbleiben, gelten aus Homogenitätsgründen die wesentlichen Grundsätze des Art. 80 Abs. 1 GG entsprechend.37 Art. 80 Abs. 1 GG räumt dem Bundesgesetzgeber die Möglichkeit ein, seine Gesetzgebungsbefugnis auf die Exekutive zu delegieren. Dass das Verordnungsrecht der 29
Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 9 Rn. 35. BVerwG, Urt. v. 13. 12. 1979 – 7 C 46.78, BVerwGE 59, 221 (225); die Einordnung zwischen § 35 S. 2 Var. 2 und Var. 3 VwVfG offen lassend Maurer, Rechtsschutz gegen Verkehrszeichen, in: Festschrift für Wolf-Rüdiger Schenke zum 70. Geburtstag, 2011, 1013 (1017). 31 OVG Saarlouis, Beschl. v. 2. 11. 2010 – 3 B 164/10, NVwZ 2011, 190 (191). 32 Sodan/Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, 7. Aufl. 2016, § 74 Rn. 20. 33 Sodan/Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, § 74 Rn. 20. 34 BVerwG, Urt. v. 15. 12. 2016 – 2 C 31/15, NVwZ-RR 2017, 789 (790). 35 Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 827; Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 1193. 36 Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 828; Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 6; § 25 Rn. 3; Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 1193. 37 Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 828; Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2 Rn. 53; Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 1193; dazu, dass das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 S. 3 GG im landesrechtlichen Gesetzgebungsverfahren keine Anwendung finden soll, BVerwG, Urt. v. 15. 12. 2016 – 2 C 31/15, NVwZ-RR 2017, 789 (792 ff.). 30
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Exekutive immer ein in seiner Rechtssetzungsbefugnis abgeleitetes Recht ist,38 verdeutlicht Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG. Danach hat der Parlamentsgesetzgeber Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung zum Verordnungserlass im Gesetz zu bestimmen. Grenzen findet eine solche Delegation im Parlamentsvorbehalt bzw. der Wesentlichkeitstheorie.39 Wesentliche Entscheidungen, vor allem solche mit Grundrechtsbezug, bedürfen demnach einer Entscheidung des Parlamentsgesetzgebers durch ein Parlamentsgesetz.40 Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG steht einer ausufernden Übertragung der Rechtssetzung und somit einer möglichen Selbstentmachtung des Parlamentsgesetzgebers entgegen.41 Andererseits schafft diese Delegationsmöglichkeit insbesondere vor dem Hintergrund der Schnelllebigkeit unserer Gesellschaft ein Mittel, rasch und flexibel auf Veränderungen zu reagieren.42 Dabei wird der parlamentarische Gesetzgeber in hohem Maße entlastet.43 Er kann sich auf politische Leitentscheidungen konzentrieren und die Detailarbeit der Exekutive, die häufig über spezifischen Sachverstand verfügt, überlassen.44 Besonders gut lässt sich dieses Zusammenspiel von Gesetz und Rechtsverordnung am Beispiel des Gesetzes über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSIG) demonstrieren. Hier hat der Gesetzgeber in § 2 Abs. 10 S. 1 BSIG festgelegt, dass Kritische IT-Infrastrukturen Einrichtungen, Anlagen oder Teile davon sind, die den Sektoren Energie, Informationstechnik und Telekommunikation, Transport und Verkehr, Gesundheit, Wasser, Ernährung sowie Finanz- und Versicherungswesen angehören (Nr. 1). Außerdem müssen sie von hoher Bedeutung für das Ge38
BVerwG, Urt. v. 15. 12. 2016 – 2 C 31/15, NVwZ-RR 2017, 789 (791). BVerwG, Urt. v. 15. 12. 2016 – 2 C 31/15, NVwZ-RR 2017, 789 (792); Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2 Rn. 52; Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 6; § 25 Rn. 4; Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 1203; Guckelberger, UTR 2011, 49 (66). 40 BVerfG, Urt. v. 19. 12. 2017 – 1 BvL 3/14, 1 BvL 4/14, Rn. 116, juris; Beschl. v. 21. 4. 2015 – 2 BvR 1322/12, 2 BvR 1989/12, BVerfGE 139, 19 (45); Beschl. v. 1. 4. 2014 – 2 BvF 1, 3/12, BVerfGE 136, 69 (114); BVerwG, Urt. v. 15. 12. 2016 – 2 C 31/15, NVwZ-RR 2017, 789 (792). 41 Bull/Mehde, Allgemeines Verwaltungsrecht mit Verwaltungslehre, Rn. 174; Erbguth/ Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 4; Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 1201, 1203; BVerfG, Beschl. v. 21. 9. 2016 – 2 BvL 1/15, Rn. 54, BVerfGE 143, 38 (60); Urt. v. 23. 10. 1951 – 2 BvG 1/51, BVerfGE 1, 14 (60); BVerwG, Urt. v. 15. 12. 2016 – 2 C 31/15, NVwZ-RR 2017, 789 (792). 42 Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2 Rn. 51; Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 2; Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4 Rn. 22; Uhle, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, 35. Edition 2017, Art. 80; BVerfG, Beschl. v. 21. 9. 2016 – 2 BvL 1/15, Rn. 57, BVerfGE 143, 38 (61). 43 Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 51; Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 6; Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4 Rn. 22; Stober, in: Wolff/Bachof/Stober/Kluth (Hrsg.), Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2017, § 25 Rn. 40. 44 Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2 Rn. 51; Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 2; Voßkuhle/Wischmeyer, JuS 2015, 311 (311). Zum Sachverstand Uhle, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.) BeckOK GG, Art. 80. 39
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meinwesen sein, weil durch ihren Ausfall und ihre Beeinträchtigung erhebliche Versorgungsengpässe oder Gefährdungen für die öffentliche Sicherheit eintreten würden (Nr. 2). Nach Satz 2 werden derartige kritische Infrastrukturen durch eine Rechtsverordnung nach § 10 Abs. 1 BSIG näher bestimmt. Denn die Exekutive kann aufgrund ihrer Expertise und Ressourcen die Kritikalität der Infrastrukturen besser beurteilen als der Gesetzgeber und im Sinne eines dynamischen Grundrechtsschutzes die Regelungen schneller an geänderte Erkenntnisse anpassen.45 Auf Grund der Verschiebung der Kompetenzen knüpft Art. 80 GG somit strenge Voraussetzungen an eine solche Delegation.46 Schließlich ist die Ermächtigung nicht endgültig, d. h. der Gesetzgeber kann sich die Rechtssetzungsbefugnis jederzeit zurückholen.47 Durch dieses dauerhaft bestehende legislative Rückholrecht, etwa durch Änderung oder Aufhebung der Rechtsgrundlage, behält der parlamentarische Gesetzgeber die Kontrolle über den Inhalt der Rechtsverordnung.48 Ebenso wie bei den formellen Gesetzen wird auch bei Rechtsverordnungen zwischen solchen des Bundes und solchen der Länder differenziert. Die Abgrenzung erfolgt dabei nicht anhand der Rechtsnatur der Verordnungsermächtigung, sondern danach, wer die Rechtsverordnung erlassen hat.49 Rechtsverordnungen, die von einer Landesregierung erlassen werden, sind daher immer solche des Landes, selbst wenn ein Bundesgesetz sie zum Erlass ermächtigt hat. Rechtsverordnungen der Bundesregierung oder -ministerien sind solche des Bundes.50
III. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Rechtsverordnung 1. Ermächtigungsgrundlage Das Grundgesetz kennt kein originäres Verordnungsrecht.51 Vielmehr schreibt Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG vor, dass jede Rechtsverordnung auf einer formellen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage beruhen muss. Durch die Übertragung legislativer 45
Guckelberger, DVBl 2015, 1213 (1216 f.). s. Verordnung zur Bestimmung Kritischer Infrastrukturen nach dem BSI-Gesetz vom 22. April 2016, BGBl I S. 958; Erste Verordnung zur Änderung der BSI-Kritisverordnung v. 21. Juni 2017, BGBl. I S. 1903. 46 In diese Richtung Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 4; Stober, in: Wolff/Bachof/Stober/Kluth (Hrsg.), § 25 Rn. 43. 47 Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 1199; s.a. Kotulla/Rolfsen, NVwZ 2010, 943 (945); Stober, in: Wolff/Bachof/Stober/Kluth (Hrsg.), § 25 Rn. 44; Uhle, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.) BeckOK GG, Art. 80 Rn. 7; BVerfG, Beschl. v. 13. 9. 2005 – 2 BvF 2/03, BVerfGE 114, 196 (232). 48 BVerwG, Urt. v. 15. 12. 2016 – 2 C 31/15, NVwZ-RR 2017, 789 (791). 49 Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 3; BVerwG, Urt. v. 17. 3. 2016 – 7 CN 1.15, BVerwGE 154, 247 (252). 50 BVerwG, Urt. v. 17. 3. 2016 – 7 CN 1.15, BVerwGE 154, 247 (252). 51 Guckelberger, UTR 2011, 49 (65); Uhle, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.) BeckOK GG, Art. 80 Rn. 7. Für ein solches autonomes Recht Ossenbühl, Rechtsverordnung, § 103 Rn. 15 ff.
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Aufgaben wird der Gewaltenteilungsgrundsatz (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG) durchbrochen. Nur durch den Rückgriff auf ein formelles Gesetz, das vom Parlament beschlossen wurde, kann der Bezug zum demokratisch legitimierten Gesetzgeber hergestellt werden.52 Eine Differenzierung, ob sich die Ermächtigung belastend oder begünstigend für den Bürger auswirkt, ist hier nicht zu treffen.53 Die Ermächtigungsgrundlage muss ihrerseits verfassungsmäßig sein, d. h. das ermächtigende Parlamentsgesetz muss den formellen und materiellen Anforderungen des Grundgesetzes entsprechen.54 Ist die Ermächtigungsgrundlage nichtig, so sind auch die darauf zurückgehenden Rechtsverordnungen nichtig.55 Eine Ausnahme für das Weiterbestehen der Wirksamkeit besteht allenfalls übergangsweise, um rechtlose Zustände zu vermeiden.56 Um eine taugliche Ermächtigungsgrundlage zu bilden, muss die Ermächtigung mindestens im Zeitpunkt der Ausfertigung der Rechtsverordnung in Kraft sein.57 Sollte es zu einer nachträglichen Änderung oder gar zu einem Erlöschen der Ermächtigungsgrundlage kommen, hat dies jedoch nach überwiegender Meinung keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit einer ordnungsgemäß erlassenen Rechtsverordnung.58 Ferner muss die Ermächtigungsgrundlage Inhalt, Zweck und Ausmaß der Rechtsverordnung erkennen lassen, Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG. Durch den Inhalt wird das Sachgebiet eingegrenzt, für das die Ermächtigung gilt. Der Zweck gibt an, welche Ziele mit der Rechtsverordnung angestrebt werden. Das Maß steckt die Grenzen der Ermächtigung ab.59 Auch wenn eine genaue Abgrenzung der drei Voraussetzungen 52 Zu Ersterem s. Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 4; BVerwG, Urt. v. 15. 12. 2016 – 2 C 31/15, NVwZ-RR 2017, 789 (791); s.a. Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 1196. 53 Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 826. 54 Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 6. Aufl. 2010, Art. 80 Rn. 24; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 835; Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 4; Uhle, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.) BeckOK GG, Art. 80 Rn. 7. 55 Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), GG, 14. Aufl. 2018, Art. 80 Rn. 53; Uhle, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.) BeckOK GG, Art. 80 Rn. 9. 56 Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 81. Aufl. 2017, Art. 80 Rn. 55; Uhle, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.) BeckOK GG, Art. 80 Rn. 9; BFH, Urt. v. 24. 11. 1993 – X R 5/91, BFHE 173, 519 (527 f.). 57 Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Art. 80 Rn. 7; Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 80 Rn. 50; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Art. 80 Rn. 51; Uhle, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.) BeckOK GG, Art. 80 Rn. 8. Etwas anderes wird ausnahmsweise für diejenigen Konstellationen angenommen, in denen Gesetz und Rechtsverordnung aus einem Guss durch das Parlament erlassen werden, BVerwG, Urt. v. 15. 12. 2016 – 2 C 31/15, NVwZ-RR 2017, 789 (791). 58 Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 1216; Mann, in: Sachs (Hrsg.) GG, Art. 80 Rn. 7; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Art. 80 Rn. 52; Uhle, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.) BeckOK GG, Art. 80 Rn. 8; a.A. Ossenbühl, Rechtsverordnung, § 103 Rn. 77. 59 Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 1202; Uhle, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.) BeckOK GG, Art. 80 Rn. 21 ff.
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nicht immer möglich ist, soll damit zumindest eine pauschalierte Ermächtigung ausgeschlossen werden.60 Das Bestimmtheitsgebot fordert dabei nicht, dass der Wortlaut aus sich heraus bestimmt sein muss. Es genügt, wenn die Reichweite der Ermächtigung durch Auslegung unter Berücksichtigung anderer Vorschriften, der mit dem Gesetz verfolgten Ziele sowie der Historie ermittelt werden kann.61 Für den Bürger soll das ermächtigende Gesetz deutlich Aufschluss darüber geben, wann von der Ermächtigung zum Erlass der Rechtsverordnung Gebrauch gemacht werden und mit welchem Inhalt dies geschehen kann.62 Die Regelungsdichte der Verordnungsermächtigung muss so sein, dass eine willkürliche Handhabung durch die Exekutive ausgeschlossen ist.63 Je intensiver der Eingriff in die Rechte des Betroffenen durch die Verordnung sein soll, desto höhere Anforderungen muss die Ermächtigungsgrundlage hinsichtlich ihrer Bestimmtheit erfüllen.64 Außerdem muss der Ermächtigungsadressat aus der Ermächtigungsgrundlage hervorgehen.65 Ermächtigungsadressaten können nach Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG ausschließlich die Bundesregierung, ein Bundesminister/-ministerium oder die Landesregierungen sein.66 Sofern sich die Ermächtigung an die Bundesregierung wendet, ist diese als Ganze, also als Kollegialorgan, gemeint.67 Davon wird vor allem dann Gebrauch gemacht, wenn die Materie von besonderer politischer Relevanz ist, sodass es nach § 15 Abs. 1 lit. c Geschäftsordnung der Bundesregierung (GOBReg) einer Bundeskabinettsentscheidung bedarf.68 Soll ein Bundesminister/-ministerium adressiert werden, muss er/dieses nicht anhand seines Geschäftsbereiches ausgewählt werden. Auch wenn die Verordnung thematisch nicht in seinen Geschäftsbereich fällt, kann 60
Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 1202; Uhle, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.) BeckOK GG, Art. 80 Rn. 19 BVerfG, Urt. v. 19. 9. 2018 – 2 BvF 1/15, 2 BvF 2/15, NVwZ 2018, 1703 (1712). 61 Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 4; BVerfG, Beschl. v. 14. 5. 1969 – 1 BvR 615/67, 1 BvR 303/68, BVerfGE 26, 16 (27); Beschl. v. 21. 9. 2016 – 2 BvL 1/15, BVerfGE 143, 38 (60); BVerwG, Urt. v. 20. 10. 2016 – 7 C 6/15, NVwZ 2017, 485 (486). Dazu, dass zur näheren Bestimmung auch Rechtsakte außerhalb der Ermächtigung herangezogen werden können, BVerfG, Urt. v. 19. 9. 2018 – 2 BvF 1/15, 2 BvF 2/15, NVwZ 2018, 1703 (1712). 62 Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 4; BVerfG, Urt. v. 19. 9. 2018 – 2 BvF 1/15, 2 BvF 2/15, NVwZ 2018, 1703 (1712); Beschl. v. 21. 9. 2016 – 2 BvL 1/15, BVerfGE 143, 38 (60); Urt. v. 23.10.51 – 2 BvG 1/51, BVerfGE 1, 14 (60); BVerwG, Urt. v. 15. 12. 2016 – 2 C 31/15, NVwZ-RR 2017, 789 (792). 63 BVerwG, Urt. v. 15. 12. 2016 – 2 C 31/15, NVwZ-RR 2017, 789 (792). 64 BVerwG, Urt. v. 15. 12. 2016 – 2 C 31/15, NVwZ-RR 2017, 789 (791); BVerfG, Urt. v. 19. 9. 2018 – 2 BvF 1/15, 2 BvF 2/15, NVwZ 2018, 1703 (1712 f.); Beschl. v. 21. 4. 2015 – 2 BvR 1322/12, 2 BvR 1989/12, BVerfGE 139, 19 (47); Beschl. v. 21. 9. 2016 – 2 BvL 1/15, BVerfGE 143, 38 (60 f.). Uhle, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.) BeckOK GG, Art. 80 Rn. 25. 65 Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 1195. 66 Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Art. 80 Rn. 86. 67 Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Art. 80 Rn. 88; Uhle, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.) BeckOK GG, Art. 80 Rn. 11. 68 Uhle, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.) BeckOK GG, Art. 80 Rn. 12.
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er/dieses als zum Erlass Bevollmächtigter/es benannt werden.69 Denkbar ist es auch, mehrere Ministerien zu bestimmen, die ihre Delegationsbefugnis gemeinsam ausüben müssen.70 Ein solches Vorgehen bietet sich an, wenn die zu treffenden Regelungen den Themenbereich mehrerer Ministerien berühren. Andererseits kann ein solches gemeinsames Vorgehen den Verordnungserlass erschweren und verzögern.71 Nicht möglich ist eine Zusammenarbeit zwischen Bund und Land.72 Der zum Erlass Bevollmächtigte ist sodann frei in seiner Entscheidung, ob und inwiefern er seinem Delegationsauftrag nachkommen möchte. Für ihn besteht in der Regel keinerlei Pflicht, eine Rechtsverordnung tatsächlich zu erlassen.73 Ausnahmen können sich aus der Ermächtigungsgrundlage selbst ergeben, sofern diese eine solche Pflicht begründet.74 Eine Erlasspflicht kommt auch dann in Betracht, wenn das Gesetz ohne ergänzende Rechtsverordnung nicht durchführbar wäre.75 2. Formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen a) Zuständigkeit Für den Erlass von Rechtsverordnungen zuständig sind die explizit in der Ermächtigung genannten Adressaten. Art. 80 Abs. 1 S. 4 GG eröffnet ferner die Möglichkeit, die Ermächtigung an andere Organe weiter zu übertragen.76 Für eine Subdelegation muss zunächst die Ermächtigungsgrundlage selbst oder ein anderes formelles Bundesgesetz die Übertragung der Ermächtigung gestatten.77 Des Weiteren muss die eigentliche Übertragung in einer Rechtsverordnung festgelegt werden.78 Der Gesetzgeber kann dabei schon vorab innerhalb des Gesetzes aussprechen, wem die Subdelegation zuteilwerden soll oder es aber dem eigentlichen Ermächtigungsadressaten 69
Uhle, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.) BeckOK GG, Art. 80 Rn. 12; a.A. Ossenbühl, Rechtsverordnung, § 103 Rn. 31; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Art. 80 Rn. 91. 70 Uhle, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.) BeckOK GG, Art. 80 Rn. 13. 71 Zur Bestimmung der kritischen Infrastrukturen Guckelberger, DVBl 2015, 1213 (1216 f.). 72 Uhle, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.) BeckOK GG, Art. 80 Rn. 13. 73 Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 1196; Ossenbühl, Rechtsverordnung, § 103 Rn. 50; Uhle, in: Hillgruber (Hrsg.) BeckOK GG, Art. 80 Rn. 30. 74 Ossenbühl, Rechtsverordnung, § 103 Rn. 50. 75 Ossenbühl, Rechtsverordnung, § 103 Rn. 50. 76 Mann, in: Sachs (Hrsg.) GG, Art. 80 Rn. 14. 77 Mann, in: Sachs (Hrsg.) GG, Art. 80 Rn. 33; Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 14. Aufl. 2016, Art. 80 Rn. 30; Uhle, in: Epping/ Hillgruber (Hrsg.) BeckOK GG, Art. 80 Rn. 34; BVerwG, Urt. v. 28. 8. 1969 – I C 44.66, DÖV 1970, 135 (135). 78 Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 5; Mann, in: Sachs (Hrsg.) GG, Art. 80 Rn. 33.
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überlassen.79 So ermöglicht § 23 Abs. 2 S. 2 BImSchG den Landesregierungen eine Subdelegation auf eine oder mehrere oberste Landesbehörden, ohne diese näher zu konkretisieren. Im Telekommunikationsgesetz findet sich dagegen häufig eine Verordnungsermächtigung, in der das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur die Ermächtigung nur auf die Bundesnetzagentur übertragen darf (u. a. § 45n Abs. 7 S. 1; § 77o Abs. 1 S. 5; § 142 Abs. 3 S. 2; § 143 Abs. 4 S. 3). Eine Delegation auf nichtstaatliche Stellen ist von vorneherein nicht möglich.80 b) Verfahren Art. 80 Abs. 2 GG normiert eine Zustimmungspflicht des Bundesrates für spezielle Rechtsverordnungen, sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Zustimmungspflichtige Rechtsverordnungen sind Rechtsverordnungen über die Grundsätze und Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen des Postwesens und der Telekommunikation, Erhebung des Entgelts für die Benutzung der Einrichtungen der Eisenbahnen des Bundes, Bau und Betrieb der Eisenbahnen sowie solche aufgrund von Bundesgesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen oder die von den Ländern im Auftrage des Bundes oder als eigene Angelegenheit ausgeführt werden. Dies gilt auch dann, wenn von einer Subdelegation nach Art. 80 Abs. 1 S. 4 GG Gebrauch gemacht wurde.81 Art. 80 Abs. 3 GG gewährt dem Bundesrat außerdem ein Verordnungsinitiativrecht, aber nur hinsichtlich zustimmungspflichtiger Rechtsverordnungen. Er kann eine diesbezügliche Vorlage an die Bundesregierung weiterleiten. Dennoch ist dem Verordnungsgeber die eigentliche Entscheidung darüber vorbehalten, ob und wie aufgrund dieser Vorlage eine Rechtsverordnung erlassen werden soll. Im Gegensatz zu Parlamentsgesetzen gibt es für das Verfahren der Verordnungsgebung in der Regel keine strengen verfahrensrechtlichen Anforderungen.82 Das zuständige Rechtssetzungsorgan handelt autonom ohne Mitwirkung der Opposition. In seltenen Fällen ist eine Zustimmung des Bundestages erforderlich. So bedürfen Verordnungen nach § 11 Abs. 2 PostG über den Inhalt und Umfang gewisser Postdienstleistungen der Zustimmung des Bundestages. Diese Mitwirkung des Bundestages an der Verordnungsgebung ist jedoch verfassungsrechtlich umstritten.83 Eine generelle Beteiligung der Öffentlichkeit ist nicht vorgesehen. Der Erlass einer Rechtsverordnung ist daher gegenüber der Gesetzgebung weitaus weniger 79
Bauer, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Aufl. 2015, Art. 80 Rn. 40. Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Art. 80 Rn. 61; Lepa, AöR 105 (1980) 337 (359 f.); Ossenbühl, Rechtsverordnung, § 103 Rn. 36; Uhle, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.) BeckOK GG, Art. 80 Rn. 34; BVerfG, Urt. v. 19. 9. 2018 – 2 BvF 1/15, 2 BvF 2/15, NVwZ 2018, 1703 (1713). 81 Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Art. 80 Rn. 103. 82 Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Art. 80 Rn. 128. 83 Kotulla/Rolfsen, NVwZ 2010, 943 (943 ff.); Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke (Hrsg.), Art. 80 Rn. 118 ff. 80
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transparent. Teilweise wird jedoch vor Erlass einer Rechtsverordnung eine Anhörungspflicht nichtstaatlicher Sachverständiger oder Gremien gesetzlich vorgeschrieben. So hat die Konkretisierung kritischer IT-Infrastrukturen gem. § 10 Abs. 1 S. 1 BSIG „nach Anhörung von Vertretern der Wissenschaft, der betroffenen Betreiber und der betroffenen Wirtschaftsverbände“ zu erfolgen.84 Durch die Anhörung wird die Entscheidungsgrundlage verbessert. Die Mitwirkungs- und Anhörungspflichten finden auch bei der Änderung einer Rechtsverordnung Anwendung. Nicht möglich ist es, die Rechtsverordnung einer Landesregierung von der Zustimmung des Bundesrates, also eines Bundesorgans, abhängig zu machen. Dies läuft dem Bundesstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG zuwider.85 c) Form In der Rechtsverordnung muss ihre Ermächtigungsnorm angegeben werden, Art. 80 Abs. 1 S. 3 GG. Dieses Zitiergebot dient vor allem der Rechtsstaatlichkeit und ermöglicht eine Selbstkontrolle des Verordnungsgebers sowie eine externe Richtigkeitskontrolle durch die Gerichte.86 Für den Bürger wird ersichtlich, dass eine und welche Ermächtigungsgrundlage konkret zugrunde gelegt wurde. In einem zweiten Schritt kann er überprüfen, ob der Inhalt der Verordnung von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt ist.87 Erforderlich ist eine präzise Nennung der Ermächtigungsnorm bzw. bei mehreren Ermächtigungsgrundlagen eine Bezeichnung der jeweiligen Normen und nicht nur des Gesetzes als Ganzes.88 Bei mehreren Ermächtigungsgrundlagen muss aber nicht für jede einzelne Bestimmung der Verordnung kenntlich gemacht werden, auf welcher Ermächtigung sie letztlich beruht.89 Genügend ist eine Angabe in der Präambel der Rechtsverordnung. Auf die Angabe der Fundstelle im
84 Mann, in: Sachs (Hrsg.) GG, Art. 80 Rn. 48; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke (Hrsg.), Art. 80 Rn. 127. 85 Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.) GG, Art. 80 Rn. 27. 86 BVerwG, Urt. v. 15. 12. 2016 – 2 C 31/15, NVwZ-RR 2017, 789 (793). Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 7; Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 1212; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Art. 80 Rn. 83; in diese Richtung auch Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Art. 80 Rn. 44, 48. 87 Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Art. 80 Rn. 48; Sannwald, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Art. 80 Rn. 83; von Coelln, in: Gröpl/Windthorst/von Coelln (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Aufl. 2017, Art. 80 Rn. 30; BVerfG Urt. v. 6. 7. 1999 – 2 BvF 3/90, BVerfGE 101, 1 (42). 88 Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 7; von Coelln, in: Gröpl/Windthorst/von Coelln (Hrsg.) Studienkommentar GG, Art. 80 Rn. 31; BVerfG, Beschl. v. 1. 4. 2014 – 2 BvF 1/12, 2 BvF 3/12, BVerfGE 136, 69 (113); Urt. v. 6. 7. 1999 – 2 BvF 3/90, BVerfGE 101, 1 (42). 89 BVerfG, Beschl. v. 1. 4. 2014 – 2 BvF 1/12, 2 BvF 3/12, BVerfGE 136, 69 (113); Urt. v. 6. 7. 1999 – 2 BvF 3/90, BVerfGE 101, 1 (42); Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Art. 80 Rn. 44; Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 7.
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amtlichen Gesetzblatt kann verzichtet werden.90 Aufgrund seines rechtsstaatlichen Hintergrunds führt die Missachtung des Zitiergebots des Art. 80 Abs. 1 S. 3 GG zur Nichtigkeit der Rechtsverordnung.91 Vor kurzem stellte sich das BVerwG für das Recht der einzelnen Bundesländer auf den Standpunkt, dass das Zitiergebot keine Anwendung findet, wenn es nicht von der jeweiligen Landesverfassung vorgegeben wird. Denn dieses Erfordernis unterliegt nicht dem Homogenitätsgebot.92 Umstritten ist, ob Rechtsverordnungen begründet werden müssen. Betrachtet man die Mehrzahl der Rechtsverordnungen, werden diese meistens nicht begründet. Der Wortlaut des Art. 80 GG gibt keinen Anlass für eine Begründungspflicht. Vereinzelt wird aus teleologischen Gründen eine allgemeine Begründungspflicht für Rechtsverordnungen gefordert. So bestünde eine zusätzliche Möglichkeit, die Beweggründe des Verordnungsgebers in Erfahrung zu bringen.93 Ferner würde für diesen eine Möglichkeit der Selbstkontrolle geschaffen.94 Auch kann eine Rechtmäßigkeitskontrolle der Rechtsverordnung vor allem hinsichtlich der Verhältnismäßigkeitsprüfung oder des allgemeinen Gleichheitssatzes bei Kenntnis der Hintergründe der Norm besser durchgeführt werden.95 Als Anknüpfungspunkt für eine solche Begründungspflicht wird dabei Art. 20 Abs. 3 GG oder Art. 19 Abs. 4 GG herangezogen.96 Allerdings sind Rechtsverordnungen in unterschiedlichen Bereichen und in unterschiedlichen Arten denkbar. Deshalb erscheint eine pauschalierte Begründungspflicht aufgrund der Verschiedenheit eher schwierig.97 Außerdem hat der Verfassungsgeber schon in Form des Zitiergebots eine Vorschrift für alle Rechtsverordnungen getroffen und anscheinend bewusst auf weitere Voraussetzungen verzichtet.98 Allerdings ist es dem Gesetzgeber unbenommen, innerhalb einzelner Ermächtigungsgrundlagen eine Begründungspflicht einfachgesetzlich für bestimmte Rechtsverordnungen zu verorten.99 Beispielsweise schreibt § 7 Abs. 5 Raumordnungsgesetz (ROG) für Raumordnungspläne eine Begründung vor. Auch wenn eine Begründungspflicht an90
Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Art. 80 Rn. 43; Pieroth, in: Jarass/ Pieroth (Hrsg.) GG, Art. 80 Rn. 22; BVerwG, Urt. v. 14. 12. 1982 – 1 C 23/79, NJW 1983, 1922. 91 Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Art. 80 Rn. 83; von Coelln, in: Gröpl/Windthorst/von Coelln (Hrsg.) Studienkommentar GG, Art. 80 Rn. 32; Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Art. 80 Rn. 46; BVerfG, Urt. v. 6. 7. 1999 – 2 BvF 3/90, BVerfGE 101, 1 (42 f.). 92 BVerwG, Urt. v. 15. 12. 2016 – 2 C 31/15, NVwZ-RR 2017, 789 (792 ff.). 93 Ossenbühl, Rechtsverordnung, § 103 Rn. 72; Uhle, Die Rechtsverordnung, in: Kluth/ Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, 2014, § 24 Rn. 73. 94 Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Art. 80 Rn. 45; Uhle, Die Rechtsverordnung, § 24 Rn. 73. 95 Groß, NordÖR 2015, 467 (469); Ossenbühl, Rechtsverordnung, § 103 Rn. 72. 96 Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Art. 80 Rn. 45; Mann, in: Sachs (Hrsg.) GG, Art. 80 Rn. 32; Uhle, Die Rechtsverordnung, § 24 Rn. 73. 97 Ossenbühl, Rechtsverordnung, § 103 Rn. 74; Uhle, Die Rechtsverordnung, § 24 Rn. 73. 98 Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 80 Rn. 131. 99 Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 80 Rn. 131.
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gesichts obiger Argumente zweckmäßig erscheint, ist eine verfassungsrechtliche Pflicht abzulehnen.100 Aus Rechtsstaatlichkeitsgesichtspunkten muss eine Rechtsverordnung ausgefertigt und verkündet werden.101 Nach Art. 82 Abs. 1 S. 2 GG sind Rechtsverordnungen von der Stelle, die sie erlässt, auszufertigen. Die Ausfertigung beinhaltet die Schaffung der Originalurkunde des Normtextes durch Unterschrift des zuständigen Organs.102 Im Anschluss wird die Rechtsverordnung zumeist im Bundesgesetzblatt verkündet.103 Der Bundesgesetzgeber hat zudem von seiner Befugnis aus Art. 82 Abs. 1 S. 2 GG Gebrauch gemacht und Näheres zur Verkündung im Gesetz über die Verkündung von Rechtsverordnungen und Bekanntmachungen normiert, sodass auch eine Verkündung im Bundesanzeiger möglich ist.104 Wird in der Rechtsverordnung der Zeitpunkt des Inkrafttretens nicht genannt, Art. 82 Abs. 2 S. 1 GG, tritt gemäß Art. 82 Abs. 2 S. 2 GG die Rechtsverordnung vierzehn Tage nach ihrer Verkündung in Kraft.105 3. Materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen Als materiell-rechtliche Anforderung muss sich die Rechtsverordnung zunächst inhaltlich in den vorgegebenen Rahmen der Ermächtigungsgrundlage einfügen.106 Nur soweit dies der Fall ist, hat der Verordnungsgesetzgeber einen eigenen Gestaltungsspielraum hinsichtlich des Regelungserlasses.107 Innerhalb des von der Ermächtigung gezogenen Rahmens verfügt der Verordnungsgeber über ein normatives Ermessen bei seiner Normsetzung, das er korrekt ausüben muss. Seine Regelungen müssen mit höherrangigem Recht und sonstigen verfassungsrechtlichen Anforderungen in Einklang stehen.108 Beispielsweise ist der Verordnungsgeber nach dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) zur Gleichbehandlung von wesentlich 100
Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 80 Rn. 131; Uhle, Die Rechtsverordnung, § 24 Rn. 73; a.A. Groß, NordÖR 2015, 467 (471 f.), der sich aus rechtspolitischen Erwägungen vor allem für Polizeiverordnungen für eine solche Begründungspflicht ausspricht. 101 Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 7; Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 1213. 102 Butzer, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 82 Rn. 113; Ossenbühl, Rechtsverordnung, § 103 Rn. 75. 103 Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Art. 80 Rn. 73. 104 Gesetz v. 30. 1. 1950, BGBl. I S. 23; Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Art. 80 Rn. 73; Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2 Rn. 57. 105 Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Art. 80 Rn. 74. 106 Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 8; Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 80 Rn. 119. 107 Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Art. 80 Rn. 68; Uhle, in: Epping/ Hillgruber (Hrsg.) BeckOK GG, Art. 80 Rn. 29. 108 Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 8; Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 80 Rn. 132, 119.
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Gleichem verpflichtet; wesentlichen Unterschieden muss er normativ Rechnung tragen.109 Vor kurzem musste das BVerwG prüfen, ob die Absenkung der Unterhaltsbeihilfen für Rechtsreferendare in einer Rechtsverordnung im Verhältnis zu Forstreferendaren gegen den Gleichheitssatz verstößt und verneinte dies, denn Rechtsreferendare hätten im Vergleich zu Forstreferendaren bessere Möglichkeiten zur Verbesserung ihres Einkommens durch einen Nebenverdienst.110 Sie würden über eine erheblich freiere Zeiteinteilung während ihres Vorbereitungsdienstes verfügen. Demgegenüber seien Forstreferendare wesentlich stärker in die allgemeinen täglichen Arbeitsabläufe der staatlichen Forstverwaltung eingebunden.111 Auch ist mit besonderem Augenmerk zu prüfen, ob die in der Verordnung enthaltenen Normen inhaltlich hinreichend bestimmt sind. Das Rechtsstaatsgebot verpflichtet den Verordnungsgeber, seine Regelungen so zu fassen, dass die Betroffenen die Rechtslage in zumutbarer Weise erkennen und ihr Verhalten daran ausrichten können.112 Für nicht mehr bestimmt genug hielt z. B. der VGH Mannheim eine Regelung in einer Polizeiverordnung, die den Alkoholgenuss im Freien untersagte, „wenn dessen Auswirkungen geeignet sind, Dritte erheblich zu belästigen“.113
IV. Wirksamkeit und Nichtigkeit Erfüllt eine Rechtsverordnung die dargestellten Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen, so ist sie wirksam und gegenüber jedem verbindlich.114 Sie tritt entweder durch Zeitablauf, sofern sie befristet ist, außer Kraft oder wenn sie durch den Verordnungsgeber oder durch den Gesetzgeber aufgehoben wird, da Letzterer, wie bereits ausgeführt, seine Delegation jederzeit zurücknehmen kann.115 Entspricht eine Rechtsverordnung den genannten formellen und/oder materiellen Voraussetzungen nicht, ist sie rechtswidrig und damit regelmäßig zugleich nichtig.116 Dabei kann bereits eine nichtige Ermächtigungsgrundlage zur Unwirksamkeit der Rechtsverordnung führen. In diesem Fall besteht keine Heilungsmöglichkeit
109
BVerwG, Urt. v. 15. 12. 2016 – 2 C 31/15, NVwZ-RR 2017, 789 (793). BVerwG, Urt. v. 15. 12. 2016 – 2 C 31/15, NVwZ-RR 2017, 789 (794). 111 BVerwG, Urt. v. 15. 12. 2016 – 2 C 31/15, NVwZ-RR 2017, 789 (794). 112 VGH Kassel, Urt. v. 10. 4. 2014 – 8 A 24211/11, LKRZ 2014, 289 (290). 113 VGH Mannheim, Urt. v. 28. 7. 2009 – 1 S 2340/08, VBlBW 2010, 33 (34). 114 Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.) GG, Art. 80 Rn. 31; Uhle, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.) BeckOK GG, Art. 80 Rn. 30. 115 Uhle, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.) BeckOK GG, Art. 80 Rn. 30. 116 Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Art. 80 Rn. 78; Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 9. Zum Grundsatz der ipso iure-Nichtigkeit ex tunc, Sachs, Verfahrensfehler im Verwaltungsverfahren, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts Band 2, 2. Aufl. 2012, § 31 Rn. 76. 110
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durch das nachträgliche Schaffen einer tauglichen Ermächtigungsgrundlage.117 Auch die Zustimmung des Parlaments hat keine heilende Wirkung.118 Die Rechtsverordnung ist ferner nichtig, wenn sie formell fehlerhaft ist. Als formelle Fehler kommen neben dem eben erwähnten Zitiergebot auch Fehler im Rahmen der Zuständigkeit, des Mitwirkungsgebots oder der Verkündung in Betracht. Hinsichtlich der Verfahrensfehler wird differenziert. Solche, die nur gegen Vorgaben einer Geschäftsordnung verstoßen, führen in der Regel nicht zu einer Nichtigkeit.119 Führt dieser Verstoß daneben zu einer Verletzung von Gesetzes- oder Verfassungsrecht, so differenziert das BVerfG für die Beachtlichkeit danach, ob der Verstoß offensichtlich, d. h. evident, ist.120 Evidenz ist bspw. dann gegeben, wenn wesentliche Beteiligungsvorschriften (Zustimmung des Bundesrates) missachtet werden oder eine nur unzureichende Ausfertigung oder Verkündung erfolgt.121 Im Übrigen ist es dem Gesetzgeber unter Beachtung des Verfassungsrechts unbenommen, bestimmte formelle Fehler von diesem Nichtigkeitsdogma auszunehmen.122 So enthält z. B. § 11 ROG eine detaillierte Regelung zur Beachtlichkeit und Unbeachtlichkeit von Fehlern bei Raumordnungsplänen (s. auch § 27 Abs. 2 ROG). Ein Verstoß der Rechtsverordnung gegen höherrangiges Recht führt als materieller Fehler grundsätzlich zur Nichtigkeit.123 Gleiches gilt bei der Überschreitung des inhaltlichen Rahmens der Ermächtigung.124
V. Rechtsschutz Der Einzelne kann auf verschiedenen Wegen gerichtlichen Rechtsschutz im Zusammenhang mit Rechtsverordnungen erlangen. Anders als bei formellen Gesetzen gibt es keine dem Art. 100 Abs. 1 GG entsprechende Norm, die für Rechtsverordnun117 Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.) GG, Art. 80 Rn. 32; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Art. 80 Rn. 54; BVerwG, Urt. v. 29. 4. 2010 – 2 C 77.08, BVerwGE 137, 30 (37). 118 Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.) GG, Art. 80 Rn. 32; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Art. 80 Rn. 120; BVerfG, Beschl. v. 15. 11. 1967 – 2 BvL 7, 20, 22/64, BVerfGE 22, 330 (346); Beschl. v. 9. 10. 1968 – 2 BvE 2/66, BVerfGE 24, 184 (199). 119 Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 1218. 120 BVerfG, Beschl. v. 11. 10. 1994 – 1 BvR 337/92, BVerfGE 91, 148 (175 f.); Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 80; Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 1219. 121 Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 1219. 122 Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 840. 123 Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 838; Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 8; von Coelln, in: Gröpl/Windthorst/von Coelln (Hrsg.) Studienkommentar GG, Art. 80 Rn. 33. 124 Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.) GG, Art. 80 Rn. 31; BVerfG, Urt. v. 27. 6. 2012 – 2 BvF 4/98, BVerfGE 106, 1 (12); Urt. v. 6. 7. 1999 – 2 BvF 3/90, BVerfGE 101, 1 (30); Beschl. v. 12. 10. 2010 – 2 BvF 1/07, BVerfGE 127, 293 (320).
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gen ein Verwerfungsmonopol des Verfassungsgerichts begründet.125 Daher können die Verwaltungsgerichte die Verfassungswidrigkeit von Rechtsverordnungen selbst prüfen und die notwendigen Konsequenzen daraus ziehen.126 Möglich ist eine Inzidentprüfung vor den Verwaltungsgerichten in Form eines verwaltungsprozessualen Rechtsbehelfs. Ergeht auf der Grundlage einer Rechtsverordnung ein Verwaltungsakt oder ein Realakt, kann der Einzelne gegen diese Einzelakte Klage erheben. Bei der Überprüfung des Verwaltungsakts oder Realakts kann das Verwaltungsgericht die Rechtswidrigkeit der Verordnung kontrollieren und diese im Falle ihrer Ungültigkeit unangewendet lassen.127 Beispielsweise könnte ein Bürger, dem aufgrund der Polizeiverordnung über den Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Hunden im Saarland128 die Haltung seines Hundes untersagt wird, gegen diese Untersagungsverfügung vor dem Verwaltungsgericht eine Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) erheben. Im Rahmen der Überprüfung dieser Anordnung wird sodann inzident die Rechtmäßigkeit ihrer Rechtsgrundlage, hier der Polizeiverordnung, untersucht. Dabei erwächst die Inzidententscheidung des Gerichts hinsichtlich der Wirksamkeit der Rechtsverordnung weder in Rechtskraft, noch kommt ihr Allgemeinverbindlichkeit zu. Sie wirkt nur inter partes, also zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits (= Kläger und Beklagter, unter Umständen Beigeladener).129 Eine inzidente Überprüfung einer Rechtsverordnung durch das Gericht kann des Weiteren durch Erhebung einer Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO erreicht werden.130 Da § 43 Abs. 1 VwGO keine Klage auf Feststellung der (Un-)Gültigkeit einer Rechtsnorm ermöglicht, sondern nur die „Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses“, muss dieses in der Anwendung der Norm auf einen bestimmten überschaubaren Sachverhalt zu finden sein, bei welchem die Rechtswirksamkeit der Norm als Vorfrage zu klären ist.131 Beispielsweise stellte sich das BVerwG auf den Standpunkt, dass betroffene Flughafenanwohner eine Feststellungsklage hinsichtlich der Unzumutbarkeit von Lärmbeeinträchtigungen ihrer Grundstücke erheben können, die auf die Festlegung bestimmter Flugrouten in
125 Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 1221; Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4 Rn. 67; Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 80 Rn. 139; VGH Mannheim, Urt. v. 8. 3. 2017 – 5 S 1044/15, VBlBW 2017, 340 (341). 126 VGH Mannheim, Urt. v. 8. 3. 2017 – 5 S 1044/15, VBlBW 2017, 340 (341). 127 Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 80 Rn. 141; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 15. Aufl. 2017, Rn. 1065 ff.; Voßkuhle/Wischmeyer, JuS 2015, 311 (313). 128 Vom 26. 7. 2000, AmtsBl. I, S. 1246, zuletzt geändert durch die Verordnung vom 9. 12. 2003, AmtsBl. I S. 2996. 129 Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 10; Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 80 Rn. 141. 130 BVerfG, Beschl. v. 17. 1. 2006 – 1 BvR 541, 542/02, BVerfGE 115, 81 (95). 131 Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 10; Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 80 Rn. 140; BVerfG, Beschl. v. 17. 1. 2006 – 1 BvR 541, 542/02, BVerfGE 115, 81 (95).
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einer Rechtsverordnung des Bundes zurückgehen.132 Die Feststellungsklage ist jedoch hinsichtlich anderer Klagearten nur subsidiär zulässig, § 43 Abs. 2 VwGO. Lediglich bei der abstrakten Normenkontrolle können die Oberverwaltungsgerichte nach § 47 Abs. 5 S. 2 VwGO die Ungültigkeit einer Rechtsvorschrift mit allgemeinverbindlicher Wirkung feststellen. Allerdings kommt diese Rechtsschutzmöglichkeit nicht bei allen Rechtsverordnungen in Betracht. Nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO ist die Normenkontrolle nur statthaft, wenn sie sich auf im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschriften bezieht. Dies ist nur bei Rechtsverordnungen der Länder der Fall. Rechtsverordnungen des Bundes, wie die StVO oder BauNVO, können keiner abstrakten Normenkontrolle zugeführt werden.133 Auch kommt eine solche Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO nur in Betracht, „sofern das Landesrecht dies bestimmt“. Das jeweilige Bundesland muss also von dieser Öffnungsklausel Gebrauch gemacht haben.134 So findet sich für das Saarland in § 18 AGVwGO ausdrücklich normiert, dass das Oberverwaltungsgericht im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit von Rechtsvorschriften entscheidet, die im Range unter dem Landesgesetz stehen. Eine solche Regelung fehlt in Berlin, Hamburg und Nordrhein-Westfalen. In diesen Bundesländern kann somit nur inzidenter Rechtsschutz ersucht werden. Schließlich ist eine solche Normenkontrolle nur „innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift“ zulässig (§ 47 Abs. 2 S. 1 VwGO). Sollte dem Bürger ausnahmsweise ein subjektives Recht auf Erlass einer Norm zukommen,135 ist zu überlegen, wie er den Erlass einer Rechtverordnung gerichtlich durchsetzen kann. Eine abstrakte Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 VwGO scheidet in aller Regel aus, weil diese Rechtsschutzmöglichkeit die Feststellung der Ungültigkeit einer bestehenden Norm zum Gegenstand hat.136 Als statthafte Klageart nimmt das BVerwG hier ebenfalls eine Feststellungsklage an,137 nach anderer Ansicht ist dagegen die allgemeine Leistungsklage vorzugswürdig.138 132 BVerwG, Urt. v. 28. 6. 2000 – 11 C 13.99, BVerwGE 111, 276 (278 f.); Urt. v. 10. 12. 2015 – 4 C 15/14, NVwZ-RR 2016, 323 (324). 133 Voßkuhle/Wischmeyer, JuS 2015, 311 (313); s.a. Wallrabenstein, in: Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 2012, Art. 80 Rn. 6, die nur eine Erweiterung auf alle Rechtsverordnungen für dogmatisch schlüssig hält. 134 Baden-Württemberg, § 4 AGVwGO BW; Bayern, Art. 5 S. 1 AGVwGO Bay; Brandenburg, § 4 Abs. 1 BbgVwGG; Bremen, Art. 7 Abs. 1 AGVwGO Brem; Hessen, § 15 Abs. 1 HessAGVwGO; Mecklenburg-Vorpommern, § 13 AGGerStrG MV; Niedersachsen, § 75 NJG; Rheinland-Pfalz, § 4 Abs. 1 S. 1 AGVwGO; Saarland, § 18 SaarAGVwGO; Sachsen, § 24 Abs. 1 SächsJG; Sachsen-Anhalt, § 10 AG VwGO LSA; Schleswig-Holstein, § 5 AGVwGO SH; Thüringen, § 4 ThürAGVwGO. 135 Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.) GG, Art. 80 Rn. 34; Voßkuhle/Wischmeyer, JuS 2015, 311 (313). 136 BVerwG, Urt. v. 16. 04. 2015 – 4 CN 2.14, BVerwGE 152, 55 (56 ff.). 137 Voßkuhle/Wischmeyer, JuS 2015, 311 (313); BVerwG, Urt. v. 3. 11. 1988 – BVerwG 7 C 115.86, BVerwGE 80, 355 (363); Urt. v. 28. 6. 2000 – BVerwG 11 C 13.99, BVerwGE 111, 276 (278); Urt. v. 28. 11. 2007 – BVerwG 9 C 10.07, BVerwGE 130, 52 (55 f.); Sächs. OVG,
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VI. Zugang zu Materialien in Bezug auf die Rechtsverordnungen nach dem UIG bzw. IFG Gerade weil das Verfahren der Verordnungsgebung vergleichsweise intransparent ist, kommt der Frage, ob und inwieweit Einzelne Zugang zu amtlichen Dokumenten zu dieser erlangen können, wichtige Bedeutung zu. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. a des Umweltinformationsgesetzes des Bundes (UIG) besteht keine Informationspflicht für oberste Bundesbehörden, „soweit und solange sie im Rahmen der Gesetzgebung tätig werden“. Das UIG 2005 beinhaltete zusätzlich den Passus „oder beim Erlass von Rechtsverordnungen“. Der deutsche Gesetzgeber und die Bundesbehörden sind davon ausgegangen, derartige Anträge auf Zugang zu Umweltinformationen ablehnen zu können, da sie zum Gesetzgebungsverfahren gehören. Der EuGH ist dieser Sichtweise nicht gefolgt. Weil die Ausnahmen der Aarhus-Konvention sowie der europäischen Umweltinformations-Richtlinie im Hinblick auf die Verbesserung des Umweltschutzes eng ausgelegt werden müssten, würden Ministerien nur im Rahmen der Gesetzgebung tätig, wenn sie „nach nationalem Recht damit betraut sind, Gesetzentwürfe vorzubereiten, diese dem Parlament vorzulegen und sich – u. a. mit Stellungnahmen – am Gesetzgebungsverfahren zu beteiligen“.139 Es geht also um die Mitwirkung bei der Entstehung formeller Gesetze, z. B. durch Gesetzentwürfe, Stellungnahmen oder Anhörungen.140 Anders stellt sich die Rechtslage aber beim rein exekutiven Erlass einer Rechtsverordnung dar. Hierbei geht es nicht wie bei der Gesetzgebung um eine freie schöpferische Gestaltung, sondern um die Eingrenzung der durch formelle Gesetze eröffneten Entscheidungsspielräume zur Erleichterung der Rechtsanwendung.141 Dabei handelt die Behörde nicht im Rahmen der Gesetzgebung im Sinne des Unions- und Völkerrechts.142 Deshalb wurde der Passus hinsichtlich der Rechtsverordnungen aus dem UIG gestrichen.143 Gleiches gilt für den Informationsanspruch aus § 1 Abs. 1 S. 1 IFG, der einen Anspruch gegen Stellen gewährt, die
Beschl. v. 30. 8. 2012 – 2 A 506/08, Rn. 7, juris; vgl. a. BVerwG, Urt. v. 4. 5. 2017 – 2 C 60/16, RiA 2017, 268 (270). 138 Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 1398; Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2 Rn. 140; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 1087; Voßkuhle/ Wischmeyer, JuS 2015, 311 (313). 139 EuGH, Urt. v. 14. 2. 2012 – C-204/09, EuZW 2012, 459 (461). 140 Götze/Engel, in: Götze/Engel (Hrsg.), UIG, 2017, § 2 Rn. 38. 141 Groß, NordÖR 2015, 467 (470). 142 EuGH, Urt. v. 18. 7. 2013 – C-515/11, NVwZ 2013, 1069 (1070); kritisch gegenüber der Begründung dieser Entscheidung Blatt, in: Deutsche Gesellschaft für Informationsfreiheit (Hrsg.), Informationsfreiheit und Informationsrecht, Jb 2013/14, 301 (350 f.); Kahl/Dubber, EurUP 2014, 215 (215 ff.). 143 EuGH, Urt. v. 18. 7. 2013 – C-515/11, NVwZ 2013, 1069 (1070); kritisch gegenüber der Begründung dieser Entscheidung Blatt, in: Deutsche Gesellschaft für Informationsfreiheit (Hrsg.), Informationsfreiheit und Informationsrecht, Jb 2013/14, 301 (350 f.); Kahl/Dubber, EurUP 2014, 215 (215 ff.).
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funktional Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen.144 Die Mitwirkung an der exekutiven Rechtssetzung stellt eine solche Verwaltungsaufgabe dar.145 Demnach sind die Ministerien, sofern der Anwendungsbereich des UIG oder des IFG eröffnet ist, unter Umständen informationspflichtig.
VII. Fazit Rechtsverordnungen bilden das typische Normsetzungsmittel der vollziehenden Gewalt. Aufgrund der Notwendigkeit einer parlamentsgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage handelt es sich dabei stets um eine abgeleitete Rechtssetzungsbefugnis. Weil wenige Vorgaben in Bezug auf das Verfahren der Verordnungsgebung bestehen, können Rechtsverordnungen vergleichsweise schnell erlassen und an veränderte Verhältnisse angepasst werden. Damit geht aber für die Öffentlichkeit ein Transparenzverlust einher. Vor allem unionsrechtliche Vorgaben, etwa zur Öffentlichkeitsbeteiligung bei umweltrelevanten Entscheidungen oder zum Umweltinformationszugang, tragen dazu bei, etwas mehr Licht ins Dunkel zu bringen. Literaturverzeichnis Bull, Hans Peter/Mehde, Veith, Allgemeines Verwaltungsrecht mit Verwaltungslehre, 9. Aufl. 2015, Heidelberg. Detterbeck, Steffen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2017, München. Dreier, Horst (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band 2, 3. Aufl. 2015, Tübingen. Ehlers, Dirk/Pünder, Hermann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2016, Berlin. Epping, Volker/Hillgruber, Christian (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, 35. Edition 2017, München. Erbguth, Wilfried/Guckelberger, Annette, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Aufl. 2018, Baden-Baden. Gersdorf, Hubertus/Paal, Boris P. (Hrsg.), BeckOK Informations- und Medienrecht, 18. Aufl. 2017, München (zitiert: Bearbeiter, in: Gersdorf/Paal). Götze, Roman/Engel, Gernot-Rüdiger (Hrsg.) Umweltinformationsgesetz, 2017, Berlin (zitiert: Bearbeiter, in: Götze/Engel). Gröpl, Christoph, Staatsrecht I, 9. Aufl. 2017, München. 144 Debus, in: Gersdorf/Paal (Hrsg.), BeckOK Informations- und Medienrecht, 18. Aufl. 2017, § 1 Rn. 131. 145 Allgemein zur Einordnung des Erlasses von Rechtsverordnungen Ziekow, Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl. 2013, § 1 Rn. 31. Zur Mitwirkung bei der Rechtssetzung insb. in Bezug auf den Bundesrat, s. Debus, in: Gersdorf/Paal (Hrsg.), § 1 Rn. 132.1; Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 208. In diese Richtung auch von Coelln, in: Gröpl/Windthorst/von Coelln (Hrsg.) Studienkommentar GG, Art. 50 Rn. 6; von der Decken, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Art. 50 Rn. 23 ff.
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Eine Studie über die Rechtsverordnung im koreanischen Rechtssystem hinsichtlich der Notwendigkeit der verstärkten Mitwirkung des Parlaments Von Okju Shin
I. Einleitung Das Parlament besitzt kein Gesetzgebungsmonopol. Die Exekutive kann ebenfalls allgemeinverbindliche Normen setzen, die als Rechtsverordnungen bezeichnet werden. Gründe für die exekutive Rechtssetzung sind vor allem die Schnelligkeit, Flexibilität und Effektivität im modernen Leistungsstaat. Nach den Angaben des ,Legislatorischen Amtes‘ vom 31. 1. 2018 sind im Registrierungszentrum für nationale Gesetze einer Verfassung 1.420 Gesetze, 1.667 präsidiale, 82 premierministerielle und 1.207 ministerielle Rechtsverordnungen verzeichnet. Die Besonderheit der Rechtsverordnung liegt darin, dass für ihren Erlass eine gesetzliche Ermächtigung oder gesetzliche Grundlage notwendig und sie daher gesetzesakzessorisch ist. Die originäre Gesetzgebungskompetenz liegt nach dem Gewaltenteilungsprinzip beim Parlament. Die Gesetzgebung durch die Exekutive ist sekundär. Beim Erlass von Ermächtigungsnormen ist der Grundsatz des Verbots der Blankettermächtigung nach Art. 75 der Verfassung zu beachten. Hiernach ist erforderlich, dass Ermächtigungsnormen ein ,bestimmtes Ausmaß‘ für die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen angeben. Dabei sollte auch der Inhalt und Zweck in den Ermächtigungsnormen bestimmt werden.
II. Kritische Punkte bei Ermächtigungsgesetzen und der delegierten Gesetzgebung 1. Bedeutung der exekutiven Gesetzgebung Im Vergleich zum deutschen Verständnis der exekutiven Rechtssetzung1, unter die lediglich die Rechtsverordnungen gefasst werden, versteht man die exekutive 1 In Deutschland versteht man unter exekutiver Rechtssetzung den Erlass einer Rechtsverordnung. Dies ist keine originäre, sondern sekundäre Rechtssetzung aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung. Lücke, Art. 80, S. 1519 ff. in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz
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Rechtssetzung in Korea überwiegend als Oberbegriff für alle abstrakt-generellen Normen der Verwaltung an sich, die mit oder ohne gesetzliche Ermächtigung erlassen werden.2 Von der exekutiven Rechtssetzung nicht umfasst sind die Verwaltungssatzungen und -vorschriften. Denn sie stellen keine abstrakt-generellen Normen dar und sind daher nicht allgemeinverbindlich für die Bürger. Manche Gesetzgeber schaffen jedoch auch unmittelbar Satzungsermächtigungen, welche die Verfassung nicht vorsieht. Laut einer Verfassungsgerichtsentscheidung ist eine solche Ermächtigung des Gesetzgebers nicht verfassungswidrig und besitzt Rechtsverordnungscharakter. Es gibt auch Rechtsverordnungen, die im Rang unter Satzungen und Verwaltungsvorschriften stehen, die nach verschiedenen Maßstäben als Rechtsverordnungen formuliert werden können. Daher ist es schwer, die exekutive Rechtssetzung nur mit dem Begriff der Rechtsverordnungen zu umschreiben. Art. 40 der koreanischen Verfassung sieht vor, dass die Gesetzgebungskompetenz beim Parlament verortet ist. Die Vorschrift beinhaltet auch den sog. Parlamentsvorbehalt, wonach der Gesetzgeber in grundlegenden Bereichen, insbesondere im Bereich der Grundrechtsausübung sowie der Staatsorganisation und -funktion, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen hat.3 Das Parlament hat aber kein Gesetzgebungsmonopol. In den Art. 75 und 95 der Verfassung4 ist die Grundlage der exekutiven Rechtssetzung verankert.5 Es ist allgeKommentar, 1999; Uhle, § 24 Die Rechtsverordnung, in: Kluth/Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, 2014, S. 587 ff.; Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), 3. Auflage, 2008, S. 381 ff. 2 Beispielsweise Sung, Nakin, Verfassungslehre, 2018, S. 575; Park, Kuynsung, Verwaltungsrecht (I), Parkyoungsa, 2009, S. 161. 3 KVerfGE 27. 5. 1999, 98Hunba70; Oberste Gerichtshofentscheidung 12. 10. 2002, 2006Du14476. 4 Art. 75 Der Präsident kann eine Präsidialverordnung über Angelegenheiten erlassen, die ihm durch das Gesetz übertragen wurden, und zwar mit dem speziell definierten Umfang und auch mit den für die Durchsetzung der Gesetze erforderlichen Angelegenheiten. Art. 95 Der Premierminister oder ein Minister eines jeden Exekutivministeriums können aufgrund von Gesetzen, Präsidialerlassen, delegierten Befugnissen oder von Amts wegen Verordnungen des Ministerpräsidenten erlassen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen. 5 In Art. 76, 77 der Verfassung wird der Präsident zum Erlass von „Notverordnungen“ und „Notfinanzwirtschaftsverordnungen“ ermächtigt, die den Rang eines Gesetzes haben und allgemein als eine Art Rechtsverordnung betrachtet werden. Aber meines Erachtens sind diese keine Rechtsverordnungen, sondern Notstandsgesetze, weil für ihren Erlass nach der Verfassung keine gesetzliche Ermächtigung notwendig ist und sie den Rang eines einfachen Gesetzes besitzen. Verfassungsrechtliche Grundlagen für die exekutive Rechtssetzung sind Art. 75 (präsidiale Rechtsverordnung), Art. 95 (premierministerielle und ministerielle Rechtsverordnung), Art. 64 (Parlamentarische Satzung), Art. 108 (Oberste Gerichtshofssatzung), Art. 113 (Verfassungsgerichtssatzung) und Art. 114 (Zentrale Wahlmanagementkommissionssatzung). Für die Satzung des Aufsichtsamtes findet man keine verfassungsrechtliche Grundlage. In § 52 des Gesetzes für das Aufsichtsamt findet sich die Grundlage für eine Satzung. Über ihren rechtlichen Charakter sind sich die Wissenschaftler nicht einig. Manche verstehen diese als
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mein anerkannt, dass Rechtsverordnungen im modernen Leistungsstaat wegen der Schnelligkeit, Flexibilität und Effektivität für die Verwaltung unabdingbar sind. Denn mit Gesetzen allein können die Aufgaben moderner Staaten nicht bewältigt werden. Sie unterliegen einem langwierigen Gesetzgebungsprozess, ihnen fehlen detaillierte Regelungen und mit ihnen kann man benötigte Maßnahmen nicht flexibel in die Hand nehmen.
2. Rechtsverordnung6 a) Unterscheidung zwischen Rechts- und Verwaltungsverordnungen Bei der exekutiven Rechtssetzung ist nach dem Charakter und der Wirkung zwischen Rechts- und Verwaltungsverordnungen (Satzung) zu differenzieren.7 Man unterscheidet Rechtsverordnungen in Form von präsidialen, premierministeriellen und ministeriellen Rechtsverordnungen anhand der sie erlassenden Stelle. Dem Charakter nach teilen sich Rechtsverordnungen in delegierte Rechtsverordnungen, bei denen der Gesetzgeber zur Ergänzung der Gesetze die Exekutive im bestimmten Ausmaß zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigt, und Ausführungsverordnungen,8 die ohne eine solche Ermächtigung zur Durchführung eines Gesetzes erlassen werden. Das koreanische Verfassungsgericht führt dazu aus: „Unter der delegierten Rechtsverordnung versteht man die Rechtssetzung einer allgemeinen abstrakten Norm durch die Verwaltung aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung. Sie gehören zwar nicht zu den Gesetzen im formellen Sinne, sie sind aber als Gesetzgebungsakte der Exekutive Gesetze im materiellen Sinne, die rechtlichen Charakter haben. Ihre Voraussetzungen sind daher selbstverständlich streng einzuhalten. Für die Rechtsverordnung ist eine bestimmte gesetzliche Ermächtigung unabdingbar.“9 Rechtsverordnung, andere wiederum als eine verwaltungsrechtliche Satzung. Kim, Kijin, Eine Studie über die Notwendigkeit der Verbesserung der Rechtsverordnung, S. 133. 6 Anders als in Deutschland wird eine rechtliche Norm der Verwaltung allgemein als Verordnung und nicht als Rechtsverordnung bezeichnet. 7 Zur Verwaltungsverordnung gehören Satzungen, Dekrete, Erlasse, Richtlinien, Anweisungen usw. Es gibt keine allgemeine Regelung für deren Erlassverfahren und deren Form. Nach der Bekanntgabe treten sie in Kraft. Sung, Nakin, Verfassungslehre, 2018, S. 575. Zur Abgrenzung der Rechtsverordnung bezeichnet man Verwaltungsverordnungen als Verwaltungssatzungen. Siehe auch Park, Kuynsung, Verwaltungsrecht (I), Parkyoungsa, 2009, S. 161. 8 Von Amts wegen kann ein Minister eines jeden Exekutivministeriums ohne Ermächtigung eine Verordnung erlassen, um die Angelegenheiten, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, zu regeln. Durch eine solche Ausführungsverordnung kann eine Regelung über präzisierte Verfahren oder Formen für das Verwirklichen der oberen Norm geschaffen werden, aber keine neue Regelung. In der Praxis wird eine Ausführungsverordnung nicht allein erlassen. Die gesetzliche Ermächtigung umfasst normalerweise auch die Ausführungsverordnung. Verwaltungsrechtsetzung Analyse – Einschätzung, Theorie und Praxis, Parlamentarische Rechtssetzungsabteilung, 2010, S. 17. 9 KVerfGE 13. 5. 1993, 92Hunma80, Verfassungsbeschwerde zur Prüfung des § 5 der Satzung zu dem Gesetz für die Konstruktion und Nutzung einer Sportanlage.
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Nach dem traditionellen Verständnis regelt eine Rechtsverordnung die Rechte und Pflichten der Bürger in einer abstrakt-generellen Norm, die eigentlich nach dem Gewaltenteilungsprinzip vom Parlament erlassen werden sollte, aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung aber von der Verwaltung erlassen worden ist. Sie besitzt allgemeine Bindungswirkung. In dieser Außenwirkung liegt der Unterschied zur Verwaltungssatzung, die als verwaltungsinterne Vorschrift die Organisation und Funktion der Verwaltung regelt. Heutzutage wird dieses traditionelle Verständnis teilweise kritisiert. Insbesondere in Deutschland, wo die exekutive Gesetzgebung aufgrund des funktionalen Gewaltenteilungsprinzips als originäre Kompetenz der Exekutive angesehen wird, versucht man die Bindungswirkung damit zu rechtfertigen, dass auch die Verwaltung im modernen Staat durch das Volk legitimiert ist und ihr in unwesentlichen Bereichen eine Gesetzgebungskompetenz zukommt. Diese Meinung hat sich in Korea zwar nicht durchgesetzt, findet in manchen Punkten aber auch hier positive Resonanz.10 In Korea ist es umstritten, nach welchem Kriterium, nämlich nach der äußeren Form oder dem materiellen Gehalt, Rechtsverordnungen von Satzungen zu unterscheiden sind.11 Eine zweistufige Lösung, die auf der ersten Stufe nach der äußeren Form und auf der zweiten Stufe nach dem materiellen Gehalt hinsichtlich des Inhalts, Adressats und der allgemeinen Verbindlichkeit zwischen Rechtsverordnung und Satzung differenzieren will,12 bietet eigentlich kein adäquates Unterscheidungskriterium. b) Diskrepanz zwischen der äußeren Form und dem materiellen Gehalt Es stellt sich die Frage, wie der rechtliche Charakter einer aufgrund der delegierten Gesetzgebung entstandenen Rechtsnorm eingeordnet werden soll, wenn zwischen ihrer äußeren Form und ihrem materiellen Gehalt eine Diskrepanz besteht.
10 Choi, Jungil, Eine Studie über die parlamentarische direkte Kontrolle der Rechtsverordnung in Amerika und Deutschland, Verwaltungslehre Je21Ho, S. 27 – 29; Lee, Hyunsoo, Eine Studie über die Verwaltungssatzung nach der deutschen Verwaltungslehre, Ilgambubhak Je20H0, S. 308. In Deutschland sind die Verwaltungsvorschriften nicht Gegenstand der abstrakten Normenkontrolle, weil sie nicht für Bürger allgemein, sondern nur innerhalb der Verwaltung Wirkung entfaltet. Aber in Urteilen ist die allgemeine Bindungskraft der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift aufgrund des Vertrauensschutzes und Gleichheitsgrundsatzes anerkannt. Hong, Sungi, Die parlamentarische direkte Kontrolle der Verwaltungsrechtsetzung in Deutschland, Gemeinsames Symposium von der Association für EU Rechte, der Association für die Rechtssetzung und dem Institut für Rechtsvergleichung von Dongkuk Uni. 20. 7. 2015, S. 39. 11 Kim, Chelyoung, Verwaltungsrecht, Parkyoungsa, 2011, S. 137 – 138. 12 Kim, Yongsub, Die Kontrolle der Verwaltungsrechtsetzung nach dem Parlamentsgesetz und rechtspolitische Aufgabe, Verwaltungslehre Je33Ho, 8/2012, S. 7.
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aa) Satzung in Form einer Rechtsverordnung Eine Meinung besagt, dass eine solche Satzung nach ihrem materiellen Gehalt keine Rechtsverordnung ist. Die herrschende Meinung behauptet jedoch, dass sie aufgrund ihrer Form als eine Rechtsverordnung einzuordnen ist.13 In ständiger Rechtsprechung bewertet der Oberste Gerichtshof Koreas Satzungen, die äußerlich die Form einer Rechtsverordnung haben, anhand der sie erlassenden Stelle unterschiedlich. Nach seiner Auffassung ist eine ministerielle Rechtsverordnung, die die Verwaltungsdisposition regelt, eine arbeitsanleitende Satzung, die nur innerhalb der Verwaltung den Charakter einer Rechtsverordnung besitzt. Ebenso hat sie keine allgemeine Verbindlichkeit.14 Im Gegensatz dazu besitzt die präsidiale Rechtsverordnung, die basierend auf einer Ermächtigung durch das Gesetz für die Förderung des Hausbaus den Maßstab der Verwaltungsdisposition beinhaltet, eine allgemeine Bindungswirkung für Bürger und Gerichte.15 Meiner Meinung nach kann dem Urteil des Obersten Gerichtshof Koreas nur schwer gefolgt werden. Die verfassungsrechtliche Ermächtigungsgrundlage und die Anforderungen an die Ermächtigungsnorm ergeben sich aus zwei Artikeln. Die präsidiale Rechtsverordnung ist in Art. 75 der Verfassung wie folgt verfestigt: „Der/Die Präsident/in kann basierend auf einer Ermächtigungsgrundlage im bestimmten Ausmaß des Gesetzes und für die Ausführung des Gesetzes Rechtsverordnungen erlassen.“ Dagegen sind premierministerielle und ministerielle Rechtsverordnungen nach Art. 95 der Verfassung zu erlassen. Demzufolge können der Premierminister und die Minister Rechtsverordnungen für den fraglichen Zuständigkeitsbereich aufgrund der Ermächtigung des Gesetzes, präsidialer Rechtsverordnung oder aufgrund ihres Ermessens für die Ausführung des Stammgesetzes erlassen. Man kann die beiden Artikel nicht so interpretieren, dass der rechtliche Charakter der Norm anhand der sie erlassenden Stelle unterschiedlich bewertet wird. Es wäre wünschenswert, dass Satzungen, die die Form einer Rechtsverordnung haben, so geändert werden, dass ihr Inhalt ihrer äußeren Form entspricht.16 bb) Rechtsverordnungen in Form von Satzungen oder Verwaltungsvorschriften Fraglich ist, ob eine Satzung oder Verwaltungsvorschrift den rechtlichen Charakter einer Rechtsverordnung hat, wenn ein Gesetz die Verwaltung zum Erlass einer Satzung oder einer Verwaltungsvorschrift ermächtigt. Das Verfassungsgericht vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die Aufzählungen in Art. 75 und 95 als nicht abschließend anzusehen sind. Seiner Meinung nach kann der Gesetzgeber die Form wählen, zu deren Erlass er ermächtigt. Daher kann er 13
Kim, Kijin, S. 138. Oberste Gerichtshofentscheidung 17. 10. 1995, 94Nu14148. 15 Oberste Gerichtshofentscheidung 26. 12. 1997, 97Nu15418 16 Ko, Younghun, Eine Studie über die Problematik der Verwaltungssatzung und ihre Verbesserungsrichtung, Studie des öffentlichen Rechts Je29jib Je1Ho (11/2000), S. 293. 14
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die Exekutive nicht nur zum Erlass einer Rechtsverordnung, sondern auch ausnahmsweise zum Erlass einer Satzung oder Verwaltungsvorschrift ermächtigen.17 In der Organstreitentscheidung zwischen dem Bezirk Kangnamgu und dem Verwaltungsminister ging das Verfassungsgericht davon aus, dass wenn der zuständige Minister aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung eine bestimmte notwendige Angelegenheit regelt, diese Regelung eine Rechtsverordnung gestützt auf das Ermächtigungsgesetz darstellt und dies unabhängig von ihrer Form als Satzung, als Verwaltungsvorschrift oder als sonstige Regelung. Etwas anderes gilt nur, wenn sie über die bestehende gesetzliche Grundlage hinausgeht.18 Das Gesetz für die strukturelle Verbesserung der Finanzindustrie in alter Fassung regelte, dass Schulden und Vermögen anhand des Maßstabs der Finanzaufsichtskommission bewertet werden sollten und ermächtigte die Finanzaufsichtskommission dazu, die nötige Verwaltungsvorschrift zu erlassen, um das Kriterium und den Inhalt der angemessenen Verwaltungsdisposition bekannt zu machen. Hier stellte der Eigentumseingriff durch die Verwaltungsvorschrift, welcher in der Verfassung nicht so vorgesehen ist, einen Streitpunkt dar. Das Verfassungsgericht entschied, dass die gesetzliche Ermächtigung verfassungsgemäß sei. Das Gericht meinte, dass das Prinzip des Gesetzesvorbehalts nicht berührt sei. Denn eine Verwaltungsvorschrift kann nur das regeln, wozu das Gesetz sie ermächtigt. Gleichzeitig nahm das Gericht aber an, dass die Ermächtigung zum Erlass einer Verwaltungsvorschrift auf solche Fälle begrenzt ist und vorsichtig angewandt werden sollte, bei denen der Gesetzgeber für den Erlass der speziellen Regelung ungeeignet ist, die fachmännische Kenntnis aber gerade ausschlaggebend ist.19 In einem anderen Fall20 begrenzt das Gericht die Ermächtigung zum Erlass einer Verwaltungsvorschrift auf Angelegenheiten ,fachtechnischer und kleinerer Sachen‘. Vertreten wird die Ansicht, dass nach Art. 40 der koreanischen Verfassung die Gesetzgebungskompetenz bei der Legislative liegt und die verwaltungsrechtliche Gesetzgebung als eine Ausnahme21 streng nach dem Enumerationsprinzip zu interpre17
KVerfGE 26. 2. 2009, 2005Hunba94 Deung, Verfassungsbeschwerde § 50 Abs. 3 des Gesetzes zu Schallplatten, Videos sowie Spielwaren. 18 KVerfGE 31. 10. 2002, 2002Hunra2, Organstreit zwischen Kangnamgu und Minister des Verwaltungsministeriums: KVerfGE 26. 3. 2015, 2014Hunma372. 19 KVerfGE 28. 10. 2004, 99Hunba91, Verfassungsbeschwerde § 2 3. Ga. des Gesetzes zur Verbesserung der Konstruktion der Finanzindustrie. 20 KVerfGE 31. 3. 2016, 2014Hunba382, Verfassungsbeschwerde zur Prüfung des § 11 Abs. 1 des Gesetzes für die Verbesserung der Stadt sowie Wohngebietsumgebung. „Die verfassungsrechtlichen Ermächtigungsformen sind nicht ausschließlich. Die gesetzliche Ermächtigung zum Erlass einer Satzung ist nicht verfassungswidrig, weil die Satzung nur innerhalb der Ermächtigung erlassen werden kann. Trotz der Verfassungsmäßigkeit der Satzungsermächtigung ist sie auf fachmännische, technische Sachen oder geringfügige Themengebiete, für die die Satzungsermächtigung unvermeidbar erscheint, begrenzt.“ 21 Art. 75 (Präsidiale Rechtsverordnung), Art. 95 (Premierministerielle- und ministerielle Rechtsverordnung), Art. 64 (Parlamentarische Satzung), Art. 108 (Oberste Gerichtshofssat-
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tieren ist. Nach Art. 75 und 95 kann der Gesetzgeber die Verwaltung ermächtigen, aufgrund eines Gesetzes ausschließlich Rechtsverordnungen zu erlassen. Nach der Verfassung ist daher eine direkte Ermächtigung zum Erlass einer Verwaltungsvorschrift inakzeptabel und verfassungswidrig. Zwar können Satzungen oder Verwaltungsvorschriften auch bestimmte Regelungen über Angelegenheiten der Ausführungsverordnung erlassen. Sie können auch die rechtliche Bedeutung konkretisierender Regelungen schaffen, aber sie dürfen keine Regelungen über neue gesetzliche Angelegenheiten oder neue Rechte und Pflichten treffen.22 cc) Normergänzende und normkonkretisierende Satzungen oder Verwaltungsvorschriften Die herrschende Meinung geht davon aus, dass normergänzende Satzungen oder Verwaltungsvorschriften den Charakter einer Rechtsverordnung haben, weil sie aufgrund einer konkreten Ermächtigung durch eine höherrangige Norm erlassen werden, daher eine normergänzende Funktion haben und allgemeinverbindlich sind. Sie können Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein, wenn ein Gesetz die Verwaltung dazu ermächtigt, den konkreten Inhalt des Gesetzes durch ergänzende Vorschriften zu regeln und diese auf dieser Grundlage die dafür benötigte Satzung auch tatsächlich erlässt oder wenn diese in ihrem Ermessen eine Satzung anfertigt und diese anschließend wiederholt anwendet, sodass eine Praxis entsteht, wodurch das zuständige Verwaltungsorgan aufgrund des Vertrauensschutzes oder des Gleichheitsgrundsatzes gegenüber dem Satzungsadressaten an die Satzung gebunden wird.23 Die Gegenmeinung vertritt die Auffassung, dass es einer verfassungsrechtlichen Grundlage bedarf, wenn einer Satzung ausnahmsweise Rechtsverordnungscharakter zukommen soll.24 Das Gesetz für die Qualitätskontrolle und das Sicherheitsmanagement von Industrieprodukten in seiner alten Fassung schaffte Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen, die den Ermächtigungsadressaten die Übertragung der Ermächtigung durch Rechtsverordnung erlaubte. Daraus hervorgehend wurde die Satzung), Art. 113 (Verfassungsgerichtssatzung) und Art. 114 (Zentrale Wahlmanagementkommissionssatzung). 22 KVerfGE 28. 10. 2004, 99Hunba91, Verfassungsbeschwerde § 2 3. Ga. des Gesetzes zur Verbesserung der Konstruktion der Finanzindustrie, Gegenmeinung (3 Verfassungsrichter). Ko, Younghun, Eine Studie über die Problematik der Verwaltungssatzung und ihre Verbesserungsrichtung, Studie des öffentlichen Rechts Je29jib Je1Ho (11/2000), S. 293. 23 KVerfGE 30. 8. 2007, 2004Hunma670, Bestätigung der Verfassungswidrigkeit des Beschlusses zu der Lockerung der Einstellungsstandards der Industrielehrlinge. Das KVerfG entschied, dass, wenn eine Richtlinie, die die Verwaltung in ihrem Ermessen verfasst, wiederholt Anwendung findet und daraus eine Verwaltungspraxis entsteht, die Verwaltung aufgrund des Vertrauensschutzes und des Gleichheitsprinzips daran gebunden wird. Daher ist die Richtlinie des Arbeitsministeriums ein (mit Je369Ho revisioniert) Akt der öffentlichen Gewalt. Sung, Nakin, Verfassungslehre, 2018, S. 840. 24 Suk, Jongheyn/Song, Dongsu, allgemeines Verwaltungsrecht (I), Samyoungsa, 2009.
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zung für Sicherheitsmaßnahmen erlassen. Daneben wurde eine Verwaltungsvorschrift angefertigt, die die Anforderungen an die Sicherheitsmaßnahmen für PVCRöhren regelte. Das Verfassungsgericht erklärte, dass sowohl die Satzung als auch die Verwaltungsvorschrift den Charakter einer Rechtsverordnung haben, denn sie haben zwar äußerlich die Form einer Satzung beziehungsweise einer Verwaltungsvorschrift, aber regeln inhaltlich eine Angelegenheit, zu der es eine gesetzliche Ermächtigung gibt und konkretisieren den Inhalt des Gesetzes.25 Die herrschende Meinung ist aber zu kritisieren, weil durch Satzungen, die die Verwaltung einfach anfertigen kann, leichter in die Rechte und Pflichten der Bürger eingegriffen werden kann. Dank der Divergenz zwischen der äußeren Form und dem materiellen Gehalt wird der Begriff der Rechtsverordnung in der Praxis erweitert, was es dem Normadressaten erschwert, den Inhalt des Gesetzes vorherzusehen. Schließlich sollen nach der Verwaltungsdisposition Gerichte über den Charakter der Satzung entscheiden. Ansonsten wird die Rechtssicherheit gefährdet. Sofern dies möglich ist, wäre es besser, den Inhalt einer solchen Satzung in die Rechtverordnung und das Gesetz einzufügen.26 Ein ähnliches Problem entsteht auch bei normkonkretisierenden Satzungen. Nach der herrschenden Meinung hat eine solche Satzung auch allgemeinverbindlichen Charakter, weil sie auf die konkrete und bestimmte Ermächtigungsgrundlage der Rechtsverordnung ausgerichtet wird, um die Rechtsverordnung zu ergänzen. Andere vertreten die Ansicht, dass für die Verwaltungsrechtsetzung eine verfassungsrechtliche Grundlage unabdingbar ist, weil sie eine Ausnahme zu der parlamentarischen Rechtssetzung ist. Daher ist die normkonkretisierende Satzung nach jetziger Verfassung nur eine Verwaltungssatzung, die nicht allgemeinverbindlich ist.27 Der Oberste Gerichtshof Koreas behauptet, dass die Satzung, zu deren Erlass eine höherrangige Norm ermächtigt, materiell-rechtlichen Charakter hat.28 Das Verfassungsgericht vertritt darüber hinaus, dass eine allgemeinverbindliche Satzung, zu deren Erlass eine höherrangige Norm ermächtigt, für den fachtechnischen Bereich ausnahmsweise erlaubt sei.
