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German Pages 192 [196] Year 2017
Schriftenreihe der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer
Band 231
Gestaltung des städtischen Raums Vorträge auf dem 7. koreanisch-deutschen Symposium zum Verwaltungsrechtsvergleich 2015 am 14. März 2015 in Seoul
Herausgegeben von
Jan Ziekow und Jong Hyun Seok
Duncker & Humblot · Berlin
JAN ZIEKOW/JONG HYUN SEOK (Hrsg.)
Gestaltung des städtischen Raums
Schriftenreihe der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Band 231
Gestaltung des städtischen Raums Vorträge auf dem 7. koreanisch-deutschen Symposium zum Verwaltungsrechtsvergleich 2015 am 14. März 2015 in Seoul
Herausgegeben von
Jan Ziekow und Jong Hyun Seok
Duncker & Humblot · Berlin
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH Printed in Germany ISSN 2197-2842 ISBN 978-3-428-15119-6 (Print) ISBN 978-3-428-55119-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-85119-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
JAN ZIEKOW/JONG HYUN SEOK (Hrsg.)
Gestaltung des städtischen Raums
Schriftenreihe der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Band 231
Gestaltung des städtischen Raums Vorträge auf dem 7. koreanisch-deutschen Symposium zum Verwaltungsrechtsvergleich 2015 am 14. März 2015 in Seoul
Herausgegeben von
Jan Ziekow und Jong Hyun Seok
Duncker & Humblot · Berlin
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Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH Printed in Germany ISSN 2197-2842 ISBN 978-3-428-15119-6 (Print) ISBN 978-3-428-55119-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-85119-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Vorwort Der vorliegende Band fasst die Beiträge zusammen, die im Rahmen des 7. deutsch-koreanischen Symposiums zum Verwaltungsrechtsvergleich 2015 vorgetragen wurden. Das Symposium, das am 14. März 2015 in Speyer stattfand, hatte zum Ziel, Fragen der Gestaltung des städtischen Raumes vergleichend für beide Länder zu analysieren und zu diskutieren. Die wissenschaftliche Leitung der Veranstaltung lag bei Univ.-Prof. Dr. Jan Ziekow, Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung, Speyer, und Prof. Dr. Dr. Jong Hyun Seok, Dankook Universität. Für die Fertigstellung des vorliegenden Bandes danken die Herausgeber Frau Martina Diaz-Carreño, Sekretärin am Lehrstuhl Ziekow. Die Veranstalter verknüpfen mit der Vorlage dieser Dokumentation die Hoffnung, dass die mit Veranstaltungen in Mannheim 2005, Seoul 2006 und Speyer 2007 begonnene sowie in Speyer 2009, Daegu 2012 und Speyer 2013 fortgesetzte deutsch-koreanische Kooperation auch in Zukunft ertragreich fortgeführt werden kann. Speyer und Seoul, im Mai 2016
Jan Ziekow Jong Hyun Seok
Inhaltsverzeichnis Inhaltverzeichnis
Einleitung Von Jong Hyun Seok, Seoul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Urban Governance: Zukunftsplanung in partizipativen Netzwerken Von Jan Ziekow, Speyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Urban Governance: Gestaltung des städtischen Raums in partizipativen Netzwerken Von Byoung-Hyo Moon, Chunceon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Abstimmungsmöglichkeiten der Bürger/-innen im Kontext von Bauleitplänen und Planungsvorhaben Von Annette Guckelberger, Saarbrücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Eine Studie über die tatsächliche Garantie der Bürgerbeteiligung hinsichtlich Kern kraftwerksfragen Von Okju Shin, Jeonju . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Abstimmungsmöglichkeiten der Bürger/-innen im Kontext von Bauleitplänen und Planungsvorhaben Von Hee-Gon Kim, Wanju . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Veränderungssperre und Zurückstellung eines Baugesuchsals Mittel zur Sicherung der Bauleitplanung Von Wolf-Rüdiger Schenke, Mannheim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Mittel zur Sicherung der Bauleitplanung in Deutschland und Korea Von Bo Cook Seo, Daejeon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Fehlerfolgen und Grundsatz der Planerhaltung im Bauplanungsrecht Von Ralf P. Schenke, Würzburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Inhaltliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Bebauungsplänenund ihre verfassungsrechtliche Implikation – unter besonderer Berücksichtigung des Gemein wohlerfordernisses von Bebauungsanlagen Von Sung Soo Kim, Seoul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Fehlerfolgen und Grundsatz der Planerhaltung im Bauplanungsrecht Von Namchul Chung, Seoul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
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Inhaltverzeichnis
Lärmschutzplanung, veranschaulicht am Beispiel der Stadt Mainz Von Hans-Werner Laubinger, Mainz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Kommentar zum Beitrag von Hans-Werner Laubinger über das Thema Lärmschutzplanung, veranschaulicht am Beispiel der Stadt Mainz Von Hyun-Joon Kim, Gyeongsan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Verzeichnis der Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
Einleitung Von Jong Hyun Seok Jong Hyun Seok
Wie Sie wissen, versucht unsere Vereinigung, wissenschaftliche Verbindungen zwischen den koreanischen und den deutschen Kollegen herzustellen und zu pflegen. Seit 2005 findet das koreanisch-deutsche Symposium regelmäßig in Deutschland und Korea statt. So haben wir gemeinsam mit der juristischen Fakultät der Universität Mannheim im Juli 2005 ein erstes koreanisch-deutsches Symposium veranstaltet mit dem Hauptthema „Rechtsschutz gegen staatliche Hoheitsakte, insbesondere gegen Verwaltungshandlungen“. Auf diesem Symposium hielten Prof. Dr. Hong Suck Cho, Prof. Dr. Hae Ryoung Kim, Prof. Dr. Hee Gon Kim, Prof. Dr. Jee Tai Ryu, Prof. Dr. Choon Hwan Kim, Prof. Dr. Dong Soo Song, Prof. Dr. Hyun Ho Kang und ich jeweils einen Gastvortrag, während von Deutscher Seite, Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schenke, Prof. Dr. Thomas Würtemberger, Prof. Dr. Josef Ruthig, Prof. Dr. Hans-Werner Laubinger und Dr. Kurt Graulich, Richter am Bundesverwaltungsgericht, jeweils einen Vortrag hielten. Die Vorträge auf dem Symposium wurden als Tagungsband in die Reihe Schriften zum Internationalen Recht, Band 160, aufgenommen und sind beim Duncker & Humblot Verlag im Jahr 2006 erschienen. Das zweite Symposium vom 29. bis 30. August 2006 haben wir zu dem Rahmenthema „Die öffentlich-rechtlichen Fragen in der Risikogesellschaft“ in Seoul veranstaltet. Auf diesem zweiten Symposium hielten Prof. Dr. Dongsoo Song, Prof. Dr. Nam Cheol Kim, Prof. Dr. Byung Ki Kim, Prof. Dr. Soong Pyo Eun, Prof. Dr. Hyun Ho Kang, Dr. Mun Soo Kang und ich jeweils einen Vortrag, während es von deutscher Seite Beiträge von Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schenke, Prof. Dr. Hans-Werner Laubinger, Prof. Dr. Jan Ziekow und Prof. Dr. Peter Baumeister gab. Allerdings konnten Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schenke und Prof. Dr. Jan Ziekow aus persönlichen Gründen nicht kommen. Ihre Vorträge wurden von Prof. Dr. Hans-Werner Laubinger und Prof. Dr. Peter Baumeister übernommen. Auf diesem Symposium haben Prof. Dr. Bong Gi Shin, Prof. Dr. Hee Gon Kim, Prof.Dr. Jong Yeong Yi, Prof. Dr. Hong Suck Cho, Prof. Dr. Joon Kyu Kil, Prof. Dr. Dong Sik Lee, Prof. Dr. Jae Young Son, Prof. Dr. In Sung Cho und Prof. Dr. Kyong Je Kim als Diskutanten teilgenommen. Die deutschen Vortragsmanuskripte wurden ins Koreanische übersetzt. Diese Übersetzungsarbeit haben Prof. Dr. Jae
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Jong Hyun Seok
Young Son, Prof. Dr. Dongsoo Song, Prof. Dr. Hyun Jun Kim, Prof. Dr. Nam Choel Kim, Dr. Se Min Oh, Prof. Dr. Byung Gi Kim, Prof. Dr. Soong Pyo Eun, Prof. Dr. Seung Pil Choi, Prof. Dr. Hyun Ho Kang und Dr. Mun Soo Kang übernommen. Die Vorträge auf dem Symposium wurden in die Zeitschriftenreihe Public Land Law Review als Band 32 vom September 2006 aufgenommen und von der Korea Public Land Law Association veröffentlicht. Das dritte Symposium vom 13. bis 15. September 2007 haben wir unter dem Rahmenthema „Die Einbeziehung Privater in der Erfüllung öffentlicher Aufgaben“ in Speyer veranstaltet. Auf diesem Symposium hielten Prof. Dr. Sung Soo Kim, Prof. Dr. Hae Ryoung Kim, Prof. Dr. Kee Hong Kang, Prof. Dr. Dongsoo Song und ich jeweils einen Vortrag, während von deutscher Seite Prof. Dr. Jan Ziekow, Prof. Dr. Peter Baumeister, Prof. Dr. Ulrich Stelkens, Frau Professorin Dr. Annette Guckelberger, Prof. Dr. Hans-Werner Laubinger, Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schenke und Dr. Alexander Windoffer jeweils einen Vortrag hielten. Die Vorträge auf dem Symposium wurden als Tagungsband in die Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Band 193, aufgenommen und vom Duncker & Humblot Verlag im Jahr 2008 veröffentlicht. Das vierte Symposium fand vom 9. bis 13 September 2009 zu dem Rahmenthema „Mediation als Methode und Instrument der Konfliktmittlung im öffentlichen Sektor“ in Speyer statt. Auf dem Symposium hielten Prof. Dr. Sang Kyum Kim, Dr. Soong Pyo Eun, Prof. Dr. Hyun Ho Kang, Prof. Dr. Sung Soo Kim, Prof. Dr. Hee Gon Kim, Prof. Dr. Dongsoo Song, Prof. Hae Ryoung Kim und ich jeweils einen Vortrag, während von deutscher Seite Prof. Dr. Jan Ziekow, Prof. Dr. Franz-Josef Peine, Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch, Prof. Dr. Mario Martini, Prof. Dr. Peter Baumeister, Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schenke, Prof. Dr. Dr. h. c. Rainer Pitschas, Frau Professorin Dr. Annette Guckelberger und Priv.-Doz. Dr. Thorsten Siegel jeweils einen Vortrag hielten. Die Vorträge wurden als Tagungsband in die Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Band 207, aufgenommen und vom Duncker & Humblot Verlag im Jahr 2010 veröffentlicht. Das fünfte Symposium haben wir am 24. August 2012 zu dem Rahmenthema „Der Staat als Wirtschaftssubjekt und -regulierer“ in Daegu an der Yeungnam Universität veranstaltet. Auf dem Symposium hielten Prof. Dr. Hae Ryoung Kim, Prof. Dr. Sung Soo Kim, Prof. Dr. Dongsoo Song, Prof. Dr. Joon Kyu Kil und Prof. Dr. Hyun Ho Kang jeweils einen Vortrag, während von deutscher Seite Prof. Dr. Jan Ziekow, Prof. Dr. Josef Ruthig, Prof. Dr. Hans-Werner Laubinger, Prof, Dr. Peter Baumeister, Frau Professorin Dr. Annette Guckelberger und Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schenke jeweils einen Vortrag hielten. Die Vorträge auf dem Symposium wurden in die Zeitschriftenreihe Public Land Law Review als Band 59 vom November 2012 aufgenommen und von der Korea Public Land Law Association veröffentlicht.
Einleitung
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Zugleich wurden die Vorträge auf dem Symposium als Tagungsband in die Schriftenreihe der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, Band 218, aufgenommen und vom Duncker & Humblot Verlag im Jahr 2013 veröffentlicht. Das sechste Symposium vom 18. bis 19 Oktober 2013 haben wir zu dem Rahmenthema „Systemkrisen und Systemvertrauen“ in Speyer veranstaltet. Auf diesem Symposium hielt Prof. Dr. Dr. Jong Hyun Seok die Begrüßungsrede zum Symposium und trug kurz einführend über das Rahmenthema vor. Prof. Dr. Sung Soo Kim, Frau Prof. Dr. Okju Shin, Prof. Dr. Seung Pil Choi, Prof. Dr. Hyun Ho Kang, Frau Prof. Dr. Hyun Im, Prof. Dr. Hee Gon Kim und Prof. Dr. Byoung Hyo Moon hielten jeweils einen Vortrag, während von deutscher Seite Prof. Dr. Josef Ruthig, Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schenke, Prof. Dr. Peter Baumeister, Prof. Dr. Hans-Werner Laubinger, Frau Professorin Dr. Annette Guckelberger und Prof. Dr. Jan Ziekow jeweils einen Vortrag hielten. Die Vorträge auf dem Symposium wurden als Tagungsband in die Schriftenreihe der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, Band 226, aufgenommen und vom Duncker & Humblot Verlag im Jahr 2015 veröffentlicht. In Zusammenfassung meiner Darstellung kann ich sagen, dass wir verschiedene aktuelle Themen miteinander diskutiert haben und damit einem für die koreanische gleichwie für die deutsche Seite fruchtbaren Gedankenaustausch gedient haben. Das Symposium fügt sich damit in eine Reihe von Begegnungen zwischen koreanischen und deutschen Verwaltungsrechtslehrern ein, die bereits seit vielen Jahren stattfinden und die noch in diesem Jahr eine Fortsetzung in Seoul finden. Nun veranstalten wir das siebte Symposium zu dem Rahmenthema „Gestaltung des städtischen Raums“. Unter diesem Thema beschäftigen wir uns mit verschiedenen konkreten Themen, nämlich Zukunftsplanung in partizipativen Netzwerken, Abstimmungsmöglichkeiten der Bürger/-innen im Kontext von Bauleitplänen und Planungsvorhaben, Planungs- und Verwaltungsermessen, Veränderungssperre und Zurückstellung des Baugesuchs als Mittel zur Sicherung der Bauleitplanung, Fehlerfolgen und Grundsatz der Planerhaltung im Bauplanungsrecht, Lärmschutzplanung am Beispiel der Stadt Mainz. Hierzu ist zu bemerken, dass die Stadtgestaltung unter den Bedingungen des demografischen Wandels vor neue Herausforderungen gestellt wird. Die Frage, ob hierarchisch angelegte Planungsmodi diesen Herausforderungen gerecht werden oder nicht, sollten wir stellen und diese juristisch klären. Das koreanisch-deutsche Symposium zum Verwaltungsrechtvergleich wird auf die im Zusammenhang mit dem Thema „Gestaltung des städtischen Raums“ offenen Fragen immer wieder hinweisen. Die Tagung ist aus unserer Sicht ein Element auf dem Weg zu einer Lösung der offenen Fragen des Bauplanungsrechts. Ich bin allen Teilnehmern dankbar, dass Sie durch ihre Beiträge und ihre Anwesenheit deutlich gemacht haben, dass ein Problembewusstsein vorhanden ist. Alle, die sich mit dem Thema beschäftigen wissen aber auch, dass die Stadtgestaltung sich
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Jong Hyun Seok
derzeit unter den Bedingungen des demografischen Wandels in einer Herausforderungssituation befindet. Ich bin sicher, dass der Erfahrungsaustausch, der mit dieser Tagung ermöglicht wird, aber auch die Beleuchtung der Grundlagen, uns hilfreiche Hinweise für die Praxis geben wird.