25 KVerfGE 26. 3. 2015, 2014Hunma372, Bestätigung der Verfassungswidrigkeit des Anhangs 3 2. Ma. der Verwaltungssatzung des Gesetzes für das qualitative Management und die Sicherheitskontrolle von Industriewaren. 26 Kim, Sung Soo, Einführung in das Verwaltungsrecht, Bubmunsa, 2008. 27 Kim, Kijin, S. 137 – 138, und S. 144, Kim, Sung Soo, Einführung, S. 377. 28 Oberste Gerichtshofentscheidung 26. 4. 1994, 93Nu21668; Oberste Gerichtshofentscheidung 22. 3. 1988, 87Nu654; Oberste Gerichtshofentscheidung 27. 9. 2002, 2000Du7933.
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dd) Rechtsvorbehalt und der Grundsatz des Blankettermächtigungsverbots nach dem Rechtsstaatsprinzip (1) Exekutive Gesetzgebung und der Grundsatz des Blankettermächtigungsverbots nach Art. 75 der koreanischen Verfassung Der Gesetzgeber kann die Exekutive zum Erlass von Rechtsverordnungen zur Ergänzung oder Ausführung eines Stammgesetzes ermächtigen. Durch den Ausdruck „bestimmtes Ausmaß“, in welchem man das Blankettermächtigungsverbot verortet sieht, ergeben sich aus Art. 75 der koreanischen Verfassung verfassungsrechtliche Anforderungen, die bindend für die Ermächtigungsnorm und die Rechtsverordnungen sind. Auch wenn im Normtext ausdrücklich nur das Ausmaß genannt wird, müssen selbstverständlich auch Inhalt und Zweck der erteilten Ermächtigung im Ermächtigungsgesetz bestimmt werden. Unter dem bestimmten Ausmaß der erteilten Ermächtigung versteht man, dass eine allgemeine Blankettübertragung an die Verwaltung verboten ist und dass das Ermächtigungsgesetz Zweck, Inhalt und Ausmaß von Rechtsverordnungen vorhersehbar bestimmen muss.29 Die Ermächtigungsnorm soll so gefasst werden, dass schon vorhergesehen werden kann, in welchen Fällen und mit welchem Ziel von der Ermächtigung Gebrauch gemacht und darauf basierend eine Rechtsverordnung erlassen werden kann. Doch hängt diese Bestimmtheit im Einzelnen von dem Regelungsgegenstand und der Regelungsintensität ab. Bei belastenden Regelungen und solchen, die Grundrechte berühren, vor allem in den Bereichen des Steuer- und Strafrechts, müssen die Bestimmtheitsanforderungen noch strenger beachtet werden. Nach herrschender Meinung kann grundsätzlich keine Ermächtigung zum Erlass einer strafrechtlichen Regelung erteilt werden. Ausnahmsweise kann die Legislative die Exekutive dazu ermächtigen, die Regelung eines Straftatbestandes des Stammgesetzes zu konkretisieren. Auch das Verfassungsgericht erklärt, dass eine Ermächtigung zum Erlass einer Strafregelung nur sehr begrenzt möglich ist. Eine solche Ermächtigung verletze aber nicht das Rechtsstaats- oder Legalitätsprinzip nach Art. 12 der Verfassung, wenn ihre Anwendung auf dringend erforderliche Fälle oder auf Fälle, in denen das Gesetz keine detaillierte Regelung zu schaffen vermag, begrenzt wird. Dabei müsse sich der Straftatbestand in der Ermächtigungsnorm verankern und die obere und untere Grenze der Strafe vorhersehbar sein. Dann könne die Exekutive er29 KVerfGE 24. 4. 2003, 2002Hunga15 Antrag der Verfassungswidrigkeit des § 3 Abs. 1 des Sondergesetzes für die Förderung des gerichtlichen Verfahrens (alte Fassung). Das KVerfG entschied folgendes: „In der obigen Regelung steht nur ,Rate nach Präsidialverordnung‘, nicht geregelt wird eine obere und untere Grenze der Rate. Es bedeutet gerade nicht, dass das Gesetz wider dem Bestimmtheitsprinzip ermächtigt. Aber betrachtet man das ganze Gesetz systematisch und konstruktiv, ist trotzdem nicht vorherzusehen, was für einen Inhalt die darauf zurückgehende erlassene Verordnung haben könnte. Daher ist die Ermächtigung verfassungswidrig.“; KVerfGE 28. 9. 1995, 93Hunba50 § 4 des Gesetzes für erschwerte Bestrafung für bestimmte Straftaten; Sung, Nakin, Verfassungslehre, S. 578.
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mächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen.30 Nach dem Prinzip der Rechtmäßigkeit der Besteuerung müssen besteuerte Gegenstände, Steuerraten, Besteuerungsverfahren usw. in einem Gesetz geregelt werden. Wenn der Gesetzgeber aber selbst im Gesetz den Tatbestand und die strafrechtliche Grenze festsetzt und die Verwaltung im bestimmten Umfang dazu ermächtigt, eine Rechtsverordnung zu erlassen, verletzt dies ausnahmsweise nicht Art. 38, 59 der Verfassung.31 Entscheidend für die Vorhersehbarkeit ist nicht allein die Ermächtigungsnorm als solche, sondern auch die gesamte Systematik der Norm.32 In § 3 Abs. 1 des Sondergesetzes für die Förderung des Verfahrens in seiner alten Fassung heißt es: Wird ein Urteil getroffen, das zum Ausgleich der Schuld eine Geldzahlung anordnet, so ist die Rate für den Schadensersatz „nach der präsidialen Rechtsverordnung“ zu bestimmen. Das Verfassungsgericht entschied, dass das Ermächtigungsgesetz keinen Maßstab für die obere und untere Grenze der gerichtlichen Rate bestimmt habe. Obwohl man das Gesetz aus systematischer und konstruktiver Sicht prüfe, könne nicht herausgefunden werden, zu welcher konkreten Ratenhöhe das Gesetz ermächtige. Eine solche Ermächtigung verletze Art. 75 der koreanischen Verfassung und sei daher verfassungswidrig.33 Als Ausnahme bezüglich des Bestimmtheitsgebotes gilt folgendes: Nach dem Prinzip des Parlamentsvorbehalts kann der Gesetzgeber seine Gesetzgebungskompetenz trotz Ermächtigung nicht unbegrenzt auf die Verwaltung übertragen. Der Parlamentsvorbehalt, der aus dem Rechtsstaats- und dem Demokratiegebot abgeleitet wird, gebietet es, dass der Gesetzgeber in grundlegenden Bereichen, insbesondere im Bereich der Grundrechtsausübung und der Staatsstruktur, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen hat.34 Wenn man bedenkt, dass die Verfassung das Selbstverwaltungsrecht der Landesregierung umfangreich garantiert und das Parlament auf Landesebene als Repräsentationsorgan von den Bürgern gewählt worden ist und dadurch demokratische Legitimität besitzt, genügt für die Norm einer Landesregierung eine allgemeine gesetzliche Ermächtigung und muss nicht unbedingt ein bestimmter Rahmen angegeben werden.35 Die Satzungsanfertigung gehört zum ori30 KVerfGE, 94Hunma213, Bestätigung der Verfassungswidrigkeit des § 2 6. Gesetz für die Regulierung der Sittengeschäfte. 31 KVerfGE 27. 11. 1997, 95Hunba38, Beschwerde der Verfassungswidrigkeit des § 41 Staatliches Steuergrundgesetz (alte Fassung); Kim, Chelyoung, Verwaltungsrecht, 1, Parkyoungsa 2009, S. 158. 32 KVerfGE 31. 10. 1996, 93Hunba14, Beschwerde der Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs. 1 des Gesetzes für die Stabilisierung des Berufs und die Förderung der Beschäftigung. 33 KVerfGE 24. 4. 2003, 2002Hunga15; KVerfGE 18. 1. 2001, 99Hunba112; KVerfGE 29. 3. 2007, 2003Hunba15; Sung, Nakin, Verfassungslehre, S. 1099. 34 Über den Parlamentsvorbehalt besagt das KVerfG folgendes: „Heutzutage bedeutet der Rechtsvorbehalt nicht nur die Rechtmäßigkeit der Verwaltung, die aufgrund des Gesetzes verwirklicht wird. Er beinhaltet auch den Parlamentsvorbehalt, nach dem das Parlament essentielle Entscheidungen im Bereich der Grundrechte selbst zu treffen hat.“ KVerfGE 27. 5. 1999, 98Hunba70; Oberste Gerichtshofentscheidung 12. 10. 2002, 2006Du14476. 35 KVerfGE 20. 4. 1995, 92Hunma264.
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ginären Arbeitsbereich der Verwaltung. Die Satzung gilt innerhalb der Verwaltung und besitzt keine Allgemeinverbindlichkeit. Im Vergleich zu der delegierten Rechtsverordnung bedarf sie keiner Ermächtigung in Form eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung.36 (2) Keine verfassungsrechtliche Regelung für die Subdelegation Anders als das deutsche GG37 regelt die Verfassung Koreas die Subdelegation nicht. Die herrschende Meinung und das Verfassungsgericht vertreten die Auffassung, dass diese nicht möglich sei, sofern in der Rechtsverordnung inhaltlich keine Regelung basierend auf dem Ermächtigungsgesetz getroffen, sondern lediglich die Ermächtigung weiter übertragen wird. Verfassungsmäßig sei eine Subdelegation jedoch dann, wenn die Ermächtigungsnorm vorsieht, dass die Ermächtigungsadressaten die Ermächtigung durch Rechtsverordnung weiter übertragen können. Die Rechtsverordnung setzt den Rahmen der zu übertragenden Angelegenheit und überträgt sie weiter.38 Andere behaupten, dass die Subdelegation trotz der fehlenden gesetzlichen Grundlage hinzunehmen sei, wenn die dazu ermächtigende Rechtsverordnung den grundlegenden Rahmen dafür setzt und die Befugnis weiter überträgt.
III. Erforderliche Mitwirkung bei der delegierten Gesetzgebung 1. Gründe für die legislative Mitwirkung vor dem Erlass Nach Art. 40 der koreanischen Verfassung besitzt die Legislative die Gesetzgebungskompetenz. Gemäß Art. 75 und 95 der koreanischen Verfassung kann sie die Exekutive dazu ermächtigen, Rechtsverordnungen zu erlassen. Nach der Auffassung des Verfassungsgerichts ist diese Ermächtigungsform nicht abschließend, der Gesetzgeber kann daher die Ermächtigungsform frei wählen. Aber die delegierte Verordnung hat als sekundäre Rechtssetzung klare Grenzen, die im Stammgesetz bestimmt sind.
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KVerfGE 26. 4. 2001, 2000Hunma122. Art. 80 (1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. Ist durch Gesetz vorgesehen, daß eine Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf es zur Übertragung der Ermächtigung einer Rechtsverordnung. 38 KVerfGE 19. 2. 1996, 94Hunma213. 37
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a) Vermeiden des Umwegs Wie im obigen Teil untersucht wurde, hat man auch für verschiedene Satzungen, Verwaltungsvorschriften oder sonstige Regelungen, welche ohne oder aufgrund einer Ermächtigungsgrundlage erlassen wurden, einen rechtsverbindlichen Charakter anerkannt. Allerdings fehlt hierbei ein einheitliches Kriterium. Die Rechtsverordnung, die von der Exekutive gesetztes allgemeinverbindliches Recht ist, nimmt in der Praxis großen Einfluss auf das Leben von Bürgern. Das Rechtssetzungsverfahren ist im Vergleich zu dem komplizierten Rechtssetzungsprozess vereinfacht. Um eine Satzung, Verwaltungsvorschrift usw. auszurichten, ist kein besonderes Verfahren nötig. Weil es große Unterschiede zwischen dem Gesetzgebungsverfahren, dem Rechtsverordnungserlass und der Anfertigung einer Satzung gibt, wird manchmal versucht, durch Ermächtigung und Subdelegation einen leichteren Weg für die Rechtssetzung zu finden. Ein Gesetz wird nach folgendem Gesetzgebungsprozess erlassen:39 (1) Planung (2) Vorlage (3) Gesetzesfolgeneinschätzung in Bezug auf die Korruption (4) Besprechung mit den zuständigen Ministerien (5) Voranzeige für die Rechtssetzung (6) Regulationsüberprüfung (7) Überprüfung durch das Legislatorische Amt (8) Beratung des Vizeministerkomitees und Kabinettssitzung (9) Genehmigung des Präsidenten und die Gegenunterschrift von relevanten Ministerien (10) Setzung des Gesetzentwurfs auf die Tagesordnung des Parlaments (11) Verhandlung/Beschluss des Parlaments (12) Übersendung des Gesetzentwurfs an die Regierung (Vetorecht des Präsidenten und Wiedervorlagebeschluss des Parlaments) (13) Vorlegen vor der Kabinettssitzung (14) Verkündung. Das Verfahren des präsidialen Rechtsverordnungserlasses ist noch einfacher: (1) Vorlage (2) Gesetzesfolgenabschätzung für die Korruption (3) Besprechung mit den zuständigen Ministerien (4) Voranzeige für die Rechtssetzung (5) Regulationsüberprüfung (6) Überprüfung durch das Legislatorische Amt (7) Beratung des Vizeministerkomitees und Kabinettssitzung (8) Genehmigung des Präsidenten und Gegenunterschrift der relevanten Ministerien (9) Verkündung. Die premierministeriellen und ministeriellen Rechtsverordnungen sind mit einem noch einfacheren Verfahren versehen, das wie folgt aussieht: (1) Planung (2) Vorlage (3) Besprechung mit den zuständigen Ministerien (4) Voranzeige für die Rechtssetzung (5) Regulationsüberprüfung (6) Überprüfung durch das legislatorische Amt (7) Verkündung.40 Dagegen ist für den Erlass von Satzungen und Verwaltungsvorschriften etc. kein besonderes Verfahren erforderlich. 39
Legislatorisches Amt, http://www.moleg.go.kr/lawinfo/governmentLegislation/process/ processSchedule. 40 Nach dem Gesetz für die Verkündung der Rechtsverordnungen wird auf der ersten Seite der Präsidialen Verordnung die Tatsache bekannt gemacht, dass die Verordnung von der ministeriellen Kommission beraten wird. Daneben unterschreibt der Präsident und setzt sein Siegel darauf, und danach unterschreiben Premierminister und die zuständigen Minister. Für
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b) Gewaltenteilungs- und Demokratieprinzip Die aufgrund einer Ermächtigungsgrundlage erlassenen Rechtsverordnungen müssen ebenso die verfassungsrechtlichen Prinzipien beachten41 und sich in das bestehende Rechtssystem einfügen. Vor allem müssen sie sich inhaltlich innerhalb des festgelegten Ausmaßes, des Zwecks und des Inhalts des Ermächtigungsgesetzes bewegen. Häufig findet man jedoch untergesetzliche Normen, die die Grenzen des Ermächtigungsgesetzes überschreiten und dieses so entwerten.42 Das kann dazu führen, dass in wichtige Kompetenzen der Legislative eingegriffen und das Demokratiegebot erschüttert wird.43 Diese unkontrollierte Rechtssetzung der Exekutive kann ebenso vor dem Gewaltenteilungsprinzip bedenklich sein, wenn das Exekutivorgan auch als Rechtssetzungsorgan fungiert, obwohl die Rechtssetzung nach dem Gewaltenteilungsprinzip eigentlich zur Legislative gehört. Deshalb ist eine strenge Kontrolle der Verfassungsund Rechtmäßigkeit der Rechtsverordnung erforderlich. Diese gerichtliche Kontrolle44 einschließlich der Kontrolle durch den Obersten Gerichtshof und das Verfassungsgericht nach Erlass der Rechtsverordnung ist gut entwickelt. Es kann aber auch sinnvoll sein, bereits vor dem Erlass eine Kontrolle der Rechtsverordnung vorzunehmen, um einem Eingriff in die Rechte der Bürger vorzubeugen. Möglich ist, bereits in der Verordnungsermächtigung selbst zusätzliche Regelungen, die die verfassungsrechtlichen Anforderungen ergänzen, über das Verfahren der Verordnungsdie (Premier)ministerielle Verordnung wird das Datum notiert und der (Pre)mierminister unterschreibt und besiegelt sie. 41 Parlamentsvorbehalt, Verbot der blanken Ermächtigung, Bestimmtheitsgrundsatz, Verhältnismäßigkeit, Gleichheitssatz, Vertrauensschutz, Due Process of Law usw. 42 KVerfGE 28. 10. 2004, 99Hunba91. 43 Ue, Minho, Eine Kritik über die Überproduktion und die Verselbständigung der Rechtssetzung der Verwaltung – unter der Berücksichtigung der Rechtstheorie von Habermas, Theorie von Philosophie, Je83Jib Je1kwon, 2016, S. 183 – 201. 44 Für die nachträgliche Kontrolle der Rechtssetzung der Verwaltung sind das KVerfGE und der Oberste Gerichtshof zuständig. Das KVerfG ist zuständig für die Beschwerde und der Oberste Gerichtshof für die Normenkontrolle. Das KVerfG sieht die Nichterfüllung der gesetzlichen Ermächtigung durch die Verwaltung als verfassungswidrig an, weil sie der Gewaltenteilung und dem Rechtsstaatsprinzip nicht entspricht (KVerfGE 29. 8. 2006, 94Hunma113; KVerfGE 26. 6. 1997, 94Hunma52; KVerfGE 26. 4. 2001, 2000Hunma372; KVerfGE 26. 2. 2004, 2001Hunma718). Es gibt eine kritische Meinung zur dualen Kontrolle. Sie besagt, dass die Zuständigkeit für die Kontrolle von allen Verwaltungsverordnungen dem KVerfG zukommen müsse. Son, Sangsik, Die Notwendigkeit und Möglichkeit der Normenkontrolle von Verordnung und Satzung, Bubhaknongo Je47Jib (8/2014), S. 1 – 41; Kim, Hayeol, Die gerichtliche Kontrolle von Verordnung und Satzung hinsichtlich der Verfassungsgerichtszuständigkeit, Hunbubpanreyyeongu 9, 2/2008, S. 267 – 298. Für die Gegenmeinung, die die einheitliche Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs vertritt, sieht der Abschlussbericht der Revisionskommission für das Verwaltungsverfahrensgesetz folgendes vor (http:// www.scourt.go.kr/kc_p.html). Vertreten wird auch die Meinung, die die jetzige duale Kontrolle bevorzugt. Park, Jinyoung, Die Verfassungswidrigkeitskontrolle von Verordnung und Satzung, Kyungheebubhak Je48kwon Je3Ho, 2013.3, S. 3 – 54.
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gebung aufzunehmen und insbesondere anderen Stellen Mitwirkungsrechte einzuräumen. Die Formen möglicher Mitwirkung reichen von Anhörungsrechten über Benehmens- und Einvernehmensregelungen bishin zu Zustimmungsvorbehalten des Parlaments. 2. Fälle von fehlerhaften Ermächtigungsnormen und Rechtsverordnungen a) Mangelnde Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm Die aufgrund einer Ermächtigungsnorm erlassene Rechtsverordnung muss die verfassungsrechtlichen Prinzipien achten und sich an das ganze Rechtssystem anpassen. Sie muss innerhalb des festgelegten Ausmaßes, Zwecks und Inhalts des Ermächtigungsgesetzes erlassen werden. Bei den Rechtsverordnungen ist es wichtig, in jeder Hinsicht zu prüfen, ob eine über die bestehende gesetzliche Grundlage und festgelegte Bedeutung der Ermächtigungsnorm hinausgehende Rechtsverordnung erlassen und dadurch ein neues Gesetz geschaffen worden ist.45 (1) Verlust der koreanischen Staatsangehörigkeit nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz. § 14-3 des Gesetzes bestimmt für den Verlust der koreanischen Staatsangehörigkeit folgendes: (1) Wenn der Justizminister es für eine Person mit mehreren Nationalitäten offensichtlich für unangemessen erachtet, die Staatsangehörigkeit der Republik Korea aus einem der folgenden Gründen beizubehalten, kann der Justizminister den Verlust der Staatsangehörigkeit der Republik Korea nach einer mündlichen Verhandlung anordnen: Vorausgesetzt wird jedoch, dass dies nicht für eine Person gilt, die durch ihre Geburt die Staatsangehörigkeit der Republik Korea erworben hat und gemäß Nr. 2, dass die Person eine Handlung ausführt, die von der ,Präsidialrechtsverordnung‘ vorgeschrieben ist und die die Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung in der Republik Korea erheblich behindert.
In § 14-3 (1) Nr. 2 des Staatsangehörigkeitsgesetzes ist die Ermächtigungsgrundlage für die präsidiale Rechtsverordnung zu finden. Bei der Formulierung der Ermächtigung wird das Bestimmtheitsgebot des Art. 75 der Verfassung aber nicht eingehalten.46 Es kann nur schwer vorausgesagt werden, welche Handlungen zum Ver45
Oberste Gerichtshofentscheidung 29. 4. 2010, 2009Du17797. § 18-3 Abs. 3 der Verordnung. Dies sind Straftaten, die mit über sieben Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden, wie Mord, Vergewaltigung, die in der Verordnung des Justizministers geregelt sind. § 12-3 der Satzung regelt die Straftat, die zum Verlust der Staatsangehörigkeit führen wie folgt: „Eine Straftat nach der Verordnung des Justizministers ist: 1. ,Strafgesetzbuch‘, Je2Pyen Je24Jang Mord, Je32Jang Vergewaltigung, Je38Jang Räuber, 2. ,ACT ON SPECIAL CASES CONCERNING THE PUNISHMENT, ETC. OF SEXUAL CRIMES‘, 3. ,ACT ON THE CONTROL OF NARCOTICS, ETC.‘, 4. ,ACT ON THE AGGRAVATED PUNISHMENT, ETC. OF SPECIFIC CRIMES‘ § 5-2, § 5-4, § 5-5, § 5-9, 46
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lust der koreanischen Staatsangehörigkeit führen werden. Der Inhalt dieser präsidialen Rechtsverordnung ist nicht bestimmt genug, daher verstößt die Ermächtigungsnorm gegen Art. 75 der Verfassung.47 (2) Ermächtigung nach dem § 29 des Gesetzes zum Schutz und Untersuchung von Bodendenkmälern § 29 Abs. 1 des Gesetzes lautet: Die Befugnisse des Präsidenten des Kulturschutzamtes gemäß dieses Gesetzes können durch die Präsidialrechtsverordnung teilweise auf den Bürgermeister der Sonderstadt, den Bürgermeister der Stadt, den Ministerpräsidenten des Landes, den Ministerpräsidenten der besonderen selbstverwaltenden Provinz oder die Leiter der angeschlossenen Institutionen übertragen werden.
Die Ermächtigungsnorm gibt keinen Aufschluss über den Inhalt, das Ausmaß und den Zweck der präsidialen Rechtsverordnung, zu deren Erlass sie ermächtigt. Daher verstößt die Ermächtigungsnorm gegen Art. 75 der Verfassung. Die präsidiale Rechtsverordnung schafft ein neues Gesetz. Beispielsweise beschränkt § 3248 Nr. 1 der Durchführungsverordnung über die „Anhörung und den Erlass eines Beschlusses zu Maßnahmen nach Artikel 8 Absätze 1 und 2 des Gesetzes, die Anwendung des Gesetzes auf Bauarbeiten, deren Geschäftsflächen weniger als 2000 Quadratmeter betragen.“ Der Kulturamtspräsident delegiert die Befugnis dazu auf die Ministerpräsidenten des Landes, welche das zuständige Amt für die Genehmigung, Akkreditierung des Bauens und auch die Schutzmaßnahmen für Bodendenkmäler sind.49
oder § 11, 5. ,PUNISHMENT OF VIOLENCES, ETC. ACT § 4, 6. ,ACT ON SPECIAL MEASURES FOR THE CONTROL OF PUBLIC HEALTH CRIMES‘.“ 47 Shin, Okju, Eine Studie über die Verfassungswidrigkeit des Entzugs der kor. Staatsangehörigkeit von ,Multi-Staatsangehörigkeitsbesitzern‘, Verfassungslehre Je18Kwon Je2Ho (6/ 2012), S. 345. 48 (1) Pursuant to Article 29 (1) of the Act, the Administrator of the Cultural Heritage Administration shall delegate his/her authority over the following matters to the Special Metropolitan City Mayor, a Metropolitan City Mayor, a Do Governor, or a Special Self-Governing Province Governor: 1. Consultation and issuance of an order to take measures under Article 8 (1) and (2) of the Act: Provided, that the delegated authority shall be limited to construction works with a project area not exceeding 2,000 square meters; 2. Issuance of an order to take measures necessary for preserving cultural heritage under Article 9 (1) of the Act: Provided, that the delegated authority shall be limited to construction works that fall under Article 4 (1) 4; 3. Public announcement of discovered or excavated cultural heritage under Article 22 of the Act. 49 Shin, Okju, Eine Studie über die Revision des Gesetzes zum Schutz und zur Ermittlung von Bodendenkmälern, Public Land Law Review, Vol. 72, November 2015, S. 17 – 18.
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b) Verfassungswidrige Subdelegation § 29 Abs. 2 des Gesetzes für elementare und sekundäre Bildung lautet: „Die für den Umfang, die Autorenschaft, die Genehmigung, die Anerkennung, die Veröffentlichung, die Lieferung, die Auswahl, die Preisfeststellung usw. von Schulbüchern erforderlichen Angelegenheiten werden durch Präsidialrechtsverordnung vorgeschrieben.“
Auf dieser Grundlage wurde eine präsidiale Rechtsverordnung erlassen. Nach § 55 der Durchführungsverordnung des Gesetzes für elementare und sekundäre Bildung können Angelegenheiten, die für den Umfang der Lehrbücher nach § 29 Absatz 2 des Gesetzes erforderlich sind, durch präsidiales Dekret festgelegt, also weiter übertragen werden. Aufgrund des § 55 der Präsidialrechtsverordnung ist die präsidiale Rechtsverordnung im Namen der Regelung für die Schulbücher erlassen worden. Nach § 4 dieser Regelung werden staatlich autorisierte Schulbücher durch ministeriale Vorschrift bestimmt. Die kritischen Punkte dieser Konstruktion von Gesetz und Verordnungen liegen vor allem darin, dass die staatlich autorisierten Schulbücher, bei denen der Staat als Eigentümer den Inhalt bestimmt, durch eine gesetzliche Ermächtigung, eine Rechtsverordnungsermächtigung, eine Subdelegation und schließlich eine ministeriale Vorschrift vom zuständigen Kulturminister bestimmt werden. Erstens ist das Prinzip der Rechtmäßigkeit von Schulbüchern, wonach der grundlegende Rahmen im Gesetz vorgeschrieben werden muss, verletzt. Zweitens wird der Parlamentsvorbehalt verletzt, denn die staatlich autorisierten Schulbücher greifen in die Grundrechte der Gedankenfreiheit, das Erziehungsrecht der Eltern, die Unterrichtsfreiheit der Lehrer usw. ein, daher muss der Gesetzgeber diese wesentliche Entscheidung selbst treffen. Drittens ist auch die Subdelegation verfassungswidrig, weil die Rechtsverordnung keine Regelung über den Inhalt trifft, zu dessen Regelung sie ermächtigt wurde, sondern nur die Ermächtigung weiterleitend überträgt.50
3. Versuch der legislativen Mitwirkung durch die Änderung von § 98-2 Abs. 3 des Parlamentsgesetzes a) Inhalt des § 98-2 des Parlamentsgesetzes Am 13. 1. 1997 wurde das Mitwirkungsrecht des Parlaments bei Rechtsverordnungen aufgrund einer Revision eines Parlamentsgesetzes eingeführt. Gemäß § 98-2, muss „der Leiter der zuständigen zentralen Verwaltungsbehörden die auf einer Ermächtigungsgrundlage basierenden Verordnungen oder Ausführungsverordnungen, Satzungen, Verwaltungsvorschriften, Regulationen usw. innerhalb von sieben Tagen beim Parlament einreichen, wenn sie neu angefertigt oder geändert worden sind.“ Ziel der Revision war es, durch die Schaffung einer Verpflichtung zur Einreichung von Rechts50 Shin, Okju, Eine verfassungsrechtliche Studie über das staatliche Schulbuchsystem, Verfassungslehre Je21won Je4Ho (12/2015), S. 22 – 24.
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verordnungen beim Parlament im Fall der Erstellung oder der Änderung der exekutiven Normsetzung die legislative Kontrolle gegenüber der Exekutive zu verstärken. Die Regelung bestimmte zwar nur die Pflicht zur Einreichung, doch hatte sie ihren eigenständigen Sinn, weil durch sie dem Parlament erstmalig in einem Gesetz die legislative Mitwirkung gegenüber der Exekutive eingeräumt worden ist. Am 16. 2. 2000 wurde § 98-2 geändert und der heutige Abs. 3 eingefügt. Der beabsichtigte Versuch, durch die Änderung ein Korrekturrecht der Legislative zu verankern, war aufgrund von Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit gescheitert.51 Stattdessen wurde dem jetzigen § 98 Abs. 2 ein Abs. 3 eingefügt, der das Mitwirkungsrecht des Parlaments in Form des bloßen Nachsehens und des Mitteilens beinhaltet: „Die ständigen Ausschüsse bilden regelmäßige Ausschüsse oder Unterausschüsse und lassen die Verfassungs- oder Rechtmäßigkeit der von den zuständigen zentralen Verwaltungsbehörden erlassenen Präsidialrechtsverordnungen, premierministeriellen Rechtsverordnungen und ministeriellen Rechtsverordnungen (im Folgenden ,Rechtsverordnung‘) überprüfen. Stehen die betreffenden Rechtsverordnungen nicht im Einklang mit dem Inhalt des Gesetzes oder der Verfassung, können die Ständigen Ausschüsse dies dem Leiter der zuständigen zentralen Verwaltungsbehörden mitteilen. In diesem Fall muss der Leiter der zentralen Verwaltungsbehörde dem zuständigen Ständigen Ausschuss unverzüglich über die Pläne zur Beseitigung der notifizierten Einzelheiten und deren Ergebnisse berichten.“52
b) Gescheiterter Versuch für ein verstärktes Mitwirkungsrecht der Legislative von 2015 Am 29. 5. 2015 wurde der Gesetzentwurf zur Änderung des § 98-2 Abs. 3, der der Legislativen ein Änderungsrecht einräumte, vom Parlament beschlossen. Dessen revisionierter Inhalt sah vor, dass die zuständige ständige Kommission von der zuständigen zentralen Verwaltungsbehörde die Korrektur der Rechtsverordnung fordern kann, 51 15. 1. 2000 Antragsnr. 152555Ho. Abgeordneter Park, Sangcheon und 27 beantragte Revisionsvorhaben des § 98-2 Parlamentsrechts (3) Die relevante zuständige Kommission kann nach der Überprüfung gemäß Abs. 2 des § 98-2 von den zuständigen zentralen Verwaltungsbehörden die Korrektur/Änderung der Rechtsverordnung verlangen, wenn diejenige Verordnung der Zielsetzung oder dem Inhalt des Gesetzes nicht entspricht oder nicht angemessen ist. Park, Jinyoung, Das parlamentarische Korrekturverlangen und Gewaltenteilung, Kyungheebubhak Je51Kwon Je4Ho, 2016, S. 107. 52 National Assembly Act § 98-2 (3) The Standing Committees shall regularly open the committees or sub-committees, and have them examine the Presidential Decrees, the Ordinances of the Prime Minister, the Ordinances of the Ministries (hereinafter referred to as the „Presidential Decrees, etc.“ in this Article) which have been submitted by the competent central administrative agencies with respect to whether they are in contravention to the Acts, and where deemed that the relevant Presidential Decrees, etc. are not in accord with the purport and content of the Acts, they may notify the heads of the competent central administrative agencies of their contents. In such cases, the head of the central administrative agency shall notify without delay the competent Standing Committee of the plans for disposal of notified details and the results thereof.
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wenn sie nicht im Einklang mit dem Ziel und Inhalt des Ermächtigungsgesetzes steht. Zudem müssen sich die zuständigen zentralen Verwaltungsbehörden mit dem Korrekturverlangen des Parlaments befassen und diesem die Resultate mitteilen. Der Gesetzentwurf wurde an die Regierung weitergeleitet und die damalige Präsidentin Park machte von ihrem Vetorecht Gebrauch und schickte ihn zurück an das Parlament, das ihn mit 2/3-Mehrheit erneut beschließen sollte.53 Zeitlich war dies jedoch unmöglich und der Gesetzentwurf hat sich aufgrund des Endes der 19. legislativen Periode erledigt. Das legislatorische Amt war der Meinung, der Gesetzentwurf sei in folgenden Punkten verfassungswidrig, was mit der Gegenmeinung allerdings kritisch gesehen werden kann. (1) Aufgrund des unklaren Inhalts, nämlich ob die zuständigen zentralen Verwaltungsbehörden die Forderung des Parlaments zu erfüllen haben, sind Unsicherheiten und Konflikte in der Praxis vorauszusehen. Das Mitwirkungsrecht reicht jedoch nicht soweit, dass das Parlament über den Inhalt der Rechtsverordnung entscheidet und die Verwaltung an diese gebunden wird. Ein solches Ergebnis wäre auch unerwünscht. Es hätte nämlich eine Vermischung der Aufgaben des Parlaments und der Regierung zur Folge und würde die Trennung der Aufgaben sowie der Verantwortungsbereiche des Parlaments und der Regierung beeinträchtigen. Meines Erachtens ist das Korrektur-/Änderungsrecht darauf beschränkt, dass das Parlament von der Exekutive die Korrektur der rechtswidrigen Rechtsverordnung innerhalb des Ausmaßes, des bestimmten Ziels und des Inhalts des Ermächtigungsgesetzes fordern kann. Der Verwaltung steht es dann aber frei, wie sie die Rechtswidrigkeit korrigiert und wie sie die Verordnung gemäß den Anforderungen des Gesetzes bzw. der Verfassung ändert. (2) Durch die Einräumung eines parlamentarischen Korrektur-/Änderungsrechts wird in das exekutive Rechtssetzungsrecht, das nach Art. 75 und 95 verfassungsrechtlich garantiert ist, eingegriffen. Denn gem. dem revisionierten Inhalt wird die Verwaltung verpflichtet, die betreffende Rechtsverordnung zu ändern. Dadurch kann das Parlament auf den Inhalt der Rechtsverordnung, den die Exekutive eigentlich selbstständig und unabhängig bestimmen muss, in gewissem Umfang Einfluss nehmen.54 53
Ehemalige Präsidentin Park, Kuenhee war 1998 als Abgeordnete bei der Stellung des Antrags für die Revision des Parlamentsrechts beteiligt. Der Inhalt war wie folgt: „Die zuständigen zentralen Verwaltungsbehörden sind der Meinung, dass die ständige Kommission zur Überprüfung berechtigt sein soll, wenn die Verordnung dem Ermächtigungsgesetz widerspricht oder den Rahmen des Ermächtigungsgesetzes überschreitet.“ Am 7. 7. 2015 wurde zwar dasselbe Revisionsvorhaben mit dem Namen „Park, Kuenhee-Vorhaben“ von der „neuen politischen demokratischen Union“ gestellt, aber es wurde mit dem Ende der 19. Legislativperiode vernichtet. 54 Lee, Inho, „Nach der Verfassung kann das Parlament keine direkte Korrektur besitzen.“, Runder Tisch der Assoziation des öffentlichen Rechts Koreas: Ob das Korrekturrecht des Parlaments verfassungswidrig ist?, Assoziation des öffentlichen Rechts Koreas, 2015, S. 12.
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Es ist inakzeptabel, dass das Parlament selbst eine Verordnung erlässt. Dies wäre ein Eingriff in die exekutive Rechtssetzung. Möglich ist aber ein Mitwirkungsrecht in Form der Korrektur-/Änderungsforderung. Das Korrektur-/Änderungsrecht ist für das Parlament nicht für alle exekutiven Normen sinnvoll. Dieses Recht kann das Parlament nur für die Ermächtigungs- und Ausführungsrechtsverordnung nach Art. 75 und 95 in Anspruch nehmen. Das exekutive Rechtssetzungsrecht ist kein originäres55, sondern abgeleitetes Recht56, das aufgrund einer bestimmten gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage gesetzt werden kann. Hinter der geschaffenen Rechtsverordnung verbirgt sich stets die Gefahr, dass einzelne Regelungen über bestehende Ermächtigungsgrundlagen hinausgehen. Die parlamentarische Mitwirkung bei der Rechtsverordnung ist daher verfassungsmäßig. (3) Es wurde auch behauptet, dass nach der Verfassung nicht die Legislative, sondern die Gerichte für die Überprüfung der Rechts- und Verfassungswidrigkeit zuständig seien.57 Die gerichtliche Kontrolle, die nach dem Erlass der Rechtsverordnung erfolgt, ist charakteristisch anders als die vorherige Kontrolle durch das Parlament zu beurteilen. Beide stehen nicht in Konkurrenz zueinander.
IV. Fazit Allgemeinverbindliche Rechtsverordnungen, die im Vergleich zu der legislativen Gesetzgebung ein einfacheres Gesetzgebungsverfahren durchlaufen müssen, regulieren die Rechte und Pflichten der Bürger in verschiedenen Bereichen. Es wäre gefährlich, wenn sie gänzlich ohne die Mitwirkung des Parlaments und der Bürger frei erlassen werden dürften und sich dadurch verselbstständigen könnten. Unkontrollierte Rechtsverordnungen könnten die Ermächtigungsnormen entwerten. Außerdem kann eine sich gegenüber dem Parlament verselbstständigende exekutive Gesetzgebung die Gesetzgebungskompetenz des Parlaments und damit auch das Rechtsstaatsprinzip erschüttern. Nach dem Erlass der Rechtsverordnung kontrollieren die allgemeinen Gerichte und daneben das Verfassungsgericht diese auf ihre Verfassungs- und Rechtswidrigkeit. Allerdings ist aufgrund der fehlenden Mitwirkung des Parlaments eine vorherige Kontrolle beim Rechtsverordnungserlass erforderlich. Das bedeutet aber nicht, dass der Verordnungsgeber inhaltlich an den Parlamentsbeschluss gebunden werden sollte. Das würde die Trennung der Aufgaben und der Verantwortungsbereiche zwi55 Lee, Inho vertritt die Meinung, dass Art. 75 der Verfassung dem Präsidenten eine originäre Gesetzgebungskompetenz, die nicht vom Art. 40 abgeleitet wird, verleiht. Jungangilbo, 4. 6. 2015. 56 Kim, Suntaek, Parlamentarische Kontrolle für die Verwaltungsrechtssetzung, Kongbubhakyeongu, Je16Kwon Je4Ho, S. 97 – 100. 57 Park, Jinyoung, Das parlamentarische Korrekturverlangen und Gewaltenteilung, S. 126.
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schen dem Parlament und der Regierung beeinträchtigen. Das Parlament könnte die Rechtsverordnung aber hinsichtlich ihres Textes und Inhaltes überprüfen und danach die Exekutive dazu auffordern, diese verfassungs- und rechtskonform zu formulieren. Literaturverzeichnis Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsförmlichkeit 3. Auflage, 2008. Choi, Jungil, Eine Studie über die parlamentarische direkte Kontrolle zu der Rechtsverordnung in Amerika und Deutschland, Verwaltungslehre Je21Ho. Hong, Sungi, Die parlamentarische direkte Kontrolle zu der Verwaltungsrechtsetzung in Deutschland, Gemeinsames Symposium von der Association für EU Rechte, der Association für die Rechtssetzung und dem Institut für Rechtsvergleichung von Dongkuk Uni. 20. 7. 2015. Hyunsoo, Eine Studie über die Verwaltungssatzung nach der deutschen Verwaltungslehre, Ilgambubhak Je20H0. Kim, Chelyoung, Verwaltungsrecht, Parkyoungsa, 2011. Kim, Hayeol, Die gerichtliche Kontrolle von Verordnung und Satzung hinsichtlich der Verfassungsgerichtszuständigkeit, Hunbubpanreyyeongu 9, 2/2008. Kim, Kijin, Eine Studie über die Notwendigkeit der Verbesserung der Rechtsverordnung. Kim, Sung Soo, Einführung in das Verwaltungsrecht, Bubmunsa, 2008, S. 337. Kim, Suntaek, Parlamentarische Kontrolle für die Verwaltungsrechtsetzung, Kongbubhakyeongu, Je16Kwon Je4Ho. Kim, Yongsub, Die Kontrolle der Verwaltungsrechtsetzung nach dem Parlamentsgesetz und rechtspolitische Aufgaben, Verwaltungslehre Je33Ho, 8/2012. Kluth/Krings (Hrsg.), Gesetzgebung, 2014. Ko, Younghun, Eine Studie über die Problematik der Verwaltungssatzung und ihre Verbesserungsrichtung, Studie des öffentlichen Rechts Je29jib Je1Ho (11/2000) Lee, Inho, Runder Tisch der Assoziation des öffentlichen Rechts Koreas: Ob das Korrekturrecht des Parlaments verfassungswidrig ist?, Assoziation des öffentlichen Rechts Koreas, 2015. Park, Jinyoung, Das parlamentarische Korrekturverlangen und die Gewaltenteilung, Kyungheebubhak Je51Kwon Je4Ho, 2016. – Die Verfassungswidrigkeitskontrolle von Verordnung und Satzung, Kyungheebubhak Je48kwon Je3Ho, 3/2013. Park, Kuynsung, Verwaltungsrecht (I), Parkyoungsa, 2009. Sachs, Michael (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 1999. Shin, Okju, Eine Studie über die Revision des Gesetzes zum Schutz und zur Ermittlung von Bodendenkmälern, Public Land Law Review, Vol. 72, November, 2015. – Eine Studie über die Verfassungswidrigkeit des Entzugs der kor. Staatsangehörigkeit von ,Multi-Staatsangehörigkeitsbesitzern‘’, Verfassungslehre Je18Kwon Je2Ho (6/2012).
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– Eine verfassungsrechtliche Studie über das staatliche Schulbuchsystem, Verfassungslehre Je21won Je4Ho (12/2015). Son, Sangsik, Die Notwendigkeit und Möglichkeit der Normenkontrolle von Verordnung und Satzung, Bubhaknongo Je47Jib (8/2014). Suk, Jongheyn/Song, Dongsu, Allgemeines Verwaltungsrecht (I), Samyoungsa, 2009. Sung, Nakin, Verfassungslehre, 2018. Ue, Minho, Eine Kritik über die Überproduktion und die Verselbstständigung der Rechtssetzung der Verwaltung – unter der Berücksichtigung der Rechtstheorie von Harbermas, Theorie von Philosophie Je83Jib Je1kwon, 2016. Verwaltungsrechtsetzung Analyse, Einschätzung, Theorie und Praxis, Parlamentarische Rechtssetzungsabteilung, 2010, S. 17.
Internetquellen http://www.moleg.go.kr/lawinfo/governmentLegislation/process/processSchedule http://www.scourt.go.kr/kc_p.html
Verwaltungsvorschriften im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht Von Josef Ruthig
I. Verwaltungsvorschriften als abstrakt-generelle Regelungen des Innenrechts Verwaltungsvorschriften als „abstrakt-generelle Regelungen des verwaltungsinternen Bereichs“1 sind ein Dauerbrenner der juristischen Diskussion, stellen aber gleichzeitig seit seinen Anfängen eine Selbstverständlichkeit des Verwaltungsrechts dar. Sie übertreffen Gesetze und Verordnungen nicht nur zahlenmäßig, sondern auch in ihrer Bedeutung für die Steuerung des Einzelfalls2. Traditionell fungieren sie als Steuerungsinstrument im Rahmen der Verwaltungshierarchie3. Die Befugnis zum Erlass von Verwaltungsvorschriften gilt als „der Exekutivgewalt inhärent, soweit ihre Organisations- und Geschäftsleitungsgewalt reicht“4. Dabei betreffen sie nicht nur die hier nicht weiter zu verfolgenden Fragen der Verwaltungsorganisation und der Dienstvorschriften für Beamte, sondern insbesondere auch den Normvollzug. Von besonderer, im Grundgesetz ausdrücklich anerkannter Bedeutung sind sie beim Vollzug von Bundesgesetzen durch die Länder. Verwaltungsvorschriften interpretieren die gesetzlichen Vorschriften, steuern aber auch die Ausübung des Verwaltungsermessens überall dort, wo der Gesetzgeber Spielräume zur Gesetzeskonkretisierung belässt. Dies geschieht entweder durch Ermessenspielräume auf der Rechtsfolgenseite oder durch unbestimmte Rechtsbegriffe mit Beurteilungsspielraum auf der Tatbestandsseite. Ausgeklammert bleiben im Folgenden staatliche Pläne, selbst wenn diese immer dann, wenn sie nicht als Rechtsverordnung oder Satzung ergehen, Verwaltungsvorschriften zumindest ähneln5. 1
Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl., 2018, § 24 Rn. 1. Vgl. dazu Ruffert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 17 Rn. 67. 3 Vgl. Maurer/Waldhoff, § 23 Rn. 5: Der hierarchische Aufbau der Verwaltung mit seinen Weisungskompetenzen bilde den „Schlüssel zum Verständnis der Verwaltungsvorschriften“. 4 BVerwGE 67, 222, 229; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24 Rn. 33. 5 Vgl. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO § 47 Rn. 29. Zu nennen wären für das Umweltrecht vor allem die Luftreinhalte- und Lärmminderungsplanung nach §§ 44 ff. bzw. 47a ff. BImSchG (zu Rechtsnatur und Rechtsschutz ausf. Jarass, in: ders., BImSchG § 47 Rn. 58 ff.; § 47d Rn. 15 ff.). Aus dem Bau- und Planungsrecht vgl. die Raumordnungspläne (soweit sie 2
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Verwaltungsvorschriften gehören dem Innenrecht an und sind deswegen im Außenverhältnis weder für den Bürger noch für die Gerichte verbindlich6. Sie sind, um mit dem BVerfG zu sprechen, „Gegenstand, nicht jedoch Maßstab gerichtlicher Kontrolle“7. Nehmen die Gerichte ihre Kontrolle eines Sachverhaltes unter Verweis auf Verwaltungsvorschriften zurück, verletzten sie damit, so das BVerfG, zugleich den Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 IV GG. Für einen Rechtsschutz unmittelbar gegen Verwaltungsvorschriften ist umgekehrt kein Raum8. Von diesem Grundsatz der reinen Innenwirkung von Verwaltungsvorschriften gibt es eine allgemein anerkannte Ausnahme im Bereich der Leistungsverwaltung. Subventionen bedürfen keiner gesetzlichen Grundlage, sondern lediglich einer zweckbestimmten Zuweisung der Haushaltsmittel im Haushaltsplan. Hier kann sich allerdings aus Art. 3 Abs. 2 GG in Verbindung mit den als Verwaltungsvorschrift zu qualifizierenden Haushaltsrichtlinien ein Anspruch auf Förderung ergeben; gleichwohl sind Grundlagen und Rechtsfolgen dieser auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückgeführten „Selbstbindung“ keineswegs klar9. Allerdings bringt gerade diese Konstruktion die Rücknahme der Kontrolldichte zum Ausdruck: „Richtlinien, in denen bestimmt ist, unter welchen Voraussetzungen die im Haushaltsgesetz einschließlich Bundeshaushaltsplan zweckbestimmt ausgewiesenen Förderungsmittel an den ,Empfängerkreis‘ zu verteilen sind, unterliegen grundsätzlich keiner richterlichen Interpretation. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Überprüfung zu beschränken, ob aufgrund solcher Richtlinien überhaupt eine ,Verteilung‘ öffentlicher Mittel vorgenommen werden kann (Vorbehalt des Gesetzes) und bejahendenfalls, ob bei Anwendung der Richtlinien in Einzelfällen, in denen die begehrte Leistung versagt worden ist, der Gleichheitssatz verletzt oder der Rahmen, der durch die gesetzliche Zweckbestimmung gezogen ist, nicht beachtet worden ist“10. Nicht zufällig erinnert diese Formel aus der Rechtsprechung des BVerwG an die Formulierung des § 114 VwGO, der die gerichtliche Kontrolle behördlicher Ermessensentscheidungen begrenzt.
nicht als Rechtsverordnung erlassen werden) und die Flächennutzungspläne nach § 5 BauGB (dazu Schenke, NVwZ 2007, 134; ders., GS Hoppe (2012), 73). 6 Besonders deutlich wird dies in der (älteren) Literatur betont, vgl. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 108, 118 m.w. Nachw. 7 BVerfGE 78, 214, 227; NVwZ 2011, 1062 Rn. 69. 8 Nach der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung sind allein verwaltungsintern bindende und steuernde Verwaltungsvorschriften keine Rechtsvorschriften i.S. von § 47 I Nr. 2 VwGO. Ihnen fehle die für eine Rechtsvorschrift charakteristische Außenwirkung, BVerwGE 75, 109; 94, 335; vgl. näher Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, § 47 Rn. 29; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 19 Rn. 22. 9 Zu dieser „nicht immer unproblematischen“ Bedeutung des Gleichheitssatzes Hufen, Staatsrecht II, § 39 Rn. 25. Es ist auch keineswegs unumstritten, dass sich diese Selbstbindung überhaupt aus den Verwaltungsvorschriften ergibt; nicht auf die Verwaltungsvorschriften, sondern die Verwaltungspraxis abstellend insbes. Oldiges, NJW 1984, 1930. 10 So der Leitsatz von BVerwGE 79, 728 = NJW 1979, 2059.
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Es bleibt aber die Frage, inwieweit gesetzgeberisch eingeräumte Beurteilungsund Ermessensspielräume, die zunächst einmal der Einzelfallgerechtigkeit dienen und beispielsweise im Polizeirecht die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme sicherstellen sollen, Raum für eine über den Einzelfall hinausgehende Konkretisierung lassen oder vielleicht sogar umgekehrt eine solche gebieten. Traditionell bezeichnet man die zentralen Beispielsfälle als normkonkretisierend. In der Literatur werden sie daher teilweise neben Rechtsverordnungen und Satzungen zu den „normativen Handlungsformen“ gezählt11, obwohl die normkonkretisierende Wirkung zunächst einmal den Inhalt der Verwaltungsvorschrift beschreibt und gerade noch keine Aussage über ihre Bindungswirkung trifft. Das Bundesverwaltungsgericht problematisiert in solchen Fällen die Außenwirkung und lässt, sofern es eine solche annimmt, auch bei Verwaltungsvorschriften die Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO zu: Zu den im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften gehörten, so das Gericht, „nach der Zweckrichtung der Normenkontrolle und dem danach gebotenen weiten Begriffsverständnis nicht nur Satzungen und Rechtsverordnungen, sondern auch solche (abstrakt-generellen) Regelungen der Exekutive, die rechtliche Außenwirkung gegenüber dem Bürger entfalten und auf diese Weise dessen subjektiv-öffentlichen Rechte unmittelbar berühren12. In diesen Fällen werden nicht nur bezüglich des Rechtsschutzes, sondern auch hinsichtlich formaler Anforderungen Anleihen bei den Rechtsnormen genommen, etwa eine Pflicht zur Publikation bejaht13. Eine solche Publikationspflicht für Verwaltungsvorschriften mit unmittelbarer Außenwirkung für Dritte lässt sich mit dem im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG), vor allem aber auch der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 IV GG) begründen. Andererseits sind solche Überlegungen möglicherweise den Besonderheiten der jeweiligen Rechtsmaterie geschuldet und damit einer Verallgemeinerung nicht zugänglich. Rechtsprechung und Literatur lehnen es jedenfalls ab, der Verwaltungsvorschrift generell weiterreichende Rechtswirkungen zuzuerkennen und sie so zur „Rechtsform“ werden zu lassen14. 11
Möstl, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl., 2005 § 18 Rn. 1, 4. BVerwGE 94, 335, 338 zur Regelsatzfestsetzung durch Verwaltungsvorschrift; s. auch BVerwG, Urteil v. 25. 11. 2004 – 5 CN 2/03 zu Ausführungsbestimmungen zur Sozialhilfepauschalierung. 13 So hat das BVerfG die Bekanntmachung einer Strafgefangene bindenden Verwaltungsvorschrift an jeden, den es angeht, verlangt (BVerfGE 40, 237, 252 f., 255) und das BVerwG entschieden, dass eine Verwaltungsanweisung, die nicht nur nach innen mit Bindungswirkung für ihre Beamten, sondern auch nach außen mit Wirkung gegenüber Dritten in Form einer Ausschreibung den Kreis der Begünstigten benennt, bekannt gemacht werden muss, soweit sie sich nach außen wendet (BVerwGE 35, 159, 162). Auch im Schrifttum wird seit langem die Publikation von Verwaltungsvorschriften mit unmittelbarer Außenwirkung gegenüber Dritten verlangt, s. grundlegend Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 462 ff.; Gusy, DVBl. 1979, 720, 724; Hill, NVwZ 1989, 401. 408. 14 Dies zeigte exemplarisch die Diskussion um die Wirkungen von TA Luft und Lärm. Als der EuGH eine Umsetzung von Richtlinien durch Verwaltungsvorschriften wegen ihrer fehlenden Verbindlichkeit für die Gerichte als ungeeignet ansah, wurde dies nicht zum Anlass genommen, über eine stärkere Bindung an Verwaltungsvorschriften nachzudenken. Vielmehr 12
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Es ist in der Tat nicht nur vor dem Hintergrund des Art. 80 GG15 eine gewisse Skepsis gegenüber allen Bestrebungen angebracht, den Verwaltungsvorschriften in immer weitergehendem Umfang Außenwirkung zuzusprechen16. Begründet man diese mit der Grundrechtsrelevanz, so erinnert die Diskussion an diejenige um schlichthoheitliches Verwaltungshandeln, wo man in vielen Fällen bei Grundrechtsrelevanz Verwaltungsakte lediglich „erdichtet“ hat17. Verwaltungsvorschriften bleiben damit die „ungesicherte dritte Kategorie des Rechts“18. Rechtlich ungesichert sind die Verwaltungsvorschriften in zweierlei Hinsicht. Die Frage ihrer Verbindlichkeit verbindet sich mit der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen sie überhaupt zulässig sind19. Wenn diese Diskussion im Folgenden aufgegriffen wird, so aus einem konkreten Anlass und unter einem speziellen Blickwinkel20. Seit fast 30 Jahren wird die Diskussion europarechtlich überlagert, sodass es sich lohnt, die Konsequenzen aus dieser „Europäisierung“ eines Rechtsinstituts näher zu untersuchen. Den Anfang markierten die bekannten EuGH-Entscheidungen zum Umweltrecht, die (normkonkretisierende) Verwaltungsvorschriften des nationalen Rechts als Umsetzungsinstrument für EU-Richtlinien als nicht tauglich erachteten21. Der europäische Einfluss schien also das Ende der Verwaltungsvorschriften zu bedeuten22. Das Gegenteil ist allerdings der Fall. In den letzten Jahren eröffnete gerade das Unionsrecht im richtentschied sich der Gesetzgeber für eine „Hochzonung“: § 48a BImSchG liefert dann die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von Verordnungen; die Regelung des § 48 BImSchG blieb daneben bestehen. Auch in der Literatur wird häufig für eine reine „Innenlösung“ plädiert, vgl. etwa Maurer, § 24 Rn. 17; Möstl, in: Erichsen/Ehlers, § 19, 16. 15 Zu diesem Argument bereits Schenke, DÖV 1977, 27 ff.; DÖV 1986, 190 ff.; zusammenfassend ders., in: Kopp/Schenke, VwGO § 114 Rn. 42. 16 Krit. dazu insbes. Saurer, VerwArch 2006, 262 ff. 17 Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht Bd I, 3. Aufl. 1924, S. 97 in Fn. 9. Er wusste also um die dogmatische Verfehltheit der Konstruktion, nahm sie aber im Interesse des Rechtsschutzes als „bewußte, wenn auch aus einsichtigen Gründen dogmatisch verschleierte Extension der Enumerationsklausel der preußischen Verwaltungsgerichtsgesetzgebung“ hin, so zu Recht Pietzner, VerwArch 1991, 291, 301. 18 So die treffende Formulierung von Wahl, FG BVerwG 2003, 571, 590 f.; s. auch Hill/ Martini, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 34 Rn. 37 ff.; Möstl, in: Ehlers/Pünder, § 20 Rn. 16 ff.; Sauerland, Die Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen, 2005; Saurer, VerwArch 97 (2006), 249 ff. 19 Vgl. auch Maurer/Waldhoff, § 24 Rn. 35: Das BVerwG betone die Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften immer dann, wenn es sie vor dem Hintergrund des Gesetzesvorbehaltes für unzulässig hält. 20 Nicht vertieft wird die grundsätzliche Problematik der Abgrenzung von Innen- und Außenrecht; vgl. dazu schon Beckmann, DVBl. 1987, 611 und insbesondere Knauff, Der Regelungsverbund: Recht und Soft Law im Mehrebenensystem, 2010, S. 354 f. mit dem Hinweis auf die Bezüge zur Reinen Rechtslehre von Kelsen. 21 EuGH, Slg 1991, I-2567 – TA Luft; Slg 1991, U-4983 – Oberflächenwasser. S. nur Ruffert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts § 17 Rn. 71; Hoffmann-Riem, a.a.O, § 33 Rn. 106. 22 Besonders deutlich formuliert bei Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO § 114 Rn. 378.
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liniengeprägten Wirtschafts- und Umweltrecht den Verwaltungsvorschriften neue Anwendungsbereiche und etablierte zugleich auch im europäischen Eigenverwaltungsrecht eine vergleichbare Handlungsform23. Das Unionsrecht kennt ebenfalls eine ganze Reihe „förmlich unverbindlicher Rechtsakte“24, die in der Praxis eingesetzt werden, um den Vollzug des Unionsrechts zu steuern und damit funktional den Verwaltungsvorschriften des deutschen Rechts vergleichbar sind25. Im Folgenden sollen exemplarisch einige Fälle näher untersucht werden.
II. Deutsche und europäische Anwendungsbeispiele Verwaltungsvorschriften mit potentieller Außenverbindlichkeit finden sich im gesamten Bereich des besonderen Verwaltungsrechts und werden vom Gesetzgeber bisweilen ausdrücklich erwähnt. Die jüngste Vorschrift, die sich ausdrücklich den Verwaltungsvorschriften im unionsrechtlich überformten Bereich des Verwaltungsrechts widmet, ist § 15a TKG, wonach die Bundesnetzagentur in bestimmten Fällen „Regulierungskonzepte“ zu entwickeln hat, für die ausdrücklich die Rechtsform der Verwaltungsvorschrift vorgesehen ist. Das wahrscheinlich bekannteste Beispiel findet sich im Umweltrecht, vor allem den Technischen Anleitungen TA Luft26 und TA Lärm27, die die „schädlichen Umweltauswirkungen“ des § 3 BImSchG auf konkrete Grenzwerte herunterbrechen28. Auch diese Verwaltungsvorschriften können sich mit § 48 BImSchG auf eine ausdrückliche Vorschrift stützen29. Ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage finden sich Verwaltungsvorschriften, die häufig als Richtlinien, Konzepte und ähnliches bezeichnet werden, aber auch im Bereich des Bauordnungsund des Straßenrechts. Abrissverfügungen gegenüber illegalen Bauvorhaben im Außenbereich ergehen auf der Grundlage von „Abrisskonzepten“ und sind möglicherweise rechtswidrig, wenn ein solches fehlt30. Sondernutzungserlaubnisse für die Au23 Ausführlich dazu Wörner, Rechtlich weiche Verhaltenssteuerungsformen Europäischer Agenturen als Bewährungsprobe der Rechtsunion, 2017 (Diss. Mainz 2016). 24 So die Bezeichnung bei Szcekalla, in: Terhechte, Verwaltungsrecht der Europäischen Union, § 5 Rn. 43. Die Terminologie ist nicht einheitlich; außer den in Art. 288 Abs. 5 AEUV ausdrücklich genannten Empfehlungen und Stellungnahmen finden sich vor allem die sogenannten Leitlinien (Guidelines); dazu Ohler, in: Ruffert, Europäisches Sektorales Wirtschaftsrecht, 2012, § 10 Rn. 112; v. Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, 2008, 247; Möstl, DVBl. 2011, 1076, 1083. 25 Szcekalla, in: Terhechte, Verwaltungsrecht der Europäischen Union, § 5 Rn. 47 zu Empfehlungen; s. auch v. Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 194, 248 f. 26 Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft v. 24. 7. 2002, GMBl. S. 511. 27 Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm v. 26. 8. 1998, GMBl. S. 503. 28 Krit. zu diesen Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 19 Rn. 14. 29 Diese Vorschrift befasst sich vor allem mit dem beim Erlass zu beachtenden Verfahren, gilt aber angesichts der verfassungsrechtlichen Ausgangslage nicht als konstitutiv, vgl. Thiel, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 48 BImSchG Rn. 8 m.w. Nachw. Vgl. demgegenüber aber BT-Drucks. 7/179, S. 45: gesetzliche Ermächtigung. 30 Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO § 114 Rn. 158.
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ßengastronomie stellen Anforderungen, die auf Richtlinien über die Freischankflächengestaltung beruhen,31 und die marktrechtliche Zuteilung von Standplätzen auf Märkten erfolgt auf der Grundlage kommunaler „Zulassungsrichtlinien“32. Ein weiterer zentraler Anwendungsfall für Verwaltungsvorschriften findet sich im Subventionsrecht. Hier genügt es nach deutschem Verständnis, wie oben näher ausgeführt, wenn der Haushaltsplan die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellt und dann von der Verwaltung auf der Grundlage von Förderrichtlinien über die Beihilfegewährung bzw. auch den Widerruf von Förderbescheiden entschieden wird33. Auch auf europäischer Ebene sind aber wesentliche beihilferechtliche Vorgaben nicht in Rechtsvorschriften, sondern in Gemeinschaftsrahmen, Mitteilungen und Leitlinien enthalten, in denen die Kommission auf der Grundlage von Art. 108 Abs. 1 AEUV für verschiedene Arten von staatlichen Beihilfen ihre Aufsichtspraxis transparent macht34. Die Kommission verfügt bei der Anwendung des Art. 107 Abs. 3 AEUV über ein weites Ermessen, das sie aber nicht (nur) im konkreten Beihilfeverfahren ausübt; sie konkretisiert ihre Praxis vorab in Leitlinien. Insoweit hat sich, als von den Betroffenen durchaus begrüßtes Instrument zur Schaffung größerer Rechtssicherheit, eine Praxis der Kommission eingebürgert, in rechtlich unverbindlicher Handlungsform die Grundsätze offenzulegen und zu konkretisieren, anhand derer sie künftig ihr Ermessen auszuüben gedenkt. Von besonderer Bedeutung sind Verwaltungsvorschriften in der Finanzmarktaufsicht. § 103 Abs. 2 VAG ermächtigt die BaFin zur Veröffentlichung ihrer „Rechtsund Verwaltungsgrundsätze“ auf dem Gebiet des Versicherungsaufsichtsrechts, setzt diese also voraus, ohne weitere Vorgaben zu regeln35. Für den Bereich der Bankaufsicht fehlt zwar eine vergleichbare „Ermächtigungsnorm“, dennoch stellen gerade dort Rundschreiben und Mitteilungen, die zutreffenderweise als Verwaltungsvorschriften qualifiziert werden, bisher die zentrale „Handlungsform“ dar36, auch wenn 31
Zu einem Beispielsfall vgl. VG München, Urteil vom 13. 1. 2015 – M 2 K 14.4306. Vgl. etwa OVG Münster, NVwZ-RR 2017, 690; zur Änderung der Vergabekriterien während Bewerbungsverfahren s. VGH Mannheim, NVwZ-RR 2017, 329. 33 Aktuelle Beispiele aus der Rechtsprechung BVerwGE 152, 211; OVG Münster, Beschluss v. 29. 05. 2017 – 4 A 516/15. 34 EuGH, Rs. C-135/93, Slg. 1995, I-1651, Rn. 29 – Spanien/Kommission. Die unterschiedliche Bezeichnung dieser rechtlich nicht unmittelbar verbindlichen Handlungen ist insoweit nicht von Relevanz, vgl. Jestaedt/Häsemeyer, EuZW 1995, 787, 789. Näher zum Folgenden Ruthig, ZG 2014, 136, 150. Das frühere kartellrechtliche Beispiel von Leitlinien der Kommission ist durch die VO (EG) Nr. 1/2003 entfallen, vgl. Röhl, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 30 Rn. 55 ff.; 77 ff. 35 Insbesondere folgt aus Abs. 3 der Vorschrift, dass eine Veröffentlichung im Internet genügt. 36 Dazu näher Ruthig, in: Ruthig/Storr, Rn. 516 ff.; s. auch Gurlit, ZHR 2014, 862, 892 ff.; Sedlak, Bankenaufsicht über Geschäftsorganisation, 2014, S. 170 ff. (Diss. Mainz 2013). Zu abweichenden Ansätzen vgl. Möllers, NZG 2010, 285, 289; ders., FS Buchner (2009), 649, 654: sekundäre Rechtsquellen; Fekonja, BaFin-Verlautbarungen, 2014, S. 91 ff.: Rechtsform sui generis mit „präsumptiver Verbindlichkeit“. Vgl. außerdem für eine „atypische faktische 32
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der Gesetzgeber in einigen zentralen Konstellationen in jüngster Zeit Verordnungsbefugnisse aufgenommen hat37. Auf der europäischen Ebene gibt es für die entsprechenden Guidelines ausdrückliche Rechtsgrundlagen. So hat etwa die EZB als europäische Bankenaufsicht nach Art. 4 Abs. 3 UAbs. 2 SSM-VO die Befugnis zur Annahme von Leitlinien und Empfehlungen38. Ein weiterer Anwendungsfall findet sich in den jeweiligen Gründungsrechtsakten der drei europäischen Finanzmarktaufsichtsbehörden EBA, ESMA und EIOPA. Nach Art. 16 der jeweiligen GründungsVO können, „Leitlinien und Empfehlungen“ erlassen werden. Damit sollen „kohärente, effiziente und wirksame Aufsichtspraktiken“ geschaffen und eine einheitliche Anwendung des Unionsrechts sichergestellt werden. Auf dieser Grundlage ergingen beispielsweise die Guidelines der EBA zur Vergütung von Bankmitarbeitern39. Bei diesen, im europäischen Sprachgebrauch als Guidelines bezeichneten Handlungsformen, handelt es sich um abstrakt-generelle Vorgaben an die nationalen Aufsichtsbehörden und die Marktteilnehmer. Da es sich weder um Verordnungen noch um Beschlüsse handelt, sind sie rechtlich unverbindlich40. Durch die Koppelung rechtlicher Unverbindlichkeit mit einer faktischen Beachtungspflicht sind sie also die europäische Entsprechung zu den in der bundesdeutschen Aufsichtspraxis allenthalben anzutreffenden Rundschreiben und Mitteilungen der BaFin. Eine angemessene Behandlung der Thematik verlangt im europarechtlichen Kontext einen „Blick über die Grenze“. Das Problem Verwaltungsvorschrift bzw. (rechtlich nicht verbindlichen Innenrechts) stellt sich letztlich allen Rechtsordnungen41. Besondere Relevanz hat in diesem Zusammenhang das US-amerikanische Vorbild, welches stark das europäische Konzept der Regulierungsagenturen sowie die FinanzBindungswirkung“ Langen, in: Schwennicke/Auerbach, KWG, § 25a Rn. 8; Reischauer/ Kleinhans, Anhang 1 zu § 25a AT 1 Tz. 1 Rn. 2; Michael, VersR 2010, 141; Bürkle, VersR 2009, 866, 868; Tormyn, Die Rundschreibenpraxis des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen, 5. 37 Dies gilt insbesondere für die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk), für die nunmehr in § 25a Abs. 4 KWG eine Verordnungsermächtigung vorgesehen ist, vgl. dazu Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG/CRR-VO, 5. Auflage 2016, KWG § 25a Rn. 87. Ausführlich zu den mit ihrer Rechtsnatur als Verwaltungsvorschrift verbundenen Rechtsfragen und zur Forderung nach Ersetzen durch eine Verordnung Sedlak, Bankenaufsicht über Geschäftsorganisation, S. 183 ff. 38 Zu den Guidelines in der europäischen Finanzmarktaufsicht s. Ruthig, in: Ziekow/Seok, S. 43, 74 f.; Gurlit, ZHR 177 (2013), 862, 875 ff. Art. 288 Abs. 5 AEUV verwendet den Begriff der Leitlinie nicht. 39 Guidelines on sound remuneration policies under Article 74(3) and 75(2) of Directive 2013/36/EU and disclosures under Article 450 of Regulation (EU) No 575/2013 (EBA/GL/ 2015/22) v. 21. 12. 2015. Dazu Löw/Glück, BKR 2016, 265. 40 Baur/Boegl, BKR 2011, 177, 183; Rötting/Lang, EuZW 2012, 8, 10. Zu Versuchen eine Verbindlichkeit zu konstruieren Frank, Die Rechtswirkungen der Leitlinien und Empfehlungen der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde, 2011, S. 153 ff. 41 S. Ruffert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts I, § 17 Rn. 67: gemeineuropäisches Phänomen. Rechtsvergleichender Überblick für Rechtssetzungsbefugnisse im Kapitalmarktaufsichtsrecht bei Halfpap, BKR 2009, 65.
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marktaufsicht prägte und damit auch im Bereich der Handlungsformen nicht unberücksichtigt bleiben kann. Auch in den USA gibt es eine eigene Kategorie von rules, die nicht den verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorgaben unterliegen. Rule bzw. regulation42 ist nach dem APA „the whole or a part of an agency statement of general or particular applicability and future effect designed to implement, interpret or prescribe law or policy“, 5 U.S.C. § 551 (4). Die im APA enthaltenen Vorschriften über den Normerlass betreffen nach 5 U.S.C. § 551 (4) allerdings nur Außenrechtsnormen und insbesondere nicht interpretative rules, policy statements und procedural rules43, die sich unter der Bezeichnung nonlegislative rules zusammenfassen lassen44. Parallele Strukturen finden sich im Verwaltungsrecht des UK45 und sind dort Grundlage der gerichtlichen Überprüfung nach den Grundsätzen der guten Verwaltung des Common Law46.
III. Verfassungsrechtliche Grenzen 1. Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes Kehren wir zunächst zurück zum deutschen Recht. Der Streit um die „Rechts“Verbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften spiegelt die allgemeine Diskussion um den Begriff des Rechts wider47. Wurde im 19. Jahrhundert der Rechtsbegriff auf das Verhältnis zwischen Staat und Bürger beschränkt, so blieben verwaltungsinterne Regelungen aus dem Rechtsbegriff ausgeklammert. Dies galt auch dort, wo der Einzelne in einem „besonderen Gewaltverhältnis“ zum Staat stand und erklärt die Verwendung von Verwaltungsvorschriften nicht nur im organisatorischen Bereich, sondern beispielsweise auch im Beamtenrecht. Mit der Anerkennung als Innenrecht war aber zugleich dessen Unterscheidung vom Außenrecht verbunden, das allein für 42 Die beiden Begriffe werden in der amerikanischen Terminologie entweder synonym gebraucht oder die regulation wird als Zusammenfassung verschiedener rules interpretiert. 43 S. dazu näher Gellhorn/Levin, Administrative Law and Process, S. 308 ff. 44 Dazu näher Manning, Nonlegislative Rules, 72 Geo. Wash. L. Rev. 2004, 893, 923; Pierce, Distinguishing Legislative Rules from Interpretative Rules, Admin. L. Rev. 52 (2000), 547. Zu ihrer Bedeutung für die US-amerikanische Finanzmarktaufsicht Fekonja, BaFinVerlautbarungen, 2014, S. 48 ff. 45 Daher findet sich etwa auch im Finanzmarktaufsichtsrecht eine entsprechende Aufteilung in regulatory objectives und „principles of good administration“. Vgl. dazu Henderson, in: Blair (Hrsg), The Financial Services and Markets Act 2000, Rn. 12.02. 46 Wade/Forsyth, Administrative Law, 10. Aufl. S. 732 f.; zur gerichtlichen Kontrolle auch Henderson, Judicial Review and FSMA, Judicial Review 2001, 255. Angesichts des Art. 41 GrCh ließen sich solche Überlegungen auch auf das (europäisierte) deutsche Verwaltungsrecht übertragen; zur Bedeutung des Art. 41 GrCh für das europäische Behilferecht Klein, Auswirkungen der Europäischen Grundrechtecharta auf die Verfahrensrechte der Drittbeteiligten im europäischen Beihilfeverfahren, 2018 S. 118 ff. (Diss. Mainz 2017). 47 Dazu vgl. Hill/Martini, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, § 34 Rn. 38 unter Verweis auf Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 267 f.
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den Bürger maßgeblich ist. Mit der Kategorie der „normkonkretisierenden“ Verwaltungsvorschrift, die unter bestimmten Voraussetzungen Außenwirkung haben kann48, wurde diese Dichotomie von Innen- und Außenrecht durchbrochen und zugleich die Verwaltungsvorschrift ihrer klaren Konturen beraubt. Grund und Grenzen der Bindung von Gerichten an diese Form der Verwaltungsvorschrift blieben umstritten. Dies machte sie nach Auffassung des EuGH zu einem für die Umsetzung bindender Richtlinienvorgaben ungeeigneten Instrument49, erklärte aber auch die verbreitete Ablehnung der Anerkennung einer solchen behördlichen Berechtigung zur Normkonkretisierung. Die entscheidenden Argumente liefern freilich weniger die Handlungsformenlehre als die Grundsätze des Vorrangs und Vorbehalts des Gesetzes. Der Gesetzesvorbehalt begrenzt die Einsatzmöglichkeiten von Verwaltungsvorschriften. Soweit der Gesetzgeber selbst „die wichtigsten Voraussetzungen, unter denen ein Eingriff in das Grundrecht ermöglicht werden soll, die zu erwartenden Eingriffe, die öffentlichen Belange und Ziele zur Rechtfertigung der Eingriffe“ regeln muss50, bleibt im Außenverhältnis kein Raum für Verwaltungsvorschriften51. Der Gesetzesvorbehalt erweist sich auch hier als „vorverlagerte Verteidigungslinie der Grundrechte als Abwehrrechte“52. Wird ihm nicht genügt, ist schon deswegen der Grundrechtseingriff nicht gerechtfertigt und deswegen rechtswidrig53. Wenn demgegenüber im Bereich der Subventionsvergabe Verwaltungsvorschriften einen wichtigen Anwendungsfall finden, so lässt sich dies gerade mit der dort in ihrer Bedeutung jedenfalls begrenzten Reichweite des Gesetzesvorbehaltes erklären54.
48 Grundlegend die Whyl-Entscheidung BVerwGE 72, 300; s. auch Hill/Martini, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, § 34 Rn. 44. 49 Daran anknüpfend bemühte sich Wahl, Verwaltungsvorschriften S. 592 um eine Weiterentwicklung; dazu auch Hill/Martini, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, § 34 Rn. 46 ff.; Ruffert, a.a.O. § 17 Rn. 69 ff. 50 Vgl. BVerfGE 61, 260, 275; 77, 170, 230 f.; BVerwGE 65, 323, 325; 68, 69, 72; Jarass/ Pieroth, Grundgesetz Art. 20 Rn. 46; Grzeszik, in: Maunz-Dürig, Art. 20 GG, Rn. 105 f. 51 Dazu exemplarisch Hufen, Staatsrecht II § 9 Rn. 4 unter Hinweis auf Oppermann, Gutachten C zum 51. Dt. Juristentag, 1976, C 48; Nierhaus, FS Stern (1997), 717; krit. zur Wesentlichkeitstheorie Kloepfer, JZ 1984, 489, 490 ff. 52 Di Fabio, JZ 1993, 689, 691; ebenso Bethge, VVDStRL 57 (1998), 10, 46; Sachs, JuS 1995, 303, 304: „vorausschauende Zulassung von Beeinträchtigungsakten“. 53 BVerfGE 41, 251, 256 f.; 51, 268, 287 f.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 20 GG Rn. 95. 54 Insbesondere die Lehre vom Totalvorbehalt hat sich nicht durchgesetzt. Diese wurde entweder aus der Organsouveränität des Parlaments und damit dem Demokratieprinzip abgeleitet (grundlegend Jesch, Gesetz und Verwaltung, 2. Aufl. 1968, S. 171 ff.) oder eher aus dem Rechtsstaatsprinzip bzw. dem Schutz der individuellen Freiheitssphäre (Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 104 ff.).
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2. Konsequenzen für die Zulässigkeit von Verwaltungsvorschriften a) Gesetzesvertretende Verwaltungsvorschriften Aus dem Gesagten ergibt sich, dass wohl kaum noch Regelungsbereiche existieren, in denen die Behörde sich trotz der Relevanz der Materie für den Bürger ausschließlich auf Verwaltungsvorschriften stützen kann. Der Gesetzesvorbehalt gebietet, dass der parlamentarische Gesetzgeber selbst die „wesentlichen“ Entscheidungen trifft. Vor diesem Hintergrund hielt beispielsweise das BVerwG eine gesetzliche Regelung des Beihilferechts der Beamten für erforderlich, die vorher lediglich auf Verwaltungsvorschriften beruhten55. Selbst im Bereich des Subventionsrechts bedürfen jedenfalls die mit der Förderung verbundenen Grundrechtseingriffe einer gesetzlichen Grundlage56. Allenfalls mag man überlegen, inwieweit vorübergehende Regelungen auf Verwaltungsvorschriften als „Experimentalnorm mit eingeschränkter Bindungswirkung“ gestützt werden können. Um einen solchen Sachverhalt handelte es sich in der Entscheidung des BVerwG zur Erstreckung der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle auf Verwaltungsvorschriften, die die gesetzliche Befugnis zu Pilotprojekten umsetzte57. Dieser Konzeption folgten auch §§ 35, 36 Kommissionsentwurf des UGB58. Hier bedarf es allerdings zumindest zwingend einer entsprechenden Experimentierklausel im Gesetz. b) Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften Soweit der Gesetzgeber Regelungen getroffen hat, folgt bereits aus der Gesetzesbindung der Verwaltung und damit dem Vorrang des Gesetzes, dass Verwaltungsvorschriften diese Normen nur für das Innenverhältnis interpretieren können. Soweit das Gesetz auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückgreift, können Verwaltungsvorschriften diese daher grundsätzlich nur für das Innenverhältnis konkretisieren. Auch in diesem Fall kann die verwaltungsbehördliche Normauslegung die Gerichte nicht binden, sofern nicht (ausnahmsweise) ein behördlicher Beurteilungsspielraum anzunehmen ist. Untersucht man die maßgeblichen Fallgruppen näher, gerät angesichts der naturgemäß bestehenden bereichsspezifischen Besonderheiten leicht in Vergessenheit, dass es sich um ein Grundproblem von Verwaltungsorganisation handelt. Es geht um die Reichweite von „Planungs-, Entscheidungs- und Gestaltungsspielräumen der Verwaltung“59, also letztlich um die Frage der Gewaltenteilung beziehungsweise die besondere Rechtsstellung der Verwaltung in ihrem Verhältnis zu Legisla55
BVerwGE 121, 103. Ruthig, in: Ruthig/Storr, Rn. 787 ff. 57 Vgl. oben. 58 Dazu Hill/Martini, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, § 34 Rn. 44; Saurer, Funktionen der Rechtsverordnung, S. 180 ff. 59 So die treffende Überschrift, unter der Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht § 1 Rn. 32 u. a. die Frage normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften erörtert. 56
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tive und Judikative. Einprägsam zusammengefasst wird diese in der Frage von „Letztentscheidungsbefugnissen der Verwaltung“60. Nur diese können überhaupt dazu führen, dass auch Gerichte an Verwaltungsvorschriften gebunden sind. Offen bleibt dabei, inwieweit die Befugnis zur Normkonkretisierung einer ausdrücklichen gesetzlichen Rechtsgrundlage bedarf61. Ob man, wie es in der Rechtsprechung anklingt, allein das Fehlen einer ausdrücklichen Ermächtigungsgrundlage für den Erlass normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften nach dem Vorbild des § 48 BImSchG als formales Argument für die Qualifikation als nur im Innenverhältnis relevante norminterpretierende Verwaltungsvorschrift genügen lassen kann, erscheint fraglich, zumal auch die Begründung von Gesetzesentwürfen bisweilen von einer Durchsetzbarkeit der behördlichen Vorgaben ausgeht. Im Interesse der Rechtsklarheit ist eine ausdrückliche gesetzliche Regelung sinnvoll. Ist sie vorhanden ist dies zugleich ein wichtiges Indiz für den Willen des Gesetzgebers, der Verwaltung die Befugnis zur Normkonkretisierung einzuräumen. Wenn man allerdings am hergebrachten Grundsatz festhalten will, dass die Befugnis zum Erlass von Verwaltungsvorschriften der „Exekutivgewalt inhärent“ ist, dann bedarf es, anders als bei der Delegation von Normsetzungsbefugnissen, nicht ohne weiteres einer ausdrücklichen Ermächtigungsgrundlage. Umgekehrt besagt auch eine Vorschrift wie § 48 BImSchG gerade nichts über die Verbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften, deren Erlass sie zum Gegenstand hat. c) Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften Als unproblematisch erweisen sich vor diesem Hintergrund lediglich norminterpretierende Verwaltungsvorschriften. Sie dienen der Herstellung einer einheitlichen Rechtsanwendung innerhalb einer hierarchischen Verwaltung und übernehmen deswegen gerade auch beim Vollzug von Bundesgesetzen durch die Landesverwaltung eine zentrale, verfassungsrechtlich anerkannte Funktion. Soweit die Länder gemäß Art. 83 GG Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten ausführen, ist die Bundesregierung nach Art. 84 Abs. 2 GG ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften zu erlassen62.
IV. Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften 1. Bindungswirkung im Innen- und Außenverhältnis Bei der Frage der Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften wird zwischen Innen- und Außenverhältnis differenziert. Während im Innenverhältnis norminterpre60
S. nur BVerfG, NVwZ 2011, 1062 Rn. 73. Ausführlich dazu Sedlak, Geschäftsorganisation, S. 170 ff. 62 Zu den hier nicht zu vertiefenden Besonderheiten bei der Bundesauftragsverwaltung Remmert, Jura 2004, 728 ff. 61
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tierende Verwaltungsvorschriften den nachgeordneten Behörden die Auslegung verbindlich vorschreiben, lassen die normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften Raum für Abweichungen im konkreten Einzelfall63 ; sie beanspruchen daher nur eine eingeschränkte Bindungswirkung gegenüber den nachgeordneten Behörden. Im Außenverhältnis wird dagegen überhaupt nur bei letzteren eine Bindungswirkung in Betracht gezogen, deren Begründung im Einzelnen umstritten ist. Es zeigt sich, dass der Begriff der „Bindungswirkung“ verschiedene Konstellationen umfasst. So kann eine falsche Normauslegung auch im Innenverhältnis keine Bindung beanspruchen, so dass auch die Bindungswirkung einer norminterpretierenden Verwaltungsvorschrift auch im Innenverhältnis jedenfalls nicht weiter reichen kann als die einer rechtswidrigen (untergesetzlichen) Rechtsvorschrift64. Dass sie im Außenverhältnis keine Bindungswirkung entfaltet, ergibt sich nicht aus ihrer Rechtsnatur, sondern schlicht daraus, dass die Norm in diesen Fällen der Behörde keine der gerichtlichen Kontrolle entzogenen Spielräume einräumt; die Norminterpretation erfolgt im Regelfall letztverbindlich erst durch die Gerichte. Dennoch kann, so das BVerfG, im Zusammenhang mit unbestimmten Rechtsbegriffen „die gerichtliche Kontrolle an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung“ stoßen, wenn „wegen hoher Komplexität oder besonderer Dynamik der geregelten Materie“ unbestimmte Rechtsbegriffe notwendigerweise vage bleiben „und ihre Konkretisierung im Nachvollzug der Verwaltungsentscheidung (…) schwierig“ ist65. Aber gerade in einer solchen Konstellation können Verwaltungsvorschriften diesen Nachvollzug erleichtern. Die eigentliche Frage der Verbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften im Außenverhältnis ist daher eine andere: Kann die Exekutive die ihr eingeräumten Beurteilungs- bzw. Ermessensspielräume auch über den Einzelfall hinaus in „abstrakt-genereller“ Weise konkretisieren und inwieweit muss sie sich solche allgemeinen Erwägungen dann im konkreten Einzelfall vom Bürger und den zur Kontrolle ihrer Entscheidungen berufenen Gerichten entgegenhalten lassen? Aus diesem Blickwinkel ist es nicht verwunderlich, dass die Verwaltungsvorschriften im europäisierten öffentlichen Wirtschafts- und Umweltrecht und insbesondere im vermeintlich von einem Regulierungsermessen geprägten Telekommunikationsrecht eine Renaissance erfahren haben. Letztlich ist daher die Diskussion um eine „politische“ Unabhängigkeit von Verwaltungsbehörden nichts anderes als der Versuch einer Feinjustierung der Gewaltenteilung66. 63
Dazu Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 27 Rn. 6. Eine rechtswidrige Regelung in einer Verwaltungsvorschrift darf von der Behörde nicht angewandt werden, so für den Bereich des § 48 BImSchG Jarass, JuS 1999, 106; für weiterreichende Bindungen allerdings Thiel, in: Landmann/Rohmer, BImSchG § 48 Rn. 5). Intern ist für den Fall der Rechtswidrigkeit allerdings nicht selten vorgeschrieben, die Entscheidung der vorgesetzten Stelle einzuholen, bevor eine Verwaltungsvorschrift nicht angewandt wird (Remonstrationspflicht). 65 So für unbestimmte Rechtsbegriffe im Zusammenhang mit dienstlichen Beurteilungen BVerfG, NJW 2002, 1368 unter Verweis auf die Rechtsprechung zu Prüfungsentscheidungen, BVerfGE 84, 34, 50. 66 Ruthig, in: Arndt/Fetzer/Scherer, TKG § 2 Rn. 5. 64
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2. Bindung von unabhängigen Regulierungsbehörden? Ausgehend vom Telekommunikations- und Energierecht67 hat sich ein europäisches Modell „unabhängiger Regulierungsbehörden“ entwickelt, das das Verhältnis zwischen Exekutive auf der einen und Legislative und Judikative auf der anderen Seite neu vermisst und sowohl die nationalen als auch die europäischen Verwaltungsbehörden erfasst, über deren Zulässigkeit der EuGH am Beispiel der ESMA grundsätzlich entschieden hat68. Wesentliche Aufgabe einer Regulierungsbehörde ist über die Rechtsdurchsetzung im Einzelfall hinaus das „policy making“, also auch die über den Einzelfall hinausreichende „Rechts“setzung69. Dieses Verständnis von Funktion und Aufgaben einer auch vom Gesetzgeber „unabhängigen“ Verwaltungsbehörde wirft Fragen der gerichtlichen Kontrolldichte auf, lässt aber auch eine Feinsteuerung der Verwaltung durch den Gesetzgeber, wie sie für weite Bereiche des deutschen Verwaltungsrechts typisch ist, nicht zu. Dies zeigte in aller Deutlichkeit die EuGH-Entscheidung zu den „Regulierungsferien“ nach § 9a TKG a.F.70. Den entscheidenden Verstoß gegen das Unionsrecht sah der EuGH darin, dass die deutsche Vorschrift die Abwägung zwischen den verschiedenen Regulierungszielen dem Gesetzgeber und nicht der Regulierungsbehörde übertrug71. Es handelt sich aber gerade nicht um „gesetzesfreie“ Verwaltung. Die telekommunikationsrechtlichen Vorschriften der § 2 Abs. 2 und 3 TKG illustrieren vielmehr exemplarisch das europäische Verständnis einer solchen, nur begrenzt durch final strukturierte Normen gesteuerten Verwaltung. Die gesetzlichen Spielräume werden nicht ausschließlich im Einzelfall ausgefüllt, sondern bedürfen im Interesse der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit der Konkretisierung durch „generell-abstrakte“, von der Entscheidung eines Einzelfalls jedenfalls gelösten behördlichen Konzepten72. 67 Bei genauerer Betrachtung prägt dieses Verständnis das gesamte europäisierte besondere Verwaltungsrecht: vgl. ausführlich zur Finanzmarktaufsicht Dechent, NVwZ 2015, 767, 769 f. 68 EuGH (große Kammer) vom 22. 1. 2014, Rs. C-270/12 (Vereinigtes Königreich gegen EP und Rat); dazu näher Ruthig, ZHR 2014 (im Erscheinen). Angegriffen wurde Art. 28 der LeerverkaufsVO (VO (EU) Nr. 236/2012 des EP und des Rates vom 14. März 2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps, ABl. L 86/1 v. 24. 3. 2012). Ausführlich dazu Ruthig, ZHR 2014, 443. 69 Zur Unterscheidung von Rechtssetzung und Rechtsdurchsetzung näher Ruthig, in: Ziekow/Seok, S. 43, 57, 61 ff. 70 EuGH vom 3. 12. 2009, C-424/07 – Kommission/Deutschland, NVwZ 2010, 370. Dazu Körber, MMR 2010, 123; Ufer, K&R 2010, 100. Mittels dieser Vorschrift hatte der Gesetzgeber einen Anreiz für den Ausbau des von der Deutschen Telekom AG (DTAG) geplanten Hochgeschwindigkeitsglasfasernetzes (VDSL) schaffen wollen. Der (infolge der Unionsrechtswidrigkeit sowieso nicht mehr anwendbare) § 9a TKG wurde im TKG 2012 wieder gestrichen. 71 Diese vor allem in Deutschland kritisch betrachtete Konzeption von Unabhängigkeit ist auch für das harmonisierte deutsche Verwaltungsrecht in erster Linie an den europäischen, nicht an nationalen Vorgaben zu messen. S. für das Demokratieprinzip Groß, JZ 2012, 1087, 1091; insoweit abweichend Häde, EuZW 2011, 662, 664 f. 72 Ausführlicher Ruthig, in: Ruthig/Storr, Rn. 516 ff; ders., in: Arndt/Fetzer/Scherer, TKG § 2 Rn. 9 ff.
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Schon die gesetzliche Regelung enthält eine Stufung. § 2 Abs. 2 TKG benennt die Regulierungsziele, die von der BNetzA bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen sind. Man kann sie durchaus als „Leitprinzipien der Ermessensausübung“ bezeichnen.73 Auch das – bewusste – Nebeneinander verschiedener, partiell konfligierender Regulierungsziele höhlt keineswegs „ihre steuernde Kraft als Anleitung behördlicher Gestaltungsspielräume aus“74. Eine maßgebliche Konkretisierungsfunktion übernehmen noch auf der Ebene des Gesetzes die Regulierungsgrundsätze (§ 2 Abs. 3 TKG), über deren Bedeutung freilich noch keine abschließende Klarheit herrscht75. Das Gesetz steuert selbst, verpflichtet aber vor allem die Behörde zur „Selbststeuerung“76 und macht dazu Verfahrensvorgaben: Nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 TKG (Art. 8 Abs. 5 lit. a der Rahmen-RL) hat die Regulierungsbehörde die Vorhersehbarkeit ihrer Regulierung durch einheitliche, über einen längeren Zeitraum beizubehaltende Regulierungskonzepte zu fördern77. § 15a Abs. 1 und 2 TKG ermächtigen zum Erlass entsprechender Verwaltungsvorschriften78. Dass mit dieser Konstruktion aber gerade kein umfassend der gerichtlichen Kontrolle entzogenes „Regulierungsermessen“ verbunden sein soll, zeigt sich bereits daran, dass schon auf der Ebene der Richtlinien der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes verankert wird79. Die gerichtliche Kontrolle des Regulierungsermessens in der neueren bundesverwaltungsgerichtlichen 73
Säcker, in: Säcker, TKG § 2 Rn. 1. So aber Eifert, in: Ehlers/Fehling/Pünder, § 23 Rn. 27. 75 Dazu BT-Drucks. 17/5707 S. 83; Eifert, in: Ehlers/Fehling/Pünder, § 23 Rn. 28. Auf die Schwierigkeiten der Differenzierung weisen insbesondere hin Cornils, in: Beck’scher TKGKommentar, § 2 Rn. 9; Holznagel, K&R 2010, 761; Körber, MMR 2011, 215, 216. 76 Grundlegend zur Bedeutung normativer Handlungsformen als „Instrument der Selbstprogrammierung“ Schmidt-Aßmann, FS Vogel (2000), 477, 485; Möstl, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl., 2005 § 18 Rn. 77 Ausführlicher zu möglichen Gegenständen von Regulierungskonzepten Kühling, JZ 2012, 341, 342. Diese sollen nach § 15a Abs. 1 die grundsätzlichen Strategien, Methoden und Maßnahmen für die Markdefinition und Marktanalyse nach § 10 f. TKG sowie die Regulierungsverfügungen für einen bestimmten Zeitraum beschreiben. Nach § 15a Abs. 2 TKG soll sich die BNetzA auch im Zusammenhang in Bezug auf „neue und verbesserte Infrastrukturen“ der Regulierungskonzepte bedienen. 78 Dazu Ruthig, in: Arndt/Fetzer/Scherer, TKG § 2 Rn. 20. § 15a Abs. 3 TKG spricht ausdrücklich von Verwaltungsvorschriften; allerdings ist nach der Begründung des Gesetzentwurfes die Wahl dieser Handlungsform nicht verbindlich, vgl. BT-Drucks. 17/5707 S. 43, 57. 79 Vgl. für das Telekommunikationsrecht Art. 4 der RahmenRL (RL 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze v. 7. 3. 2002 in der Fassung der ÄnderungsRL 2009/140/EG v. 25. 11. 2009, ABl. Nr. L 337 S. 37, ber. 2013 ABl. Nr. L 241 S. 8): „Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass es auf nationaler Ebene wirksame Verfahren gibt, nach denen jeder Nutzer oder Anbieter elektronischer Kommunikationsnetze und/oder -dienste, der von einer Entscheidung einer nationalen Regulierungsbehörde betroffen ist, bei einer von den beteiligten Parteien unabhängigen Beschwerdestelle Rechtsbehelf gegen diese Entscheidung einlegen kann. Diese Stelle, die auch ein Gericht sein kann, muss über den angemessenen Sachverstand verfügen, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass den Umständen des Falles angemessen Rechnung getragen wird und wirksame Einspruchsmöglichkeiten gegeben sind“. 74
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Rechtsprechung wurde der planungsrechtlichen Abwägungsfehlerlehre entlehnt80. Dem Planungsrecht – und den damit einhergehenden Spielräumen der Verwaltung – ist aber gerade das Gebot der Konfliktbewältigung auf der frühesten dafür geeigneten Stufe inhärent. Insofern sind die Konzepte nach § 15a TKG nur die logische Konsequenz des planungsähnlichen Regulierungsermessens. Nicht anders verhält es sich im Bankaufsichts- und Umweltrecht. Auch dort ist ihr Einsatz aber den (tatsächlichen und rechtlichen) Grenzen gesetzlicher Steuerung geschuldet. Wenn sich die immissionsschutzrechtlichen Betreiberpflichten am „Stand der Technik“ orientieren, verstößt ein solch unbestimmter Rechtsbegriff (§ 3 Abs. 6 BImSchG) weder gegen das Bestimmtheitsgebot noch gegen die Wesentlichkeitstheorie, weil ansonsten der Gesetzgeber unpraktikable Regelungen erlassen oder ganz auf die Regelung verzichten müsste81. Es besteht auch kein Zwang zur Konkretisierung in untergesetzlichen Rechtsvorschriften. Ihre historische Wurzel hat diese „Stufung“ der finanzmarktaufsichtlichen Normsetzung im sogenannten LamfalussyVerfahren82. Es handelte sich um ein vierstufiges Verfahren, das auch die Erscheinungsformen der Rechtssetzung diversifizierte und die Guidelines als das unionsrechtliche Pendant der deutschen Verwaltungsvorschriften im Aufsichtsrecht etablierte. Eine Hochzonung auf die Ebene der Rechtsnormen erfolgte auf der europäischen Ebene gerade nicht. Gleiches gilt im Übrigen im Umweltrecht, wo europäische „Merkblätter“ neben den nationalen Verwaltungsvorschriften die unbestimmten Rechtsbegriffe konkretisieren83.
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Dazu ausführlich Ruthig, in: Arndt/Fetzer/Scherer, TKG § 2 Rn. 13 ff. BVerfGE 49, 89, 134 ff.; Jarass, in: Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 98. 82 Zu diesem Verfahren, das seit 2001 die Vorstellungen von Finanzmarktregulierung entscheidend prägte Ruthig, in: Ruthig/Storr, Rn. 517; Ohler, in: Ruffert, Europäisches Sektorales Wirtschaftsrecht, 2012, § 10 Rn. 56 f.; Pitschas, FS Scholz (2007), 855, 862 f. Auf einer ersten Stufe werden von Parlament und Rat die wesentlichen Grundentscheidungen in Rahmenrichtlinien vorgegeben, die auf der zweiten und dritten Stufe von der Kommission und eigens gegründeten Ausschüssen konkretisiert wurden. An die Stelle dieser Level 3-Ausschüsse traten mittlerweile die europäischen Regulierungsagenturen. Auf der vierten Stufe wird die Implementierung der Regelungen überwacht, erfolgt also die Rechtsdurchsetzung (im ursprünglichen Modell auf der Ebene nationaler Behörden). 83 Vgl. dazu § 3 Abs. 6 S. 2 BImSchG, der zur Bestimmung des Standes der Technik auf die in der Anlage aufgeführten Kriterien verweist, somit also auch auf Nr. 13 „Informationen, die in BVT-Merkblättern enthalten sind“. Diese sind „unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit zwischen Aufwand und Nutzen (neben anderen Kriterien) zu berücksichtigen“. Die Wortwahl „berücksichtigen“ und die Struktur des Anhangs lässt darauf schließen, dass eine Bestimmung anhand der jeweiligen Kriterien zu erfolgen hat, diese aber nicht streng zu befolgen sind. Gleiches würde also zunächst für die BVT-Merkblätter gelten. Darin liegt der Unterschied zu den grds. verbindlichen BVT-Schlussfolgerungen, die als Durchführungsrechtsakte der Kommission nach Art. 291 AEUV ergehen; auf sie findet gem. Art. 13 Abs. 5 RL 2010/75/EU v. 24. 11. 2010 über Industrieemissionen, ABl. Nr. L 334 v. 17. 12. 2010, S. 17 ff. das in Art. 75 Abs. 2 der Richtlinie genannte Regelungsverfahren Anwendung, also das Komitologie-Verfahren; s. Jarass, NVwZ 2013, 169, 171. Zusammenfassend zu den neueren Entwicklungen Schink, NVwZ 2017, 337, 341 f. 81
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3. Konsequenzen Behördliche Beurteilungsspielräume ergeben sich immer dort, wo sie sich den entsprechenden Normen entnehmen lassen. Dies ist der zutreffende Kern der normativen Ermächtigungslehre84. Danach endet die gerichtliche Kontrolle dort, wo das materielle Recht „das Entscheidungsverhalten nicht vollständig determiniert und der Verwaltung einen Einschätzungs- und Auswahlspielraum belässt“85. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn eine „unabhängige“ Verwaltungsbehörde zur Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe berufen ist, also in weiten Bereichen des öffentlichen Wirtschafts- und Umweltrechts. Bestehende Beurteilungsspielräume kann die Behörde grundsätzlich auch durch „generell-abstrakte“ Konzepte in Form von Verwaltungsvorschriften ausfüllen86. Die normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift ist dann, um mit Di Fabio zu sprechen, „kein Bastard in der seriösen Familie der Rechtsquellen, sondern legitimes Kind der dogmatischen Figur des Beurteilungsspielraums“87. Konnte man dies für die herkömmliche Steuerung der Verwaltung als „Notkompetenz“88 bezeichnen, so wird sie nunmehr zum unverzichtbaren Standardinstrument. Ihre Grundlage finden normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften aber weniger im behördlichen Beurteilungsspielraum als solchem89, als vielmehr in seinen Grenzen. Im Innenverhältnis ergibt sich die Bindungswirkung aus dem Grundsatz der Verwaltungshierarchie, wenn die Befugnis zum Erlass von Verwaltungsvorschriften einer höherrangigen Behörde vorbehalten ist90. Im Außenverhältnis handelt es sich um eine Frage der 84 Grundlegend Schmidt-Aßmann, in: Maunz-Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 180 ff.; s. auch Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, § 10 Rn. 34 ff.; Wahl, NVwZ 1991, 409, 410 ff.; kritisch zur normativen Ermächtigungslehre etwa Ossenbühl, in: Redeker-FS, S. 55; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 114 Rn. 296. 85 BVerfG, NVwZ 2012, 694, 695. 86 Anders ist dann zu entscheiden, wenn das Gesetz zur Konkretisierung die Handlungsform der Rechtsverordnung vorschreibt. Allerdings kann diese Normsetzungsbefugnis auch im Wege der Subdelegation auf Verwaltungsbehörden übertragen werden, sofern die gesetzliche Verordnungsermächtigung dies zulässt. Vgl. insbesondere die Verordnung zur Übertragung von Befugnissen zum Erlass von Rechtsverordnungen auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, BGBl. I (2003), S. 3 ff. mit der von den einfachgesetzlichen Übertragungsbefugnissen Gebrauch gemacht wurde. 87 Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 464. 88 Isensee, Die typisierende Verwaltung, 1976, 171. 89 Vgl. Peine, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 56; Bull/Mehde, Allgemeines Verwaltungsrecht mit Verwaltungslehre, Rn. 239. 90 Vgl. dazu TA Luft Tz 5.1.1. Abs 5: „Soweit nach Erlass dieser Verwaltungsvorschrift neue oder überarbeitete BVT-Merkblätter von der Europäischen Kommission veröffentlicht werden, werden die Anforderungen dieser Verwaltungsvorschrift dadurch nicht außer Kraft gesetzt. Ein vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) eingerichteter beratender Ausschuss, der sich aus sachkundigen Vertretern der beteiligten Kreise im Sinne von § 51 BImSchG zusammensetzt, prüft, inwieweit sich aus den Informationen der BVT-Merkblätter weitergehende oder ergänzende emissionsbegrenzende Anforderungen ergeben, als sie diese Verwaltungsvorschrift enthält. Der Ausschuss soll sich dazu
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Gleichbehandlung (Art. 3 GG), vor allem aber auch des Vertrauensschutzes. Es ist deswegen zu unterscheiden zwischen dem „abstrakt-generellen“ Befehl einer Verwaltungsvorschrift und der Möglichkeit einer Abweichung im Einzelfall; die Maßstäbe für beides ergeben sich aber aus dem jeweiligen Gesetz91. Immer dann, wenn ein besonderes „Erlass“-Verfahren oder eine „Laufzeit“ vorgesehen ist, muss dies auch im Außenverhältnis berücksichtigt werden. Den rechtlichen Rahmen hierfür liefert das jeweils anwendbare (allgemeine oder besondere) Verwaltungsrecht, für den Vertrauensschutz beispielsweise häufig die Grundsätze von Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten. Im gerichtlichen Verfahren ist an die Maßstäbe zur richterlichen Kontrolldichte bei Beurteilungs- und Ermessensspielräumen anzuknüpfen. Die gerichtliche Kontrolle wird als begrenzt gedacht. Ermessensentscheidungen sind der gerichtlichen Kontrolle zwar nicht vollständig entzogen, die nachvollziehende gerichtliche Kontrolle darf jedoch nicht eine eigene Entscheidung an die Stelle der Behördenentscheidung setzen. Die Kontrolle beschränkt sich auf Ermessensfehler92. Im Zusammenhang mit Beurteilungsspielräumen auf der Tatbestandsseite gilt nichts wesentlich anderes. Im Rahmen der Ermessensausübung muss sich die Behörde jedenfalls mit „ihren“ Verwaltungsvorschriften auseinandersetzen, soll ihre Entscheidung im Einzelfall nicht ermessensfehlerhaft sein. In diesem Zusammenhang würde die Funktion solcher normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften völlig konterkariert, wenn man allein die erklärte Absicht der Behörde genügen ließe, sie plane die Abweichung äußern, inwieweit sich der Stand der Technik gegenüber den Festlegungen dieser Verwaltungsvorschrift fortentwickelt hat oder die Festlegungen dieser Verwaltungsvorschrift ergänzungsbedürftig sind. Soweit das BMU das Fortschreiten des Standes der Technik oder eine notwendige Ergänzung in einem dem § 31 a Abs. 4 BImSchG entsprechenden Verfahren bekannt gemacht hat, sind die Genehmigungs- und Überwachungsbehörden an die der Bekanntmachung widersprechenden Anforderungen dieser Verwaltungsvorschrift nicht mehr gebunden. In diesen Fällen haben die zuständigen Behörden bei ihren Entscheidungen die Fortentwicklung des Standes der Technik zu berücksichtigen“. Eine derartige grundsätzliche Bindungswirkung gegenüber den nachgeordneten Behörden ist grundsätzlich zu bejahen; davon zu unterscheiden ist allerdings die hier nicht zu vertiefende Frage, ob diese Vorschrift dem Charakter der europäischen BVT-Merkblätter genügt. 91 Bei der TA Luft 1986 ging man davon aus, dass ihre technischen Anforderungen für etwa zehn Jahre verbindlich sein sollten. Da aber Betreiberpflichten generell dynamisch verstanden werden, verbieten sich feste „Geltungsdauern“, vgl. auch zur Novellierung der TA 2002 Hansmann, NVwZ 2003, 266. Dies bedeutet andererseits aber auch keine dauernde Anpassungspflicht: vgl. den Erwägungsgrund 13 zur Industrieemissionsrichtlinie. Danach „sollte sich die Kommission … bemühen, die BVT-Merkblätter spätestens acht Jahre nach Veröffentlichung der Vorgängerversion zu aktualisieren“. Eine Verpflichtung, bei der Normkonkretisierung wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritten Rechnung zu tragen und das im untergesetzlichen Regelwerk festgelegte Schutzkonzept unter Kontrolle zu halten und notfalls nachzubessern, besteht auch für den Normgeber, vgl. BVerwG, NVwZ 1997,161, 164. Von der Anpassung der Verwaltungsvorschriften zu unterscheiden ist die Frage einer Anpassung der auf ihrer Grundlage ergangenen Entscheidungen (im Bereich des BImSchG also der entsprechenden Genehmigungen). 92 S. dazu nur Schenke/Ruthig, in: Kopp/Schenke, § 114, Rn. 7 ff. Umfassend aufbereitet und strukturiert wird die Ermessensfehlerlehre bei Alexy, JZ 1986, 701 ff.
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von der bisherigen bzw. antizipierten Verwaltungspraxis, um einer solchen Verwaltungsvorschrift ihre „ermessenslenkende“ Wirkung abzusprechen. Ein Abweichen von der Verwaltungsvorschrift ohne hinreichenden sachlichen Grund macht die ergangene Entscheidung daher regelmäßig rechtswidrig93. Auch ein Rechtsschutz unmittelbar „gegen“ Verwaltungsvorschriften muss erwogen werden. Das Erfordernis effektiven Rechtsschutzes kann eine, mit der allgemeinen Leistungsklage durchsetzbare, Aufhebung der Verwaltungsvorschrift gebieten, wenn der Rechtsschutz gegen Einzelmaßnahmen diesen Anforderungen nicht genügt94. Die schwierige Abgrenzung von der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle nach § 47 VwGO muss hier offenbleiben95, zumal diese bei den zentralen Konstellationen, die Verwaltungsvorschriften von Bundesbehörden betreffen, von vornherein nicht in Betracht kommt.
V. Anspruch auf Verwaltungsvorschriften Eine solche Rücknahme der Kontrolldichte setzt der dritten Gewalt Grenzen, indem sie sie daran hindert, durch Konkretisierung verfassungsrechtlicher Vorgaben die Aufgabe des Gesetzgebers zu übernehmen und selbst der Verwaltung die „wesentlichen“ Entscheidungen96 vorzugeben und „hybride“ Verwaltungsverfahren zu entwickeln97. Ein klassisches Beispiel ist die marktrechtliche Vergabeentscheidung in Knappheitssituationen. Hier haben beispielsweise zur Standplatzvergabe auf Weihnachtsmärken die Gerichte nicht nur im Interesse des Grundrechtsschutzes immer weiter ausdifferenzierte materielle Kriterien entwickelt und zugleich die Anforderungen an das Verfahren konstruiert98. Es verwundert daher nicht, wenn man die 93 Schenke/Ruthig, in: Kopp/Schenke, VwGO § 114 Rn. 41; abw. VGH Mannheim, NVwZ-RR 1999, 401. 94 Vgl. dazu BVerwG, NVwZ 1987, 31 in Bezug auf die faktische Betroffenheit eines Dritten durch die Verwaltungsvorschrift, die von einem Subventionsempfänger die Bestellung eines Betreuers verlangt und die in Betracht kommenden Betreuer namentlich benennt. Darin liege ein faktischer Eingriff in die Berufsfreiheit des Dritten, der selbst als Betreuer arbeiten möchte. 95 Dazu Schenke, in: Kopp/Schenke § 47 Rn. 29 ff. 96 Bethge, VVDStRL 57 (1998), 10, 47. Was aber solche wesentlichen Entscheidungen im Einzelnen ausmacht ist die „ebenso rhetorisch einprägsame wie rechtlich unklare Kernaussage der Wesentlichkeitstheorie“, so Kloepfer, JZ 1984, 689. Das BVerfG orientiert sich maßgeblich an grundrechtlichen Überlegungen, ohne dass deswegen Wesentlichkeit und Grundrechtseingriff deckungsgleich wären, vgl. BVerfGE 45, 400 (417 f.): „insbesondere für die der staatlichen Gestaltung offenliegende Rechtssphäre im Bereich der Grundrechtsausübung“. 97 Entsprechende Bedenken haben auch im amerikanischen Recht zu Vermont Yankee Nuclear Power Corp. v. Natural Resources Defense Council, Inc., 435 U.S. 519, 542 (1978) geführt. Danach dürfen die Gerichte den Verwaltungsträgern nur in seltenen Ausnahmefällen Verfahren vorschreiben (sog. hybrid rulemaking), die über die gesetzlichen und beim rulemaking nur bedingt vorhandenen verfassungsrechtlichen Vorgaben hinausgehen. 98 Dazu Ruthig, in: Ruthig/Storr, Rn. 377 ff.
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gerichtliche Kontrolle in neueren Entscheidungen zurücknimmt, dies aber zugleich mit Anforderungen an die Verwaltung verknüpft, die in „Konzeptpflichten“ münden, denen diese durch Verwaltungsvorschriften gerecht zu werden hat. Sofern eine Verwaltungsmaßnahme ohne vorheriges Konzept rechtswidrig ist, führt dies mittelbar zu einem „Anspruch auf Verwaltungsvorschrift“. 1. Materielle Konzeptpflichten Dennoch erscheint es keinesfalls zwingend, dass die Erfüllung einer solchen Konzeptpflicht die Voraussetzung darstellt, damit eine Behörde überhaupt einschreiten kann. Hierzu ist auf das telekommunikationsrechtliche Beispiel der Regulierungskonzepte zurückzukommen, wie sie nach den gesetzgeberischen Vorstellungen konkreten Regulierungsverfügungen vorausgehen. Nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 TKG99 soll durch die Regulierungskonzepte die Vorhersehbarkeit (und damit die Rechtssicherheit) der Regulierung gerade in Bezug auf „neue und verbesserte Infrastrukturen“ erreicht werden100. Regulierungsverfügungen stellen jedoch erhebliche Eingriffe in die von Art. 12 GG und von Art. 16 GrCh geschützte Freiheit unternehmerischer Tätigkeit dar101. Dies dürfte vor dem Hintergrund der gesetzlichen Ausgestaltung des Marktregulierungsverfahrens dafürsprechen, dass ein Konzept verlangt wird. Andererseits darf die Anpassung einer bereits erlassenen Regulierungsmaßnahme nicht allein mit Hinweis auf das Fehlen eines Konzepts verweigert werden. Die Reichweite einer solchen Konzeptpflicht bedarf aber erst recht in den anderen Konstellationen einer näheren Untersuchung. Aber gerade die Tatsache, dass es sich nicht um Rechtsnormen handelt, spricht dagegen, in ihnen eine zwingende „Rechtsgrundlage“ für die behördliche Maßnahme zu sehen. Sieht man freilich die Grenzen der Gestaltungsbefugnis etwa beim Anspruch auf Zugang zu kommunalen Einrichtungen allein im Willkürverbot102, könnte gerade eine solche „Selbstbindung“ der Behörde durch Verwaltungsvorschriften die Kontrollmaßstäbe konkretisieren. 2. Verfahrensgestaltung durch Verwaltungsvorschriften Eine zweite wesentliche Aufgabe von Verwaltungsvorschriften stellt die Konkretisierung von Verfahren dar. Während die verfassungs- und europarechtlichen Vor99 Dieser Regulierungsgrundsatz entspricht in seinem Wortlaut Art. 8 Abs. 5 lit. a RahmenRL i.V.m. Erwägungsgrund 55. Zur Differenzierung nach Regulierungszielen und -grundsätzen im TKG 2012 vgl. Ruthig, in: Arndt/Fetzer/Scherer/Graulich, TKG § 2 Rn. 9 ff. 100 Zur Rechtsnatur vgl. Kühling, JZ 2012, 341, 345. Zur hier nicht zu führenden Diskussion im Gesetzgebungsverfahren, inwieweit zur Umsetzung der Richtlinienvorgaben verbindliche Außenrechtsnormen vorzusehen gewesen wären (bejahend) Fetzer, WiVerw 2010, 145 (150 f.); Gärditz, N&R 2011, Beih. 2 S. 21 f.; zur Europarechtskonformität der gefundenen Regelung demgegenüber Kühling, in: Säcker, TKG § 15a Rn. 36 m.w. Nachw. 101 Für Art. 12 GG vgl. BVerfG v. 8. 12. 2011 – 1 BvR 1932/2008 Rn. 45 ff. 102 So VGH München, BayVBl 2011, 23; NVwZ-RR 2017, 113.
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gaben insbesondere bei staatlichen Allokationsentscheidungen ein transparentes und diskriminierungsfreies Vergabeverfahren fordern103, geben die einschlägigen Gesetze ein konkretes Verteilungsverfahren gerade nicht vor. Ein wichtiges Anwendungsbeispiel liefert das Telekommunikationsrecht. Das Gesetz verlangt für die Frequenzversteigerung in § 61 Abs. 4 TKG immerhin, dass die BNetzA vorab „die Regeln für die Durchführung des Versteigerungsverfahrens im Einzelnen“ festlegt104, erkennt also die entsprechende „Konzeptpflicht“ ausdrücklich an. Klassische Beispiele sind der Zugang zu kommunalen Einrichtungen und die gewerberechtliche Zulassung zu Märkten. Die herkömmliche Rechtsprechung hält die Konkretisierung von Auswahlkriterien und Verfahren zwar für „begrüßenswert“105, verneint aber eine entsprechende Rechtspflicht. Ob dies allerdings tatsächlich den Anforderungen an Transparenz und Diskriminierungsfreiheit gerecht wird, ist anhand der zugrundeliegenden Rechtsvorschriften und gegebenenfalls der verfassungs- und unionsrechtlichen Vorgaben zu prüfen. Jedenfalls wird man aus der prozeduralen Dimension des Grundrechtsschutzes eine Pflicht zur Aufstellung und Veröffentlichung von Verfahrensgrundsätzen ableiten können106. Sofern sie nicht in Widerspruch zu höherrangigem Recht stehen, ist es dann auch die Aufgabe der Gerichte, die Einhaltung dieser verwaltungsbehördlich konkretisierten Verfahrensanforderungen zu kontrollieren.
VI. Zusammenfassung und Ausblick Totgesagte leben länger, sagt ein deutsches Sprichwort. Und für die Verwaltungsvorschriften ist dies angesichts ihrer europarechtlich bedingten Renaissance nicht nur zutreffend, sondern fast schon eine Untertreibung. Sie werden vielmehr zu einem zentralen Instrument zur Ausgestaltung behördlicher Entscheidungsspielräume, wie sie insbesondere mit der Konzeption unabhängiger Verwaltungsbehörden verbunden sind. Zusammen mit den Rechtsverordnungen als untergesetzlichen Rechtsnormen haben sie daher weiterhin ihren festen Platz im allgemeinen Verwaltungsrecht.
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Grundlegend Wollenschläger, Verteilungsverfahren, 2010. Art. 7 Abs. 3 GenehmigungsRL 2009 verlangt, dass die Zuteilung von Frequenzen generell auf objektiven, transparenten, nichtdiskriminierenden und angemessenen Kriterien beruht, schreibt jedoch kein bestimmtes Vergabeverfahren vor. § 61 TKG sieht als Regelverfahren die Frequenzversteigerung vor, ohne jedoch ein konkretes Versteigerungsdesign vorzuschreiben: Parallel zur Entscheidung über das gewählte Verfahren hat die BNetzA auch „Festlegungen und Regeln für die Durchführung der Verfahren zu veröffentlichen (Abs. 1 S. 1. Näher dazu Ruthig, in: Arndt/Fetzer/Scherer, TKG § 61 Rn. 8 ff. 105 VGH München, GewArch 1996, 477, 478; VGH Mannheim, NVwZ-RR 1992, 132, 134 „neigt“ in bestimmten Fällen immerhin dazu, die Aufstellung eines Konzeptes für geboten zu erachten. Näher zum Ganzen Wollenschläger, Verteilungsverfahren, 2010, S. 335 ff. 106 Dazu Wollenschläger, Verteilungsgerechtigkeit S. 336 ff.; zustimmend Schoch, NVwZ 2016, 257, 265. 104
Die Verwaltungsvorschriften in Korea Von Hyun Ho Kang
I. Einleitung Es ist nicht einfach zu beantworten, was Verwaltung als Gegenstand der Verwaltungsrechtswissenschaft ist, obwohl die Frage sehr einfach scheint und es sich um einen Grundbegriff des Verwaltungsrechts handelt. Hierzu gibt es unterschiedliche theoretische Ansätze, etwa die formelle oder materielle, aktive oder passive Theorie und eine Indizien-Lehre. Aber diese basieren eher auf dem faktischen Phänomen der Verwaltung als auf normativen Aspekten. Darum muss man Verwaltung aus normativer Sicht neu definieren. Die Staatsgewalt gliedert sich in Legislative, Judikative und Exekutive, die exekutive Gewalt ist also von den beiden anderen Staatsgewalten zu unterscheiden. Innerhalb der Exekutive lässt sich Verwaltung von verfassungsrechtlicher Staatstätigkeit unterscheiden. Unterscheidet man Verwaltungstätigkeit außerdem von Handlungen der Verwaltung in Privatrechtsform, so verbleibt als Verwaltungstätigkeit das Behördenhandeln in den Formen des öffentlichen Rechts. Diese muss im Rechtsstaat zugleich der gerichtlichen Überprüfung unterstellt werden. Somit kann die Verwaltung in der Verwaltungsrechtswissenschaft wie folgt zusammengefasst werden: Die Verwaltung ist die öffentlich-rechtliche Handlung der Exekutive, die der gerichtlichen Überprüfung unterstellt wird.1 Auf dem so bestimmten Gebiet der Verwaltungstätigkeit lassen sich verschiedene Handlungsformen unterscheiden, darunter auch die administrative Rechtssetzung, also der Erlass abstrakt-generellerer Normen durch die Exekutive. Das Verfassungsrecht entscheidet darüber, ob die Exekutive ohne legislative Ermächtigung Rechtssätze erlassen kann oder nicht. Korea folgt dabei dem deutschen, nicht dem französischen Modell, die Exekutive darf also Rechtssätze nur auf der Grundlage eines Gesetzes erlassen, das Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung konkret und hinreichend bestimmt regelt. Gemäß Art. 75 und 95 der koreanischen Verfassung können präsidiale oder ministerielle Anordnungen solche Fragen regeln, die durch die gesetzliche Ermächtigung bestimmt sind. Die präsidiale bzw. ministerielle Verordnung hat die Funktion, Inhalt oder Zweck des Gesetzes auszufüllen oder zu konkretisieren. Außerdem kann die Exekutive Normen erlassen, die keine Beziehung zu den Rechten der Bürger haben und beispielsweise die Arbeitsweise eines Verwal1
Kang, Hyun Ho, Verwaltungsrecht I, DB Books, 2012, S. 6.
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tungsorgans, die Ausbildung der Bediensteten und die innere Verwaltungsorganisation regeln. In Korea erlässt die koreanische Regierung bzw. ein Minister verschiedene Normen, bei denen die Frage der Außenwirkung umstritten ist. Mit diesen befasst sich die folgende Untersuchung. Nachdem zunächst ein Überblick über die gegenwärtige Lage der Normsetzung in Korea gegeben wird (dazu II.), wird auf die Unterscheidung von Rechtsnormen und Verwaltungsvorschriften eingegangen (dazu III.). Sodann werden Fragen der Außenwirkung von Verwaltungsmaßnahmen und speziell die Ermessensrichtlinien behandelt (dazu V.), außerdem das Normsetzungsverfahren (dazu VI.) und die gerichtliche Überprüfung von Verwaltungsvorschriften (dazu VII.), bevor die Ergebnisse in einer Schlussfolgerung zusammengefasst werden (dazu VIII.).
II. Die gegenwärtige Lage der administrativen Normsetzung Zu den öffentlich-rechtlichen Handlungsformen zählen Verwaltungsnormsetzung, Verwaltungsplan, Verwaltungsverfügung bzw. Verwaltungsakt, Verwaltungsvertrag usw. Bei der Verwaltungsnormsetzung in diesem Sinne werden hinsichtlich der Außenwirkung Rechtsverordnung und Verwaltungsvorschrift unterschieden.2 Diese Zweiteilung unterscheidet nach dem Merkmal der Verbindlichkeit gegenüber den Bürgern und auch den Gerichten. Nach der Gegenauffassung können auch Verwaltungsvorschriften Außenwirkung entfalten und Rechtssatzqualität haben. Auf dieses Problem werde ich nicht näher eingehen.3 1. Rechtsverordnung Eine Rechtsverordnung ist eine Rechtsnorm, die durch die Verwaltungsbehörde auf der Grundlage einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung erlassen wird und die Außenwirkung entfaltet.4 Das Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung beruht auf § 75 und § 95 der koreanischen Verfassung. Das ermächtigende Gesetz muss den Umfang der Ermächtigung konkret bestimmen und die Exekutive muss seine Grenzen einhalten. Wenn das ermächtigende Gesetz unklar ist, inwieweit es die Ver2
Cheong, Ha Jung, Verwaltungsrecht, Bubmun Verlag, 2017, S. 116; Kim, Bak Yoo, Verwaltungsrecht, Hanseong Verlag, 2016, S. 673 ff.; Park, Kyun Seong, Verwaltungsrechtslehre, Pakyoung Verlag, 2013, S. 127 f.; Kim, Yoo Hwan, Modernes Verwaltungsrecht, Bubmun Verlag, 2017, S. 65 f.; Kim, Jung Kweon, Verwaltungsrecht, Bubmun Verlag, 2013, S. 315 f.; Kim, Nam Cheol, Verwaltungsrecht, Pakyoung Verlag, 2014, S. 252 f.; Ryu, Ji Tae/Pak, Jong Soo, Neues Verwaltungsrecht, Pakyoung Verlag, 2010, S. 278 f.; Kang, Hyun Ho, Verwaltungsrecht, DB Books, 2012, S. 222 f. 3 Kim, Jung Kweon, Verwaltungsrecht, Bubmun Verlag, 2013, S. 339 f.; Ryu, Ji Tae/Pak, Jong Soo, Neues Verwaltungsrecht, Pakyoung Verlag, 2010, S. 292 f. 4 Kang, Hyun Ho, Verwaltungsrecht, DB Books, 2012, S. 226.
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waltungsbehörde ermächtigt oder wenn es eine zu weit reichende Ermächtigung enthält, dann verstößt es gegen die Verfassung und ist somit nichtig. Für den Fall, dass die Rechtsverordnung die gesetzlichen Grenzen überschreitet, gibt es in Rechtsprechung und Lehre, wenn die Rechtsverordnung die Grenzen der Ermächtigung übersteigt, zwei unterschiedliche Auffassungen zu den Konsequenzen. Nach der ersten Meinung ist eine solche Rechtsverordnung gesetzeswidrig und deshalb nichtig. Nach der Gegenauffassung ist die „überschießende“ Rechtsverordnung, die keine Ermächtigungsgrundlage hat, als verwaltungsinterne Norm und somit Verwaltungsvorschrift zu qualifizieren. Diese Streitfrage bedarf aber der Lösung. M. E. hat die Rechtsprechung die über die Ermächtigung hinauslaufenden Teile der Rechtsverordnung als verfassungswidrig und nichtig zu erklären. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass diese Teile der Rechtsverordnung auch für die Zukunft Wirkungen entfalten und Einfluss auf die Rechte der Bürger ausüben.5 Darum überzeugt es auch nicht, solche Teile als interne Verwaltungsvorschrift einzustufen. Die teilweise Gesetzeswidrigkeit einer Rechtsverordnung bewirkt nach der herrschenden Lehre die vollständige Nichtigkeit derselben. Sie ist auch dann im Ganzen nichtig, wenn lediglich ein Teil der Rechtsverordnung gesetzeswidrig ist, denn die rechtssetzende Gewalt ist von der Legislative ermächtigt worden und die Rechtsprechung soll sich grundsätzlich auf die Rechtsanwendung beschränken.6 Lässt sich bei einer gesetzeswidrigen Rechtsverordnung jedoch klar zwischen einem die Ermächtigung einhaltenden und dem überschießenden Teil unterscheiden, dann hat das Gericht grundsätzlich den gesetzmäßigen Teil aufrecht zu erhalten. Wenn jedoch der Rechtsverordnungsgeber, d. h. die Verwaltungsbehörde, nicht damit einverstanden ist, den gesetzmäßigen Teil zu erhalten, weil dann der Zweck und die Funktion der Rechtsverordnung nach ihrer Auffassung nicht hinreichend zur Geltung kommen, dann bleibt immer noch das Problem, wer darüber zu entscheiden hat, ob die Rechtsverordnung ohne den gesetzeswidrigen Teil ihre Funktion erfüllt oder nicht.7 2. Verwaltungsvorschriften Die Verwaltungsvorschrift ist in Korea wie folgt zu verstehen: Sie ist eine allgemeine und abstrakte Verwaltungsnorm einer Verwaltungsbehörde über die inneren 5 Kang, Hyun Ho, Eine rechtliche Untersuchung von der Verwaltungsrechtssetzung und Normenkontrolle, Verwaltungsrechtsprechung Zeitschrift, 2015. S. 50. Kim, Cheol Young, Verwaltungsrecht, Gosigyei Verlag, 2012. S. 130. Hwang, Do Soo, Ministerielle Verordnung als Rechtsverordnung – Unterscheidungsmerkmale zwischen Rechtsverordnung und Verwaltungsvorschrift, Verwaltungsrechtsblätter 18, 2007, S. 599. 6 Großgericht 2017. 2. 16. 2015DO16014. Ansicht der Rechtsprechung als verwaltungsinterne Sachanordnung: Großgericht 2013. 09. 12. 2011DU 10584. Seok, Jong Hyun, Forschung über die Rechtsnatur der Verwaltungsvorschrift, Tojigongbub Yungu 30, 2006, S. 352 f. Kim, Young Sub, Begriff von Rechtssatz und Verwaltungsvorschrift – im Mittelpunkt der Wissenschaft und Rechtslehre von Prof. Dr. Kim, Do Chang – Öffentlich-rechtliches Rechts Zeitschrift, 2015.10, S. 417. 7 Großgericht 2017. 12. 5. 2016CHU5162.
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Organe in Bezug auf Organisation, Verhalten und Handlungsverfahren usw.8 Die Verwaltungsvorschrift ist in der Praxis als Rundschreiben, Rundverfügung, innerdienstliche Weisung, Erlass, Richtlinie bekannt. Früher sprach man von einer Sonderverordnung, wenn sie in einem Sonderstatusverhältnis erlassen wurde. Dies ist jedoch abzulehnen, weil angesichts der umfassenden Gewährleistung der Grundrechte solche besonderen Rechtsverhältnisse in Korea nicht mehr anerkannt werden können. In der Verwaltungspraxis ist die Verwaltungsbehörde von den Verwaltungsvorschriften abhängig, um die Gesetze und die Rechtsverordnungen im konkreten Fall umzusetzen. Je nach ihrer Funktion lassen sich normkonkretisierende, normvertretende und norminterpretierende Verwaltungsvorschriften unterscheiden. Auch der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift sprechen die meisten koreanischen Wissenschaftler die Rechtssatzqualität ab9; lediglich Prof. Nam-Jin Kim qualifiziert sie als Rechtssatz und akzeptiert das Urteil vom Behandlungserlass der Eigentumssteuer des koreanischen Steueramtes als Beispiel dafür.10 Auch nach Prof. Dr. YoungSub Kim ist es nicht logisch, die Frage nach der Rechtssatzqualität der Verwaltungsvorschriften einheitlich zu beantworten, weil die Verwaltungsvorschriften verschiedenartig sind; sie seien daher individuell zu betrachten. Aber auch dieser Ansicht kann man kritisch gegenüberstehen, weil damit die Abgrenzung zwischen Rechtsverordnung und Verwaltungsvorschrift verwischt wird und auch die aus der Unterscheidung resultierende Berechenbarkeit und Rechtssicherheit aufgegeben würde.11
III. Die Spezifika der Rechtsform von Rechtsverordnung und Verwaltungsvorschrift Die Diskussion um die Abgrenzung von Rechtsverordnung und Verwaltungsvorschrift sollte mit der Frage nach dem jeweiligen Erlassverfahren beginnen. Es gilt, die Gründe für unterschiedliche Anforderungen zu nennen oder eben umgekehrt zu begründen, warum man sie gleichbehandelt. Sofern man spezielle Formerfordernisse für die Rechtsverordnung anerkennt, dann gilt es zu fragen, ob diese besondere Erlassform auf Rechtsverordnung von Präsident oder (Premier)Minister beschränkt oder auf die anderen Rechtsverordnungen zu erstrecken ist. Diese Problematik steht ihm Zentrum der Diskussion. Demzufolge ist auch zu fragen, ob eine Verwaltungsnorm dann als Verwaltungsvorschrift zu qualifizieren ist, wenn sie diese formalen 8
Seok, Jong Hyun, Forschung über die Rechtsnatur der Verwaltungsvorschrift, Tojigongbub Yungu 30, 2006, S. 364 f. Großgericht 2010.12.9. 2010DU16349. 9 Seok, Jong Hyun, Forschung über die Rechtsnatur der Verwaltungsvorschrift, Tojigongbub Yungu 30, 2006, S. 357 f.; Kim, Nam Cheol, Verwaltungsrecht, Pakyoung Verlag, 2014, S. 274. 10 Kim, Nam Jin, Grundfragen des Verwaltungsrechts, Bubmun Verlag, 1994, S. 186. 11 Kim, Young Sub, Begriff von Rechtssatz und Verwaltungsvorschrift – im Mittelpunkt der Wissenschaft und Rechtslehre von Prof. Dr. Kim, Do Chang – Öffentlich-rechtliches Rechts Zeitschrift, 2015.10, S. 414.
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Anforderungen nicht einhält. Prof. Dr. Do-Chang Kim vertritt die Meinung, dass der Erlass der Rechtsverordnung zwingenden Vorgaben unterliegt und daher auch eine Verwaltungsvorschrift mit dem entsprechenden Inhalt verfassungswidrig und somit nichtig sei.12 Umgekehrt entscheidet der Inhalt nicht über die Qualifikation als Norm. Prof. Dr. Jong-Hyun Seok ist ebenfalls der Meinung, dass die Verwaltungsvorschrift prinzipiell keine Rechtssatzqualität aufweise und demgegenüber die verfassungsrechtlich normierte Rechtsnorm wie auch präsidiale und ministerielle Verordnungen unabhängig von ihrem Regelungsinhalt als Rechtssatz zu qualifizieren seien.13 Auch Prof. Dr. Hae Ryong Kim folgt dieser Auffassung und stützt diese auf den Gehalt der verfassungsrechtlichen Vorgaben. Verordnungen bedürfen einer gesetzlichen Ermächtigung. Wenn diese aber die Ergänzung des Gesetzes bezweckt, dann ist diese Ermächtigung durch die ermächtigte Verwaltungsbehörde mit der Erlassform der Rechtsverordnung zu vollziehen, ansonsten verstoße es gegen den in der Norm zum Ausdruck gebrachten Willen des ermächtigenden Organs und auch gegen die Verfassung. Seiner Meinung nach ist es aber auch für die Bürger sehr wichtig, dass diese die Existenz der Rechtsnorm vorher zur Kenntnis nehmen können, ob diese eine Außenwirkung entfaltet und unter Umständen ihre Rechte tangiert. Darum sollte die Rechtssatzqualität einer Norm von der formellen Rechtsform abhängig sein, damit die Bürger diese erkennen und sich darauf einstellen können.14 Nach Prof. Dr. Gi-Jin Kim widerspricht es dem Sinn der Gewaltenteilung, dem Parlamentsvorbehalt und dem materiellen Rechtsstaatsprinzip, wenn man der Verwaltungsbehörde das Recht einräumt, eine Rechtssätze enthaltende Verwaltungsvorschrift zu erlassen, falls eine Rechtsnorm ihre Rechtsform verfehlt. Er bekräftigt seine Meinung damit, dass andernfalls das Gericht, nicht die Exekutive über Verwaltungsnormen entscheiden würde, wenn die Rechtssatzqualität einer Regelung unklar bleibt. Es sei darum dringende Aufgabe, die jetzigen Verwaltungsvorschriften auf ihre Rechtssatzqualität hin zu prüfen, neu einzusortieren und zu benennen.15
12 Moon, Sang Duk, Rechtlicher Charakter der von Gesetzen ermächtigten Verwaltungsvorschrift und deren Kontrolle, Verwaltungsrechtsforschung 1, 1997, S. 152; Park, Jung Hun, Verwaltungsvorschrift in der Form der Rechtsverordnung und Rechtsverordnung in der Form der Verwaltungsvorschrift – Begriff des Rechtssatzes und zur Überwindung der Unterscheidungslehre der Form und Materie, Verwaltungsrechtswissenschaft 5, 2013, S. 61. 13 Seok, Jong Hyun, Forschung über die Rechtsnatur der Verwaltungsvorschrift, Tojigongbub Yungu 30, 2006, S. 364 f. 14 Kim, Hae Ryong, Forschung des Verwaltungsrechtsnormsystems I, Rechtsverordnung und Verwaltungsvorschrift, Öffentlich-rechtliches Recht Zeitschrift 35-3, 2007.2, S. 211 u. S. 217 f. 15 Kim, Gi Jin, Untersuchung über die Sanierung der Verwaltungsrechtssetzung, Verfassungsrechtliche Rechtsprechung Zeitschrift 13, 2012.02. S. 311 f.; Kim, Sung Soo, Allgemeines Verwaltungsrecht, Bubmun Verlag, 2008, S. 392.
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Prof. Dr. Young Sub Kim ist ebenfalls der Meinung, dass ein Sachverhalt, für den gesetzlich ein Rechtssatz vorgeschrieben ist, nicht in Form einer Verwaltungsvorschrift reguliert werden sollte, sondern nur durch formelle Rechtsvorschriften.16 Gegen diese herrschende Lehre ließe sich einwenden, dass es bei dem Erlass der Verwaltungsnorm nicht einfach sei, eine spezifische Rechtsform zu verwenden, weil die Rechtssatzqualität oder die Außenwirkung der Verwaltungsnorm noch nicht klar sei. In koreanischen Gesetzen finden sich die folgenden aus dem Verfassungsrecht abgeleiteten Regelungen, die die Erlassform der Verwaltungsnorm betreffen. Gemäß § 4 Abs. 2 Verwaltungsregulierungsgrundgesetz kann die Verwaltungsbehörde durch die GOSI (eine Art der Erlassform) solche Gegenstände regeln, die fachliche oder technische Fragen oder unwesentliche Gegenstände betreffen. Bereits die Bezeichnung GOSI ist ein Indiz dafür, dass es sich dabei um eine Erlassform für Verwaltungsvorschriften handelt. Gemäß § 4 Förderungsanordnung für Verwaltungseffektivität und Koordination (FöVK) werden die öffentlichen Dokumente in Rechtssatz-, Weisungs-, Ankündigungs-, Ausstattungs-, Gesuch- und Allgemein-Dokument eingeteilt. § 4 Nr. 1 FöVK schreibt vor, dass Rechtssatz-Dokumente solche Dokumente sind, die einen Bezug zur Verfassung, zum Gesetz, zur präsidialen oder (premier)ministeriellen Rechtsverordnung und zur Satzung etc. haben. Nach § 27 Abs. 1 und Abs. 2 FöVK sind die öffentlichen Dokumente durch besondere Rechtsformen zu erstellen, z. B. die Rechtssätze beinhaltende Sache mit der Rechtsverordnung und ansonsten mit der Verwaltungsvorschrift. Die obengenannten Regelungen bestätigen die Auffassung, dass Rechtssätze durch besondere Rechtsformen zu erlassen sind. M. E. werden durch solche Formerfordernisse für Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften, die für die jeweiligen konkreten Verwaltungsnormen anzupassen sind, die rechtsstaatlichen Postulate der Berechenbarkeit und Rechtssicherheit noch besser erfüllt. In diesem Zusammenhang werde ich ein Rechtsprinzip vorschlagen, dass bei einer Verwaltungsnorm im Zweifel von ihrer Rechtssatzqualität auszugehen ist und sie dementsprechend in der für Rechtsverordnungen vorgesehenen Form zu erlassen ist.
IV. Die Problematik der Außenwirkung der Verwaltungsvorschrift Es gibt einige Fälle, bei denen die Außenwirkung bei einer Verwaltungsnorm in der Form der Verwaltungsvorschrift entfällt. Bedauerlicherweise ist dies eine Realität in der Verwaltungspraxis. Rechtsprechung und Lehre tendieren zunehmend auch 16 Kim, Young Sub, Begriff von Rechtssatz und Verwaltungsvorschrift – im Mittelpunkt der Wissenschaft und Rechtslehre von Prof. Dr. Kim, Do Chang – Öffentlich-rechtliches Recht Zeitschrift 44-1, 2015.10, S. 414 f.
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in diese Richtung. In der aktuellen Diskussion in Korea spielen bezüglich der Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften vor allem zwei Varianten eine Rolle, die als Rechtssatz fungierende Verwaltungsvorschrift und die rechtssatzförmige Verwaltungsvorschrift. Aber m. E. wirft diese Richtung verschiedene Probleme auf, insbesondere aus Sicht des Rechtsstaatsprinzips. 1. Die als Rechtssatz fungierende Verwaltungsvorschrift Die als Rechtssatz fungierende Verwaltungsvorschrift ist eine Verwaltungsvorschrift, die auf jeden Fall Außenwirkung entfaltet, obwohl sie als eine Form von Verwaltungsvorschrift erlassen worden ist. Wenn man derartige Verwaltungsvorschriften anerkennt, dann verliert man den Grund, um zwischen Rechtsverordnung und Verwaltungsvorschrift zu unterscheiden.17 Die herrschende Meinung akzeptiert diese Verwaltungsvorschrift gleichwohl ohne Zögern und auch die Rechtsprechung erkennt sie mit folgender Begründung an: Das Gesetz ermächtigt die Verwaltungsbehörde dazu, die Inhalte der Gesetze auszufüllen. Dabei regelt aber das ermächtigende Gesetz das Verfahren und die Methode der Ausfüllung nicht, deswegen regelt die Verwaltungsbehörde diese Lücke durch ihre Verwaltungsvorschrift. Dann wird nach der Rechtsprechung diese Verwaltungsvorschrift im Zusammenhang mit dem ermächtigenden Gesetz seine Wirkung als Rechtssatz entfalten. Die Rechtsprechung ist sehr großzügig, die als Rechtssatz funktionierende Verwaltungsvorschrift anzuerkennen. Entlang dieser Richtung erlässt das koreanische Großgericht selbst ohne Ermächtigung des Gesetzes eine Richtlinie über die Änderung des Geschlechtes. Dies offenbart die falsche Ansicht des koreanischen Großgerichtes über die Norm, die Normsetzung, die Rechtsform, die Rechtssatzqualität und auch den Gesetzesvorbehalt.18 Hier stellt sich die Frage, ob es aus Sicht der Verfassung unbedenklich ist, wenn ein Gesetz der Verwaltungsbehörde die Befugnis zur Ergänzung des Gesetzes verleiht, ohne dabei Verfahren und Methode für die Ergänzung konkret zu bestimmen.19 M. E. sollte solch eine Ermächtigung verfassungswidrig sein und deswegen strikt verboten werden. Prof. Dr. Hae-Ryoung Kim öffnet uns in Bezug auf die Ermächtigung eine andere Sichtweise, nämlich die aus Sicht der Bürger. Obwohl die Verwaltungsbehörde die 17
Großgericht 2008. 4. 10. 2007DU4841. Kim, Hae Ryong, Forschung des Verwaltungsrechtsnormsystems I, Rechtsverordnung und Verwaltungsvorschrift, Öffentlich-rechtliches Recht Zeitschrift 35-3, 2007.2, S. 220 f. Kim, Jung Kweon, Eine Untersuchung über die Probleme von Sachdurchführungsanordnung in Bezug auf Geschlechtsänderungsantrag, Gesetzzeitschrift 3493, 25. Sept. 2006. Großgericht 2006. 6. 22. 2004SUE42. 19 Kim, Min Sub, Probleme der normergänzenden Verwaltungsvorschrift, Rechtswissenschaft Forschungsblätter 28-3, 2016.2, S. 442 f. Ko, Young Hoon, Probleme von der Verwaltungsvorschrift in der Form der Rechtsverordnung und der Rechtsverordnung in der Form der Verwaltungsvorschrift und derer Reformvorschläge, Öffentlich-rechtliches Wissenschaftsforschung 5-3, 2004.12, S. 484. 18
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Befugnis zur Ergänzung der Gesetzeslücke durch die Ermächtigung erhält, ist es problematisch, wenn die Verwaltungsbehörde diese Ergänzung durch eine einfache Verwaltungsvorschrift unternehmen würde. Die Rechtsprechung vertrete nur die Ansicht der Verwaltungsbehörde und verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip. Die Beamten werden auch bei der Ausübung ihrer Befugnisse in Verwirrung geraten, wenn eine solche Ermächtigung der Verwaltungsbehörde gestattet wird. Die Rechtssatzqualität der Verwaltungsnorm, die von der Verwaltungsbehörde erlassen wird, lässt sich nur durch die äußere Erlassform bestimmen.20 2. Die rechtssatzförmige Verwaltungsvorschrift Die rechtssatzförmige Verwaltungsvorschrift ist eine Verwaltungsvorschrift, die nach ihrem Inhalt keine Außenwirkung entfaltet, obwohl sie in Form einer präsidialen Rechtsverordnung erlassen worden ist. Diese Art der Verwaltungsvorschrift ist von der Rechtsprechung anerkannt, aber es gibt viel Kritik zu dieser Rechtsprechung. Eigentlich betrifft diese Verwaltungsvorschrift vor allem die Ermessensrichtlinien. Häufig erlässt die Verwaltungsbehörde zunächst eine Ermessensrichtlinie in der Form der Verwaltungsvorschrift, als ministeriellen Erlass oder ministerielles Rundschreiben. Wegen der Fragwürdigkeit der Rechtsnatur von Ermessensrichtlinien begegnet die Verwaltungsbehörde in ihrer Vollziehung Schwierigkeiten, so dass dann seitens der Verwaltungsbehörde die Ermessensrichtlinie mit dem gleichen Inhalt in der Form der Rechtsverordnung neu erlassen wird. Wegen des identischen Inhaltes behandelt das Gericht die Ermessensrichtlinie weiterhin als Verwaltungsvorschrift, obwohl sie als eine rechtssatzförmige Norm erlassen wurde.21 Die Rechtsprechung bricht jedoch mit dieser Auffassung, die Ermessensrichtlinie als Verwaltungsvorschrift zu qualifizieren dort, wo die Ermessensrichtlinie in der Rechtsform einer präsidialen Rechtsverordnung erlassen worden ist, ohne dass diese Differenzierung zwischen präsidialen und ministeriellen Rechtsverordnungen in den Urteilen näher begründet wird.22 Prof. Dr. Hae-Ryoung Kim bewertet daher diese Rechtsprechung kritisch und sagt, dass die rechtssatzförmige Verwaltungsvorschrift der traditionellen Verwaltungsrechtslehre fremd sei und sich auch nicht in sie integrieren lasse. Die Rechtsprechung gehe nach seiner Meinung über ihre Funktion als rechtsprechende Gewalt hin20 Kim, Hae Ryong, Forschung des Verwaltungsrechtsnormsystems I, Rechtsverordnung und Verwaltungsvorschrift, Öffentlich-rechtliches Recht Zeitschrift 35-3, 2007.2, S. 217 f. 21 Cheong, Ha Jung, Verwaltungsrecht, Bubmun Verlag, 2017, S. 141; Park, Kyun Seong, Verwaltungsrechtslehre, Pakyoung Verlag, 2013, S. 169; Kim, Nam Cheol, Verwaltungsrecht, Pakyoung Verlag, 2014, S. 278; Kim, Hae Ryong, Forschung des Verwaltungsrechtsnormsystems I, Rechtsverordnung und Verwaltungsvorschrift, Öffentlich-rechtliches Recht Zeitschrift 35-3, 2007.2, S. 217 f. 22 Ryu, Ji Tae/Pak, Jong Soo, Neues Verwaltungsrecht, Pakyoung Verlag, 2010, S. 314. Großgericht 2015.7.9. 2014DU47853.
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aus und verletze die Grundlage der Gewaltenteilung, weil sie selbst Recht setze.23 Wegen der Verwirrung im Zusammenhang mit der Ermessensrichtlinie spricht die Rechtsprechung außerhalb der Ermessensrichtlinie gerade dort auch aus, wo es nicht um die Ermessensrichtlinie geht, dass die ministerielle Rechtsverordnung nur die rechtliche Natur als Verwaltungsvorschrift aufweisen werde.24
V. Die Ermessensrichtlinie als „Quelle der Finsternis“ in der Diskussion über Verwaltungsvorschrift Obwohl seit jeher viele Diskussionen über den Rechtscharakter bzw. die Rechtsnatur einer Ermessensrichtlinie geführt worden sind, ist diese Frage immer noch ungeklärt, liegt sozusagen in tiefer Finsternis.25 Ausgehend von der Annahme, dass Ermessensrichtlinien im Prinzip als eine Verwaltungsvorschrift zu qualifizieren seien, sehen die Wissenschaftler in einer Ermessensrichtlinie nur dann einen Rechtssatz, wenn eine Ermächtigung für den Erlass der Ermessensrichtlinie durch das ermächtigende Gesetz besteht und die Ermessensrichtlinie in der Form der Rechtsverordnungen erlassen wird.26 In Bezug auf die Rechtssatzqualität der Ermessensrichtlinie gibt es auch eine Lehre, dass die Ermessensrichtlinie als ein Quasi-Rechtssatz zu qualifizieren sei.27 Die Rechtsprechung ging zunächst davon aus, dass die Ermessensrichtlinie in der Form einer Verwaltungsvorschrift als verwaltungsinterne Sacherledigungsanordnung zu qualifizieren wäre. An dieser Einordnung hielt sie auch dann fest, wenn sie in Form einer ministeriellen Verordnung erlassen wurde. Lediglich bei Ermessensrichtlinien in Form einer präsidialen Verordnung gelangte sie bei gleichem Inhalt zur gegenteiligen Einschätzung und qualifizierte die entsprechende Präsidialverordnung als Rechtssatz.28 Die Beweggründe der Rechtsprechung für die Qualifikation der rechtssatzförmigen Ermessensrichtlinie als Verwaltungsvorschrift sind leicht zu verstehen, denn sie befürchtete einen Verlust an Einzelfallgerechtigkeit in ihrer Entscheidung, wenn sie die rechtssatzförmige Ermessensrichtlinie als eine auch die Gerichte bindende Rechtsverordnung qualifizieren würde. Gleichwohl führte 23 Kim, Hae Ryong, Forschung des Verwaltungsrechtsnormsystems I, Rechtsverordnung und Verwaltungsvorschrift, Öffentlich-rechtliches Recht Zeitschrift 35-3, 2007.2, S. 216. 24 Großgericht 2012.3.29. 2011DA104253. 25 Cheong, Ha Jung, Verwaltungsrecht, Bubmun Verlag, 2017, S. 145. 26 Hong, Jeong Seon, Verwaltungsrecht, Pakyoung Verlag, 2013, S. 139 und S. 155. 27 Großgericht 1998. 3. 27. 96NU19772; Großgericht 1998.3.27. 97NU20236; Großgericht 1997 12. 26. 97NU15418; Großgericht 2001.3.9. 99DU5207. 28 Kang, Hyun Ho, Rechtlicher Charakter der Ermessensrichtlinie, Öffentlich-rechtliches Recht Zeitschrift 29-4, S. 28 f.; Kang, Hyun Ho, Rechtliche Untersuchung über die Ermessensrichtlinie als Handlungskriterien der Verwaltungsbehörde, Verwaltungsrechtsprechung Zeitschrift 22-2, 2017.12, S. 61 f. Kim, Jung Kweon, Verwaltungsrecht, Bubmun Verlag, 2013, S. 343.
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diese Rechtsprechung zu großer Verwirrung in der traditionellen Verwaltungsrechtswissenschaft im Zusammenhang der Außenwirkung der Verwaltungsnorm und der Rechtssatzqualität der Rechtsverordnung.29 Prof. Dr. Ju-Young Kang stellte neulich in seinem Aufsatz dieses Problem dar. Er wies auf die geradezu dramatischen dogmatischen Schwierigkeiten hin, die sich aus dieser Differenzierung zwischen der präsidialen und der ministeriellen Ermessensrichtlinie hinsichtlich ihrer Rechtssatzqualität ergeben.30 M. E. basieren die herrschende Lehre und die Rechtsprechung auf Missverständnissen über die rechtliche Natur der Ermessensrichtlinie, weil sie die Ermessensrichtlinie einer der beiden Rechtsformen der Rechtsverordnung und Verwaltungsvorschrift zuordnen wollen, indem sie auf die Frage der Außenwirkung abstellen, obwohl die Ermessensrichtlinie gerade nicht aus dem Blickwinkel der Außenwirkung geschaffen worden ist. Dies führt die Diskussion über die Ermessensrichtlinie noch tiefer in die Dunkelheit. Die Rechtsnatur der Ermessensrichtlinie ist auf die innere Funktionalität als Vermittlungsnorm zurückzuführen, nicht auf die Außenwirkungsperspektive.31 Die Ermessensrichtlinie ist nach dieser Auffassung funktional als Vermittlungsnorm zu qualifizieren, denn sie vermittelt zwischen dem der Verwaltung ein Ermessen einräumenden Ermächtigungsgesetz und den Amtsträgern, die das gegebene Ermessen im Einzelfall vollziehen. Die Amtsträger der Verwaltungsbehörde nehmen die Ermessensrichtlinie als lenkende bzw. leitende Vorschläge an.32 Allerdings liegt in der Ermessensrichtlinie danach auch die Befugnis begründet, von ihr im Einzelfall abzuweichen. Ein Bürger kann drauf vertrauen, dass die Ermessensrichtlinie einen wichtigen Maßstab für das Verwaltungshandeln darstellt und erwarten, dass die Behörde die Ermessensrichtlinie grundsätzlich befolgt. Es muss ihm aber auch die Möglichkeit bewusst sein, dass von ihr aus wichtigem Grund abgewichen werden kann.33 Die Rechtsprechung überprüft einen konkreten Verwaltungsakt, der aufgrund der Ermessensrichtlinie erlassen worden ist, normalerweise aus der Sicht des Ermächtigungsgesetzes. Auch die Ermessensrichtlinie wird vom Gericht überprüft und zwar darauf, ob diese Ermessensrichtlinie nach der Natur der Sache gerechtfertigt und auch in diesem konkreten Fall angewandt werden kann. Die Überprüfung der Ermes29 Lee, Kwang Yoon, Verwaltungsrechtstheorie, Sungkyunkwan Verlag, 2000, S. 100. Yoon, Young Seon, Verwaltungsprozeß und Ermessensrichtlinie, Öffentlich-rechtliches Wissenschaftsforschung 28-1, 1999, S. 46 f. 30 Kang, Ju Young, Regulierungsform des Rechtssatzes der Handlungsbegrenzung und Auslegung des Verwaltungsrechtssatzes, Gangwon Rechtswissenschaft 51, 2017.6, S. 374. 31 Großgericht 2013.07.11. 2013DU1621. Vgl. Jeon, Hoon, Verständnis über die Rechtssatzqualität der Verwaltungsvorschrift – im Mittelpunkt von französischer Rechtsprechung, Rechtswissenschaft Diskussionsblatt 21, 2004.12. 32 Lee, Kwang Yoon, Verwaltungsrechtstheorie, Sungkyunkwan Verlag, 2000, S. 100. 33 Lee, Kwang Yoon, Verwaltungsrechtstheorie, Sungkyunkwan Verlag, 2000, S. 100. Großgericht 1998. 3. 27. 96NU19772.
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sensrichtlinie erfolgt nach den Maßstäben der Ermessenskontrolle, d. h. in der Kategorie der Ermessensfehlerlehre.34
VI. Verfahren beim Erlass der Verwaltungsvorschrift Die Verwaltungsvorschrift hat grundsätzlich keine Außenwirkung, darum werden die Bürger durch sie in ihren Rechten nicht betroffen. Eine strikte Unterscheidung zwischen den Rechtsformen der Rechtsverordnung und der Verwaltungsvorschrift führt zu einem eindeutigen Ergebnis hinsichtlich ihrer Außenwirkung. Soweit die Verwaltungsvorschrift nur im inneren Bereich der Verwaltung bleibt, ist es nicht erforderlich, strikte Anforderungen an ihren Erlass zu stellen. Sofern die Verwaltungsvorschrift aber auf irgendeine Weise eine Außenwirkung entfaltet, ist es notwendig, eine dementsprechende Anforderung zu treffen.35 Es ist zunächst zu prüfen, ob dies bei der konkreten Verwaltungsvorschrift der Fall ist oder nicht. Sofern die Verwaltungsvorschrift eine irgendwie geartete Wirkung nach außen entfaltet, dann kann man sich darum bemühen sicherzustellen, dass sie dem Rechtsstaatsprinzip und der Gewährleistung der Grundrechte Rechnung tragen kann.36 Bis jetzt schenkt man in Korea dem Erlass-Verfahren von Verwaltungsvorschriften keine Aufmerksamkeit. Sie unterliegen weder der Überprüfung durch die besonderen verwaltungsinternen Organe noch derjenigen durch die koreanische Verwaltungsbehörde namens „Bubjecheo“, die für die Verwaltungsrechtssetzung zuständig ist. Zur Wirksamkeit der Verwaltungsvorschrift ist auch keine Veröffentlichung notwendig, so dass es häufig schwierig ist, im Internet ihren Inhalt herauszufinden. Diese Situation vermag jedoch unter dem Blickwinkel des modernen Rechtsstaates so nicht zu befriedigen. Das Licht der Gewährleistung der Grundrechte der Bürger und auch des Rechtsstaatsprinzips sollte die Innenbereiche der Verwaltung auch hell und klar erleuchten. Aus dieser Hinsicht sollte das Erlassverfahren der Verwaltungsvorschrift durch verfahrensrechtliche Reform bzw. Verbesserung ergänzt werden. Es gibt einige Ansätze im geltenden Gesetz, an diese verfahrensrechtliche Verbesserung anzuknüpfen, z. B. § 98.2 Abs. 1 bis 3 Parlamentsgesetz. Demgemäß können die ständigen Ausschüsse des Parlaments das entsprechende Ministerium unter besonderen Voraussetzungen dazu auffordern, ihnen die Verwaltungsvorschrift jedes Mal vor Erlass, Änderung oder Aufhebung einzureichen. Gemäß § 23 Rechtsverordnung von KVwVfG i.Z.m. § 41 Abs. 5 KVwVfG sollte die Verwaltungsbehörde beim Erlass der Rechtsverordnung die folgenden Voraussetzungen der Verwaltungsrechtssetzungsbetriebsanordnung (VwRSBA) einhalten. § 23 Abs. 1 34 Kang, Hyun Ho, Rechtliche Untersuchung über die Ermessensrichtlinie als Handlungskriterien der Verwaltungsbehörde, Verwaltungsrechtsprechung Zeitschrift 22-2, 2017.12, S. 61. 35 Erlaßanordnung des Justizministeriums für die Verwaltungsvorschrift § 2 (Legitimität des Inhalts). 36 Hwang, Hee Yoon, Sanierungsrichtung der geheimen Regulierung hinsichtlich kleines und mittelständisches Betriebsamtes, Aju Rechtswissenschaft 8-3, S. 79 f.
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und 3 VwRSBA regeln, dass der Minister dem Verwaltungsrechtssetzungsamt „Bubjecheo“ den Entwurf der zu erlassenden Verwaltungsvorschrift vorlegen und um Überprüfung bitten soll, und dass der Minister die Verwaltungsvorschrift nach der Überprüfung des Verwaltungsrechtssetzungsamtes zusammen mit dem Prüfungsdokument zu veröffentlichen hat. Gemäß § 4 Abs. 1 Verwaltungsregulierungsgrundgesetz (VwRgG) sollte eine Verwaltungsvorschrift konkret, eindeutig und verständlich geschrieben werden. Für die einzelnen Ministerien gibt es jeweils eine Erlassanordnung für Verwaltungsvorschriften und bis jetzt erscheint in Korea die Erlassanordnung des Justizministeriums am vorbildlichsten.37
VII. Überprüfung von Verwaltungsvorschriften Bei der Überprüfung ist zuerst zu erwägen, ob die Verwaltungsvorschrift im Ergebnis doch als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist. Wenn ja, dann ist die Anfechtungsklage gegen die Verwaltungsvorschrift zulässig. Im Normalfall wird dies zu verneinen sein, weil die Verwaltungsvorschrift prinzipiell keinen konkret-individuell regelnden Charakter aufweisen wird. Darum gilt es, einen passenden Überprüfungsmechanismus für die Verwaltungsvorschrift herauszuarbeiten.38 Zu denken ist an eine Inzidentkontrolle der Verwaltungsvorschrift, soweit es auf die Gültigkeit der Verwaltungsvorschrift bei der gerichtlichen Entscheidung ankommt. Demgegenüber liegen die Voraussetzungen für die Normenkontrolle nicht vor. Nach der Entscheidung des koreanischen Verfassungsgerichtes kann sie auch zum Gegenstand der Verfassungsbeschwerde werden, wenn – was nur selten der Fall sein dürfte –, jemand durch sie in seinem Grundrecht verletzt ist.39
VIII. Zusammenfassung Verwaltungsvorschriften stellen wie dargelegt auch in Korea ein sehr schwierig zu behandelndes Thema dar. Bis jetzt versuchten Rechtsprechung und Lehre die verwaltungsbehördliche Rechtssetzung entweder als Rechtsverordnung oder als Verwaltungsvorschrift einzuordnen, indem sie keine Alternative, z. B. einen dritten Weg, zuließen. Vom Standpunkt dieser Auffassung ist die erste und grundlegendste Frage diejenige nach dem Erlassverfahren für Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften. Für diese Frage gibt die Rechtsprechung keine eindeutige Antwort, sie versucht eine Lösung im jeweiligen Einzelfall. Gegenüber Rechtsprechung und herrschender Lehre stehen einige Wissenschaftler auf dem Standpunkt, dass das Rechtsstaatsprinzip jeweils ein spezifisches Erlassverfahren für Rechtsverordnungen und 37
Betriebsanordnung der Gesetzgebungsaufgabe § 25. Großgericht 2006. 9. 22. 2005DU2506. 39 KVerfG 2007. 8. 30. 2004HUNMA670. 38
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Verwaltungsvorschriften gebietet. Auch ich bin der Meinung, dass das Verfahren für den Erlass einer Rechtsverordnung besonders zu regeln und eine Verwaltungsnorm im Zweifel als Rechtsverordnung zu erlassen ist, unabhängig davon, ob sie nun tatsächlich materielle Rechtssätze enthält oder nicht. Hinsichtlich der Außenwirkung der Verwaltungsvorschrift werden hauptsächlich die beiden Arten von Verwaltungsvorschriften diskutiert, nämlich die als Rechtssatz funktionierende Verwaltungsvorschrift und die rechtssatzförmige Verwaltungsvorschrift. Vor dem Hintergrund des Rechtsstaatsprinzips ist zwischen dem rechtlichen Charakter der Verwaltungsnormsetzung und der äußeren Form zu trennen. Am dunkelsten ist die Diskussion in Bezug auf die Ermessensrichtlinie hinsichtlich der Rechtssatzqualität und der Rechtsform. Die Standpunkte der Rechtsprechung und Lehre sind uneinheitlich und lassen klare Konturen vermissen. Diese „Finsternis“ ist auf das Bemühen zurückzuführen, die Verwaltungsnorm entweder als Rechtsverordnung oder Verwaltungsvorschrift zu qualifizieren, obwohl die Ermessensrichtlinie im Grunde genommen keinen Zusammenhang mit der Außenwirkung hat. Sie ist eigentlich nicht mit Blick auf eine solche Außenwirkung entstanden, sondern dient der Vermittlung zwischen Gesetz und Amtsträger. Darum sollte man die Ermessensrichtlinie weder als Rechtsverordnung noch als Verwaltungsvorschrift einordnen und sie als funktionale Vermittlungsnorm verstehen. In Bezug auf den Erlass der Verwaltungsvorschrift ist es notwendig, verfahrensrechtlich die Inhalte der Verwaltungsvorschrift durch ein fachmännisches Amt früh genug zu überprüfen und ein angemessenes Kontrollverfahren gegenüber der Verwaltungsvorschrift einzuführen. Literaturverzeichnis Cheong, Ha Jung, Verwaltungsrecht, Bubmun Verlag, 2017. Hwang, Do Soo, Ministerielle Verordnung als Rechtsverordnung – Unterscheidungsmerkmale zwischen Rechtsverordnung und Verwaltungsvorschrift, Verwaltungsrechtsblätter 18, 2007. Hwang, Hee Yoon, Sanierungsrichtung der geheimen Regulierung hinsichtlich klein und mittelständisches Betriebsamtes, Aju Rechtswissenschaft 8 – 3. Jeon, Hoon, Verständnis über die Rechtssatzqualität der Verwaltungsvorschrift – im Mittelpunkt von französischer Rechtsprechung, Rechtswissenschaft Diskussionsblatt 21, 2004.12. Kang, Hyun Ho, Verwaltungsrecht I, DB Books, 2012. Kang, Hyun Ho, Eine rechtliche Untersuchung von der Verwaltungsrechtssetzung und Normenkontrolle, Verwaltungsrechtsprechung Zeitschrift, 2015. Kang, Hyun Ho, Rechtlicher Charakter der Ermessensrichtlinie, Öffentlich-rechtliches Recht Zeitschrift 29 – 4. Kang, Hyun Ho, Eine rechtliche Untersuchung von der Verwaltungsrechtssetzung und Normenkontrolle, Verwaltungsrechtsprechung Zeitschrift, 2015. Kang, Hyun Ho, Rechtliche Untersuchung über die Ermessensrichtlinie als Handlungskriterien der Verwaltungsbehörde, Verwaltungsrechtsprechung Zeitschrift 22 – 2, 2017.12.