Urban Governance: Zukunftsplanung in partizipativen Netzwerken Von Jan Ziekow Jan Ziekow
I. Herausforderungen für die Stadtgestaltung unter den Bedingungen des demografischen Wandels Die Ausgangsvoraussetzungen des Zusammenlebens in Städten in Japan und Deutschland sind sowohl unterschiedlich als auch vergleichbar. Die städtischen Agglomerationsräume in Japan haben teilweise ein Vielfaches der Einwohnerzahl deutscher großstädtischer Verdichtungsräume. Umgekehrt ist die ethnische Vielfalt der Bewohner deutscher Städte sehr viel größer als in Japan. In einem gewissen Umfang vergleichbar wiederum sind die Herausforderungen der demografischen Entwicklung. Sowohl Japan als auch Deutschland sind aging societies, in denen sich die Anteile der verschiedenen Bevölkerungsgruppen an der Gesamtbevölkerung verschieben. Diese Entwicklung bedeutet für die Planung städtischer Räume in Deutschland bestimmte Trends, auf die die Stadtplanung reagieren muss: – Jüngere und gut ausgebildete Personen siedeln sich verstärkt in großen städtischen oder stadtnahen Räumen mit innovativem Arbeitsplatzpotenzial an.1 – Auch bei der älteren Bevölkerung lassen sich verstärkt Wanderungsbewegungen in die Kernstädte konstatieren.2 – Der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund ist in städtischen Agglomerationsräumen rund doppelt so hoch wie in ländlichen Gebieten.3 Zusammengefasst bedeutet dies, dass erstens in den Städten bestimmte Stadtquartiere wegen eines Verlusts von Bevölkerung schrumpfen, was Leerstand und in letzter Konsequenz Verfall zur Folge hat, zweitens aber sozusagen umgekehrt durch den Zuzug von Bevölkerungsgruppen oder innerstädtische Verlagerungsprozesse sich die Anforderungen an Wohnbedürfnisse und Infrastrukturen in an1 Terry Gregory/Roberto Patuelli, Regional Age Structure, Human Capital and Innovation – Is Demograhic Ageing Increasing Regional Disparities?, 2013, S. 1 ff. 2 Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, Zurück in die Stadt, oder: Gibt es eine neue Attraktivität der Städte?, 2011, S. 4. 3 Stefan. Rühl, Grunddaten der Zuwandererbevölkerung in Deutschland, 2009, 27 f. Des Weiteren ist der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund in den östlichen Flächenländern deutlich niedriger als in den Stadtstaaten sowie den westlichen und südlichen Bundesländern, Stefan Rühl, ebd.
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Jan Ziekow
deren Stadtteilen ändern. Vor allem in einwohnerstarken Zentren kann es zu Prozessen räumlicher Segregation kommen, die sich in Ghettoisierungen verdichten. Gleichzeitig leiden die deutschen Kommunen unter einer deutlichen Knappheit an Finanzmitteln. Für die sich ändernde Zusammensetzung der Bevölkerung notwendige Infrastrukturen können aus öffentlichen Mitteln nicht immer geschaffen werden. Entsprechendes gilt für städtebauliche Umgestaltungen. Die hiermit formulierten Herausforderungen stellen auch die Prozesse der Gestaltung des städtischen Raumes auf die Probe. Das deutsche Stadtplanungsrecht kennt zwar in großem Umfang eine Beteiligung der Öffentlichkeit an Planungsverfahren, jedoch in aller Regel in Form von Einwendungs-, Äußerungs- und Erörterungsmöglichkeiten. Für den Regelfall der Stadtplanung mag dies ausreichen. Komplexe Phasen der Umgestaltung sind hingegen auf eine hohe Effektivität und Nachhaltigkeit bei gleichzeitiger Effizienz4 angewiesen.
II. Aktivierung von Netzwerken in partizipativer Urban Governance Diese Komplexität der Gestaltungsaufgabe bei gleichzeitiger Heterogenität der Akteure und Stakeholder hat in der internationalen Diskussion über Konzepte der Stadtentwicklung zu der Einsicht geführt, dass hierarchisch angelegte Planungsmodi der sich stellenden Aufgabe nicht vollständig gerecht werden5. Was unter einem hierarchischen Planungsmodus zu verstehen ist, ist dabei nicht ganz eindeutig. Die Grundbedeutung ist, dass die Zuständigkeit für die Stadtplanung bei einer staatlichen oder kommunalen Stelle liegt6. Allerdings kann die Reichweite dieser Zuständigkeit sehr unterschiedlich ausgestaltet sein. Am striktesten ausgeprägt ist die Hierarchie, wenn sowohl das äußere Planungsverfahren als auch die inhaltliche Planung durch eine staatliche oder kommunale Stelle durchgeführt wird und diese Stelle die inhaltliche Verantwortung für das Ergebnis der Planung trägt. Dieses entspricht der Situation in Deutschland, wo die sog. Planungshoheit eine der zentralen, verfassungsrechtlich in Art. 28 Abs. 2 GG abgesicherten, sog. Gemeindehoheiten7 darstellt. 4 Siehe in diesem Zusammenhang Peter Jakubowski/Martina Pauly, Neue Koopera tionsformen in der Stadtentwicklung – eine Effizienzanalyse im Lichte der Transaktionskostentheorie, in: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.), Urban Governance, Informationen zur Raumentwicklung, IzR 9 – 10/2015, S. 619 – 626. 5 Vgl. z. B. Hermann Hill, Urban Governance – Zum Wohle der Kommune, in: Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.), Brennpunkt Stadt, Berlin 2006, S. 155 (155 – 157) und generell zum Dilemma hierarchischer Steuerung, Helmut Wilke, Die Entzauberung des Staates, 1983, S. 119 ff. 6 Gerd Schmidt-Eichstaedt, Planungshoheit als öffentliches Gut versus Veräußerung der Planungshoheit an Private, in: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Fn. 4), S. 649. 7 Vgl. BVerfG: BVerfGE 56, S. 298 (312 f.); BVerfGE 103, S. 332 (358); BVerwG: BVerwGE 74, S. 124, (125); BVerwGE 81, S. 95 (106); BVerwGE 84, S. 209 (214 f.); NVwZ
Urban Governance: Zukunftsplanung in partizipativen Netzwerken
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Die Ansätze von Urban Governance versuchen, die hierarchische Steuerung der Stadtplanung durch eine Pluralisierung der Akteure zu erweitern. Zwar sind im internationalen Vergleich die Urban Governance-Konzepte im Einzelnen durchaus unterschiedlich.8 Jedoch lässt sich für die Zwecke dieses Beitrags Folgendes als zentral für Urban Governance festhalten: – Stadtplanung allein in Modi hierarchischer Steuerung führt zu Effizienz-, Effektivitäts- und Qualitätsdefiziten. Sinnvoller ist deshalb eine Ko-Produktion mit gesellschaftlichen Akteuren.9 – Diese Ko-Produktion ist nicht in der Form bloßer Anhörung gesellschaftlicher Akteure durch die planende hoheitliche Stelle zu verstehen, sondern in Form der partizipatorischen Einbringung grundsätzlich gleichgewichtiger Beiträge.10 Die Stadtplanung wird in dem Sinne zu einem intermediären Prozess11, dass öffentliche Stellen sowie privatwirtschaftliche und zivilgesellschaftliche Akteure sich mit ihren spezifischen Rationalitäten gleichsam in einem Zwischenbereich der Multiakteuerskonstellation zusammenfinden. – Die Koordination zwischen den Akteuren erfolgt heterarchisch12. Staat bzw. Kommunen reduzieren zumindest die hierarchische Steuerung der Stadtpla2013, S. 662 (663); Hans-Günter Henneke, in: Schmidt-Bleibetreu/Klein/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 13. Aufl. 2014, Art. 28 GG Rn. 100, 110. 8 Aus der Diskussion siehe nur UN Economic and Social Commission for Western Asia, Urban Governance and Participatory Development, 2000. 9 Ähnlich Matthias Drilling, Verstetigung in der nachhaltigen Quartiersentwicklung. Eine Analyse aus Sicht der Urban Regime Theory, Geographica Helvetica 2009 (Jg. 64), S. 208; Olaf Schnur/Matthias Drilling, Governance – ein neues Zauberwort auch für die Quartiersentwicklung?, in: Drilling/Schnur (Hrsg.), Governance der Quartiersentwicklung: Theoretische und praktische Zugänge zu neuen Steuerungsformen, 2009, S. 11 (12); Zur Koproduktion mit gesellschaftlichen Akteuren bspw. Rolf G. Heinze/Thomas Olk, Bürgerengagement in Deutschland – Zum Stand der wissenschaftlichen und politischen Diskussion, in: dies. (Hrsg.), Bürgerengagement in Deutschland, 2001, S. 11 (20); Klaus Selle, Über Bürgerbeteiligung hinaus: Stadtentwicklung als Gemeinschaftsaufgabe, 2013, S. 45 ff. 10 Zu Partizipation als Kernelement von Urban Governance vgl. Heidi Sinning, Partizipation – neue Anforderungen an eine bewährte Governanceform, in: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.), Urban Governance, Informationen zur Raumentwicklung (Fn. 4), S. 579 – 588 und zu Partizipation als Element kommunaler Entwicklungsplanung z. B. Armin König, Bürger und Demographie: Partizipative Entwicklungsplanung für Gemeinden im demographischen Wandel, 2011. 11 Zu Intermediatät als Merkmal von Urban Governance siehe Klaus Einig/Gernot Grabher/Oliver Ibert/Wendelin Strubelt, Urban Governance – Zur Einführung, in: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Fn. 4), S. I (II) und dem folgend Olaf Schnur/ Matthias Drilling, Governance – ein neues Zauberwort auch für die Quartiersentwicklung?, in: Drilling/Schnur (Fn. 9), S. 11 (18). 12 Zu Heterarchie als Merkmal von Urban Governance siehe Klaus Einig/Gernot Grabher/Oliver Ibert/Wendelin Strubelt, Urban Governance – Zur Einführung, in: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Fn. 4), S. I (II); Olaf Schnur/Matthias Drilling, Govern
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nung und geben Impulse zur Aktivierung der Bürgerinnen und Bürger für die Stadtplanung13. Da die hierarchische Dominanz der staatlichen bzw. kommunalen Verwaltung auch bei heterarchischer Koordination zunächst fortbesteht14, ist es notwendig, dass die Verwaltung diese Dominanz im Planungsprozess nicht ausspielt, sondern im Gegenteil die Kooperationsressourcen der anderen Akteure stärkt. Die wesentliche für die für diesen Beitrag relevante Feststellung besteht darin, dass die heterarchische Koordination vor allem in Netzwerkstrukturen erfolgt. Die hierarchische Stadtplanung ist gekennzeichnet zum einen durch die Verwaltung und zum anderen durch meist individuelle, seltener auch kollektive Akteure. Hierdurch entstehen fragmentierte Diskurse, die durch – häufig sozial- und meinungsstarke – Interessen geprägt sind und keinen Aufbau langfristig tragender Kooperationsarenen ermöglichen. Die Ausrichtung auf Koordinierung in Netzwerken weist demgegenüber den Vorteil auf, die überindividuelle Ebene durch bestimmte Merkmale oder Interessen verbundener Individuen ansprechen zu können, ohne auf kollektive oder gar korporative Akteure beschränkt zu sein. Der Verdichtungs- und Organisationsgrad der Netzwerke ist flexibel. Hierdurch werden die Potenziale für die Entwicklung stadtplanerischer Konzepte gesteigert, die Identifikation der Akteure mit dem Prozess der Stadtplanung und seinen Ergebnissen erhöht, so dass sich die Chance der Tragfähigkeit gefundener Lösungen erhöht. Hierzu trägt auch bei, dass jeder Netzwerkakteur eine jederzeitige Exit-Option15 hat. Dies unterscheidet in und mit Netzwerken arbeitende Urban Governance beispielsweise vom Modell der Business Improvement Districts16, die in den Ausprägungen, die sie in den Gesetzen ance – ein neues Zauberwort auch für die Quartiersentwicklung?, in: Drilling/Schnur (Fn. 9), S. 11 (18). 13 Tanja Klenk/Frank Nullmeier, Public Governance als Reformstrategie, 2. Aufl. 2004, S. 32, sprechen von einem Wandel „zum kooperativen und aktivierenden Staat“ und Oliver Frey, Regulierte Selbststeuerung und Selbstorganisation in der Raumplanung, in: Hamedinger/ders./Dangschat/Breitfuss (Hrsg.), Strategieorientierte Planung im kooperativen Staat, 2008, S. 224 (232), von „Rollenerweiterung um Moderation und Verhandlung“. 14 Christian Diller, Regional Governance im „Schatten der Hierarchie“ – Theoretische Überlegungen und ein Beispiel aus Schleswig-Holstein, RuR 2004, S. 270 (271): „netzwerkgestützte Verhandlungen im Schatten der Hierarchie“ mit Verweis auf Fritz W. Scharpf, Interaktionsformen – Akteurzentrierter Institutionalismus in der Politikforschung, 2000, S. 323 ff. 15 Vgl. zur Exit-Option als Bestandteil sozialer Netzwerke, Johannes Weyer, Zum Stand der Netzwerkforschung in den Sozialwissenschaften, in: ders. (Hrsg.), Soziale Netzwerke: Konzepte und Methoden der sozialwissenschaftlichen Netzwerkforschung, 2. Aufl. 2011, S. 39 (49); grundlegend zur Nutzung der Optionen von „exit“ and „voice“, Albert O. Hirschmann, Exit, Voice and Loyalty, 1970. 16 Zu Business Improvement Districts in Deutschland vgl. nur Malte Jaguttis, Gesteuerte Freiheit, 2014; Matthias Kuplich, Innovationsbereiche, Eigentümergemeinschaften und private Initiativen, 2013; Martin Moeser, BIDs und kommunale Governance, 2011; Mischa
Urban Governance: Zukunftsplanung in partizipativen Netzwerken
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verschiedener deutscher Bundesländer gefunden haben, in aller Regel zu einer Kollektivierung von Freiheit führen. Auch wenn dies zunächst widersprüchlich klingen mag, erhöht gerade die Exit-Option17 schließlich für alle individuellen Akteure die Chance, Urban Govern ance als Diskurs zu verstetigen. Denn hierdurch ist kooperative Stadtplanung in netzwerkartigen Strukturen darauf angewiesen, alle Akteure permanent von den Vorteilen der Netzwerkkooperation zu überzeugen. Das Konzept einer Stadtplanung in Urban Governance sollte allerdings nicht zu dem Missverständnis führen, dass Kooperation in heterarchischen Arrangements spontan-selbstregulativ in Gleichordnung aller Akteure erfolgt. Vielmehr handelt es sich hier um sog. gerichtete Netzwerke, die eine themenbezogene instrumentelle Funktion haben18. Dies führt von vornherein dazu, dass es einer Netzwerkgovernance19 durch diejenige Stelle bedarf, die zur Übernahme der Verantwortung für den Inhalt der Planung demokratisch legitimiert20 ist, in Deutschland also der Gemeinde. In der Stadtplanung spricht man deshalb hinsichtlich Urban Governance von einem „Netzwerkcharakter mit hierarchischem backbone“21. Insbesondere hat die kommunale Verwaltung die Aufgabe, die Machtungleichgewichte und unterschiedlichen Wissens- und Kommunikationsressourcen der verschiedenen Akteure in dem Maße auszugleichen, das für eine kooperative Interaktion in der Stadtplanung erforderlich ist. Ebenso ist sie häufig als Impulsgeber
Hecker, Business Improvement Districts in Deutschland, 2010; Robert Pütz (Hrsg.), Business Improvement Districts, 2008. 17 Vgl. etwa Dietrich Fürst, Regional Governance, in: Benz/Dose (Hrsg.), Governance, Regulieren in komplexen Regelsystem, 2. Aufl. 2010, S. 49 (58) und Thorsten Kohlisch, Regional Governance in europäischen Regionen, 2008, S. 38. Von einer „Homogenisierung des Diskurses durch die Exit-Option“, welche „häufig relativ einseitige Sichtweisen“ hervorbringe, sprechen Lars Holtkamp/Jörg Bogumil, in: Schwalb/Walk (Hrsg.), Local Govern ance – mehr Transparenz und Bürgernähe, 2007, S. 231 (234). 18 Vgl. Christian Diller, Zwischen Netzwerk und Institution, 2002, S. 58; Alina Kirschniok, Circles of Support – Eine empirische Netzwerkanalyse, 2010, S. 151. 19 Zum Begriff „Network Governance” siehe z. B. Candace Jones, William S. Hesterly, Stephen P. Borgatti, A General Theory of Network Governance: Exchange Conditions and Social Mechanisms, The Academy of Management Review, Vol. 22, No. 4 (Oct., 1997), S. 911 – 945. 20 Vgl. Hermann Hill, Urban Governance – Zum Wohle der Kommune, in: Deutsches Institut für Urbanistik (Fn. 5), S. 155 (160). 21 Olaf Schnur/Matthias Drilling, Governance – ein neues Zauberwort auch für die Quartiersentwicklung?, in: Drilling/Schnur (Fn. 9), S. 11 (17).