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„Regeln der Technik“ und „Technische Regelwerke“ Von Hans-Werner Laubinger † Auf einigen Rechtsgebieten spielen Regeln der Technik und technische Regelwerke eine fast ebenso große Rolle wie förmliche Gesetze, Rechtsverordnungen, Satzungen und Verwaltungsvorschriften. Das gilt vor allem – aber keineswegs nur – für das Umweltschutzrecht sowie das (öffentliche und private) Baurecht. Regeln der Technik und technische Regelwerke müssen unterschieden werden. Regeln der Technik sind Normen, während technische Regelwerke Normen enthalten. Unter Normen verstehe ich (Nominaldefinition!): Verbindlichkeit beanspruchende abstrakt-generelle Regeln für menschliches Verhalten. Regeln der Technik und technische Regelwerke sind zwar zu unterscheiden, stehen jedoch nicht völlig beziehungslos nebeneinander. Technische Regelwerke können neue technische Regeln schaffen oder bereits bestehende technische Regeln in sich aufnehmen.
I. Regeln der Technik Regeln der Technik sind nicht – wie man nach dem Wortlaut zunächst annehmen könnte – Regeln, die von der Technik entwickelt worden sind, sondern Regeln für die Technik. Sie werden von Menschen gemacht und sollen Verhalten von Menschen steuern, und zwar dann, wenn sie mit Technik umgehen. 1. Der Begriff der Technik Technik lässt sich definieren als der im Rahmen der Naturgesetze planmäßig sich vollziehende, von Exaktheit und Rationalität getragene und auf permanenten Fortschritt gerichtete Prozess der Erzeugung und Verwendung materieller, energetischer und informationeller Systeme1. Eine weniger abstrakte Begriffsbestimmung versteht unter Technik die „Gesamtheit der Verfahren, Einrichtungen und Systeme …, mit denen der Mensch schöpferisch und reproduzierend, aufbauend und sanierend, aber auch zerstörend in die Natur eingreift und seine Umwelt gestaltet“2. 1 2
Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, Köln/ Berlin/Bonn/München 1979, S. 23. Seibel, Der Stand der Technik im Umweltrecht, Hamburg 2003, S. 6.
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2. Der Begriff der Regeln der Technik Regeln sind Anweisungen oder Anleitungen für menschliches Verhalten. Regeln der Technik3 sind ebenfalls Handlungsanweisungen, und zwar für die Anwendung von Technik. Sie legen fest, welche Handlungen vorgenommen werden müssen, um eine bestimmtes Ziel zu erreichen, beispielsweise welche Handgriffe vorgenommen oder welche Werkstoffe eingesetzt werden müssen, damit ein Dach wetterfest oder eine Rohrleitung wasserdicht ist. 3. Regeln der Technik und Ziele Die zu erreichenden Ziele ergeben sich nicht aus den Regeln der Technik, sondern sind ihnen vorgegeben. Sie werden vertraglich oder durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften festgelegt. Die Regeln der Technik beschreiben nur Wege, auf denen das festgelegte Ziel erreicht werden kann. Auf dem Gebiet des Umweltrechts ist das Hauptziel der Schutz der Umwelt vor Beeinträchtigungen. Dieses Hauptziel lässt sich zu zahlreichen Unterzielen herunterbrechen. Unterziele sind beispielsweise die Reinhaltung der Luft, des Wassers und des Bodens, die Verhinderung unzumutbaren Lärms oder der Schutz vor ionisierenden Strahlen. Auch diese Ziele lassen sich noch weiter spezifizieren. Die Setzung dieses Ziels ist – wie bereits gesagt – Aufgabe der Politik und der Behörden, welche die Ziele durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften festlegt. So legen Parlament oder Behörden beispielsweise fest, welche luftverunreinigenden Stoffe, welcher Lärm oder welche Erschütterungen von einer Anlage ausgehen dürfen. Die Regeln der Technik weisen den Weg, wie diese Ziele erreicht werden können. 4. Standards der Regeln der Technik Bei den Regeln der Technik werden überwiegend drei Standards unterschieden: „allgemein anerkannte Regeln der Technik“4, „Stand der Technik“ sowie „Stand von Wissenschaft und Technik“. Nach der herrschenden „Dreistufentheorie“5,6, die aber 3 Zu den unterschiedlichen Ansätzen siehe Marburger (Fn. 1), S. 24 ff.; Friedrich Stammbach, Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik – Ein eigenständiger Gewährleistungstatbestand?, Düsseldorf 1997, S. 57 ff. 4 Manchmal kurz „anerkannte Regeln der Technik“. 5 Sie darf nicht verwechselt werden mit der Dreistufentheorie (Dreistufenlehre, Stufenlehre), die für die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) entwickelt worden ist, aber seit langem heftig kritisiert wird. Zu ihr z. B. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl., München 2011, Art. 12 Rn. 33 ff. 6 Für sie setzen sich u. a. ein Fischer, Die Regeln der Technik im Bauvertragsrecht, Düsseldorf 1985, S. 60; Lamb, Kooperative Gesetzeskonkretisierung, Baden-Baden 1995, S. 43 ff.; Seibel (Fn. 2), S. 100 ff.; ders., „Stand der Technik“, „allgemein anerkannte Regeln der Technik“ und „Stand von Wissenschaft und Technik“, BauR 2004, 266 ff., 269 ff. Nur
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keineswegs unangefochten ist7, stehen diese drei Standards in einer Art Stufenverhältnis zueinander. Maßstab für diese Stufenfolge sind die Anforderungen, die diese Standards an Techniken stellen. Die geringsten Anforderungen stellen danach die anerkannten Regeln der Technik, die höchsten der Stand von Wissenschaft und Technik; dazwischen steht der Stand der Technik. In seinem Kalkar-Beschluss vom 8. August 19788 hat das Bundesverfassungsgericht dieses Stufenverhältnis wie folgt dargestellt: „Das Gesetz kann … auf die ,allgemein anerkannten Regeln der Technik‘ verweisen. Bei dieser Art der Verknüpfung von Recht und Technik können die Behörden und Gerichte sich darauf beschränken, die herrschende Auffassung unter den technischen Praktikern zu ermitteln, um festzustellen, ob das jeweilige technische Arbeitsmittel in den Verkehr gebracht werden darf oder nicht. Der Nachteil dieser Lösung besteht jedoch darin, dass die Rechtsordnung mit dem Maßstab der allgemein anerkannten Regeln stets hinter einer weiterstrebenden technischen Entwicklung herhinkt. Dies wird vermieden, wenn das Gesetz auf den ,Stand der Technik‘ abhebt … Der rechtliche Maßstab für das Erlaubte oder Gebotene wird hierdurch an die Front der technischen Entwicklung verlagert, da die allgemeine Anerkennung und die praktische Bewährung allein für den Stand der Technik nicht ausschlaggebend sind. Bei der Formel vom Stand der Technik gestaltet sich die Feststellung und Beurteilung der maßgeblichen Tatsachen für Behörden und Gerichte allerdings schwieriger. Sie müssen in die Meinungsstreitigkeiten der Techniker eintreten, um zu ermitteln, was technisch notwendig, geeignet, angemessen und vermeidbar ist (…). § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtomG geht schließlich noch einen Schritt weiter, indem er auf den Stand von Wissenschaft und Technik abstellt. Mit der Bezugnahme auch auf den Stand der Wissenschaft übt der Gesetzgeber einen noch stärkeren Zwang dahin aus, dass die rechtliche Regelung mit der wissenschaftlichen und technischen Entwicklung Schritt hält. Es muss diejenige Vorsorge gegen Schäden getroffen werden, die nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen für erforderlich gehalten wird. Lässt sie sich technisch noch nicht verwirklichen, darf die Genehmigung nicht erteilt werden; die erforderliche Vorsorge wird mithin nicht durch das technisch gegenwärtig Machbare begrenzt (…). Diese Formel wirft freilich für die Behörden noch mehr Erkenntnisprobleme auf als die Formel vom Stand der Technik. Sie kommen bei sich widersprechenden Sachverständigengutachten in aller Regel nicht umhin, zu wissenschaftlichen Streitfragen Stellung zu nehmen.“
referierend Siegburg, Anerkannte Regeln der Bautechnik – DIN-Normen, BauR 1985, 367 ff., 372 ff.; Sparwasser/Engel/Vosskuhle, Umweltrecht, 5. Aufl., Heidelberg 2003, § 1 Rn. 189 ff. (S. 60 ff.). 7 Kritisch u. a. Stammbach (Fn. 3), S. 97 ff. 8 BVerfGE 49, 89 ff., 135 f. Hervorhebungen nicht im Original.
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a) Allgemein anerkannte Regeln der Technik aa) Verweise auf „allgemein anerkannte Regeln der Technik“ Wenn man der juristischen Datenbank juris glauben darf, enthalten Gesetze, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften etwa 800 Vorschriften, welche die Beachtung der „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ fordern. Ein paar Beispiele: Gemäß § 16 der Amateurfunkverordnung9 sind Amateurfunkstellen „nach den allgemein an erkannten Regeln der Technik einzurichten und zu unterhalten“.
Gelegentlich legt der Gesetzgeber fest, dass von den allgemein anerkannten Regeln der Technik unter bestimmten Voraussetzungen abgewichen werden darf. § 3 der Magnetschwebebahn-Bau- und Betriebsordnung (MbBO)10 bestimmt: „(1) 1Betriebsanlagen und Fahrzeuge müssen so beschaffen sein, daß sie den Anforderungen der Sicherheit und Ordnung genügen. 2Diese Anforderungen sind erfüllt, wenn die Betriebsanlagen und Fahrzeuge den Vorschriften dieser Verordnung oder, soweit diese keine entsprechenden Vorschriften enthält, den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen. 3 Weitergehende Anforderungen aus anderen Rechtsvorschriften bleiben unberührt. (2) 1Von den allgemein anerkannten Regeln der Technik darf abgewichen werden, wenn mindestens die gleiche Sicherheit wie bei Beachtung dieser Regeln nachgewiesen ist. 2Der Unternehmer hat den Nachweis mindestens gleicher Sicherheit gegenüber dem EisenbahnBundesamt zu führen.“
Häufig bestimmt der Gesetzgeber, dass die allgemein anerkannten Regeln der Technik als eingehalten gelten, wenn die Normen eines bestimmten technischen Regelwerks beachtet werden. § 49 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) in der Fassung vom 26. Juli 2016 bestimmt: „(1) 1Energieanlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass die technische Sicherheit gewährleistet ist. 2Dabei sind vorbehaltlich sonstiger Rechtsvorschriften die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten. (2) 1Die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik wird vermutet, wenn bei Anlagen zur Erzeugung, Fortleitung und Abgabe von 1. Elektrizität die technischen Regeln des Verbandes der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V., 2. Gas die technischen Regeln der Deutschen Vereinigung des Gas- und Wasserfaches e.V. eingehalten worden sind.“
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In der Fassung vom 15. Februar 2005. In der Fassung vom 23. September 1997.
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bb) Der Begriff „allgemein anerkannte Regeln der Technik“ Obwohl sich der Gesetz- und der Verordnungsgeber immer wieder des Begriffs bedient, rafft er sich nur selten dazu auf, durch eine Definition zu erläutern, was er darunter verstanden wissen will. Eine solche Legaldefinition enthält das Elektromagnetische-Verträglichkeit-Gesetz (EMVG)11. Dessen § 3 Nr. 29 definiert den Begriff „allgemein anerkannte Regeln der Technik“ mit „technischen Festlegungen für Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen, die nach der herrschenden Auffassung der beteiligten Kreise geeignet sind, die elektromagnetische Verträglichkeit zu gewährleisten, und die sich in der Praxis bewährt haben“.
Der Gesetzgeber geht hier also davon aus, dass Regeln der Technik - Festlegungen für technische Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen sind, - die dann allgemein anerkannt sind, wenn sie - nach herrschender Auffassung der beteiligten Kreise geeignet sind, das angestrebte Ziel zu erreichen, und - sich in der Praxis bewährt haben. Einer Legaldefinition nahe kommt die Begriffsbestimmung in dem vom Bundesministerium der Justiz herausgegebenen „Handbuch der Rechtsförmlichkeit“12: „Allgemein anerkannte Regeln der Technik sind schriftlich fixierte oder mündlich überlieferte technische Festlegungen für Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen, die nach herrschender Auffassung der beteiligten Kreise (Fachleute, Anwender, Verbraucherinnen und Verbraucher und öffentliche Hand) geeignet sind, das gesetzlich vorgegebene Ziel zu erreichen und die sich in der Praxis allgemein bewährt haben oder deren Bewährung nach herrschender Auffassung in überschaubarer Zeit bevorsteht.“
Diese Begriffsbestimmung weist darauf hin, dass allgemein anerkannte Regeln der Technik nicht schriftlich fixiert sein müssen, sondern auch mündlich tradiert sein können. Zweitens spezifiziert sie den Begriff der beteiligten Kreise, auf deren Meinung es ankommt: Fachleute, Anwender, Verbraucher und die öffentliche Hand. Drittens bejaht sie die Möglichkeit, dass eine Regel der Technik auch schon dann als anerkannt gelten kann, wenn die Praxisbewährung noch aussteht, aber unmittelbar bevorsteht. Ob darüber Einvernehmen besteht, scheint mir allerdings zweifelhaft zu sein.
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Vom 14. Dezember 2016 (BGBl. I S. 2879). Bundesanzeiger Nr. 160a vom 22. Oktober 2008, Rn. 241 (S. 84 f.). Abrufbar unter http://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF/Themenseiten/RechtssetzungBuerokratie abbau/HandbuchDerRechtsfoermlichkeit_deu.pdf?__blob=publicationFile. 12
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Viertens müsse die technische Regel geeignet sein, das gesetzlich vorgegebene Ziel zu erreichen. Das scheint eine nicht angemessene Begriffsverengung zu sein und erklärt sich vermutlich daraus, dass das Justizministerium verhindern will, dass untaugliche Regeln der Technik angewendet werden. Die soeben zitierten Definitionen gehen davon aus, dass es auf die Meinung der beteiligten Kreise ankommt. Diese sog. subjektive Theorie kann sich auf den Wortlaut „allgemein anerkannt“ berufen. Die Vertreter der objektiven Theorie verweisen auf die Schwierigkeiten, die „allgemeine Meinung“ festzustellen, und plädieren demgegenüber dafür, darauf abzustellen, ob sich die Technik tatsächlich bewährt hat. Dafür scheint mir einiges zu sprechen. cc) Feststellung, ob eine Regeln der Technik allgemein anerkannt ist Problematisch ist, auf welche Weise festgestellt werden kann, ob eine bestimmte Regel der Technik tatsächlich „allgemein anerkannt“ ist. Häufig ist den Behörden und Gerichten dank langjähriger Erfahrung bekannt, welche Techniken regelmäßig angewendet werden und sich in der Praxis bewährt haben. Ist im konkreten Fall umstritten (z. B. zwischen Genehmigungsbehörde und Anlagenbetreiber oder zwischen Bauherr und Bauunternehmer), ob die eingesetzte Technik sich tatsächlich bewährt hat (objektive Theorie) oder ob die beteiligten Kreise sie anerkennen (subjektive Theorie), muss die Behörde bzw. das Gericht einen Sachverständigen hinzuziehen. b) Stand der Technik aa) Verweise auf den „Stand der Technik“ Auch auf den Standard „Stand der Technik“ verweist der Gesetzgeber unzählige Male. Allein das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) bedient sich des Ausdrucks etwa ein Dutzend Mal. Dazu nur zwei Beispiele: Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass „Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen“. Nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG sind nicht genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass „nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden“.
bb) Begriff des Standards „Stand der Technik“ Zur Erläuterung dessen, was unter Stand der Technik zu verstehen ist, wird heute häufig auf die Legaldefinition des § 3 Abs. 6 BImSchG verwiesen, dem Bedeutung über die Grenzen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes hinaus zugesprochen wird.
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Die Vorschrift lautet13 : „1Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. 2Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.“
Nach dieser Legaldefinition genügen nur solche Techniken dem Stand der Technik, die fortschrittlich sind. Dahinter steht die Tatsache, dass laufend neue Techniken entwickelt werden. Eine Technik ist (nur) dann fortschrittlich, wenn sie diese neuen technischen Entwicklungen berücksichtigt. Damit wird zugleich deutlich, dass nicht jede neue Technik nur wegen ihrer Neuheit das Prädikat der Fortschrittlichkeit verdient. Fortschrittlich ist eine Technik nur dann, wenn sie nach dem jeweiligen Stand der technischen Entwicklung am besten geeignet ist, das vom Gesetzgeber vorgegebene Ziel zu erreichen. Die zitierte Vorschrift verlangt ferner, dass die praktische Eignung einer Maßnahme, die nach dieser Technik vorgenommen wird, als gesichert erscheint. Die praktische Eignung der Technik erscheint jedenfalls dann als gesichert, wenn sie in einem Betrieb praktisch erprobt worden ist14. Die Bewährung in einem Betrieb ist allerdings nicht zwingende Voraussetzung. Auch Techniken, deren praktische Eignung aufgrund anderer Umstände soweit gesichert sind, dass ihre Anwendung ohne unzumutbares Risiko möglich erscheint, entsprechen dem Stand der Technik. Vorausgesetzt wird in dieser Hinsicht lediglich, dass es sich um Techniken handelt, die bereits entwickelt sind. Dagegen genügt es nicht, dass die Wissenschaft Lösungen für bestimmte Techniken erforscht hat. Unter dem Aspekt der praktischen Eignung sind auch im Ausland gewonnene Erfahrungen zu berücksichtigen15. § 3 Abs. 6 BImSchG verlangt nicht nur, dass sich die Technik in technischer Hinsicht zur Zielerreichung eignet. Erforderlich ist auch ihre Eignung in wirtschaftlicher Hinsicht. Dies folgt aus dem Einleitungssatz des Anhangs zu § 3 Abs. 6 BImSchG, wonach der Stand der Technik „unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit zwischen Aufwand und Nutzen“ zu bestimmen ist. Der Anlagenbetreiber ist daher nicht verpflichtet, solche Maßnahmen zu ergreifen, deren Kosten außer Verhältnis zu dem Nutzen für die Umwelt stehen. Maßgebend für diese Abwägung sind nicht die Verhältnisse des konkreten Betriebes, sondern diejenigen eines „Betriebes dieser Art“. 13 Mit ihr stimmen die Legaldefinitionen in § 3 Abs. 28 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) und § 3 Abs. 11 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) weitgehend wörtlich überein. 14 BVerwG, Beschluss vom 4. August 1992, Buchholz 406.25 § 3 BImSchG Nr. 9. Ebenso Engel/Sparwasser/Vosskuhle (Fn. 6), § 1 Rn. 191, 192. 15 BVerwG, Beschluss vom 4. August 1992 (Fn. 14); OVG Berlin, Urteil vom 17. Juli 1978, DVBl. 1979, 159 ff. mit Anm. Papier.
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So wird beispielsweise einem Kleinbetrieb nicht abverlangt werden können, was einem Großbetrieb ohne weiteres zugemutet werden kann. Auf die Anerkennung der Technik durch die beteiligten Kreise kommt es – anders als bei den allgemein anerkannten Regeln der Technik – hier nicht an. cc) Feststellung des Vorliegens der Anforderungen an den Stand der Technik Die Entscheidung darüber, ob eine bestimmte Technik dem Stand der Technik entspricht, obliegt den zuständigen Behörden und Gerichten, die allerdings auf die Hilfe von Sachverständigen oft nicht werden verzichten können. Sie haben aufgrund eigener Ermittlungen und Sachkenntnis darüber zu befinden, ob die angewendete Technik die fortschrittlichste zurzeit bekannte und in der Praxis erprobte Technik ist. c) Stand von Wissenschaft und Technik aa) Verweise auf den „Stand von Wissenschaft und Technik“ Auf den Standard Stand von Wissenschaft und Technik verweist der Gesetzgeber sehr viel seltener. Dies geschieht dann, wenn erhebliche Risiken drohen, wie etwa im Arzneimittel-, Atom- und Gentechnikrecht: Nach § 14 Abs. 1 Nr. 6a Arzneimittelgesetz16 darf die Erlaubnis zur Herstellung eines Arzneimittels versagt werden, wenn „der Hersteller nicht in der Lage ist zu gewährleisten, dass die Herstellung oder Prüfung der Arzneimittel nach dem Stand von Wissenschaft und Technik … vorgenommen wird“. Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 Atomgesetz darf die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer ortsfesten Anlage zur Erzeugung oder zur Bearbeitung oder Verarbeitung oder zur Spaltung von Kernbrennstoffen oder zur Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe nur dann erteilt werden, wenn „die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage getroffen ist“. § 8 Abs. 2 Satz 1 der Gentechnik-Sicherheitsverordnung17 verpflichtet den Betreiber einer gentechnischen Anlage „zum Schutz der in § 1 Nr. 1 des Gentechnikgesetzes genannten Rechtsgüter die erforderlichen Maßnahmen nach den Vorschriften dieser Verordnung einschließlich ihrer Anhänge sowie die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Vorsorgemaßnahmen zu treffen, um eine Exposition der Beschäftigten und der Umwelt gegenüber dem gentechnisch veränderten Organismus so gering wie möglich zu halten“.
16 Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz – AMG) in der Fassung vom 21. 11. 2016. 17 In der Fassung vom 16. 12. 1993 (BGBl I S. 2066).
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bb) Der Begriff Stand von Wissenschaft und Technik Dieser Begriff bereitet mir die größten Schwierigkeiten. Legaldefinitionen sind mir nicht bekannt. Das Handbuch der Rechtsförmlichkeit18 vertritt die Ansicht, Stand von Wissenschaft und Technik sei „der Entwicklungsstand fortschrittlichster Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen, die nach Auffassung führender Fachleute aus Wissenschaft und Technik auf der Grundlage neuester wissenschaftlich vertretbarer Erkenntnisse im Hinblick auf das gesetzlich vorgegebene Ziel für erforderlich gehalten werden und das Erreichen dieses Ziels gesichert erscheinen lassen“.
Wie bereits erwähnt, führt das BVerfG in seinem Kalkar-Beschluss19 zur Genehmigung eines Atomkraftwerks aus, mit der Bezugnahme auch auf den Stand der Wissenschaft übe der Gesetzgeber einen noch stärkeren Zwang dahin aus, dass die rechtliche Regelung mit der wissenschaftlichen und technischen Entwicklung Schritt hält. Es müsse diejenige Vorsorge gegen Schäden getroffen werden, die nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen für erforderlich gehalten wird. Lasse sie sich technisch noch nicht verwirklichen, dürfe die Genehmigung nicht erteilt werden; die erforderliche Vorsorge werde mithin nicht durch das technisch gegenwärtig Machbare begrenzt. Nicht die technische Machbarkeit oder Lösbarkeit von Problemen, sondern deren wissenschaftlicher Erkenntnisstand ist hier der Maßstab. Nicht der Techniker, sondern der Wissenschaftler stellt die gebotenen Sicherheitspostulate auf20. Der Standard „Stand von Wissenschaft und Technik“ verweist auf Aussagen der Wissenschaftler über die an den Betrieb der Anlage zu stellenden Sicherheitsanforderungen. Welche Sicherheitsanforderungen stellen die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse? Aufgabe der Wissenschaft ist es, Schadensmöglichkeiten und die hieraus resultierenden Sicherheitsbedürfnisse zu erkennen, um anschließend diese in konkrete Anforderungen an die Sicherheit der Anlage umzusetzen. Die Wissenschaft hat also die gebotenen Sicherheitspostulate aufzustellen, während der technische Fortschritt über deren Erfüllbarkeit durch geeignete Mittel entscheidet. Die konstruktive Entwicklung dieser Mittel ist Aufgabe der Technik, die vorbereitende Grundlegung, die Analyse und die Kontrolle der Mittel obliegt dagegen wiederum der Wissenschaft21. Der Wissenschaft und Technik obliegt es festzustellen, welche Risiken mit welcher Eintrittswahrscheinlichkeit bestehen und mit welchen technischen Mitteln verhindert werden kann, dass diese Risiken zu einem Schaden führen. Von den zuständigen politischen Instanzen (Parlament, Regierung, Behörden) ist hingegen darüber 18
A.a.O. Fn. 12. A.a.O Fn. 8. 20 Battis/Gusy, Technische Normen im Baurecht, Düsseldorf 1988, S. 152. 21 Rittstieg, Die Konkretisierung technischer Standards im Anlagenrecht, Köln/Berlin/ Bonn/München 1982, S. 34. 19
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zu entscheiden, welche Risiken in Kauf genommen werden sollen und welche nicht22. d) Zusammenfassender Vergleich der drei Standards Gemeinsam ist allen drei Standards, dass sie Normen sind, die nicht von irgendeiner staatlichen oder nichtstaatlichen Stelle (Parlament, Behörde, Verein usw.) erlassen werden, Sondern sie verdanken ihre Existenz der Praxis (Handwerk, Industrie) oder den Natur- und Ingenieurwissenschaften. Die allgemein anerkannten Regeln der Technik entwickeln sich in der handwerklichen und industriellen Praxis und verdanken ihre Verbindlichkeit - der Anerkennung durch die „beteiligten Kreise“ (subjektive Theorie) oder - ihrer nachgewiesenen Bewährung in der Praxis (objektive Theorie). Sie weisen – folgt man der subjektiven Theorie – eine gewisse Ähnlichkeit mit Sätzen des Gewohnheitsrechts auf. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es gleichzeitig mehrere allgemein anerkannte Regeln der Technik gibt. Eine allgemein anerkannte Regel der Technik darf auch dann weiterhin eingesetzt werden, wenn eine fortschrittlichere Technik entwickelt worden ist, sofern nicht die Einhaltung des Standes der Technik verlangt wird. Dem Stand der Technik genügt eine Technik nur dann, wenn es nach dem jeweiligen Stand der technischen Entwicklung keine andere Technik gibt, die besser geeignet wäre, das vorgegebene Ziel (z. B. Minimierung des Lärms oder der Luftverschmutzung) zu erreichen. Dass sie von den „beteiligten Kreisen“ (schon) allgemein anerkannt ist, ist nicht nötig. Erforderlich ist jedoch, dass sie praktisch erprobt ist. Den Stand von Wissenschaft und Technik definieren die Natur- und Ingenieurwissenschaften. Sie legen fest, welche Anforderungen eine Technik erfüllen muss, um das gesetzlich vorgegebene Ziel zu erreichen, ohne nicht mehr vertretbare Risiken zuzulassen. Hier steht also – anders als bei den beiden anderen Standards – nicht eine bereits existierende Technik auf dem Prüfstand, sondern die Wissenschaft zeigt auf, welche Technik eingesetzt oder entwickelt werden muss, um das gesetzlich vorgegebene Ziel ohne unvertretbare Risiken erreichen zu können. e) Beste verfügbare Technik (BVT) In Konkurrenz zum Stand der Technik ist seit zwei Jahrzehnten in stetig zunehmendem Maße der Standard „Beste verfügbare Technik“ (BVT) getreten. Er ist eine Erfindung der Europäischen Union (EU).
22
Ähnlich Rittstieg (Fn. 21), S. 34.
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Eingeführt wurde dieser Standard im Jahre 1996 durch die erste IVU-Richtlinie23. Diese wurde abgelöst durch die heute geltende Industrieemissions-Richtlinie24. Nach deren Art. 3 Nr. 10 bezeichnet der Ausdruck „beste verfügbare Technik“ „den effizientesten und fortschrittlichsten Entwicklungsstand der Tätigkeiten und entsprechenden Betriebsmethoden, der bestimmte Techniken als praktisch geeignet erscheinen lässt, als Grundlage für die Emissionsgrenzwerte und sonstige Genehmigungsauflagen zu dienen, um Emissionen in und Auswirkungen auf die gesamte Umwelt zu vermeiden oder, wenn dies nicht möglich ist, zu vermindern“.
Die in dieser Definition enthaltenen Schlüsselbegriffe werden dann wie folgt erläutert: a) „Techniken“: sowohl die angewandte Technologie als auch die Art und Weise, wie die Anlage geplant, gebaut, gewartet, betrieben und stillgelegt wird; b) „verfügbare Techniken“: die Techniken, die in einem Maßstab entwickelt sind, der unter Berücksichtigung des Kosten-/Nutzen-Verhältnisses die Anwendung unter in dem betreffenden industriellen Sektor wirtschaftlich und technisch vertretbaren Verhältnissen ermöglicht, gleich, ob diese Techniken innerhalb des betreffenden Mitgliedstaats verwendet oder hergestellt werden, sofern sie zu vertretbaren Bedingungen für den Betreiber zugänglich sind; c) „beste“: die Techniken, die am wirksamsten zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt sind“.
Der Anhang III der Industrieemissionsrichtlinie25 enthält einen Katalog von „Kriterien für die Ermittlung der besten verfügbaren Techniken“. Welches die Besten verfügbaren Techniken (BVTen) sind, legt die EU-Kommission in BVT-Merkblättern und BVT-Schlussfolgerungen nieder. Diese werden im sog. Sevilla-Prozess erarbeitet, den die EU eingerichtet hat. In ihm wirken mehrere Akteure zusammen: die EU-Kommission, das Europäische IPPC-Büro, die Technischen Arbeitsgruppen (TWGs), das Forum für den Informationsaustausch (Art. 13-Forum) und der Art. 75-Ausschuss26.
23 Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (ABl. EU Nr. L 257 S. 26). 24 Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (Neufassung vom 24. November 2010 (ABl. EU Nr. L 334 S. 17; abgedruckt bei Ule/Laubinger/Repkewitz, Bundes-Immissionsschutzgesetz – Kommentar/Rechtsvorschriften/Rechtsprechung, Köln, Loseblatt – Stand: 217. Aktualisierungslieferung/Oktober 2017, Ordner 6 unter RvB E 75). 25 Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 24), RvB E 75 S. 79. 26 Eingehend dazu Laubinger/Repkewitz, BVT-Merkblätter und BVT-Schlussfolgerungen – Eine Einführung, in: Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 24), Ordner 7 unter RvB F 0.
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Das Europäische IPPC-Büro27 wurde 1997 ins Leben gerufen und hat seinen Sitz in der spanischen Stadt Sevilla. Davon ist die Bezeichnung „Sevilla-Prozess“ abgeleitet. Die Hauptarbeit wird von Technischen Arbeitsgruppen (Technical Working Groups, TWGs) geleistet, die jeweils für die Erarbeitung eines Merkblatts eingesetzt werden. In ihnen wirken Vertreter der EU-Mitgliedstaaten, der betroffenen Industrieverbände, interessierter nichtstaatlicher Organisationen (Non Government Organisations, NGOs), die sich für den Schutz der Umwelt einsetzen, sowie Wissenschaftler und Bedienstete des Europäischen IPPC-Büros zusammen. Den Technischen Arbeitsgruppen gehören in der Regel 40 bis 100 Fachleute28 an. Wenn der Sevilla-Prozess abgeschlossen ist, wird die englischsprachige Fassung des BVT-Merkblatts durch Veröffentlichung auf ihrer Homepage bekanntgemacht. Die Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, übersetzen auf eigene Initiative und Kosten die wichtigsten Teile der Merkblätter in ihre jeweilige Sprache. Die BVT-Schlussfolgerungen gehen aus den BVT-Merkblättern hervor, die jeweils am Ende ein Kapitel „Schlussfolgerungen zu den besten verfügbaren Techniken (BVT)“ enthalten. Man muss also die in den Merkblättern enthaltenen Schlussfolgerungen und die auf ihrer Grundlage per Durchführungsbeschluss erlassenen BVTSchlussfolgerungen unterscheiden. Die BVT-Schlussfolgerungen werden von der EU-Kommission per Durchführungsbeschluss erlassen, der im Amtsblatt L (Legislation) der EU veröffentlicht wird, und zwar in sämtlichen Amtssprachen29. Die rechtliche Bedeutung der BVT-Merkblätter ist relativ gering. Sie sind weder Rechts- noch Verwaltungsvorschriften. Rechtliche Bedeutung erlangen sie nur dadurch, dass Rechts- oder Verwaltungsvorschriften auf sie verweisen. Das tut Nr. 13 der Anlage zu § 3 Abs. 6 BImSchG. Danach sind bei der Bestimmung des Standes der Technik auch die Informationen zu berücksichtigen, die in BVT-Merkblättern erhalten sind. Eine wesentlich größere rechtliche Relevanz haben die BVT-Schlussfolgerungen; denn sie sind Bestandteile von Durchführungsbeschlüssen der EU-Kommission, also tertiäre Rechtsakte. Dies gilt freilich nur für die sog. Industrieemissionsanlagen – kurz: IE-Anlagen. Das sind diejenigen Anlagen, die in der Anlage 1 zur 4. Bundes-Immissionsschutzverordnung als solche gekennzeichnet sind. Dabei handelt es sich um solche Anlagen, deren Emissionen die Umwelt in besonders hohem Maße belasten.
27
European Integrated Pollution Prevention and Control Bureau; European IPPC Bureau, EIPPCB). 28 http://eippcb.jrc.ec.europa.eu/about/who_is_who.html. 29 Die deutsche Fassung der Schlussfolgerungen ist in Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 24), Ordner 7 unter RvB F 1 ff. abgedruckt.
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Was unter BVT-Schlussfolgerungen zu verstehen ist, definiert für das deutsche Recht § 3 Abs. 6b BImSchG, nämlich „ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält: 1. die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit, 2. die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte30, 3. die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen, 4. die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie 5. die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen“.
Die BVT-Schlussfolgerungen enthalten eine unterschiedliche große Anzahl von Besten Verfügbaren Techniken. Sie sind durchnummeriert und beginnen stets mit den Worten „Die BVT besteht darin, …“. Zur Veranschaulichung ein paar Beispiele aus den BVT-Schlussfolgerungen für die Eisen- und Stahlerzeugung31: BVT 27: „Die BVT besteht darin, den Wasserverbrauch der Sinteranlagen durch die weitestmögliche Wiederverwendung von Kühlwasser zu minimieren, außer bei Verwendung von Durchlaufkühlsystemen.“ BVT 69: „Die BVT für die Minimierung der Emissionen aus der Schlackenbehandlung besteht darin, eine Schwadenkondensation durchzuführen, wenn eine Geruchsminderung erforderlich ist.“ BVT 72: „Die BVT besteht darin, das erfasste Hochofengas als Brennstoff zu nutzen.“
Hinzugefügt sind häufig Erläuterungen zu den Einzelheiten der betreffenden Technik oder zu deren Anwendbarkeitsvoraussetzungen. Nicht selten werden mehrere gleichwertige Techniken zur Wahl gestellt. Die EU-Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die BVT-Schlussfolgerungen umzusetzen. In Deutschland geschieht das ganz überwiegend durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften: § 7 Abs. 1a und § 48 Abs. 1a BImSchG verpflichten die Bundesregierung dazu, nach jeder Veröffentlichung einer BVT-Schlussfolgerung durch den Erlass entsprechender Rechts- oder Verwaltungsvorschriften unverzüglich zu gewährleisten, dass für IE-Anlagen bei der Festlegung von Emissionsgrenzwerten die Emissionen unter normalen Betriebsbedingungen die in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten nicht überschreiten. Für den – sehr seltenen – Fall, dass die von einer IE-Anlage ausgehenden Emissionen weder durch eine Rechtsverordnung noch durch eine Verwaltungsvorschrift geregelt sind, bestimmt § 12 Abs. 1a BImSchG, dass bei der Erteilung der Genehmi30 31
Was darunter zu verstehen ist, legt § 3 Abs. 6d BImSchG fest. Abgedruckt in Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 24), RvB F 1.
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gung in dieser festzulegen ist, „dass die Emissionen unter normalen Betriebsbedingungen die in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten nicht überschreiten“.
II. Technische Regelwerke Die technischen Regelwerke enthalten abstrakt-generelle Regelungen, die menschliches Verhalten im Bereich der Technik steuern sollen. 1. Schöpfer technischer Regelwerke Die technischen Regelwerke verdanken ihre Existenz unterschiedlichen Stellen und kommen in unterschiedlichen Verfahren zustande. Nach ihren Schöpfern kann man staatliche und private technische Regelwerke unterscheiden, wobei die Übergänge fließend sind. a) Staatliche technische Regelwerke Die staatlichen technischen Regelwerke werden von staatlichen Behörden in Gestalt von Rechtsverordnungen oder Verwaltungsvorschriften erlassen32. Prominenteste Beispiele sind die inzwischen mehr als 40 Bundes-Immissionsschutzverordnungen33, die aufgrund von § 7 BImSchG (für genehmigungsbedürftige Anlagen) und aufgrund von § 23 BImSchG (für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen) erlassen worden sind, sowie die Technischen Anleitungen TA Lärm34 und TA Luft35. Diese wurden von der Bundesregierung aufgrund von § 48 BImSchG nach Anhörung der „beteiligten Kreise“ (§ 51 BImSchG) mit Zustimmung des Bundesrates erlassen. Ebenso wie die Bundes-Immissionsschutzverordnungen konkretisieren die Technischen Anleitungen die Anforderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes in Bezug auf Geräusche bzw. Luftverunreinigungen, die von Anlagen im Sinne des 32
Kloepfer, Instrumente des Technikrechts, in: Schulte/Schröder (Hrsg.), Handbuch des Technikrechts, 2. Aufl., Berlin/Heidelberg 2011, S. 151 ff., insbes. S. 178 ff. (Technische Regelsetzung), S. 182 f. (Exekutive Standardsetzung). 33 Sämtlich abgedruckt bei Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 24), Ordner 3 und 4 unter RvB A 1, A2 usw. 34 Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm) vom 26. August 1998 (GMBl. S. 503). Abgedruckt bei Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 24), RvB B 6. 35 Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA Luft) vom 24. Juli 2002 (GMBl. S. 511). Abgedruckt bei Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 24), RvB B 1 (2002).
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§ 3 Abs. 5 BImSchG verursacht werden. Nach heute ganz herrschender (m. E. unzutreffender) Ansicht sind diese beiden Technischen Anleitungen normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften, die nicht nur die Verwaltungsbehörden, sondern auch die Verwaltungsgerichte binden. Dazu wird – vermute ich – Herr Kollege Ruthig Näheres ausführen. b) Private technische Regelwerke Die privaten technischen Regelwerke werden dagegen von privaten Institutionen erarbeitet und publiziert. Sie sind daher rein privatrechtlicher Natur, sofern sie nicht von staatlichen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften inkorporiert werden und dadurch deren Rang und Verbindlichkeit erhalten. 2. Die Schöpfer privater technischer Regelwerke Die praktisch bedeutsamsten Ersteller technischer Regelwerke sollen kurz vorgestellt werden36. a) Das Deutsche Institut für Normung (DIN) Das DIN ist ein 1917 gegründeter eingetragener Verein, dessen Mitglieder juristische Personen sind. Die Mitgliederversammlung wählt das Präsidium, das aus Vertretern aller beteiligten interessierten Kreise (sämtliche Wirtschaftssektoren, die Verbraucher, die Wissenschaft und der Staat) besteht. Die fachliche Arbeit der Normung wird in Arbeitsausschüssen oder Komitees durchgeführt. Diese Gremien vertreten ihre Aufgabengebiete auch in den regionalen und internationalen Normungsorganisationen. Im Regelfall sind mehrere Arbeitsausschüsse zu einem Normenausschuss zusammengefasst. Die angestellten Mitarbeiter des DIN sollen dafür sorgen, dass die Grundprinzipien des DIN eingehalten werden, d. h., dass zum Beispiel kein interessierter Kreis unberücksichtigt bleibt. Sie organisieren die Arbeit in den Gremien, stellen das Arbeitsprogramm und den Haushaltsplan der Normenausschüsse auf und stimmen beides mit dem Lenkungsgremium ab, das aus Vertretern der interessierten Kreise besteht. Das DIN stellt die elektronische Infrastruktur für die Normenentwicklung zur Verfügung. Das DIN finanziert sich durch Beiträge der öffentlichen Hand und der Wirtschaft, nämlich Mitglieds- und Förderbeiträge, sowie eigene wirtschaftliche Aktivitäten. Den größten Anteil, ca. 68 % am Gesamthaushalt, erwirtschaftet das DIN mit seinen Tochtergesellschaften. Hierzu zählen die Erlöse aus dem Verkauf der Normen und 36 Die folgenden Angaben habe ich den Internetauftritten der vorgestellten Institutionen entnommen.
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Norm-Entwürfe, weitere Verlagsaktivitäten, Einnahmen aus Dienstleistungen sowie Beteiligungserträge. b) Das Europäische Komitee für Normung (CEN) Das CEN erarbeitet europäische Normen (EN) in allen technischen Bereichen außer der Elektrotechnik und der Telekommunikation. CEN37 wurde 1961 von den nationalen Normungsgremien der Mitgliedstaaten der damaligen EWG und EFTA gegründet. Es hat seinen Sitz in Brüssel (Belgien). Die CEN-Mitglieder38 arbeiten zusammen, um europäische Normen in verschiedenen Industrie- und Dienstleistungsbereichen zu entwickeln. Mehr als 60.000 Experten und Industrieverbände, Konsumenten und andere gesellschaftliche Interessengruppen sind an der Arbeit in CEN beteiligt. CEN ist die offiziell anerkannte Normungsorganisation für alle Bereiche außer Elektrotechnik und Telekommunikation. Für diese Bereiche sind zwei andere Institutionen zuständig, nämlich - das Europäische Komitee für elektrotechnische Normung (CENELEC) bzw. - das Europäische Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI). CEN will den freien Handel, die Produktsicherheit, den Arbeits- und Konsumentenschutz, den Umweltschutz und die Nutzung von Forschungsergebnissen unterstützen. Die DIN-EN-Normen sind europäische Normen, die auf europäischer Ebene über das CEN erarbeitet und in die nationalen Normungsorganisationen, z. B. DIN, eingebracht sowie in nationale Normen übernommen werden. c) Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) Der VDI wurde 1856 gegründet. Anfang 2015 hatte er 154.000 Mitglieder, darunter neben Ingenieuren verschiedener Fachrichtungen zunehmend auch Naturwissenschaftler und Informatiker. Der Verein hat ein technisches Regelwerk aufgebaut, das 2012 mit 2.000 gültigen (und ca. 750 zurückgezogenen) VDI-Richtlinien das Feld der Technik weitgehend
37
Comité Européen de Normalisation. CEN-Mitglieder sind die Normungsorganisationen folgender Länder: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Island, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Mazedonien, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Türkei, Ungarn, Zypern. Affiliierte Mitglieder sind Ägypten, Albanien, Armenien, Aserbaidschan, Bosnien und Herzegowina, Georgien, Israel, Jordanien, Libanon, Libyen, Marokko, Moldawien, Montenegro, Serbien, Tunesien, Ukraine, Weißrussland. 38
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abdeckt. Die fachliche Richtlinienarbeit wird von ehrenamtlich für den VDI tätigen Experten geleistet. d) Der Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik e.V. (VDE) Der VDE wurde 1893 gegründet. Ihm gehören 36.000 Mitglieder (davon 1.300 Unternehmen) und 1.200 Mitarbeiter an (Stand 2015). Der VDE vereint Wissenschaft, Normung und Produktprüfung unter einem Dach. Die Themenschwerpunkte des Verbandes reichen von der Energiewende über Industrie 4.0, Smart Traffic und Smart Living bis hin zur IT-Sicherheit. Der VDE setzt sich insbesondere für die Forschungs- und Nachwuchsförderung sowie den Verbraucherschutz ein. Derzeit stellt er mehr als 3.500 gültige Normen und Entwürfe zur Verfügung. e) Der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. – Technisch-wissenschaftlicher Verein (DVGW) Der DVGW wurde 1859 gegründet und hatte im Oktober 2013 13.541 Mitglieder, darunter 1.903 Versorgungsunternehmen, 1.386 Firmen, 252 Behörden, Institutionen, Organisationen und 10.000 persönliche Mitglieder. Seine Hauptaufgabe besteht in der Erstellung technischer Regelwerke, welche die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Gas- und Wasserversorgung gewährleisten soll. Das DVGW-Regelwerk umfasste am 31. Dezember 2011 476 Regeln. Diese werden von Fachleuten des interessierten Kreises in ehrenamtlicher Zusammenarbeit erstellt. Neben der Erarbeitung des (nationalen) DVGW-Regelwerks arbeitet der DVGW an der Erstellung von DIN-, EN- und ISO-Standards mit. 3. Rechtsnatur und Verbindlichkeit der privaten technischen Regelwerke In Rechtsprechung und Schrifttum besteht Einigkeit darüber, dass die privaten technischen Regelwerke keine Rechtsvorschriften sind. Aus sich heraus binden sie weder den Einzelnen noch die Behörden oder Gerichte. Sie können jedoch auf unterschiedlichen Wegen Verbindlichkeit erlangen – sei es inter partes, sei es inter omnes. Dies kann zum einen dadurch geschehen, dass Bauherr und Bauunternehmer vertraglich vereinbaren, dass der Unternehmer die Anforderungen eines bestimmten Regelwerks, z. B. einer DIN-Norm, zu erfüllen hat. Tut der Bauunternehmer das nicht, begeht er eine Vertragsverletzung, sodass er u. U. Schadensersatz leisten muss. Aber auch mangels einer solchen Vereinbarung, kann der Bauunternehmer schadenersatzpflichtig sein, wenn er ein privates technisches Regelwerk missachtet. Dass ist dann der Fall, wenn das Regelwerk eine allgemein anerkannte Regel der Technik
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verkörpert, weil sie sich in der Praxis durchgesetzt hat. Dies ist zwar nicht immer, aber häufig der Fall. Bauunternehmer sind verpflichtet, die allgemein anerkannten Regeln der Technik einzuhalten, auch wenn dies nicht explizit vereinbart worden ist. Tun sie das nicht, begehen sie eine Vertragsverletzung. Der dritte Weg, auf dem private technische Regelwerke Verbindlichkeit erlangen können, besteht darin, dass Rechts- oder Verwaltungsvorschriften auf ein bestimmtes technisches Regelwerk verweisen. Beispiele dafür bietet das Immissionsschutzrecht in großer Zahl: Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3a der 1. BImSchV39 dürfen in Feuerungsanlagen im Sinne des § 1 der Verordnung nur bestimmte Brennstoffe eingesetzt werden, darunter - „Grill-Holzkohle, Grill-Holzkohlebriketts nach DIN EN 1860, Ausgabe September 2005“ Nr. 3a), - „Presslinge aus naturbelassenem Holz in Form von Holzbriketts nach DIN 5131, Ausgabe Oktober 1996, oder in Form von Holzpellets nach den brennstofftechnischen Anforderungen des DINplus-Zertifizierungsprogramms ’Holzpellets zur Verwendung in Kleinfeuerstätten nach DIN 51731.HP 5’, Ausgabe August 2007, …“ (Nr. 5a), - „Heizöl leicht (Heilöl EL9 nach DIN 51603 – 1, Ausgabe August 2008, …“ (Nr. 9).
Infolge einer solchen Verweisung des Gesetz- oder Verordnungsgebers auf ein bestimmtes Regelwerk erlangt dieses den Rang der verweisenden Norm40. Anders als staatliche Rechtsvorschriften werden die privaten technischen Regelwerke nicht in amtlichen Verkündungsblättern publiziert. Stattdessen werden sie von den Erstellern in bestimmten Verlagen veröffentlicht, bei denen die Nutzer (Behörden, Architekten, Bau- und andere Unternehmen) sie in elektronischer oder gedruckter Form gegen ein nicht geringes Entgelt kaufen können. Darauf wird in den Rechtsvorschriften, die auf private technische Regelwerke verweisen, hingewiesen. So bestimmt § 23 der 1. BImSchV41 unter der Überschrift „Zugänglichkeit der Normen“: „1DIN-, DIN EN-Normen sowie die VDI-Richtlinien, auf die in dieser Verordnung verwiesen wird, sind bei der Beuth Verlag GmbH, Berlin, erschienen. 2Das in § 3 Absatz 1 Nummer 5a genannte Zertifizierungsprogramm für Holzpellets kann bei DIN CERTCO, Gesellschaft für Konformitätsbewertung mbH, Alboinstraße 56, 12103 Berlin, bezogen werden. 3 Die DIN-, DIN EN-Normen, die VDI-Richtlinien sowie das Zertifizierungsprogramm für Holzpellets sind beim Deutschen Patent- und Markenamt in München archivmäßig gesichert niedergelegt.“
39 Erste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen – 1. BImSchV) vom 26. Januar 2010 (BGBl. I S. 38), seither mehrfach geändert. In der geltenden Fassung abgedruckt bei Ule/Laubinger/ Repkewitz (Fn. 24), Ordner 3 unter RvB A 1. 40 Kloepfer (Fn. 32), S. 192. 41 A.a.O Fn. 39.
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Durch die archivmäßig gesicherte Niederlegung der Regelwerke bei dem Deutschen Patent- und Markenamt42 wird sichergestellt, dass stets überprüft werden kann, ob die Regelwerke nachträglich verändert worden sind. In Deutschland können die DIN-Normen und VDI-Richtlinien in sog. „Auslegestellen“, die über das Bundesgebiet verstreut sind, unentgeltlich eingesehen werden. Sie befinden sich überwiegend bei Technischen Hochschulen und Technischen Fachhochschulen. In ganz Rheinland-Pfalz gibt es davon gerade einmal zwei: eine in Kaiserslautern und eine in Koblenz43. Trotz dieser (sehr beschränkten) Möglichkeit kostenloser Einsichtnahme bleibt der Umstand, dass die ungemein wichtigen privaten Regelwerke gegen ziemlich viel Geld käuflich erworben werden müssen, ein rechtsstaatliches Ärgernis, das leider von den Gerichten billigend in Kauf genommen wird. 4. Technische Regelwerke der Bund/Länderarbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) Große praktische Bedeutung für das Recht des Immissionsschutzes im Allgemeinen und die Interpretation des Bundes-Immissionsschutzgesetzes im Besonderen haben die zahlreichen Regelwerke, die von der Bund-/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) erarbeitet werden. Sie wurde im Jahre 1964 unter dem Namen „Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz“44 von der Arbeitsministerkonferenz ins Leben gerufen. Heute agiert sie als ein Beratungsgremium der Umweltministerkonferenz (UMK). Mitglieder der LAI sind die Abteilungsleiter der für den Immissionsschutz zuständigen obersten Behörden der Länder und des Bundes, also (Bundes- und Landes-)Beamte. Die LAI hat vier Fachausschüsse45 eingerichtet, welche die Beschlüsse der LAI vorbereiten. Diese legt die LAI der Umweltministerkonferenz46 vor. Ist die UMK mit der Vorlage einverstanden, nimmt sie sie „zustimmend zur Kenntnis“, „empfiehlt sie zur Anwendung“ und „stimmt einer Veröffentlichung durch die LAI zu“ (so die
42 Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA), bis 1998 Deutsches Patentamt, ist eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz mit Hauptsitz in München und Außenstellen in Jena und Berlin. 43 https://www.beuth.de/de/regelwerke/auslegestellen. 44 Daher stammt die Abkürzung LAI, die auch nach der Umbenennung beibehalten wurde. 45 Ausschuss Anlagenbezogener Immissionsschutz/Störfallvorsorge (AISV); Ausschuss Luftqualität/Wirkungsfragen/Verkehr (LWV); Ausschuss Physikalische Einwirkungen; Ausschuss Rechtsfragen, Umsetzung und Vollzug. 46 Die UMK setzt sich aus den für den Umweltschutz zuständigen obersten Behörden des Bundes und der Länder zusammen.
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Hans-Werner Laubinger
übliche Formel). Die Veröffentlichung geschieht auf der Homepage der LAI, also nicht in einem Amtsblatt47. Weder die UMK noch die LAI sind Behörden. Sie können weder Rechtsverordnungen noch Verwaltungsvorschriften erlassen, sondern nur Empfehlungen beschließen. Diese haben unterschiedliche Bezeichnungen, z. B. „Richtlinie“, „Musterverwaltungsvorschrift“ oder „Hinweise“. Ein Rangunterschied drückt sich in der unterschiedlichen Benennung nicht aus. Die Empfehlungen sind weder für die Behörden noch für die Bürger verbindlich. Gleichwohl genießen die Regelwerke der LAI großes Ansehen in der Öffentlichkeit, in der Verwaltung und bei den Gerichten, und zwar wegen der großen fachlichen Kompetenz der LAI und der Überzeugungskraft ihrer Empfehlungen. Einige der Empfehlungen sind von einzelnen Bundesländern als Verwaltungsvorschriften übernommen worden. Besonders große Bedeutung erlangt haben folgende Regelwerke der LAI. Die „Musterverwaltungsvorschrift zur Ermittlung, Beurteilung und Verminderung von Geräuschimmissionen“48 enthielt als Anhang B die (erste) FreizeitlärmRichtlinie, die von Hunderten gerichtlicher Entscheidungen bei der Entscheidung darüber hinzugezogen worden ist, ob die von einer Freizeitanlage49 verursachten Geräusche der Nachbarschaft (noch) zuzumuten sind. Auf dieses Regelwerk verweisen oder stützen sich die Freizeitlärm-Richtlinien mehrerer Bundesländer50. Die LAIFreizeitlärm-Richtlinie von 1995 ist abgelöst worden durch die Freizeitlärmrichtlinie der LAI vom 6. März 201551. Die Leitlinie zur Messung, Beurteilung und Verminderung von Erschütterungsimmissionen (Erschütterungs-Leitlinie) vom 10. bis 12. Mai 200052 wird von den Behörden und Gerichten häufig herangezogen, wenn darüber zu entscheiden ist, ob die von einer Anlage ausgehenden Erschütterungen, die durch Bodenwellen übertragen werden, für die Nachbarschaft zu dulden oder zu untersagen sind.
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Die meisten Regelwerke der LAI sind abgedruckt in: Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 24), Ordner 10. 48 Beschlossen in der Sitzung vom 2. bis 4. Mai 1995. Abgedruckt in: Ule/Laubinger/ Repkewitz (Fn. 24), RvB LAI 16. 49 Freizeitanlagen sind Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, von Personen zur Gestaltung ihrer Freizeit genutzt zu werden, z. B. Spielhallen, Rummelplätze, Freilichtbühnen, Abenteuer-Spielplätze, Badeplätze oder Zirkusse (Nr. 1 LAI-Freizeitlärmrichtlinie 2016). 50 Leitlinie des (brandenburgischen) Ministers für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung zur Ermittlung, Beurteilung und Verminderung von Geräuschimmissionen vom 12. August 1996 (Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 24), RvL Brbg 27), Richtlinie zur Beurteilung der von Freizeitanlagen verursachten Geräusche (Freizeitlärm-Richtlinie) in Mecklenburg-Vorpommern vom 3. Juli 1998 (Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 24), RvL Me-Vo 33). 51 Abgedruckt in: Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 24), RvB LAI 82. 52 Abgedruckt in: Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 24), RvB LAI 37. Ähnlich die Erschütterungs-Leitlinie des Landes Brandenburg vom 17. Mai 2005 (Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 24), RvL Brbg 51).
„Regeln der Technik“ und „Technische Regelwerke“
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Ebenfalls oft angewendet werden die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) i. d. F. vom 29. Februar 200853 und die „Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen“ vom 8. Oktober 201254. Bei der Heranziehung dieser (und weiterer) Regelwerke der LAI betonen die Gerichte, dass sie keine Rechtsvorschriften sind und die Behörden und Gerichte nicht binden und dass sie deshalb nicht „schematisch angewendet“ werden dürfen, sondern lediglich eine „Orientierungshilfe“ bieten, die die Behörden und Gerichte nicht von der Pflicht entbindet zu prüfen, ob diese Orientierungshilfe zu einem sachgerechten Ergebnis führt. Insoweit gilt für die LAI-Regelwerke nichts anderes als für die Regelwerke von DIN, VDI und DVGW. Soweit die LAI-Regelwerke durch Verwaltungsvorschriften (Erlasse) von Landesministerien durch Verweisung oder durch (mehr oder weniger) wörtliche Übernahme in den Rang von Verwaltungsvorschriften befördert worden sind, sind sie für die Behörden des jeweiligen Landes, nicht aber auch für die Gerichte verbindlich, sofern sie nicht zu „norminterpretierenden Verwaltungsvorschrift“ geliftet worden sind, was allerdings – soweit ich sehe – bisher nicht geschehen ist.
III. Schlussbemerkung Angesichts der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit, konnte ich nur sehr knapp darstellen, was es mit den Regeln der Technik und den Technischen Regelwerken auf sich hat. Die mit ihnen verbundenen rechtlichen Probleme habe ich nur zu einem kleinen Teil erörtern können. Ich hoffe aber, dass trotzdem deutlich geworden ist, dass Regeln der Technik und Technische Regelwerke von außerordentlicher Bedeutung für die praktische Rechtsanwendung, insbesondere auf dem Gebiet des Umwelt- und des Baurechts, sind. Ohne sie könnte das Bundes-Immissionsschutzgesetz nicht vollzogen werden, darin stimmen alle Fachkenner überein. Die Universitäten und ihre Professoren interessieren sich – mit wenigen Ausnahmen – dafür leider so gut wie überhaupt nicht.
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Abgedruckt in: Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 24), RvB LAI 52. Ähnlich Geruchsimmissions-Richtlinie von Mecklenburg-Vorpommern vom 15. August 2011 (Ule/Laubinger/ Repkewitz (Fn. 24), RvL MeVo 58). 54 Abgedruckt in: Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 24), RvB LAI 75. Ähnlich die brandenburgische Licht-Leitlinie vom 16. April 2014 (Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 24), RvL Brbg 60).
Regeln der Technik im koreanischen Umweltrecht Von Dongsoo Song
I. Einleitung Die moderne Industriegesellschaft hat ihre Produktivität im Wesentlichen durch die rasche Entwicklung von Wissenschaft und Technologie gesteigert und damit die heutige reiche wirtschaftliche Basis geschaffen. Heute entwickeln sich Wissenschaft und Technologie zu einem wichtigen Mittel, um verschiedene soziale Probleme zu lösen, die sich aus den Mitteln zur Unterstützung der Entwicklung von Industrien und Volkswirtschaften und darüber hinaus zur Lösung der Umweltprobleme ergeben. Die Entwicklung spezialisierter und verfeinerter Wissenschaft und Technologie kann jedoch nicht nur als Fortschritt für die Menschheit angesehen werden, sie kann, etwa im Falle von Kernkraft1 und Gentechnik2 auch eine Überlebensbedrohung darstellen. Es ist daher eine Schicksalsaufgabe des modernen Staates,3 die gesetzlichen Bestimmungen zu vervollständigen, um die notwendige technische Sicherheit in den Bereichen zu gewährleisten, in denen Technologie verwendet und angewendet wird. Ziel der technischen Vorschriften ist natürlich nicht die absolute Freiheit von absoluten Sicherheitsbedingungen oder Gefahren, die niemand erreichen kann. Denn in der modernen Industriegesellschaft liegt ein gewisses technisches Risiko für uns.4 Unsere Verfassung verpflichtet den Staat zum Schutz von Leben und die Körper der Menschen, garantiert damit aber keine völlige Freiheit von technischen Gefahren. Das Umweltrecht ist ein Rechtsgebiet, das die durch Art. 35 der koreanischen Verfassung garantierten Umweltgrundrechte festlegt. Das Umweltrecht regelt die Umweltverschmutzung und Umweltschäden zum Schutz der Umwelt, und der Hauptinhalt ist die rationelle Nutzung und Bewirtschaftung der Umwelt. Da Umweltverschmutzung und Umweltzerstörung eng mit der Entwicklung von Technologie verbunden sind, ist es wichtig, dass der entsprechende Umweltschutz auf technische Art und Weise erfolgt und wie er gesetzlich definiert wird. 1
Vgl. Ziehm, Das neue Schutzniveau des Atomgesetzes, ZUR 2011, 3 ff. Zur Fortentwicklung des Gentechnikrechts siehe Schubert, Zwanzig Jahre Gentechnikgesetz – eine Erfolgsgeschichte?, NVwZ 2010, 871 ff. 3 Von einer „Schicksalsaufgabe des modernen Staates“ spricht mit Fug und Recht Breuer, Strukturen und Tendenzen des Umweltschutzrechts, Der Staat 20 (1981), 393. 4 Böhm, Risikoregulierung und Risikokommunikation als Interdisziplinäres Problem, NVwZ 2005, 609 f. 2
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II. Standard der Regeln der Technik 1. Deutschland Bei den Regeln der Technik werden überwiegend drei Standards unterschieden5: - allgemein anerkannte Regeln der Technik, - Stand der Technik, - Stand von Wissenschaft und Technik. Diese Dreiteilung ist mittlerweile in der Rechtswissenschaft anerkannt. Die Besonderheit der Regeln der Technik liegt darin, dass sie als unbestimmte Rechtsbegriffe in unterschiedlicher Intensität auf die Entwicklungen von Wissenschaft und Technik Bezug nehmen. Werden Regeln der Technik in Rechtsvorschriften verwendet, hat dies für den Gesetzgeber den unschätzbaren Vorteil, dass er die rechtlichen Normen nicht laufend an die wissenschaftliche und technische Entwicklung anpassen muss. Durch die Verwendung von Standards öffnet der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber das Recht für technische Erkenntnisse. a) Allgemein anerkannte Regeln der Technik aa) Definition Die allgemein anerkannten Regeln der Technik lassen sich also wie folgt definieren: Eine technische Regel ist dann allgemein anerkannt, wenn sie der Richtigkeitsüberzeugung der vorherrschenden Ansicht der technischen Fachleute entspricht (1. Element: allgemeine wissenschaftliche Anerkennung) und darüber hinaus in der Praxis erprobt und bewährt ist (2. Element: praktische Bewährung). Auf beiden Stufen muss die jeweilige technische Regel der überwiegenden Ansicht (Mehrheit) der technischen Fachleute entsprechen. Es geht dabei um die Feststellung eines Konsenses durch Behörden und Gerichte.6 bb) Konkretisierung durch technische Regelwerke Besondere Bedeutung für die Konkretisierung dieses Standards haben technische Regelwerke, die Vorgaben in Form von Grenzwertangaben oder in Form von Verarbeitungsmethoden enthalten. Es ist anerkannt, dass unter anderem folgende Regelwerke als Konkretisierungshilfen in Betracht kommen7:
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BVerfGE 49, 89 (Kalkar-Beschluss vom 8. August 1978). Ziegler, Eine anerkannte Regel der Technik ist keine anerkannte Regel der Technik, ZfBR 2009, 317. 7 BVerwG, Beschluss vom 30. 09. 1996 – 4 B 175.96. 6
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- DIN-Normen (Deutsches Institut für Normung e.V.), - ETB (einheitliche technische Baubestimmungen des Instituts für Bautechnik), - VDI-Richtlinien (Verein Deutscher Ingenieure), - VDE-Vorschriften (Verband Deutscher Elektrotechniker). Insbesondere für schriftlich niedergelegte technische Regelwerke besteht eine Vermutung der allgemeinen Anerkennung und praktischen Bewährung. Die allgemein anerkannten Regeln der Technik sind jedoch nicht identisch mit den DIN. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs sind DIN-Normen keine Rechtsnormen, sondern private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter8 und können deshalb die allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht verbindlich bestimmen.9 Sie können diese zwar wiedergeben, aber auch dahinter zurückbleiben. b) Stand der Technik aa) Verwendung Der Stand der Technik wird vielfach in umwelt- und technikrechtlichen Gesetzen und Verordnungen verwendet. Ein Beispiel: Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen. bb) Definition Der Gesetzgeber hat die Legaldefinition des Standes der Technik unter anderem in § 3 Abs. 6 BImSchG überarbeitet und den Begriff europäischen Vorgaben angeglichen: Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen. Bei der Formel vom Stand der Technik gestaltet sich die Feststellung und Beurteilung der maßgeblichen Tatsachen für Behörden und Gerichte schwieriger als bei einem Verweis auf die allgemein anerkannten Regeln der Technik.10 Stand der Technik ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen, der nach herrschender Auffassung führender Fachleute das Erreichen 8
BGH, 14. 05. 1998 – VII ZR 184/97. Mischok/Hirsch, Änderung der anerkannten Regeln der Technik im Planungsprozess – Zusatzhonorar für Planer?, NZBau 2012, 480. 10 Meyer, Der Stand der Technik im Arbeitsschutzrecht auf Baustellen, NZBau 2017, 644. 9
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des gesetzlich vorgegebenen Zieles gesichert erscheinen lässt. Sie müssen in die Meinungsstreitigkeiten der Techniker eintreten, um zu ermitteln, was technisch notwendig, geeignet, angemessen und vermeidbar ist.11 Bei der Ermittlung des Standes der Technik handelt es sich also um eine Momentaufnahme. Im Rahmen der gesetzlichen Zielvorgabe sind, als Teil der Verhältnismäßigkeitserwägungen, wirtschaftliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, in Teilbereichen, je nach gesetzlicher Zielvorgabe, allerdings nur nachrangig.12 Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen müssen sich in der Praxis bewährt haben oder sollten – wenn dies noch nicht der Fall ist – möglichst im Betrieb mit Erfolg erprobt worden sein. cc) Konkretisierungsmöglichkeiten Erste Ansätze für die Konkretisierung des Standes der Technik finden sich in den Kriterienkatalogen der jeweiligen Anlagen (vgl. Anlage zu § 3 VI BImSchG). Darüber hinaus kann der Stand der Technik auch durch Rechtsverordnungen konkretisiert werden (13. und 17. BImSchV). Eine wichtige Rolle bei der Konkretisierung des Standes der Technik spielen vor allem allgemeine Verwaltungsvorschriften. Insbesondere die sogenannten „normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften“ haben die Funktion, unbestimmte Rechtsbegriffe zu interpretieren. Bekanntestes Beispiel einer solchen Verwaltungsvorschrift ist die nach § 48 S. 1 BImSchG erlassene Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA Luft.13 Gemäß Nr. 5.1.1 der TA Luft enthalten die dort folgenden Vorschriften unter anderem Emissionswerte, deren Überschreiten nach dem Stand der Technik vermeidbar ist sowie emissionsbegrenzende Anforderungen, die dem Stand der Technik entsprechen. c) Stand von Wissenschaft und Technik aa) Verwendung Auf den Standard Stand von Wissenschaft und Technik verweist der Gesetzgeber sehr viel seltener. Dies geschieht dann, wenn erhebliche Risiken drohen, wie etwa im Atom- und Gentechnikrecht: Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 Atomgesetz darf die Genehmi11
BVerfGE 49, 89. Nach dem neuen Urteil des BVerwG vom 23. 7. 2015 (NVwZ 2016, 79) kann eine behördlich angeordnete Maßnahme zur Emissionsbegrenzung auch dann eine erforderliche und wirtschaftlich zumutbare Vorsorgemaßnahme sein, wenn sie zur Emissionsminderung praktisch geeignet ist, aber aus wirtschaftlichen Gründen noch nicht dem Stand der Technik entspricht. Zur Kritik siehe Breuer, Immissionsschutzrechtliche Vorsorge und Stand der Technik, NVwZ 2016, 822 ff. 13 Die TA Luft ist die Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum BImSchG. Sie enthält unter anderem Berechnungsvorschriften für wesentliche Luftschadstoffe und schafft bundeseinheitliche, gesetzliche Anforderungen für Anlagen, die gemäß der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen genehmigungsbedürftig sind. 12
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gung für die Errichtung und den Betrieb einer ortsfesten Anlage zur Erzeugung oder zur Bearbeitung oder Verarbeitung oder zur Spaltung von Kernbrennstoffen oder zur Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe nur dann erteilt werden, wenn die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage getroffen ist. Insoweit unterliegt die Genehmigung einer dynamischen Betreiberpflicht.14 „Was ist der Stand von Wissenschaft und Technik?“ wird nicht vom Gesetz beantwortet. Der Gesetzgeber überlässt die Konkretisierung dieses unbestimmten Rechtsbegriffes vielmehr verschiedenen Sachverständigengremien.15 Nach verwaltungsrechtlichen Grundsätzen steht den Sachverständigen bei der Bestimmung des Standes der Wissenschaft ein Beurteilungsspielraum zu, sodass ihre Entscheidungen nur eingeschränkt rechtlich kontrollierbar sind.16 bb) Bedeutung Stand von Wissenschaft und Technik ist der Entwicklungsstand fortschrittlichster Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen, die nach Auffassung führender Fachleute aus Wissenschaft und Technik auf der Grundlage neuester wissenschaftlich vertretbarer Erkenntnisse im Hinblick auf das gesetzlich vorgegebene Ziel für erforderlich gehalten werden und das Erreichen dieses Ziels gesichert erscheinen lassen. Dabei können im Bereich der Gefahrenabwehr wirtschaftliche Gesichtspunkte – als Teil der Verhältnismäßigkeitserwägungen – keine Rolle spielen. Im Bereich der Vorsorge hat diese Vorrang vor wirtschaftlichen Gesichtspunkten. 2. Korea Das deutsche Recht hat großen Einfluss auf das koreanische Recht ausgeübt. Unterscheidungen gibt es aber im Hinblick auf die Regeln der Technik. Das koreanische Recht verwendet keine unbestimmten Rechtsbegriffe wie „allgemein anerkannte Regeln der Technik“ oder „Stand der Technik“. Denn der Verweis auf Regeln der Technik außerhalb der Rechtsvorschriften nach deutschem Vorbild erschwert die Durchsetzung des Gesetzes. Das wichtigste Merkmal des technischen Regulierungssystems in Korea ist, dass die meisten Vorschriften der Regeln der Technik durch Gesetze und Rechtsverordnungen umgesetzt werden. Infolgedessen räumt das koreanische Recht der Rechtsklarheit einen höheren Stellenwert ein als rechtlicher Flexibilität. Dies hängt eng mit der Akzeptanz der gesetzlichen Bestimmungen durch das 14 Roller, Die Genehmigung zum Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Produkte und ihre Anpassung an Änderungen des Standes der Wissenschaft, ZUR 2005, 114. 15 Koenig, Rechtliche Bewertung des Standes der Wissenschaft und Technik im Hinblick auf Verfahren zur Gewährleistung der Virussicherheit von Blutplasmapräparaten, PharmR 2001, 75. 16 Zum Beurteilungsspielraum von Sachverständigengremien siehe BVerwG, DVBl. 1996, 811 (812).
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Volk zusammen, während es umgekehrt auf großen Widerstand stößt, wenn die Konkretisierung der Regeln der Technik Behörden und Gerichten überlassen werden, ohne klare rechtliche Bestimmungen zu haben. § 10 (Baugenehmigung) Die Stromerzeugung eines Kernreaktors und die dazugehörigen Einrichtungen müssen von der Kommission – wie durch die Verordnung des Präsidenten (DPR) vorgeschrieben – genehmigt werden. § 11 (Zulassungsnormen) Die Zulassungsstandards in § 10 sind wie folgt: 1. Die technischen Fähigkeiten, die für den Bau von Stromerzeugungsreaktoren und die damit verbundenen Einrichtungen erforderlich sind, die in der Verordnung des Ministerpräsidenten festgelegt sind, müssen gesichert sein. 3. Das radioaktive Material aus dem Bau von Kernreaktoren zur Stromerzeugung muss den von der Verordnung des Präsidenten (DPR) vorgeschriebenen Standards angepasst werden. § 20 (Erlaubnis zum Betreiben) Die in Betrieb befindlichen Kernreaktoren müssen von der Kommission genehmigt werden, wie durch Verordnung des Präsidenten (DPR) vorgeschrieben. § 21 (Zulassungsnormen) Die Genehmigungsnormen in § 20 lauten wie folgt: 1. Die technischen Fähigkeiten, die für den Betrieb von Reaktoren für die Stromerzeugung und damit verbundene Einrichtungen erforderlich sind 3. Die radioaktiven Stoffe, die aus dem Betrieb von Kernreaktoren und den zugehörigen Einrichtungen zur Energieerzeugung entstehen, müssen den von der Verordnung des Präsidenten (DPR) vorgeschriebenen Standards angepasst werden.
a) Wasser-Umweltschutzgesetz § 33 (Einbaugenehmigung der industriellen Abwasserentsorgungseinrichtung) (1) Jede Person, die beabsichtigt, eine Emissionsanlage einzurichten, muss die Genehmigung des Umweltministers einholen. (9) Die in Absatz 1 genannten Zulassungsstandards sind wie folgt: 1. Die aus der Entlastungseinrichtung abgeleiteten Schadstoffe sollten gemäß § 32 unterhalb der Emissionsgrenzwerte liegen.
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b) Integriertes Umweltgesetz § 6 (Integrierte Genehmigung) Diejenigen, die einen großen Einfluss auf die Umwelt haben und die Emissionsanlagen installieren und betreiben wollen, sollten eine Genehmigung des Umweltministers erhalten. § 7 (Zulassungsnormen) Der Umweltminister prüft bei Erteilung der Genehmigung gemäß § 6: Die aus der Entlastungseinrichtung abgeleiteten Schadstoffe sollten gemäß § 8 unterhalb der Emissionsgrenzwerte liegen. § 8 (Zulässige Emissionsgrenzwerte) Der Umweltminister legt einen Emissionsgrenzwert unterhalb der in § 24 festgelegten Emissionsgrenzwerte fest. Die Methode und das Verfahren zur Festlegung der zulässigen Emissionsnorm wird durch die Verordnung des Umweltministers festgelegt.
III. Umweltstandard und Emissionsgrenzwerte Art. 35 der koreanischen Verfassung gewährt allen Bürgern das Recht, in einer gesunden und angenehmen Umgebung zu leben und legt zugleich die verfassungsmäßige Verpflichtung fest, dass Staat und Bürger Anstrengungen unternehmen müssen, um die Umwelt zu schützen. Viele Umweltgesetze werden auf der Grundlage von Artikel 35 der Verfassung erlassen. Für die Umsetzung des Umweltschutzgesetzes sind verschiedene Durchsetzungsmaßnahmen erforderlich. Am repräsentativsten ist das Begrenzen von Umweltschadstoffen und das Setzen von Umweltstandards, beispielsweise durch die Festsetzung von Grenzwerten für Umweltschadstoffe. Im Allgemeinen werden Umweltstandards verstanden als Quantifizierung der Umweltbedingungen, die der Staat für das gesunde und angenehme Leben der Menschen erreichen und aufrechterhalten muss.17 Mit anderen Worten, der Umweltstandard ist eine Quantifizierung des Ausmaßes, in dem die Emission bestimmter Schadstoffe maximal für das gesunde und angenehme Leben der Bewohner in einem bestimmten Umfang erlaubt ist. Umweltstandards werden in der Literatur meist als „Grenzwerte“ bezeichnet.18 Umweltstandards sind Konzepte, die vor allem durch technische und wissenschaftliche Bewertungen festgelegt werden. Sie basieren jedoch nicht immer ausschließlich auf objektiven Fakten und werden oft von politischen Werturteilen sowie wirtschaftlichen Überlegungen beeinflusst.
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Song, Die Arten und Rechtsnatur der Umweltstandards, Korea Environmental Law Review, Vol. 23 No. 1 (2001), S. 36. 18 Bae, A study on the meaning of compensation Law of environmental standards in public Law, Korea Environmental Law Review, Vol. 34 No. 1 (2012), S. 203.
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1. Umweltstandard im Umweltrahmengesetz a) Begriff In § 12 Abs. 1 des Umweltrahmengesetzes heißt es, der Staat sollte Umweltstandards unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Ökosysteme oder die menschliche Gesundheit festlegen und sicherstellen, dass die Angemessenheit in Übereinstimmung mit den veränderten Umweltbedingungen aufrechterhalten wird. Gemäß Abs. 2 sind Umweltstandards durch Verordnung des Präsidenten (DPR) festzulegen. Das Gesetz lässt offen, welche Umweltstandards gemeint sind. In der DPR werden jedoch spezifische Umweltstandards festgelegt. Auf deren Grundlage sind in Anhang 1 der DPR des Umweltrahmengesetzes spezifische Umweltstandards für Luft, Lärm und Wasser festgelegt. b) Angemessenheit der Umweltstandards und Stand der Technik § 13 (Aufrechterhaltung des Umweltstandards) Staat und Gemeinde müssen beim Erlass von Umweltgesetzen folgendes berücksichtigen, um die Umweltstandards angemessen aufrecht zu erhalten: 1. Verhinderung und Beseitigung von Umweltschäden 2. Sanierung von verschmutzten Gebieten 3. Einsatz neuer Wissenschaft und Technologie 4. Ordnungsgemäße Zuweisung von Ressourcen zur Vermeidung von Umweltverschmutzung.
aa) Anwendung von Wissenschaft und Technologie Die Umweltstandards sollten im Hinblick auf den Stand von Wissenschaft und Technologie grundsätzlich ständig verbessert werden. Rechtsverordnungen, die Umweltstandards festlegen, sollten innerhalb eines angemessenen Zeitraums überarbeitet werden. Es sollten immer neue Umweltstandards eingeführt werden, um mit der Entwicklung des neuen Technologie-Niveaus Schritt zu halten, und es sollte nicht zu lange vernachlässigt werden. Der Umweltstandard ist keine feste Zahl, sondern ein Wert, der sich immer fließend nach dem „Stand der Technik“ ändern kann. bb) Grundsätze der Verhältnismäßigkeit § 12 des Umweltrahmengesetzes legt fest, dass der Inhalt von Umweltstandards „im Einklang mit den Änderungen der Umweltbedingungen“ zu halten ist. Dies bedeutet, dass der Inhalt des Umweltstandards der Verordnung des Präsidenten (DPR) übertragen wird, der Inhalt des Umweltstandards jedoch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterliegt. In extremen Fällen, wenn der Umweltstandard zu hoch oder zu
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niedrig ist, verstößt dies gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Letztendlich hängt die Rechtmäßigkeit von Umweltstandards von der Angemessenheit von Umweltstandards ab. Angemessenheit bedeutet, dass der von dem Umweltstandard vorgeschlagene numerische Wert sowohl technisch als auch wissenschaftlich möglich und wirtschaftlich angemessen sein muss. Das heißt, selbst wenn eine neue Technologie das Niveau der Schadstoffe senken kann, ist es nicht machbar, wenn aufgrund der Einführung der Technologie ein zu großer Teil der wirtschaftlichen Belastung hinzukommt. Daher sollte berücksichtigt werden, dass das Angemessenheitsurteil von der Verhältnismäßigkeit der Technologie-Kosten-Beziehung bestimmt wird. c) Rechtsnatur von Umweltstandards Das Umweltrahmengesetz ist ein Grundgesetz, das die Grundidee und die Richtung der Umweltpolitik vorgibt. In diesem Zusammenhang ist das koreanische Umweltrahmengesetz mit einigen Interpretationsproblemen konfrontiert: Der Umweltstandard ist danach ein Richtwert.19 Der Umweltstandard ist kein Grenzwertstandard, sondern ein Empfehlungsstandard, daher ist er nur ein Ziel für den Umweltschutz.20 Umweltstandards haben im Prinzip keine direkte rechtliche Verbindlichkeit. Der Umweltstandard ist ein Indikator für das Verwaltungsziel der Behörde und verpflichtet die Behörde nicht dazu, dies zu erreichen. Umweltstandards funktionieren nicht direkt als Regulierungsstandards für Betreiber.21 2. Emissionsgrenzwerte Es gibt Emissionsgrenzwerte in verschiedenen Umweltgesetzen (z. B. WasserUmweltschutzgesetz, Luft-Umweltschutzgesetz). § 32 Wasser-Umweltschutzgesetz (Emissionsgrenzwerte) Die Emissionsgrenzwerte für wassergefährdende Stoffe, die aus den Anlagen abgegeben werden, sind in der Verordnung des Umweltministers festzulegen. § 16 Luft-Umweltschutzgesetz (Emissionsgrenzwerte) Die Emissionsgrenzwerte für Luftschadstoffe, die von Anlagen emittiert werden, sind durch die Verordnung des Umweltministers festzulegen.