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für die Netzwerkbildung und begleitender Moderator22 gefordert, dessen hierarchischer Schatten 23 kollaboratives Verhalten der Akteure befördern kann. Um dies am Beispiel von Urban Governance im Dienste der Stadtgestaltung im Zuge des demografischen Wandels zu verdeutlichen: Wie erwähnt führt der demografische Wandel im städtischen Raum dazu, dass unterschiedliche Personengruppen – jüngere gut ausgebildete Personen, ältere Personen und Personen mit Migrationshintergrund – unterschiedliche Anforderungen an die Stadtgestaltung stellen. Hinzu kommen als weitere Akteure beispielsweise die Eigentümer von Wohn- und Geschäftshäusern, die Inhaber von Geschäften sowie private Betreiber von Infrastrukturen. Während die Eigentümer und Geschäftsleute in der Regel über eine korporative oder zumindest kollektive Artikulierung ihrer Interessen verfügen, ist dies für die genannten Bevölkerungsgruppen nicht der Fall. Die Gemeinde als Netzwerkadministrator steht deshalb vor der Aufgabe, auf einer ersten Stufe die Bildung gerichteter Netzwerke dieser Bevölkerungsgruppen anzuregen und auf einer zweiten Stufe diese Netzwerke zu einem Meta-Netzwerk der Urban Governance zusammenzuführen.
III. Anknüpfungspunkte einer Urban Governance de lege lata Welche Anknüpfungspunkte bietet nun das deutsche Stadtplanungsrecht für einen stadtplanerischen Umgang mit den Folgen des demografischen Wandels durch Urban Governance-Arrangements? Im Folgenden werde ich zunächst das geltende Recht auf das Vorhandensein derartiger Anknüpfungspunkte untersuchen. Anschließend werde ich einige Überlegungen zu denkbaren perspektivischen Weiterentwicklungen anstellen. 1. Bauleitplanung Das allgemeine Städtebaurecht nimmt sich der mit den Folgen des demografischen Wandels verbundenen Fragestellungen vor allem in den in § 1 Abs. 6 Nr. 2 und 3 BauGB genannten abwägungserheblichen Belangen an. Allerdings ist die allgemeine Bauleitplanung durch Flächennutzungs- und Bebauungspläne hierarchisch gesteuert und für heterarchische Konzepte kaum offen: Die Aufstellung des 22 Vgl. Verena Bärenbrinker, Nachhaltige Stadtentwicklung durch Urban Governance, 2012, S. 262; Olaf Schnur/Matthias Drilling, Governance – ein neues Zauberwort auch für die Quartiersentwicklung?, in: Drilling/Schnur (Fn. 9), S. 11 (17). 23 Zum „Schatten der Hierarchie“ als Merkmal von Urban Governance Klaus Einig/ Gernot Grabher/Oliver Ibert/Wendelin Strubelt, Urban Governance – Zur Einführung, in: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Fn. 4), S. I (II). Allgemein zum „Schatten der Hierarchie“ Fritz W. Scharpf (Fn. 14); Tanja A. Börzel, „Der Schatten der Hierarchie“ – Ein Governance Paradox, in: Schuppert/Zürn (Hrsg.), Governance in einer sich wandelnden Welt, 2008, S. 118 – 131.
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Bebauungsplans erfolgt durch die Gemeinde. Die Bürger können sich zwar frühzeitig zu den Planungszielen und -zwecken sowie später dem Entwurf des Bebauungsplans äußern (§ 3 BauGB). Jedoch werden das Verfahren der Planaufstellung und die Festlegung des Inhalts des Bebauungsplans allein durch die Gemeinde bestimmt. In gewissem Umfang eine Abweichung enthält § 12 BauGB für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan. Er wird zwar auch durch die Gemeinde beschlossen, jedoch auf der Grundlage eines sog. Vorhaben- und Erschließungsplans zur Durchführung des Bauvorhabens, den der private Vorhabenträger vorgelegt und mit der Gemeinde abgestimmt hat. Allerdings liegt hierin lediglich eine Privilegierung von Vorhabenträgern zum Zwecke der vereinfachten Realisierung von baulichen Investitionen 24 und kein Anknüpfungspunkt einer Urban Governance. 2. Besonderes Städtebaurecht Neben der allgemeinen Steuerung der planerischen Entwicklung durch Flächennutzungs- und Bebauungspläne kennt das deutsche Baurecht eine Reihe besonderer Instrumente, mit denen auf Veränderungen der Beschaffenheit der Baugebiete oder der Anforderungen an diese Beschaffenheit reagiert werden kann. a) Städtebauliche Sanierung Mit Hilfe städtebaulicher Sanierungsmaßnahmen 25 kann zunächst die Beseitigung aufgrund demografischer Änderungen leerstehender Gebäude erfolgen.26 Da eine Sanierung aber gleichzeitig erfordert, dass hierdurch frei werdende Flächen positiv einer neuen Nutzung zugeführt werden 27, lässt sie sich zur Entwicklung 24 Vgl. Michael Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), BauGB, Loseblattsammlung, Stand: 118. Ergänzungslieferung (08/2015), § 12 BauGB Rn. 2; Olaf Bischopink/Martin M. Arnold, Planung multifunktionaler Vorhaben durch vorhabenbezogene Bebauungspläne unter Berücksichtigung des § 12 IIIa BauGB, NVwZ 2007, S. 991. 25 Auch städtebauliche Sanierungsmaßnahmen nach den §§ 136 ff. BauGB können zur Bewältigung der Folgen des demografischen Wandels eingesetzt werden. Hierbei handelt es sich ebenfalls um städtebauliche Gesamtmaßnahmen (Michael Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Fn. 24), Vorbemerkung § 136 – § 164 b BauGB Rn. 24), die im Falle von durch Bevölkerungsschrumpfung eintretenden funktionalen städtebaulichen Mängeln im Sinne von § 136 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BauGB ergriffen werden können (vgl. Michael Krautzberger, ebd., § 136 BauGB Rn. 90). Dementsprechend statuiert § 136 Abs. 4 S. 2 Nr. 3 BauGB als eines der Ziele städtebaulicher Sanierungsmaßnahmen, dass die Siedlungsstruktur der Bevölkerungsentwicklung entspricht. 26 Andrea Edenharter, Der demografische Wandel als Herausforderung für das Raumordnungsrecht und das Baurecht, S. 414; Michael Krautzberger, in: Erns/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Fn. 24), § 136 Rn. 63. 27 Andrea Edenharter (Fn. 26), S. 414; Michael Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Fn. 24), § 136 BauGB Rn. 73.
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von Konzepten des Zusammenlebens von der demografischen Entwicklung unterschiedlich betroffener Bevölkerungsgruppen in einer Siedlungsstruktur nutzen.28 Das Sanierungsrecht bietet allerdings keine Grundlage für eine proaktive Stadtgestaltung zur Anpassung an Trends des demografischen Wandels, sondern setzt voraus, dass städtebauliche Missstände bereits eingetreten sind.29 Dementsprechend bleibt auch die Beteiligung nach § 137 BauGB an eine konkrete Sanierung gebunden und ist für die Institutionalisierung eines dauerhaften Diskurses mit und zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen über städtebauliche Veränderungen, die durch den demografischen Wandel hervorgerufen werden, nicht fruchtbar zu machen. Nach § 137 BauGB soll die Sanierung mit den Eigentümern, Mietern, Pächtern und sonstigen Betroffenen nicht nur möglichst frühzeitig erörtert werden, sondern die Betroffenen sollen darüber hinaus zur Mitwirkung bei der Sanierung angeregt werden. Unabhängig von der gem. § 157 Abs. 1 S. 1BauGB bestehenden Möglichkeit der Gemeinde, sich bei der Erfüllung dieser Aufgabe eines Beauftragten zu bedienen, ist Adressat der Pflicht zur Initiierung und Organisation des Beteiligungsprozesses sowie der Aktivierung der Betroffenen die Gemeinde30. Der Begriff der Betroffenen ist weit zu verstehen und umfasst zwar nicht die allgemeine Öffentlichkeit, jedoch alle diejenigen Personen, die von der Sanierung in ihren persönlichen Lebensumständen betroffen sein können.31 Soweit durch die Sanierung städtebaulich auf durch die Bevölkerungsentwicklung eingetretene Veränderungen reagiert wird, werden dies in der Regel alle Bewohner des Sanierungsgebiets und ggf. auch Bewohner angrenzender Übergangsbereiche zu anderen Gebieten32 sein. In personeller Hinsicht lässt sich also die Beteiligung nach § 137 BauGB zu einem Dialog mit verschiedenen Bevölkerungsgruppen über die mit der Sanierung angestrebte Reaktion auf demografische Entwicklungen nutzen. Eine inhaltliche Begrenzung dieses Dialogs, beispielsweise auf städtebauliche Fragen im engeren Sinne, gibt § 137 BauGB nicht vor. Vielmehr kann sich die Erörterung auf alle von der Sanierung und ihrer Durchführung berührten Lebensumstände der Betroffe28 Darüber hinaus kann im Zuge einer Sanierung nicht nur ein Rückbau, sondern bei steigender Bevölkerungszahl auch eine Nachverdichtung vorgenommen werden, Stephan Mitschang, in: Battis/Krautzberger/Löhr (Hrsg.), BauGB, 12. Aufl. 2014, § 136 BauGB Rn. 32. 29 Stephan Mitschang, in: Battis/Krautzberger/Löhr (Fn. 28), § 136 BauGB Rn. 25. 30 Michael Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Fn. 24), § 137 BauGB Rn. 38 ff., 63; Holger Schmitz, in: Spannowsky/Uechtritz (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar BauGB, Online-Kommentar, Stand: 31. Edition (01.10.2015), § 136 BauGB Rn. 12. 31 Michael Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Fn. 24), § 137 BauGB Rn. 42, 44; Horst Köhler/Hans-Georg Fieseler, in: Schrödter (Hrsg.), Baugesetzbuch, 8. Aufl. 2015, § 137 BauGB Rn. 9. 32 Zur Erfassung dieser Gruppe durch den Betroffenenbegriff des § 137 BauGB Michael Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Fn. 8), § 137 BauGB Rn. 45.
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nen erstrecken.33 Zwar soll die Beteiligung ausweislich des § 137 S. 1 BauGB möglichst frühzeitig beginnen. Sie bleibt jedoch an eine konkrete Sanierung gebunden, setzt mithin eine – noch nicht abgeschlossene – Meinungsbildung der Gemeinde zur Frage des Vorliegens der Sanierungsvoraussetzungen voraus34. Eine langfristige angelegte Urban Governace in teil-heterarchischen Netzwerkstrukturen lässt sich im Rahmen des Sanierungsrechts schwer verwirklichen. b) Stadtumbau Der Stadtumbau nach den §§ 171a ff. BauGB35 ist in besonderem Maße der Bewältigung der Folgen des demografischen Wandels verpflichtet, dient er doch – neben der Sicherstellung der allgemeinen Anforderungen an Klimaschutz und Klimaanpassung – primär dazu, auf ein dauerhaftes Überangebot an baulichen Anlagen (insbesondere für Wohnzwecke), das durch städtebauliche Funktionsverluste eingetreten ist, durch Anpassungen zu reagieren (§ 171a Abs. 2 BauGB). Wie die Aufzählung der einzubeziehenden Aspekte in § 171a Abs. 3 S. 2 BauGB zeigt, beschränken sich Stadtumbaumaßnahmen nicht auf einen bloßen Rückbau36. Zur Anpassung an die Erfordernisse der Entwicklung der Bevölkerung (§ 171a Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BauGB) oder der Zuführung nicht mehr bedarfsgerechter baulicher Anlagen zu einer neuen Nutzung (§ 171a Abs. 3 S. 2 Nr. 4 BauGB) kann auch eine städtebauliche Neuordnung zur Verbesserung des Zusammenlebens verschiedener Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlichen Bedürfnissen zählen.37 Das Verfahren des Stadtumbaus ist in nicht unbeträchtlichem Maße auf Kommunikation und Kooperation angelegt. So erfolgt die Festlegung des Stadtumbaugebiets und die Aufstellung des städtebaulichen Entwicklungskonzepts durch die Gemeinde (§ 171b Abs. 1 und 2 BauGB) auf der Grundlage der aus dem Sanierungsrecht bekannten Beteiligung und Mitwirkung der Betroffenen nach § 137 BauGB (§ 171b Abs. 3 BauGB). Die Umsetzung des Entwicklungskonzepts soll auf der Grundlage von städtebaulichen Verträgen erfolgen (§ 171c BauGB). Ver33 Michael Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Fn. 24), § 137 BauGB Rn. 49; Sabine Steger/Alexander Wilken in: Rixner/Biedermann/Steger (Hrsg.), Systematischer Praxiskommentar BauGB/BauNVO, 2. Aufl. 2014, § 137 BauGB Rn. 6. 34 Michael Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Fn. 24), § 137 BauGB Rn. 47. 35 Vgl. zum Stadtumbau Andrea Edenharter (Fn. 26), S. 437 ff.; Jürgen Goldschmidt, Stadtumbau und Soziale Stadt, DVBl 2005, S. 81 – 90; Michael Krautzberger, Klimaschutz als Aufgabe der Stadterneuerung und des Stadtumbaus, DVBl 2012, S. 69 (71 ff.); Stephan Mitschang/Katrin Roeper Stadtumbau auf Gewerbe- und Industriearealen – Gibt es Typologien?, ZfBR 2011, S. 10 – 24. Wesentliches Merkmal des Stadtumbauprozesses ist die Eigenschaft als städtebauliche Gesamtmaßnahme (Olaf Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr (Fn. 28) § 171a BauGB Rn. 1). 36 Olaf Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr (Fn. 28) § 171a BauGB Rn. 10 37 Für ein weites Verständnis etwa Michael Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Fn. 24), § 171a BauGB Rn. 32a, 36.