Die Emissionsgrenzwerte sind eine Methode zur Festlegung und Kontrolle eines Schwellenwerts für Schadstoffemissionen. Wird die Emissionsgrenze überschritten, 19 Zu den verschiedenen Interpretationen siehe Chae, A Study on Environmental Quality Standards under the Framework Act on Environmental Policy, Korea Environmental Law Review, Vol. 38 No. 3 (2016), S. 361. 20 Song, Die Arten und Rechtsnatur der Umweltstandards, Korea Environmental Law Review, Vol. 23 No. 1 (2001), S. 43. 21 Bae, A study on the meaning of compensation Law of environmental standards in public Law, Korea Environmental Law Review, Vol. 34 No. 1 (2012), S. 211.
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kann die Behörde Maßnahmen wie die Erteilung einer nachträglichen Anordnung zur Verbesserung der Emissionsfazilität oder die Erhebung einer Emissionsabgabe ergreifen. Während die Umweltstandards des Umweltrahmengesetzes insgesamt empfohlenen Standards entsprechen, entsprechen die Emissionsgrenzwerte in jedem einzelnen Gesetz der Konzentrationsgrenznorm.22 Die Emissionsgrenzwerte sind die maximal zulässige Konzentration des emittierten Schadstoffs für jede Quelle.23 Sie sind ein rechtlich bindender Regulierungsstandard für den Betreiber der Anlage als Normadressat. Die Emissionsgrenzwerte konzentrieren sich darauf, Schadstoffe nicht über ein bestimmtes Niveau hinaus freizusetzen. Dagegen konzentrieren sich Umweltstandards auf Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit. Aufgrund dieser Unterschiede erfüllen Emissionsgrenzwerte häufig nicht die Umweltstandards.
IV. Integriertes Umweltmanagement und BVT 1. Das integrierte Umweltmanagementgesetz (IUMG) Integriertes Umweltmanagement begann mit IPPC in Europa.24 Diese Idee basiert auf der Frage, ob eine individuelle Kontrolle der Umweltverschmutzung oder ein integriertes Management der Umweltverschmutzung für das Vorsorgeprinzip geeigneter sind. Bei Anlagen mit einem bestimmten Umfang wurde der Schluss gezogen, dass ein integriertes Umweltmanagement ein effizienteres Management ist. Das integrierte Umweltmanagementgesetz (IUMG) wurde im Dezember 2015 verabschiedet und trat am 1. 1. 2017 in Kraft. Mit seinem Inkrafttreten wurden 10 Genehmigungsverfahren der 6 Gesetze zu einer integrierten Genehmigung vereinfacht. Darüber hinaus wurde es durch die Festlegung von Emissionsgrenzwerten auf der Grundlage von BVT möglich, eine technische Informationsinfrastruktur für das Umweltmanagement aufzubauen. Das IUMG ist ein integriertes Genehmigungsgesetz, das das Genehmigungsverfahren vereinheitlicht; es ist zugleich ein integriertes Managementgesetz, das konkrete Maßnahmen wie die Erteilung einer nachträglichen Anordnung oder die Erhebung einer Emissionsabgabe zum Gegenstand hat.
22 Kang, A Study on the standards of environmental quality, Law Review, Vol. 26 (2007), S. 37. 23 Song, Die Arten und Rechtsnatur der Umweltstandards, Korea Environmental Law Review, Vol. 23 No. 1 (2001), S. 44. 24 Choi, Development of Integrated Pollution Prevention and Control & Appropriateness of Environmental Regulation, Korea Environmental Law Review, Vol. 38 No. 3 (2016), S. 38.
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2. Gegenstand der integrierten Genehmigung § 6 IUMG schreibt den Gegenstand der integrierten Genehmigung vor, die auf „Art der Industrie“ und „Schadstoffemissionen“ basiert. Nach der Klassifizierung der Industrie sind Gegenstand der integrierten Genehmigung 21 Arten von Industriezweigen, wie Elektrizität, Stahl und Chemikalien, die durch die Verordnung des Präsidenten (DPR) als sehr umweltschädlich eingestuft werden. 3. BVT a) Konzept BVT (Beste verfügbare Technik, englisch = BAT) ist ein Schlüsselelement des integrierten Systems zur Kontrolle der Umweltverschmutzung. Der Begriff entspricht im Wesentlichen dem im Deutschland traditionell verwendeten Konzept des Standes der Technik.25 Der Rechtsbegriff BVT wird durch die sogenannte Industrieemissionsrichtlinie (IED)26 vorgeschrieben. Im Rahmen des bestehenden Medienmanagementsystems war das regulatorische Niveau starr, weshalb es notwendig war, die Flexibilität des Regulierungsniveaus zu stärken. Gemäß § 24 Abs. 1 IUMG bedeutet BVT technisch machbar und wirtschaftlich angewandte Managementtechniken, die die Emissionen von Schadstoffen effektiv reduzieren. BVT ist ein Schlüsselelement zur Verbesserung des betrieblichen Umweltmanagements, da es durch technologische Innovationen zur Kostensenkung beiträgt und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen stärkt. BVT-basiertes Umweltmanagement trägt zur Minimierung der sozialen Kosten bei, da es die Merkmale des Arbeitsplatzes und seine Auswirkungen auf die lokale Umwelt widerspiegelt. BVT wird die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie verbessern, indem wir den Ausbau der Technologieentwicklung an unseren Arbeitsplätzen vorantreiben. BVT ist jedoch ein potenzieller Technologieregulator und kann eine Belastung für das Unternehmen darstellen. Da die Ergebnisse der Anwendung der BVT nicht im Voraus feststehen, lassen sich diese aus Sicht des Unternehmens kaum voraussehen und können so langfristige Investition des Unternehmens behindern.27 Vor diesem Hintergrund legt das IUMG keine spezifischen BVT für jede Einrichtung fest. Das IUMG erkennt BVT jedoch als einen wichtigen Faktor bei der Festlegung zulässiger Emissionsgrenzwerte an. BVT ist die Grundlage für die Festlegung 25 Seibel, Abgrenzung der anerkannten Regeln der Technik vom Stand der Technik, NJW 2013, 3000. 26 Richtlinie 2010/75/EU über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) vom 24. 11. 2010. Sie ist Nachfolgerin der Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung (sog. IVU-Richtlinie) und sechs weiterer Sektor-Richtlinien (zu Großfeuerungsanlagen, Abfallverbrennung, Lösemitteln und Titandioxid). 27 Diehl, Stärkung des europäischen Konzepts der besten verfügbaren Techniken durch die Richtlinie über Industrieemissionen?, ZUR 2011, 64.
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der maximalen Emissionsgrenzwerte und die maximalen Emissionsgrenzwerte sind die Grundlage der zulässigen Emissionsgrenzwerte. b) Garantie der Objektivität BVT passen sich der Entwicklung der Technologie an. Daher besteht ein dringender Bedarf nach einem Mittel zur Gewährleistung der Objektivität gegenüber dem Problem der BVT, für das ein bestimmter Technologiestandard gilt. Insbesondere als sich das Umweltmanagement zum integrierten Management wandelte, wurden die BVT unter Berücksichtigung der Merkmale jeder Branche wichtig. Die Kriterien für die Ermittlung der BVT lauten wie folgt (§ 24 Abs. 1 IUMG): - Anwendbarkeit am Arbeitsplatz, - Verringerung der Schadstofferzeugung und -emission, - Betriebskosten von Anwendungen der Umweltmanagementtechniken, - Verringerung oder Recycling von Abfällen, - Effizienz der Energienutzung, - Möglichkeit der Vorsorgemaßnahmen durch Verringerung der Schadstoffe. Dieses BVT-Entscheidungskriterium ist ein wichtiger Faktor für die Objektivität der BVT. Da es sich bei den BVT nicht um rein technische Standards handelt, werden sie den Umweltministern, die sich für die BVTentscheiden, einen breiten Ermessensspielraum einräumen. Wenn die Position der Industriepolitik stark in Betracht gezogen wird, kann ein entspannter Standard gewählt werden.28 Der IED-Anhang III der EU verlangt zusätzlich zu den koreanischen BVT-Entscheidungskriterien die folgenden Überlegungen: - Betrachtung des technologischen Fortschritts und des Wandels, - Auswirkungen von Schadstoffemissionen auf die natürliche Umwelt, - Zeitraum für die Anwendung der BVT, - Ausmaß des Risikos, dass Schadstoffe in die Umwelt gelangen, - Vorbeugung von Umweltunfällen.
4. BVT-Merkblätter (BREF) Gemäß § 24 Abs. 2 IUMG soll der Umweltminister ein BVT-Merkblatt (BREF) erstellen und verteilen, damit die BVT am Arbeitsplatz einfach angewendet werden können. BREF ist ein Buch, das Umweltmanagementtechniken für Installation, Be28 Choi, Development of Integrated Pollution Prevention and Control & Appropriateness of Environmental Regulation, Korea Environmental Law Review, Vol. 38 No. 3 (2016), S. 58.
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trieb und Management von Lüftungs- und Sanitäreinrichtungen erläutert. BREF kann dazu beitragen, Unfälle durch Umweltverschmutzung am Arbeitsplatz zu verhindern und Schäden zu minimieren. Zur Vorbereitung des BREF müssen in der Praxis ein hohes Maß an Fachwissen und technischen Fähigkeiten vorhanden sein.29 Der Gesetzgeber kann keine detaillierten Standards für BREF festlegen. Aufgrund der Natur des Hightech-Wissenschafts- und Technologiegebiets legt das IUMG nur die ungefähren Werte fest und gibt dem Umweltminister die Befugnis, sie zu spezifizieren. a) Technische Arbeitsgruppe (TWG) Gemäß § 24 Abs. 5 IUMG kann der Umweltminister jede Industrie mittels TWG organisieren und betreiben, um BVT und BREF in der Praxis zu unterstützen. Um ein BREF zu erstellen, das die aktuelle Situation in Korea widerspiegelt, wird sich die TWG aus Fachleuten im Umweltbereich, relevanten Industrieakteuren und Ingenieuren zusammensetzen. Der Grund für die TWG ist, dass die BVT durch eine technische und wirtschaftliche Überprüfung unterstützt werden muss, da es für die Verwaltungsbehörde schwierig ist, ohne realistische Beteiligung von Experten selbst zu entscheiden. b) Verfahren Koreanische BREF hat ein ähnliches Verfahren, da es sich auf den Sevilla-Prozess der EU bezieht. Das BREF wird auf der Grundlage der BVT-Entscheidungskriterien nach Prüfung durch die TWG und Beratung durch das Integriertekomitee fertiggestellt: - Erstellung eines Plans für die Erstellung von BREF und die Sammlung von EU BREF, - TWG-Konfiguration, - Umfrage und grundlegende Datenanalyse: Analyse von Grunddaten wie SEMS (Stack Emission Management System), WEMS (Wasseremissionsmanagementsystem), TMS (Tele-Monitoring System), - Fertigstellung des Entwurfs des BREF durch BAT-AEL, - Veröffentlichung des BREF.
29 Park, Evaluation and Selection Method of Best Available Techniques for Integrated Environmental Management System, Journal of Korean Society on Water Environment, Vol. 33 No. 3 (2017), S. 352.
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c) Die rechtliche Verbindlichkeit des BREF Das BREF bietet die technisch und wirtschaftlich machbarsten BVT, die die Schadstoffemissionen am effektivsten reduzieren können. Das BREF ist eine wichtige Referenz für die Antragstellung des Betreibers und die Genehmigung der Verwaltungsbehörde. Das BREF ist keine eigenständige Rechtsnorm, aber es ist der Standard für die Anwendung und Beurteilung technischer Angelegenheiten im Prozess der tatsächlichen Durchsetzung des Gesetzes.30 Die Anwendung von BREF ist eigentlich obligatorisch. Daher wird das BREF als eine Art normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift angesehen. Das BREF ist praktisch regulierend und hat eine externe Bindungskraft. d) Bewertung Um die Einführung des integrierten Umweltmanagementsystems zu erleichtern, werden die BREF von 21 Industriezweigen mit großen Auswirkungen auf die Umwelt veröffentlicht, wobei das BREF alle 5 Jahre unter Berücksichtigung des Entwicklungsstandes von Wissenschaft und Technologie regelmäßig ergänzt wird. Die meisten der am Standort vorhandenen Technologien wurden für Koreas BVT ausgewählt. Die Einführung neuer Umwelttechnologien aufgrund der Entwicklung von Wissenschaft und Technologie ist zurückhaltend. Daher ist es notwendig, die neue Spitzentechnologie der EU aktiver einzuführen und sie in der künftigen Ergänzung als BVT zu wählen. Die Paarung von qualitativ bindenden und zeitlich strikt dynamisierten Mindestanforderungen mit der rechtsförmigen Handlungsform Durchführungsbeschluss ist eine stimmige Aufwertung der BVT-Merkblätter.31
V. Technische Standards 1. Begriff der Standards Gemäß der Konzeptdefinition von ISO (International Organization for Standardization), dem weltweit einflussreichsten Standardsetzungsgremium, lassen Internationale Standards die Dinge funktionieren. Sie liefern erstklassige Spezifikationen für Produkte, Dienstleistungen und Systeme, um Qualität, Sicherheit und Effizienz zu gewährleisten.32 Sie tragen wesentlich zur Erleichterung des internationalen Handels bei. 30 Kim, The Apraisal and the Tasks of the Act on Integrated Pollution Prevention and Control, Korea Environmental Law Review, Vol. 38 No. 2 (2016), S. 339. 31 Diehl, Stärkung des europäischen Konzepts der besten verfügbaren Techniken durch die Richtlinie über Industrieemissionen?, ZUR 2011, 65. 32 ISO/IEC Directives, Part 2: Rules for the Structure and Drafting of International Standards, Fifth Edition.
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Standardisierung bezieht sich auf eine Reihe von Aktivitäten zur Lösung der Probleme, die unter den gegebenen Umständen regelmäßig auftreten.33 Ein Standard ist ein Dokument, das durch Vereinbarung erstellt und von einer zuständigen Institution genehmigt wurde. Darüber hinaus basieren Standards auf Wissenschaft und Technologie, und das Prinzip besteht darin, die Optimierung von Gemeinschaftsinteressen zu fördern. Der Standard besteht aus Form, Dimension, Struktur, Qualität des Produkts oder Übertragungsmitteln wie Herstellungsmethode, Entwurfsmethode, Messmethode, Terminologie und Abkürzung. Mit anderen Worten, ein Standard kann als ein anderer Ausdruck des Ergebnisses der Technologieentwicklung oder Innovation auf der Natur bezeichnet werden, und es ist ein Dokument der technischen Sprache. Technische Standards werden im Allgemeinen als Messstandards, Referenzstandards und Dokumentationsstandards klassifiziert. 2. Funktionen des Standards a) Effizienz Standards sind ein wichtiges Mittel zur Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Effizienz. Standards erhöhen die Produktionseffizienz in allen Prozessen von Rohstoffen oder Ressourcen bis hin zu Produkten oder Dienstleistungen. Technische Normen bewirken eine Verbesserung der Qualität und den Schutz der Verbraucher. b) Industrielle Entwicklung Standards sind die Grundlage für industrielle Entwicklung. Die Standardisierung von Hochtechnologie verbessert die Markttauglichkeit und Wettbewerbsfähigkeit von Technologieprodukten. Insbesondere die proaktive Standardisierung neuer Technologien ist die Grundlage für die Entwicklung fortschrittlicher industrieller Technologien und ein wesentliches Element, um Technologieduplizierung zu verhindern. Standards ermöglichen economy of scale durch Innovationen in Produktionsprozessen.34 Sie beschleunigen den Verkaufswettbewerb, ermöglichen neue Technologieentwicklungen und steigern den Umsatz. c) Handelsexpansion Standards sind die Grundlage für Handelsexpansion und Handelsliberalisierung. Die Vereinheitlichung internationaler und nationaler Standards spielt eine wichtige 33
Zur Vielfalt von Standards siehe Böhm, Risikoregulierung und Risikokommunikation als Interdisziplinäres Problem, NVwZ 2005, 610. 34 Sung, An Essay on the Relationship between Standards and Technological Innovation, Management Information Systems Review, Vol. 29 No. 4 (2010), S. 229.
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Rolle bei der Erleichterung des Handels zwischen den Nationen. Das WTO/TBTÜbereinkommen fördert die Annahme internationaler Standards bei der Formulierung nationaler Standards, damit die technischen Vorschriften und Standards jedes Landes nicht zu Hindernissen für den internationalen Handel werden. d) Kompatibilität Der größte Effekt des Standards ist die Netzwerk-Externalität, die die Kompatibilität mit sich bringt. Wenn die Kompatibilität des Produkts aufgrund des Standards erreicht wird, erhöht sich der Nutzen des Produkts proportional zur Anzahl der Benutzer des Produkts. 3. Technische Standards in Korea a) KS (Korean Industrial Standards) KS (Korean Industrial Standards) ist ein nationaler Standard, der im Rahmen des TSG (Gesetz über Technische Standards) festgelegt wurde. KS besteht aus 21 Teilen und ist in die folgenden drei Standards klassifiziert. - Produktnorm: Regulierung der Verbesserung, Größe und Qualität der Produkte, - Method Standard: Spezifikation von Test, Analyse, Inspektion und Messmethode usw., - Übertragungsstandard: Begriffe, Technologie, Einheit, Reihenfolge usw. b) Organisationsstandards aa) Konzept des Organisationsstandards Ein Organisationsstandard ist ein Unternehmen mit einem gemeinsamen Verständnis, das kollektiv eine Organisation darstellt und einheitliche Standards für Objekte, Leistungen, Strukturen, Verfahren, Methoden usw. zu ihrem eigenen Vorteil festlegt, sodass die Mitglieder der Gruppe diese gemeinsam einhalten. bb) Zweck der Organisationsstandards Die Hersteller der gleichen Industrie folgen den Organisationsstandards, um die Produktivität zu steigern, Kosten zu senken, die Kompatibilität zu erweitern und gemeinsame Gewinne durch den gemeinsamen Einkauf von Rohstoffen und Komponenten zu erzielen. Verbraucherschutz durch Verbesserung der Produktqualität und Vereinfachung der Transaktionen.
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cc) Wirkung von Organisationsstandards Die Organisationsstandards haben folgende Wirkungen: - Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit durch Qualitätsverbesserung. - Überbrücken zwischen nationalen Standards und internen Standards. - Ausbau der Entwicklungsbasis des nationalen Standards und Nutzung des nationalen Standards. - Schnelles Reagieren auf die Bedürfnisse der Verbraucher. c) Referenzstandard Referenzstandards beziehen sich auf Daten, die in allen Bereichen durch wissenschaftliche Analyse, Bewertung und Zertifizierung von Genauigkeit und Zuverlässigkeit von Messdaten und Informationen kontinuierlich oder wiederholt verwendet werden, und für physikalisch-chemische Konstanten, zertifizierte physikalische Eigenschaften, zertifiziert sind (§ 3 Gesetz über Technische Standards). Das heißt, die Genauigkeit und Zuverlässigkeit von Daten und Informationen werden geprüft und als Referenzstandards festgelegt. d) Bewertung Nach Art. 127 Abs. 2 der koreanischen Verfassung legt der Staat ein nationales Standardsystem fest. Hierzu wurden Gesetze wie „Measurement and Measurement Act“ und „Industrial Standardization Act“ erlassen. Zu den technischen Standardinstituten gehören das Ministerium für Handel und Industrie, das Nationale Institut für technische Qualität, die Normungsbehörde für Kapazitätsauswertung, die Korea Standards Association und die Korea Industrial Standards Organization. In Wirklichkeit wird die normative Bedeutung von Art. 127 Abs. 2 der Verfassung jedoch auf die Bedeutung der Vereinheitlichung der nationalen Maßeinheiten reduziert. Sie versteht die Einführung technischer Standards im modernen Sinne nicht als nationale Verpflichtung.35 Darüber hinaus konzentrieren sich verschiedene Institute für technische Standards auf Messstandards und vernachlässigen technische Standards. Das Bewusstsein, dass technische Standards für die technische Sicherheit, den Umweltschutz und die Katastrophenvorbeugung unverzichtbar sind, ist eher gering und man berücksichtigt auch nicht die international anerkannten Standards. Daher muss in Korea das Verständnis geweckt werden, dass der technische Standard die grundlegende Verpflichtung des Staates ist, der durch die Verfassung festgelegt 35 Jung, A Comprehensive Normativity and Co-regulation Characteristics of Standards, The Journal of Contemporary European Studies, Vol. 31 No. 3 (2013), S. 241.
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wird, und der Staat sollte das System aktiv verbessern und die Umsetzung der technischen Standards vorantreiben. 4. Technische Standards in Deutschland Die technischen Standards in Deutschland traten zuerst im Bereich der Unternehmen auf. In der Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in der metallverarbeitenden Industrie technische Standards in Form von Werknormen und Normalienbüchern. In Deutschland gibt es eine Zusammenarbeit zwischen den Institutionen, die nationale Standards festlegen, den Institutionen, die Standards der Europäischen Union festlegen, und denjenigen, die internationale Standards festlegen.36 Derzeit gibt es in Deutschland etwa 150 private Institutionen, die technische Standards verfasst und veröffentlicht haben. Wichtige und bekannte Organisationen sind das Deutsche Institut für Normung (DIN), der Verein Deutscher Ingenieure (VDI), der Deutsche Elektrotechnische, Elektro- und Informationstechnische Verband (VDE) und der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfachs (DVGW). Ein technischer Standard ist keine gesetzliche Norm. Aber ein technischer Standard kann rechtlich durch direkte Identifizierung in Rechtsnormen durchgesetzt werden.37 Die Festlegung von Rechtsnormen für technische Standards kann keine Aufgabe des Gesetzgebers sein, da es unangemessen ist, den Gesetzgeber zu verpflichten, große Mengen erforderlicher technischer Standards zu erstellen, unvermeidbare Detailarbeiten durchzuführen und den aktuellen Stand der Technik zu beurteilen.
VI. Fazit und Ausblick In Bezug auf Regeln der Technik verwendet das koreanische Umweltrecht keine unbestimmten Rechtsbegriffe wie „allgemein anerkannte Regeln der Technik“ oder „Stand der Technik“, sondern definiert es klar durch Rechtsverordnungen. Es beurteilt die rechtliche Stabilität als wichtiger als die rechtliche Flexibilität. Dies hängt eng mit der Akzeptanz der gesetzlichen Bestimmungen des Volkes zusammen. Der Grund dafür ist, dass der Widerstand der Bevölkerung groß ist, wenn die Regeln der Technik der Entscheidung der Behörde und des Gerichts überlassen werden, ohne klare rechtliche Bestimmungen zu haben. Folglich ist das koreanische Umweltrecht eine Struktur, die sehr unrealistisch und nutzlos ist, wenn der Gesetzgeber nicht das Niveau der wissenschaftlichen und technologischen Entwicklung durch regelmäßige Gesetzesänderung widerspiegelt. Experten für Umwelttechnologie können diese Aufgabe allein nicht leisten. Daher ist eine aktive gesetzgeberische Überwachung 36
Bae, Standard Policy of USA and Germany, Korean Public Management Review, Vol. 31 No. 3 (2017), S. 228. 37 Nicklisch, Technische Regelwerke – Sachverständigengutachten im Rechtssinne?, NJW 1983, 841.
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der Öffentlichkeit und der NRO unter der Prämisse der Beibehaltung des derzeitigen Legislativsystems erforderlich. Auf der anderen Seite ist es ein Glück, dass Korea ein System zur Zertifizierung der Umwelt-Spitzentechnologie hat. Dies ist ein System, das zur Entwicklung der Umweltbranche beiträgt, indem es hervorragende Umwelttechnologien findet und liefert. Sie basiert auf § 7 des Umwelttechnologie- und Umweltindustrieförderungsgesetzes. Die Zertifizierung der Umwelt-Spitzentechnologie ermöglicht es Technologieanwendern, neue Technologien zu nutzen, indem sie Umwelttechnologien bewerten und als neue Technologien für überlegene Technologien zertifizieren. Auf der anderen Seite kann der Technologieentwickler die Entwicklung neuer Technologien fördern und die Umweltindustrie fördern, indem er es ermöglicht, dass die entwickelte Technologie schnell in diesem Bereich verbreitet wird. Zum Ende des Jahres 2015 wurden insgesamt 564 neue Zertifizierungen der Umwelt-Spitzentechnologie ausgestellt und 215 Technologien sind derzeit verfügbar. Von den insgesamt 564 Technologien entfiel der Wasserqualitätssektor mit 212 Fällen auf den höchsten Anteil (37,6 %). Im Jahr 2014 wurden insgesamt 2.151 Projekte auf neue Umwelt-Spitzentechnologie von Unternehmen und Gemeinde angewendet.38 Literaturverzeichnis Bae, Byung-Ho, A study on the meaning of compensation Law of environmental standards in public Law, Korea Environmental Law Review, Vol. 34 No. 1 (2012), S. 203. Bae, Kwi-Hee, Standard Policy of USA and Germany, Korean Public Management Review, Vol. 31 No. 3 (2017), S. 219. Böhm, Monika, Risikoregulierung und Risikokommunikation als Interdisziplinäres Problem, NVwZ 2005, 609 ff. Breuer, Rüdiger, Immissionsschutzrechtliche Vorsorge und Stand der Technik, NVwZ 2016, 822 ff. Breuer, Rüdiger, Strukturen und Tendenzen des Umweltschutzrechts, Der Staat 20 (1981), 393 ff. Chae, Young-Geun, A Study on Environmental Quality Standards under the Framework Act on Environmental Policy, Korea Environmental Law Review, Vol. 38 No. 3 (2016), S. 361. Choi, Seung-Pil, Development of Integrated Pollution Prevention and Control & Appropriateness of Environmental Regulation, Korea Environmental Law Review, Vol. 38 No. 3 (2016), S. 37. Diehl, Andrea, Stärkung des europäischen Konzepts der besten verfügbaren Techniken durch die Richtlinie über Industrieemissionen?, ZUR 2011, 59 ff. 38
https://www.koetv.or.kr/home/info/introduce01.do?menuId=0101&memGubun=.
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Normsetzung und Vertrauensschutz Von Ralf P. Schenke
I. Einführung Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung. Wer diese, dem berühmten Zivilisten Hans Carl Nipperdey zugeschriebene Juristenweisheit auf das Thema Vertrauensschutz und Gesetzgebung anwendet, wird schnell enttäuscht sein. 1. Der textliche Befund Explizit taucht der Begriff Vertrauensschutz im Text des Grundgesetzes nicht auf. Wenn man unter Vertrauensschutz das Vertrauen in die Beständigkeit des geltenden Rechts versteht1, ist im Grundgesetz allein ein Teilaspekt kodifiziert. Nach Art. 103 Abs. 2 GG kann eine Tat nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Damit hat das Grundgesetz eine wichtige Forderung der Strafrechtstheorie der Aufklärung aufgenommen, die von Anselm Feuerbach auf die lateinische Kurzformel „nulla poena, nullum crimen sine lege“ gebracht worden ist: Keine Strafe ohne Gesetz.2 Historisch steht das Verbot rückwirkender Strafgesetzgebung in einem ganz spezifischen Kontext, nämlich der Theorie des psychologischen Zwangs.3 Die Furcht vor der notwendig zu erwartenden Strafe soll den verbrechensgeneigten Täter dazu zwingen, die Tat zu unterlassen. Dies kann aber nur gelingen, wenn ein klares Strafgesetz unmissverständlich und furchterregend droht und die Missachtung der gesetzlichen Ordnung, also die Straftat, bedingungslos bestraft wird.4 Jenseits des Art. 103 Abs. 2 GG schweigt das Grundgesetz zum Thema Vertrauensschutz.
1
Ähnlich Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip, 2002, S. 29. Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden peinlichen Rechts, 3. Aufl. 1805, § 12. 3 Bär, Der Zugriff auf Computerdaten im Strafverfahren, 1992, S. 94. 4 Feuerbach (Fußn. 2), § 20. 2
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2. Rechtsgrundlagen und Rezeption Angesichts des schmalen textlichen Befundes überrascht es, welche Bedeutung dem Vertrauensschutzgrundsatz heute in der deutschen Rechtsordnung zukommt. Vertrauensschutz gilt als zentrale Ausprägung der Rechtssicherheit und neben der Gerechtigkeit als einer der Hauptzwecke des Rechts.5 Verankert wird er im Rechtsstaatsprinzip und in den Grundrechten.6 Rechtsstaatliches Fundament ist die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit des Rechts als „Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen“.7 Deren grundrechtlicher Kern ist die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf.8 In der deutschen Rechtswissenschaft hat das Thema durchgehend Konjunktur. Eindrucksvoll lässt sich dies an der Zahl der ihm gewidmeten Habilitationsschriften belegen. Zwischen 2000 und 2006 ist das Thema in fünf Arbeiten aufgegriffen worden, zuletzt in der über 800 Seiten umfassenden Untersuchung von Arnaulds.9 Ein ähnliches Bild ergibt der Blick in die Rechtsprechung, verzeichnet die Datenbank Juris für den Begriff Stand 27. Januar 2019 doch deutlich mehr als 43.000 Treffer. Bereits dieser erste Problemaufriss unterstreicht, dass es vermessen wäre, das Thema in dem mir vorliegenden Rahmen in allen Facetten auszuloten. Stattdessen möchte ich mich nach ersten Annäherungen in Teil B. auf zwei Aspekte konzentrieren, die mir aus einer rechtsvergleichenden Perspektive besonders interessant erscheinen. Dies ist einmal die grundlegende dogmatische Struktur des Rückwirkungsverbots (Teil C.), d. h. die Frage, inwieweit der Gesetzgeber befugt ist, rechtlich bereits abgeschlossene oder doch jedenfalls begonnene Sachverhalte mit geänderten Rechtsfolgen zu versehen. Eingehen möchte ich aber auch auf jüngere Entwicklungen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Teil D.), wobei auch ein Seitenblick auf die Rechtsprechung des EuGH zu werfen ist.
5
von Arnauld, Rechtssicherheit, 2006, S. 1. BVerfGE 132, 302 Rn. 41; BVerfGE 135, 1 Rn. 63. 7 BVerfGE 126, 369 (393); Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 26 Rn. 81. 8 BVerfGE 135, 1 Rn. 63. 9 Blanke, Vertrauensschutz im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht, 2000; Leisner, Kontinuität als Verfassungsprinzip, 2002; Schwarz (Fußn. 1); Hey, Steuerplanungssicherheit als Rechtsproblem, 2002; von Arnauld (Fußn. 5). 6
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II. Erste Annäherungen 1. Vertrauensschutz als Erfolgsgeschichte Angesichts der großen literarischen Aufmerksamkeit, die dem Vertrauensschutz zuteil wird, beschreibt das Thema ohne jeden Zweifel eine Erfolgsgeschichte.10 Eine Erklärung kann dieser Befund sicherlich nicht darin finden, dass das Institut trivial ist. Über Trivialitäten werden im Allgemeinen keine Habilitationsschriften geschrieben und wenn doch, dann jedenfalls nicht in dieser großen Zahl. Seine Attraktivität dürfte vielmehr in einem anderen Moment gründen. Wie uns die Entscheidungstheorie und die Psychologie lehren, wird die Sicherung des Bestehenden höher gewichtet als die Chance auf Zugewinn. Verlustängste verdrängen Gewinnchancen.11 Das mag irrational sein, erklärt aber, warum der Begriff des Vertrauens und damit auch der des Vertrauensschutzes in besonderer Weise positiv konnotiert ist. Erwartungen zu entsprechen, ist per se immer attraktiver als Vertrauen zu enttäuschen. Vertrauensschutz entspricht einem anthropologischen Grundbedürfnis nach Sicherheit und Beständigkeit. Diese sind Grundvoraussetzungen einer jeden Zukunftsplanung. Versäumt es das Recht, ein Mindestmaß an Kontinuität zu wahren, gefährdet es aber auch seine Grundfunktion der normativen Stabilisierung von Verhaltenserwartungen.12 Der Begriff des Vertrauensschutzes entfaltet damit eine ganz eigene Sogwirkung. Vergleichbar anderen Großbegriffen wie Datenschutz oder Partizipation trägt er die Tendenz zur stetigen Expansion in sich. Wie andere Großbegriffe lebt aber auch er davon, durch einen Antipoden kanalisiert oder gewissermaßen in Schach gehalten zu werden. Hier fällt der Blick in erster Linie auf das Demokratieprinzip.13 2. Antipode Demokratieprinzip Ist eine Rechtsordnung ohne Vertrauensschutz undenkbar, gilt dies in gleicher Weise für ihr Gegenbild einer statischen Rechtsordnung, die einmal erworbene Ansprüche und bestehende Rechtslagen für immer konserviert. Einem solchen Gedankenexperiment schon sehr nahe kommen die Kollisionsregeln des mittelalterlichen Rechts, die den Grundsatz lex posterior derogat legi priori in ihr Gegenteil verkehrt 10
Vgl. etwa Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, 1997, S. 155. Tversky/Kahneman, The Framing of Decisions and the Psychology of Choice, Science 1981, 453 (456); Schweizer, Kognitive Täuschungen vor Gericht: eine empirische Studie, 2005, S. 125 ff.; plakativ Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, 1964, S. 66: „Eine Wohlstandsgesellschaft bewertet die Erhaltung des wirtschaftlichen Besitzstandes häufig günstiger als die Chancen, die ihr aus einer Veränderung erwachsen könnten“. 12 Luhmann, Ausdifferenzierung des Rechts, 1999. 13 S. aber auch Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 26 Rn. 81 zum Spannungsfeld von Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit. 11
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hatten. Nicht das neue Recht brach im Kollisionsfall das alte Recht, sondern das neue Recht hatte dem alten Recht zu weichen.14 Mag eine derartige Rechtsordnung auch in idealer Weise das Grundbedürfnis nach Berechenbarkeit und Stabilität verwirklichen, mutet sie aus einem naheliegenden Grund als vormodern an. Recht legitimiert sich in demokratischen Staaten weniger durch Tradition, sondern weil es vom Souverän, dem Volk, gewollt ist. Das Demokratieprinzip im Normtext des Grundgesetzes abzusichern, ist im Vergleich zum Vertrauensschutz die leichteste Übung. Hier ist nicht nur auf das Staatsstrukturprinzip in Art. 20 Abs. 1 GG („Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“) zu verweisen, sondern auch auf die zahlreichen Konkretisierungen des Demokratieprinzips, insbesondere in Art. 21 und 38 ff. GG. Demokratie ermöglicht Selbstbestimmung. Daneben ist sie aber auch eine Herrschaftsform, die in besonderer Weise das Prinzip von Trial-and-Error verwirklicht.15 Konzepte, die sich nicht bewährt haben, können mit den sie tragenden Parteien abgewählt werden. Die Korrektur von Fehlentscheidungen liegt deshalb bereits in dem wohlverstandenen Interesse der Regierung und der sie tragenden Parteien. Auch aufgrund des offenen Meinungs- und Willensbildungsprozesses wohnt demokratischen Systemen eine besondere Dynamik inne, die Bestehendes auf den Prüfstein stellt und damit potentiell Vertrauensschutz gefährdet. 3. Gleichlauf von Vertrauensschutz und Demokratie Gleichwohl wäre es zu kurz gegriffen, von einem strikten Gegensatz zwischen Vertrauensschutz und Demokratie auszugehen. Gerade der lenkende Interventionsstaat, der in der Verantwortung steht, schnell auf neue gesellschaftliche, soziale und wirtschaftliche Entwicklungen und Herausforderungen zu reagieren, ist in besonderer Weise auf den Schutz des Vertrauens angewiesen. Seine Ziele erreicht er heute weniger durch Befehl und Zwang, sondern indem er die Rahmenbedingungen für das Handeln privater Akteure setzt. Diese sind aber nur bereit, die Lenkungsimpulse des Staates aufzunehmen, wenn sie auf deren Beständigkeit vertrauen können. Eine Negation berechtigter Vertrauenserwartungen müsste sich daher mittel- und langfristig als Pyrrhussieg für die Lenkungs- und Steuerfunktion des Rechts erweisen. Als Homo oeconomicus wäre der Bürger nur noch bereit, sich auf staatliche Lenkungsimpulse einzulassen, die sich sehr kurzfristig amortisieren. Andernfalls muss das Risiko von Rechtsänderungen durch eine Risikoprämie kompensiert werden, sodass für die staatliche Lenkung ein deutlich höherer Preis zu zahlen wäre.16 Auch jen-
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Kern, Recht und Verfassung im Mittelalter, 1953, S. 30 ff.; dazu kritisch Köbler, Das Recht im frühen Mittelalter, 1971, S. 2; weitere Nw. zum Streitstand bei Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, 1997, S. 159 f. 15 BVerfGE 69, 315 (345). 16 Hey (Fußn. 9), S. 99 f.
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seits verfassungsrechtlicher Verbürgungen spricht daher viel dafür, bestehende Rechtspositionen nicht ohne gute Gründe in Frage zu stellen. Die rechte Balance zwischen Beständigkeit und Neuerung zu schaffen, ist daher eine stetige Herausforderung, mit der sich die praktische Politik konfrontiert sieht. In Deutschland ist die Wahrung dieser Balance aber auch zur Daueraufgabe der Verfassungsrechtsdogmatik geworden, was zugleich viel über das deutsche Verfassungsrechtsdenken aussagt.
III. Grundlinien der Dogmatik rückwirkender Gesetze in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Im Zentrum der Dogmatik des Vertrauensschutzes bei der Normsetzung steht seit jeher die Frage der Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.17 1. Die Anfänge Das Bundesverfassungsgericht hat sich der Thematik bereits in seinen frühesten Anfängen angenommen. Die beiden ersten Entscheidungen, die in Band eins und zwei der amtlichen Sammlung veröffentlicht sind, zeugen von einem tastenden Vorgehen. In der ersten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird die Rückwirkung von Gesetzen an sich für zulässig gehalten, zugleich werden dieser aber auch Grenzen gesetzt. Wo diese im Einzelnen liegen, wird nur angedeutet. Sehr vorsichtig formuliert das Gericht, diese könnten etwa dort gesehen werden, wo ein Gesetz rückwirkende Eingriffe in Rechte oder Rechtslagen des Staatsbürgers vornehme, mit dem dieser in dem Zeitpunkt, von dem ab sie nun gelten sollen, nicht rechnen konnte und die er also bei einer verständigen Vorausschau im privaten und beruflichen Bereich nicht zu berücksichtigen brauchte. Als unbedenklich wird angesehen, wenn ein Gesetzesbeschluss zwar vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Rechtsfolge gefasst ist, dieser aber den Betroffenen bekannt war.18 Deutliche Skepsis gegenüber der damals bereits vehement in der Literatur erhobenen Forderung einer Begrenzung der Zulässigkeit rückwirkender Gesetze19 klingt in der im zweiten Band formulierten Folgeentscheidung an. Hier zieht das Bundesverfassungsgericht einen Umkehrschluss aus dem Verbot der Rückwirkung im Strafrecht (Art. 103 Abs. 2 GG). Danach soll – abgesehen vom Strafrecht – keine Bestimmung des positiven Rechts bestehen, die jede Rückwirkung ausschließe. In jedem 17 Aus der älteren monographischen Literatur nur Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, 1981. 18 BVerfGE 1, 264 (280). 19 Vgl. etwa Tietz, NJW 1951, 468; Meyer-Cording, JZ 1952, 161.
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Fall soll Schutz vor rückwirkenden Änderungen des Gesetzes aber dann ausscheiden, wenn mit dem Erlass entsprechender rückwirkender Bestimmungen von vornherein gerechnet werden musste.20
2. Die Unterscheidung von echter und unechter Rückwirkung Einen Meilenstein in der weiteren Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts markiert die im Mai 1960 getroffene Entscheidung zur Kostenrechtsnovelle.21 Seitdem wird in ständiger Rechtsprechung zwischen zwei Formen der Rückwirkung unterschieden, nämlich der echten Rückwirkung bzw. der Rückbewirkung von Rechtsfolgen einerseits und der unechten Rückwirkung bzw. der tatbestandlichen Rückanknüpfung22 andererseits. Diese Unterscheidung ist von fundamentaler Bedeutung, weil sich mit ihr zumindest eine Tendenzaussage über die Verfassungskonformität eines rückwirkenden Gesetzes verbindet. Von einer echten Rückwirkung ist auszugehen, wenn der Gesetzgeber nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift.23 Das klassische Anwendungsbeispiel hierfür sind Änderungen der Steuergesetze, die eine bereits im Zeitpunkt der Verkündung entstandene Steuerschuld betreffen. Von praktisch wohl noch größerer Bedeutung ist die zweite Fallgruppe der sogenannten unechten Rückwirkung. Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet.24 Gesetze mit unechter Rückwirkung regeln also Tatbestände, die bereits vor der Gesetzesverkündung begonnen haben, aber noch nicht vollständig abgeschlossen sind.25 Anschaulich beschreibt dies das Bundesverfassungsgericht dahingehend, der Tatbestand sei bereits vor Verkündung „ins Werk gesetzt“.26 Die Beispiele für derartige Gesetze sind vielfältig.27 Exemplarisch sind hier aus der Rechtsprechung etwa die Erhöhung von Zinsen für von staatlicher Seite gewährte Darlehen28 oder eine Änderung der beitragsrechtlichen Bemessungsgrundlage29 zu 20
BVerfGE 2, 237 (264 f.). BVerfGE 11, 139 (145 f.). 22 Zwischen den Begriffspaaren echte und unechte Rückwirkung und Rückbewirkung von Rechtsfolgen und tatbestandlicher Rückanknüpfung besteht in der Sache kein Unterschied. Die erstgenannten entstammen der Rechtsprechung des 1. Senats, die letztgenannten der des 2. Senats, die sie als Synonyme für die echte und unechte Rückwirkung verwendet (s. Desens, StuW 2011, 113 Fn. 4, 114 Fn. 7). 23 BVerfGE 114, 258 (300); BVerfGE 95, 64 (86); BVerfGE 101, 239 (263). 24 BVerfGE 123, 186 (257); 72, BVerfGE 141 (154); BVerfGE 101, 239 (263). 25 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 20 Rn. 69. 26 BVerfGE 97, 67 (79). 27 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, 3. Aufl., Art. 20 Rn. 165. 28 BVerfGE 88, 384 (406 ff.). 21
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nennen. Ein anderes, besonders anschauliches Beispiel ist die Einführung von Studiengebühren, die sich nicht nur auf neu immatrikulierte Studierende, sondern auch auf Studierende bezieht, die ihr Studium bereits aufgenommen haben.30 In welche dieser beiden Kategorien ein rückwirkendes Gesetz einzuordnen ist, ist von erheblicher Bedeutung. Im Strafrecht wird Art. 103 Abs. 2 GG als absolutes Rückwirkungsverbot interpretiert.31 Jenseits des Strafrechts ist der Schutz weniger stark ausgeprägt. So soll die echte Rückwirkung in der Regel unzulässig,32 die unechte Rückwirkung nach der früheren Rechtsprechung in der Regel zulässig sein.33 3. Dogmatische Differenzierungen Diese Dreiteilung zwischen dem Verbot rückwirkender Strafgesetzgebung, der prinzipiellen Unzulässigkeit von Gesetzen mit echter Rückwirkung und der prinzipiellen Zulässigkeit von Gesetzen mit unechter Rückwirkung wirft vielfältige Fragen auf. Diese beziehen sich einerseits auf die Abgrenzung zwischen den drei Instituten, andererseits darauf, ob und unter welchen Voraussetzungen die Grundregeln zur Unzulässigkeit bzw. Zulässigkeit rückwirkender Gesetze durchbrochen werden müssen. a) Art. 103 Abs. 2 GG Relative Klarheit dürfte zumindest für den Anwendungsbereich und die Rechtsfolgen des Art. 103 Abs. 2 GG bestehen. Die Vorschrift ist nicht nur für Straftaten, sondern ebenso für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten zu beachten.34 Jenseits dieser Erweiterung ist die Rechtsprechung anderen Versuchen, Rückwirkungsprobleme mithilfe von Analogien zu Art. 103 Abs. 2 GG zu lösen, aus guten Gründen entgegengetreten. Insbesondere kann eine derartige Analogie nicht im Bereich des Steuerrechts überzeugen. Angesichts des historischen Kontextes der Norm35 dürfte es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke fehlen. Unterschiede zwischen strafrechtlichen Sanktionen und ungünstigen Rechtsfolgen in anderen Rechtsbereichen bestehen vor allem mit Blick auf die Schutzwürdigkeit. Allein mit der Strafe ist ein ethischer Schuldvorwurf verbunden, sodass außerhalb des Strafrechts nicht von einer vergleichbaren Interessenlage ausgegangen werden kann.36
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BVerfGE 103, 392 (403 ff.). BVerwGE 115, 32 (47 ff.). 31 BVerfGE 30, 367 (385); BVerfGE 95, 96 (131). 32 BVerfGE 95, 64 (86); BVerfGE 101, 239 (263); BVerfGE 109, 133 (181); BVerfGE 114, 258 (300). 33 BVerfGE 97, 67 (79); BVerfGE 92, 277 (344); BVerfGE 103, 392 (403). 34 BVerfGE 87, 399 (411); Pieroth, in Jarass/Pieroth, GG, Art. 103, 14. Aufl. 2016, Rn. 62. 35 S. oben A. I. 36 R. P. Schenke, Die Rechtsfindung im Steuerrecht, 2007, S. 374. 30
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Kritisch zu sehen ist, dass das Bundesverfassungsgericht den absoluten Schutz, den Art. 103 Abs. 2 GG verbürgt, in der ganz besonderen Situation der Mauerschützen durchbrochen hat.37 Dem ist in der Literatur mit guten Gründen entgegengehalten worden, dass die Verfassung keine ungeschriebenen Ausnahmen für besondere Situationen kennt und daher eine Beeinträchtigung des Schutzbereichs auch stets zu einer Verletzung des Art. 103 Abs. 2 GG führen muss.38 b) Abgrenzung zwischen echter und unechter Rückwirkung Immer wieder für Diskussionen sorgt die Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung, weil sich mit dieser doch zumindest eine Vorentscheidung über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines rückwirkenden Gesetzes verbindet. Hier operiert die Rechtsprechung mit einer sehr formalen Unterscheidung, die u. a. im Einkommensteuerrecht relevant wird. Die Einkommensteuer ist eine Jahresabschnittsteuer (§ 2 Abs. 7, § 25 Abs. 1 EStG). Dies hat zur Konsequenz, dass die Steuerschuld erst am Jahresende fällig wird und damit zu einem Zeitpunkt entsteht, in dem die materiellen Steuertatbestände bereits verwirklicht und abgeschlossen sind. Für die Abgrenzung zwischen echter und unechter Rückwirkung knüpft die Rechtsprechung nicht an den materiellen Steuertatbestand, sondern an den Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld zum Jahresende an.39 Die sich hieraus ergebenden Konsequenzen sind weitreichend. Wenn ein Steuertatbestand neu geschaffen wird, der am 31. Dezember in Kraft tritt, kann sich dieser auf den gesamten Veranlagungszeitraum beziehen, ohne dass dies als rückwirkendes Gesetz einzuordnen ist. Dies gilt auch, wenn die Steuerpflichtigen keine Möglichkeit haben, sich vor Inkrafttreten des Gesetzes auf den neuen Steuertatbestand einzustellen. Der Annahme einer Rückwirkung steht entgegen, dass die Steuerschuld erst zum Jahresende und damit nach dem Inkrafttreten des neuen Steuertatbestandes entstanden ist. In der Literatur ist diese formale Differenzierung auf viel Kritik gestoßen.40 Wie im Teil D zu zeigen ist, hält das Bundesverfassungsgericht aber auch in seiner neuen Rechtsprechung an ihr fest. c) Durchbrechungen der Grundregeln Naturgemäß erheblicher Klärungsbedarf besteht hinsichtlich der Voraussetzungen, unter denen einerseits eine prinzipiell unzulässige echte Rückwirkung aus37
BVerfGE 95, 96 (133). Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 103, 14. Aufl. 2016, Rn. 76; Appel, Jura 2000, 571 (577). 39 BVerfGE 132, 302 Rn. 44. 40 Exemplarisch Mellinghoff, DStJG 27 (2004), 25 (45 ff.); Hey (Fußn. 9), S. 259 ff.; Spindler, Stbg. 2010, 529 (531); P. Kirchhof, StuW 2002, 185 (196 f.); Schwarz (Fußn. 1), S. 103 ff. 38
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nahmsweise doch zulässig sein soll und andererseits eine prinzipiell zulässige unechte Rückwirkung ausnahmsweise doch unzulässig ist. d) Zulässigkeit der echten Rückwirkung Allgemein gilt, dass das Rückwirkungsverbot im Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze findet.41 Von vornherein unproblematisch sind rückwirkende Gesetze, mit denen keine Belastungen für den Bürger verbunden sind,42 was in besonderer Weise das grundrechtliche Fundament des Vertrauensschutzes unterstreicht. Kein Vertrauensschutz gilt, soweit sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte oder ein Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig ist. Um diese Anforderungen zu konkretisieren, haben sich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verschiedene, allerdings nicht abschließend definierte Fallgruppen herausgebildet, die vom Gericht selbst als Typisierungen ausnahmsweise fehlenden Vertrauens in eine bestehende Gesetzeslage bezeichnet werden.43 Hierzu zählt, dass die Rechtslage so unklar und verworren war, dass eine Klärung erwartet werden musste.44 Gleiches gilt, wenn das bisherige Recht in einem Maße systemwidrig und unbillig war, dass ernsthafte Zweifel an seiner Verfassungsmäßigkeit bestanden.45 Durchbrochen wird das Rückwirkungsverbot ferner, sofern überragende Belange des Gemeinwohls, die dem Prinzip der Rechtssicherheit vorgehen, eine rückwirkende Beseitigung erfordern46 oder sich der Bürger nicht auf den durch eine ungültige Norm erzeugten Rechtsschein verlassen durfte.47 Eine weitere anerkannte Fallgruppe sind sachlich begründete rückwirkende Gesetze, durch die kein oder nur ein ganz unerheblicher Schaden verursacht wird.48 e) Unzulässigkeit der unechten Rückwirkung Im Unterschied zur echten Rückwirkung ist die unechte Rückwirkung nach tradierter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich zulässig.49 Auch hier können sich aber aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Ver41
BVerfGE 135, 1 Rn. 64; BVerfGE 126, 369 (393). BVerfGE 135, 1 Rn. 63. 43 BVerfGE 135, 1 Rn. 66. 44 BVerfGE 135, 1 Rn. 65; BVerfGE 126, 369 (393 f.). 45 BVerfGE 135, 1 Rn. 65; BVerfGE 30, 367 (288); BVerfGE 13, 215 (224). 46 BVerfGE 135, 1 Rn. 65; BVerfGE 122, 374 (394 f.). 47 BVerfGE 135, 1 Rn. 65. 48 BVerfGE 135, 1 Rn. 65; BVerfGE 30, 367 (389): „Auch das Rechtsstaatsprinzip schützt nicht vor jeglicher Enttäuschung“. 49 BVerfGE 132, 302 Rn. 43. 42
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hältnismäßigkeitsprinzip Grenzen der Zulässigkeit ergeben. Diese sollen erst überschritten sein, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Verhinderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen.50 f) Kritik Die vorstehend skizzierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts war und ist nicht unerheblichen Einwänden ausgesetzt. Hauptkritikpunkt ist der Formalismus der Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung.51 Die Abgrenzung hängt letztlich von steuer- bzw. gesetzestechnischen Zufälligkeiten ab. Würde die Steuerschuld beispielsweise nicht in Jahresabschnitten, sondern in Monatsabschnitten bemessen, würde sich bei Steuerverschärfungen die Zahl der echten Rückwirkungen bei Inkrafttreten eines Steuergesetzes zum Jahreswechsel erheblich ausdehnen. Ein im Dezember mit Wirkung zum 1. Januar in Kraft getretenes Steuergesetz wäre dann hinsichtlich der bis November abgeschlossenen Sachverhalte als echte Rückwirkung einzuordnen, wohingegen nach der tradierten Unterscheidung insgesamt nur eine unechte Rückwirkung anzunehmen ist. Ausgehend vom Planungs- und Dispositionsbedürfnis der Steuerpflichtigen ist zwischen beiden Konstellationen aber letztlich kein substantieller Unterschied auszumachen. Entgegenzuhalten ist der Rechtsprechung weiterhin, dass die Kriterien, nach denen sich die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer Rückwirkung bemisst, selbst in hohem Maße unbestimmt sind. So ist mit der Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung noch keine endgültige, sondern nur eine Vorentscheidung über die Zulässigkeit einer Rückwirkung verbunden. Sowohl die prinzipiell unzulässige echte Rückwirkung kann zulässig, ebenso wie die prinzipiell zulässige unechte Rückwirkung unzulässig sein kann. Dieses Regel-Ausnahmeschema erschwert es sowohl dem Gesetzgeber als auch dem Bürger, eine sichere Prognose darüber zu stellen, ob eine Rückwirkung zulässig ist. Mit anderen Worten wird die Rückwirkungsrechtsprechung selbst zum Unsicherheitsfaktor.52 Exemplarisch hierfür steht etwa die Debatte, zu welchem Zeitpunkt das Vertrauen in den Fortbestand einer bestehenden Regelung entfällt, die durch eine gesetzliche Neuregelung abgelöst worden ist.53 Hier wird teilweise bereits auf die Gesetzesan-
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BVerfGE 132, 302 Rn. 43. Vgl. die Nw. oben Fn. 40. 52 Exemplarisch Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 26 Rn. 86: „Die Lehre kritisiert die unüberschaubare Kasuistik dieser Rechtsprechung.“ 53 Instruktiv Drüen, in: Tipke/Lang, AO, EL. 127, § 4 Rn. 20. 51
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kündigung der Exekutive54 oder auf die Aufnahme von Verhandlungen mit einem ausländischen Staat abgestellt.55 Eine Zäsur soll jedenfalls der Gesetzesbeschluss im Bundestag markieren,56 wohingegen es nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung bei zustimmungsbedürftigen Gesetzen auf die Zustimmung durch den Bundesrat ankommen soll.57
IV. Aktuelle Entwicklungen 1. Neuausrichtung der Vertrauensschutzdogmatik durch den 2. Senat Auf die seit langem geäußerte Kritik in der Literatur am Formalismus der Abgrenzung zwischen echter und unechter Rückwirkung hat der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts in drei am 7. Juli 2010 verkündeten Beschlüssen reagiert.58 Durch diese Entscheidungen ist die Vertrauensschutzdogmatik nach einhelliger Auffassung auf ein neues Fundament gestellt und der Grundsatz des Vertrauensschutzes im Steuerrecht erheblich aufgewertet worden.59 Über diesen Befund hinaus geben die Entscheidungen aber Rätsel auf. Dies ist in weiten Teilen den drei isoliert nebeneinander und wenig anschaulich formulierten Entscheidungsbegründungen geschuldet. a) Festhalten an der Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung Alle drei Entscheidungen hatten unechte Rückwirkungen zum Gegenstand, die zumindest z. T. als verfassungswidrig beanstandet wurden.60 Den seit langem erhobenen Forderungen des Schrifttums, den Grundsatz des Vertrauensschutzes auch in Fällen der unechten Rückwirkung aufzuwerten, ist das Bundesverfassungsgericht in weiten Teilen entgegengekommen. Einleitend wird klargestellt, dass die allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde unverändert bleiben, nicht geschützt ist.61 Anders als in der Literatur gefordert, hält das Bundesverfassungsgericht auch an der 54
BVerfGE 97, 67 (81 f.); a.A. aber BVerfGE 30, 272 (287). BVerfGE 32, 111, (124 f.). 56 BVerfGE 30, 272 (287). 57 Drüen, in: Tipke/Lang, AO, EL. 127, EL. 127, § 4 Rn. 20 m.w.Nw. 58 BVerfGE 127, 1 ff.; BVerfGE 127, 31 ff.; BVerfGE 127, 61 ff. 59 Desens, StuW 2011, 113; Musil/Lammers, BB 2011, 155 (160); Birk, FR 2011, 1 (2); Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, EL. 216, § 4 AO Rn. 767; Drüen, in: Tipke/ Kruse, EL. 127, § 4 AO Rn. 26. 60 Eine Bestätigung erfahren hat die Neuausrichtung der Vertrauensschutzdogmatik in einem am 10. 10. 2012 ergangenen Beschluss des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE 132, 302 ff.; hierzu Desens, FR 2013, 148 ff. 61 BVerfGE 127, 1 (16 f.); BVerfGE 127, 31 (46 f.); BVerfGE 127, 61 (75 f.). 55
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grundsätzlichen Unterscheidung von echter und unechter Rückwirkung fest.62 Das Gericht begründet dies mit der Erwägung, allein in der Fallgruppe der echten Rückwirkung komme dem Vertrauensschutz regelmäßig Vorrang zu. Deutlich eingeschränkt wird die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers dann aber durch die Anerkennung schutzwürdiger Vertrauenstatbestände in Fällen einer unechten Rückwirkung. Werden diese angetastet, muss sich der Gesetzgeber auf Rechtfertigungsebene einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung unterwerfen.63 Die Zulässigkeit einer unechten Rückwirkung ist damit in einem Zweischritt zu prüfen. An erster Stelle steht die Frage, ob sich der Steuerpflichtige auf einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand berufen kann. Wird dies bejaht, ist in einem zweiten Schritt die Frage zu beantworten, ob die Nichtberücksichtigung des schutzwürdigen Vertrauens im Einzelfall verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann.64 b) Neue Vertrauenstatbestände Schutzwürdig soll das Vertrauen dann sein, wenn einer von drei, voneinander unabhängig zu prüfenden Vertrauenstatbeständen erfüllt ist. Bei diesen Vertrauenstatbeständen handelt es sich um - die Verwirklichung des letzten Merkmals des materiellen Steuertatbestandes (dazu 1.), - das Vertrauen in verbindliche Dispositionen (dazu 2.) sowie - den Schutz einer konkret verfestigten Vermögensposition (dazu 3.). Im Folgenden werden diese drei Vertrauenstatbestände im Einzelnen dargestellt.65 Sie unterscheiden sich u. a. auch danach, zu welchem Zeitpunkt der Vertrauensschutz durch ein Tätigwerden des Gesetzgebers aufgehoben wird. aa) Verwirklichung des letzten Merkmals des materiellen Steuertatbestandes Auf besonderen Vertrauensschutz kann sich der Steuerpflichtige berufen, sofern das letzte Merkmal des materiellen Steuertatbestandes vor Verkündung verwirklicht worden ist.66 Angenommen wurde dies im Fall des Zuflusses einer Entschädigungszahlung, mit der der materielle Steuertatbestand vollständig verwirklicht wurde. Im Anschluss daran ist der Steuerpflichtige davor geschützt, dass ein zuvor eingeräumter Sondertarif nachträglich angehoben wird. 62 BVerfGE 127, 1 (16 f.); BVerfGE 127, 31 (46 f.); BVerfGE 127, 61 (75 f.); Desens, StuW 2011, 113 (116). 63 Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, EL. 216, § 4 AO Rdnr. 769. 64 Schönfeld/Häck, DStR 2012, 1725 (1727). 65 Siehe hierzu sehr instruktiv Desens, StuW 2011, 113 (117); ders., FR 2013, 148 (150). 66 BVerfGE 127, 31 (57).
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Mit dem neuen Vertrauenstatbestand greift das Bundesverfassungsgericht ein Kriterium auf, das in der Literatur als Alternative zu der veranlagungsbezogenen Abgrenzung zwischen echter und unechter Rückwirkung vorgeschlagen worden ist. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht, wie oben gezeigt wurde, an der tradierten Abgrenzung zwischen echter und unechter Rückwirkung festhält, so hat es mit der Anerkennung dieser Fallgruppe eines besonderen schutzwürdigen Vertrauens doch der Sache nach die Forderungen der Literatur aufgenommen. Umgesetzt wird das Ziel einer Verstärkung des Vertrauensschutzes indes nicht durch eine Neubestimmung des Begriffs der echten Rückwirkung, sondern durch eine Verschärfung der Anforderungen, die der Gesetzgeber bei Normen mit unechter Rückwirkung zu beachten hat.67 Zur Begründung verweist das Bundesverfassungsgericht „auf die Gewährleistungsfunktion des zum Zeitpunkt des Mittelzuflusses geltenden Rechts“. So dürften die Steuerpflichtigen bei ihren Entscheidungen über Sparen, Konsum oder Investition der erzielten Einnahmen darauf vertrauen, dass der Steuergesetzgeber nicht ohne sachlichen Grund von hinreichendem Gewicht die Rechtslage zu einem späteren Zeitpunkt rückwirkend zu ihren Lasten verändere und dadurch den Nettobetrag der erhaltenen Entschädigung erheblich mindere. Daran könne auch ein im Zeitpunkt des Zuflusses bereits schwebendes Gesetzgebungsverfahren nichts ändern. Auf Vertrauensschutz kann sich der Steuerpflichtige also auch dann berufen, wenn die Streichung des Sondertarifs bereits absehbar war, nachdem das Gesetzgebungsverfahren in Gang gekommen ist. bb) Schutz des Vertrauens in verbindliche Dispositionen Deutlich komplexer ist der Vertrauensschutz im Falle der Schutzwürdigkeit des Vertrauens in verbindliche Dispositionen ausgestaltet. Im Ausgangspunkt begründet die Erwartung, Gewinne später steuerfrei vereinnahmen zu können, keine Schutzwürdigkeit. Das Risiko von Steuerverschärfungen liegt bei Planungs- und Investitionsentscheidungen weiterhin beim Steuerpflichtigen. Abweichendes gilt aber nunmehr beim Hinzutreten besonderer Momente der Schutzbedürftigkeit. In diesem Fall ist der Gesetzgeber verpflichtet, bei der Bestimmung des zukünftigen Steueraufkommens auf Erwartungen der Steuerpflichtigen bei zurückliegenden Dispositionen Rücksicht zu nehmen.68 Eine solche besondere Schutzwürdigkeit bejaht das Bundesverfassungsgericht bei Vereinbarungen über Entschädigungen, bei denen die Parteien von einem besonders günstigen, später erhöhten Steuersatz ausgegangen sind.69 Begründet wurde die 67
Instruktiv Desens, StuW 2011, 113 (120). BVerfGE 127, 31 (49 ff.). 69 § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG sieht mit dem Inkrafttreten des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (BGBl. I 402 v. 24. 03. 1999) anstatt der Vergünstigung des hälftigen Steuersatzes nur noch den Sondertarif der sogenannten Fünftel-Regelung vor. 68
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besondere Schutzwürdigkeit aus dem Zusammenspiel dreier Momente. Hierzu gehörten die Einpreisung der effektiven Steuerbelastung in die Vereinbarung, die Zwangslage des Empfängers der Entschädigung sowie das typischerweise zeitliche Auseinanderfallen der Entschädigungsvereinbarung und deren Auszahlung.70 Der Vertrauensschutz entfällt hier aber bereits für Vereinbarungen, die nach dem Tag der Einbringung der Gesetzesinitiative abgeschlossen wurden.71 Außerdem soll der Dispositionsschutz einer einmal begründeten Vertrauensposition in zeitlicher Hinsicht typisierend auf zwei aufeinanderfolgende Veranlagungszeiträume begrenzt sein, weil der Gesetzgeber das Einkommensteuerrecht typischerweise und dem Periodizitätsprinzip entsprechend veranlagungszeitraumbezogen ändere.72 Wird eine Vereinbarung über eine Entschädigung also im Jahr 01 getroffen, so ist der Steuerpflichtige vor Steuererhöhungen nur insoweit grundsätzlich gefeit, als die Entschädigung noch in 02 ausgezahlt wird. Dagegen muss das Risiko einer Steuererhöhung in 03 vom Steuerpflichtigen getragen werden. cc) Schutz einer konkret verfestigten Vermögensposition Die dritte Fallgruppe eines besonderen Vertrauensschutzes bei unechten Rückwirkungen ist der Schutz einer konkret verfestigten Vermögensposition. Dabei betont das Bundesverfassungsgericht, die bloße Möglichkeit, Gewinne später steuerfrei vereinnahmen zu können, begründe weiterhin keine (vertrauens-)rechtlich geschützte Position. Begründet wird dies unter Hinweis auf Unsicherheiten der weiteren Wertentwicklung. Da mit Wertsteigerungen im Zeitpunkt des Erwerbs nicht sicher gerechnet werden könne, sei auch die Enttäuschung der Hoffnung auf künftige steuerfreie Vermögenszuwächse nicht als Beeinträchtigung greifbarer Vermögenswerte zu werten.73 Etwas anderes soll aber dann gelten, wenn die Wertzuwächse als „konkret verfestigte Vermögensposition“ einzuordnen sind. Diese begründen einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand, der selbstständig neben die übrigen Vertrauenstatbestände treten soll. Praktische und bemerkenswerte Konsequenz ist, dass Wertzuwächse, die bis zur Verkündung der neuen Gesetzeslage steuerfrei hätten realisiert werden können, auch zukünftig nicht steuerlich belastet werden dürfen. Die zeitliche Grenze für die Schutzwürdigkeit markiert die Verkündung der Neuregelung, sodass der Vertrauensschutz im Unterschied zum Dispositionsschutz nicht bereits mit der Gesetzesinitiative entfällt.74
70
BVerfGE 127, 31 (49 ff. Rn. 77); Desens, StuW 2011, 113 (118). BVerfGE 127, 31 (50). 72 BVerfGE 127, 31 (51 ff.). 73 BVerfGE 127, 1 (21); BVerfGE 127, 61 (79). 74 BVerfGE 127, 1 (21); BVerfGE 127, 61 (79). 71
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Von dieser dritten Fallgruppe profitieren konnten Steuerpflichtige, die den Ablauf einer zweijährigen Haltefrist abgewartet hatten, nach deren Verstreichen Gewinne aus der Veräußerung von Vermögensgegenständen ursprünglich steuerfrei vereinnahmt werden konnten. Die Haltefrist war durch den Gesetzgeber dann von zwei auf zehn Jahre erhöht worden. Der erhöhte Rechtfertigungsbedarf folge schon aus dem Erwerb eines konkreten Vermögensbestands durch den Ablauf der Zweijahresfrist. Das zwischenzeitlich eingeleitete und abgeschlossene Gesetzgebungsverfahren könne hieran nichts ändern.75 Obwohl Art. 14 Abs. 1 GG nicht explizit angesprochen wird, spricht die Wortwahl des 2. Senats für eine freiheitsrechtliche Verankerung des Vertrauensschutzes in der Eigentumsgarantie. Dem ist in der Literatur aber mit guten Gründen entgegengehalten worden, vor der Realisierung könne strenggenommen nicht von einer hinreichend verfestigten Rechtsposition gesprochen werden, die Voraussetzung für grundrechtlichen Eigentumsschutz ist.76 Daher ist es zu begrüßen, dass der 2. Senat seine Argumentation zusätzlich durch eine gleichheitsrechtliche Überlegung absichert. In dem Beschluss zur Verlängerung der Spekulationsfrist verweist das Gericht auf das Gebot einer folgerichtigen Ausgestaltung der einkommensteuerlichen Belastungsentscheidung. Wie die allgemeine periodische Einkommensbesteuerung betrieblicher Gewinne ziele auch die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen auf eine die Liquidität des Steuerpflichtigen schonende Erfassung von Wertsteigerungen an einzelnen Gegenständen. An den Zeitpunkt der Realisierung durch Veräußerung werde nicht deshalb angeknüpft, weil erst zu diesem Zeitpunkt der Wertzuwachs entstehe, sondern „obwohl“ er bereits vorher beim Steuerpflichtigen entstanden sei. Damit bleibe das Jahreseinkommen grundsätzlich Maßstab der finanziellen Leistungsfähigkeit, an der die Einkommensteuer auszurichten sei, auch wenn die Besteuerung früherer Vermögenszuwächse zum Zeitpunkt der Veräußerung nachgeholt werde. Soweit in die Ermittlung des Veräußerungsgewinns Wertzuwächse einbezogen werden, die vor dem Veranlagungszeitraum 1999 entstanden sind und deren Realisierung bis Ende des Jahres 1998 nicht steuerbar gewesen wäre, könne deshalb von einem „Nachholen“ der Besteuerung, d. h. von einer schonenden Erfassung von Wertzuwächsen – erst – zum Veräußerungszeitpunkt nicht die Rede sein. Vielmehr greife die Besteuerung auf vorhandene Vermögensbestände der Steuerpflichtigen zu, deren Zuerwerb nicht der Einkommensteuer unterlegen habe. Damit werde die Grundentscheidung für die Bemessung der Einkommensteuer nach der Höhe des Jahreseinkommens verlassen und es bedürfte zur Rechtfertigung auch vor dem Gleichheitssatz sachlich tragfähiger besonderer Gründe.77
75
BVerfGE 127, 1 (21 f.); BVerfGE 127, 61 (81). Desens, StuW 2011, 113, 128. 77 BVerfGE 127, 1 (24 f.). 76
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c) Durchbrechung des Vertrauensschutzes Vor den Beschlüssen des 2. Senats vom 7. Juli 2010 ging die verfassungsrechtliche Rechtsprechung regelmäßig von einer Vermutung für die Zulässigkeit steuerverschärfender Gesetze mit unechter Rückwirkung aus. Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis hat der 2. Senat nunmehr umgekehrt, sofern das Vertrauen besonders schutzwürdig ist. Unter diesen Voraussetzungen ist in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob die Enttäuschung des Vertrauens der Steuerpflichtigen verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann. Dazu werden die gesetzgeberischen Motive einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung unterzogen. Besonderer Hervorhebung bedarf, dass es für die Rechtfertigung nicht ausreicht, auf legitime Gründe für die Neuregelung zu verweisen, sondern gerade die Enttäuschung einer Vertrauensposition gerechtfertigt werden muss. In der Entscheidung zur Verlängerung der Spekulationsfrist nicht akzeptiert hat das Gericht das Gebot der Steuergerechtigkeit, das es gebiete, private Veräußerungsgewinne stärker als bisher bei der Bemessung der finanziellen Leistungsfähigkeit heranzuziehen. Dem hält der 2. Senat entgegen, dies sei kein spezifischer Grund, der gerade auch den rückwirkenden Zugriff auf bereits steuerfrei erworbene Wertsteigerungen legitimieren könne. Verworfen wurde auch der Rechtfertigungsgrund der Gegenfinanzierung. Dieser beschreibe nur einen allgemeinen Änderungsbedarf, der es allein rechtfertige, Wertsteigerungen ab der Verkündung steuerlich zu erfassen. Nicht möglich sei es hingegen, damit gerade auch die rückwirkende Einbeziehung bereits steuerfrei erzielter Vermögenszuwächse zu legitimieren. Abweichendes sei allein in Betracht zu ziehen, wenn mit der innerhalb eines Veranlagungszeitraums rückwirkenden Verschärfung unerwartete Mindereinnahmen oder ein sonstiger außerordentlicher Finanzbedarf aufgefangen werden solle.78 Auch das Ziel einer Verbreiterung der Besteuerungsgrundlage soll kein spezifischer Grund sein, der geeignet sei, den rückwirkenden Zugriff auf bereits steuerfrei erworbene Wertsteigerungen zu legitimieren. Gleiches gelte für die bloße Absicht, staatliche Mehreinkünfte zu erzielen. Dahinstehen könne, inwieweit ausnahmsweise anderes gelte, wenn der Gesetzgeber den allgemeinen Steuertarif mit Wirkung für den laufenden Veranlagungszeitraum „in maßvollen Grenzen“ anhebe. Für möglich gehalten wird eine Rechtfertigung hingegen über die Aspekte der Missbrauchsbekämpfung, ordnungspolitische Sachziele, die Notwendigkeit rascher Korrekturen offensichtlicher Fehlsubventionierungen, aber auch durch das Erfordernis eines praktikablen Vollzugs.
78
BVerfGE 127, 1 (25 ff.).
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d) Zwischenfazit Mit den 2010 getroffenen Entscheidungen ist der Vertrauensschutz bedeutend aufgewertet worden. An der Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung ist weiterhin festzuhalten. Diese hat aber an Bedeutung bzw. Schärfe verloren. Auch in Fällen einer unechten Rückwirkung kann das Vertrauen des Steuerpflichtigen auf den Bestand der bisherigen Rechtslage besonders schutzwürdig sein. In diesen Fällen spricht eine Vermutung für die Unzulässigkeit der unechten Rückwirkung. Die Enttäuschung des Vertrauens ist aber auch dann nicht per se unzulässig. Vielmehr muss sich der Gesetzgeber auf besondere, verfassungsrechtlich legitimierte Gründe berufen können, die dann einer besonders strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung standzuhalten haben. 2. Verbot der rückwirkenden Klarstellung von Gesetzen Das jüngste Ausrufezeichen in der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts zur Rückwirkungsproblematik markiert eine im Dezember 2013 getroffene Entscheidung des 1. Senats.79 Gegenstand der Entscheidung ist die Berechtigung des Gesetzgebers, einen umstrittenen Gesetzesinhalt mit Wirkung für die Vergangenheit klarzustellen. Der 1. Senat will die nachträgliche, klärende Feststellung des geltenden Rechts durch den Gesetzgeber grundsätzlich als konstitutiv rückwirkende Regelung ansehen, wenn dadurch eine in der Fachgerichtsbarkeit offene Auslegungsfrage entschieden wird oder eine davon abweichende Auslegung ausgeschlossen werden soll. Auch hiermit verbindet sich eine bedeutende Aufwertung des Vertrauensschutzes. Wie der 1. Senat bekräftigt hat, soll eine echte Rückwirkung zwar weiterhin zulässig sein, soweit das geltende Recht so verworren erscheint, dass es keine Grundlage für einen verfassungsrechtlich gesicherten Vertrauensschutz mehr bilden kann. Die Anforderungen an diese Fallgruppe werden dann aber – ohne dass dies in der Entscheidung hinreichend deutlich wird80 – gegenüber der bisherigen Rechtsprechung bedeutend verschärft. Allein die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm soll noch nicht genügen, um eine rückwirkende Änderung zu rechtfertigen.81 Andernfalls würde die vom Grundgesetz der rechtsprechenden Gewalt vorbehaltene Befugnis zur verbindlichen Auslegung von Gesetzen unterlaufen.82 Weiterhin bestünde die Gefahr, dass auf diese Weise das Regel-Ausnahme-Verhältnis bei der echten Rückwirkung in dem Sinne in sein Gegenteil verkehrt werde, dass auch sie nicht mehr grundsätzlich unzulässig bliebe, sondern – ebenso wie die unechte Rückwirkung – grundsätzlich zulässig wäre.83 79
BVerfGE 135, 1 ff. Kritisch hierzu Sondervotum Masing BVerfGE 135, 1 Rn. 85 ff. 81 BVerfGE 135, 1 Rn. 67. 82 BVerfGE 135, 1 Rn. 70. 83 BVerfGE 135, 1 Rn. 71. 80
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Die Konsequenzen, die mit dieser Rechtsprechung verbunden sind, sind erheblich. Bei einer unklaren und verworrenen Rechtslage infolge der Auslegungsbedürftigkeit einer Norm kann das geltende Recht nur noch mit Wirkung für die Zukunft festgestellt werden. Damit ist mit der neuen Rechtsprechung eine wesentliche Einschränkung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers verbunden. Bevor die Rechtsprechung abschließend bewertet wird, soll zunächst, gleichsam als Vergleichsfolie, ein Blick auf die Rückwirkungsproblematik im Unionsrecht geworfen werden.
V. Rückwirkung im Unionsrecht Die Rückwirkungsproblematik stellt sich auch im Unionsrecht.84 Referenzgebiete sind neben dem Steuerrecht85 auch das hochregulierte Agrarrecht.86 Die rechtsmethodischen Probleme sind durchaus mit denen des Grundgesetzes zu vergleichen. Da der Vertrauensschutz außerhalb des Strafrechts nicht vertraglich positiviert ist (s. Art. 49 Abs. 1 GrCh), muss der EuGH auf allgemeine Grundsätze des Gemeinschafts- bzw. Unionsrechts zurückgreifen. Seine Rechtsprechung ist damit ähnlich wie die des Bundesverfassungsgerichts richterrechtlich legitimiert. Angesichts des eher kursorischen Begründungsstils, der für die Rechtsprechung des EuGH charakteristisch ist, macht dies eine Konturierung der unionsrechtlichen Vorgaben besonders schwer. Ausgangspunkt ist ein vom EuGH angenommenes grundlegendes Prinzip der Gemeinschaftsrechtsordnung, wonach ein hoheitlicher Rechtsakt den Bürgern nicht entgegengehalten werden darf, bevor diese die Möglichkeit haben, von diesem Rechtsakt Kenntnis zu nehmen.87 Der Grundsatz der Rechtssicherheit soll es dann im Allgemeinen verbieten, den Beginn der Geltungsdauer eines Rechtsakts auf einen Zeitpunkt vor dessen Veröffentlichung zu legen. Der Sache nach entspricht dies einem Verbot der echten Rückwirkung. Ähnlich wie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann dieses Verbot aber durchbrochen werden. Hiervon will der EuGH ausgehen, wenn das angestrebte Ziel es verlangt und das berechtigte Vertrauen der Betroffenen gebührend beachtet wird.88
84
Instruktiv von Arnauld (Fußn. 5), S. 514 ff.; Schmahl, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, 3. Aufl. 2015, § 6 Rn. 41. 85 Vgl. etwa EuGH, Urt v. 26. 04. 2005, C-376/02 (Stichting „Goed Wonen“ / Staatssecretaris van Financiën), Slg. 2005, I-3445. 86 Vgl. etwa EuGH, Urt v. 01. 04. 1993, C-260/91 und C-261/91 (Diversinte und Iberlacta / Administración Principal). 87 EuGH, Urt v. 25. 01. 1979, 98/78 (Decker / Hauptzollamt Landau) Rn. 15. 88 EuGH, Urt v. 25. 01. 1979, 98/78 (Decker / Hauptzollamt Landau); EuGH, Urt v. 26. 04. 2005, C-376/02 (Stichting „Goed Wonen“ / Staatssecretaris van Financiën), Slg. 2005, I-3445 Rn. 33.
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Hinsichtlich der Legitimität des angestrebten Ziels verfährt der EuGH eher großzügig.89 An dem berechtigten Vertrauen fehlt es, wenn mit einer derartigen Regelung zu rechnen war. Schädlich und den Vertrauenstatbestand zerstörend können Begründungserwägungen einer Grundverordnung, Mitteilungen der Kommission, aber auch Veröffentlichungen eines Verordnungsvorschlags im Amtsblatt sein.90 Prozedural werden diese Anforderungen mit Hilfe des Begründungserfordernisses (Art. 296 Abs. 2 AEUV) gesichert. Fehlt es an einer hinreichenden Begründung, muss eine Rechtfertigung der Durchbrechung des Rückwirkungsverbots von vornherein scheitern.91 Deutlich schwächer ausgeprägt ist der Schutz gegenüber unechter Rückwirkung. Hier postuliert der EuGH, es sei vollkommen zulässig und stehe prinzipiell im Einklang mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes, wenn eine neue Regelung auf die künftigen Folgen eines Sachverhalts, der unter der Geltung der früheren Regelung entstanden ist, angewandt werde.92 Allerdings kann es insoweit notwendig sein, die Änderung durch Übergangsregelungen aufzufangen.93
VI. Abschließende Bemerkungen Mit ihrer Rechtsprechung zur Rückwirkung sichern das Bundesverfassungsgericht und der EuGH die Grundfunktion des Rechts, durch Schutz vor abrupten Rechtsänderungen für relative Planungssicherheit zu sorgen. Bei Bewältigung dieser Aufgabe lassen die Normtexte die Rechtsprechung weitgehend im Stich, sodass die Judikatur ausschließlich auf Richterrecht beruht. In der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zeichnet sich die Tendenz ab, den Vertrauensschutz weiter auszudehnen. Das Bundesverfassungsgericht hält zwar an der häufig kritisierten Unterscheidung von echter und unechter Rückwirkung fest, hat den Vertrauensschutz aber durch die Anerkennung besonders schutzwürdiger Vertrauenstatbestände der Sache nach auf ein Niveau gehoben, das dem Schutz vor echten Rückwirkungen entspricht. Kritisch ist anzumerken, dass gerade die neue Rechtsprechung zu unechten Rückwirkung erhebliche Unschärfen aufweist. So bereitet es bereits erhebliche Schwierigkeiten zu beurteilen, ob sich ein Sachverhalt einer der drei Fallgruppen eines besonders schützenswerten Vertrauens zuordnen lässt. Auch wenn dies bejaht wird, gilt 89 EuGH, Urt v. 21. 02. 1991, C-143/88 und C-92/89, C-143/88, C-92/89 (Zuckerfabrik Süderdithmarschen) Rn. 50. 90 EuGH, Urt v. 21. 02. 1991, C-143/88 und C-92/89, C-143/88, C-92/89 (Zuckerfabrik Süderdithmarschen) Rn. 56 ff. 91 EuGH, Urt v. 01. 04. 1993, C-260/91 und C-261/91 (Diversinte und Iberlacta / Administración Principal) Rn. 12. 92 EuGH, Urt v. 12. 05. 2011, C-107/10 (Enel Maritsa Iztok 3) Rn. 39. 93 BFH, BFH/NV 1999, 791 Rn. 26 ff.
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kein absolutes, sondern lediglich ein präsumtives Verbot der Rückwirkung, das gegebenenfalls auch durchbrochen werden kann. Damit ist die Anwendung der Rückwirkungsrechtsprechung in weiten Teilen von intersubjektiv nur schwer verifizierbaren Abwägungsentscheidungen abhängig. Den Rechtsunterworfenen werden dadurch Steine statt Brot gegeben. Wenn die Frage, worauf berechtigterweise vertraut werden kann, nicht ex ante, sondern nur nach jahrelangen Prozessen geklärt werden kann, wird der Anspruch, dem Gesetzgeber wie den Rechtsunterworfenen Orientierungssicherheit zu geben, klar verfehlt und es offenbart sich wieder einmal die „Abwägungsseeligkeit“ des deutschen Verfassungsrechts. Erschwerend tritt hinzu, dass die Gründe der 2010 getroffenen Richtungsentscheidungen an mangelnder Anschaulichkeit kaum zu überbieten sind. Selbst in Großkommentaren gelingt es nicht mehr, diese in ihren verschiedenen Facetten zu rezipieren. Damit sollten die drei Entscheidungen über eine Verstärkung des Vertrauensschutzes hinaus auch noch in anderer Hinsicht einen Wendepunkt markieren: Dringend gefordert ist eine Vereinfachung der Rechtsprechung und dies selbst um den Preis, materiell Vertrauensschutz aufzugeben, um damit wieder mehr Orientierungssicherheit zu gewinnen. Insoweit sollte es dem Bundesverfassungsgericht zu denken geben, dass die vergleichsweise junge Rechtsprechung des EuGH mit deutlich weniger Differenzierungen auskommt, die Unsicherheiten bei ihrer Anwendung denen der Karlsruher Judikatur aber kaum nachstehen dürften. Auch hinter die Entscheidung des 1. Senats ist insofern ein Fragezeichen zu setzen. Wie in dem Sondervotum des Richters Masing kritisiert wurde, verschiebt sich mit der Entscheidung die Legitimation des Vertrauensschutzes vom Schutz subjektiver Freiheit hin zu einer Absicherung eines objektiv-rechtlichen Reservats der Fachgerichtsbarkeit.94 Masing sieht hierin eine gravierende Störung der Balance zwischen Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip. Abweichend von der Einschätzung Masings könnte Verlierer aber nicht nur das Parlament sein. Schaden droht auch das Rechtsstaatsprinzip selbst zu nehmen. Gerade im Steuerrecht besteht ein besonderes Bedürfnis nach Klarstellung oftmals verworrener und widersprüchlicher Rechtslagen. Dieses Bedürfnis kann zukünftig nicht mehr durch den Gesetzgeber, sondern nur noch im Wege des langwierigen Wegs der Fachgerichtsbarkeit befriedigt werden. Damit wird den Steuerpflichtigen zugemutet, unter Umständen über Jahre mit erheblicher Rechtsunsicherheit leben zu müssen. Dass hiermit ein Zugewinn an Rechtssicherheit verbunden ist, muss mit guten Gründen bezweifelt werden.
94
BVerfGE 135, 1 Rn. 86.
Unechte Rückwirkung von Normen Vertrauensschutz als offene Flanke des Rechtsstaates? Von Sung Soo Kim
I. Problemstellung 1. Zur Unterscheidung von echter und unechter Rückwirkung im deutschen Verfassungsrecht Der Begriff der echten und unechten Rückwirkung von Normen ist ursprünglich eine Erfindung der juristischen Literatur und der Rechtsprechung in Deutschland.1 Er ist jedoch auch seitens der koreanischen Lehre und Rechtsprechung rezipiert worden.2 Das grundsätzliche Verbot rückwirkender Normen ergibt sich aus dem Gebot der Rechtssicherheit und dem Schutz des Vertrauens der betroffenen Bürger auf die Beständigkeit der staatlichen Normsetzung. Je nach Fortschritt der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lage eines Gemeinwesens sind aber Veränderungen des Status quo der Gesetze notwendig. Dabei ist jedoch zu beachten, dass das Vertrauen des Einzelnen in die Verlässlichkeit der Rechtsordnung besonders schutzwürdig ist, da die Rechtsordnung ohne dieses Vertrauen keine Anerkennung fände.3 Die begriffliche Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung geht auf die Rechtsprechung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts zurück. Mit der echten Rückwirkung ist ein höherer Vertrauensschutz verbunden. Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm nachträglich ändernd in abgeschlossene, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift. Hingegen nimmt man eine unechte Rückwirkung für den Fall an, dass eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet.4 1
Dazu H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, S. 302 ff. Kim, Sung Soo, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 2014, S. 111. 3 Sodan/Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, 8. Aufl. 2018, S. 79. 4 BVerfGE 11, 139 (145 ff.); 22, 241 (248); 25, 142 (154); 101, 239 (263 ff.). Allerdings können sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und des Verhältnismäßigkeitsprinzips auch Grenzen der Zulässigkeit von Gesetzen ergeben, mit denen keine echte, sondern „nur“ eine unechte Rückwirkung verbunden ist. Diese sind erst überschritten, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht ge2
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Das Bundesverfassungsgericht lässt echte Rückwirkung nur ausnahmsweise zu. Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis wird üblicherweise durch verschiedene Fallgruppen konkretisiert, die allerdings nicht abschließend sind. Danach ist ein echt rückwirkendes Gesetz ausnahmsweise zulässig, wenn die Betroffenen mit der Rückwirkung rechnen mussten, wenn der entstandene Schaden unerheblich ist, wenn das geltende Recht zu verworren war, wenn das rückwirkende Gesetz eine nichtige Vorschrift ersetzt oder wenn zwingende Gründe des Gemeinwohls es erforderlich machten.5 Dagegen wird eine unechte Rückwirkung grundsätzlich zugelassen, jedoch wird die Bedeutung des rückwirkend beschlossenen gesetzgeberischen Anliegens mit dem Gewicht des Vertrauens der vom Gesetz Betroffenen abgewogen.6 Im Einzelfall kann daher auch eine unechte Rückwirkung unzulässig sein. Anders als der Erste Senat unterscheidet der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts zwischen der Rückbewirkung von Rechtsfolgen und tatbestandlicher Rückanknüpfung. Die Differenz zwischen beiden Senaten ist bei Lichte betrachtet aber nur terminologischer Art. Danach liegt eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen vor, wenn die Rechtsfolgen einer Norm schon für einen vor ihrer Verkündung liegenden Zeitraum gelten. Tatbestandliche Rückanknüpfung betrifft nach der Judikatur des Zweiten Senats den sachlichen Anwendungsbereich einer Norm und ist gegeben, wenn die Rechtsfolgen eines Gesetzes erst nach Verkündung einer Norm eintreten, ihr Tatbestand aber Sachverhalte erfasst, die bereits vor der Verkündung ins Werk gesetzt wurden.7 In neueren Entscheidungen schließt sich der Zweite Senat jedoch teilweise der Terminologie des Ersten Senats an.8 eignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen, BVerfGE 122, 374 (394 ff.). 5 BVerfGE 13, 206 (213); 18, 429 (439); 27, 167 (173 ff.); 37, 363 (397 ff.); 72, 200 (258 ff.). Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit ausgeführt, dass „eine Ausnahme vom Grundsatz der Unzulässigkeit echter Rückwirkungen […] gegeben [ist], wenn die Betroffenen schon im Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung bezogen wird, nicht auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung vertrauen durften, sondern mit deren Änderung rechnen mussten (vgl. BVerfGE 13, 261 [272]; 30, 367 [387]; 95, 64 [86 f.]; 122, 374 [394]). Vertrauensschutz kommt insbesondere dann nicht in Betracht, wenn die Rechtslage so unklar und verworren war, dass eine Klärung erwartet werden musste (vgl. BVerfGE 13, 261 [272]; 18, 429 [439]; 30, 367 [388]; 50, 177 [193 f.]; 88, 384 [404]; 122, 374 [394]; 126, 369 [393 f.]) oder wenn das bisherige Recht in einem Maße systemwidrig und unbillig war, dass ernsthafte Zweifel an seiner Verfassungsmäßigkeit bestanden (vgl. BVerfGE 13, 215 [224]; 30, 367 [388]). Der Vertrauensschutz muss ferner zurücktreten, wenn überragende Belange des Gemeinwohls, die dem Prinzip der Rechtssicherheit vorgehen, eine rückwirkende Beseitigung erfordern (vgl. BVerfGE 13, 261 [272]; 18, 429 [439]; 88, 384 [404]; 95, 64 [87]; 101, 239 [263 f.]; 122, 374 [394 f.]), wenn der Bürger sich nicht auf den durch eine ungültige Norm erzeugten Rechtsschein verlassen durfte (vgl. BVerfGE 13, 261 [272]; 18, 429 [439]; 50, 177 [193 f.]; 101, 239 [263 f.]; 122, 374 [394 f.]) oder wenn durch die sachlich begründete rückwirkende Gesetzesänderung kein oder nur ein ganz unerheblicher Schaden verursacht wird (sogenannter Bagatellvorbehalt, vgl. BVerfGE 30, 367 [389]; 72, 200 [258])“, BVerfGE 135, 1 Rn. 62. 6 BVerfGE 39, 128 (144 ff.); 50, 386 (395); 71, 255 (273); 74, 129 (155). 7 BVerfGE 72, 200 (253 ff.); 78, 249 (283 ff.); 109, 239 (263 ff.).
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Praktische Relevanz erlangt die Unterscheidung vor allem im Bereich des Steuerrechts. Da der Anspruch auf periodische Steuern erst am Ende des Kalenderjahres entsteht, nimmt das Bundesverfassungsgericht bloß eine unechte Rückwirkung an, wenn das Gesetz noch vor Jahresende mit Wirkung ab Jahresanfang beschlossen wird. Dagegen liegt echte Rückwirkung vor, wenn das Gesetz rückwirkend ab dem Vorjahr beschlossen wird.9 2. Aktuelle rechtspolitische Bedeutung der Rückwirkungsthematik Warum aber taucht das Thema der Rückwirkung von Normen in Korea Mitte der neunziger Jahre auf, warum wird die deutsche Judikatur in das Problemfeld einbezogen und worin liegt ihre praktische Bedeutung? Mittlerweile befindet sich Korea in einem tiefgreifenden demographischen Wandel, für den eine der weltweit niedrigsten Geburtenraten und die drastische Überalterung der Bevölkerung kennzeichnend ist. Ein Folgeproblem ist die Reformbedürftigkeit der verschiedenen Rentensysteme, die an den bekannten chronischen Finanzdefiziten leiden.10 Das Hauptanliegen der gesetzlichen Rentenreformen ist die Kürzung der Versorgungsleistungen sowohl heutiger und künftiger Beitragszahler als auch für diejenigen, die schon pensioniert sind. Die Rentenreformen in Korea beziehen sich auf diese drei Gruppen, wobei die letzte besonders problematisch zu sein scheint. Nach allgemeiner Auffassung stellt die Kürzung der Renten aktueller Rentner eine unechte Rückwirkung dar, weil die Reformgesetze gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Rechtsbeziehungen für die Zukunft betreffen und die tangierten Rechtspositionen der Rentner nachträglich entwerten. Wie im Folgenden zu zeigen ist, ergeben sich hieraus allerdings kaum Einschränkungen für den Gesetzgeber. Die betreffenden Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs und des Verfassungsgerichts in Korea sind daher kritisch zu bewerten. Als zusätzliche und materiell wirksame Maßstäbe kommen aber die Grundrechte wie Eigentumsfreiheit, Gleichheitssatz und auch das Recht auf menschenwürdiges Dasein in Betracht.
8 BVerfGE 141, 56 Rn. 43; BVerfG Beschluss (Kammer) v. 29. 9. 2015 – 2 BvR 2683/11 Rn. 57 ff. = DStR 2015, 2757 (2764 f.); BVerfG Beschluss (Kammer) v. 30. 9. 2015 – 2 BvR 1066/10 Rn. 63 f. = BeckRS 2015, 55596. 9 BVerfGE 11, 139 (145 ff.); 13, 274 (278); 18, 135 (143); 38, 61 (83); 72, 200 (253). 10 Dazu Sung Soo Kim, Kritische Bemerkung zu der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 24. 4. 2014, Yonsei Law Review 25, Nr. 2, S. 1 ff.
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II. Echte und unechte Rückwirkung von Normen in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts und des Obersten Gerichtshofs in Korea 1. Die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts Die begriffliche Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung von Normen hat das koreanische Verfassungsgericht übernommen.11 In einer 1989 getroffenen Entscheidung führt das Verfassungsgericht aus, dass nach Art. 13 Abs. 2 der koreanischen Verfassung die Wahl- und Eigentumsrechte der Bürger durch echte Rückwirkung von Normen nicht eingeschränkt werden dürfen. Rückwirkende Normen unterscheiden sich danach, ob eine Norm nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit zugehörige Tatbestände eingreift oder ob eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt. Die erste Konstellation betrifft die sog. echte Rückwirkung, während die zweite sich auf die sog. unechte Rückwirkung bezieht. Im Gegensatz zu der echten Rückwirkung, die im Grundsatz verfassungsrechtlich unzulässig ist, ist eine unechte Rückwirkung grundsätzlich zulässig, wenngleich auch dort im Rahmen einer Abwägung zwischen öffentlichen Belangen und dem Erfordernis des Vertrauensschutzes die gesetzgeberischen Gestaltungsspielräume mehr oder weniger beschränkt sind.12 Das koreanische Verfassungsgericht ist von der ausnahmsweisen verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der echten Rückwirkung von Gesetzen ausgegangen, um die Vergangenheitsbewältigung der zwei ehemaligen diktatorischen Staatspräsidenten Chun Doo Whan und Ro Tai Woo zu rechtfertigen, die Verfassungsverbrechen begangen haben. Das Verfassungsgericht stellte fest, dass die echte Rückwirkung von Normen im Rechtsstaat verfassungsrechtlich insofern unzulässig sei, als sie den Einzelnen einer gefestigten Rechtsposition beraube und gegen den auf dem Rechtsstaatsprinzip beruhenden Vertrauensschutz und die Rechtssicherheit des Bürgers verstoße. Nur wenn in Sonderfällen schwerwiegende öffentliche Belange die Verletzung des Vertrauensschutzes und der Rechtsposition des Einzelnen rechtfertigen, sei sie ausnahmsweise gestattet.13 Von solchen Sonderfällen sei auszugehen, wenn die rückwirkende Rechtssetzung entweder von den Bürgern vorauszusehen war, das mit der Rechtslage verbundene 11 Dazu ausführlich Bu Ha Lee, Public Law 40, Nr. 2, Korean Public Law Association, S. 330 ff.; Entscheidung des Verfassungsgerichts vom 18. 12. 1989 (89 Hun Ba 32, 33). 12 Entscheidung des Verfassungsgerichts vom 28. 2. 2008 (2005 Hun Ma 872). Dies bedeutet, dass die unechte Rückwirkung nicht vom Rückwirkungsverbot des Art. 13 Abs. 2 Koreanische Verfassung erfasst wird und daher nur ausnahmsweise nach Maßgabe anderer verfassungsrechtlicher Bestimmungen, insbesondere des Vertrauensschutzes als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips, verfassungsrechtlich unzulässig sein kann. 13 Entscheidungen des Verfassungsgerichts vom 17. 3. 1989 (88 Hun Ma 1; 18. 12. 1989 (89 Hun Ma 32, 33).
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Vertrauen der Betroffenen geringfügig erscheint oder schwerwiegende öffentliche Belange, die gegenüber dem Vertrauen des Einzelnen vorrangig sind, die rückwirkende Normsetzung rechtfertigen. Im Unterschied zu der unechten Rückwirkung, bei der bloß eine Abwägung zwischen öffentlichen Interessen und dem Schutz des Vertrauens des Betroffenen stattfinde, sei die Zulässigkeit der echten Rückwirkung an strenge Voraussetzungen gebunden, die sie nur ausnahmsweise rechtfertigten. Dies gelte umso mehr für die Fälle, bei denen die Beschränkung wichtige Grundrechte wie die körperliche Unversehrtheit betreffe. Im Mittelpunkt einer heftig geführten Diskussion, ob die echte Rückwirkung von Normen verfassungsrechtlich zu rechtfertigen sei, stand das Gesetz zur Rückgabe des in der japanischen Kolonialzeit von 1905 bis 1945 erworbenen Grundeigentums (im Folgenden Rückgabegesetz). Das Ziel des Rückgabegesetzes lag darin, das Grundeigentum der mit der japanischen Kolonialmacht kollaborierenden hochrangigen koreanischen Beamten wieder an die Staatskasse zurückzugeben. Das Verfassungsgericht entschied, dass das Rückgabegesetz zwar eine echt rückwirkende Norm sei. Dies sei jedoch deswegen verfassungsmäßig, weil es für die Betroffenen aus gegebenen Gründen bereits vorhersehbar gewesen und damit ihr Vertrauen nicht verletzt worden sei.14 Erstens stelle das in Frage kommende Grundeigentum eine Gegenleistung für die Kollaboration mit der japanischen Kolonialherrschaft dar. Deshalb seien für die Betroffenen die zwangsweise Enteignung und Rückgabe ihres Eigentums an die Staatskasse ebenso voraussehbar gewesen wie, dass sie nach der koreanischen Unabhängigkeit von der japanischen Kolonialherrschaft ihr Grundeigentum nicht permanent behalten und ihren Nachkommen übereignen durften. Denn sie hätten genau gewusst, dass es der Grundsatz der Gerechtigkeit erfordere, dem Staat das während des japanischen Kolonialismus erworbene Grundeigentum zurückzugeben. Zweitens sei der Geist des Widerstandes gegen den japanischen Kolonialismus eine verfassungsrechtliche Wertvorstellung, die seit der konstituierenden Verfassung im Jahr 1948 auch noch bis in die Gegenwart fortwirke. In diesem Sinne sei die historische Aufarbeitung der japanischen Herrschaft einschließlich der Rückgabe des zu Unrecht erworbenen Eigentums auch weiterhin von aktueller Bedeutung. Drittens sei bereits seit 1948 permanent die Forderung erhoben worden, die Kollaboration mit der japanischen Kolonialherrschaft sowohl historisch als auch juristisch aufzuarbeiten und damit soziale Gerechtigkeit zu verwirklichen. Im Hinblick auf die ständige Diskussion der historischen Aufarbeitung sei für die Eigentümer die Forderung, das als Gegenleistung für die Kollaboration mit der japanischen Herrschaft erworbene Vermögen müsse zurückgegeben werden, im gewissen Umfang absehbar gewesen. Im Übrigen seien die zur Aufarbeitung des japanischen Kolonialismus geschaffenen Gesetze notwendigerweise als rückwirkende Normen erlassen worden, da die Materie vorher nicht hätte geregelt werden können. Das gelte auch für das fran14
Entscheidung des Verfassungsgerichts vom 31. 3. 2011 (2008 Hun Ba 141).
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zösische Aufarbeitungsgesetz, das erst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges die Kollaborateure mit dem Vichy-Regime und der deutschen Besatzungsmacht habe bestrafen können. Zwar seien die Bestimmungen des Rückgabegesetzes als echte rückwirkende Normen anzusehen. Diese seien aber dennoch verfassungsmäßig, denn sie seien für die Betroffenen vorauszusehen gewesen und im Verhältnis zum verletzten Vertrauen durch einen überwiegenden öffentlichen Belang gerechtfertigt.
2. Kritische Bemerkung Es ist nachvollziehbar, dass echt rückwirkende Normen trotz ihrer grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Unzulässigkeit weltweit als ein Instrument zur Aufarbeitung historischen Unrechts angewendet werden. Dies gilt auch für die Kollaboration mit der japanischen Herrschaft. Notwendigerweise war der Gesetzgeber erst nach dem Ende der japanischen Herrschaft in der Lage, diesen Sachverhalt gerecht zu regeln. Wie bereits dargelegt, hat das koreanische Verfassungsgericht ausgeführt, dass die rückwirkende Rechtssetzung zulässig sei, wenn sie für die Bürger voraussehbar gewesen sei, das mit der Rechtslage verbundene Vertrauen der Betroffenen geringfügig erscheine oder die dem Vertrauen des Einzelnen vorausgehenden schwerwiegenden öffentlichen Belange die rückwirkende Normsetzung rechtfertigten. Diese Argumentationsweise hat das Verfassungsgericht im Grunde genommen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts übernommen, bei der die echte Rückwirkung von Normen ebenfalls ausnahmsweise für zulässig gehalten wird. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass im Unterschied zu der deutschen Verfassungslage15 die echte Rückwirkung von Normen nach der koreanischen Verfassung in gewissen Bereichen ausdrücklich verboten ist. Art. 13 Abs. 2 der koreanischen Verfassung bestimmt, dass die Wahlrechte und die Eigentumsfreiheit der Bürger durch die rückwirkende Normsetzung weder aberkannt noch entzogen werden dürfen. Art. 13 Abs. 2 verbietet zweifelsohne allein die echte Rückwirkung von Normen und schützt damit – historisch betrachtet – die früheren Machtinhaber davor, nach einem Machtwechsel durch ihre politischen Gegner mit echt rückwirkenden Normen unterdrückt zu werden. Im Hinblick darauf hätte das Verfassungsgericht sich vor allem mit der verfassungsrechtlichen Begründung der echten Rückwirkung dogmatisch auseinandersetzen und begründen müssen, aus welchen Gründen das Rückgabegesetz trotz des ausdrücklichen Verbots der Wegnahme von Eigentum als verfassungsmäßig auszusehen ist. Beispielsweise hätte das Verfassungsgericht darlegen müssen, dass Art. 13 Abs. 2 15
Nach Art. 103 Abs. 2 GG besteht ein absolutes und ausdrücklich verfassungsrechtlich bestimmtes Verbot nur für den Bereich echt rückwirkender Strafgesetze. Auch das deutsche strafrechtliche Rückwirkungsverbot nach Art. 103 Abs. 2 GG gilt nicht absolut, sondern kann ausnahmsweise in besonderen Fällen durch kollidierendes Verfassungsrecht durchbrochen werden, vgl. BVerfGE 95, 96 (133).
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der koreanischen Verfassung nicht als eine Kernregelung der Verfassung, sondern lediglich als Norm auf Stufe des einfachen Gesetzesrechts zu qualifizieren ist. Die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts muss sich daher vorhalten lassen, eine verfassungsrechtliche Regelung mit den oben skizzierten Argumenten ausgehebelt zu haben. Das Verfassungsgericht hätte demnach die betroffenen Regelungen des Rückgabegesetzes als verfassungswidrig oder zumindest als mit der Verfassung unvereinbar erklären und eine Verfassungsänderung des Art. 13 Abs. 2 anregen können, um die Norm aus der Verfassung zu streichen. Ohne Art. 13 Abs. 2 der Verfassung würde dem Gesetzgeber ein Spielraum zugebilligt, den er zwar nur ausnahmsweise, aber doch erforderlichenfalls nutzen kann, um echt rückwirkende Normen zu erlassen.16 3. Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs a) Rechtsprechung zur Prüfungsverordnung vom 16. November 2006 Auch der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach Gelegenheit gefunden, sich mit der Problematik der Rückwirkung von Normen auseinanderzusetzen. Anders als beim Verfassungsgericht, bei dem die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen der echten Rückwirkung von einfachen Gesetzen im Vordergrund standen, ging es dabei um Normen, die unterhalb des einfachen Gesetzesrechts stehen. Ihren Höhepunkt erreichte die Debatte mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 16. November 2006. Gegenstand der Entscheidung war eine Prüfungsordnung, die durch Rechtsverordnung des Staatspräsidenten geändert wurde, das Vertrauen vieler Prüfungskandidaten beeinträchtigte und zugleich ihre Rechtspositionen nachträglich entwertete.17 In der Entscheidung führte der Oberste Gerichtshof aus, dass die aus der Verfassung abgeleitete Rechtsstaatlichkeit nicht nur eine formelle Seite aufweise und sich nicht nur auf den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts beschränke. Vielmehr ziele die Rechtsstaatlichkeit auch materiell nach ihrem Zweck und Inhalt auf die verfassungsrechtliche Verwirklichung der Grundrechte der Bürger und sei entsprechend zu erweitern. Zu dem Kern der materiellen Rechtsstaatlichkeit gehöre in erster Linie die Rechtssicherheit der Bürger, die Art. 13 Abs. 2 der koreanischen Verfassung mit dem Verbot des rückwirkenden Eigentumsentzugs garantiere. Dazu zähle auch das Prinzip des Vertrauensschutzes, das das berechtigte Vertrauen auf den Bestand der Rechtsordnung schütze. So könnten die Bürger auf den Fortbestand der Gesetze vertrauen, die ihre Rechtsposition und Rechtsverhältnisse ausgestalten. Schütze der 16 Außer den rückwirkenden Strafgesetzen, die nach Art. 103 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich ausdrücklich verboten sind, könnte sich in Deutschland aus einer verfassungsrechtlichen Auslegungsweise ergeben, dass in bestimmten Fällen die echte Rückwirkung von Normen ausnahmsweise zulässig ist. Dies gilt natürlich nicht für die koreanische Verfassungslage. Die Auslegung von Normen soll nicht die bestimmten gesetzlichen Regelungen umgehen. 17 Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 16. 11. 2006 (2003 Du 12899).
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Staat die schutzwürdigen Rechtspositionen der Bürger nicht, schwinde das Vertrauen der Bürger in die Rechtsordnung und es würden die Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit der Gesetze in Frage gestellt. Aus der materiellen Rechtsstaatlichkeit resultiere die Verpflichtung des Staates, dass der Gesetzgeber und die Verwaltung bei der Änderung der Gesetze oder der darunter stehenden Rechtsverordnungen angemessene Maßnahmen zum Schutz des Vertrauens und der Rechtssicherheit der Bürger zu ergreifen haben, beispielsweise indem Übergangsregelungen erlassen werden. Allerdings gelte das Erfordernis des Vertrauensschutzes nicht absolut, sondern sei je nach Schutzniveau der betroffenen Rechte und Interessen unterschiedlich zu beurteilen und könne beim Vorliegen eines öffentlichen Belangs von herausragender Bedeutung durch Gesetzesänderungen beschränkt werden. Wenn bei der Änderung der Gesetze das Vertrauen der Bürger auf den Bestand der bisherigen Rechtsordnung rational und gerecht sei und demzufolge die aus der Änderung der Gesetze folgenden Schäden der Betroffenen die öffentlichen Belange weitgehend überwögen, habe der Gesetzgeber Übergangsregelungen zu treffen, um das Vertrauen der Betroffenen angemessen zu schützen. In der Entscheidung aktiviert der Oberste Gerichtshof das Prinzip des Vertrauensschutzes als Prüfungsmaßstab der Rechtsmäßigkeit einer Rechtsverordnung. Bemerkenswert ist vor allem die Aussage des Gerichtshofs, dass der Vertrauensschutz nicht bloß bei der echten Rückwirkung der Normen, sondern auch bei der unechten Rückwirkung der Normsetzung zu beachten sei und damit auch eine unechte Rückwirkung rechtswidrig sein könne,18 die auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirke und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwerte.19 Nach dem Obersten Gerichtshof bedarf es einer gerechten Abwägung von verschiedenen Interessen, also beispielsweise der Schutzwürdigkeit des verletzten Vertrauens, der Schwere und Art und Weise der Vertrauensverletzung, der mit der Gesetzesänderung verfolgten öffentlichen Belange etc. Obwohl nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und auch des Verfassungsgerichts das Vertrauensschutzprinzip bei der unechten Rückwirkung in der Regel als Prüfungsmaßstab in Betracht kommt, setzt es dem gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum nur behutsam Grenzen. Dazu sind die die Rückwirkung rechtfertigenden öffentlichen Belange in eine gerechte Abwägung einzustellen. Bislang haben die beiden obersten Gerichte in Korea die unechte Rückwirkung bei der Normsetzung kaum als rechtswidrig angesehen und gehen von der grundsätzlichen Zulässigkeit der unechten Rückwirkung von Normen aus.
18
Sung Soo Kim (Fn. 2), S. 117. Anders ausgedrückt, kann auch eine Normsetzung mit unechter Rückwirkung rechtswidrig sein, sofern sie bei materieller Betrachtung das Vertrauen der Betroffenen in unverhältnismäßiger Weise verletzt. 19
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Die oben skizzierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ist deshalb bemerkenswert, weil sie die Rechtsprechung beider oberster Gerichte zur fast schrankenlosen Zulässigkeit der unechten Rückwirkung von Normen in Frage stellt. Die Entscheidung könnte auch auf die Kürzung der Rentenversorgung bzw. die nachträgliche Entwertung der Rechtsposition der Rentenberechtigten durch unecht rückwirkende Änderung der verschiedenen Rentengesetze, beispielsweise bezüglich der Renten der Beamten und der Beschäftigten der Privatschulen einschließlich der Hochschulen, übertragen werden. Höchst problematisch wäre etwa eine drastische Versorgungskürzung mit Rücksicht auf eine akute Finanzknappheit, die sich entweder aus einer weltweiten Finanzkrise oder dem wirtschaftlichen Missmanagement der koreanischen Regierung, vergleichbar mit der Devisenkrise 1997, ergeben könnte. In diesen Fällen scheinen die Gerichte wegen der unechten Rückwirkung von einem schrankenlosen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum auszugehen. Der Vertrauensschutz fände kaum Anwendung, weil es wiederum um die Krisenbewältigung des Staates geht, dem ein absoluter Vorrang zukommt. b) Entscheidung zur Rentenverkürzung und unechten Rückwirkung vom 24. April 2014 In einer im April 2014 getroffenen Entscheidung ging es um die Kürzung von Renten durch eine Gesetzesänderung, die das Eigentum der derzeitigen Rentner nachträglich entwertet hatte. Nachdem das Verfassungsgericht das alte Beamtenrentengesetz als verfassungswidrig beurteilt hatte,20 erließ der Gesetzgeber mit Verzögerung ein neues Beamtenrentengesetz. Allerdings war der Kläger bereits vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes aus seinem Amt ausgeschieden, d. h. die Auszahlung seiner Rente begann noch unter Geltung des alten Gesetzes. Das neue Gesetz sieht eine Kürzung seiner monatlichen Rente vor. Der Kläger hielt das neue Gesetz für eine echt rückwirkende Norm, weil das Rechtsverhältnis, das die Auszahlung seiner Rente regele, mit dem Austritt aus seinem Amt nach dem alten Gesetz als abgeschlossen zu betrachten sei.21 Das Oberverwaltungsgericht in Seoul hat dem folgend entschieden, dass das Rentenrechtsverhältnis schon mit dem Ausscheiden des Klägers aus dem Staatsdienst begonnen habe und demzufolge die nachträglich gekürzte Auszahlung seiner Rente nach dem neuen Gesetz als eine echte Rückwirkung der Norm anzusehen und deshalb rechtswidrig sei.22 Dagegen hat der Oberste Gerichtshof ausgeführt, dass das Recht auf Auszahlung der Rente von Beamten zwar bereits mit dem Ausscheiden aus dem Amt entstehe, das Rentenrechtsverhältnis aber nicht auf die einmalige Auszahlung abziele. Vielmehr sei es als monatlich gewährte Dauerleistung zu charakte20 21
272. 22
Entscheidung des Verfassungsgerichts vom 29. 8. 2013 (2011 Gun Ba 36). Ähnlich Kwang Seok Chun, Koreanisches Verfassungsrecht, 10. Aufl. 2015, S. 270 – Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts von Seoul vom 22. 11. 2013 (2011 Nu 5157).
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risieren, sodass die Rente bei jeder Auszahlung erneut bezogen werde. Die Gesetzesänderung, die die Auszahlung der Rente nachträglich und nachteilig entwerte, sei deshalb nicht als echte Rückwirkung, sondern als unechte Rückwirkung einzuordnen.23 Auch in dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten. Eine unechte Rückwirkung bleibe grundsätzlich zulässig, jedoch müsse die Bedeutung des rückwirkend beschlossenen gesetzgeberischen Anliegens mit dem Gewicht des Vertrauens der vom Gesetz Betroffenen abgewogen werden. Von dem neuen Gesetz seien bloß Anwartschaftsrechte der Rentner betroffen, die verfassungsrechtlich als Eigentum, jedoch nicht als abgeschlossene, sondern als sich noch in der Gestaltung befindende Rechte anzusehen seien. Insofern seien die Regelungen des neuen Gesetzes als unechte Rückwirkung von Normen zu qualifizieren, da sie die sich noch aktualisierenden Rechtsverhältnisse beträfen und damit verfassungsrechtlich zulässig seien. Die Auffassung des Obersten Gerichtshofs ist überzeugend, weil das Rentenrechtsverhältnis nicht auf einmalige Auszahlung abzielt, sondern zu dauerhaften Bezügen führt, sodass die jeweilige Auszahlung der Rente eine laufende Geldleistung darstellt. Anderenfalls wären Rentenreformen, die normalerweise entweder eine Erhöhung des Renteneintrittsalters oder eine Kürzung von Versorgungsleistungen vorsehen, kaum möglich, was zu einem nur schwer tragbaren Ergebnis führen müsste.24 Auch wenn derartige Gesetzesänderungen dem Grunde nach als unumgänglich zu akzeptieren sind, kann es darum gehen, ob sich im Verhältnis zu dem mit der Änderung der Rentengesetze verfolgten öffentlichen Belang die Verletzung des Vertrauens der Rentner als schwerwiegend darstellt. Allerdings scheint es verfassungsrechtlich wünschenswert, im neuen Gesetz eine Übergangsregelung festzulegen, die den Zugriff auf das Eigentum der Rentner mäßigt oder das Rentenniveau sogar beibehält und nur künftige Steigerungen begrenzt. Wenn aber eine Finanzkrise der staatlichen Rentenkasse ein solch unerwartet hohes Niveau erreicht, dass sie dringend Reformen des Rentensystems der Beamten erforderlich macht, muss auch eine Kürzung der Versorgungsbezüge der Beamten in Betracht kommen. In diesen Fällen überwiegt ein hervorragender öffentlicher Belang die Schutzwürdigkeit des Eigentums und des damit verbundenen Vertrauens der Rentner. Im Ausnahmefall besteht damit keine gesetzgeberische Pflicht, eine Übergangsregelung anzuordnen, wenn sonst die Finanzkrise nicht effektiv und rechtzeitig zu bewältigen wäre. Im Hinblick darauf, dass bei den Rentenreformen dem Gesetzgeber ein weitreichender Gestaltungsspielraum zugestanden wird, spielt der Vertrauensschutz damit im Ergebnis kaum eine Rolle.
23 24
Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 24. 4. 2014 (2013 Du 26552). Sung Soo Kim (Fn. 9), S. 19.
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III. Vertrauensschutz als offene Flanke des Rechtsstaates? Ebenso wie in Deutschland ist auch in Korea das Prinzip des Vertrauensschutzes durch die verwaltungsrechtliche Rechtsprechung entwickelt worden. Der eigentliche Ursprung des Vertrauensschutzes ist die Rechtsprechung zur Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts, die von dem einseitigen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung abgerückt ist und die Freiheit der Verwaltung zur Rücknahme eines begünstigenden rechtswidrigen Verwaltungsakts aufgrund des Vertrauensschutzes im erheblichen Umfang eingeschränkt hat.25 Dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, der die Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes und daher die Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts fordert, steht der Grundsatz des Vertrauensschutzes entgegen, der die Berücksichtigung des Vertrauens des Begünstigten auf den Bestand des von der Behörde erlassenen Verwaltungsakts und damit die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Verwaltungsakts verlangt. Jedenfalls darf die Rücknahme nicht allein unter dem Gesichtspunkt der Gesetzmäßigkeit beurteilt werden. Vielmehr ist auch der Aspekt des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen. Da diese beiden Grundsätze beim rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt in Widerstreit zueinander geraten, ist im Wege der Abwägung zu prüfen, welchem Grundsatz im konkreten Einzelfall größeres Gewicht zukommt und schließlich, ob die Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts rechtmäßig oder rechtswidrig sein wird.26 So gesehen, setzt die Anwendung des Vertrauensschutzes auf jeden Fall eine Abwägung mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit voraus. Dies führt dazu, dass der Vertrauensschutz bei Überwiegen der Gesetzmäßigkeit oder des Erfordernisses der Gesetzesänderung bzw. der damit verbundenen hochrangigen öffentlichen Interessen zurücktritt und sich der Verwaltung oder dem Gesetzgeber Gestaltungsbefugnisse eröffnen. Hinzu kommt, dass Steuern, sofern ihnen keine erdrosselnde Wirkung zukommt, jedenfalls nach der älteren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keinen Eingriff in die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG begründen.27 Vor diesem Hintergrund könnte sich der Vertrauensschutz als offene Flanke des Rechtsstaates oder sogar als Leerformel der Grundrechtsdogmatik erweisen. Dem ist allerdings die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und des Verfassungsgerichts in Korea entgegenzusetzen, wonach sich der Vertrauensschutz aus der verfassungsrechtlichen Rechtsstaatlichkeit ergibt und diesem insoweit Verfassungsrang zukommt. Im Bereich der Verwaltung bedarf es einer Abwägung, sofern der Vertrauensschutz der Gesetzmäßigkeit entgegensteht, weil ein begünstigender Verwaltungsakt rechtswidrig erlassen worden ist. Damit nicht zu vergleichen ist jedoch die gesetzliche Kürzung von Versorgungsbezügen, um die Staatsfinanzen zu stabilisieren und die finanzielle Handlungsfähigkeit des Staates zu erhalten. Wenn dies un25
BVerwGE 8, 261; 9, 251. H. Maurer, (Fn. 1), S. 303. 27 BVerfGE 78, 214 (230). Anders jedoch BVerfGE 115, 97 (110 f.).
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beschränkt zulässig wäre, hätte die Abwägung zwischen dem Vertrauen der Rentner in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage und den die Gesetzesänderung rechtfertigenden öffentlichen Belangen kaum praktische Bedeutung. Damit würde die Effektivität des Vertrauensschutzes marginalisiert. Das Rechtsstaatsprinzip wäre in einem rein formellen Sinne zu verstehen und der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit sowie der einseitige Vorrang der schwerwiegenden öffentlichen Belange wie Stabilität und Zukunftsfähigkeit des Staates würden stets überwiegen.
IV. Schlussfolgerung Wenn der Vertrauensschutz gegenüber Gesetzesänderungen mit unechter Rückwirkung nur einen schwachen Schutz vermittelt, kommen Grundrechte wie das menschenwürdige Dasein und die Eigentumsgarantie als zusätzliche Prüfungsmaßstäbe in Betracht. Die Altersversorgung der Beamten dient nicht nur der sozialen Sicherheit der Beamten, sondern auch einer gerechten Entschädigung ihrer für den Staat geleisteten Beiträge und Dienste. Damit kann die Rentenversorgung der Beamten auch als Dienstaustrittsprämie angesehen werden, womit sie grundrechtlich als soziales Grundrecht und zugleich als Eigentum zu qualifizieren ist.28 Bei der Ausgestaltung der Rentenversorgung der Beamten als ein soziales Grundrecht und als staatliche sozialpolitische Daseinsfürsorge kommt dem Gesetzgeber ein weitgehender Spielraum zu. Bei dessen Ausübung sind die Finanzausstattung des Staates, Gleichheitserfordernisse zwischen den Generationen und den anderen öffentlichen Rentensystemen, die demographische Struktur und die Sicherung des Wirtschaftswachstums je nach politischer Prioritätensetzung mit unterschiedlichem Gewicht zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang ist auch auf das Grundrecht des menschenwürdigen Daseins nach Art. 34 Abs. 1 der koreanischen Verfassung, nach dem jeder das Recht auf ein menschenwürdiges Dasein hat, hinzuweisen. Gemäß Art. 34 Abs. 2 der koreanischen Verfassung ist der Staat dazu verpflichtet, die soziale Sicherheit und Wohlfahrt zu fördern. Zusammen mit der grundrechtlichen Schutzpflicht nach Art. 10 der koreanischen Verfassung kommt hier das Untermaßverbot als Prüfungsmaßstab ins Spiel. Dieses wird verletzt und führt zur Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Regelung, wenn der Gesetzgeber entweder keine gesetzlichen Maßnahmen trifft oder nur ungenügend gesetzgeberisch tätig wird.29 Wenn der Gesetzgeber die Versorgungsleistungen der Beamtenrente so kürzt, dass das menschenwürdige Dasein der Betroffenen nicht gewährleistet wird und er keine oder nur ungenügende Billigkeitsmaßnahmen zugunsten der Betroffenen vorsieht, wird deren Anspruch auf ein menschenwürdiges Dasein verletzt. Unter diesen Voraussetzungen sind gesetzliche Kürzungen der Versorgungsleistungen verfassungswidrig. 28 29
Vgl. Entscheidung des Verfassungsgerichts vom 18. 7. 2002 (2000 Hun Ba 57). Entscheidung des Verfassungsgerichts vom 26. 12. 2008 (2008 Hun Ma 419).
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Dies gilt auch für diejenigen Fälle unechter Rückwirkung von Gesetzesänderungen, denen der Vertrauensschutz nicht entgegensteht. Bei der Beurteilung der Verfassungswidrigkeit der Kürzung sind das allgemeine Verbraucherpreisniveau, die Mindestlöhne der Beschäftigten und auch die Lage der Staatskasse in die Abwägung einzustellen. Weiterhin zu berücksichtigen ist die Eigentumsgarantie der Rentner, deren eigener Beitrag zur Rentenversicherung der Beamten und die als nachträgliche Auszahlung der Löhne zu charakterisierende Prämie, die als Kernbereich der Eigentumsfreiheit geschützt sein sollten.30 Trotz der weitreichenden gesetzgeberischen Freiheit zur konkreten Gestaltung einer Reform der Rentensysteme, insbesondere im Bereich der staatlichen Finanzleistungen zur Verfolgung der Sozialpolitik, werden mit der Eigentumsfreiheit der Rentner gewisse Schranken gesetzt. Erreicht mit anderen Worten die Kürzung der Versorgungsleistungen die Grenze, wo die aus dem Eigenbetrag der Rentner und der mit nachträglichen Löhnen gleichgestellten Prämie resultierenden Versorgungen und die darauf beruhenden Zinseinkommen angetastet würden, ist dies verfassungsrechtlich unzulässig. Nach einer alten chinesischen Geschichte war ein Untertan namens Gäjachu dem Kronprinz Mun sehr treu geblieben. Er bot ihm sogar im Krieg sein Oberschenkelfleisch an, um ihn nicht verhungern zu lassen. Nachdem Mun König geworden war, ließ er aber seinen Untertan Gäjachu im Stich. Gäjachu versteckte sich tief in einem Berg. Erst später bot der König Gäjachu seine Hilfe an, aber Gäjachu wies die Hände des Königs zurück und blieb weiter im Berg. Darauf steckte König Mun den Berg in Brand, weil er glaubte, Gäjachu werde aus dem Berg herauskommen, um dem Feuer auszuweichen. Allerdings tat Gäjachu das nicht. Er verbrannte und verstarb. Danach verbot der König seinen Untertanen, am Tag des Todes von Gäjachu warm zu essen, es wurde also ein Tag des kalten Essens ohne Feuer. Koreaner und Chinesen erinnern sich immer noch jährlich an diesen Tag, und zwar am 5. April nach dem Mondkalender. Die Beamten haben ihrem Land treu gedient und ihren Beitrag zur Rentenversicherung ehrlich geleistet. Werden sie in unausweichlichen Fällen durch Versorgungskürzungen belastet, muss ihnen jedoch zumindest ein menschenwürdiger Mindestlebensstandard gewährleistet bleiben. Denn man kann zwar jährlich einen Tag auf warmes Essen verzichten. Nicht erträglich ist es aber für die Nachkommen von Gäjachu, das ganze Jahr kalt zu essen.
30
Vgl. Entscheidung des Verfassungsgerichts vom 29. 5. 2014 (2012 Hun Ma 515).
Rechtsschutz gegen untergesetzliche Rechtsnormen Von Wolf-Rüdiger Schenke
I. Untergesetzliche Rechtsnormen als materielle Gesetze Die Frage des Rechtsschutzes gegen untergesetzliche Rechtsnormen stellt sich in Bezug auf Rechtsverordnungen und auf Satzungen, die von Körperschaften erlassen werden, die mit Selbstverwaltungsrecht versehen sind (wie z. B. Gemeinden). Sowohl Rechtsverordnungen wie auch Satzungen sind materielle Gesetze. Kennzeichnend für materielle Gesetze ist, dass sie typischerweise für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen gegenüber einer nicht im Vorhinein bestimmten Zahl von Personen Regelungen mit Außenwirkungen treffen. Es handelt sich damit um abstrakt-generelle Regelungen mit Außenwirkung. Diese Regelungen werden aber nicht – wie bei formellen Gesetzen – vom Parlament des Bundes (dem Bundestag) oder einem Landesparlament erlassen, sondern von der Exekutive des Bundes oder eines Landes oder von einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts. Die Abstraktheit und der generelle Adressatenkreis, die für materielle Gesetze charakteristisch sind, unterscheiden sie von Verwaltungsakten, die typischerweise konkret-individuelle Regelungen mit Außenwirkung beinhalten. Die für materielle Gesetze (wie auch für Verwaltungsakte) essentielle Außenwirkung besteht darin, dass sie die subjektive Rechtsstellung ihrer Adressaten verändern, indem sie für natürliche oder juristische Personen Pflichten oder Rechte begründen. Das unterscheidet sie von Verwaltungsvorschriften, die grundsätzlich nur verwaltungsintern wirken und damit nur das Verhalten nachgeordneter Behörden oder Verwaltungsbediensteter regeln, jedoch keine subjektiv-rechtliche Relevanz aufweisen. Behörden als Organe juristischer Personen sind naturgemäß grundsätzlich keine Träger subjektiver Rechte, und die Verwaltungsbediensteten, an die sich Verwaltungsvorschriften richten, sind dadurch nicht als Träger eigener subjektiver Rechte betroffen, sondern gewissermaßen nur als Rädchen im Betrieb eines Hoheitsträgers. Carl Hermann Ule, der akademische Lehrer unseres verstorbenen Kollegen Hans-Werner Laubinger, sprach insoweit plastisch von Regelungen im Betriebsverhältnis, die er von Regelungen im Grundverhältnis unterschied. Grundsätzlich tangieren nach seiner Auffassung nur Regelungen im Grundverhältnis einen staatlichen Bediensteten in seiner Eigenschaft als Träger eigener subjektiver Rechte, so z. B. bei der Entlassung oder der Versetzung eines Be-
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amten zu einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts oder zu einer anderen Behörde.
II. Entwicklungsetappen auf dem Wege zum Rechtsschutz gegen untergesetzliche Rechtsnormen 1. Der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz in der konstitutionellen Monarchie Als sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in einzelnen deutschen Ländern eine eigenständige Verwaltungsgerichtsbarkeit entwickelte, ging es dort zunächst nur um den Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte. Selbst dieser Rechtsschutz war nach dem damals vorherrschenden Enumerationsprinzip nur dort gegeben, wo er in den Verwaltungsgerichtsgesetzen ausdrücklich gegen bestimmte näher benannte Verwaltungsakte vorgesehen war. Das war in den Verwaltungsgerichtsgesetzen der meisten Länder, insbesondere von Preußen, nur bezüglich solcher Verwaltungsakte der Fall, die der Gefahrenabwehr dienten, den sogenannten Polizeiverfügungen1. Ein Rechtsschutz gegen untergesetzliche Rechtsvorschriften war diesen Verwaltungsgerichtsgesetzen noch fremd. Ein Rechtsschutz gegen formelle (vom Parlament erlassene) Gesetze erschien sogar widersinnig, da in den damaligen konstitutionellen Monarchien die Parlamente als ein Hüter der Verfassung fungierten. Ein gerichtlicher Rechtsschutz gegen diesen Hüter – bei dem die Gerichte gewissermaßen die Rolle eines Hüters des Hüters übernommen hätten – war damit für die ganz herrschende Meinung nicht vorstellbar2. Ein richterliches Recht, formelle Gesetze auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht (insbesondere den Verfassungen) zu überprüfen, wurde deshalb nahezu einhellig abgelehnt. Selbst gegenüber untergesetzlichen Rechtsvorschriften stieß ein solches Prüfungsrecht noch ganz überwiegend auf Ablehnung3. 2. Der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz in der Weimarer Republik Erst nach der Revolution von 1918 und der Ersetzung der konstitutionellen Monarchie durch eine Demokratie wurde zu Beginn der 1920er-Jahre in der Weimarer Republik ein Prüfungsrecht gegenüber (formellen und materiellen) Gesetzen anerkannt4. Ein spezielles gerichtliches Verfahren, dessen Gegenstand die Vereinbarkeit 1
s. hierzu näher Sydow, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts, 2000; ders., VerwArch. Bd. 92 (2001), 389 ff. 2 s. hierzu näher Schenke, Rechtsschutz bei normativem Unrecht, 1979, S. 105 ff. 3 s. hierzu näher Schack, Die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Gesetz und Verordnung unter besonderer Berücksichtigung Preußens und des Deutschen Reichs, 1918. 4 Erstmals anerkannt in RGZ 111, 320 ff.
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von Gesetzen mit höherrangigem Recht bildete und das von den Gesetzesbetroffenen beantragt werden konnte, war aber nach wie vor weder im Reich noch – von bescheidenen Anfängen abgesehen – in den Ländern vorgesehen. Vielmehr war ein solches Verfahren, das man heute als prinzipales Normenkontrollverfahren bezeichnet, den Verwaltungsgerichtsgesetzen selbst bei untergesetzlichen Rechtsvorschriften nach wie vor ganz überwiegend fremd.5 Die Verwaltungsgerichtsgesetze der Länder gingen weiterhin ganz überwiegend davon aus, dass verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz nur gegen Verwaltungsakte (und auch dies meist nur mit Einschränkungen) zulässig sei. Die Gesetzgebungsdirektive des Art. 107 WRV, nach der im Reich und den Ländern nach Maßgabe der Gesetze Verwaltungsgerichte zum Schutz des Einzelnen gegen Anordnungen und Verfügungen der Verwaltungsbehörden bestehen sollten, war weder für die Gerichte noch für Einzelpersonen von unmittelbarer rechtlicher Relevanz. Die Verwaltungsgerichte durften allerdings bei der Anfechtung eines Verwaltungsakts eine Norm, die ihm zugrunde lag, auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht überprüfen. So konnten sie etwa bei der Anfechtung einer Polizeiverfügung, die sich auf eine Polizeiverordnung stützte, überprüfen, ob diese Verordnung mit höherrangigem Recht vereinbar war. In einem solchen Fall war aber nicht die Gültigkeit der untergesetzlichen Norm Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, sondern nur die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts. Es lag damit keine prinzipale, sondern nur eine inzidente Normenkontrolle vor. Bei ihr wird nur inzident (vorfrageweise) darüber befunden, ob die Norm, auf die sich der Verwaltungsakt stützt, rechtmäßig und gültig ist. Verneint das Verwaltungsgericht die Gültigkeit der Norm, so wird der Verwaltungsakt mangels einer gültigen Rechtsgrundlage aufgehoben. Gegenstand der Anfechtungsklage ist aber nur die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts und eine hierdurch begründete Rechtsverletzung. Konsequenterweise erwächst nur die Entscheidung hierüber in Rechtskraft. Die nur inzident festgestellte Ungültigkeit der Norm ist hingegen nicht Streitgegenstand und deshalb keiner Rechtskraft fähig. Die Verwaltungsgerichte konnten deshalb in einem anderen Rechtsstreit, in dem es gleichfalls auf die Rechtmäßigkeit derselben Polizeiverordnung ankam, abweichend von ihrer früheren Ansicht nunmehr von der Gültigkeit dieser Verordnung ausgehen. 3. Der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz in der Zeit von 1933 bis 1945 In dem nationalsozialistischen Führerstaat, der die Weimarer Republik ab 1933 ablöste, war naturgemäß kein Raum mehr für einen wirksamen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz. Zwar bestand die Verwaltungsgerichtsbarkeit zunächst formal 5 Ansätze zu einer verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle gegenüber untergesetzlichen Rechtsvorschriften fanden sich in den Ländern nur ganz vereinzelt, so in Baden (s. hierzu W. Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1931, S. 305).
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fort. Sie machte aber vor politischen Akten – trotz anfänglichen Widerstands des Preußischen OVG – Halt6 und führte ein völliges Schattendasein. 1939 wurde sie schließlich weitgehend beseitigt und durch das Verfahren der Verwaltungsbeschwerde ersetzt. Ein richterliches Prüfungsrecht gegenüber Gesetzen und Verordnungen der Reichsregierung und einzelner Reichsminister wurde nicht mehr anerkannt. 4. Der gerichtliche Rechtsschutz nach 1945 Grundlegend änderte sich dies erst 1945 nach dem Ende des 2. Weltkriegs. Hier wurde in den westlichen Besatzungszonen bzw. Bundesländern schon relativ zeitig eine Verwaltungsgerichtsbarkeit eingerichtet. Die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte wurde dabei deutlich erweitert. Sie beruhte nicht mehr auf dem Enumerationsprinzip und war überdies nach vorherrschendem Verständnis nicht auf Verwaltungsakte beschränkt, sondern umfassender ausgestaltet. Insbesondere wurden nunmehr – wenn auch nur in recht beschränktem Umfang – oberverwaltungsgerichtliche prinzipale Normenkontrollen gegenüber untergesetzlichen landesrechtlichen Rechtsnormen vorgesehen. Ergänzt wurde der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz durch die Verfassungsbeschwerde (§§ 90 ff. BVerfGG), mit der die Verletzung von Grundrechten geltend gemacht werden konnte und deren Gegenstand auch formelle Gesetze und untergesetzliche Rechtsnormen sein konnten. 1960 erließ der Bund eine Verwaltungsgerichtsordnung und sorgte damit für einen grundsätzlich einheitlichen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz. Die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs bemaß sich in Konsequenz der verfassungsgesetzlichen Rechtsschutzgarantie des Art. 19 IV GG, die Rechtsschutz gegen alle Akte öffentlicher Gewalt vorschreibt, nach der verwaltungsgerichtlichen Generalklausel des § 40 VwGO. Diese sah für alle öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art – vorbehaltlich von Sonderzuweisungen – den Verwaltungsrechtsweg vor. Der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz beschränkte sich demgemäß endgültig nicht mehr auf den Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte, der mittels Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen zu gewähren war (§ 42 VwGO). Vielmehr sah die VwGO auch andere Klagearten vor, so insbesondere eine allgemeine Leistungsklage und in § 43 VwGO eine allgemeine verwaltungsgerichtliche Feststellungklage. Damit sicherte die VwGO auch einen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz gegen hoheitliche Realakte, wie z. B. gegen polizeiliche Warnungen und sonstige hoheitliche tatsächliche Handlungen, die in subjektive Rechte eingreifen können, so etwa gegen die Anwendung unmittelbaren Zwangs. Der Umdeutung von Realakten in einen auf Duldung gerichteten Verwaltungsakt, wie sie zuvor häufig vorgenommen worden war, um auch insoweit einen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz sicherzustellen, bedurfte es deshalb nicht mehr. Auch ein spezifischer Rechtsschutz gegen
6 s. Schenke, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Drittbearbeitung), Art. 19 IV, Rdnr. 22.
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untergesetzliche Rechtsvorschriften war in § 47 VwGO vorgesehen, jedoch nur in sehr eingeschränktem Umfang (s. näher sogleich III.).
III. Die oberverwaltungsgerichtliche Normenkontrolle gem. § 47 VwGO Der Rechtsschutz gegen untergesetzliche Rechtsvorschriften wurde von § 47 VwGO nur lückenhaft ausgestaltet. Ein wesentlicher Grund hierfür lag darin, dass der Gesetzgeber annahm, solche Normenkontrollen seien – ebenso wie prinzipale Normenkontrollen gegen formelle Gesetze – Streitigkeiten verfassungsrechtlicher Art, weswegen sie grundsätzlich in die Zuständigkeit der Verfassungsgerichte (und nicht der Verwaltungsgerichte) fielen. Dies ergibt sich aus den Gesetzgebungsmaterialien. 1. Prüfungsgegenstände einer Normenkontrolle gem. § 47 I VwGO Der Gesetzgeber vertrat bei Schaffung des § 47 VwGO die Auffassung, dass es sich bei allen prinzipalen Normenkontrollen um materielle Verfassungsgerichtsbarkeit handele. In Konsequenz dieser Auffassung sieht § 47 I VwGO Rechtsschutz nur gegenüber untergesetzlichen landesrechtlichen Normen vor. Untergesetzliche Normen des Bundes kommen damit als Gegenstand einer oberverwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle nicht in Betracht. Selbst gegenüber untergesetzlichen landesrechtlichen Vorschriften war eine prinzipale Normenkontrolle nach der zunächst geltenden Fassung des § 47 VwGO nur dann statthaft, wenn der Landesgesetzgeber von der bundesrechtlichen Ermächtigung in § 47 I VwGO Gebrauch gemacht hatte, ein solches Normenkontrollverfahren einzuführen. Daran änderte auch eine spätere Novellierung nichts Grundsätzliches, die eine Normenkontrolle gegen Satzungen nach dem BauGB (also insbesondere gegen Bebauungspläne) sowie gegen Rechtsverordnungen gem. § 246 II BauGB bereits kraft Bundesrechts eröffnete. Um einen Übergriff in die Zuständigkeit der Landesverfassungsgerichte zu vermeiden, sieht § 47 III VwGO zudem ausdrücklich vor, dass eine oberverwaltungsgerichtliche Normenkontrolle insoweit ausgeschlossen ist, als die Länder in Ausübung ihrer Kompetenz zur Regelung der Landesverfassungsgerichtsbarkeit bereits landesverfassungsgerichtliche Zuständigkeiten für prinzipale Normenkontrollen vorgesehen haben, die abschließend sein sollen. 2. Die Antragsbefugnis gem. § 47 II 1 VwGO Soweit eine oberverwaltungsgerichtliche Normenkontrolle statthaft ist, konnte sie nach der ursprünglichen Fassung des § 47 II 1 Alt. 1 VwGO von natürlichen
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oder juristischen Personen nur dann initiiert werden, wenn diese geltend machen konnten, durch die Norm oder deren Anwendung zumindest in absehbarer Zeit einen Nachteil zu erleiden. Später wurde die Antragsbefugnis natürlicher oder juristischer Personen daran gebunden, dass sie geltend machen konnten, durch die Norm in ihren Rechten verletzt zu sein oder durch deren Anwendung in absehbarer Zeit in ihren Rechten verletzt zu werden. Durch diese Anlehnung an die Klagebefugnis des § 42 II VwGO sollte deutlicher gemacht werden, dass die Funktion des § 47 VwGO jedenfalls auch in der Gewährung subjektiven Rechtsschutzes liegt. Die uneingeschränkte Antragsbefugnis von Behörden, die in § 47 II 1 Alt. 2 VwGO vorgesehen ist, dient hingegen nur der objektiven Rechtskontrolle. Die h. M. verlangt für diese Antragsbefugnis allerdings ein objektives Kontrollinteresse dahingehend, dass die Behörde mit der Anwendung der Norm befasst sein muss. 3. Die Antragsfrist (§ 47 II 1 VwGO) Der Antrag auf Normenkontrolle gem. § 47 II VwGO konnte nach dessen ursprünglicher Fassung unbefristet gestellt werden. Später führte der Gesetzgeber eine Befristung ein. Die Normenkontrolle konnte danach zunächst nur innerhalb von zwei Jahren seit Bekanntmachung der Norm beantragt werden, nach einer späteren, noch heute geltenden Novellierung sogar nur innerhalb eines Jahres (§ 47 II 1 VwGO). Das beeinträchtigt die Rechtsschutzfunktion der prinzipalen Normenkontrolle des § 47 VwGO gravierend. Einer Person, die erst nach Ablauf der Antragsfrist durch die Norm oder deren Anwendung betroffen wird, wird nämlich durch diese Frist die Stellung eines Normenkontrollantrags unmöglich gemacht. Zwar schließt § 47 II 1 VwGO inzidente Normenkontrollen auch nach Ablauf der Frist nicht aus. Der prinzipale Rechtsschutz des § 47 VwGO ist aber effektiver als inzidente Normenkontrollen, denn bei einem prinzipalen Rechtsschutz wird die Rechtswidrigkeit und grundsätzlich auch die Unwirksamkeit der angegriffenen Norm allgemeinverbindlich rechtskräftig festgestellt. Bei einem inzidenten Rechtsschutz fehlt es hingegen an der Rechtskraft bezüglich der vom Gericht bejahten Nichtigkeit der Norm. Das zeigt sich überdies auch daran, dass bei einer inzidenten Feststellung der Unwirksamkeit einer Norm § 183 VwGO (dazu später) keine Anwendung findet – anders als bei einer Normenkontrolle gem. § 47 V 3 VwGO. Die bei Einführung der Befristung – ausweislich der Gesetzesbegründung – bestehende Vorstellung des Gesetzgebers, die Rechtswidrigkeit und Nichtigkeit einer Norm könne stets im Rahmen der Anfechtung von Normvollzugsakten geltend gemacht werden, ist zudem unzutreffend. So habe ich es selbst als Prozessbevollmächtigter wiederholt erleben müssen, dass zwar eine Normenkontrolle Erfolg hatte, die von Nachbarn gegen einen Bebauungsplan erhoben und auf die unzureichende Berücksichtigung ihrer rechtlich geschützten Belange durch den Normgeber gestützt wurde, dass zugleich jedoch die Klage der Nachbarn gegen die rechtswidrige Baugenehmigung, die in Vollzug des nichtigen Bebauungsplans erlassen worden war, an der fehlenden Klagebefugnis der Nachbarn scheiterte.
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Die Befristung der Antragsbefugnis beeinträchtigt aber nicht nur die Effektivität des Rechtsschutzes. Sie ist auch unter prozessökonomischen Gesichtspunkten höchst unbefriedigend und verfehlt. Während nach § 47 VI 2 VwGO eine rechtswidrige Norm grundsätzlich mit Allgemeinverbindlichkeit für unwirksam erklärt wird und die Entscheidungsformel dementsprechend vom Antragsgegner genauso zu veröffentlichen ist, wie die Rechtsvorschrift bekannt zu machen wäre, erwächst bei einer inzidenten Normenkontrolle eine vom Verwaltungsgericht bejahte Rechtswidrigkeit und Unwirksamkeit der Norm nicht in Rechtskraft, da sie nicht Entscheidungsgegenstand ist. Die Verwaltungsgerichte können damit in anderen Rechtsstreitigkeiten, bei denen es auch auf die Gültigkeit der Norm ankommt, zu einer anderen Beurteilung gelangen. Die Frage der Gültigkeit ein- und derselben Norm kann damit die Verwaltungsgerichte bei einer Vielzahl von Streitigkeiten beschäftigen. Ohne die allgemeinverbindliche Feststellung von Rechtswidrigkeit und Nichtigkeit wird mithin keine endgültige Klarheit geschaffen. Dies beeinträchtigt die Rechtssicherheit. Diesbezügliche Bedenken verlieren zwar dadurch an Gewicht, dass auch die inzidente gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Norm die Verwaltung häufig dazu veranlassen wird, die Rechtswidrigkeit zu beseitigen, indem sie die Norm aufhebt. Das ändert aber nichts daran, dass es sich bei der gesetzlichen Befristung des Normenkontrollantrags um einen gesetzgeberischen Fehlgriff handelt, der – in Anlehnung an ein berühmtes Wort des großen Rechtsgelehrten von Savigny – einmal mehr am Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung zweifeln lässt. 4. Äußerungsbefugnis (§ 47 II 3 VwGO) und Beiladung (§ 47 II 4 VwGO) Nach § 47 II 3 VwGO kann das Oberverwaltungsgericht dem Land oder anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zu zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist einräumen. Seit dem 1. 1. 2002 sieht § 47 II 4 VwGO zusätzlich vor, dass § 65 I, IV VwGO sowie § 66 VwGO entsprechend anzuwenden sind. Damit ist auch im Normenkontrollverfahren von Amts wegen oder auf Antrag anderer, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden, eine einfache Beiladung zulässig. Die Beigeladenen können gem. § 66 VwGO innerhalb der Anträge eines Beteiligten selbständig Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen und alle Verfahrenshandlungen vornehmen. Abweichende Sachanträge können sie allerdings nicht stellen. Anlass für diese Neuregelung bildete die vom BVerfG7 in einem obiter dictum vertretene Ansicht, dass der bis dahin bestehende generelle Ausschluss der Beiladung von Grundstückseigentümern, denen die Unwirksamerklärung einer Norm im Rahmen einer Normenkontrollentscheidung zum Nachteil gereiche, verfassungsrecht-
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BVerfG, NVwZ 2001, 1283 f.
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lich zweifelhaft sei. Wegen Art. 14 GG müsse eine Ermessensentscheidung über die Beiladung getroffen werden.
5. Die Entscheidung über die Begründetheit der Normenkontrolle und ihre Rechtsfolgen Begründet ist eine Normenkontrolle dann, wenn die angegriffen Norm rechtswidrig und nichtig ist. Auch bei einer Normenkontrolle, die von einer natürlichen oder juristischen Person angestrengt wird, kommt es damit nicht darauf an, ob diese Person durch die Norm oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt wird. Vielmehr ist die Norm uneingeschränkt auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht zu überprüfen8. Das gilt auch für ihre Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union. Eine Besonderheit besteht hier lediglich insoweit, als eine untergesetzliche Rechtsnorm, die mit Unionsrecht nicht vereinbar ist, nicht für nichtig, sondern nur für unanwendbar zu erklären ist. Für die Wirkung der Entscheidung gilt gem. § 47 V 3 VwGO die Vorschrift des § 183 VwGO entsprechend. Wenn das Oberverwaltungsgericht die Nichtigkeit untergesetzlicher landesrechtlicher Vorschriften festgestellt hat, so bleiben – vorbehaltlich einer besonderen landesgesetzlichen Regelung – die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen der Verwaltungsgerichte unberührt, die auf der für nichtig erklärten Norm beruhen. Die Vollstreckung aus solchen Entscheidungen ist jedoch unzulässig. Nicht unmittelbar geregelt ist in § 183 VwGO, welche Konsequenzen die Unwirksamerklärung für Verwaltungsakte hat, die auf der nichtigen Norm beruhen. In entsprechender Anwendung des § 183 S. 2 VwGO dürfte aber die Vollstreckung aus einem solchen Verwaltungsakt erst recht unzulässig sein9. Zudem muss ein noch nicht bestandskräftiger Verwaltungsakt jedenfalls dann, wenn er mangels wirksamer Rechtsgrundlage rechtswidrig ist, zurückgenommen werden. Das ergibt sich bereits aus dem Beseitigungsanspruch, der hier verfassungsrechtlich garantiert ist10 und mittels einer Anfechtungsklage durchgesetzt wird. Wenn der Verwaltungsakt, der in Vollzug der Norm erlassen wurde, bereits bestandskräftig ist, steht seine Rücknahme nach § 48 I 2 VwVfG im Ermessen der Behörde. Allerdings dürfte das Ermessen häufig auf Null reduziert sein, weswegen der Verwaltungsakt meist zurückzunehmen ist. Bei einem begründeten Normenkontrollantrag wird, wie bereits ausgeführt, die Rechtswidrigkeit und Unwirksamkeit der Norm nach § 47 VI 2 VwGO allgemeinverbindlich festgestellt und ist im einschlägigen Gesetz- und Verordnungsblatt zu verkünden. Eine unbegründete Normenkontrolle entfaltet hingegen nach der allgemeinen Regelung des § 121 VwGO nur Rechtskraft zwischen den Beteiligten des 8
Durch die Zuständigkeit von Landesverfassungsgerichten kann allerdings, wie ausgeführt, der Prüfungsmaßstab einer oberverwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle eingeschränkt werden. 9 Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 23. Aufl. 2017, § 183, Rdnr. 5. 10 s. hierzu näher Schenke, Festschrift für Maurer, 2001, S. 723 ff.
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Normenkontrollverfahrens und ihren Nachfolgern. Deshalb hindert die Abweisung eines Antrags andere Betroffene nicht daran, ebenfalls eine Normenkontrolle zu beantragen. Eine solche Normenkontrolle kann, wenn das Oberverwaltungsgericht nunmehr zu einer anderen Beurteilung kommt, begründet sein.
IV. Die Schließung noch bestehender, nicht durch § 47 VwGO abgedeckter Rechtsschutzlücken Die Rechtsschutzlücken, die § 47 VwGO in Bezug auf untergesetzliche Rechtsnormen bestehen lässt, bildeten für mich in den 1970er-Jahren den Anlass, mich mit ihnen näher zu befassen. In meiner Monografie „Rechtsschutz bei normativem Unrecht“, die ich 1979 veröffentlichte, befasste ich mich mit verschiedenen Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen. Zunächst hatte ich dabei zu der – damals noch höchst umstrittenen und sowohl vom Bundesverwaltungsgericht wie auch vom Bundesverfassungsgericht offen gelassenen – Frage Stellung zu nehmen, inwieweit Art. 19 IV GG einen Rechtsschutz gegen untergesetzliche Rechtsnormen gewährleistet und wie dieser Rechtsschutz gegebenenfalls auszusehen hat (dazu 1.). Bejahendenfalls war zu klären, welchen Beitrag die Verwaltungsgerichtsbarkeit dazu leisten kann, die bestehenden Rechtsschutzlücken mittels inzidenter Normenkontrollen zu schließen (dazu 2.), und inwieweit zur Sicherung des Rechtsschutzes bei ausnahmsweise gebotenen prinzipalen Normenkontrollen auf die Verfassungsbeschwerde zurückgegriffen werden muss (dazu 3.) beziehungsweise inwieweit die Verwaltungsgerichte diesen prinzipalen Rechtsschutz auch außerhalb des § 47 VwGO zu gewähren haben (dazu 4.). Unabdingbar war ferner die Beantwortung der Frage, in welchem Verhältnis ein verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz gegen Normen zur Rechtssatzverfassungsbeschwerde steht (dazu 5.). Schließlich musste auch untersucht werden, ob die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 IV GG einen Rechtsschutz gegen ein Unterlassen untergesetzlicher Rechtsvorschriften erfordert und wie dieser Rechtsschutz gegebenenfalls auszusehen hat (dazu 6.). 1. Die verfassungsgesetzliche Garantie eines Rechtsschutzes gegen untergesetzliche Rechtsnormen Für die Erstreckung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 IV GG auf untergesetzliche Rechtsnormen sprechen sowohl eine grammatische wie auch eine systematische und teleologische Interpretation dieser Bestimmung. Der Begriff der „öffentlichen Gewalt“, in Bezug auf die Art. 19 IV GG Rechtsschutz gewährleistet, umfasst nach seiner herkömmlichen Bedeutung auch untergesetzliche Rechtsnormen. Für deren Einbeziehung in die verfassungsgesetzliche Rechtsschutzgarantie spricht auch die subjektive Natur der Rechte, die vor der untergesetzlichen Normgebung schützen. Es drängt sich auf, die Rechtsmacht, die solchen subjektiven Rechten wesensimmanent ist, in einem gerichtlichen Rechtsschutzverfahren zu sehen, mit dem
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sich der Berechtigte gegen die Verletzung seiner Rechte durch untergesetzliche Normen zu verteidigen vermag. Da die Verletzung solcher subjektiver Rechte nach der Elfes-Rechtsprechung11 des Bundesverfassungsgerichts stets mit einer Verletzung materieller Grundrechte einhergeht, indiziert auch der systematische Zusammenhang des Art. 19 IV GG mit den materiellen Grundrechten die Erstreckung der Rechtsschutzgarantie auf untergesetzliche Rechtsnormen. Deutlich wird dieser Zusammenhang bereits an der Stellung des Art. 19 IV GG im ersten Abschnitt des Grundgesetzes in unmittelbarem Anschluss an die materiellen Grundrechte, um deren Schutz es ihm (wenn auch nicht ausschließlich) geht. Die Erstreckung der Rechtsschutzgarantie auf untergesetzliche Rechtsnormen ist schließlich auch deshalb geboten, weil Norm und Verwaltungsakt – zumal im sozialen Rechtsstaat – weitgehend austauschbar sind und sich ohne sie eine offene Flanke des Art. 19 IVergeben müsste. Die Einbeziehung untergesetzlicher Rechtsnormen in die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 IV GG lässt allerdings noch keinen Schluss darauf zu, wie dieser Rechtsschutz auszusehen hat. Gefordert wird lediglich, dass der Rechtsschutz effektiv ist. Dafür bedarf es aber nicht zwingend einer prinzipalen Normenkontrolle, wie sie § 47 VwGO vorsieht. Vielmehr genügen in der Regel auch inzidente Normenkontrollverfahren. Das schließt allerdings nicht aus, dass es in Sonderfällen prinzipaler Normenkontrollen bedarf, um effektiven Rechtsschutz zu gewähren12. Von einer Einbeziehung untergesetzlicher Normen in die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 IV GG geht denn seit Beginn der 1980er-Jahre auch das Bundesverwaltungsgericht13 aus, wobei es aber gleichzeitig betont, dass es zur Realisierung des gebotenen gerichtlichen Rechtsschutzes keiner prinzipalen Normenkontrolle bedarf. Wesentlich länger brauchte das Bundesverfassungsgericht, um zu dieser Einsicht zu gelangen. Dies geschah erst über 20 Jahre später im Jahre 200614. Nach wie vor gehen das Bundesverfassungsgericht15 und das ihm folgende Bundesverwaltungsgericht allerdings davon aus, dass formelle Gesetze keine öffentliche Gewalt im Sinne des Art. 19 IV GG darstellen – und dies, obwohl es die im verfassungsrechtlichen Schrifttum heute ganz herrschende Meinung aus einer Vielzahl von Gründen zurecht befürwortet, die verfassungsgesetzliche Rechtsschutzgarantie auch auf formelle Gesetze zu erstrecken16. Art. 100 I GG, der bei formellen nachkonstitutionellen Gesetzen eine Verwerfungsbefugnis der Verfassungsgerichte vorschreibt, steht dem nicht im Wege, sondern erfordert lediglich eine Modifikation des gerichtlichen Rechtsschutzes. 11
BVerfGE 6, 32 ff. s. zu diesen Sonderfällen näher schon Schenke, Rechtsschutz bei normativem Unrecht, 1979, S. 153 ff., 163 f. und dem folgend Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, 2014, Art. 19 IV, Rdnr. 75. 13 BVerwGE 80, 355, 361. 14 BVerfGE 115, 181 ff. = JZ 2006, 1021 ff. und dazu Schenke, JZ 2006, 1004 ff. 15 Seit BVerfGE 24, 33, 49 ff. 16 s. hierzu ausführlich schon Schenke, Rechtsschutz bei normativem Unrecht, S. 28 ff. und neuestens Schenke, NJW 2017, 1062 ff., jeweils mit eingehenden Nachweisen. 12
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2. Die Realisierung des verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutzes durch inzidente Normenkontrollen Wenn der untergesetzliche Normgeber ein subjektives Recht verletzt, indem er es aufhebt oder einschränkt, so genügt es nach dem vorher Gesagten in der Regel, dass der Rechtsinhaber das (uneingeschränkte) Fortbestehen des Rechts geltend machen kann. Das Fortbestehen ergibt sich dabei daraus, dass rechtwidrige untergesetzliche Rechtsvorschriften grundsätzlich nichtig sind. Wenn die rechtswidrige Norm auf Aufhebung eines Anspruchs gerichtet ist, so kann dessen Inhaber auf Fortbestehen dieses Anspruchs klagen. Das kann entweder in Form einer Leistungsklage oder in Form einer Feststellungsklage geschehen. Wenn der Anspruch bereits fällig ist, bietet sich in erster Linie eine Leistungsklage an, mit der auf dessen Erfüllung geklagt wird. Im Rahmen der Leistungsklage hat das Gericht inzident (vorfrageweise) zu klären, ob der geltend gemachte Anspruch deshalb nicht besteht, weil er durch die untergesetzliche Rechtsnorm aufgehoben wurde, oder ob der geltend gemachte Anspruch trotz seiner Aufhebung durch die Norm fortbesteht, weil die Norm rechtswidrig und deswegen nichtig ist. Im Geltungsbereich der VwGO schließt die Möglichkeit, eine Leistungsklage gem. § 43 II 1 VwGO (sei es in Form einer Verpflichtungsklage, sei es in Form einer allgemeinen Leistungsklage) zu erheben, grundsätzlich eine verwaltungsgerichtliche Feststellung aus17. Deren Zulässigkeit scheitert auch an der in § 43 II 1 VwGO statuierten Subsidiarität der Feststellungsklage, wenn eine Norm zu belastenden Verwaltungsakten ermächtigt. Zwar besitzt eine vollziehbare Norm – entgegen der früheren Rechtsprechung des BVerfG – sehr wohl bereits subjektiv-rechtliche Relevanz, weswegen sie einen gerichtlichen Rechtsschutz erforderlich macht. In einem solchen Fall sichert aber die Anfechtung von Vollzugsakten zugleich einen inzidenten Rechtsschutz gegen die Norm. Wenn ein zivilrechtlicher Anspruch durch eine möglicherweise rechtswidrige und nichtige Norm aufgehoben wurde, ist vor den Zivilgerichten auf Erfüllung des Anspruchs bzw. auf sein Fortbestehen zu klagen. Wenn die Norm auf Aufhebung eines absoluten subjektiven öffentlichen Rechts oder auf Aufhebung eines Gestaltungsrechts gerichtet ist, kann nach § 43 VwGO das Fortbestehen des subjektiven öffentlichen Rechts festgestellt werden. Solche subjektiven öffentlichen Rechte begründen nämlich stets ein Rechtsverhältnis, das, wenn es durch eine Norm infrage gestellt wird, feststellungsfähig gem. § 43 VwGO ist. Soweit die Norm ein Rechtsverhältnis begründet, das den Kläger belastet, kann jener auch das Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses feststellen lassen. Wenn eine untergesetzliche Norm z. B. eine Zwangsmitgliedschaft in einer Körperschaft des öffentlichen Rechts statuiert, so kann der hierdurch Betroffene z. B. auf Feststellung des Nichtbestehens des Mitgliedschaftsrechts und damit auf das Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses klagen. Auch hier wird nur vorfrageweise darüber befunden, ob die Norm, die auf die Begründung der Mitgliedschaft gerichtet ist, rechtswidrig und nichtig ist. Es überzeugte deshalb nicht, wenn die Zulässigkeit solcher Feststel17
s. näher Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 15. Aufl. 2017, Rdnrn. 416 ff.
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lungsklagen sowohl durch die Rechtsprechung wie auch durch die Prozessrechtslehre früher häufig mit dem Argument in Frage gestellt wurde, sie laufe auf eine unzulässige Umgehung der prinzipalen Normenkontrolle gem. § 47 VwGO hinaus18. Wenn zivilrechtliche absolute Rechte oder Gestaltungsrechte durch eine untergesetzliche Rechtsnorm in Frage gestellt werden, ist der Rechtsschutz in entsprechender Weise durch die ordentlichen Gerichte mittels einer zivilprozessualen Feststellungsklage sicherzustellen. 3. Die Realisierung des Rechtsschutzes durch eine Rechtssatzverfassungsbeschwerde bei ausnahmsweise verfassungsrechtlich gebotener prinzipaler Normenkontrolle a) Fälle ausnahmsweise gebotener prinzipaler Normenkontrollen In Sonderfällen vermögen inzidente Normenkontrollen allerdings nicht den durch Art. 19 IV GG geforderten effektiven Rechtsschutz sicherzustellen. Vielmehr bedarf es in diesen Fällen einer prinzipalen Normenkontrolle. Soweit hier nicht bereits § 47 VwGO tatbestandlich einschlägig ist, muss der Rechtsschutz auf andere Weise gewährt werden. Unabdingbar ist eine prinzipale Normenkontrolle insbesondere dann, wenn eine untergesetzliche Rechtsnorm zwar rechtswidrig, aber ausnahmsweise trotzdem rechtswirksam ist. Hier ist ein wirksamer Rechtsschutz nur dadurch möglich, dass – ebenso wie bei einer Normenkontrolle gem. § 47 VwGO – die Rechtswidrigkeit der Norm prinzipal festgestellt wird. Eine solche prinzipale Feststellung, die als solche in Rechtskraft erwächst, zwingt den Normgeber grundsätzlich dazu, die Rechtswidrigkeit zu beseitigen. Effektiver Rechtsschutz lässt sich darüber hinaus auch dort nur dort mittels einer prinzipalen Normenkontrolle bewerkstelligen, wo sich die rechtliche Belastung einer Person aus einer Regelung ergibt, die gegenüber einer unbestimmten Vielzahl von Personen getroffen wurde. Man denke etwa daran, dass Verbrauchern aus polizeilichen Gründen in einer Rechtsverordnung wegen einer vom Normgeber (zu Unrecht) angenommenen Gefährlichkeit generell verboten wird, bestimmte Produkte zu kaufen. Hier werden Unternehmen, die solche Produkte herstellen, selbst dann in ihrer Berufsfreiheit eingeschränkt und verletzt, wenn die Herstellung der Produkte nicht verboten wird. Gleiches gilt etwa, wenn in einer Rechtsverordnung eine Flugroute für den Anflug auf einen Flughafen festgelegt wird, die die Bewohner ihres Einzugsbereichs durch Fluglärm unzumutbar beeinträchtigt und in ihrer Gesundheit schädigt19. Es liegt auf der Hand, dass es hier keinen effektiven Rechtsschutz böte, wenn man die Bewohner darauf verwiese, gegen jede Fluggesellschaft, die die Flugroute jetzt oder möglicherweise in Zukunft benutzen will, eine (inzidente) verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage zu erheben, mit der festgestellt werden soll, dass die jeweilige 18 19
s. hierzu näher Schenke, Rechtsschutz bei normativem Unrecht, S. 215 ff. s. zu diesem und anderen Beispielen Schenke, NVwZ 2016, 720, 721 ff.