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tragspartner sind in erster Line die Eigentümer, wobei Verträge aber auch mit Mietern, Pächtern und anderen geschlossen werden können.38 Derartige Verträge können auch multipolarer Natur sein, also zwischen Privaten unter Beteiligung der Gemeinde geschlossen werden, soweit die Umsetzung des städtebaulichen Entwicklungskonzepts in Rede steht. 39 Hingegen ist ein Stadtumbauvertrag zum Ausgleich von Lasten, worunter etwa die zumindest teilweise Kompensation von Belastungen, die ein rückbauender Eigentümer erleidet, durch die Vorteile, die ein anderer Eigentümer aus der besseren Vermietbarkeit seiner Objekte zieht, zu verstehen ist40, gemäß § 171c S. 2 Nr. 3 BauGB nur zwischen beteiligten Eigentümern möglich. Zur Realisierung einer demografieinduzierten Urban Governance ist ein lastenausgleichender Stadtumbauvertrag daher de lege lata nur beschränkt geeignet41. Das integrative Kooperationskonzept, das mit der Mitwirkung aller Betroffenen – nicht allein der Eigentümer – bei der Vorbereitung des städtebaulichen Entwicklungskonzepts beginnt und sich in dessen Durchführung fortsetzt (§ 171b Abs. 3 iVm § 137 BauGB), einschließlich der Möglichkeit der Verdichtung dieses dialogischen Prozesses in einem multipolaren Stadtumbauvertrag, ausgerechnet nicht auf der Stufe des Lastenausgleichs fortzusetzen, ist wenig einsichtig. Vielmehr entspricht es gerade dem Nachhaltigkeitsziel des Stadtumbaus (§ 171a Abs. 2 BauGB), einen langfristig belastbaren Ausgleich zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu ermöglichen. Der Gedanke eines solchen umfassenden Ausgleichs zur Finanzierung von städtebaulichen Maßnahmen ist nicht neu und lag bereits der Sanierungsgemeinschaft nach dem früheren § 14 StBauFG zugrunde42. c) Soziale Stadt Das Ergreifen von Maßnahmen der Sozialen Stadt enthält ein Instrument, um auf Segregationsprozesse gestaltend einwirken zu können.43 Auch § 171e BauGB ermöglicht allerdings keine proaktive Förderung einer pluralen Bevölkerungsstruktur im gesamten Stadtgebiet im Sinne eines urbanen Diversity Manage-
38 Für ein weites Verständnis etwa Michael Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Fn. 24), § 171c BauGB Rn. 4; Olaf Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr (Fn. 28) § 171c BauGB Rn. 2. 39 Vgl. etwa Michael Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Fn. 24), § 171c BauGB Rn. 9. 40 Siehe Michael Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Fn. 24), § 171c BauGB Rn. 13; Verena Bärenbrinker (Fn. 22), S. 470 f. 41 Optimistischer wohl Jens Kersten, Demographie als Verwaltungsaufgabe, Die Verwaltung 40 (2007), S. 309 (329 f). 42 Vgl. Michael Krautzberger, Stadterneuerung und Stadtentwicklung durch Private?, DVBl. 2008, S. 337 (339). 43 Zur Sozialen Stadt etwa Rafael Stegen, Die Soziale Stadt – Quartiersentwicklung zwischen Städtebauförderung, integrierter Stadtpolitik und Bewohnerinteressen, 2006.
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ments.44 Maßnahmen der Sozialen Stadt zur Gestaltung der Folgen des demografischen Wandels sind vielmehr erst dann möglich, wenn eine wirtschaftliche und soziale Situation, die eine Benachteiligung begründet, eine demografisch erfassbare Gruppe betrifft (vgl. § 171e Abs. 2 BauGB). Liegen diese Voraussetzungen vor, so sind die zur Aufwertung ergriffenen Maßnahmen gesamthaft und prozesshaft angelegt. Dies drückt sich zum einen in der Einbeziehung investiver wie nicht-investiver Maßnahmen aus (§ 171e Abs. 2 S. 3 BauGB). Zum anderen hat das zu erstellende Entwicklungskonzept neben städtebaulichen auch alle anderen in dem betreffenden Gebiet geplanten Maßnahmen zu integrieren und muss laufend an die begonnene Quartierentwicklung angepasst werden45. Dieser Prozess der Konzeptentwicklung und -anpassung ist dialogisch angelegt. Entsprechend der in § 137 BauGB getroffenen Regelung sind bei Erstellung und Durchführung des Entwicklungskonzepts die Betroffenen einzubeziehen (§ 171e Abs. 4 und 5 BauGB). Das mit Maßnahmen der Sozialen Stadt verbundene Beteiligungsmodell ist allerdings weitergehend als die Beteiligung im Sanierungsrecht zentral auf dauerhafte Aktivierung der in der Bewohnerschaft vorhandenen Potenziale zur Entwicklung des Stadtteils sowie auf die Stabilisierung in selbsttragenden Formen der Organisation der Bewohner gerichtet46. Die zur Koordinierung der verschiedenen Akteure erforderliche Governance kann durch eine hierfür vorgesehene Koordinierungsstelle (§ 171e Abs. 5 S. 3 BauGB) geleistet werden. Diese Strukturen sind zwar in ihrer Entstehung an das beschriebene Vorliegen sozialer Missstände geknüpft, nach Etablierung jedoch auch dann noch für die Aufnahme eines koordinierten Diskurses der unterschiedlichen Bewohnergruppen des Stadtteils über die Koordination der unterschiedlichen Bedürfnisse aufnahmefähig, wenn der besondere Entwicklungsbedarf des betreffenden Gebiets bereits abgearbeitet worden ist.
IV. Perspektiven de lege ferenda Wie dargestellt handelt es sich erstens bei einer teil-heterarchischen Urban Governance um gerichtete Netzwerke mit einer instrumentellen Funktion und liegt zweitens die Netzwerkgovernance bei der Gemeinde. Dies weist darauf hin, dass eine Urban Governance in partizipativen Netzwerken nicht vollständig selbstregulativen Mechanismen überlassen werden kann, sondern zumindest nach deutschem Regulierungsverständnis dem Modell der regulierten Selbstregulierung verpflichtet ist. 44 Vgl. aber Jens Kersten (Fn. 36), S. 309 (331 f.): „Formulierung des neuen urbanen Gesellschaftsvertrags“. 45 Michael Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Fn. 24), § 171e BauGB Rn. 42 f.; Hilmar Ferner, in: Ferner/Kröninger/Aschke (Hrsg.), Baugesetzbuch mit Baunutzungsverordnung, 3. Aufl. 2013, § 171e BauGB, Rn. 11. 46 Michael Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Fn. 24), § 171e BauGB Rn. 46; Verena Bärenbrinker (Fn. 22), S. 337 ff.
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Derzeit ermöglicht das deutsche Bau- und Stadtplanungsrecht eine Urban Governance in partizipativen Netzwerken nur in sehr eingeschränktem Maße. Will man eine Weiterentwicklung in Betracht ziehen, so dürfte das dem Ansatz der Sozialen Stadt zugrunde liegende Konzept am ehesten geeignet sein. Dabei wird man beachten müssen, dass partizipative Planungsnetzwerke nach allen Ergebnissen der Partizipationsforschung nur dann Chancen auf Realisierung haben werden, wenn sie möglichst konkret an den Lebenswelten der Bürger ansetzen. Dies bedeutet eine stadtteilbezogene Formierung von Planungsnetzwerken bottom-up. Im Gegensatz dazu ist die Bauleitplanung als räumliche Gesamtplanung strukturell top-down angelegt. Konzeptionell wird es daher einer Anwendung des Gegenstromprinzips zwischen den Netzwerkstrukturen vor Ort und der Gesamtplanung durch die Gemeinde bedürfen. Soweit im bundesrechtlichen Rahmen des § 171 f BauGB landesrechtlich private Initiativen zur Stadtentwicklung vorgesehen sind, müssen diese sich innerhalb der städtebaulichen Ziele der Gemeinde bewegen, ohne auf diese rückwirken zu können. Von zentraler Bedeutung ist dabei, dass der Gemeinde eine aktivierende Funktion für die Netzwerkbildung zugemessen wird, wofür die Koordinierungsstelle bei Maßnahmen der Sozialen Stadt als Vorbild genommen wird. Urban Governance ist eben mehr als eine privative Initiative formierungs- und artikulationsfähiger Interessenträger, wie sie § 171 f BauGB als Vorstellung zugrunde liegt. Allerdings sind die Grenzen der rechtlichen Steuerbarkeit von Netzwerkbeziehungen schnell erreicht. Überregulierung führt schnell zu Disfunktionalitäten der Netzwerklogik.47
47 In diesem Zusammenhang etwa Christian Diller, „Governance by Government“ – Welchen Einfluss haben unterschiedliche staatliche Anreizmodi auf die Ergebnisse von Regional Governance?, in: Kleinfeld/Plamper/Huber (Hrsg.), Regional Governance, Bd. 2, 2006, S. 273 – 288.
Urban Governance: Gestaltung des städtischen Raums in partizipativen Netzwerken Gestaltung des städtischen Raums in partizipativen Netzwerken
Von Byoung-Hyo Moon Byoung-Hyo Moon
I. Einleitung Die Siedlungsform der Stadt hat für die Menschheit eine besondere Bedeutung. Jede Stadt hat ihre eigene Geschichte und urbane Räume sind eine Reflexion gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Phänomene. Infolge rascher Urbanisierungsprozesse wurden Teile der Bürger von der Zen tralität einer Stadt ausgeschlossen und an den Rand der Stadt gedrängt. Dafür sehr symbolisch ist die „Yongsan Tragödie“, die im Jahr 2008 in Seoul zum Tode von fünf Mietern und einem Polizisten führte. Urban Governance als Gestaltung des städtischen Raums mithilfe partizipativer Netzwerke eröffnet Möglichkeiten für neue Denkweisen, um auf die Entwicklung urbanisierter Räume zu reagieren zu können bzw. diese lenken zu können. Denn die Bedeutung der in der Vergangenheit vorherrschenden einseitigen Stadt entwicklung nimmt ab und ändert sich in eine Richtung, in welcher die Bürger mehr Möglichkeiten zur Teilnahme an der Stadtentwicklung erhalten können. Die Gestaltung des städtischen Raums in partizipativen Netzwerken hat jedoch nicht immer nur positive Seiten. Es kann durchaus auch negative Aspekte geben. Alternative Strategien können dazu beitragen, diese negativen Aspekte zu vermeiden oder auszugleichen. Dieser Beitrag befasst sich mit Urban Governance, ihren Grenzen sowie alternativen Strategien.
II. Urban Governance: Gestaltung des städtischen Raums in partizipativen Netzwerken 1. Zum Begriff „Urban Governance“ Das Wort Governance wird häufig in einem nicht klar definierten Sinne verwendet. Man unterscheidet zwischen einem eng und einem weit gefassten Govern ance-Begriff. Der eng gefasste Begriff wird in der neueren Wissenschaft als Alternative zu Government (Regierung) verwendet. Er betont das Zusammenwirken von staatlicher und privater Seite, während der weit gefasste Governance-Begriff
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jegliche Art politischer Regelung mit dem Ziel des „Managements von Interdependenzen“ umfasst.1 Er verfügt über ein breites Spektrum: von einseitiger staatlicher Lenkung über kooperative Formen der Verhandlung bis hin zur gesellschaftlichen Selbststeuerung. Ferner werden alle möglichen Regelsysteme, welche die Entscheidungsorganisation festlegen, als Governance-Mechanismen bezeichnet. Im Zusammenhang mit dem Europäischen Integrationsprozess wurden weitere Lenkungsstrukturen entwickelt, die in der Forschung auch unter „New Governance“ geführt werden. Unter Urban Governance verbirgt sich ein breites Spektrum möglicher Strukturen. Klassischerweise beziehen sich die Lenkungsstrukturformen auf Hierarchie, Gemeinschaften, Markt und Netzwerk. Sie können in unterschiedlichen Formen auftreten und kombiniert werden. Insbesondere auf lokaler Ebene werden so Formen öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Kooperation gefördert.2 2. Die Umstellung auf Urban Entrepreneurialism in Urban Governance (sowie dessen Grenzen, Vor- und Nachteile) Wie gesehen, umfasst Urban Governance ein breites Spektrum von Strukturen. In der Praxis erscheint diese oft in erster Linie in Form von Urban Entrepreneurialism. Urban Entrepreneurialism etablierte sich als Version der Urban Governance in der Zeit des Spätkapitalismus3, insbesondere in den Vereinigten Staaten und Westeuropa. Lokale und Stadtregierungen verwandeln sich in marktfreundliche Agenten, deren Hauptziel es ist, Allianzen mit einer größeren Zahl von Investoren für die Förderung der lokalen wirtschaftlichen Entwicklung zu bilden. Der Schwerpunkt der städtischen Agenda verlagert sich von der Sozialpolitik weg hin zur Wirtschaftsplanung. Als Ergebnis verändert sich die Aufgabe der Stadtregierungen und beinhaltet neben der Gewährung von Sozialleistungen auch die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung. Verschiedene Formate von Zusammenarbeit in Gestalt von öffentlich-privaten Partnerschaften (PPP) und unter Beteiligung von Stadtregierungen entwickeln sich zu beliebten Möglichkeiten zur Förderung der lokalen Wirtschaft. Beispiele hierfür sind etwa Stadtmarketing, Landnutzung Design, Image-Making, Businessfriendliness und Wettbewerb mit anderen Ortschaften.4 1 Arthur Benz/Nicolai Dose, 2010: Einleitung: Governance – Modebegriff oder nützliches sozialwissenschaftliches Konzept, in: dies. (Hrsg.): Governance – Regieren in komplexen Regelsystemen, 2. Aufl. 2010, S. 21. 2 Cheol-Joo Cho/Myungjun Jang, A Study on Collaborative Governance Model for Conflict Resolutions, Stadtverwaltung, Vol. 24.2 (2011.6), S. 23 ff. 3 David Harvey, From Managerialism to Entrepreneurialism: The Transformation in Urban Governance in Late Capitalism, Geografiska Annaler. Series B, Human Geography, Vol. 71, No. 1, The Roots of Geographical Change: 1973 to the Present. (1989), S. 3 – 17. 4 Vgl. Shiuh-Shen Chien/Fulong Wu, The Transformation of Chinaps Urban Entrepreneurialism: The Case Study of the City of Kunshan, East Asian History and Culture Review (http://cross-currents.berkeley.edu), E-Journal No. 1 (December 2011), S. 3 f.
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Urban Entrepreneurialism könnte zur Gestaltung der Stadt durch Governance beitragen, etwa durch Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit oder Verbesserung des städtischen Erscheinungsbildes. Allerdings ist der Erfolg nicht garantiert. Nicht nur Leistungsverbesserungen, auch Nebenwirkungen können auftreten. Bei Urban Entrepreneurialism steht eher das Interesse an der Erzielung von Unternehmensgewinnen denn die Mehrung von Wohlfahrt und Dienstleistung für die Gemeinschaft im Vordergrund. Urban Entrepreneurialism betont mehr Effizienz als Fairness, mehr die Schaffung von Reichtum als die Verteilung von Reichtum. Er kann sogar, basierend auf Bürgerbeteiligung, zur Machtkonzentration führen. Denkbare Folgen sind u. a. eine Vertiefung der regionalen Ungleichheit zwischen der Stadt und dem Umland bzw. anderen Städten bzw. innerhalb der Stadt und Instabilität des Stadtraumes.5 Urban Enterpreneurialism ignoriert die normative Projektplanung, um sich isoliert auf ein bestimmtes Regelungsvorhaben zu konzentrieren. Eine Prüfung der Umweltverträglichkeit und eine haushaltspolitische Kontrolle sind weniger intensiv. Auf der Grundlage dieser Erkenntnis sollte man daher nach Alternativen suchen. 3. Business Improvement Districts (BIDs) als Urban Governance Modell Die Idee der Business Improvement Districts (BIDs) stammt aus Nordamerika. BIDs wurden in nordamerikanischen Innenstädten als Reaktion auf die wachsende Konkurrenz durch Einkaufszentren entwickelt. Der erste BID wurde 1970 in Toronto (Kanada) eingerichtet. Bloor West Village in Toronto gilt heute als eine der BID-Erfolgsgeschichten. In den Vereinigten Staaten wurde der erste BID im Jahr 1974, der Downtown Development District, in New Orleans eingerichtet. Weitere BIDs folgten. Beispielsweise erließt der US Bundesstatt New-State 1981/1982 Regelungen über die Einrichtung von BIDs. BIDs gehen von einem neuen Ansatz der eigentümerfinanzierten Quartiersentwicklung aus. In den räumlich klar umrissenen Bereichen der BIDs versuchen die Grundeigentümer und Gewerbetreibenden zum eigenen Vorteil, die Standortqualität zu verbessern. Die Verbesserungsmaßnahmen werden aus dem Aufkommen einer selbst auferlegten und zeitlich befristet erhobenen Abgabe finanziert. Zentrales Prinzip von BIDs ist das eigenverantwortliche Handeln der Akteure vor Ort. Die Initiative zur Gründung von BIDs geht zumeist von Grundeigentümern oder Gewerbetreibenden eines Quartiers aus. Sie verständigen sich auf ein Maßnahmen- und Finanzierungskonzept für einen räumlich abgegrenzten, meist innerstädtischen Bereich und auf einen Aufgabenträger, der das Konzept während einer mehrjährigen BID-Laufzeit umsetzt.
5 Vgl.
Byoung-Du Choi, City of Capital, Hanul Akademie, 2012, S. 107 ff.
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Typische Handlungsfelder sind Maßnahmen zur Umfeldverbesserung, z. B. die Neugestaltung und Pflege des öffentlichen Raums. In vielen BIDs werden außerdem ergänzende Marketingmaßnahmen umgesetzt. Ein BID ist ein typisches Beispiel einer öffentlich-privaten Partnerschaft (PPP), in der öffentliche Rechtssetzungsbefugnis und private Initiative zusammen wirken. Durch die gesetzlich legitimierte Ausweitung der Verantwortung für die Quartiersentwicklung von kommunalen auf private Akteure können BIDs als paradigmatisch für neue Instrumente der Urban Governance angesehen werden, die unter dem Leitbild einer unternehmerischen Stadtpolitik derzeit weltweit an Bedeutung gewinnen. Aufgrund ihres Erfolgs in Nordamerika gelten sie auch in anderen Ländern, insbesondere in Deutschland als zukunftsträchtiges Stadtentwicklungskonzept.6 Inzwischen haben die Bundesländer Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Schleswig-Holstein7 die erforderlichen landesgesetzlichen Grundlagen geschaffen, um den Kommunen die Möglichkeit zu geben, das BID-Modell umzusetzen. Bereits wird eine Ausweitung des Ansatzes der Improvement Districts über die Geschäftsbezirke hinaus, insbesondere auf Wohnund Mischgebiete, propagiert (z.B. Housing Improvement Districts (HIDs)).8 Auch in Korea sind BIDs bzw. diesen ähnliche Gestaltungen zu finden. Z. B. wurden im Jahr 2006 mit dem Ziel, gewerblich genutzte Fläche zu revitalisieren, Zonen zur Förderung der traditionellen Märkte und Einkaufsviertel eingeführt.9 6 Die BauGB-Novelle 2007 führte § 171f BauGB ein. Nach Maßgabe des Landesrechts können Gebiete festgelegt werden, in denen in privater Verantwortung standortbezogene Maßnahmen durchgeführt werden, Hamburg hat im Herbst 2007 als erstes Bundesland auf Grundlage des § 171f BauGB einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt und das „Gesetz zur Stärkung von Wohnquartieren durch private Initiativen“ (GSW) vom 20. November 2007, das zum 1. Dezember 2007 in Kraft getreten ist. 7 Berlin: Berliner Gesetz zur Einführung von Immobilien- und Standortgemeinschaften (Berliner Immobilien- und Standortgemeinschaftsgesetz – BIG vom 6. November 2014; Bremen: Bremisches Gesetz zur Stärkung von Einzelhandels- und Dienstleistungszentren vom 18. Juli 2006; Hamburg: Gesetz zur Stärkung der Einzelhandels-, Dienstleistungs-und Gewerbezentren (GSED) vom 28. Dezember 2004 und Gesetz zur Stärkung von Wohnquartieren durch private Initiativen (GSW) vom 20. November 2007; Hessen: Gesetz zur Stärkung innerstädtischer Geschäftsquartiere (INGE) vom 21. Dezember 2005; Nordrhein-Westfalen: Gesetz über Immobilien- und Standortgemeinschaften (ISGG NRW) vom 10. Juni 2008; Saarland: Gesetz Nr. 1630 zur Schaffung von Bündnissen für Investition und Dienstleistung vom 26. September 2007; Sachsen: Sächsisches BID-Gesetz vom 12. Juli 2012; Schleswig-Holstein: Gesetz über die Einrichtung von Partnerschaften zur Attraktivierung von City-, Dienstleistungs- und Tourismusbereichen (PACT-Gesetz) vom 13. Juli 2006. 8 Die Modelle von BID und HID werden zusammenfassend als Urban Improvement Districts (UID) bezeichnet. Vgl. Stefan Kreutz/Thomas Krüger, Urban Improvement Districts: Neue Modelle eigentümerfinanzierter Quartiersentwicklung, in: Uwe Altrock/Roland Kunze/Elke Pahl-Weber/Ursula von Petz/Dirk Schubert (Hrsg.), Jahrbuch Stadterneuerung 2008, Berlin 2008, S. 253 ff.
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III. Alternative Strategie für Urban Governance
1. Urban Governance und Bedeutung der partizipativen Netzwerke Urban Governance hat verschiedene Formen, Arten und Niveaus. Aber in Wirklichkeit erscheint sie, wie bereits dargestellt, oftmals als Urban Entrepreneurialism, der seine Ursprünge im Neoliberalismus haben soll.10 Hier handelt es sich um partizipative Netzwerke. Bedeutsam ist hier vor allem, in welchem Maße und auf welche Art Möglichkeiten zur Teilnahme an der Gestaltung des städtischen Raums bestehen. BIDs können als eine funktionierende Form von Urban Governance betrachtet werden. Zum Beispiel könnten die gewerblich genutzten und revitalisierten Zonen für die Förderung der traditionellen Märkte und Einkaufsviertel in Korea nützlich sein. Aber BIDs zielen in erster Linie auf den Gewinn der dahinter stehenden Akteure. Hier sollte das öffentliche Interesse als zusätzliches Ziel hinzukommen. Gleichwohl kann Urban Entrepreneurialism bei der Stadtentwicklung von Nutzen sein. Er bringt jedoch auch verschiedene Probleme mit sich wie ein einseitig ausgerichtetes Streben nach Gewinn, Machtkonzentration, Vertiefung der regionalen Ungleichheit, Instabilität und Bevorzugung des Stadtraumes bzw. von Teilen des Stadtraumes. Vor allem setzt Urban Entrepreneurialism auf eine unternehmerische Stadtregierung und führt zu engen Verbindungen zwischen Politik und Wirtschaft. An der Stadtentwicklung beteiligen sich nur eine Handvoll Geschäftsleute und eine große Anzahl von Bürgern wird davon ausgeschlossen und möglicherweise an die Seite gedrängt. Als Ergebnis können Bürgerinnen und Bürger ‚die Stadt‘ nicht mehr genießen. Gestaltung des städtischen Raums in partizipativen Netzwerken sollte durch die Beteiligung der Öffentlichkeit durchgeführt werden. In diesem Sinne könnte deliberative Demokratie eine Alternative sein. In einigen Fällen kann die Bürgerbeteiligung natürlich Nebenwirkungen mit sich bringen. Die Öffentlichkeitsbeteiligung erhöht den Verwaltungsaufwand und kann das Planungsverfahren verlängern. Die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung kann zudem die Bodenspekulation anheizen und eine kommunale Bodenvorratspolitik erschweren. Daher waren auch in Deutschland die Funktionen der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung nach dem BauGB und ihre verfassungsrechtliche Einordnung lange umstritten.11 Die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung hat u. a. 9 Special Act on the Promotion of Traditional Marketplaces and Shopping Districts [Enforcement Date 01. Jul, 2010.] [Act No.10356, 08. Jun, 2010., Partial Amendment] = Sondergesetz über die Förderung der traditionellen Märkte und Einkaufsviertel. Vgl. Byoung-In Im, Zur Einführung der BIDs und der BIDs-Abgabe, National Assembly Bud-get Office, 2012. 2. 10 Byoung-Du Choi, City of Capital, Seoul, 2012; David Harvey, The Right to the City, new left review, 53 sept oct 2008, S. 23 ff. 11 Ulrich Battis, Partizipation im Städtebaurecht, 1976, S. 60; Reinhard Hendler, Die bürgerschaftliche Mitbestimmung an der städtebaulichen Planung, 1977; Willi Blümel, in:
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Informationsfunktion, demokratische Funktion und Rechtsschutzfunktion.12 Die Öffentlichkeitsbeteiligung ist eine Form der partizipativen Demokratie. Die im Oktober 2011 auf einer Open-Space-Konferenz vorgestellten drei Kern elemente13 und sieben verbindlichen Grundsätze für eine „strukturierte Bürgerbeteiligung“ in Potsdam haben insoweit eine gewisse Bedeutung. Die sieben verbindlichen Grundsätze für Bürgerbeteiligung, an denen sich Politik, Verwaltung und Einwohnerschaft gemeinsam orientieren sollen, umfassen sieben Punkte, die für den Umgang aller Akteure mit Bürgerbeteiligung in Potsdam handlungsleitend sein sollen:14 – Verbindlichkeit der Ergebnisse und Prozesse, – frühzeitige Einbeziehung aller interessierten Akteurinnen und Akteure, – eine umfassende Informationsbereitstellung für alle Beteiligten, – eine wertschätzende, gleichberechtigte und gewaltfreie Kommunikation, – geeignete Maßnahmen zur Aktivierung aller potentiell Interessierten, – eine Anerkennungskultur, die Engagement und Einsatzbereitschaft positiv verstärkt, – Gleichbehandlung und Chancengleichheit aller Akteurinnen und Akteure, ihrer Sichtweisen und Interessen. Die Grundsätze – Verbindlichkeit, Frühzeitigkeit, Zugang zu Informationen und ein Umgang auf Augenhöhe – sind unentbehrliche Voraussetzungen für eine gelingende Bürgerbeteiligung.
ders. (Hrsg.), Frühzeitige Bürgerbeteiligung bei Planungen, 1982, S. 23 (25 ff.); dazu vgl. Ulrich Battis, in: Ulrich Battis/Michael Krautzberger/Rolf-Peter Löhr (Bgr.), Baugesetzbuch, 12. Aufl. 2014, § 3 BauGB Rn. 3. 12 Vgl. Battis, (Fn. 11), § 3 BauGB Rn. 3. In Deutschland soll die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 3 BauGB ein Mittel sein zur besseren Information der planenden Gemeinde über die Wünsche und Befürchtungen der planungsinteressierten Öffentlichkeit, insbesondere der bisher häufig nicht beteiligten Gruppen und der von ihnen vertretenen Belange, z. B. Umweltschutz – Informationsfunktion. Sie ermöglicht der Öffentlichkeit kontrollierende Einflussnahme auf den allein entscheidungsbefugten und verantwortlichen Gemeinderat und hat mithin demokratische Funktion. 13 Folgende drei Kernelemente für eine „strukturierte Bürgerbeteiligung“: – sieben verbindliche Grundsätze für Bürgerbeteiligung, an denen sich Politik, Verwaltung und Einwohnerschaft gemeinsam orientieren sollen – die Schaffung eines Beteiligungsrates, der die Bürgerbeteiligung in der Stadt kritisch begleitet – die Gründung eines Büros für Bürgerbeteiligung, das über eine zweiteilige Struktur verfügt und gleichberechtigt von der Verwaltung und einem freien Träger betrieben wird. 14 Nils Jonas/Kay-Uwe Kästen, Auf dem Weg zu einer „strukturierten Bürgerbeteiligung“ – Potsdam wagt Schritt für Schritt ein Modellprojekt, eNewsletter Netzwerk Bürgerbeteiligung 01/2014 vom 10.04.2014, S. 3.
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2. Das Recht auf Stadt (the right to the city) Als eine alternative Strategie für Urban Governance kann das Recht auf Stadt eine wichtige Rolle spielen, weil die Forderung nach einem Recht auf Stadt bedeutet, dass Bürgerinnen und Bürger sich grundsätzlich als die den Gestaltungsprozess des urbanen Raumes dominierende Macht positionieren.15 Das Recht auf Stadt geht auf den französischen Soziologen Henri Lefebvre zurück. Das Recht wurde erstmals 1968 in seinem Buch „Le droit à la ville“ beschrieben. Er konzipierte schon damals das „Recht auf Stadt“ als ein „Recht auf Nichtausschluss“ von den Qualitäten und Leistungen der urbanisierten Gesellschaft. In seinem Buch beschreibt er die kapitalistische Stadt, insbesondere ihre sozioökonomische Segregation und die damit einhergehenden Entfremdungserscheinungen. Er reagierte auf die sozialen Probleme, die durch die rasche Urbanisierung und den Massenwohnungsbau entstanden sind. Lefebvre beklagte die zahlreichen Qualitätseinbußen, die mit dem Urbanisierungsprozess einhergingen, Vor diesem Hintergrund fordert er ein „Recht auf Stadt als kollektive Wiederaneignung des städtischen Raums durch die in weit vom Zentrum entfernte Wohnghettos vertriebenen Gruppen.“16 Dieser Ansatz kann als ein Recht auf Zentralität, d. h. auf den Zugang zu den Orten des gesellschaftlichen Reichtums, der städtischen Infrastruktur und des Wissens, und das Recht auf Differenz17 zusammengefasst werden. Das Recht auf Stadt beschränkt sich nicht auf die konkrete Nutzung städtischer Räume, sondern umfasst ebenso den Zugang zu den politischen und strategischen Debatten über die künftigen Entwicklungspfade. Das Recht auf Stadt lässt sich daher nicht auf einen individuellen Rechtsanspruch im juristischen Sinne verkürzen, sondern ist gesellschaftliche Utopie und kollektive Forderung zugleich.18 Schon lange wurde die Forderung von ganz unterschiedlichen Seiten verstärkt aufgegriffen. In zahlreichen Städten formierten sich unter dem Motto „Recht auf Stadt“ soziale Protestbewegungen. In den USA ist seit 2007 die Right to the City Alliance (RTTC) aktiv. Die im Jahr 2001 geänderte brasilianische Verfassung enthält mit Art. 182 der Constituição da República Federativa do Brasil Bestimmungen, die das Recht auf Stadt gewährleistet19 bzw. die Förderung der sozialen Funktionen der Stadt als Ziel der Stadtentwicklungspolitik festlegt. Auch NGOs haben zudem Lefebvres Forderung als Antwort auf die urbanen Probleme wie die prekären Wohn-, Lebens- und Rechtsverhältnissen in ihre Arbeit David Harvey/Sang-Yeon Han (Übersetzung), Rebel Cities, Seoul 2014, S. 28. Andrej Holm, Das Recht auf die Stadt, Blätter für deutsche und internationale Politik 8/2011, S. 89 f. 17 Das Recht auf Differenz deutet die Stadt als Ort des Zusammenkommens und der Auseinandersetzung. Vgl. dazu Andrej Holm (Fn. 16), S. 90. 18 Vgl. Andrej Holm (Fn. 16), S. 90. 19 Vgl. David Harvey (Fn. 15), S. 12. 15
16 Vgl.
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integriert. So hat etwa die Habitat International Coalition (HIC) eine Welt-Charta für das Recht auf Stadt ausgearbeitet.20 Auch die UN-Organisationen UN-H ABIAT und UNESCO postulieren ihrerseits ein Recht auf Stadt.21 Das Recht auf Stadt geht über in ein Recht auf Zugang zu den Ressourcen in der Stadt. Es ist ein Recht, um die Stadt nach unseren Wünschen neu zu erfinden. Es ist kein individuelles Recht, sondern ein kollektives Recht. Denn die Schaffung der Stadt ist abhängig von der kollektiven Macht.22 Es könnte die Frage gestellt werden, ob aus juristischer Sicht ein solches Recht akzeptiert werden kann. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass alle Rechte zu Beginn keine Rechte waren. Das Recht zu definieren, soll ein Ziel des Kampfes sein – des Kampfes um die Rechte. 3. Drei bemerkenswerte Fälle a) South East False Creek Projekt in Vancouver, Canada Das South East False Creek Projekt wurde vom Stadtrat im Oktober 1999 verabschiedet. Das Projekt enthält allgemeine Planungsgrundlagen, um die Entwicklung des Gebietes am South East False Creek zu lenken. Sie enthält Leitlinien für die Schaffung einer nachhaltigen Gemeinschaft. Ökologische, soziale und wirtschaftliche Aspekte werden angesprochen. South East False Creek war in den späten 1800er und frühen 1900er Jahren ein Industriepark. Das Gebiet ist heute ein bevölkerungsreiches Wohngebiet. Die Entwicklung dieses Gebietes begann in den 1970er Jahren, einem kritischen Zeitpunkt in der Geschichte von Vancouver. Bis zu jener Zeit war False Creek das industrielle Zentrum Vancouvers. Am Ufer standen zahlreiche Sägewerke, Hafenanlagen und der Bahnhof Pacific Central. Als die Industrie in andere Gebiete wegzog, zerfiel die 20 Ana Sugranyes/Charlotte Mathivet, Proposals and Experiences towards the Right to the City, 3.16.2010. 21 Alison Brown/Annali Kristiansen, Urban Policies and the Right to the City- Rights, responsibilities and citizenship, March 2009. Das Buch enthält u. a. folgende Inhalte: unter International and Interregional Initiatives – The European Charter for the Safeguarding of Human Rights in the City – The Charter of Educating Cities – The European Charter for Equality of Women and Men in Local Life – The Aberdeen Agenda? Commonwealth Principles on Good Practice for Local Democracy and Good Governance unter National and City Initiatives – The Brazil City Statue – The Montréal Charter unter Emerging World Charters – Global Charter-Agenda for Human Rights in the City – Towards a World Charter for the Right to the City. 22 Vgl. David Harvey (Fn. 15), S. 26.