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Fluggesellschaft nicht zur Benutzung der Flugroute berechtigt ist. Vielmehr kommt hier nur ein prinzipaler Rechtsschutz in Betracht, mit dem die Rechtswidrigkeit der Festlegung der Flugroute festgestellt wird. b) Rechtsschutz durch eine Rechtssatzverfassungsbeschwerde In Fällen der geschilderten Art habe ich früher die Ansicht vertreten, dass Rechtsschutz nur mittels einer prinzipalen Normenkontrolle möglich sei, die sich als verfassungsrechtliche Streitigkeit20 darstelle. Für den Rechtsschutz komme deshalb nur eine Rechtssatzverfassungsbeschwerde in Betracht21. Ansatzpunkt für diese Lösung war, dass jede rechtswidrige belastende Norm – wie sonst in Konsequenz der Elfes-Entscheidung22 ganz überwiegend anerkannt wird – zugleich mit einer mittelbaren Grundrechtsverletzung, sei es eines speziellen Freiheitsgrundrechts, sei es jedenfalls der allgemeinen Handlungsfreiheit, einhergeht. Wenn man mit der bis dahin h. M. und in Übereinstimmung mit der Ansicht, die der Gesetzgeber bei Schaffung der VwGO vertrat, davon ausging, dass es sich auch bei einer prinzipalen Normenkontrolle gegen untergesetzliche Normen um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit handelt, die prinzipiell in den Zuständigkeitsbereich der Verfassungsgerichte gehörte, war es nur konsequent, dass das BVerfG die Vereinbarkeit einer Norm mit höherrangigem Recht uneingeschränkt überprüft und nicht nur – wie bei der Überprüfung von Verwaltungsakten – auf die Feststellung spezifischer Grundrechtsverletzungen beschränkt ist. Ein hierauf gegründeter Rechtsschutz mittels einer Verfassungsbeschwerde lag ganz auf der Linie der gesetzgeberischen Vorstellungen, die den § 47 VwGO prägen23, und ließ sich durch eine ganze Reihe von Argumenten erhärten. Insbesondere trug eine solche Lösung dem Umstand Rechnung, dass § 47 VwGO den prinzipalen Rechtsschutz gegen Normen nach den Vorstellungen des Gesetzgebers abschließend regelte und damit keinen Raum für andere verwaltungsgerichtliche prinzipale Normenkontrollen ließ. Das Bundesverfassungsgericht24 hat sich jedoch gegen einen Rechtsschutz durch eine Rechtssatzverfassungsbeschwerde ausgesprochen – wohl nicht zuletzt, um einer von ihm befürchteten Überlastung durch die Aufbürdung prinzipaler Normenkontrollen gegen untergesetzliche Rechtsnormen zu begegnen. Stattdessen hat es sich – wie das Bundesverwaltungsgericht25 – mit dogmatisch wenig überzeugenden Argumenten für einen Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichte ausgesprochen. Ungeachtet der dogmatischen Bedenken gegen 20 s. zu dem Begriff näher Kraayvanger, Der Begriff der verfassungsrechtlichen Streitigkeit i.S. des § 40 I 1 VwGO, 2004, S. 35 ff.; Schenke, AöR Bd. 131 (2006), 117 ff., 131 ff. 21 s. hierzu näher Schenke, Rechtsschutz bei normativem Unrecht, S. 297 ff. 22 BVerfGE 6, 32 ff. 23 Vgl. Regierungsbegründung zur VwGO, Bundestags-Drucksache 3/55, S. 33, wonach prinzipale Normenkontrollen, auch soweit sie sich auf untergesetzliche Rechtsvorschriften beziehen, „ihrem Wesen nach an sich zur Verfassungsgerichtsbarkeit gehören“. 24 BVerfG, NVwZ 1998, 169, 170. 25 BVerwG, NJW 1989, 1495; NJW 2000, 3584.
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diese Rechtsprechung kann sie bei der Beantwortung der Frage, wie der prinzipale Rechtsschutz nunmehr auszusehen hat, nicht außer Acht gelassen werden. 4. Rechtsschutz durch eine verwaltungsgerichtliche prinzipale Normenkontrolle In Konsequenz der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, die nach der Rechtsprechung des BVerfG alle Gerichte gem. § 31 BVerfGG binden soll, ist eine verfassungsgesetzlich gebotene Normenkontrolle nunmehr durch die Verwaltungsgerichte sicherzustellen. Dabei ist zu beachten, dass dieser verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz in einer Weise zu konkretisieren ist, die den gesetzgeberischen Willen respektiert, soweit dies mit der Verfassung irgendwie in Einklang gebracht werden kann. Von daher scheiden die im verwaltungsprozessualen Schrifttum26 früher z. T. unternommenen Versuche aus, den Anwendungsbereich der oberverwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle auf alle untergesetzlichen landesrechtlichen Normen auszuweiten und gegenüber bundesrechtlichen untergesetzlichen Vorschriften eine prinzipale Normenkontrolle zu kreieren. Diese Versuche stehen in eindeutigem Widerspruch zur gesetzlichen Eingrenzung der oberverwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle und zu dem gesetzgeberisch gewollten Ausschluss einer prinzipalen Normenkontrolle gegen untergesetzliche bundesrechtliche Bestimmungen. Die Abweichung von diesen eindeutigen gesetzgeberischen Vorgaben lässt sich in der Radikalität, mit der sie von ihren Vertretern verfochten wird, auch nicht auf Art. 19 IV GG stützen, denn dieser lässt grundsätzlich inzidente Normenkontrollen genügen und erfordert nur in Sonderfällen einen Rechtsschutz mittels prinzipaler Normenkontrollen. Nicht zu überzeugen vermag auch ein weniger weitreichender Lösungsansatz. Dieser Ansatz möchte den verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutz gegen untergesetzliche Rechtsvorschriften mittels einer atypischen Feststellungsklage sicherstellen, mit der die erstinstanzlichen Verwaltungsgerichte festzustellen hätten, dass eine untergesetzliche Rechtsnorm unwirksam sei27. Das steht im Widerspruch dazu, dass § 43 VwGO nur die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts, nicht aber die Feststellung der Nichtigkeit einer untergesetzlichen Norm vorsieht. Zudem trägt dieser Lösungsansatz nicht dem Gesichtspunkt Rechnung, dass ein Rückgriff auf die in § 43 VwGO geregelte allgemeine Feststellungsklage bzw. eine vorsichtige Ausweitung ihres Anwendungsbereichs den verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutz sicherzustellen vermag. Dieselben Einwände bestehen
26 So Bartlsperger, DVBl. 1967, 372, 373; Frenz, BayVBl. 1993, 483, 390; Obermayer, DVBl. 1965, 625, 632. 27 So z. B. schon früher Maurer, Tübinger Festschrift für Kern, 1968, S. 275, 305 ff. und später z. B. Fellenberg/Karpenstein, NVwZ 2006, 1133, 1134; VGH Kassel, NVwZ 2006, 1198.
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auch gegen die vom BVerwG28 in verschiedenen Entscheidungen befürwortete Feststellungsklage, mit der festgestellt werden soll, dass der Kläger durch die Norm in seinen Rechten verletzt wird. Auch dieser Klage fehlt es an einer normativen Abstützung in § 43 VwGO. Aus diesem Grund habe ich mich vor zwei Jahren für einen Rechtsschutz durch eine verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage gem. § 43 VwGO ausgesprochen29, mit der das Nichtbestehen des Normgebungsrechts der Verwaltung geltend gemacht wird, was zugleich die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Norm impliziert. Zwar verbot sich die Annahme, dass das Recht zum Erlass einer untergesetzlichen Rechtsnorm ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 VwGO darstelle, solange man Streitigkeiten über das Bestehen eines solchen Rechts als verfassungsrechtliche Streitigkeiten qualifizierte, da dann das Recht zur Normgebung als verfassungsrechtliches Rechtsverhältnis anzusehen war. Wenn man aber nunmehr mit dem Bundesverfassungsgericht und dem Bundesverwaltungsgericht davon ausgeht, dass es sich um eine verwaltungsrechtliche Streitigkeit handelt, dann ist es nur konsequent, das Recht zum Erlass einer untergesetzlichen Rechtsnorm auch als verwaltungsrechtliches Rechtsverhältnis anzusehen. Seine Feststellung nach § 43 VwGO ist dann nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Da das Normgebungsrecht öffentlich-rechtlichen Charakter hat, kommt eine solche Feststellungsklage sogar gegenüber privatrechtlichen Normen in Betracht, wenn bei diesen ein zivilgerichtlicher inzidenter Rechtsschutz (ausnahmsweise) nicht ausreicht, um der verfassungsgesetzlichen Rechtsschutzgarantie zu genügen30. Ganz auf der Linie der hier vertretenen Lösung liegt es, dass das BVerwG31 bei Bestehen eines Rechtsanspruchs auf Erlass einer untergesetzlichen Rechtsnorm eine verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage befürwortet, mit der dieser Anspruch auf Erlass der Norm festgestellt wird Bestehen bleibt allerdings der Einwand, dass die Zulassung einer Klage, mit der das Nichtbestehen des Rechts zum Erlass einer untergesetzlichen (auch bundesrechtlichen und/oder privatrechtlichen) Norm festgestellt wird, die Absicht umgeht, die der Gesetzgeber mit § 47 VwGO verfolgte. Diese Absicht veranlasste ihn auch, prinzipale Normenkontrollen gegen untergesetzliche Vorschriften im Geltungsbereich anderer Prozessordnungen gänzlich auszuschließen. Solche Bedenken, die auf einfachgesetzliche Vorschriften gestützt sind, können es aber wegen des verfassungsrechtlichen Rangs der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 IV GG nicht ausschließen, dass sich in Sonderfällen aus Art. 19 IV GG die Notwendigkeit eines prinzipalen Rechtsschutzes gegen untergesetzliche Normen ergibt. Allerdings folgt aus dem einfachen Gesetzesrecht, dass solche prinzipalen Normenkontrollen auf das verfassungsrechtlich Unumgängliche zu beschränken sind. Im Übrigen bleibt es dem Ge28
923. 29
BVerwG, NJW 2000, 3584; NVwZ 2004, 473 und dem folgend BVerfG, NJW 2006, 922,
Schenke, NVwZ 2016, 720 ff. Davon geht auch BVerwG, NZA 2016, 718, 719 aus. 31 BVerwGE 80, 355, 363 ff. und BVerwG, NVwZ 2002, 1505 f. 30
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setzgeber nur unbenommen, durch gesetzliche Neuregelungen entsprechende Wertungswidersprüche unter Beachtung des verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgebots zu beheben, was bereits vereinzelt geschehen ist32. An der Notwendigkeit eines prinzipalen Rechtsschutzes gegen untergesetzliche Rechtsnormen, die sich unmittelbar aus Art. 19 IV GG ergibt, und an ihrer derzeit gebotenen Konkretisierung durch § 43 VwGO ändert dies aber nichts. Probleme, die sich – anders als bei einer oberverwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle gem. § 47 V 2 VwGO – aus der begrenzten personellen Rechtskraft einer begründeten verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage ergeben, lassen sich mittels des Instituts der Beiladung (§ 65 VwGO i.V.m. § 121 VwGO) bewältigen33. In seiner neueren Rechtsprechung tendiert denn auch das BVerwG34 jedenfalls in einzelnen Entscheidungen dazu, die Rechtsschutzproblematik mit einer Feststellungsklage zu lösen, die auf § 43 VwGO gestützt wird und auf das Nichtbestehen eines Normgebungsrechts gerichtet ist. Zu beachten ist, dass eine solche Klage, die nur durch Art. 19 IV GG erzwungen wird, strikt auf die (seltenen) Fälle zu beschränken ist, in denen ohne eine solche Klage der verfassungsrechtlich gebotene effektive Rechtsschutz gegen eine untergesetzliche Norm fehlte. Wenn hingegen – wie dies in der Regel zutrifft – inzidente Normenkontrollen zur Sicherung des Rechtsschutzes gegen Normen ausreichen, verbietet sich die Zulassung einer solchen Feststellungsklage, da sie auf eine unzulässige Umgehung des § 47 VwGO wie auch anderer Prozessordnungen hinausliefe, die – vom BVerfGG abgesehen – prinzipale Normenkontrollen grundsätzlich ausschließen. Überdies ebnete die Zulassung einer solchen Klage den Weg zu einem vorbeugenden Rechtsschutz gegen Normen, der sowohl dem verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzsystem wie auch anderen Prozessordnungen fremd ist. 5. Das Verhältnis zwischen verwaltungsgerichtlichem Rechtsschutz gegen untergesetzliche Rechtsnormen und Rechtssatzverfassungsbeschwerde Schon in meiner Monografie „Rechtsschutz bei normativem Unrecht“35 habe ich mich dafür ausgesprochen, dass dort, wo der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz gegen Normen durch die Verwaltungsgerichte sichergestellt wird – und sei es nur in32
s. den mit Wirkung vom 16. 8. 2004 eingeführten § 98 ArbGG (BGBl. I S. 1348), der in Konsequenz der Entscheidung BVerwG, NZA 2010 718, Rdnr. 26 ff. nunmehr in Bezug auf bestimmte arbeitsrechtlich relevante untergesetzliche Rechtsnormen eine allgemeinverbindliche prinzipale Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit und Nichtigkeit vorsieht. 33 s. hierzu Schenke, NVwZ 2016, 720, 725 f. 34 BVerwG, NZA 2010, 718, 719; ähnlich BVerwGE 136, 75. 35 Schenke, Rechtsschutz bei normativem Unrecht, S. 301 ff.; s. später auch Schenke, NJW 1986, 1451 ff.; ders., Festschrift für Steiner, 2009, S. 687, 691 ff., 709 ff.; ebenso z. B. Detterbeck, DÖV 1990, 562 ff.; Gerontas, DÖV 1982, 443 ff.; Warmke, Die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde, 1993, S. 174 ff. mit weit. Nachw.; a.A. Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 8. Aufl. 2010, Rdnrn. 252 ff.
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zident –, entsprechende Verfahren einen Rechtsweg i.S. des § 90 II 1 BVerfGG darstellen und deshalb die sofortige Erhebung einer Verfassungsbeschwerde grundsätzlich ausschließen. Das widersprach allerdings der damals ganz herrschenden Meinung36. Insbesondere das BVerfG hatte schon früher die Anwendung des § 90 II 1 BVerfGG stets mit dem wenig überzeugenden und einer näheren Überprüfung nicht standhaltenden Argument abgelehnt, gegen Normen gebe es keinen Rechtsweg37. Lediglich in Bezug auf solche untergesetzliche Rechtsvorschriften, gegen die eine Normenkontrolle gem. § 47 VwGO möglich war, erkannte es nach anfänglichem Zögern an, dass diese Normenkontrolle einen Rechtsweg i.S. des § 90 II 1 BVerfGG darstellt38 und deshalb der unmittelbaren Erhebung einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde entgegensteht. Interessanterweise hatte das BVerfG39 allerdings schon zu Beginn seiner Rechtsprechung die Ansicht vertreten, dass bei Normen, die rechtsnotwendig oder nach der tatsächlichen Verwaltungspraxis noch einer Vollziehung durch die Verwaltung bedürfen, die unmittelbare Erhebung einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde ausgeschlossen sei. Es begründete dies damit, dass solche vollziehbare Normen noch nicht in Grundrechte eingriffen. Der Grundrechtseingriff werde vielmehr erst durch die Akte begründet, mit denen die Norm vollzogen wird (Normvollzugsakte). Diese Begründung war freilich nicht überzeugend. Tatsächlich greifen nämlich vollziehbare Normen in subjektive Rechte ein, insbesondere soweit sie – wie im Bereich des Steuerrechts – bereits Leistungsverpflichtungen begründen. Selbst wenn sie für sich genommen die Normadressaten noch nicht zu Leistungen verpflichten, kommt ihnen jedenfalls insoweit subjektivrechtliche Relevanz zu, als sie die Normadressaten dazu verpflichten, die Normvollzugsakte zu dulden. Im Ergebnis nahm das BVerfG zwar durchaus zurecht an, dass bei vollziehbaren Normen die Erhebung einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde ausgeschlossen ist. Der eigentliche Grund hierfür lag jedoch darin, dass die Anfechtung von Normvollzugsakten zugleich auch einen Rechtsschutz gegen die zugrundeliegende Norm gewährt und dadurch einen Rechtsweg i.S. des § 90 II 1 BVerfGG darstellt. Wenn man dies anerkennt, so ist es zwingend, auch in anderen Fällen, in denen der Rechtsschutz gegen untergesetzliche Rechtsvorschriften mittels einer inzidenten Normenkontrolle sichergestellt wird, die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen die Rechtsnorm an ihrer Subsidiarität gemäß § 90 II 1 BVerfGG scheitern zu lassen. Mitte der 1980er-Jahre hat sich denn auch das BVerfG40 allgemein dazu durchgerungen, in solchen Fällen die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen die Rechtsnorm wegen des Rechtsgedankens der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde auszuschließen, der § 90 II 1 BVerfGG zu entnehmen ist. Zu einer unmittelbaren Anwendung des § 90 II 1 BVerfGG, die an und für sich geboten 36 s. hierzu eingehende Nachweise bei Schenke, Rechtsschutz bei normativem Unrecht, S. 302, Fn. 17. 37 BVerfGE 2, 292, 295; 3, 34, 36. 38 BVerfGE 70, 39, 43 f.; 97, 157, 164 f. 39 BVerfGE 1, 97, 101; 6, 273, 277. 40 BVerfGE 72, 39, 43 f.; 97, 157, 164.
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ist, konnte sich das BVerfG allerdings noch nicht durchringen. Dies lag wohl nicht zuletzt daran, dass es zu diesem Zeitpunkt noch nicht anerkannte, dass auch inzidente Normenkontrollen einen Rechtsweg i.S. des Art. 19 IV GG darstellen. Pikanterweise war im Übrigen einer der ersten Fälle, in denen das BVerfG41 auf den Rechtsgedanken des § 90 II 1 BVerfGG rekurrierte, eine Rechtssatzverfassungsbeschwerde, die ich als Prozessbevollmächtigter einer Reihe von Landwirten gegen eine Vorschrift der Milchgarantieverordnung (§ 6 VI Milchgarantiemengenverordnung aF)42 unmittelbar beim Bundesverfassungsgericht eingelegt hatte, wobei ich mich an dessen bisheriger Rechtsprechung orientiert hatte. Das BVerfG sah die Verfassungsbeschwerde in Konsequenz der Kehrtwende, die es in seiner Rechtsprechung einleitete, nunmehr als unzulässig an, weil die Landwirte erst eine verwaltungsgerichtliche Feststellungklage hätten erheben müssen, in deren Rahmen eine inzidente Normenkontrolle hätte stattfinden müssen. Die Erhebung dieser Feststellungsklage führte schließlich dazu, dass das BVerwG43 als letzte verwaltungsgerichtliche Instanz fünf Jahre später eine Verletzung der Art. 12 und Art. 14 GG durch die Milchgarantiemengen-Verordnung bejahte und der Feststellungsklage stattgab. Meine Reaktion auf die neue verfassungsgerichtliche Rechtsprechung war dementsprechend – obschon mich die neue dogmatische Weichenstellung des BVerfG als Wissenschaftler natürlich freute – durchaus geteilt. Nach seiner jetzigen Rechtsprechung liegt es auf der Hand, dass das BVerfG nicht nur bei Feststellungsklagen, die zu einer inzidenten Normenkontrolle führen, von der Subsidiarität der Rechtssatzverfassungsbeschwerde ausgeht, sondern erst recht bei Feststellungsklagen, die (wie § 47 VwGO) zu einer prinzipalen Normenkontrolle führen. Deshalb war etwa in den oben genannten Fällen, in denen Flugrouten durch eine Rechtsverordnung festgelegt wurden, erst der verwaltungsgerichtliche Rechtsweg zu beschreiten. Das BVerfG hatte sich erst nach dessen Erschöpfung im Rahmen einer Urteilsverfassungsbeschwerde gegen die letztinstanzliche Entscheidung des BVerwG mit der Frage zu befassen, ob die Flugroutenfestlegung die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten verletzte. Zu beachten bleibt freilich, dass die Qualifizierung einer prinzipalen Normenkontrolle gegen untergesetzliche Rechtsnormen auch Auswirkungen auf den Umfang der bundesverfassungsgerichtlichen Überprüfung haben muss. In ihrer Logik liegt es, dass das BVerfG mittelbare Grundrechtsverletzungen grundsätzlich nicht mehr zu überprüfen befugt ist44, son-
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BVerfG, NJW 1986, 1483 ff. s. zu deren Verfassungswidrigkeit Schenke, ArgrarR 1987, 89 ff. 43 BVerwGE 81, 49 ff. 44 Anders noch die frühere ständige Rechtsprechung des BVerfG, s. hierzu näher mit eingehenden Nachweisen Schenke, Verfassungsgerichtsbarkeit und Fachgerichtsbarkeit, 1987, S. 58 ff. 42
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dern – wie auch bei der Überprüfung sonstigen Verwaltungshandelns – nur noch spezifische Grundrechtsverletzungen feststellen kann45. 6. Rechtsschutz gegen ein Unterlassen des untergesetzlichen Normgebers Soweit Betroffene in seltenen Fällen einen Anspruch auf Erlass einer Norm haben, garantiert Art. 19 IV GG ebenfalls einen Rechtsschutz46. Ein inzidenter Rechtsschutz scheidet hier regelmäßig aus. Vielmehr ist der Rechtsschutz durch eine Klage zu gewähren, deren Gegenstand der Normsetzungsanspruch ist. Dieser Anspruch ist grundsätzlich nicht auf den Erlass einer im Detail konkretisierten Norm gerichtet. Vielmehr steht dem Normgeber bei der Ausgestaltung der Norm regelmäßig ein nicht unerheblicher Spielraum zu. Nach der Ansicht, die im verwaltungsprozessualen Schrifttum vorherrscht, kommt zur Durchsetzung des Normsetzungsanspruchs vor allem eine verwaltungsgerichtliche allgemeine Leistungsklage in Betracht47. Die in der Rechtsprechung vertretene Auffassung, die eine auf Normerlass gerichtete Leistungsklage überwiegend für nicht statthaft ansieht, bevorzugt hingegen eine verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage gem. § 43 VwGO48, die auf die Feststellung des Bestehens des Normsetzungsanspruchs gerichtet ist. Bei der Tenorierung ist bei beiden Klagearten dem Spielraum Rechnung zu tragen, der dem Normgeber bei der Ausgestaltung der zu erlassenden Norm zukommt. Dieser Spielraum darf durch die Verwaltungsgerichte nicht beschnitten werden. Daran haben sich auch die Klageanträge sowohl bei einer allgemeinen Leistungsklage wie auch bei einer allgemeinen Feststellungsklage zu orientieren. Die von mir früher vertretene Ansicht49, dass es sich bei einer gerichtlichen Streitigkeit, die einen Anspruch auf Erlass einer untergesetzlichen Norm zum Gegenstand hat, um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit handele, habe ich auch hier im Hinblick auf die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung aufgegeben. Dogmatische Argumente und Einsichten haben sich auch hier der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu beugen, wenn nicht der Anschluss an die prozessuale, durch das BVerfG wesentlich geprägte prozessuale Realität verloren gehen soll. Deshalb scheidet die unmittelbare Erhebung einer Verfassungsbeschwerde aus, die von mir früher zur Sicherung des Rechtsschutzes gegen ein Unterlassen des Normgebers befürwortet wurde und die meines 45
So in der Tat BVerfG, NVwZ 1998, 169, 170, ohne freilich dieses (bei Qualifikation prinzipaler Normenkontrollen als verwaltungsrechtliche Streitigkeit nur konsequente) Abrücken von seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung zu begründen. 46 s. schon Schenke, Rechtsschutz bei normativem Unrecht, S. 168 ff. und Schenke, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Drittbearbeitung), Stand 2009, Art. 19 IV, Rdnrn. 362 ff. mit eingeh. Nachw. in Rdnr. 362, Fn. 954. 47 Für sie Ehlers, Jura 2006, 351, 353; Hufen, Festschrift für Würtenberger, 2013, 873 ff. 48 BVerwGE 80, 355, 363 ff. 49 Schenke, VerwArch. Bd. 82 (1991), 307 ff.; a. A. BVerwG, NVwZ 2002, 1505 f.; ebenso Sodan, NVwZ 2001, 601, 609.
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Erachtens auf eine (mittelbare) Verletzung des Art. 3 GG bzw. spezieller Gleichheitsgrundrechte zu stützen war. Auch ihr steht die in § 90 II 1 BVerfGG statuierte Subsidiarität entgegen.
V. Ergebnis Art. 19 IV GG gewährleistet als ein unabdingbares rechtsstaatliches Erfordernis Rechtsschutz gegen untergesetzliche Rechtsvorschriften. Ihm genügen aber in der Regel fachgerichtliche inzidente Normenkontrollen. Nur ausnahmsweise erfordert das Prinzip der Rechtsschutzeffektivität, das dem Art. 19 IV GG zu entnehmen ist, prinzipale Normenkontrollen. Soweit hier nicht bereits § 47 VwGO einschlägig ist, ist dieser Rechtsschutz durch eine Klage gem. § 43 VwGO sicherzustellen, die auf Feststellung des Nichtbestehens eines Normgebungsrechts gerichtet ist. Die fachgerichtlichen Möglichkeiten eines (prinzipalen oder inzidenten) Rechtsschutzes gegen untergesetzliche Normen schließen gem. § 90 II 1 BVerfGG die unmittelbare Erhebung einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde aus. Art. 19 IV GG garantiert Rechtsschutz auch gegen das Unterlassen untergesetzlicher Rechtsvorschriften. Dieser Rechtsschutz ist durch eine verwaltungsgerichtliche allgemeine Leistungs- oder Feststellungsklage sicherzustellen. Dass auch das BVerfG nunmehr einen verfassungsrechtlich geforderten Rechtsschutz gegen untergesetzliches normatives Unrecht anerkennt, sollte das Gericht im Übrigen dazu veranlassen, einen solchen Rechtsschutz – unter Beachtung der sich aus Art. 100 I GG ergebenden Modifikationen – zukünftig auch gegenüber formellen Gesetzen zuzulassen und damit zugleich den Rechtsstaat zu vollenden. Ein solcher Schritt sollte umso leichter fallen, als die Umsetzung eines solchen Postulats nur relativ geringfügige Eingriffe in das einfache Gesetzesrecht bei der Ausgestaltung des konkreten Normenkontrollverfahrens und der Befristung der Verfassungsbeschwerde nötig machte. Literaturverzeichnis Bartlsperger, Die Bauleitplanung als Reservat des Verwaltungsstaates, DVBl. 1967, 360 ff. Detterbeck, Der allgemeine Grundsatz der Subsidiarität der Rechtssatzverfassungsbeschwerde, DÖV 1990, 558 ff. Ehlers, Die allgemeine verwaltungsgerichtliche Leistungsklage, Jura 2005, 351 ff. Frenz, Der Rechtsschutz gegen unmittelbar beeinträchtigende Normen, BayVBl. 1993, 483 ff. Gerontas, Zur Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz, DÖV 1982, 440 ff. Hufen, Eine Brücke über die Lücke – Die Normerlassklage im System der verwaltungsgerichtlichen Klagearten, in: Festschrift für Würtenberger, 2013, S. 873 ff. Jellinek, Walter, Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1931. Kraayvanger, Der Begriff der verfassungsrechtlichen Streitigkeit i.S. des § 40 I 1 VwGO, 2004.
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Maurer, Rechtsschutz gegen Rechtsnormen, in: Tübinger Festschrift für Eduard Kern, 1968, S. 275 ff. Obermayer, Verfassungsrechtliche Aspekte der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle, DVBl. 1965, 625 ff. Schack, Die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Gesetz und Verordnung unter besonderer Berücksichtigung Preußens und des Deutschen Reichs, 1918. Schenke, Rechtsschutz bei normativem Unrecht, 1979. – Die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde, NJW 1986, 1451 ff. – Verfassungsgerichtsbarkeit und Fachgerichtsbarkeit, 1987. – Verfassungsrechtliche Probleme der Milchgarantiemengen-Verordnung, dargestellt am Beispiel des § 6 VI MGVO, Agrarrecht 1987, 89 ff. – Rechtsschutz gegen das Unterlassen von Rechtsnormen, VerwArch. Bd. 82 (1991), 307 ff. – Der Anspruch des Verletzten auf Rücknahme des Verwaltungsakt vor Ablauf der Anfechtungsfristen, in: Festschrift für Maurer, 2001, S. 723 ff. – Rechtsschutz gegen normatives Unrecht, JZ 2006, 1004 ff. – Streitigkeiten verfassungsrechtlicher Art i.S. des § 40 VwGO, AöR Bd. 131 (2006), 117 ff. – Kommentierung des Art. 19 IV GG, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 2009. – Zulässigkeitsprobleme der Rechtssatzverfassungsbeschwerde – Unmittelbare Betroffenheit, Subsidiarität, Rechtswegerschöpfung, Verfassungsbeschwerdefrist, in: Festschrift für Steiner, 2009, S. 682 ff. – Altes und Neues zum Rechtsschutz gegen untergesetzliche Normen, NVwZ 2016, 720. – Verwaltungsprozessrecht, 15. Aufl. 2017. – Rechtsschutz bei normativem Unrecht, NJW 2017, 1062 ff. – in: Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 23. Aufl. 2017, § 43, Rdnr. 8 ff. Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 8. Aufl. 2010. Schmidt-Aßmann, Kommentierung des Art. 19 IV GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 2018. Sodan, Der Anspruch auf Rechtsetzung und seine prozessuale Durchsetzbarkeit, NVwZ 2000 601 ff. Sydow, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts, 2000. – Die Revolution von 1848/49 – Ursprung der modernen Verwaltungsgerichtsbarkeit, VerwArch. Bd. 92 (2001), S. 389 ff. Warmke, Die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde, 1993.
Kommunale Satzungsgebung und verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Republik Korea Von Nam-Chul Chung
I. Grundlagen 1. Die Debatte über eine Verfassungsänderung und eine Erweiterung der Selbstverwaltung In Südkorea wurde kürzlich die Bildung einer neuen Regierung durch die friedliche „Kerzenlicht Demonstration“ veranlasst und die partizipative Demokratie verstärkt. Die Abschaffung der sog. „kaiserlichen Präsidentschaft“ und die Minderung der Kompetenzen der Präsidenten werden immer wieder gefordert. Die angestrebte Debatte um eine Verfassungsänderung begann bereits in der südkoreanischen Nationalversammlung. Der Erfolg der Verfassungsänderung lässt sich zurzeit nicht vorhersagen, aber die Kernpunkte der aktuellen Verfassungsänderung liegen in der Dezentralisierung und einer ausgewogenen regionalen Entwicklung. Südkoreas Präsident Moon Jae-in und der Vorsitzender der südkoreanischen Nationalversammlung haben wiederholt eine sog. „dezentrale“ Verfassung befürwortet. Im Zusammenhang mit einer solchen Verfassungsänderung wird auch die Stärkung der Satzungsautonomie erörtert. Das Schrifttum vertritt dabei teilweise die Ansicht, dass der Status der gemeindlichen Satzung ähnlich wie der des formellen Gesetzes garantiert werden müsse.1 Teilweise ist man der Ansicht, dass die kommunale Satzungsgebung eine besondere Form der Gesetzgebung darstelle.2 Darüber hinaus wird in einigen Stellungnahmen darauf hingewiesen, dass die in Art. 117 Absatz 1 der koreanischen Verfassung (KV) enthaltene Formulierung „im Rahmen des Gesetzes“ zum Zwecke der Ausdehnung der Satzungsautonomie in „soweit das Gesetz nicht verletzt wird“ geändert werden solle.3 Die Erweiterung der kommunalen Satzungsgebung ist zwar notwendig, aber die gesetzgebende Gewalt der Nationalversammlung und die kom1 Seong-kyu Cho, Die Bedeutung und Aufgaben der Dezentralisierung von Verfassungsänderung in Bezug auf Kommunalrecht, Local Government Law Journal (Koreanisch), Vol. 12-3, S. 20. 2 Ki-woo Lee/Ha Seung-su, Kommunalrecht (Koreanisch), 2007, S. 313. 3 Woo-Yong Choi, Zur dezentralen Verfassungsänderung, Local Government Law Journal (Koreanisch), Vol. 17-3, S. 23.
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munale Satzungsgebung sind voneinander zu unterscheiden. Die gemeindliche Satzungsgebung ist keine eigene legislative Gewalt, sondern wird nach h.M. als abgeleitete Rechtsquelle angesehen. Zudem ist die Satzungsgebung exekutive Rechtssetzung. Die kommunale Satzungsgebung, die den Kernbereich der verfassungsmäßig garantierten Selbstverwaltung bildet, ist ein sehr wichtiges Thema. Sie weist einen engen Bezug zur Demokratie auf. Es ist deshalb wichtig, die Befugnis der Gemeinde zum Erlass von Satzungen ausreichend zu gewährleisten und die Autonomie der Gemeinde vor rechtswidrigen staatlichen Aufsichtsmaßnahmen zu schützen. Für die Selbstverwaltung ist aber auch die demokratische Legitimation von wesentlicher Bedeutung. Sie erfordert eine sachlich-inhaltliche demokratische Legitimation der kommunalen Satzungsgebung. Der Grundsatz des Gesetzesvorrangs und der des Gesetzesvorbehalts sind deshalb zu beachten. Zudem bedarf es einer ausreichenden personellen demokratischen Legitimation.4 2. Lücken verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes bei normativem Unrecht Es ist notwendig, den Rechtsschutz gegen rechtswidrige kommunale Satzungen zu klären, ehe über die Erweiterung der Satzungsautonomie diskutiert wird. Die gemeindlichen Satzungen sind autonome Normen der Kommunalverwaltung, die subjektive Rechte, insbesondere auch Grundrechte der Gemeindeeinwohner, einschränken können. Der Rechtschutz gegen kommunale Satzungen in Korea ist unzulänglich. Der Grund dafür liegt vor allem darin, dass sog. prinzipale Normenkontrollen weder in der koreanischen Verfassung noch im Verwaltungsprozessgesetz vorgesehen sind. Da die kommunalen Satzungen ebenso wie vom Parlament erlassene Gesetze und Rechtsverordnungen Rechtsnormen sind, sollte der Rechtsschutz gegen rechtswidrige Satzungen grundsätzlich durch eine prinzipale Normenkontrolle erfolgen. Wenn untergesetzliche Normen nach Art. 107 Abs. 2 KVein Vorfrage für die Entscheidung des zuständigen Gerichtes im Rahmen inzidenter Normenkontrollen bilden, überprüft der Koreanische Oberste Gerichtshof ihre Rechtswidrigkeit.5 In Korea ist die Frage, wer für die Normenkontrolle gegen untergesetzliche Normen zuständig ist, allerdings noch streitig. Im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle können kommunale Satzungen nur dann inzident überprüft werden, wenn eine Anfechtungsklage gegen einen auf die Norm gestützten Verwaltungsakt erhoben wird. Eine unmittelbare gerichtliche Kontrolle rechtswidriger gemeindlicher Satzungen kommt hingegen im Rahmen eine Verfassungsbeschwerde nach Art. 111 Abs. 1 Nr. 5 KV in Betracht. Jeder Bürger kann unter den Voraussetzungen des Art. 68 Abs. 1 des Koreanischen Verfassungsgerichtsgesetzes (KVerfGG) eine Verfassungsbeschwerde er4 Trute, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hg.), Grundlagen des Verwaltungsrecht, Bd. I, § 6 Rn. 47. 5 KOGH, Beschluss v. 26. 4. 1994 – 93Bu32 –.
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heben. Daneben kann eine Organklage gegen eine kommunale Satzung im Zusammenhang mit der Staatsaufsicht gegenüber den Kommunen oder in Verbindung mit der Ausübung von Kontrollbefugnissen des Bürgermeisters erhoben werden. Die Organklage ist im koreanischen Kommunalgesetz (KKG) geregelt. Im Mittelpunkt dieser Abhandlung steht die verwaltungsgerichtliche Kontrolle rechtswidriger Satzungen in Korea. Daneben wird auf den öffentlich-rechtlichen Rechtsschutz gegen rechtswidrige Unterlassung kommunaler Satzungen eingegangen. Im koreanischen Schrifttum ist umstritten, ob jeder Bürger eine Anfechtungsklage gegen rechtswidrige untergesetzliche Normen erheben kann. Dies wird von der h.M. in der koreanischen Literatur verneint. In jüngster Zeit wird auch darüber gestritten, ob der Rechtschutz gegen das rechtswidrige Unterlassen einer untergesetzlichen Norm wie z. B. einer Rechtsverordnung auch durch eine Anfechtungsklage oder durch eine im Koreanischen Verwaltungsprozessgesetz als Klageart vorgesehene Parteistreitigkeit erfolgen kann.
II. Gerichtliche Kontrolle rechtswidriger Satzungen in Korea 1. Inzidente Normenkontrolle gegen vollziehbare kommunale Satzungen Das koreanische Verwaltungsprozessgesetz sieht keine prinzipale Normenkontrolle vor. Daher ist es nur möglich, im Rahmen der Anfechtungsklage gegen einen die Satzung vollziehenden Verwaltungsakt dessen Übereinstimmung mit der Ermächtigungsgrundlage und damit zusammenhängend die Wirksamkeit der Satzung zu überprüfen. Gegen die kommunale Satzung selbst kann keine prinzipale Normenkontrolle erhoben werden. Die Zulässigkeit einer Anfechtungsklage gegen den die Norm vollziehenden Verwaltungsakt erfordert, dass der Kläger durch jenen unmittelbar betroffen wird. Im Rahmen der Anfechtungsklage ist zu überprüfen, ob die Satzung verfassungs- bzw. gesetzeswidrig und deshalb jedenfalls im Rahmen des konkreten Rechtsstreits als unwirksam anzusehen ist und deshalb auch der Normvollzugsakt rechtswidrig ist. Fraglich ist, ob die von einem Gericht als rechtswidrig anerkannte Satzung im Übrigen noch wirksam ist. Nach herrschender Meinung soll die rechtswidrige Satzung nicht allgemein verbindlich nichtig und grundsätzlich noch wirksam sein. Sie soll lediglich in dem vom Gericht konkret entschiedenen Fall nicht anwendbar sein. 2. Organklage In Korea stellt eine Organklage eine statthafte Klageart dar, wenn der von einem Gemeinderat beschlossene Entwurf der Satzung durch den Bürgermeister als rechtswidrig angesehen wird. In Bezug auf die Zuständigkeit für die gerichtliche Überprü-
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fung besteht seit langem eine Konkurrenz zwischen dem Koreanischen Verfassungsgericht und dem Koreanischen Obersten Gerichtshof. Nach Art. 111 Abs. 1 Nr. 4 KV und § 61 KVerfGG ist das Koreanischen Verfassungsgericht, insb. für einen Organstreit zuständig, in dem um das Bestehen oder den Umfang der Befugnisse zwischen Staatsorganen sowie zwischen Staatsorganen und Organen der öffentlichen Körperschaften und zwischen Organen der öffentlichen Körperschaften gestritten wird. Demgegenüber sieht § 3 Nr. 4 des koreanischen Verwaltungsprozessgesetzes (KVwPG) eine Organklage vor, deren Gegenstand Streitigkeiten zwischen Organen des Staates und Organen einer öffentlich-rechtlichen Körperschaften sind. In einzelnen Gesetzen wie z. B. in § 172 Absatz 3 KKG wird eine Organklage vorgesehen, für die der Koreanische Oberste Gerichtshof zuständig ist. Eine derartige Organklage ist nach § 45 KVwPG jedoch nur dann statthaft, wenn sie gesetzlich vorgesehen ist. Gemeindliche Satzungen stehen in Korea oft im Widerspruch zu gesetzlichen Entscheidungen. Die Organklage nach § 107 Abs. 3 und § 172 Absatz 3 KKG wird nur dann erhoben, wenn eine vorgesehene Satzungsregelung der Gemeinde gegen höhere Gesetze oder Rechtsverordnungen verstößt oder die Befugnisse von Bürgermeistern beeinträchtigt. Derartige Fälle finden sich in der koreanischen Rechtsprechung häufig. In diesen Fällen kann eine Klage auf Nichtigkeit des von einem Gemeinderat beschlossenen Entwurfs der Satzung erhoben werden. Zuständig für diese Klage ist der Koreanische Oberste Gerichtshof. Diese Klage ist zwar als Organklage ausgestaltet, da es sich bei ihr um eine Streitigkeit zwischen einem Bürgermeister und einem Gemeinderat handelt. Sie wird in der koreanischen Literatur aber teilweise auch als prinzipale Normenkontrolle qualifiziert. Die Satzungsgebung der Gemeinde reicht wegen deren „Satzungsautonomie“ weiter als die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers. Der Umfang und die Reichweite der gemeindlichen Satzungsgebung hängen von deren Gegenstand ab. Bei der Satzungsgebung ist aber auf jeden Fall der Grundsatz des Gesetzesvorrangs zu beachten. Wegen des Vorbehalts des Gesetzes bedarf eine Satzung jedenfalls bei Grundrechtseingriffen stets einer Ermächtigungsgrundlage. Dabei hat der parlamentarische Gesetzgeber die wesentlichen Regelungen selbst zu treffen. Das sieht insb. § 22 Abs. 1 Satz 2 KKG ausdrücklich vor. Danach bedarf es für einen in einer Satzung vorgesehenen Grundrechtseingriff einer gesetzlichen Grundlage. Umstritten ist jedoch, ob die in § 22 Abs. 1 Satz 2 KKG getroffenen Regelung verfassungswidrig ist. Eine extensive Auslegung dieser Regelung könnte die Gestaltungsfreiheit des Satzungsgebers erheblich vermindern und beschränken. Die Satzung ist anders als Rechtsverordnung nicht in gleichem Maße an eine Ermächtigung in einem formellen Gesetz gebunden. Unabhängig vom Bestand der Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 KKG bedarf es jedenfalls nach allgemeinen Grundsätzen für belastende Satzungen einer Ermächtigungsgrundlage (Grundsatz des Gesetzesvorbehalts). Zudem haben die Satzungen nach Art. 37 Abs. 2 KV dem Grundsatz des Übermaßverbots zu genügen. Im Bereich des Umweltrechts ist der Satzungsgeber freier gestellt und werden ihm durch das Gesetz größere Spielräume eröffnet. So sieht z. B. § 16 Abs. 3 des koreanischen Gesetzes über die Erhaltung der Luftqualität ausdrücklich vor, dass die
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Gemeinde in bestimmten Fällen die Emissionsgrenzwerte für Luftschadstoffe in der Satzung strenger als dies in der Verordnung des Umweltministeriums vorgesehen ist, festsetzen kann. Der Gegenstand der gemeindlichen Satzungsgebung beschränkt sich grundsätzlich auf Selbstverwaltungsangelegenheiten6. Aber sie kann unter bestimmten Voraussetzungen auf staatliche Auftragsangelegenheiten erstreckt werden. Der Koreanische Oberste Gerichtshof hat anerkannt, dass ausnahmsweise staatlichen Auftragsangelegenheiten Gegenstände von Satzungen sein können.7 Vor kurzem hat er jedoch wieder strenger nachgeprüft, ob staatlichen Auftragsangelegenheiten der Satzungsgebung unterliegen. Es ging dabei um eine „Satzung zum Schutz der Bevölkerung vor elektromagnetischen Wellen“, die von der Bildungsbehörde „Gyeong-gi (Gyeong-gi Provincial Office of Education)“ erlassen wurde. Um die Bevölkerung vor elektromagnetischen Wellen zu schützen, wurde durch die Satzung für Kindergärten und Grundschulen innerhalb der Provinz Gyeong-gi, eine sog. Sicherheitszone (sog. Safe Zone) festgelegt, in der die Errichtung von Anlagen, die elektromagnetische Wellen erzeugen, verboten wurde. Der südkoreanische Bildungsminister machte gegenüber dieser Satzung geltend, dass sie wegen eines Verstoßes gegen ein formelles Gesetz nichtig sei. Der deswegen von ihm angerufene Koreanische Oberste Gerichtshof vertrat die Ansicht, dass staatliche Auftragsangelegenheiten grundsätzlich keine Gegenstände der Satzungsgebung sein dürfen. Zudem führte der Koreanische Oberste Gerichtshof aus, dass die für den Bereich von privaten Kindergärten und komplexen Gebäuden getroffenen Regelungen der Satzung die Grundrechte der Berufsfreiheit und die Privatautonomie von Unternehmern ohne gesetzliche Grundlagen beeinträchtigten.8 Deshalb stellte es die Nichtigkeit der entsprechenden Satzung fest. Auch sonst gibt es in Korea immer mehr Konflikte zwischen der Staatsaufsicht und der Gestaltungsfreiheit der Satzungsgebung. Umstritten ist z. B., ob der zuständige Minister (der Minister für Innere Sicherheit) einen Bürgermeister anweisen kann, eine Klage zu erheben, oder ob der Minister selbst eine direkte Klage gegen die Satzung zu erheben vermag. Diese Problematik stellte sich in Bezug auf die Satzung zur Sicherung des Lebensunterhalts für Einwohner des Landkreises Gang-hwa. Dabei ging es um die Auslegung der Regelung des § 172 Abs. 1 KKG. Der Koreanische Oberste Gerichtshof war der Ansicht, dass der zuständige Minister weder einen Bürgermeister anweisen kann, eine Klage zu erheben, noch selbst eine direkte Klage gegen die Satzung erheben darf.9 Zugleich nahm das Gericht an, dass die Gemeinde oder ihr Bürgermeister eine Anfechtungsklage gegen Aufsichtsmaßnahmen des Staats wie eine von diesem getätigte Weisung bzw. Ersatzvornahme erheben 6 Nam-Chul Chung, Gegenstand und Regelungsumfang der gemeindlichen Gesetzgebung, Studies on Public Administration Cases, Vol. 13 (2008. 6), S. 431. (Koreanisch) Der Koreanische Oberste Gerichtshof nahm früher diese Meinung ein. Z. B. KOGH, Urt. von 28. 7. 1992 – 92Chu31 –. 7 KOGH, Urt. von 17. 9. 1999 – 99Chu30 –; KOGH, Urt. von 30. 5. 2000 – 99Chu85 –. 8 KOGH, Urt. von 5. 12. 2017 – 2016Chu5162 –. 9 KOGH, Urt. von 22. 9. 2016 – 2014Chu521 –.
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kann. In der Literatur ist umstritten, ob diese Klage als eine Organklage oder eine spezielle Anfechtungsklage zu qualifizieren ist. 3. Anfechtungsklage gegen rechtswidrige Satzung? Im Hinblick auf den Rechtsschutz gegen rechtswidrige Rechtsverordnungen vertritt die koreanische Literatur teilweise die Auffassung, dass eine Anfechtungsklage erhoben werden könne.10 Diese Auffassung wird vom französischen Recht beeinflusst. Nach ihr betrifft Art. 107 Abs. 2 KV keine Vorfrage. Nach Art. 107 Abs. 2 KV hat der Koreanische Oberste Gerichtshof die Kompetenz zu prüfen, ob eine Rechtsverordnung, auf deren Gültigkeit es bei der Entscheidung eines Gerichts ankommt, gegen die Verfassung oder ein Gesetz verstößt. Demzufolge könnten Rechtsverordnungen unter bestimmten Voraussetzungen konkret sein.11 Diese Auffassung ist aus meiner Sicht nicht akzeptabel. Es ist vielmehr geboten, prinzipale Normenkontrolle in die koreanische Verfassung einzuführen. Der Koreanische Oberste Gerichtshof hat in bestimmten Fallkonstellationen die Satzung als Verwaltungsakt (Verfügung)12, als sog. „Vollzugssatzung“, anerkannt. Das soll dann der Fall sein, wenn sie die Rechte oder rechtliche Interesse der Bürger direkt ohne Vermittlung des Vollzugsakts tangiert.13 Das Urteil des Koreanischen Obersten Gerichtshofs wird von der Literatur oft kritisiert.14 In Deutschland werden in der Literatur sog. Vollzugsnormen (sog. self-executing-Normen) anerkannt, die unmittelbar ohne die Vermittlung eines Vollzugsakts subjektive Rechte der Bürger umgestalten oder aufheben. Der Rechtsschutz gegen die Vollzugsnormen ist hier durch eine Feststellungsklage zu bewerkstelligen. Eine Anfechtungsklage kann nicht erhoben werden, da hier zur Vollziehung der Norm kein Verwaltungsakt ergeht.15 Gegenstand der Feststellungsklage ist das (Fort-)Bestehen des Rechts, auf dessen Aufhebung die untergesetzliche Norm gerichtet ist. Wenn beispielsweise berufliche Tätigkeiten durch eine Norm verboten und somit Grundrechte der Betroffenen beschränkt werden, liegt ein durch die Grundrechte begründetes feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 VwGO vor.16 Der Grund für Anerkennung von sog. „Vollzugssatzungen“ durch den Obersten Gerichtshof ergibt sich aus einem hier bestehenden Konkurrenzverhältnis zwischen dem Koreanischen Verfassungsgericht und dem Obersten Gerichtshof. 10
Gyun-Sung Park, Verwaltungsrecht I, S. 216 f. (Koreanisch) Jeong-Hoon Park, Structure and Function of Administrative Judicial Review, S. 72. (Koreanisch) 12 Im koreanischen Verwaltungsprozessgesetz ist der Gegenstand der Anfechtungsklage die „Verfügung“, die anders als in Deutschland weiter als der Verwaltungsakt erfasst wird. 13 KOGH, Urt. von 20. 9. 1996 – 95Nu8003 –. 14 Jung-Kwon Kim, Zum Problem von sog. Vollzugsnormen, Studies on Special Law, Vol. 12 (2015), S. 3 ff. (Koreanisch) 15 Wolf-Rüdiger Schenke, Rechtsschutz bei normativem Unrecht, NJW 2017, S. 1062. 16 Wolf-Rüdiger Schenke, Altes und Neues zum Rechtsschutz gegen untergesetzliche Normen, NVwZ 2016, S. 721. 11
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Sofern die Verwaltungsgerichte nicht anerkennen, dass auch Satzungen Gegenstand einer Anfechtungsklage sein können, kann nämlich eine Verfassungsbeschwerde gegen die rechtswidrige Satzung erhoben werden. Diesbezüglich findet dann das in der Rechtsprechung des Koreanischen Verfassungsgerichts anerkannte Subsidiaritätsprinzip keine Anwendung. Denkbar ist jedoch, dass mittels einer Parteistreitigkeit in Form einer Feststellungsklage Rechtsschutz gegen die sog. Vollzugsnormen gewährleistet wird, wenn es um die Frage des Fortbestehens eines Rechts geht, auf dessen Einschränkung die untergesetzliche Norm gerichtet ist. 4. Verfassungsbeschwerde In Korea kommt eine gerichtliche Kontrolle untergesetzlicher Normen im Wege einer Verfassungsbeschwerde in Betracht. Obwohl dies früher stark umstritten war, erkannte das Koreanische Verfassungsgericht erstmals in der Entscheidung von 15. 10. 1990 (89Hunma178) die Verfassungsbeschwerde gegen Rechtsverordnungen an.17 In jüngster Zeit kann danach allgemein mittels einer Verfassungsbeschwerde die Verfassungswidrigkeit von Rechtverordnungen oder Satzungen festgestellt werden. Die Verfassungsbeschwerde gegen Satzungen wird jedoch nur dann zugelassen, wenn ein Beschwerdeführer behauptet, selbst, gegenwärtig, und unmittelbar, in seiner grundrechtlichen geschützten Position verletzt zu sein und der Rechtsweg erschöpft ist.18 Im koreanischen Verfassungsgerichtsgesetz ist eine Urteilsverfassungsbeschwerde nicht zulässig. Die kommunale Verfassungsbeschwerde ist in Korea nicht vorgesehen. Auch im deutschen Recht ist eine Verfassungsbeschwerde nicht nur gegen Gesetze sondern auch gegen eine untergesetzliche Norm zulässig (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG i.V. mit § 90 BVerfGG).19 Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde kann damit auch in Deutschland eine Satzung sein. Das Bundesverfassungsgericht lässt auch Verfassungsbeschwerde gegen Satzungen zu.20 Aber das Koreanische Verfassungsgericht hat tatsächlich eine prinzipale Normenkontrolle durch eine Verfassungsbeschwerde gegen untergesetzliche Normen zugelassen, obwohl sich die Normenkontrolle und die Verfassungsbeschwerde wesentlich unterscheiden. Neben der Verfassungsbeschwerde sieht das Grundgesetz in Deutschland auch eine gleichfalls vor dem Bundesverfassungsgericht zu erhebende abstrakte Normenkontrolle (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG) vor. Anders als bei einer Verfassungsbeschwerde kommt es bei einer abstrakten Normenkontrolle nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG nicht auf eine Grundrechtsverletzung, sondern auf die Vereinbarkeit der angegriffenen Norm mit höherrangigem Recht an. Antragsteller können die Bundesregierung, eine Landesregierung oder ein Viertel der Mitglieder des Bundestags sein. Ein Rechtsschutzinteresse eines Antragstellers ist nicht erforderlich. Gegenstand eines 17
KVerfG, Entscheidung von 15. 10. 1990 – 89Hunma178 –. KVerfG, Entscheidung von 20. 4. 1995 – 92Hunma264 –; KVerfG, Entscheidung von 26. 12. 2008 – 2007Hunma1387 –; KVerfG, Entscheidung von 29. 10. 2009 – Hunma454 –. 19 Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 9. Aufl., Rn. 213. 20 BVerfGE 65, 325 (326). 18
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abstrakten Normenkontrollverfahrens gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG können auch Satzungen sein. In Deutschland ist außerdem noch ein besonderes Normenkontrollverfahren nach näherer Maßgabe des § 47 VwGO gegen untergesetzliche landesrechtliche Vorschriften statthaft, für das die Oberverwaltungsgerichte zuständig sind. Danach kann eine prinzipale Normenkontrolle u. a. gegen rechtswidrige Satzungen wie Bebauungspläne oder Rechtsverordnungen nach § 246 Abs. 2 des deutschen BauGB erhoben werden. Bei dieser prinzipalen Normenkontrolle setzt die Antragsbefugnis natürlicher und juristischer Personen nach § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO voraus, dass der Antragsteller geltend macht, durch die Rechtsnorm oder deren Anwendung in seinem Recht verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Das zuständige Oberverwaltungsgericht (OVG) kann eine angegriffene rechtswidrige Norm für unwirksam, in Sonderfällen aber auch nur für rechtswidrig erklären.21 5. Kritik Bei der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gegen rechtswidrige Satzungen ist in Korea die Organklage von wesentlicher Bedeutung. Sie dient aber nicht dem Rechtsschutz der Bürger. Der Rechtsschutz gegen rechtswidrige Satzungen kann daher grundsätzlich nur durch die inzidente Normenkontrolle gewährt werden. Die inzidente Normenkontrolle weist aber insoweit Schwächen auf, als die Norm nicht selbst Gegenstand des Verfahrens ist und deshalb von einem Gericht nicht für unwirksam erklärt werden kann. Wenn der Koreanische Oberste Gerichtshof ausnahmsweise die Satzung als eine anfechtbare Verfügung ansieht, überzeugt dies nicht. Daher sollte stattdessen in Bezug auf sog. Vollzugsnormen in der koreanischen Verwaltungsgerichtsbarkeit eine Parteistreitigkeit in Form einer Feststellungsklage in Betracht kommen, da es hier keinen Vollzugsakt gibt.
III. Aktuelle Fragen in der koreanischen Rechtsprechung 1. Entscheidungen des Koreanischen Verfassungsgerichts Eine typische Verfassungsbeschwerde gegen eine rechtswidrige kommunale Satzung hatte die „Satzungen zum Verbot der Errichtung der Tabakautomaten“ zum Gegenstand. Die Satzungen waren in der Stadt Bucheon und in Gangnam-gu, Seoul beschlossen worden.22 Die Beschwerdeführer, die Tabakkleinhandel betrieben, behaupteten, dass diese Satzung ihr Grundrecht der Berufsfreiheit und ihr Eigentum beeinträchtigten. Zudem vertraten sie die Ansicht, dass die Satzungen nicht auf einer gesetzlichen Grundlage beruhten und somit unwirksam seien. Das Koreanische Verfassungsgericht verneinte die behaupteten Grundrechtsverletzungen der Be21 22
Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, 3. Aufl., § 26 Rn. 470. KVerfG, Entscheidung von 20. 4. 1995 – 92Hunma264 –; KVerfGE 7-1, 564.
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schwerdeführer. Es überprüfte dabei die Vereinbarkeit der Grundrechtseingriffe mit dem Grundsatz des Übermaßverbots. Des Weiteren prüfte es, ob die Satzungen gegen das Bestimmtheitsgebot verstießen. Obwohl das Bestimmtheitsgebot kein Gegenstand von Verfassungsbeschwerden ist, hat das Koreanische Verfassungsgericht es seit langem manchmal auf Verfassungsbeschwerden angewandt. Das Bestimmtheitsgebot ist zwar für Normenkontrollen anwendbar, nicht aber für Verfassungsbeschwerden. Für die Frage des Vorliegens einer Grundrechtsverletzung ist es jedoch relevant, ob der Grundsatz des Gesetzesvorbehalts beachtet wurde. Das Verfassungsgericht stellte fest, dass den Gemeinden bei ihrer Satzungsgebung ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt werde und die Satzungen auch insoweit verfassungsmäßig seien. In einem anderen Fall befasste sich das Koreanische Verfassungsgericht mit der Satzung für die Errichtung und den Betrieb von privaten Akademien bzw. Instituten in der Stadt Busan.23 Nach § 9 Satz 1 der Satzung wurde dort Unterricht nur in der Zeit von 05:00 bis 22:00 Uhr zugelassen. Der Beschwerdeführer behauptete, dass er durch den Erlass der Satzung u. a. in den Grundrechten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, der Berufsfreiheit und des Rechts auf Bildung für Kinder verletzt werde. Das Koreanische Verfassungsgericht verneinte dies mit der Begründung, dass bei der Regelung die öffentlichen Interessen oder Belange wie z. B. die Gesundheit und Sicherheit der Studenten, die Verbesserung der Schulbildung und auch die Reduzierung der privaten Bildungskosten usw. zu berücksichtigen gewesen seien. Die Regelung habe deshalb den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt. Nur in wenigen Fällen ging das Koreanische Verfassungsgericht von der Verfassungswidrigkeit von Satzungen aus. 2. Urteile des Koreanischen Obersten Gerichtshofs Der Koreanische Oberste Gerichtshof überprüft grundsätzlich die Rechtswidrigkeit einer Satzung im Rahmen einer inzidenten Normenkontrolle. Eine solche inzidente Überprüfung unterzog er ein in einer Satzung geregeltes Veränderungsverbot im sog. Zoning-Gebiet, in der Stadt Yeosu, Provinz Cheolanam-do. Der Kläger hatte eine Anfechtungsklage gegen eine auf diese Satzung gestützte Verweigerung einer Baugenehmigung erhoben. Das Veränderungsverbot bezog sich auf Parkplätze. Der Koreanische Oberste Gerichtshof war der Ansicht, dass für das in der Satzung ausgesprochene Verbot keine gesetzliche Grundlage bestehe.24 Der Koreanische Oberste Gerichtshof hat manchmal die inzidente Normenkontrolle mit Grundsätzen, die für die Verfassungsbeschwerde gelten, vermengt. Ein von ihm entschiedener Fall bezog sich auf Beschränkungen der Viehzucht. Diese Beschränkungen beruhten nicht auf einem formellen Gesetz oder der gemeindlichen Satzung, sondern auf einem von einem Landrat (Gundwi-gun) erlassenen sog. 23 24
KVerfG, Entscheidung von 29. 10. 2009 – 2008Hunma454 –; KVerfGE 21-2 (II), 402. KOGH, Urt. 22. 11. 2012 – 2010Du22962 –.
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„Goshi“. Im koreanischen Verwaltungsrecht kommt dem „Goshi“ besondere Bedeutung zu. Es umschreibt Handlungen, die sich keiner der überkommenen rechtlichen Handlungsformen eindeutig zuordnen lassen. Das „Goshi“, das eigentlich eine „amtliche Bekanntmachung“ beinhaltet, kann nach h.M. eine unterschiedliche Rechtsnatur aufweisen. So kann es z. B. eine Verwaltungsvorschrift, eine Rechtsverordnung oder Allgemeinverfügung sein. Der Koreanische Oberste Gerichtshof hat im von ihm zu entscheidenden Fall das „Goshi“ als eine sog. „gesetzesergänzende Verwaltungsvorschrift“ qualifiziert. Sie ist nach der koreanischen Rechtsprechung genauso verbindlich wie z. B. die sog. normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften in Deutschland. Die Rechtsnatur der sog. „gesetzergänzenden Verwaltungsvorschriften“ ist jedoch streitig und die Auffassung des Koreanischen Obersten Gerichtshofs wird in der Literatur kritisiert.25 Im oben erwähnten Fall hielt der Koreanische Oberste Gerichtshof die sog. Subdelegation für grundsätzlich zulässig, prüfte aber, ob ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot und das Übermaßverbot vorliege. Er kam dabei zum Ergebnis, dass das „Goshi“ gegen den Grundsatz des Übermaßverbots verstoße und deshalb ungültig sei. Die auf diesem „Goshi“ beruhende Verfügung sah es folglich als rechtswidrig an.26
IV. Rechtsschutz gegen die Unterlassung der Satzungsgebung 1. Problemstellung Seit kurzem diskutiert nicht nur die koreanische Literatur, sondern auch die koreanische Rechtsprechung die Problematik eines Rechtsschutzes beim Unterlassen einer untergesetzlichen Norm intensiver. Das Koreanische Verfassungsgericht hat die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen das Unterlassen einer Satzung anerkannt. Es entschied, dass es allerdings nicht festzustellen habe, wie der konkrete Inhalt der Satzung auszusehen habe, auch wenn das formelle Gesetz den kommunalen Satzungsgebern – wie es in einem vom ihm entschiedenen Fall zutraf – aufträgt, Regelung über den „Umfang der Arbeit öffentlicher Bediensteten, die mit einer Arbeit beschäftigt sind“ zu erlassen.27 Fraglich ist jedoch, ob eine Unterlassung der kommunalen Satzungsgebung eine Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art ist. Die herrschende Meinung in Deutschland sieht eine Streitigkeit um den Erlass oder die Ergänzung eines formellen Gesetzes als eine Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art an. Der Streit um den Erlass oder die Ergänzung einer untergesetzlichen Norm wird hingegen als verwaltungsrechtliche Streitigkeit angesehen und für die Klage 25
Nam-Chul Chung, Zur Reform des sog. gesetzesergänzende Verwaltungsvorschriften und Grenzen ihrer Delegation, Studies on Public Administration Cases, Vol. 12 (2007. 6), S. 100 ff. (Koreanisch) 26 KOGH, Urt. von 15. 1. 2015 – 2013Du14238 –. 27 KVerfG, Entscheidung von 30. 7. 2009 – 2006Hunma358 –.
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eines Bürgers auf Erlass einer solchen Norm der Verwaltungsrechtsweg bejaht.28 In Deutschland wird nicht nur die Normenerlassklage, die auf die gerichtliche Verpflichtung des Normgebers zielt, sondern auch eine Normenergänzungsklage als unechte Normerlassklage von der Rechtsprechung anerkannt.29 2. Statthafte Klageart für die Normerlassklage Gestritten wird in Deutschland darüber, was die statthafte Klageart für eine Normerlassklage ist. In der deutschen Literatur werden eine Feststellungsklage30, eine allgemeine Leistungsklage31, und eine Klageart sui generis32 als statthafte Klagearten angesehen. Nach der Rechtsprechung des deutschen Bundesverwaltungsgerichts ist die Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO die statthafte Klageart für eine Normerlassklage.33 In der koreanischen Literatur wird diskutiert, ob die Normerlassklage im Wege einer Einspruchsklage oder einer Parteistreitigkeit34 geltend zu machen ist. Teilweise wird dabei die Auffassung vertreten, dass die Rechtswidrigkeit der Unterlassung einer untergesetzlichen Norm im Wege einer Feststellungsklage festgestellt werden kann. Wenn die Unterlassung der Normsetzung unmittelbar Rechte oder rechtliche geschützte Interessen beeinträchtigt, kann nach dieser Ansicht die Rechtswidrigkeit der Unterlassung Gegenstand einer Feststellungsklage gem. § 4 KVwPG sein.35 Nach anderer Ansicht soll die Verpflichtung des Normgebers, einen Sachverhalt durch Erlass einer untergesetzlicher Normen zu regeln, dem § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVwPG unterfallen.36 Aber die Unterlassung einer Norm und die einer Verfügung können nicht gleichgesetzt werden. § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVwPG regelt nur den Rechtsschutz bei Unterlassung einer „Verfügung“. Der Koreanische Oberste Gerichtshof ist der Ansicht, dass die Unterlassung der Rechtsverordnung kein Gegenstand einer
28
Würtenberger, a.a.O., § 39 Rn. 701. Würtenberger, a.a.O., § 39 Rn. 690 ff. 30 Axer, Normenkontrolle und Normenerlaß in der Sozialgerichtsbarkeit, NZS 1997, S. 16; Duken, Nornerlaßklage und fortgesetzte Normerlaßklage, NVwZ 1993, S. 548; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 7. Aufl., § 20 Rn. 8; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl., Vorb. § 40 Rn. 8a; Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 1 Rn. 160. 31 Schmitt Glaeser/Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl., Rn. 332; Sodan, Der Anspruch auf Rechtsetzung und seine prozessuale Durchsetzbarkeit, NVwZ 2000, S. 609; Würtenberger, a.a.O., Rn. 705. 32 VGH München, BayVBl. 1980, 209 (211). 33 BVerwGE 80, 355; 111, 276 (278 f.); 115, 81 (92 ff.). 34 Nam-Chul Chung, Gerichtliche Kontrolle der rechtswidrigen untergesetzlichen Normen: Durchsetzbarkeit der Normergänzungsklage durch Parteistreitigkeit, Justice, Vol. 110 (2009. 4), S. 194 ff. (Koreanisch) 35 Gun-Sung Park, a.a.O., S. 226. 36 Jeong-Hoon Park, Verwaltungsprozess gegen Unterlassung der untergesetzlichen Normen, Case Study Review, Vol. 6 (2003. 8), S. 192 – 193. (Koreanisch) 29
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Feststellungsklage sein könnte, die auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Unterlassen gerichtet ist.37 Ich bin der Auffassung, dass eine Parteistreitigkeit nach § 3 Nr. 2 KVwPG vorliegt, wenn auf Erlass einer untergesetzlichen Norm geklagt wird, weil eine solche Klage den Rechtscharakter einer Feststellungsklage bzw. einer Leistungsklage aufweist. Im koreanischen Verwaltungsprozessgesetz ist nicht nur die allgemeine Leistungsklage, sondern auch die Verpflichtungsklage nicht ausdrücklich geregelt. Die Leistungsklage ist im koreanischen Verwaltungsprozessgesetz nur unvollständig und lückenhaft geregelt. Der Gegenstand einer materiellen Parteistreitigkeit ist ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis. Seit kurzem wird in Korea die Auffassung, dass eine Klage gegen das Unterlassen einer untergesetzlichen Norm eine Parteistreitigkeit ist, erfreulicherweise zunehmend vertreten.38 Gegen die rechtswidrige Unterlassung einer Satzung kann auch aus meiner Sicht im Wege einer Parteistreitigkeit vorgegangen werden. Da den Gemeinden die Satzungsautonomie und der Gestaltungsspielraum in Satzungen in relativ weitem Umfang gewährt werden, bin ich der Auffassung, dass der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz gegen das Unterlassen von Satzungen in Korea nicht in Form einer Leistungsklage, vielmehr in Form einer Feststellungsklage zu erfolgen hat. 3. Durchsetzbarkeit der sog. Normergänzungsklage Eine sog. Normergänzungsklage als ein Unterfall der Normerlassklage kommt dann in Betracht, wenn der Normgeber in einer Norm einen bestimmten Sachverhalt nicht geregelt hat und aus diesem Grund diese Norm wegen eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz unvollständige und lückenhaft ist. Die sich hier stellende Problematik ist bisher in Korea nicht ausreichend behandelt worden. In jüngster Zeit wird aber diskutiert, ob und wie die Normergänzungsklage auch in die koreanische Verwaltungsgerichtsbarkeit eingeführt werden kann. In der deutschen Literatur wird der Rechtsschutz bei einer gebotenen Normergänzung im Anwendungsbereich des § 47 VwGO mittels eines Normenkontrollantrags sichergestellt, der auf die prinzipale Feststellung der Rechtswidrigkeit der ergänzungsbedürftigen Norm gerichtet ist.39 Soweit eine Normenkontrolle gem. § 47 VwGO nicht statthaft ist – was insbesondere bei bundesrechtlichen untergesetzlichen Rechtsvorschriften zutrifft – wird, wie auch sonst beim rechtswidrigen Unterlassen einer Norm, Rechtsschutz mittels einer Fest-
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KOGH, Urt. von 8. 5. 1992 – 91Nu11261 –. Hyun-joon Kim, Verwaltungsprozess gegen untergesetzlichen Normen, Public Law Review, Vol. 46 Nr. 2 (2017. 12), S. 260 ff. (Koreanisch) 39 Hufen, a.a.O., § 20 Rn. 1. Diesbezüglich wird meist vertreten, dass die unvollständige und damit rechtswidrige Norm bis zur Behebung ihrer Rechtswidrigkeit unanwendbar ist. Dazu Schoch, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. III, § 50 Rn. 226. 38
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stellungsklage oder eine allgemeine Leistungsklage gewährt.40 Deren Gegenstand ist der Anspruch auf Erlass der untergesetzlichen Norm. Soweit sich aus dem Gleichheitssatz nicht bereits ein Anspruch auf Ausweitung des Anwendungsbereichs der unvollständigen Norm ergibt, besteht nur ein Anspruch auf Bescheidung des Normergänzungsanspruchs. Durch diese Bescheidung ist das gleichheitswidrige Unterlassen des untergesetzlichen Normgebers zu beheben, was auf verschiedene Weise geschehen kann.41 Rechtsschutz ist bei einer ergänzungsbedürftigen Norm damit nur mittels einer prinzipalen Feststellung der Rechtswidrigkeit der zu ergänzenden Norm im Rahmen eines Normenkontrolle gem. § 47 VwGO bzw. wenn diese unstatthaft oder unzulässig ist, nur mittels einer (Leistungs- oder Feststellungs-)Klage möglich, deren (prinzipalen) Gegenstand der Anspruch auf Ergänzung der Norm ist. Eine inzidente Normenkontrolle im Rahmen eines Rechtsschutzes gegen Normvollzugsakte vermag hingegen einen Rechtsschutz gegen das rechtswidrige Unterlassen einer Norm nicht sicherzustellen.42 In Korea kann einem Anspruch auf Erlass einer untergesetzlichen Norm nicht mittels einer prinzipalen Normenkontrolle Rechnung getragen werden, da nur inzidente Normenkontrollverfahren in der koreanischen Verfassung vorgesehen sind. Daher bin ich der Auffassung, dass hier der Anspruch auf Ergänzung einer Norm – genauso wie allgemein der Anspruch auf Erlass einer untergesetzlichen Norm – nur im Wege einer Parteistreitigkeit geltend gemacht werden kann, die auf die Feststellung des Anspruchs auf Ergänzung der untergesetzlichen Norm gerichtet ist.43
V. Schlussbemerkung Dieser Vortrag befasst sich mit der gerichtlichen Kontrolle rechtswidriger Satzungen in Korea. Sie erfolgt in Korea meistens durch eine Organklage. Daneben kommt ein Rechtsschutz gegen rechtswidrige Satzungen mittels einer inzidenten Normenkontrolle in Betracht. Er ist aus meiner Sicht aber insoweit unzureichend, als die rechtswidrige Norm nur in dem entschiedenen Fall als unwirksam behandelt wird, im Übrigen aber nach wie vor als wirksam angesehen wird. Gegen eine rechtswidrige Satzung kann aber auch eine Verfassungsbeschwerde erhoben werden. Das Koreanische Verfassungsgericht führt im Rahmen der Verfassungsbeschwerde eine Normenkontrolle durch. Die Normenkontrolle und die Verfassungsbeschwerde sind jedoch voneinander zu unterscheiden. Es ist deshalb notwendig, durch eine Verfassungsänderung zukünftig die prinzipale Normenkontrolle in das koreanische Recht einzufüh40 Würtenberger, a.a.O., § 39 Rn. 703; Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 9. Aufl., § 31 Rn. 7; Happ, in: Eyermann (Hg.), VwGO, 14. Aufl., § 42 Rn. 63 und § 43 Rn. 9c. 41 Duken, a.a.O., S. 547; Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 9. 42 Schenke, Rechtsschutz bei normativem Unrecht, NJW 2017, S. 1064. 43 Nam-Chul Chung, Die Normenkontrolle des Gerichts gegenüber Unterlassen untergesetzlichen Normen, Studies on Public Administration Cases, Vol. 22 Nr. 2 (2017), S. 111 ff. (Koreanisch)
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ren und den Rechtsschutz gegen rechtswidrige untergesetzliche Normen insoweit zu ergänzen. Die Kompetenzen zur Normenkontrolle sind zwischen dem Verfassungsgericht und dem Koreanischen Obersten Gerichtshof vernünftigerweise aufzuteilen. Konkrete Fälle, in denen es um den Rechtsschutz gegen das rechtswidrige Unterlassen von Satzungen geht, stellten sich bisher nur in wenigen Fällen in Verbindung mit einer Verfassungsbeschwerde. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle bei rechtswidrigem Unterlassen der Satzungen bedarf in der koreanischen Literatur einer näheren Diskussion. Normenerlass- und Normenergänzungsklagen sind im koreanischen Verwaltungsprozessgesetz Parteistreitigkeiten. Sie umfassen die Feststellungsklage bzw. die allgemeine Leistungsklage. Man darf gespannt sein, in welcher Richtung sich die koreanische Rechtsprechung in Bezug auf den Rechtsschutz gegen Satzungen entwickeln und ob sie sich möglicherweise ändern wird.
Satzungen und Rechtsverordnungen Diskussionsbeitrag zum Vortrag von Wolf-Rüdiger Schenke über „Rechtsschutz gegen untergesetzliche Rechtsnormen“ Von Hee-Gon Kim
I. Einleitung In Korea ist in neuerer Zeit in einer Reihe wichtiger und sehr bedeutsamer Fälle die Rechtssetzungsgewalt des Parlaments oder der Exekutive in unzulässiger Weise ausgeübt worden. Zu erwähnen ist hier vor allem 2012 der SSM-Satzungs- Fall und 2013 der Nuri-Wohlbudget Fall. Im Nuri-Wohlbudget Fall ging es darum, dass durch eine unzulässige Änderung einer Präsidialverordnung unter Missachtung des Konnexitätsprinzips, das das Verhältnis zwischen den der Gemeinde zugewiesenen Aufgaben und den ihr hierdurch entstehenden Lasten zum Gegenstand hat, Gemeinden übermäßig finanzielle Lasten auferlegt wurden.1 Hier stellte sich die Frage des Rechtsschutzes gegen untergesetzliche Rechtsnormen In Deutschland ist in Konkretisierung des Art. 19 IV GG und des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG der Rechtsschutz gegen untergesetzliche Rechtsnormen insbesondere nach § 47 VwGO und § 90 BVerfGG zu gewähren. In Korea ist der Rechtsschutz gegen untergesetzliche Rechtsnormen aufgrund des Art. 107 II der Koreanischen Verfassung (KV) und Art. 111 I Nr. 5 KV nach §§ 1, 3, 4 KVwGO und § 68 KVerfGG zu gewähren.
II. Untergesetzliche Rechtsnormen als Gegenstand des Rechtsschutzes Untergesetzliche Rechtsnormen sind Rechtsnormen, die rangmäßig unter den vom Parlament erlassenen Gesetzen stehen. Dazu gehören Rechtsverordnungen und Satzungen. Umstritten ist hingegen, ob auch Verwaltungsvorschriften Rechtsnormen sind. 1 Vgl. Heegon Kim, Die Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung in der koreanischen Verfassung (Task of Guarantee of Local Self-government in our Constitution), National Public Law Review, Vol. 13-1, National Public Law Association of Korea, 2017, S. 76 – 81 und S. 97 – 99.
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Rechtsverordnungen sind Rechtsnormen, die von Exekutivorganen (Regierung, Minister, Verwaltungsbehörden) erlassen werden. Als Rechtsnormen (Gesetze im materiellen Sinne) sind sie für den Bürger oder sonstigen Normadressaten in gleicher Weise verbindlich wie die von Parlament erlassenen Gesetze.2 Satzungen sind Rechtsnormen, die von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, z. B. Gemeinde, zur Regelung ihrer Angelegenheiten erlassen werden. Die Satzung unterscheidet sich dadurch von dem formellen Gesetz und der Rechtsverordnung, dass sie nicht vom Staat, sondern von rechtlich selbstständigen, wenn auch dem Staat eingegliederten Organisationen stammt.3 Verwaltungsvorschriften sind verwaltungsinterne Regelungen, die innerhalb der Verwaltungsorganisation von übergeordneten Verwaltungsinstanzen oder Vorgesetzten an nachgeordnete Behörde oder Bedienstete ergehen und dazu dienen, Organisation und Handeln der Verwaltung näher zu bestimmen.4 Die Rechtsnatur der Verwaltungsvorschriften ist insbesondere in Zusammenhangen mit solchen Regelungen umstritten, die in Deutschland als Sonderverordnungen bezeichnet werden.5 Nach früherer herrschender Auffassung und nach der Rechtsprechung des koreanischen obersten Gerichts (KOG) sind Verwaltungsvorschriften (einschließlich der sog. Sonderverordnungen) keine Rechtsnormen. Die heute herrschende Auffassung unterscheidet zwei Arten von Verwaltungsvorschriften. Das sind einmal Verwaltungsvorschriften, die die Beziehungen zwischen den Mitgliedern innerhalb eines besonderen Gewaltverhältnisses regeln (darunter fallen auch die sog. Sonderverordnungen in Deutschland) und andere Verwaltungsvorschriften, die die Beziehungen innerhalb einer Verwaltungsorganisation regeln. Mitunter versteht man nur die Letzteren als Verwaltungsvorschriften.6 Nach einer teilweise vertretenen Ansicht stellen aber auch Verwaltungsvorschriften eine Art von Rechtsnorm dar, die allerdings nur im Innenverhältnis binden, während Rechtsverordnungen sowohl im staatlichen Innenverhältnis wie auch im Außenverhältnis zum Bürger und sonstigen Personen bindende Wirkung entfalten.7
2 Hartmut Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2002, § 4, Rdnr. 10. Zur verfassungsrechtliche Einordnung und Bedeutung der Rechtsverordnungen H. Maurer, a.a.O., § 4, Rdnr. 11. 3 H. Maurer, a.a.O., § 4, Rdnr. 14. 4 Hans-Uwe Erichsen/Wolfgang Martens (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 1981, § 7 IV 1; H. Maurer, a.a.O., § 4, Rdnr. 30; Dong Hee Kim, Verwaltungsrecht I, 2018, S. 155 f.; Jong Hyun Seok/Dong Soo Song, Verwaltungsrecht I, 2015, S. 188 f. 5 H. Maurer, a.a.O., § 24, Rdnr. 2 f. 6 Dong Hee Kim, Verwaltungsrecht I, 2018, S. 156; Jeong Seon Hong, Verwaltungsrecht I, 2015, S. 249; Jong Hyun Seok/Dong Soo Song, Verwaltungsrecht I, 2015, S. 188 f.; Nam Jin Kim/Yeon Tae Kim, Verwaltungsrecht I, 2013, S. 172. 7 Dong Hee Kim, Verwaltungsrecht I, 2018, S. 170 ff.