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Gegend um den False Creek langsam. In den 1970er Jahren begann ein Stadtentwicklungsprogramm. Die brachliegenden Industriegebiete am Südufer wurden in gemischte Wohn- und Geschäftszonen umgewandelt. Ein weiterer Entwicklungsschub folgte in den 1980er und 1990er Jahren. Bürger organisierten Unterstützung für ein neues Bild der Stadt. Diese Organisation bot Gelegenheit für Projekte, die oft von Team-Mitgliedern geführt wurden, um eine neue Art von postmodernem Raum zu schaffen. Das Ergebnis ist eine mitteldichte Fläche mit einer Vielzahl von architektonischen Entwürfen, Eigentumsmöglichkeiten, Freizeitaktivitäten und einer malerischen Landschaft, Fahrradwegen, Parkanlagen, einzigartigen dreistöckigen Häusern, einem öffentlichem Markt, der bewussten Erhaltung eines Blickes auf die Berge und weiteren Eigenschaften.23 Die SEFC Stewardship Gruppe (eine private, gemeinnützige Organisation) hat in diesem Projekt eine führende Rolle gespielt. Die Stewardship Group basiert auf der freiwilligen Beteiligung der Bürger. Die Gruppe besteht aus Grundbesitzern, Unternehmern, Anwohnern, Berufstätigen, Umweltorganisationen, Jugendgruppen und Amtsträgern. Diese Gruppe hat die Aufgabe, das für den Gesamtbetrieb der Gemeinschaft verantwortliche Steering Committee zu führen sowie sicherzustellen, dass die Vision der einzelnen Projekte tatsächlich umgesetzt und für eine nachhaltige Community gepflegt wird.24 b) Riverside South Projekt in New York, USA Die Riverside South Planning Corporation (RSPC) hat in diesem Projekt eine wichtige Rolle gespielt. Die Riverside South Planning Corporation ist eine private gemeinnützige Organisation, gegründet 1991, deren Aufgabe die Entwicklung des Riverside South Projekts war. Die Corporation besteht aus verschiedenen Organisationen (Municipal Art Society, Natural Resources Defense Council, Parks Council, Regional Plan Association, Riverside Park Fund, Westpride und Trump Corporation (Trump Organization)). Im Zuge des Projekts wurden mehr als 50% des geplanten Ziellandes für einen Riverside Park South eingeplant und an die Bürger zurückzugeben.25 Bei der Regional Plan Association (RPA) als Expertenorganisation ist auch die freiwillige Beteiligung der Bürger gewährleistet.26 c) 2021 Chungju Stadt Masterplan Der 2021 Chungju Stadt Masterplan im Jahr 2001 könnte für Korea ein gutes Beispiel von Urban Governance, d. h. Gestaltung des städtischen Raums in partizi23
Vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/False_Creek#South_False_Creek. Kiho Kim/Moon, Kukhyun Moon, Vitalität in der Stadt, Greenway – Learn from Cities in the world –, 2007, S. 133. 25 Kiho Kim/Kukhyun Moon (Fn. 24), S. 86. 26 Dazu Kiho Kim/Kukhyun Moon (Fn. 24), S. 87. 24
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pativen Netzwerken, sein. Es gab für Bürger Beteiligungsmöglichkeiten während der Planungsphase, und zahlreiche Stellungnahmen wurden in dem Plan reflektiert. Auch bei der die Periode bis umfassenden 2030 Chungju Grundplanung wurde im Jahr 2012 eine Beteiligung der Bürger an der Stadtplanung integriert.
IV. Die Möglichkeit für Urban Governance nach der aktuellen koreanischen Gesetzeslage 1. Gesetz über die Planung und Nutzung von Land Das Gesetz27 unterteilt die Planung von Flächen in einen Grundplan und einen Managementplan. Im Hinblick auf die Beteiligung (die partizipartiven Netzwerken) kennt es folgende Formen: öffentliche Anhörungen (Art. 14, Art. 20), Anhörungen von Gemeinderäten (Art. 15, Art. 21) und von Gemeinderäten sowie Bürgerinnen und Bürgern (Art. 28), Prüfungen durch Stadtplanungskommissionen (Art. 16 (2), (6), Art. 22 (1)), Möglichkeit der Kenntnisnahme (Art. 16 (4), (6), Art. 22 (3)), Vorschläge durch die Einwohner für die Formulierung der städtischen Managementpläne (Art. 26), Bekanntgabe (Art. 30 (6)), Veröffentlichung von Geländezeichnungen im Zusammenhang mit dem Managementplan (Art.32) und weitere mehr. Aber diese Beteiligungsformen sind meist nur eine Formalität. Aus der Sicht der Governance haben sie noch keine wirkliche Bedeutung. Unter ihnen sind gleichwohl die Vorschläge von Seiten der Einwohner für die Formulierung der städtischen Managementpläne (Art. 26) besonders bemerkenswert.28 Dies hat Bedeutung im Hinblick auf BIDs oder Governance. Trotzdem kann ein Vorschlag von Seiten der Einwohner nur innerhalb der Zuständigkeit der beteiligenden Behörde29 Bedeutung erlangen. Auch wenn es Formen für eine Kommunikation wie z. B. Anhörungen gibt, fehlt es insgesamt an den Rechtsgrundlagen, um die Substanz von Urban Governance sicherzustellen.
27 National Land Planning and Utilization Act [Enforcement Date Aug. 02, 2012] [Act No. 11292, Feb. 01, 2012, Partial Amendment]. 28 Art. 26 (1) [sentence 1] Residents (including interested parties; hereinafter the same shall apply) may propose formulation of an urban or Gun management plan pursuant to Article 24, with regard to the following matters, to any person who may formulate such plan. In such cases, a written proposal shall be accompanied by documents on urban or Gun management plans and the specification for the plan. 29 Art. 24 (1) The Mayor of a Special Metropolitan City, the Mayor of a Metropolitan City, the Mayor of a Special-governing City, the Governor of a Special Self-governing Province or the head of a Si/Gun shall formulate an urban or Gun management plan for a district under his/her jurisdiction .
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2. Städtebauliche Sanierung Hier lässt sich resümierend feststellen, dass das Verbesserungsgesetz für Städtebau und Wohnungswesen30 keine gute Governance bietet. Gleichwohl enthält es auch verschiedene Möglichkeiten der Beteiligung: Zustimmung durch die Mehrheit der Grundbesitzer bei der Gründung eines Interessenverbandes (Art. 13 (2)), Zustimmung durch die Mehrheit von drei Vierteln der Grundbesitzer bei der Gründung des Interessenverbandes (Art. 16 (1)), Hauptversammlung (Art. 24) und weitere mehr. 3. Stadtumbau Im Hinblick auf die Beteiligung (die partizipartiven Netzwerke) ist das Sondergesetz zur Förderung des Stadtumbaus31 mit den folgenden Einrichtungen ausgestattet: Informationsveranstaltung für Einwohner (Art. 4 (3)), öffentliche Anhörung nach der Möglichkeit zur Einsichtnahme über einen Zeitraum von nicht weniger als 14 Tagen und Anhörung der Stellungnahmen des Gemeinderates (Art. 9 (3)), Verfahren für die Zustimmung der Einwohner gemäß den lokalen Satzungen (Art. 9 (4)), Prinzip der Kostenteilung ( Art. 26). Aber Urban Governance als Gestaltung des städtischen Raums in partizipativer Netzwerken ist in dem Gesetz vergleichswenig wenig erkennbar. 4. Beispiele von Urban Governance Gesetze
Urban Governance
• öffentliche Anhörungen (Art. 14, Art. 20), Anhörung von Bürgerinnen und Bürgern (Art. 15, Art. 21, Art. 28)
• Prüfungen durch Stadtplanungskommissionen (Art. 16, (2), (6), Art. 22 (1))
1. Gesetz über die Planung und Nutzung von Land32
• Möglichkeit zur Kenntnisnahme (Art. 16 (4), (6), Art. 22 (3))
• Vorschlag durch die Einwohner für die Formulierung der städtischen oder Gun Managementpläne (Art. 26)
• Bekanntgabe (Art. 30 (6)) • Veröffentlichung von Geländezeichnungen im Zusammenhang mit dem Managementplan (Art. 32)
30 Act on the Maintenance and Improvement of Urban Areas and Dwelling Conditions for Residents [Enforcement Date Aug. 02, 2012.] [Act No. 11293, Feb. 01, 2012, Partial Amendment.]. 31 Special Act on the Promotion of Urban Renewal [Enforcement Date Aug. 02, 2012.] [Act No. 11294, Feb. 01, 2012, Partial Amendment]. 32 Siehe Fn. 27.
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2. Gesetz für Stadt entwicklung33
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• Anhörung von Bürgerinnen und Bürgern und Experten u. a. (Art. 7)
• Zustimmung durch die Mehrheit der Grundbesitzer für die Gründung eines Interessenverbandes (Art. 13 (2))
3. Verbesserungsgesetz für Städtebau und Wohnungswesen34
• Zustimmung durch die Mehrheit von drei Vierteln der Grundbesitzer bei der Gründung eines Interessenverbandes (Art. 16 (1)) • Hauptversammlung (Art. 24) • u. a.
• Informationsveranstaltung für Einwohner (Art. 4 (3)) • öffentliche Anhörung nach der Möglichkeit zur 4. Sondergesetz zur Förderung des Stadt umbaus35
Einsichtnahmen über einen Zeitraum von nicht weniger als 14 Tagen und Anhörung der Stellungnahmen des Gemeinderates (Art. 9 (3)) • Verfahren für die Zustimmung der Einwohner entsprechend den lokalen Satzungen (Art. 9 (4)) • Prinzip der Kostenteilung (Art. 26)
5. Sondergesetz über Unternehmenstadt entwicklung36
• Vorschlag eines privaten Unternehmens (Art. 4) • öffentliche Anhörungen (Art. 5)
6. Gesetz über die Enteignung und Entschädigung von Grundstücken für öffentliche Projekte37
• Anhörung von Betroffenen (Art. 21) • Ankündigung (Art. 22) • Abspracheverfahren (Art. 26)
7. Sondergesetz über die Förderung der traditionellen Märkte und Einkaufsviertel38
• Masterplan* für Aktivierung auf dem Markt und den wichtigsten Einkaufsvierteln (Art. 5)
• die Meinungen der Anwohner und Händler (Art.7 (2)) *eine Art von BID
V. Perspektiven und Fazit Urban Governance als Gestaltung des städtischen Raums in partizipativen Netzwerken ist ein notwendiges Mittel für eine zukünftige ‚nachhaltige Stadtentwicklung‘. In der Praxis findet sich jedoch vor allem Urban Entrepreneurialism als eine Version der Urban Governance. Urban Entrepreneurialism hat Vor- wie 33 Urban Development Act [Enforcement Date Jul. 01, 2015.] [Act No. 12989, Jan. 06, 2015, Partial Amendment]. 34 Siehe Fn. 30. 35 Siehe Fn. 31. 36 Special Act on the Development of Enterprise Cities [Enforcement Date Jun. 07, 2015] [Act No. 12975, Jan. 06, 2015, Partial Amendment]. 37 Act on Acquisition of and Compensation for Land, etc. for Public Works Projects [Enforcement Date Jan. 06, 2015.] [Act No.. 12989,, Jan. 06, 2015, Partial Amendment] 38 Siehe Fn. 9.
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Nachteile. Business Improvement Districts (BIDs) als ein Modell der Urban Governance sind in einigen Fällen nützlich. Aber bei ihnen kann es gleichfalls positive wie negative Seiten geben. Urban Governance existiert in verschiedenen Formen, Arten und Niveaus. Wichtig würde es sein, in welchem Maße und in welcher Form Bürgerinnen und Bürger an der Gestaltung des städtischen Raums teilnehmen können. Hierbei sollte man daher nach einer alternativen Strategie suchen. Als solche alternative Strategie im Zusammenhang mit Urban Governance mag das Recht auf Stadt eine wichtige Rolle spielen. Es ist kein individuelles Recht, sondern ein kollektives Recht. Bereits seit Erscheinen von Henri Lefebvre’s Buch „Le Droit à la ville“ im Jahr 1968 wurde die Forderung von ganz unterschiedlichen Seiten verstärkt aufgegriffen. Allerdings könnte aus juristischer Sicht die Frage nach der Akzeptanz eines solchen Rechtes gestellt werden. Das Konzept der Menschenrechte kann keine Einwände gegen die Legitimität des gegenwärtigen dominanten Rechtssystems und die Gesellschaft erheben, weil Grundlage vieler Menschenrechte ein Konzept von individuellem Eigentum und Besitz ist. Eine Auseinandersetzung um die Rechte würde daher notwendig sein. Wir können auf dem Weg dorthin nicht stehen bleiben. Denn die Stadt gehört ihren Bürgern.
Abstimmungsmöglichkeiten der Bürger/-innen im Kontext von Bauleitplänen und Planungsvorhaben Abstimmungsmöglichkeiten im Kontext von Bauleitplänen und Planungsvorhaben Annette Guckelberger
Von Annette Guckelberger* Annette Guckelberger
I. Einführung Im Jahr 2010 eskalierte der Streit um den Umbau eines bereits planfestgestellten Bahnhofs in Stuttgart („S 21“). Zehntausende Menschen gingen auf die Straße, um zu protestieren.1 Auch ein Schlichtungsverfahren konnte den Konflikt nicht endgültig befrieden.2 Deshalb entschied sich die Landesregierung, eine Volksabstimmung über das „Gesetz über die Ausübung von Kündigungsrechten bei den vertraglichen Vereinbarungen für das Bahnprojekt Stuttgart 21 (S 21-Kündigungsgesetz)“ durchzuführen.3 Nachdem sich im November 2011 eine Mehrheit von 58,9 % der gültigen Stimmen für die Beibehaltung der Landesfinanzierung und damit das Projekt aussprach,4 ist einigermaßen Ruhe eingekehrt und der Bahnhof wird umgebaut. Seit diesem Ereignis werden bei umstrittenen Vorhaben vermehrt Forderungen laut, die (betroffene) Bevölkerung solle über das jeweilige Vorhaben abstimmen können. Die Abstimmungsforderungen können einerseits Fachplanungsvorhaben betreffen, etwa Mitentscheidungsmöglichkeiten bei den noch zu bauenden Stromautobahnen von Nord- nach Süddeutschland. Andererseits können sich die Verlangen auch auf gebundene Entscheidungen beziehen, wie die Erteilung einer Erlaubnis oder Bewilligung nach §§ 7, 8 BBergG für ein Geothermievorhaben oder die Erteilung einer immissionsschutz- oder baurechtlichen Genehmigung für eine Windenergieanlage.5 Da die Ansiedlung von Windenergieanlagen durch * Die Verfasserin ist Inhaberin des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Universität des Saarlandes. 1 s. nur den Artikel „Stuttgart 21“, abgerufen über Wikipedia, zuletzt geprüft am 20.2.2015; zum Begriff der „Straßendemokratie“ Leisner, NVwZ 2015, 31 ff. 2 s. nur den Artikel „Der harte Kern“, Der Spiegel v. 16.12.2013, abgerufen über http:// magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/123826473, zuletzt geprüft am 4.2.2015. 3 s. nur LT BW-Drucks. 15/496. 4 statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Endgültiges Ergebnis der Volksabstimmung über das S 21-Kündigungsgesetz am 27. November 2011, Artikel-Nr. 4271 11001. 5 Auf die bau- bzw. immissionsschutzrechtliche Genehmigung besteht ein Anspruch. Nur bei Abweichungen oder Befreiungen (§ 31 BauGB) oder wenn die einschlägigen Stellen den Behörden einen Beurteilungsspielraum eröffnen, verfügt der Vorhabenträger über keine vollumfänglich determinierte Rechtsposition.
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Bauleitpläne beeinflusst werden kann, stellt sich des Weiteren die Frage, ob diese Gegenstand eines kommunalen Bürgerentscheids sein können. In der letzten Zeit wurden die Rechtsvorschriften zur Öffentlichkeitsbeteiligung bei Planungs- und Genehmigungsverfahren erweitert. Unter anderem wurde mit § 25 Abs. 3 VwVfG eine allgemeine Vorschrift über die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung eingefügt. Danach soll die Behörde darauf hinwirken, dass der Vorhabenträger „bei der Planung von Vorhaben, die nicht nur unwesentliche Auswirkungen auf die Belange einer größeren Zahl von Dritten haben können, die betroffene Öffentlichkeit frühzeitig“, möglichst bereits vor Stellung seines Antrags „über die Ziele des Vorhabens, die Mittel, es zu verwirklichen, und die voraussichtlichen Auswirkungen des Vorhabens“ informiert. Außerdem soll er der Öffentlichkeit Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung geben.6 Die Öffentlichkeitsbeteiligung bewirkt, dass (betroffene) Personen ihre Haltung zu einem bestimmten Projekt verlautbaren und gegebenenfalls mit den maßgeblichen Akteuren besprechen können.7 Die Letztentscheidungsbefugnis verbleibt aber bei den Behörden.8 Die Bürgerinnen und Bürger können nur dann selbst über das jeweilige Vorhaben entscheiden, wenn sie – wie bei gemeindlichen Bürgerentscheiden – rechtlich über die Befugnis zur abschließenden Entscheidung über eine bestimmte Angelegenheit verfügen.9 Nach einer Studie aus dem Jahr 2014 halten heute mehr als drei Viertel der Menschen in Deutschland das generelle Recht auf aktive Mitsprache und Mitdiskutieren vor den Entscheidungen ihrer gewählten Vertreter für wichtig. Zwei Drittel von ihnen sind der Ansicht, die Bürger sollten zentrale Fragen selbst entscheiden können.10 Mit Ausnahme der kommunalen Ebene sind die staatlichen Stellen bei der Einführung solcher Abstimmungsmöglichkeiten für die Bürger/-innen sehr zurückhaltend.11 Dies mag darauf zurückgehen, dass die gewählten Politiker und 6 Zu § 25 Abs. 3 VwVfG etwa Schmitz/Prell, NVwZ 2013, 745 ff.; Schwab, UPR 2014, 281 ff.; zu den Maßnahmen in Baden-Württemberg Erler/Arndt, VBlBW 2014, 81 ff.; Haug/ Schmid, VBlBW 2014, 281 ff. 7 Zur Öffentlichkeitsbeteiligung z. B. Guckelberger, VerwArch 103 (2012), 31 ff.; Wu, Öffentlichkeitsbeteiligung an umweltrechtlichen Fachplanungen, 2013; Ziekow, Gutachten D zum 69. Deutschen Juristentag – Neue Formen der Bürgerbeteiligung, 2012. 8 Erler/Arndt, VBlBW 2014, 81, 85; Schwab, UPR 2014, 281, 290. 9 Essels, Rechtliche Beurteilung der Ausnahmetatbestände und deren Umgehungsgefahr bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheid, 2013, S. 374. s. auch Schoch, NVwZ 2014, 1473, 1474, wonach auf lokaler Ebene „echte“ Initiativ- und Entscheidungsrechte bestehen. 10 Bertelsmann-Studie (Hrsg.), Vielfältige Demokratie, Kernergebnisse der Studie „Partizipation im Wandel – Unsere Demokratie zwischen Wählen, Mitmachen und Entscheiden“, 2014, S. 10; s. auch Naßmacher VR 2015, 44. 11 Eingehendere Ausführungen dazu bei Ewer NJW 2011, 1328 ff.; Groß DÖV 2011, 510 ff.; Meyer JZ 2012, 538 ff.; Ziekow, Gutachten D zum 69. Deutschen Juristentag, Neue Formen der Bürgerbeteiligung, 2012, D 111 ff.; allgemein zur direkten Demokratie als Entwicklungsperspektive Möstl VVDStRL 72 (2013), 355 ff.; Schuler-Harms VVDStRL 72 (2013), 417 ff.
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politischen Eliten noch immer stark am repräsentativen System hängen.12 Bekanntlich stoßen in Deutschland seit langem konträre verfassungs- und rechtspolitische Meinungen über eine Einführung weitergehender direktdemokratischer Abstimmungsmöglichkeiten aufeinander.13 Möglicherweise ist zu erwarten, dass die zuständigen Organe ihre Gewichtung der Pro- und Contra-Argumente im Laufe der Zeit ändern und sich daher eher zu einer Implementierung direktdemokratischer Elemente bereit zeigen.14 Im Moment wird mit großer Aufmerksamkeit nach Bayern geblickt. Dort wurden drei Gesetzentwürfe zur Einführung von Volksabstimmungen bzw. unverbindlichen Volksbefragungen über exekutives Handeln eingebracht.15 Alle sind sowohl verfassungsrechtlich als auch politisch äußerst umstritten.16 Mit derartigen Abstimmungs- oder unverbindlichen Befragungsmöglichkeiten über Verwaltungsentscheidungen auf Landesebene wird weitestgehend Neuland betreten. Nachfolgend wird vor allem auf die bestehende Rechtslage eingegangen. Zunächst wird insbesondere der verfassungsrechtliche Rahmen für derartige Abstimmungen abgesteckt. Anschließend wird ein skizzenhafter Überblick über die konkrete Rechtslage auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene zu Abstimmungen über administrative Planungs- und Genehmigungsentscheidungen sowie Bauleitpläne gegeben.
II. Verfassungsrechtlicher Rahmen 1. Ausübung der Staatsgewalt im Bundesstaat Nach Art. 20 Abs. 1 GG ist die Bundesrepublik Deutschland ein „demokratischer […] Bundesstaat“. Heute lässt sich ein Großflächenstaat dieses Zuschnitts angesichts der vielen täglich zu treffenden Entscheidungen ohne repräsentative Demokratie kaum mehr vorstellen.17 Wohlweislich hat sich der Verfassungsgeber deshalb in Art. 20 Abs. 2 GG für das Modell der repräsentativen Demokratie entschieden: Die Staatsgewalt geht vom Volk aus. Sie wird von diesem „in Wahlen […] und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt“. Die Stimmabgabe der wahlberechtigten Personen 12 Bertelsmann-Studie (Hrsg.), Vielfältige Demokratie, Kernergebnisse der Studie „Partizipation im Wandel – Unsere Demokratie zwischen Wählen, Mitmachen und Entscheiden“, 2014, S. 15, 16. 13 Durner ZUR 2011, 354, 360 f. 14 Dazu Guckelberger VerwArch 106 (2015) i.E. 15 BayLT-Drucks. 17/403; BayLT-Drucks. 17/790; BayLT-Drucks. 17/1745. 16 s. nur die Anhörung des Bayerischen Landtags, Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen, 23. Sitzung am 16.10.2014 zum Thema „Gesetzentwürfe zur Einführung von Volksabstimmungen bzw. Volksbefragungen“, LT-Drs. 17/403; 17/790; 17/1745. 17 Greszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Bd. III, 72. Erg.-Lfg. 2014, Art. 20 Rn. 65; Gröpl, Staatsrecht I, 6. Aufl. 2014, Rn. 288.
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und die Wahl des Parlaments bilden in der repräsentativen Demokratie das zentrale Scharnier zwischen dem Volk und seinen Repräsentanten.18 Gem. Art. 20 Abs. 2 S. 2 Var. 2 GG kann die Ausübung der Staatsgewalt auch durch „Abstimmungen“ erfolgen. Wie bei den Wahlen trifft das Volk bei diesen selbst die Entscheidung. Allerdings wird bei ihnen nicht über Personen, sondern über Sachfragen abgestimmt.19 Bislang sieht das Grundgesetz bei der Neugliederung einzelner Bundesländer derartige Mitentscheidungsmöglichkeiten für das Volk in Art. 29, 118 und 118a GG vor.20 2. Notwendigkeit einer Verfassungsänderung für Abstimmungen auf Bundesebene? Wegen der ausdrücklichen Benennung der „Abstimmungen“ in Art. 20 Abs. 2 S. 2 Var. 2 GG besteht durchaus die Möglichkeit, die repräsentative Demokratie des Grundgesetzes um direktdemokratische Elemente anzureichern.21 Umstritten ist, ob dafür eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich ist. Nach einer vereinzelt gebliebenen Meinung sollen aufgrund der expliziten Erwähnung der „Abstimmungen“ im Grundgesetz bereits heute Abstimmungen über Sachfragen auf Bundesebene zulässig sein.22 Diese Ansicht ist abzulehnen. Schon zur Wahrung bestimmter Anforderungen des Demokratieprinzips und aus Rücksichtnahme auf andere Verfassungsgüter bedürfen solche Abstimmungen einer näheren rechtlichen Ausgestaltung. Manche halten eine einfachgesetzliche Regelung der Abstimmungen für ausreichend.23 Nach überwiegender Auffassung setzen Abstimmungen auf Bundesebene entsprechende Regelungen im Grundgesetz voraus.24 Die Gesetzgebung habe man, wie man an der Ausgestaltung des Gesetzgebungsverfahrens erkennen könne, einer abschließenden Regelung zugeführt.25 Aufgrund der voraus18
BVerfG NVwZ 2013, 1272, 1273; BVerwGE 141, 122, 129. Gröpl, Staatsrecht I, 6. Aufl. 2014, Rn. 268; Rux, Direkte Demokratie in Deutschland, 2008, S. 39. 20 Gem. Art. 29 Abs. 3 S. 1, 2 GG ist nur das Volk der betroffenen Länder und nicht das gesamte Bundesvolk abstimmungsberechtigt. Deshalb ist streitig, ob derartige Territorialplebiszite Abstimmungen i.S.d. Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG sind. Bejahend z. B. Sachs, in: ders., Grundgesetz, 7. Aufl. 2014, Art. 20 Rn. 32; verneinend z. B. Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Grundgesetz, 13. Aufl. 2014, Art. 20 Rn. 48. 21 Mörschel/Erfler, in: dies. [Hrsg], Direkte Demokratie auf Bundesebene, 2013, S. 7; Wegener, Referat über das Thema „Bürgerbeteiligung“, 69. DJT, Bd. II/1, 2013, M 59, 60. 22 Elicker ZRP 2004, 225, 226; Pestalozza, Der Popularvorbehalt, 1981, S. 12. 23 Dafür, dass eine einfachgesetzliche Ausgestaltung ausreicht, Bugiel, Volkswille und repräsentative Entscheidung, 1991, S. 112 ff.; Windthorst, in: Gröpl/Windthorst/von Coelln, Studienkommentar zum Grundgesetz, 2013, Art. 20 Rn. 53 ff. 24 Nachweise bei Guckelberger, VerwArch 106 (2015) i. E. 25 Kirchhof, in: Festschrift für Klaus-Jürgen Dolde, 2014, S. 3, 20; s. auch Gurlit, JZ 2012, 833, 840; Wittreck, ZSE 2010, 553, 556. 19
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gegangenen historischen Erfahrungen hätten die Väter und Mütter des Grundgesetzes bewusst von weitergehenden Regelungen über Abstimmungen abgesehen.26 Der soeben vorgestellte Meinungsstand hat erhebliche Bedeutung für die Anforderungen an weitere direktdemokratische Abstimmungsmöglichkeiten. Folgt man den eine Verfassungsänderung befürwortenden Stimmen, bedarf es hierzu der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates (Art. 79 Abs. 2 GG). Bei Zugrundelegung der Gegenmeinung, wonach eine einfachgesetzliche Regelung genügt, bedarf es dagegen nur der Stimmenmehrheit, bei Zulässigkeit der Abstimmungen schon jetzt aufgrund des Verfassungsrechts wären keine weiteren Hürden zu nehmen. 3. Weitergehende Volksabstimmungsmöglichkeiten auf Landes- und kommunaler Ebene Nach Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG muss die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern „den Grundsätzen des […] demokratischen […] Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes“ entsprechen. Wie das Wort „Grundsätze“ zeigt, fordert das Grundgesetz nur ein gewisses Maß an Homogenität zwischen dem Grundgesetz und den Landesverfassungen. Soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, können die Länder mit Blick auf ihre Eigenstaatlichkeit ihre Verfassungen selbstständig ausgestalten.27 Mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts steht es ihnen frei, „ob sie den Erlass von Gesetzen dem Parlament vorbehalten oder daneben ein Volksgesetzgebungsverfahren vorsehen“.28 Ihnen obliegt die Entscheidung „darüber, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Inhalten Volksbegehren und Volksentscheid zulässig sein sollen“.29 Deshalb stellt das Landesrecht für manchen ein „plebiszitäres Experimentierlaboratorium“ dar.30 Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG schreibt vor, dass das Volk in den Ländern, Kreisen und Gemeinden eine aus Wahlen hervorgegangene Vertretung haben muss. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gewährleistet den Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft eigenverantwortlich zu regeln. Der Gesetzgeber darf die Selbstverwaltungsgarantie zwar ausgestalten („im Rahmen der Gesetze“). Dabei muss er aber den hinter Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG stehenden Zielen einer dezentral organisierten und bürgerschaftlich getragenen Verwaltung hinreichend Rechnung tragen.31 Erst vor kurzem betonte das Bundesverfassungsgericht die spezifisch demokratische Funktion der gemeindlichen Selbstverwaltung. Die Gewährleistung des Art. Kirchhof, ZSE 2010, 412, 416; s. auch JÖR N.F. 1 (1951), 620. BVerfGE 4, 178, 189. 28 BVerfGE 60, 175, 208; s. auch BayVerfGH NVwZ 1988, 242, 243; BerlVerfGH N VwZ-RR 2010, 169, 171. 29 BVerfGE 60, 175, 208; s. auch BayVerfGH NVwZ 1988, 242, 243; BerlVerfGH N VwZ-RR 2010, 169, 171. 30 Martini, Wenn das Volk (mit)entscheidet …, 2011, S. 23. 31 s. nur BVerfG, Beschl. v. 19.11.2014, 2 BvL 2/13, Rn. 51, 58 (juris). 26 27