Satzungen und Rechtsverordnungen – Diskussionsbeitrag
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Nach heute herrschender Auffassung8 und nach der Rechtsprechung9 entfaltet eine Verwaltungsvorschrift grundsätzlich keine Außenwirkung. Anderes gilt für Sonderfälle, in denen sich deren Außenwirkung in Verbindung mit dem Gleichheitsprinzip oder dem Vertrauensschutzprinzip ergibt.10 Noch immer umstritten ist sowohl in der Lehre wie auch in der Rechtsprechung des KOG, ob eine Rechtsverordnung, die in Form einer Verwaltungsvorschrift ergeht und eine Verwaltungsvorschrift, die in Form der Rechtsverordnung vorgenommen wird, eine Rechtsnorm ist.11 Untergesetzlichen Rechtsnormen haben verschiedene Funktionen. Sie sind einmal ein Mittel zur Konkretisierung höherrangiger Rechtsnormen wie Gesetzen, gesetzgleichrangigen Rechtsnormen und der Verfassung. Sie dienen auch zur Effektuierung der Grundrechte. In diesem Zusammenhang geht das koreanische Verfassungsgericht (KVerfG) davon aus, dass die Pflicht der Exekutivorgane zum Erlass untergesetzlicher Normen eine verfassungsrechtliche Pflicht ist.12
III. Die oberverwaltungsgerichtliche Normenkontrolle gem. § 47 VwGO 1. Charakter und Zweck der Normenkontrolle gem. § 47 VwGO a) Charakter der untergesetzlichen Normenkontrolle gem. § 47 VwGO Die Normenkontrolle gem. § 47 VwGO ist ein besonders ausgestaltetes Feststellungsverfahren. Während es bei der allgemeinen Feststellungsklage nach § 43 VwGO um die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines konkreten Rechtsverhältnisses oder die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts geht, hat der Feststellungsantrag der Normenkontrolle die Rechtsgültigkeit einer Norm zum Gegenstand. Die in einem Anfechtungsverfahren gegen einen konkreten Verwaltungsakt 8 Jong Hyun Seok/Dong Soo Song, Verwaltungsrecht I, 2015, S. 188 – 197; Nam Jin Kim/ Yeon Tae Kim, Verwaltungsrecht I, 2013, S. 172 – 174; Dong Hee Kim, Verwaltungsrecht I, 2015, S. 154 – 160, 169 – 177; Chul Yong Kim, Verwaltungsrecht, 2011, S. 162 – 165. 9 KVerfG Urt. vom 30. 3. 2006, 2003 Huen Ma806; KOG Urt. vom 24. 12. 2009, 2009Du7967. 10 KVerfG Urt. vom 31. 5. 2001, 99Huen Ma413; KOG Urt. vom 24. 12. 2009, 2009Du7967 usw.; Jeong Seon Hong, Verwaltungsrecht I, 2015, S. 277; Jong Hyun Seok/Dong Soo Song, Verwaltungsrecht I, 2015, S. 196 f. 11 Jong Hyun Seok/Dong Soo Song, Verwaltungsrecht I, 2015, S. 199 – 206; Nam Jin Kim/ Yeon Tae Kim, Verwaltungsrecht I, 2013, S. 178 – 186; Dong Hee Kim, Verwaltungsrecht I, 2015, S. 161 – 169; Chul Yong Kim, Verwaltungsrecht, 2011, S. 165 – 169; Jeong Seon Hong, Verwaltungsrecht I, 2015, S. 250 – 264. 12 KVerfG Urt. vom 16. 7. 1998, 96HuenMa246 ff.
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inzident festgestellte Rechtswidrigkeit eines streitentscheidenden Rechtssatzes erwächst nicht in Rechtskraft, zudem kommt der Entscheidung über die Anfechtungsklage ohnehin nur eine beschränkte Rechtskraft zu. Sie wirkt nur inter partes. Eine allgemein verbindliche Feststellung der Unwirksamkeit der Norm kann nur mit der Normenkontrolle nach § 47 VwGO erreicht werden.13 b) Zweck der Normenkontrolle gem. § 47 VwGO Zweck der Normenkontrolle gem. § 47 VwGO ist die Vermeidung einer Vielzahl von Einzelprozessen; die Entscheidung des OVG, die die Gültigkeit der Rechtsnorm verneint, hat daher nicht nur inter-partes-Wirkung, sondern ist allgemein verbindlich.14 Die durch eine natürliche oder eine juristische Person beantragte Normenkontrolle gem. § 47 VwGO besitzt eine doppelte Funktion: Sie dient durch die Möglichkeit, allgemeinverbindlicher Entscheidungen über die Unwirksamkeit von Rechtsvorschriften zu treffen, die im Rang unter dem förmlichen Gesetz stehen, zu einem wesentlichen Teil der Rechtssicherheit und der Einheitlichkeit der Anwendung der Norm und damit vor allem auch der Verfahrensökonomie durch Vermeidung weiterer Prozesse und durch Entlastung der Verwaltungsgerichte (objektives Rechtsbeanstandungsverfahren). Sie dient zugleich aber auch dem subjektiven Rechtsschutz des Einzelnen (Rechtsschutzverfahren).15 c) Das Verhältnis der (prinzipalen) Normenkontrollen gem. § 47 VwGO zu inzidenten Normenkontrollen Unberührt von der Normenkontrolle gem. § 47 VwGO bleibt die den Gerichten im Rahmen eines Rechtsstreits von Amts wegen obliegende Pflicht zur Überprüfung der streitentscheidenden Rechtssätze mit höherrangigem Recht. Diese inzidente Normenkontrolle wird durch § 47 VwGO nicht ausgeschlossen.16 Prozessrechtlich besteht kein Vorrang einer inzidenten Normenkontrolle vor der prinzipalen Normenkontrolle nach § 47 VwGO.17 13 Johann Bader/Michael Funke-Kaiser/Stefan Kuntze/Jörg von Albedyll, Verwaltungsgerichtsordnung Kommentar, 4. Aufl., 2007, § 47, Rdnr. 2. 14 Johann Bader/MichaelFunke-Kaiser/Stefan Kuntze/Jörg von Albedyll, a.a.O., § 47, Rdnr. 4. 15 Wolf-Rüdiger Schenke, in: Kopp/Schenke (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 23. Aufl. 2017, § 47, Rdnr. 3. Die Normenkontrolle gem. § 47 VwGO verbindet damit die Grundsätze der Rechtssicherheit und des subjektiven Rechtsschutzes mit der Verfahrensökonomie, in dem sie die Anwendung von ungültigen Normen verhindert, ohne jeden einzelnen Betroffenen zur Einleitung von Rechtsschutzverfahren zu zwingen (Johann Bader/ Michael Funke-Kaiser/Stefan Kuntze/Jörg von Albedyll, a.a.O., § 47, Rdnr. 4). 16 Johann Bader/Michael Funke-Kaiser/Stefan Kuntze/Jörg von Albedyll, a.a.O., § 47, Rdnr. 5. 17 Johann Bader/Michael FunkeKaiser/Stefan Kuntze/Jörg von Albedyll, a.a.O., § 47, Rdnr. 5.
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2. Wesentlicher Inhalt des § 47 VwGO a) Antragsgegenstände einer Normenkontrolle gem. § 47 I VwGO Antragsgegenstände einer Normenkontrolle gem. § 47 I VwGO sind erstens Rechtssetzungsakte aus dem Bereich des Bauplanungsrechts, die in der Form der Satzung ergangen sind, zweitens Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 II Baugesetzbuchs, drittens Rechtsvorschriften, die im Rang unter dem Landesgesetz stehen, sofern das Landesgesetz dies bestimmt. b) Antragsteller und Antragsbefugnis Antragsberechtigt ist jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden sowie jede Behörde (§ 47 II VwGO).18 c) Antragsgegner Der Antrag ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, die die beanstandete Rechtsvorschrift erlassen hat (§ 47 II VwGO). Antragsgegner ist der Rechtsträger, der die angegriffene Rechtsvorschrift erlassen hat (bzw. dessen Rechtsnachfolger). Deshalb ist die Gemeinde und (nicht der Gemeinderat) bei einer gegen eine gemeindliche Satzung gerichteten Normenkontrolle Antragsgegner.19 § 47 II VwGO basiert somit auf dem Rechtsträgerprinzip.20 d) Antragsfrist Früher konnte der Antrag noch innerhalb von 2 Jahren nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift gestellt werden. Diese Antragsfrist wurde durch Gesetz vom 21. 12. 2006 (BGBl I S. 3316) auf ein Jahr verkürzt.21 Die Frist beginnt nicht mit dem Inkrafttreten der Norm, sondern @ anders als nach § 93 III Bundesverfassungsgerichtsgesetz @ mit der Bekanntmachung der Norm, die deren formellen Geltungsanspruch begründet.22 Die Bekanntmachung muss nachweisbar sein, wobei die Vornahme einer Handlung seitens des Normgebers ausreicht, die potentiell Antragsbefugten die Möglichkeit der Kenntnisnahme vom Geltungsanspruch der Norm verschafft. Die vorgenommene Handlung muss dabei nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Be18
Vgl. zu Details Wolf-Rüdiger Schenke, a.a.O., § 47, Rdnr. 38. VGH Mannheim, DÖV 2002, 912; OVG Lüneburg, DVBl 1999, 1737. 20 Wolf-Rüdiger Schenke, a.a.O., § 47, Rdnr. 39. 21 Wolf-Rüdiger Schenke, a.a.O., § 47, Rdnr. 1. 22 BVerwG, NVwZ 2004, 1122; OVG Magdeburg, NVwZ-RR 2012, 187; VGH München, DVBl 2010, 861; Wolf-Rüdiger Schenke, a.a.O., § 47, Rdnr. 83. 19
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kanntmachung genügen.23 Eine Regelung wie § 58 VwGO24 trifft das Gesetz für die Beantragung einer Normenkontrolle gem. § 47 VwGO nicht.25 e) Äußerungsbefugnis (§ 47 II 3 VwGO) und Beiladung (§ 47 II 4 VwGO) Nach § 47 II 3 VwGO kann das Oberverwaltungsgericht unter bestimmten Voraussetzungen auch anderen Rechtsträgern, die am Verfahren nicht unmittelbar beteiligt sind, Gelegenheit zur Äußerung geben. Das Normenkontrollverfahren kannte eine Beiladung gem. § 65 VwGO nach herrschende Meinung bis zur Neueinführung des § 47 II 4 VwGO nicht.26 Seit dem 1. 1. 2002 sieht § 47 II 4 VwGO jedoch vor, dass § 65 I, IV VwGO sowie § 66 VwGO entsprechend anzuwenden sind. Damit ist auch im Normenkontrollverfahren von Amts wegen oder auf Antrag anderer, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden, eine einfache Beiladung zulässig.27 f) Aussetzung des Verfahrens Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht ausgesetzt werden kann (§ 47 IV VwGO). Diese Aussetzungsmöglichkeit trägt dem Grundsatz der Prozessökonomie Rechnung und verhindert, dass Oberverwaltungsgericht und Verfassungsgericht dieselbe Norm unter demselben Gesichtspunkt prüfen.28 23 BVerwG, NVwZ 2004, 1122; Johann Bader/Michael Funke-Kaiser/Stefan Kuntze/Jörg von Albedyll, a.a.O., § 47, Rdnr. 82. 24 § 58 VwGO trifft für Rechtsmittel oder andere förmliche Rechtsbehelfe gegen Anordnungen von Verwaltungsbehörden Regelungen. 25 Der Ablauf der Frist des § 47 II VwGO hängt somit nicht von einer Belehrung oder einem Hinweis ab. Der Normenkontrollantrag gem. § 47 VwGO ist kein Rechtsbehelf in diesem Sinne, s. Johann Bader/Michael Funke-Kaiser/Stefan Kuntze/Jörg von Albedyll, a.a.O., § 47, Rdnr. 82. 26 Wolf-Rüdiger Schenke, a.a.O., § 47, Rdnr. 40, 42. 27 Anlass für diese Neuregelung bildete die vom BVerfG (BVerfG, NVwZ 2001, 1283 f.) in einem obiter dictum vertretene Ansicht, dass der bis dahin bestehende generelle Ausschluss der Beiladung von Grundstückseigentümern verfassungsrechtlich zweifelhaft sei, weil sich für die Grundstückeigentümer bei Erklärung der Unwirksamkeit einer Norm ohne ihre Beteiligung am Verfahren Nachteile ergeben können. Wegen Art. 14 GG müsse eine Ermessensentscheidung über die Beiladung getroffen werden (Wolf-Rüdiger Schenke, Referat, S. 181 f.; Wolf-Rüdiger Schenke, a.a.O., § 47, Rdnr. 42). 28 Damit soll auch die Gefahr sich widersprechender oberverwaltungsgerichtlicher und verfassungsgerichtlicher Entscheidungen vermieden werden, vgl. Johann Bader/Michael Funke-Kaiser/Stefan Kuntze/Jörg von Albedyll, a.a.O., § 47, Rdnr. 97; Wolf-Rüdiger Schenke, a.a.O., § 47 Rdnr. 108.
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g) Entscheidung Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluss (§ 47 V VwGO). Es steht im Ermessen des Oberverwaltungsgerichts,29 ob es eine mündliche Verhandlung durchführt oder nicht.30 Die gesetzliche Formulierung deutet darauf hin, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers auch im Normenkontrollverfahren eine Entscheidung auf der Grundlage einer mündlichen Verhandlung die Regel und das Beschlussverfahren die Ausnahme sein soll.31 h) Einstweiliger Rechtsschutz Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteil oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist (§ 47 VI VwGO). Die Vorschrift ist § 32 Bundesverfassungsgerichtsgesetz nachgebildet32 ; die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur einstweilige Anordnung nach § 32 Bundesverfassungsgerichtsgesetz kann zur Auslegung des § 47 VI VwGO herangezogen werden.33
IV. Die Schließung noch bestehender, durch § 47 VwGO nicht abgedeckter Rechtsschutzlücken Wie Prof. Schenke in seinem Referat ausgeführt hat, weist der durch § 47 VwGO gewährte Rechtsschutz gegen untergesetzliche Rechtsvorschriften Lücken auf.34 Sie ergeben sich insbesondere aus der Einschränkung des Gegenstands einer Normenkontrolle. So sieht § 47 VwGO z. B. keine Normenkontrolle gegen bundesrechtliche untergesetzliche Rechtsvorschriften vor und macht eine Normenkontrolle gegen untergesetzliche landesrechtliche Rechtsnormen gem. § 47 I Nr. 2 VwGO grundsätz29 Dieses Verfahrensermessen ist jedoch unter Berücksichtigung von Art. 6 I EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) auszuüben, aus dem sich ergibt, dass grundsätzlich in jedem Rechtsstreit wenigstens in einer Instanz eine mündliche Verhandlung stattzufinden hat, vgl. Johann Bader/Michael Funke-Kaiser/Stefan Kuntze/Jörg von Albedyll, a.a.O., § 47, Rdnr. 98. 30 Da Normenkontrollverfahren gegen Bebauungspläne in den Schutzbereich des Art. 6 I EMRK fallen, ist das die Normenkontrolle ausübende Gericht bei Ausübung seines Verfahrensermessens an die Vorgaben dieser Vorschrift gebunden (BVerwG, NVwZ 2000, 810; WolfRüdiger Schenke, a.a.O., § 47, Rdnr. 140. 31 NVwZ 1989, 245; Johann Bader/Michael Funke-Kaiser/Stefan Kuntze/Jörg von Albedyll, a.a.O., § 47, Rdnr. 98. 32 Wolf-Rüdiger Schenke, a.a.O., § 47, Rdnr. 148. 33 BVerfG NJW 1994, 1451; Johann Bader/Michael Funke-Kaiser/Stefan Kuntze/Jörg von Albedyll, a.a.O., § 47, Rdnr. 131. 34 Näher Wolf-Rüdiger Schenke, NVwZ 2016, 720 ff.
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lich davon abhängig, dass der Landesgesetzgeber von der Ermächtigung zur Einführung einer oberverwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle Gebrauch macht. Zudem ist die Antragsfrist nur sehr kurz bemessen und kann dazu führen, dass eine Person, die erst nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntmachung der Norm durch diese betroffen wird, nie die Möglichkeit hat, eine Normenkontrolle gem. § 47 VwGO zu beantragen. Ein wesentlicher Grund für die Einschränkung des Prüfungsgegenstands von Normenkontrollen gem. § 47 VwGO lag darin, dass der Gesetzgeber annahm, solche Normenkontrollen seien – ebenso wie prinzipale Normenkontrollen gegen formelle Gesetze – Streitigkeiten verfassungsrechtlicher Art, weswegen sie grundsätzlich in die Zuständigkeit der Verfassungsgerichte (und nicht der Verwaltungsgerichte) fielen. Dies ergibt sich aus den Gesetzgebungsmaterialien. Damit stellt sich die Frage, ob auch in den Fällen, in denen der durch § 47 VwGO gewährte Rechtsschutz Lücken aufweist, die Notwendigkeit eines Rechtsschutzes gegen untergesetzliche Normen besteht, und, falls dies zu befürworten ist, wie dieser Rechtsschutz auszusehen hat. Von zentraler Bedeutung für die Beantwortung der Frage ist, ob Art. 19 IV GG, der einen möglichst lückenlosen und effektiven gerichtlichen Schutz gegen Rechtsverletzungen durch die deutsche öffentlichen Gewalt garantiert,35 mit dem Begriff der öffentlichen Gewalt auch die untergesetzliche Normgebung meint. Bejaht man dies, muss auch insoweit ein effektiver gerichtlicher Rechtsschutz bestehen, der allerdings nicht mehrstufig zu sein braucht.36 Zu klären ist dann, wie dieser außerhalb des Anwendungsbereichs des § 47 VwGO auszusehen hat. Infrage kommen hierfür inzidente Normenkontrollen gem. § 43 VwGO, ein Rechtsschutz durch eine verwaltungsgerichtliche prinzipale Normenkontrolle auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 47 VwGO, ein verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz gegen ein Unterlassen des untergesetzlichen Normgebers sowie ein Rechtsschutz durch eine Rechtssatzverfassungsbeschwerde, insbesondere bei ausnahmsweise verfassungsrechtlich gebotener prinzipaler Normenkontrolle. 1. Die Schließung der sich aus § 47 VwGO ergebenden Rechtsschutzlücken durch die Verwaltungsgerichte a) Die inzidenten Normenkontrollen gem. § 43 VwGO Für die Erstreckung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 IV GG auf untergesetzliche Rechtsnormen sprechen sowohl eine grammatische wie auch eine systematische und teleologische Interpretation dieser Bestimmung. Der Begriff der „öffentli-
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Bruno Schmidt-Bleibtreu/Franz Klein/Hans Hofmann/Hans-Günter Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 13. Aufl. 2014, Art. 19, Rdnr. 30. 36 Wolf-Rüdiger Schenke, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Drittbearbeitung), 2009, Art. 19 IV, Rdnr. 102 ff.
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chen Gewalt“, in Bezug auf die Art. 19 IV GG Rechtsschutz gewährleistet, umfasst nach heute unbestrittener Ansicht auch untergesetzliche Rechtsnormen. Die Einbeziehung untergesetzlicher Rechtsnormen in die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 IV GG lässt allerdings noch keinen Schluss darauf zu, wie dieser Rechtsschutz auszusehen hat. Gefordert wird lediglich, dass der Rechtsschutz effektiv ist. Dafür bedarf es aber nicht zwingend einer prinzipalen Normenkontrolle, wie sie § 47 VwGO vorsieht. Vielmehr genügen in der Regel auch inzidente Normenkontrollverfahren.37 Bei vollziehbarer Norm sichert die Anfechtung von Vollzugsakten zugleich einen inzidenten Rechtsschutz gegen die Norm. Wenn die Norm, ohne dass es eines Vollzugsakts bedarf (sog. Vollzugsnorm oder self-executing-Norm), auf Aufhebung eines absoluten subjektiven öffentlichen Rechts oder auf Aufhebung eines Gestaltungsrechts gerichtet ist, kann nach § 43 VwGO das Fortbestehen des subjektiven öffentlichen Rechts festgestellt werden. Solche subjektiven öffentlichen Rechte begründen nämlich stets ein Rechtsverhältnis, das, wenn es durch eine Norm infrage gestellt wird, gem. § 43 VwGO feststellungsfähig ist. Soweit die Norm ein Rechtsverhältnis begründen will, das den Kläger belastet, kann jener, wenn er die Rechtsnorm für rechtswidrig und nichtig hält, auch das Nichtbestehen dieses Rechtsverhältnisses feststellen lassen.38 Art. 19 IV GG gewährleistet zwar als ein unabdingbares rechtsstaatliches Erfordernis Rechtsschutz gegen untergesetzliche Rechtsvorschriften. Ihm genügen aber in der Regel fachgerichtliche inzidente Normenkontrollen. Nur ausnahmsweise erfordert das Prinzip der Rechtsschutzeffektivität, das dem Art. 19 IV GG zu entnehmen ist, prinzipale Normenkontrollen. Soweit hier nicht bereits § 47 VwGO einschlägig ist, ist dieser Rechtsschutz häufig durch eine Klage gem. § 43 VwGO sicherzustellen, die auf Feststellung des Nichtbestehens des von einem Hoheitsträger in Anspruch genommenen Normgebungsrechts gerichtet ist.39 b) Rechtsschutz gegen ein Unterlassen des untergesetzlichen Normgebers Art. 19 IV GG garantiert Betroffenen auch in den seltenen Fällen Rechtsschutz, in denen sie einen Anspruch auf Erlass einer Norm haben. Nach der im verwaltungs37 Nach wie vor gehen das Bundesverfassungsgericht (seit BVerfGE 24, 33, 49 ff.) und das ihm folgende Bundesverwaltungsgericht allerdings davon aus, dass formelle Gesetze keine öffentliche Gewalt im Sinne des Art. 19 IV GG darstellen (kritisch hierzu Wolf-Rüdiger Schenke, Referat, S. 184, 194 und ausführlich Wolf-Rüdiger Schenke, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 2009, Art. 19 IV, Rdnrn. 338 ff.). 38 Wolf-Rüdiger Schenke, Referat, S. 185 ff. Prof. Schenke meint, es überzeuge nicht, wenn gelegentlich angenommen wird, dass die Zulässigkeit solcher Feststellungsklagen auf eine unzulässige Umgehung der prinzipalen Normenkontrolle gem. § 47 VwGO hinauslaufe. 39 Wolf-Rüdiger Schenke, Referat, S. 188 ff.
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prozessualen Schrifttum vorherrschenden Auffassung kommt zur Durchsetzung des Normsetzungsanspruchs vor allem eine verwaltungsgerichtliche allgemeine Leistungsklage in Betracht. Die in der Rechtsprechung vertretene Auffassung, die eine auf Normerlass gerichtete Leistungsklage überwiegend für nicht statthaft ansieht, bevorzugt hingegen eine verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage gem. § 43 VwGO, die auf die Feststellung des Bestehens des Normsetzungsanspruchs gerichtet ist.40 Als zulässig angesehen werden zum Teil Normenkontrollen gemäß § 47 auch in den Fällen relativen Unterlassens (sog. Normergänzungsklage),41 bei denen geltend gemacht wird, dass eine Rechtsvorschrift deshalb fehlerhaft sei, weil sie bestimmte Regelungen nicht enthält, d. h. diese „unterlassen“ hat und damit rechtswidrig ist. Wenn der untergesetzliche Normgeber einem Rechtssetzungsauftrag nicht vollständig nachgekommen ist und die von ihm getroffenen Regelungen deshalb ergänzungsbedürftig sind, sind die untergesetzlichen Normen, welche den Rechtssetzungsauftrag wenigstens teilweise erfüllt haben, aber rechtlich nicht zu beanstanden, sondern ausschließlich das Unterlassen des Normgebers. Deshalb vertritt man mitunter, dass der Rechtsschutz hier durch eine allgemeine Leistungsklage sicherzustellen ist. Besteht eine Möglichkeit zur „Heilung des Unterlassens“ durch Ausweitung des Anwendungsbereichs der untergesetzlichen Rechtsnorm mittels einer Analogie, so bietet sich die Möglichkeit eines inzidenten Rechtsschutzes an.42 2. Die Schließung von Rechtsschutzlücken durch das Bundesverfassungsgericht a) Rechtsschutz durch eine Rechtssatzverfassungsbeschwerde In Sonderfällen43 vermögen inzidente Normenkontrollen allerdings nicht den durch Art. 19 IV GG geforderten effektiven Rechtsschutz sicherzustellen. Vielmehr bedarf es in diesen Fällen einer prinzipalen Normenkontrolle. Soweit hier nicht bereits § 47 VwGO tatbestandlich einschlägig ist, muss der Rechtsschutz 40
Wolf-Rüdiger Schenke, Referat, S. 193. Z. B. wenn es der Normgeber zu Unrecht unterlassen hat, eine bestimmte Regelung selbst zu treffen und jene stattdessen der Verwaltung überlässt; ebenso, wenn er es unterlässt, ein an ein Plangebiet angrenzendes Grundstück in den Bebauungsplan einzubeziehen und jener deshalb einen Abwägungsfehler aufweist, oder wenn es unterlassen wurde, das generelle Verbot fliegender Verkaufswagen durch eine Ausnahmeregelung für begründete Fälle abzumildern, oder wenn sich eine Norm als abschließende Regelung versteht und hierdurch gegen höherrangiges Recht, insbesondere Art. 3 GG, verstößt, vgl. Wolf-Rüdiger Schenke, a.a.O., § 47, Rdnr. 14. 42 Wolf-Rüdiger Schenke, a.a.O., § 47, Rdnr. 14. 43 Z. B. wenn eine untergesetzliche Rechtsnorm zwar rechtswidrig, aber ausnahmsweise trotzdem rechtswirksam ist und sich die rechtliche Belastung einer Person aus einer Regelung ergibt, die gegenüber einer unbestimmten Vielzahl von Personen getroffen wurde, vgl. WolfRüdiger Schenke, Referat, S. 193. 41
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auf andere Weise gewährt werden.44 Hier drängte sich ein Rechtsschutz durch unmittelbare Erhebung einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde auf,45 da nach früher ganz herrschender Ansicht auch prinzipale Normenkontrollen gegen untergesetzliche Rechtsnormen als verfassungsrechtliche Streitigkeiten angesehen wurden und hiervon auch der Gesetzgeber bei Schaffung der VwGO ausging. Nach Ansicht des BVerfG können Rechtsverordnungen aber erst nach Erschöpfung des Verwaltungsrechtswegs Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sein ,46 da es sich auch bei einer prinzipalen Normenkontrolle, die sich gegen untergesetzliche Normen richtet, immer um verwaltungsrechtliche Streitigkeiten handele, für die primär die Verwaltungsgerichte zuständig seien. Stets ausgeschlossen ist eine Rechtssatzverfassungsbeschwerde gegen reine Verwaltungsvorschriften oder Ermessensrichtlinien, weil sie keine Außenwirkung zeigen.47 Dagegen können autonome Satzungen nach Erschöpfung des Verwaltungsrechtswegs stets mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden.48 b) Das Verhältnis des verwaltungsgerichtlichem Rechtsschutzes gegen untergesetzliche Rechtsnormen zur Rechtssatzverfassungsbeschwerde Aus § 90 II BVerfGG hat das BVerfG über den unmittelbaren Anwendungsbereich der Norm hinaus einen allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität der Verfas-
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Wolf-Rüdiger Schenke, Referat, S. 188 f. Ein Rechtsschutz durch eine Rechtssatzverfassungsbeschwerde wurde früher durch Prof. Schenke in den Sonderfällen befürwortet, in denen ein effektiver Rechtsschutz gegen untergesetzliche Normen nur mittels einer prinzipalen Normenkontrolle möglich ist (s. Wolf-Rüdiger Schenke, Rechtsschutz bei normativem Unrecht, 1979, S. 279 ff.). Auch in diesen Fällen liege eine verfassungsrechtliche Streitigkeit vor, so dass hier ein Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichte ausscheide. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, NVwZ 1998, 169, 170) hat sich jedoch gegen einen Rechtsschutz durch eine Rechtssatzverfassungsbeschwerde ausgesprochen, da es sich bei solchen Normenkontrollverfahren um verwaltungsrechtliche Streitigkeiten handele und deshalb erst der Verwaltungsrechtsweg beschritten werden müsse. Ursächlich hierfür war wohl, dass das BVerfG (unausgesprochenermaßen) befürchtete, durch die bei Bejahung einer verfassungsrechtlichen Streitigkeit unmittelbar beim BVerfG zu beantragenden prinzipalen Normenkontrollen gegen untergesetzliche Rechtsnormen überlastet zu werden, s. Wolf-Rüdiger Schenke, Referat, S. 187 f. Unter Zugrundelegung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung befürwortet aber auch Wolf-Rüdiger Schenke nunmehr in den Fällen, in denen es zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes einer prinzipalen Normenkontrolle bedarf, einen Rechtsschutz, der mittels einer verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage gem. § 43 VwGO zu gewähren ist, mit der das Nichtbestehen des Normgebungsrechts der Verwaltung prinzipal festgestellt wird (s. Wolf-Rüdiger Schenke, NVwZ 2016, 720 ff.). 46 BVerfGE 3, 162 [171]; 28, 133. 47 BVerfGE 1, 82 [83]; 12, 180 [199]; 18, 1 [15]. 48 BVerfGE 12, 319 [321]; 101, 312; Umbach/Clemens/Dollinger (Hrsg.), Bundesverfassungsgesetz (Mitarbeiterkommentar), 2. Aufl. 2005, § 90 Rdnr. 54, § 95 Rdnr. 79. 45
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sungsbeschwerde49 entwickelt, den es unter Hinweis auf Art. 94 II 2 GG auch als verfassungsrechtlich verankert sieht. Nach diesem Grundsatz ist der Verfassungsbeschwerdeführer gehalten, über die Erschöpfung des Rechtsweges hinaus alle anderweitig bestehenden Möglichkeiten zu ergreifen, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung zu beseitigen.50 Die fachgerichtlichen Möglichkeiten eines (prinzipalen oder inzidenten) Rechtsschutzes gegen untergesetzliche Normen schließen deshalb gem. § 90 II 1 BVerfGG die unmittelbare Erhebung einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde grundsätzlich aus.51 c) Rechtsschutz gegen ein Unterlassen des untergesetzlichen Normgebers Soweit Betroffene in seltenen Fällen einen Anspruch auf Erlass einer untergesetzlichen Norm haben, garantiert Art. 19 IV GG ebenfalls einen Rechtsschutz.52 Dieser Anspruch ist grundsätzlich nicht auf den Erlass einer im Detail konkretisierten Norm gerichtet. Vielmehr steht dem Normgeber bei der Ausgestaltung der Norm regelmäßig ein nicht unerheblicher Spielraum zu. Nach der Ansicht, die im verwaltungsprozessualen Schrifttum vorherrscht, kommt zur Durchsetzung des Normsetzungsanspruchs vor allem eine verwaltungsgerichtliche allgemeine Leistungsklage in Betracht.53 Die in der Rechtsprechung vertretene Auffassung, die eine auf Normerlass gerichtete Leistungsklage überwiegend für nicht statthaft ansieht, bevorzugt hingegen eine verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage gem. 49
Zur Herleitung und Entwicklung des Grundsatzes der Subsidiarität in der Rechtsprechung des BVerfG, H. Sodan, DÖV 2002, 925 927 f.) und Umbach/Clemens/Dollinger (Hrsg.), a.a.O., § 90 Rdnr. 127. 50 Umbach/Clemens/Dollinger (Hrsg.), a.a.O., § 90 Rdnr. 127. 51 Auch Prof. Schenke hatte sich schon früher in seiner Monografie „Rechtsschutz bei normativem Unrecht“ entgegen der damals ganz herrschenden Auffassung und der damaligen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dafür ausgesprochen, dass dort, wo der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz gegen Normen durch die Verwaltungsgerichte sichergestellt wird – und sei es nur inzident –, entsprechende Verfahren einen Rechtsweg i.S. des § 90 II 1 BVerfGG darstellen und deshalb die sofortige Erhebung einer Verfassungsbeschwerde grundsätzlich auszuschließen sei (Wolf-Rüdiger Schenke, Rechtsschutz bei normativem Unrecht, 1979, S. 301 ff.; s. später auch Wolf-Rüdiger Schenke, NJW 1986, 1451 ff.; ders., Festschrift für Steiner, 2009, S. 687, 691 ff., 709 ff.; ebenso z. B. Detterbeck, DÖV 1990, 562 ff.; Gerontas, DÖV 1982, 443 ff.; Warmke, Die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde, 1993, S. 174 ff. mit weit. Nachw.; a.A. Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 8. Aufl. 2010, Rdnrn. 252 ff.). 52 s. schon Wolf-Rüdiger Schenke, Rechtsschutz bei normativem Unrecht, S. 168 ff. und Wolf-Rüdiger Schenke, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Drittbearbeitung), Stand 2009, Art. 19 IV, Rdnrn. 362 ff. mit eingeh. Nachw. in Rdnr. 362, Fn. 954; Wolf-Rüdiger Schenke, Referat, S. 193 ff. 53 Für sie Dirk Ehlers, Jura 2006, 331, 353; Friedhelm Hufen, Festschrift für Würtenberger, 2013, 873 ff.; Wolf-Rüdiger Schenke, Referat, S. 193.
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§ 43 VwGO,54 die auf die Feststellung des Bestehens des Normsetzungsanspruchs gerichtet ist.55 Nach beiden Ansichten kommt eine gegen das Unterlassen einer untergesetzlichen Norm gerichtete Verfassungsbeschwerde wegen der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde erst nach der Erschöpfung des Verwaltungsrechtswegs in Betracht. Im Hinblick auf die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung hat sich nunmehr auch Prof. Schenke unter Aufgabe seiner früherer Ansicht dafür ausgesprochen, dass es sich bei einer gerichtlichen Streitigkeit, die einen Anspruch auf Erlass einer untergesetzlichen Norm zum Gegenstand hat, um eine verwaltungsrechtliche Streitigkeit handelt, über die zunächst die Verwaltungsgerichte zu entscheiden haben und deshalb die unmittelbare Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gegen ein rechtswidriges Unterlassen einer untergesetzlichen Norm durch die Verwaltung grundsätzlich unzulässig ist. Die Rechtslage in Deutschland weicht insofern von der in Korea ab. Hier hat das KVerfG eine Verfassungsbeschwerde gegen eine Unterlassung untergesetzlichen Rechtsnormen durch die Verwaltung deshalb ausnahmsweise als zulässig angesehen, weil die Pflicht der Exekutive zum Erlass einer untergesetzlichen Norm eine verfassungsrechtliche Pflicht darstelle und deshalb ein Unterlassen ohne triftigen Grund gegen das Gewaltenteilungs- und Rechtsstaatsprinzip der KV verstoße56 und durch eine solche Unterlassung das Gesetzgebungsrecht des Parlaments verletzte werde.57
V. Rechtsschutz gegen untergesetzliche Rechtsnormen in Korea 1. Rechtsschutz durch Verwaltungsgerichte (KVerwG) In Korea ist eine unmittelbar gegen untergesetzliche Rechtsnormen gerichtete prinzipale Normenkontrolle durch die Verwaltungsgerichte – anders als in Deutschland gem. § 47 VwGO – nicht vorgesehen Damit ist in Korea grundsätzlich nur eine inzidente (mittelbare) Kontrolle untergesetzlicher Rechtsnormen durch die Verwaltungsgerichte möglich. Nach herrschender Auffassung58 und Rechtsprechung des KOG ist aber ausnahmsweise eine prinzipale (unmittelbare) Kontrolle gegen untergesetzliche Rechts-
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BVerwGE 80, 355, 363 ff. Wolf-Rüdiger Schenke, Referat, S. 14. 56 KVerfG Urt. vom 26. 2. 2004, 2001HuenMa718; Jeong Seon Hong, Verwaltungsrecht I, 2015, S. 244. 57 KVerfG Urt. vom 16. 7. 1998, 96HuenMa246. Auch andere KVerfG Urt. vom 26. 2. 2004, 2001HuenMa718; Suung Han, Verfassungslehre, Beobmunsa, 2016, S. 1448. 58 Jong Hyun Seok/Dong Soo Song, Verwaltungsrecht I, 2015, S. 185; Nam Jin Kim/Yeon Tae Kim, Verwaltungsrecht I, 2013, S. 168; Chul Yong Kim, Verwaltungsrecht, 2011, S. 158. 55
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normen (Maßnahmegesetze) – z. B. Rechtsverordnungen59 und Satzungen60 – möglich, wenn sich bereits aus diesen eine Rechtsverletzung des Klägers ergibt, ohne dass es noch eines Vollzugsakts der Verwaltung bedarf (solche Normen werden in Deutschland als Vollzugsnormen oder self-executing-Normen bezeichnet). 2. Rechtsschutz durch das Koreanische Verfassungsgericht (KVerfG) Grundsätzlich ist in der KV und im KVerfGG – anders als in Deutschland – keine unmittelbare Normenkontrolle des Verfassungsgerichts gegen abstrakt-generelle Rechtsnormen der Verwaltung (materielle Gesetze) sowie gegen formelle Gesetze vorgesehen. Damit ist in Korea eine Normenkontrolle grundsätzlich nur inzident (mittelbar) möglich. Der Kläger kann im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde, die sich gegen eine Vollziehung der untergesetzlichen Norm durch die Verwaltung richtet, geltend machen, dass die untergesetzliche Rechtsnorm mit höherrangigem Recht unvereinbar ist. Die untergesetzliche Rechtsnorm ist dabei aber nicht unmittelbarer Gegenstand des Verfassungsbeschwerdeverfahrens. Ausnahmsweise ist aber eine unmittelbar beim KVerfG zu erhebende Verfassungsbeschwerdegegen untergesetzliche Rechtsnormen in bestimmten Fällen zulässig: (1) Nach herrschender Auffassung61 und der Rechtsprechung des KVerfG ist dies dann der Fall, wenn sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine untergesetzliche Rechtsnorm (Maßnahmegesetz) richtet, die den Beschwerdeführer verletzt, ohne dass hierzu noch Vollzugsakte ergehen (nach der in Deutschland gängigen Terminologe also gegen sog. Vollzugsnormen oder self-executing-Normen).62 Eine solche Verfassungsbeschwerde muss aber natürlich den Erfordernissen der Subsidiarität genügen und die Norm muss den Beschwerdeführer unmittelbar, selbst und gegenwärtig betreffen.63 Solche Maßnahmegesetze bzw. Vollzugsnormen können Rechtsverordnungen und Satzungen der Gemeinde (Kommune) sein.64 Satzungen der Gemeinden (Kommunen) können dann zum Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde gemacht werden, wenn sie unmittelbar in Grundrechte der Be59
KOG Urt. vom 22. 9. 2006, 2005Du2506. KOG Urt. vom 20. 9. 1996, 95Nu8003; KOG Urt. vom 20. 9. 1996, 95Nu7994. 61 Jong Hyun Seok/Dong Soo Song, Verwaltungsrecht I, 2015, S. 185; Nam Jin Kim/Yeon Tae Kim, Verwaltungsrecht I, 2013, S. 168; Chul Yong Kim, Verwaltungsrecht, 2011, S. 158. 62 KVerfG Urt. vom 26. 6. 1997, 94HuenMa52. 63 KVerfG Urt. vom 15. 10. 1990, 89HuenMa178. 64 KVerfG Urt. vom 29. 12. 1994, 92HuenMa216; KVerfG Urt. vom 20. 4. 1995, 92HuenMa264. 60
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schwerdeführer eingreifen, ohne dass es noch des Erlasses von Vollziehungsakten bedarf. Dabei ist aber manches streitig.65 Eine Verwaltungsvorschrift kann nicht Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein, weil sie kein Rechtssatz ist.66 Ausnahmsweise gilt aber dann etwas anderes, z. B. wenn die Verwaltungsvorschriften aufgrund höherrangiger Rechtsnormen materielle Gesetze beinhalten.67 Ein heftiger Streit zwischen KOG und KVerfG bestand bezüglich der Zuständigkeit für die Kontrolle untergesetzlicher Rechtsnormen, die Maßnahmengesetze (Vollzugsnormen) beinhalten, im Fall der Ausführungsverordnung zum Gesetz für Buebmusa (Rechtsbeistände) im Jahre 1990.68 Hier hat das KVerfG den Prüfungsumfang so eingeschränkt, dass es sein Prüfungsrecht nur dann ausübt, wenn keine materielle Prüfungsmöglichkeit der Fachgerichte in Bezug auf die untergesetzliche Rechtsnorm (Verwaltungsrechtssetzung) besteht.69 (2) Zulässig sind auch Verfassungsbeschwerden gegen Unterlassungen der untergesetzlichen Normgeber. Eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Unterlassen des untergesetzlichen Normgebers ist nach dem KVerfG deshalb ausnahmsweise zulässig, weil die Pflicht der Exekutive zum Erlass einer Norm eine verfassungsrechtliche Pflicht beinhalte und deshalb das Unterlassen der Normsetzung ohne einen hierfür bestehenden sachlichen Grund gegen das Gewaltenteilungsprinzip und das Rechtsstaatprinzip der KV verstoße70 und hierdurch auch das Gesetzgebungsrecht des Parlaments verletzt werde71 Hier stellt sich die Frage, ob beim Unterlassen einer untergesetzlichen Rechtsnorm durch die Exekutive das Parlament selbst zum Erlass der Norm verfassungs65
So wird teilweise behauptet, dass eine Verfassungsbeschwerde nur gegen Satzungen der Gemeinde (Kommune) zulässig ist, bezüglich derer keine Vollziehungsakte ergehen (Hakseuong Kim, Verfassungslehre, PNC, 2018, S. 1223 f.). Andere bezweifeln wegen des Subsidiaritätsprinzips, dass verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz und Verfassungsbeschwerde nebeneinander gegen dieselbe Satzung der Kommune (Gemeinde) zulässig sind, wenn diese keines Vollziehungsakts bedarf (Nagin Seong, Verfassungslehre, Beobmunsa, 2016, S. 823). Nach anderer Ansicht sind auch dann Verfassungsbeschwerden gegen Unterlassungen des untergesetzliche Normgebers zulässig, wenn den Verwaltungsgerichten gleichfalls eine solche Kontrollbefugnis eingeräumt wird (Suung Han, Verfassungslehre, Beobmunsa, 2016, S. 1448). 66 KVerfG Urt. vom 22. 2. 2001, 2000HuenMa29. 67 KVerfG Urt. vom 26. 6. 1992, 91HuenMa25; KVerfG Urt. vom 29. 6. 2000, HuenMa325. 68 KVerfG Urt. vom 3. 9. 1990, 90HuenMa13, 2; KVerfG Urt. vom 15. 10. 1990, 89HuenMa178; KVerfG Urt. vom 29. 6. 2000, 2000HuenMa325. 69 KVerfG, 20 Geschichte des koreanische Verfassungsgerichts, KVerfG, S. 297; Hakseuong Kim, Verfassungslehre, PNC, 2018, S. 1222 – 1223. 70 KVerfG Urt. vom 26. 2. 2004, 2001HuenMa718; Jeong Seon Hong, Verwaltungsrecht I, 2015, S. 244. 71 KVerfG Urt. vom 16. 7. 1998, 96HuenMa246. Auch andere KVerfG, so Urt. vom 26. 2. 2004, 2001HuenMa718.
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rechtlich verpflichtet ist. Das KVerfG geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass der Erlass einer untergesetzlichen Norm nur eine verfassungsrechtliche Pflicht der Exekutive ist, mit der Pflichtverletzung durch die Exekutive aber nicht zugleich eine Pflichtverletzung des Parlaments einhergeht.72 Meines Erachtens liegt in diesen Fällen sowohl die Verletzung einer verfassungsrechtlichen Pflicht des Exekutive wie auch die Verletzung einer verfassungsrechtlichen Pflicht des Parlaments vor. Die Pflichtverletzung des Parlaments ergibt sich daraus, dass das Parlament durch das Verfassungsrecht gebunden ist und es deshalb dort, wo es den Erlass einer Norm für geboten hält, die Norm selbst zu erlassen hat, wenn die Exekutive ihrer Pflicht zur Rechtssetzung nicht nachkommt. Fraglich ist in Korea auch, was bei einer unvollständigen untergesetzlichen Norm Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist. Nach Ansicht des KVerfG ist Gegenstand der Verfassungsbeschwerde nicht das Unterlassen des Normgebers, sondern die unvollständige untergesetzliche Norm selbst.73 Es gab in Korea im Bereich der Selbstverwaltung seit 1991 ziemlich viele Fälle einer rechtlich zu beanstandenden Rechtssetzung durch die Exekutive oder das Parlament, so z. B. 2012 im Fall der SSM-Satzung74 wegen der Verletzung des Selbstverwaltungsrechts von Kommunen (so in der Stadt Jeonju). Hier fehlte es aber an einem effektiven Rechtsschutz und an einer effektiven gerichtlichen Kontrolle der Rechtssetzung der Exekutive und des Parlaments. Meines Erachtens ist die Gewährleistung einer effektiven gerichtlichen Kontrolle gegen eine rechtlich zu beanstandende Rechtsnorm der Exekutive oder des Parlaments im Bereich der Selbstverwaltung am Wichtigsten. Ich meine, dass es hier der Einführung einer Kommunalverfassungsbeschwerde in Korea bedarf.
72 KVerfG Urt. vom 16. 7. 1998, 96HuenMa246; KVerfG Urt. vom 26. 2. 2004, 2001HuenMa718; KVerfG Urt. vom 31. 5. 2007, 2006HuenMa1000 usw. 73 KVerfG Urt. vom 4. 10. 1996, 94HuenMa108; KVerfG Urt. vom 28. 11. 1996, 93HuenMa258; KVerfG Urt. vom 27. 3. 1997, 94HuenMa235; KVerfG Urt. vom 26. 11. 1998, 97HuenMa310 usw. 74 In diesem Zusammenhang vgl. Heegon Kim, Ausübungsgrundsätze der Staatsgesetzgebungsgewalt in der Selbstverwaltungszeit, Local Government Law Jounal, Vol. 14-3, Korean Local Government Law Association, 2014, S. 655 – 665.
Gesetzesfolgenabschätzung in Korea Von Byoung-Hyo Moon
I. Einleitung Gute Gesetze sind die Grundlage einer guten Gesellschaft. „Gutes Recht“ selbst kann indes nicht an einem Tag entstehen. Jedes Gesetz spiegelt nämlich insofern die Wirtschaft, die Gesellschaft sowie die Kultur und Geschichte der Gemeinschaft wider, in der das jeweilige Gesetz Bestand hat. In den letzten Jahren wird die zunehmende Gesetzgebungstätigkeit des Gesetzgebers mit wachsender Sorge beobachtet. Es mag viele Gründe hierfür geben. Einer dieser Gründe ist die legislative Leistungsfähigkeit des Gesetzgebers, die eine wichtige Grundlage für die Bewertung von Parlamentariern durch Non-governmental organizations (kurz NGOs) darstellt. Das Hauptinteresse des Gesetzgebers besteht darin, Gesetzesvorschläge zu unterbreiten. Den daraus resultierenden Folgen, die die zunehmenden Gesetzgebungsbestrebungen mit sich bringen, steht der Gesetzgeber dagegen eher gleichgültig gegenüber. So hat in der Legislaturperiode der 18. und 19. Nationalversammlung1 die Zahl der Gesetzgebungsinitiativen durch Parlamentsmitglieder explosionsartig zugenommen, und es wird sogar angenommen, dass es in der gegenwärtigen Legislaturperiode der 20. Nationalversammlung mehr als 20.000 Gesetzesinitiativen geben wird.2 Darunter fallen auch legislative Initiativen, die von der Nationalversammlung verabschiedet wurden und durch welche die geltenden Gesetze umgesetzt werden. Unter diesen Gesetzesinitiativen befinden sich jedoch auch solche, die bisher das beschriebene Gesetzgebungsverfahren lediglich zur Hälfte durchlaufen haben. Weiterhin gibt es viele sich überschneidende Gesetze. Insofern kann man auch von einer „Überschussgesetzgebung“ sprechen. Der gravierendste Kritikpunkt ist aber nicht die Fülle an Gesetzen, sondern vielmehr deren schlechte Qualität, die aus der Flut an Gesetzen resultiert.
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The National Assembly of the Republic of Korea. Statistisch gesehen gab es in der Legislaturperiode der 17. Nationalversammlung 7.489 Gesetzesinitiativen, 13.393 in der Legislaturperiode der 18. Nationalversammlung und 17.822 Initiativen in der Legislaturperiode der 19. Nationalversammlung. In der Legislaturperiode der 20. Nationalversammlung werden die Initiativen voraussichtlich die Zahl von 20.000 Gesetzesinitiativen überschreiten. 2
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Wenn Gesetze erlassen werden und in Kraft treten, haben sie große soziale Auswirkungen, weil sie direkt oder indirekt das Leben der Mitglieder der Gemeinschaft bestimmen. Die Gesetzesqualität stellt daher einen wichtigen Faktor dar. In Korea wurden die Folgenabschätzung, die Bewertung geschlechtsspezifischer Auswirkungen und Folgen, die von Korruption ausgehen, im Hinblick auf die Gesetzgebung analysiert. In diesem Zusammenhang wurden auch einige Fortschritte erzielt. Der Frage nach der Gesetzesqualität wurde indes in diesem Zusammenhang noch nicht nachgegangen. Der Vergleich mit anderen Ländern und Rechtssystemen zeigt, dass Deutschland, die Schweiz und Österreich bereits in den 1990er Jahren das System der Gesetzesfolgenabschätzung eingeführt haben, bevor in den 2000er Jahren Frankreich und die Europäische Union folgten. Mit der Verabschiedung des Gesetzes über die Verwaltungsregulierung von 1997 hat auch Korea die Folgenabschätzung eingeführt, die jedoch, unter den Gesichtspunkten systematischer Inhalte und der maßgeblichen Einzelheiten auf Grundlage einer legislativen Bewertung betrachtet, noch als unzureichend anzusehen ist. In der 19. Nationalversammlung wurden zusätzliche Gesetze zur Einführung eines verbesserten Systems der Gesetzesfolgenabschätzung eingereicht, die jedoch aufgrund zahlreicher Einwände des Unterausschusses „Legislative Steering Committee“ aufgegeben wurden. Bislang gibt es viele verschiedene Gesetzgebungsinitiativen, sogar aktuell in der 20. Nationalversammlung, dennoch gibt es aktuell keinen konkreten Vorschlag, das legislative System der Folgenabschätzung zu ändern. Im Folgenden wird der aktuelle Status quo des legislativen Evaluierungssystems in Korea analysiert und ein Vorschlag zur Einführung eines umfassenden Systems der Gesetzesfolgenabschätzung gemacht.
II. Konzept und Geschichte der Gesetzesfolgenabschätzung in Süd-Korea 1. Konzept und Funktion der Gesetzesfolgenabschätzung Das System der Gesetzesfolgenabschätzung unterstützt die Erreichung der mit der Gesetzgebung verbundenen Zwecke effektiv. Die konzeptionelle Definition der Gesetzesfolgenabschätzung ist indes nicht einheitlich. In Deutschland wird der Begriff „Gesetzesfolgenabschätzung“ verwendet, auf angloamerikanischer Seite hingegen der Begriff „Regulatory Impact Assessment (RIA)“.3 Der „National Assembly Re3
Mit „Gesetzesfolgenabschätzungen“ wird in Deutschland ein Beispiel zur Übersetzung des ,Regulatory Impact Assessment‘ gesehen. Bitte beachten Sie die englische Version des Leitfadens zur Gesetzesfolgenabschätzung in Deutschland. Die deutsche Ausgabe wurde im Jahr 2000 veröffentlicht. Vgl. Carl Böhret/Götz Konzendorf, Guidelines on Regulatory Impact Assessment (RAI), Prepared for the Federal Ministry of the Interior and for the Ministry of the
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search Service (NARS)“ in Korea verwendet dagegen den Begriff „legislative Wirkungsanalyse“. Der Begriff „Gesetzesfolgenabschätzung“ beinhaltet eine umfassendere und systematischere Bewertung, die verschiedene Folgenabschätzungen wie diejenige zur Erreichung einer Gesetzesregulierung enthält. Gemäß § 44 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien in Deutschland (kurz GGO) wird diese Gesetzesfolgenabschätzung auch verkürzt als Gesetzesfolgen bezeichnet. Hierunter seien die wesentlichen Auswirkungen des Gesetzes zu verstehen. Sie umfassen sowohl die beabsichtigten Wirkungen als auch die unbeabsichtigten Nebenwirkungen. Ziel der Gesetzesfolgenabschätzung kann unter anderem sein, die Qualität der gesetzlichen Bestimmungen zu verbessern. Zusätzlich, wie in Deutschland, kann auch die Abschwächung der Regelungsdichte in die Zielbestimmung einbezogen werden.4 In Korea soll das System der Gesetzesfolgenabschätzung insbesondere auch dazu beitragen, eine zahlenmäßig ausufernde Gesetzgebung zu verhindern. Es trägt dazu bei, die Wirksamkeit des geltenden Rechts zu verbessern und die gesellschaftliche Akzeptanz zu erhöhen.5 Nach dem Rahmengesetz über Verwaltungsregulierung in Korea bezieht sich die „Regulatory Impact Analysis“ auf Kriterien zur Beurteilung der Gültigkeit von Normen, indem der Bevölkerung durch den Einsatz objektiver und wissenschaftlicher Methoden vorhergesagt und analysiert wird, inwieweit die Regulierung Einflüsse auf das tägliche Leben, die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Verwaltung haben wird (Artikel 2 desselben Gesetzes). Nach dem Konzept der „Regulatory Impact Analysis“ bedeutet „Gesetzesfolgenabschätzung“, die Kriterien zur Beurteilung der Gültigkeit von Gesetzen und der Gesetzgebung insgesamt zu definieren, indem verschiedene Einflüsse auf das tägliche Leben, die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Verwaltung im Voraus mittels objektiver und wissenschaftlicher Methoden vorhergesagt und analysiert werden. In Korea scheint das Konzept der Gesetzesfolgenabschätzung eine ähnliche Zielrichtung zu verfolgen.6 In Korea gibt es Vorschriften zur Analyse der Auswirkungen auf die Regulierung, die Bewertung der Auswirkungen von Korruption, sowie eine solche hinsichtlich der Gleichstellung der Geschlechter und zur Analyse der Auswirkungen von Konflikten in den einzelnen Gesetzen. Dazu gehören Verwaltungslasten, Kostenschätzungen,
Interior of Baden-Wuerttemberg, Forschungsinstitut für Öffentliche Verwaltung bei der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Nov. 2004. 4 Vgl. Carl Böhret/Götz Konzendorf, Moderner Staat – Moderne Verwaltung – Leitfaden zur Gesetzesfolgenabschätzung, 2000, S. 5. 5 Vgl. Carl Böhret/Götz Konzendorf, a.a.O., 2000, S. 5. 6 Z.B: Die Gesetzesfolgenabschätzung dient der Analyse und Bewertung der rechtlichen, administrativen, sozialen, wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen des Gesetzgebungsprozesses und seiner Folgen auf den Staat oder die Gesellschaft sowie zur wirksamen Erreichung des Zwecks der Rechtsvorschriften durch wissenschaftliche und systematische Analysen. Vgl. dazu Hyun-sook Cha, The Present Situation and Prospect of the Debate on the Legislation Evaluation, Ilgam Law Review, Vol. 22, 2012, S. 48 ff.
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wettbewerbsrechtliche Folgenabschätzungen und solche für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). 2. Geschichte der Gesetzesfolgenabschätzung in Korea Die Gesetzesfolgenabschätzung in Korea ist seit 1997 durch das Rahmengesetz über die Verwaltungsregulierung gesetzlich geregelt. Im Rahmen der Regulierungsreform wurde eine Regulierungsreformkommission eingerichtet. Die Einführung des Systems der Gesetzesfolgenabschätzung erfolgte nicht nach der im mitteleuropäischen Raum vorherrschenden Konzeption. Stattdessen wurde vielmehr ein System der ,Regulatory Impact Assessment (RIA)‘ eingeführt, welches aus dem angloamerikanischen Raum bekannt ist. Eine ernsthaftere Beschäftigung mit der Gesetzesfolgenabschätzung in Korea begann erst nach Beginn des Jahres 2000. Seither gibt es hierzu verstärkt Diskussionen und es werden zudem Doktorarbeiten zu diesem Themengebiet veröffentlicht. Ausgehend von der Studie zur Einführung der Gesetzesfolgenabschätzung in Deutschland wurden in diesem Zusammenhang vor allem die Studie zur Gesetzesbewertung in der Schweiz, das System der Gesetzesfolgenabschätzung in den europäischen und amerikanischen Rechtsordnungen sowie das Folgenabschätzungssystem in der Europäischen Union untersucht. Basierend auf den Ergebnissen dieser Studien wurde die Entwicklung eines Modells zur Gesetzesfolgenabschätzung diskutiert, das für die koreanischen Gegebenheiten geeignet ist. Es ist jedoch nicht einfach zu entscheiden, welches Modell in Bezug auf das bereits umgesetzte System verfolgt werden soll, insbesondere im Hinblick auf die Folgenabschätzung für die Gesetzesregulierung. In Korea wurden mehrere akademisch ausgerichtete Organisationen gegründet, die sich auf die Analyse der koreanischen Gesetzgebung spezialisieren. Zum Beispiel das koreanische Gesetzgebungsinstitut, das koreanische Gesetzgebungspolitik-Institut und das koreanische Gesetzgebungstheorie-Institut. Als staatlich finanziertes Forschungsinstitut erstellt das „Korea Legislation Research Institute“ zudem Forschungsberichte zur Gesetzesfolgenabschätzung. Weiterhin führt die koreanische Anwaltskammer auch Maßnahmen zur Gesetzesfolgenabschätzung durch und verfügt über einen entsprechenden internen Ausschuss. Bürgerorganisationen wie die Bürgergemeinschaft für die Praxis der wirtschaftlichen Gerechtigkeit und die Gemeinschaft für partizipative Demokratie führen zudem Überwachungstätigkeiten in Bezug auf die Gesetzgebung durch. Auf der anderen Seite wurden Bürgergruppen, beispielsweise in Form von Bürgerkomitees, für die Bewertung von Gesetzen geschaffen. Außerdem nimmt das Interesse der Bürger im Hinblick auf die zugrundeliegende Problematik in letzter Zeit stetig zu.
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III. Stand des Rechtssystems und Darstellung der Einrichtungen, die sich mit der Gesetzesfolgenabschätzung in Korea befassen 1. Stand des Rechtssystems bezogen auf die Gesetzesfolgenabschätzung a) Überblick über das Rechtssystem Derzeit gibt es in Korea kein allgemeines Statut wie es etwa § 44 GGO für Deutschland normiert,7 das die Gesetzesfolgenabschätzung (kurz: Gesetzesfolgen) einheitlich regelt. Es gibt jedoch das Antikorruptionsgesetz, das die Folgenabschätzung zur Korruption beinhaltet, und das Rahmengesetz über Verwaltungsregulierung, welches die Bewertung der Auswirkungen auf die Verwaltungsvorschriften vorsieht. Diese Gesetze beschränken sich jedoch weitgehend auf die Bewertung der Auswirkungen auf Regulierung und Korruption. Es gibt auch den „Gender Impact Assessment Act“, welcher sich auf die Bewertung und Entwicklung von Geschlechtergerechtigkeit bezieht sowie das Präsidialdekret8 zur Vermeidung und Beilegung von Konflikten durch öffentliche Einrichtungen, das die Bewertung der Auswirkungen von Konflikten vorsieht. Was die allgemeinen Gesetzgebungsverfahren betrifft, so gibt es den „National Assembly Act“, das Legislative Präsidialdekret, das Gesetz des „Legislative Investigation Department“ und das Gesetz des „Budget Policy Department“. Diese Gesetze und Verordnungen enthalten keine direkten Bestimmungen zur Gesetzesfolgenabschätzung, aber sie schreiben den Inhalt und die Verfahren für legislative Tätigkeiten vor. b) Das Gesetzgebungsverfahren im Falle der Gesetzesinitiative durch die Regierung9 Im Falle eines Gesetzentwurfs, der von der Regierung eingereicht wird, erfolgt die Gesetzesfolgenabschätzung in vorläufiger Form nur dann, wenn neue Rechtsvorschriften eingeführt oder bestehende verschärft werden sollen. Diesbezüglich sind die Inhalte im koreanischen Rahmengesetz über die Verwaltungsregulierung festgelegt. Gemäß Artikel 7 dieses Gesetzes muss der Leiter der zentralen Verwaltungsbehörde die Auswirkungen auf die Regulierung analysieren und einen Bericht über die Folgenabschätzung erstellen, ihn während einer gesetzlich vorgeschriebenen Frist veröffentlichen und dann bei der Durchführung der Selbstprüfung die Meinungen der Öffentlichkeit und der Experten für die folgende Entscheidung berücksichtigen. Um die Auswirkungen der Verordnung zu analysieren, müssen die Kosten-NutzenAnalyse, der Einfluss auf die KMU, die Wettbewerbsbeschränkungen, die Personal-
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Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien. Präsidiale Verordnung. 9 Im Falle eines Gesetzentwurfs, der von der Regierung eingereicht wird. 8
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stärke sowie das Budget umfassend geprüft werden. Als zuständige Regierungsbehörde gibt es einen Regulierungsreformausschuss, der hierfür verantwortlich ist. c) Das Gesetzgebungsverfahren im Falle der Gesetzesinitiative durch einen Abgeordneten Es gibt keine gesonderte Vorschrift für die Gesetzesfolgenabschätzung im Falle der Ausübung des Gesetzesinitiativrechts durch einen Abgeordneten. Es ist gesetzlich vorgesehen, dass ein Gesetzesvorhaben von mehr als 10 Personen initiiert werden kann. Gemäß § 79 des Gesetzes über die Koreanische Nationalversammlung soll der Abgeordnete, der den Gesetzesentwurf einreicht, dem Vorsitzenden den legislativen Grund für den Gesetzesentwurf mitteilen, nachdem der Entwurf von den unterstützenden Mitgliedern unterzeichnet wurde. Im Gegensatz zu den von der Regierung vorgelegten Gesetzesvorlagen werden in den geltenden Rechtsvorschriften zum Gesetzesinitiativrecht der Abgeordneten die Auswirkungen der Gesetzgebung auf die Volkswirtschaft nicht ausreichend berücksichtigt. Infolgedessen kann die Regierung hier weiter legislativ tätig werden, ohne eine Gesetzesfolgenabschätzung vorzunehmen. Deshalb wendet die Regierung in einigen Fällen das Gesetzgebungsverfahren der Abgeordneten an, da dieses keinen separaten Prozess der Folgenanalyse von Rechtsvorschriften erfordert, anstatt eigene Gesetzesentwürfe vorzulegen. Dieser Weg der Einreichung eines Gesetzesentwurfs wird somit als „Mittel zur Umgehung der Regulierungs-Prüfung“ verwendet. Andererseits zählt die Prüfung bestehender Vorschriften zu den Aufgaben des Ausschusses für die Regulierungsreform. Insofern kann eine Verordnung oder ein Gesetz, welches bereits nach den geltenden Vorschriften erlassen wurde, nachträglich im Rahmen der Gesetzesfolgenabschätzung, wie nachfolgend beschrieben, untersucht werden. Gesetze und Verordnungen, die Korruption verursachen, können vom Nationalkomitee für Volksrechte und -interessen auf Ursachen von Korruption untersucht werden und dem Leiter der zuständigen Behörde kann die Verbesserung von Gesetzen und Verordnungen empfohlen werden. Daher scheint eine Gesetzesfolgenabschätzung unabhängig davon möglich zu sein, ob es sich um einen Gesetzesentwurf von der Regierung oder von einem Abgeordneten handelt, der sich auf korruptionsinduzierende Faktoren bezieht. d) Gesetzesfolgenabschätzung von lokalen Regierungen Nach dem geltenden Rahmengesetz über die Verwaltungsregulierung müssen die Kommunen Maßnahmen im Einklang mit dem Gesetz ergreifen. Die Kommunalverwaltungen müssen demnach die erforderlichen Maßnahmen treffen, um die Registrierung und Veröffentlichung von Gesetzesregulierungen sicherzustellen, die in den Gesetzen und Verordnungen vorgesehen sind, eine Prüfung im Hinblick auf die Einrichtung oder Verschärfung von Regulierungen vornehmen, die Verbesserung bestehender Regulierungen anstreben und außerdem eine Aufsichtsbehörde einrichten.
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Nach dem Antikorruptionsgesetz muss der lokale Ausschuss für die Behandlung von Beschwerden diese dem Kongress vorlegen, wenn er der Ansicht ist, dass ein Gesetz oder eine Vorschrift unangemessen ist.10 Darüber hinaus muss jede Gemeinde eine Verordnung zur geschlechtsspezifischen Folgenabschätzung im Rahmen der GIA erlassen.11 In Bezug auf das Konfliktmanagementsystem ist geregelt, dass lokale Regierungen ähnliche Konfliktmanagementsysteme wie die zentralen Verwaltungsbehörden einrichten können.12 2. Vorschläge für Regelungen im Zusammenhang mit der Gesetzesfolgenabschätzung Die 19. Nationalversammlung hat Rechtsvorschriften zur Gesetzesfolgenabschätzung vorgeschlagen. In diesem Zusammenhang legte sie ein Gesetz zur Einführung der Gesetzesfolgenabschätzung vor,13 welches aber durch Mitglieder der Opposition bereits im Stadium der Diskussion des Unterkomitees des Lenkungsausschusses der Nationalversammlung verhindert wurde. In der gegenwärtigen 20. Nationalversammlung gibt es dagegen keine Gesetzesvorlage zur Gesetzesfolgenabschätzung. 3. Institutionen, die sich mit der Bewertung der Gesetzesfolgenabschätzung befassen a) Legislative Einrichtungen innerhalb der Regierung Das „Ministry of Government Legislation“ (Legislativbehörde) unter Leitung des Premierministers überwacht umfassend die Gesetzgebungsvorschläge und andere legislative Angelegenheiten im Zusammenhang mit solchen Rechtsvorschriften, die dem Ministerkabinett vorzulegen sind.14
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Abs. 2, § 77 des koreanischen Antikorruptionsgesetzes. Abs. 2, § 10 des koreanischen Gender-Folgenabschätzungsgesetzes. 12 § 3 der Vorschriften zur Vermeidung und Beilegung von Konflikten in öffentlichen Einrichtungen (Präsidial-Verordnung). 13 Am 12. September 2013 wurde eine Änderung des Gesetzes der Nationalversammlung vorgeschlagen, die darauf abzielt, die Gesetze zur „Überregulierung“ zu verbessern, die Druck auf die Wirtschaft ausüben und am 7. Mai 2013 wurde der Gesetzesänderungsentwurf für das Parlamentarische Gesetzgebungsbüro vorgeschlagen. Der Gesetzentwurf sieht die Bereitstellung von „legislativen Wirkungsanalyse-Dienstleistungen“ im Rahmen der legislativen Untersuchung als eine Frage der legislativen Bewertung vor. 14 Absatz 1, § 23 des Regierungsorganisationsgesetzes. 11
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aa) Das Ministerium für Staatliche Gesetzgebung Das Ministerium für Staatliche Gesetzgebung überwacht die Überprüfung und Beratung der dem Kabinett vorzuschlagenden Rechtsvorschriften, die Gesetzgebung, die Verwaltung und die Bereitstellung von Informationen zu nationalen Rechtsvorschriften sowie andere mit der Gesetzgebung zusammenhängende Angelegenheiten. Die Arbeit des Ministeriums befasst sich dagegen in keiner Weise mit der Gesetzesfolgenabschätzung. bb) Regelungsreformausschuss Derzeit ist der Regelungsreformausschuss („Regulatory Reform Committee“) die wichtigste Behörde für das Verfahren der Gesetzesfolgenabschätzung. Der Regelungsreformausschuss wurde 1998 nach dem Rahmengesetz über Verwaltungsvorschriften als Verwaltungsorgan eingerichtet und ist in diesem Zusammenhang für die Beratung, Regulierung und Prüfung der Regulierungspolitik der Regierung zuständig. Jeder Direktor der zentralen Verwaltungsbehörde, der eine neue Regulierung festlegen möchte, soll den Bericht über die Folgenabschätzung der in Frage stehenden Regulierung vorbereiten und ihn im Rahmen der Selbstprüfung dem Regelungsreformausschuss vorlegen. cc) Nationales Komitee für Volksrechte und -interessen Nach dem „Anti-Korruptionsgesetz“15 wurde das Nationale Komitee für Volksrechte und -interessen unter der Leitung des Premierministers eingerichtet, um sich mit eingegangenen Beschwerden zu befassen, die Schwächen des bestehenden Verwaltungssystems zu verbessern und Korruption zu verhindern. Da der Ausschuss Umfragen und Evaluierungen im Zusammenhang mit der Korruptionsprävention, der Verbesserung des Verwaltungssystems und der Überprüfung der Ursachen von Korruption durchführt, stehen die Aktivitäten des Ausschusses nicht in Zusammenhang mit der Gesetzesfolgenabschätzung. dd) Amt für staatliche Koordinierung Zudem gibt es das Amt für staatliche Koordinierung unter der Leitung des Premierministers. Dieses Amt ist auch für Regulierungsvorschläge sowie damit korrespondierende Schwierigkeiten in neuen Industrien und für die öffentliche Einreichung von Vorschlägen zuständig. Allerdings befasst es sich ebenfalls nicht mit der Gesetzesfolgenabschätzung.
15 Gesetz über die Verhütung von Korruption und die Einrichtung und den Betrieb des Nationalen Komitees für Volksrechte und -interessen. .
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b) Parlamentarische Legislativbewertungsstellen aa) National Assembly Research Service Die wissenschaftliche Dienstermittlungsabteilung der Nationalversammlung („National Assembly Research Service“) ist eine Organisation der Nationalversammlung, die nach Maßgabe des Gesetzgebungsgesetzes der Nationalversammlung eingerichtet wurde und unter dem Vorsitz der Nationalversammlung steht (§ 2 desselben Gesetzes). Die Legislativbehörde befasst sich mit allen Fragen im Zusammenhang mit Gesetzgebung und Politik (§ 3 desselben Gesetzes). Leider gibt es bis zum jetzigen Zeitpunkt noch keine eigenständige Einheit, die sich mit der Folgenabschätzung von Rechtsvorschriften befasst. Das Änderungsgesetz, welches diesen bestehenden Zustand ändern sollte, wurde von der 19. Nationalversammlung eingereicht, dann allerdings wieder aufgegeben. bb) National Assembly Budget Office Die Abteilung für Haushaltspolitik der Nationalversammlung („National Assembly Budget Office“) steht unter der Leitung der Nationalversammlung, welche auf der Grundlage ihrer derzeitigen Haushaltsmittelpolitik tätig wird. Das Budget Policy Office kalkuliert nicht nur die Kosten der Finanzierung einschließlich des Budgets und der fondsbezogenen Maßnahmen, sondern analysiert auch die finanzielle Arbeitsweise des Staates und den makroökonomischen Trend. Weiterhin analysiert und bewertet es die finanziell umfangreicheren Projekte des Staates. Die Analyse und Bewertung der Grundlagen und der Auswirkungen aus finanzieller Sicht beruhen auf einer rechtssystematischen Arbeitsweise, wobei es aber offensichtlich diesbezüglich weiteren Handlungsbedarf gibt. c) Gesetzesfolgenabschätzungsstellen der lokalen Regierungen Derzeit haben mehrere lokale Regierungen, darunter die Provinz Gyeonggi und die Metropolregion Gwangju, Satzungen zur Gesetzesfolgenabschätzung erlassen. Weiterhin wurden Studien durchgeführt, die sich ebenfalls mit diesem Thema beschäftigen. Lokale autonome Einheiten, die sich mit der Gesetzesfolgenabschätzung beschäftigen, sind jedoch nicht als staatliche Gesetzgebungsorgane anzusehen. Es gibt trotz dieser Einzelbestrebungen immer noch nicht genügend staatliche Kapazitäten, um die Gesetzesfolgenabschätzung in adäquater Weise vorzunehmen. Kommunalverwaltungen besitzen Einrichtungen zur Unterstützung von Gemeinderäten, verfügen aber nicht über eine hinreichende Infrastruktur, um die erforderliche Gesetzgebung und Finanzierung zu bewerten.
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4. Bewertung des aktuellen Status des Gesetzesfolgenabschätzungssystems in Korea Das Gesetzesfolgenabschätzungssystem in Korea könnte durch die Einführung eines Gesetzesbewertungssystems in Form der Analyse des Regulierungseffekts verbessert werden, wenn die Regierung die Regulierung neu aufstellen oder verschärfen würde. Die Regierung konzentriert sich aber bei der Analyse auf vorregulatorische Auswirkungen für den Fall einer Gesetzesverschärfung. Das aktuelle System der Gesetzesfolgenabschätzung ist allerdings, wie bereits ausgeführt, dann nicht anwendbar, wenn der in Frage stehende Gesetzesvorschlag von einem Abgeordneten eingereicht wurde. Dies kann jedoch damit zusammenhängen, dass die Überprüfung bestehender Vorschriften zu den Aufgaben des Regelungsreformausschusses zählt. In diesem Umfang kann dann, wie beschrieben, dennoch eine Gesetzesfolgenabschätzung vorgenommen werden. Da das Nationale Komitee für Volksrechte und -interessen zudem die Auswirkungen der Korruption bewerten kann, kann die Beurteilung der Rechtsvorschriften teilweise in Bezug auf die Gesetzesfolgen von Korruption durchgeführt werden, was insgesamt zu einer Verbesserung der Rechtsvorschriften führt. In Bezug auf die Gesetzesfolgenabschätzungsstelle hat die Regierung die Aufgabe, Regierungsvorschriften in Bezug auf die Regulierung insgesamt zu überprüfen und zu bewerten oder korruptionsinduzierende Faktoren im Zusammenhang mit korruptionsbezogenen Gesetzen und Vorschriften zu analysieren, zu überprüfen und Änderungen zu empfehlen. Es gibt aber keine Behörde, die unabhängig und umfassend für die Gesetzesfolgenabschätzung aller Gesetze und Vorschriften verantwortlich ist. Darüber hinaus verfügt die Nationalversammlung („National Assembly“) über ein Legislativbüro für Gesetzgebungsfragen und ein Büro für Budgetpolitik. Diese beschränken sich jedoch hauptsächlich auf die vom Gesetzgeber geforderten Funktionen sowie die Untersuchung und Information in Bezug auf Gesetzgebung und Politik. Es wurde jedoch versucht, durch eine Änderung des Gesetzgebungsgesetzes bei der Nationalversammlung einen „Legislative Impact Analysis Service“ als zusätzliches Aufgabenfeld zu integrieren. Insgesamt ist die legislative Bewertung der Gesetzesfolgen in Korea nicht durch eine systematische Einführung einer post-legislativen und prä-legislativen Gesetzesfolgenabschätzung im Allgemeinen geprägt, sondern zeichnet sich vielmehr als eine Regulierungsreform aus, die sich nur auf die Analyse und Untersuchung der Ursachen von Korruption bezieht. Insofern wurde die Gesetzesfolgenabschätzung Koreas daher lediglich in Form einer Analyse der regulatorischen Auswirkungen im Falle einer Reform der Regulierung eingeführt bzw. wurde ein System zur Analyse und Überprüfung der Ursachen von Korruption geschaffen, anstatt systematisch ein allgemeines System prä-legislativer und post-legislativer Bewertung der Rechtsvorschriften einzuführen. Im Falle
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eines Gesetzgebungsvorhabens, welches von einem Abgeordneten eingereicht wurde, ist, wie bereits ausgeführt, eine Folgenabschätzung bislang noch nicht möglich. Im Falle von bereits erlassenen Gesetzen und Verordnungen im Zusammenhang mit Korruptionsanreizen ist es jedoch möglich, die Interessen der Öffentlichkeit zu analysieren und zu überprüfen, denn die Überprüfung bestehender Vorschriften gehört zu den Aufgaben und Pflichten des Regulierungsreformkomitees der Regierung. Detaillierte Kriterien und Leitlinien für die Gesetzesfolgenabschätzung müssen hingegen noch ausgearbeitet werden. Auf der anderen Seite reicht die personelle und sachliche Infrastruktur für die Gesetzesfolgenabschätzung derzeit nicht aus. Studien über die Gesetzesfolgenabschätzung in Korea wurden in den 2000er Jahren in akademischen und staatlichen Instituten (Forschungsinstitute des Rechtsinstituts) durchgeführt, aber es gibt lediglich wenig umfangreiche Studien und nicht genügend Personal oder Infrastruktur mit Forschungsfähigkeit, um die Gesetzesfolgenabschätzung in ausreichendem Maße durchführen zu können.
IV. Vorschlag für die Einführung eines Gesetzesfolgenabschätzungssystems in Korea Wie bereits dargestellt, besteht in Korea zumindest teilweise ein System zur Gesetzesfolgenabschätzung beispielsweise im Bereich der Folgenabschätzung für Regulierung oder für Korruption. Das bestehende System verfügt zwar über eine beträchtliche Anzahl an Vorschriften und umfasst auch wesentliche Rechtsbereiche, aber es ist dennoch notwendig, das System der Gesetzesfolgenabschätzung für alle Rechtsgebiete einheitlich einzuführen, da es sich bislang lediglich um ein begrenzt anwendbares Folgenabschätzungssystem handelt. Vor allem sollte ein Gesetz erlassen werden, das die legislative Bewertung systematisiert. Die Rechtsvorschriften sollten Inhalte, Standards, Verfahren, Methoden und den zeitlichen Ablauf der legislativen Bewertungen enthalten. Das derzeitige System neigt dazu, sich auf die Reform der Regulierung zu konzentrieren. Neben der Einführung eines systematischen Gesetzesfolgenabschätzungssystems erscheint es sinnvoll, eine Institution zu errichten, die die gesamte Gesetzesfolgenabschätzung strategisch übernimmt. Ob es jedoch ausreicht, das derzeitige System um eine solche Institution zu ergänzen, oder ob diese Institution im Parlament, in der Regierung oder als eine unabhängige Institution etabliert werden sollte, ist strittig.16 Darüber hinaus sollte der Öffentlichkeit die Möglichkeit gegeben werden, sich am Prozess der Evaluierung zu beteiligen. Um ein für Korea geeignetes legislatives Bewertungssystem einzuführen, wird
16 Um eine neue legislative Bewertungsstelle zu schaffen, kann die Frage der Machtübertragung zwischen der Nationalversammlung und der Regierung auch ein bedeutender Konfliktfaktor sein.
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eine rechtsvergleichende Auswertung vieler vergleichbarer Systeme der Gesetzesfolgenabschätzung aus dem Ausland, beispielsweise aus Deutschland, hilfreich sein.
V. Zusammenfassung Dieser Artikel befasst sich mit dem Status Quo des legislativen Gesetzesfolgenabschätzungssystems in Korea und der Notwendigkeit, eine systematische legislative Gesetzesfolgenabschätzung einzuführen. In Süd-Korea wurde dies bereits teilweise erreicht, beispielsweise im Bereich der Regulierung sowie der Korruption. Das System der Gesetzesfolgenabschätzung hat zwar einen beachtlichen Umfang und ein beträchtliches Regelungssystem erfahren, dennoch ist es notwendig, eine Gesetzesfolgenabschätzung für alle Gesetze in allen Rechtsbereichen systematisch einzuführen, da sich das Folgenabschätzungssystem bislang auf die Bereiche Regulierung und Korruption beschränkt. Vor allem sollte ein Gesetz geschaffen werden, das die legislative Bewertung systematisiert. Derartige Rechtsvorschriften sollten Inhalte, Standards, Verfahren, Methoden und den zeitlichen Ablauf der legislativen Bewertungen enthalten. Das derzeitige System neigt dazu, sich auf eine Reform der Regulierung zu konzentrieren. Neben der systematischen Einführung eines Systems der Gesetzesfolgenabschätzung erscheint es notwendig, über eine Institution zu verfügen, die die gesamte Gesetzesfolgenabschätzung übergreifend übernimmt. Ob es jedoch ausreicht, das derzeitige System um eine solche Institution zu ergänzen, oder ob diese Institution im Parlament, in der Regierung oder als eine unabhängige Organisation etabliert werden sollte, wird uneinheitlich beantwortet. Einigkeit besteht jedoch darin, dass die Institution nach einem sorgfältigen und genauen institutionellen Schema errichtet werden sollte, damit eine derartige Einrichtung nicht zu einem Stigma wird oder negative Folgen verursacht. Darüber hinaus sollte der Öffentlichkeit die Möglichkeit gegeben werden, sich an dem Prozess im Wege einer Evaluation zu beteiligen. Um ein für Korea geeignetes legislatives Bewertungssystem einzuführen, werden viele Vergleichsfälle aus dem Ausland und hier insbesondere aus Deutschland hilfreich sein.
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren Dr. Chung, Nam-Chul, Univ.-Prof., Sookmyung Women’s University Gluding, Katja Vikoria, Wissenschaftl. Mitarbeiterin, Universität des Saarlandes Saarbrücken Dr. Guckelberger, Annette, Univ.-Prof., Universität des Saarlandes Saarbrücken Dr. Kang, Hyun Ho, Univ.-Prof., Sungkyunkwan University, Law School Dr. Kim, Sung Soo, Univ.-Prof., Yonsei University Dr. Kim, Hee-Gon, Univ.-Prof., Woosuk University Dr. Moon, Byoung-Hyo, Univ.-Prof., Kangwon National University Dr. Laubinger, Hans-Werner (†), Univ.-Prof., Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Dr. Ruthig, Josef Univ.-Prof., Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Dr. Schenke, Ralf Peter, Univ.-Prof., Julius-Maximilians-Universität Würzburg Dr. Schenke, Wolf-Rüdiger, Univ.-Prof., Universität Mannheim Dr. Dr. Seok, Jong Hyun, Univ.-Prof., Präsident der Korean Public Land Law Association Dr. Shin, Okju, Univ.-Prof., Chobuk National University Dr. Song, Dongsoo, Univ.-Prof., Dankook University