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28 Abs. 2 GG werde maßgeblich „durch das Prinzip der Partizipation geprägt“.32 Garantiert werde eine „mit wirklicher Verantwortlichkeit ausgestattete […] Selbstverwaltung, die den Bürgern eine effektive Mitwirkung an den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft ermöglicht“.33 Dementsprechend haben direktdemokratische Abstimmungen auf kommunaler Ebene bislang die größte Praxisrelevanz.34 4. Beachtung der grundgesetzlichen Kompetenzordnung Die Staatsgewalt der Länder wird durch die Verfassung des Gesamtstaats begrenzt.35 Steht dem Bund nach dem Grundgesetz eine Gesetzgebungskompetenz zu und hat er von dieser abschließend Gebrauch gemacht, sind die Länder hieran gebunden. Vergleichbares gilt, wenn dem Bund die Verwaltungskompetenz zukommt oder er den Ländern verbindliche Vorgaben für von ihnen durchzuführende Verwaltungsverfahren gemacht hat. In diesem Fall haben sie die verfassungs- und bundesrechtlichen Vorgaben zu respektieren. Schon früh hielt das Bundesverfassungsgericht die Gesetze Bremens und Hamburgs über die Durchführung von auf die gesamte Bundesrepublik Deutschland bezogenen Volksbefragungen über Atomwaffen für verfassungswidrig. Sie zielten darauf ab, den Bund zu einer Änderung seiner Haltung zu veranlassen. Dies sei aber nicht mit seiner ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz für das Verteidigungswesen sowie den Exekutivzuständigkeiten der Art. 65a, 87a, 87b GG vereinbar.36 Gibt der Bund für bestimmte (Infrastruktur-)Projekte ein Eröffnungskontrollverfahren vor, das mit einer positiven oder negativen Behördenentscheidung endet, kann das Land sein Volk nicht über die den Behörden zugewiesene Entscheidung abstimmen lassen. Die Bindung an das Bundesrecht (Art. 31 GG) verwehrt es den Ländern, die Behörden-Entscheidung über das „Ob“ eines Vorhabens sowie die Art und Weise seiner Verwirklichung durch eine Abstimmung zu ersetzen.37 5. Volksabstimmungen über Verwaltungsentscheidungen? Nach dem geltenden Landesverfassungsrecht sind Volksentscheide regelmäßig nur über Gesetze möglich. Laut dem Grundgesetz verfügt das Parlament über 32
BVerfG, Beschl. v. 19.11.2014, 2 BvL 2/13, Rn. 52 (juris). BVerfG, Beschl. v. 19.11.2014, 2 BvL 2/13, Rn. 52 (juris). 34 Guckelberger, VerwArch 106 (2015) i. E.; Martini, Wenn das Volk (mit)entscheidet …, 2011, S. 35 sieht in ihnen die „eifrigsten ‚Gehschulen‘ direkter Demokratie“. 35 BVerfGE 8, 104, 116; Kirchhof, ZSE 2010, 412, 421. 36 BVerfGE 8, 104, 116. 37 Ziekow, Gutachten D zum 69. Deutschen Juristentag – Neue Formen der Bürgerbeteiligung, 2012, D 123; zur Unzulässigkeit einer Volksinitiative über ein Planfeststellungsverfahren nach dem Magnetschwebebahngesetz mangels Landeskompetenz BayVerfGH NVwZ-RR 2008, 719, 721; s. auch Ennuschat, in: Kluth/Krings, Gesetzgebung, 2014, § 27 Rn. 19. 33
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die demokratische Legitimation für den Erlass formeller Gesetze.38 Infolgedessen könnte das Landesvolk über die Planung bzw. Zulassung von Infrastrukturvorhaben abstimmen, wenn das Landesparlament darüber entscheiden darf. Wie aus der Bezeichnung „vollziehende Gewalt“ folgt, obliegt der Verwaltung der Vollzug von Gesetzen im Einzelfall.39 Nach dem in Deutschland maßgeblichen Prinzip der Gewaltenteilung sind die Gewalten nicht absolut voneinander zu trennen.40 Zwar ist der Kernbereich von Legislative, Exekutive und Judikative unveränderbar und keine Gewalt darf ein so nicht vorgesehenes Übergewicht über eine andere Gewalt erhalten.41 Im Übrigen ist aber die gegenseitige Kontrolle, Hemmung und Mäßigung der Gewalten entscheidend.42 Die staatlichen Aufgaben sollen von denjenigen Organen wahrgenommen werden, die sich dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise am besten eignen.43 Das Bundesverfassungsgericht hielt in seiner „Stendal-Entscheidung“ eine Entscheidung des Parlaments über ein Planungsvorhaben durch Gesetz unter Berücksichtigung der vorzunehmenden Abwägung für möglich. Es betonte jedoch, dass üblicherweise der Verwaltungsapparat mit seinem Sachverstand über konkrete Fachplanungen zu entscheiden hat.44 Das Parlament darf derartige Entscheidungen nur treffen, „wenn hierfür im Einzelfall gute Gründe bestehen, etwa die schnelle Verwirklichung des Vorhabens von besonderer Bedeutung für das Gemeinwohl ist“.45 Kann das Volk anstelle des Parlaments auf Landesebene über Gesetze abstimmen, wird es auf diesem Weg nur äußerst selten über die Zulassung eines Infrastrukturvorhabens entscheiden können. Gebundene Zulassungsentscheidungen sind kein geeigneter Abstimmungsgegenstand für den Volksgesetzgeber. Über Planungsentscheidungen kann das Parlament bzw. Volk nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Gründe durch Gesetz entscheiden. Deshalb sollten sich die Überlegungen besser darauf konzentrieren, ob nicht bei Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen das Volk über Administrativentscheidungen abstimmen könnte. Sofern nicht in den unantastbaren Kernbereich der Verwaltung eingegriffen wird, scheitern derartige Abstimmungen nicht am Gewaltenteilungsgrundsatz. Aus der Aufzählung in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG, wonach die Staatsgewalt „vom Volke in […] Abstimmungen und durch besondere 38
BVerfGE 95, 1, 16. BVerfGE 95, 1, 16; s. auch BVerfG NJW 2013, 3151, 3161 Rn. 128. 40 BVerfGE 95, 1, 15. 41 BVerfGE 95, 1, 15. 42 BVerfGE 95, 1, 15. 43 BVerfGE 95, 1, 15. 44 BVerfGE 95, 1, 17. 45 BVerfGE 95, 1, 17 Kursivschreibung durch die Verfasserin; dazu auch Eisenmenger NVwZ 2013, 621, 622; kritisch Ossenbühl, in: FS für Werner Hoppe, 2000, S. 183, 187 ff. Einen neuen Ansatz vertritt Wißmann, VVDStRL 73 (2013), 369, 415 ff., der generell für eine Vorbereitung der Planungsentscheidungen durch die Verwaltung ist, über die der Gesetzgeber entscheiden soll. Dazu Guckelberger, VerwArch 106 (2015) i. E. 39
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Organe der Gesetzgebung [… und] der vollziehenden Gewalt“ ausgeübt wird, lässt sich nicht entnehmen, dass nur Gesetze taugliche Abstimmungsgegenstände sein können.46 Die Abstimmungen wurden vor der Legislative und der gesetzesvollziehenden Verwaltung genannt, weil beide Gewalten durch das Volk selbst ausgeübt werden können.47 Bereits 1982 sah Pestalozza bei Abstimmungen des Volkes über Verwaltungsentscheidungen einen Nachholbedarf, weil diese von größter Wichtigkeit sein könnten.48 Wenn das Volk im Wege der Volksgesetzgebung auf die Gewalt Einfluss nehmen könne, auf die es durch die (Wieder)Wahl ohnehin Einfluss ausübe, müsse Vergleichbares für die Verwaltung gelten, auf deren Bestellung und Kontrolle es geringere direkte Einflussnahmemöglichkeiten habe.49 Für die Richtigkeit der hier vertretenen Ansicht spricht ein vergleichender Blick auf die Gemeindeebene. Dort kann man auf eine inzwischen lange Tradition von Bürgerentscheiden in Verwaltungsangelegenheiten zurückblicken.50 Wegen der Zugehörigkeit des „Gemeindeparlaments“ zur Exekutive51 sind die Entscheidungen des „Gemeindevolks“ an seiner Stelle Entscheidungen der Verwaltung. 6. Volksabstimmungen und Grundrechte Entscheidet das Volk anstelle des Gesetzgebers oder der Verwaltung, übt es staatliche Gewalt aus und ist wie diese an die Grundrechte gebunden (Art. 1 Abs. 3 GG).52 Stimmt das Volk über Verwaltungsentscheidungen ab, ist die Befürchtung einer damit einhergehenden Schwächung der Grundrechte nicht ganz unbegründet.53 Denn die Abstimmungsberechtigten sind zwar mit ihrer eigenen Grundrechtsberechtigung vertraut. Sie verfügen aber im Unterschied zur Verwaltung nicht über deren ständige Erfahrung mit der Grundrechtsverpflichtung.54 Hinzu kommt, dass anonym abgestimmt wird und die vielen Abstimmenden anders als
46 Heidebach, in: Schnabl/Scholz, Aufgeschlossen für Wandel – verankert in gemeinsamen Grundwerten, 2013, S. 141, 145; s. auch Guckelberger, VerwArch 106 (2015) i. E. 47 Heidebach, in: Schnabl/Scholz, Aufgeschlossen für Wandel – verankert in gemeinsamen Grundwerten, 2013, S. 141, 145; Möstl, VVDStRL 72 (2013), 355, 383. 48 Pestalozza, NJW 1982, 1571, 1572. 49 Pestalozza, NJW 1982, 1571, 1572. 50 Heidebach, in: Schabl/Scholz (Hrsg.): Aufgeschlossen für Wandel, verankert in gemeinsamen Grundwerten, 2013, S. 141,145 f.; s. auch Möstl, VVDStRL 72 (2013), 355, 384. 51 Dazu, dass Gemeinden Teil der staatlichen Verwaltung sind, BVerfGE 78, 344, 348; BVerfG Beschl. v. 19.11.2014, 2 BvL 2/13, Rn. 52 (juris). 52 Hartmann, DVBl. 2006, 1269, 1275 f.; s. auch Guckelberger, VerwArch 106 (2015) i. E. 53 Nach Tiefenbach für Mehr Demokratie e.V., Positionspapier Nr. 2 „Gefährden Volksentscheide Minderheiten?“ v. 25.6.2014, S. 3 ff. entscheiden die Parlamente in der Schweiz und in den USA häufig minderheitenfreundlicher als das Volk. 54 Maurer, in: FS für Thomas Würtenberger, 2013, S. 731, 733 f.
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ihre Repräsentanten ihre Entscheidung und deren Folgen nicht erläutern müssen.55 Auch wird geltend gemacht, die Stimmbürger seien mehrheitlich keine Rechtsexperten und könnten insbesondere bei komplexen Themen deren Grundrechtsbezug nur schwer einschätzen.56 Diesen Einwänden ist entgegenzuhalten, dass sich – wie manche Gerichtsentscheide zeigen – Parlament und Verwaltung auch nicht immer grundrechtskonform verhalten.57 Es lassen sich durchaus Beispiele aus der Praxis der Öffentlichkeitsbeteiligung finden, in denen komplexe Themen die Bürger/-innen nicht zwangsläufig überfordert haben.58 Um einer Schwächung der Grundrechte durch Abstimmungen zuvorzukommen, sollte man derartigen Gefahren durch Schutzvorkehrungen begegnen.59 So könnte man daran denken, den Abstimmungsberechtigten ihre Grundrechtsverpflichtung im Einzelnen darzulegen.60 Staatliche oder neutrale Stellen könnten die erforderlichen Hintergrundinformationen für eine bessere Grundrechtsbeurteilung zur Verfügung stellen.61 Trifft das Volk trotz dieser Vorkehrungen eine rechtswidrige Abstimmungsentscheidung, können die dadurch in ihren Grundrechten verletzten Personen gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen.62 Spätestens wenn sich zeigt, dass Abstimmungsentscheidungen bei einer Überakzentuierung bestimmter Interessen einer Gerichtskontrolle nicht standhalten, wird sich bei den Abstimmenden das Bewusstsein ausbilden, dass sie nicht einseitig ihren Willen durchsetzen können, sondern wie die Verwaltung ausgewogene Entscheidungen zu fällen haben.63 Um Missbräuchen entgegenzuwirken, sollten die Gerichte möglichst schon vor Durchführung der Abstimmung die Grundrechtskompatibilität der zur Auswahl stehenden Fragen und Antworten prüfen können.64
Christmann, Die Grenzen direkter Demokratie, 2011, S. 66 f. Christmann, Die Grenzen direkter Demokratie, 2011, S. 124 f., 134. 57 Dazu Prantl, Glanz und Elend der Grundrechte, 2014, S. 183. 58 Gabriel, Referat: Erfolgsbedingungen der Bürgerbeteiligung an der Planung von In frastrukturprojekten, 69. DJT, Bd. II/1, 2013, M 9, 17. 59 Prantl, Glanz und Elend der Grundrechte, 2014, S. 184 f. 60 Guckelberger, VerwArch 106 (2015) i. E. 61 Zu derartigen Vorwirkungen der Grundrechte Hartmann DVBl. 2006, 1269, 1275 ff. Dagegen hält Kirchhof ZSE 2010, 412, 418 derartige Maßnahmen für unzureichend. 62 Dazu Guckelberger, VerwArch 106 (2015) i. E. mit weiteren Nachweisen. 63 Guckelberger, VerwArch 106 (2015) i. E. 64 Ggf. müsste ein solcher „präventiver“ Rechtsschutzmechanismus rechtlich installiert werden, sofern keine vorbeugende Feststellungs- bzw. Unterlassungsklage mit der Möglichkeit einer einstweiligen Anordnung greift. Für eine solche Vorabprüfung BayVerfGH BeckRS 1985, 04365; für eine nachträgliche Kontrolle BerlVerfGH LKV 2009, 514, 515; s. dazu auch Rux, Direkte Demokratie in Deutschland, 2008, S. 239 ff. 55
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7. Volksabstimmungen und Rechtsstaatsprinzip Weitere bedeutsame Einschränkungen für Volksabstimmungen in Verwaltungssachen ergeben sich aus dem Rechtsstaatsprinzip. Eine eingehendere Betrachtung ergibt, dass sich nicht alle Verwaltungsentscheidungen für die Durchführung von Abstimmungen eignen. a) Abstimmungen über „gebundene“ Verwaltungsentscheidungen Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass gerade Verwaltungsentscheidungen, auf welche eine Person einen Anspruch hat, in besonderem Maße für Abstimmungen geeignet sind. Denn bei ihnen kann es nur eine mit einem klaren Ja oder Nein zu beantwortende Frage geben. Nach zutreffender Ansicht sind aber derartige gebundene Entscheidungen keine tauglichen Abstimmungsgegenstände.65 Hat der Gesetzgeber abschließend geregelt, welche Voraussetzungen für die Genehmigung eines Vorhabens vorliegen müssen, kann dem Begünstigten diese Position nicht infolge einer Abstimmung genommen werden. Stimmt das Volk anstelle der Verwaltung über die Zulassung des Vorhabens ab, ist es wie diese an Gesetz und Recht gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG). Die Gesetzesbindung stellt sicher, dass der in den Gesetzen zum Ausdruck kommende Wille des Souveräns verwirklicht wird.66 Außerdem schützt sie die Rechtsunterworfenen vor einer willkürlichen Rechtsanwendung.67 Allein der Umstand, dass ein Vorhaben auf Widerstand stößt, ist kein sachlicher Grund für die Legitimierung von Abweichungen vom gesetzlich vorgegebenen Entscheidungsprogramm.68 Hätte das Volk anstelle des Parlaments ein Gesetz beschlossen, dass Personen bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen einen Anspruch auf Zulassung ihres Vorhabens haben, wäre der darin zum Ausdruck kommende Wille des Volkes beim Gesetzesvollzug gleichermaßen zu respektieren. Angesichts der genau festgelegten Entscheidungsparameter erübrigen sich hier weitere Abstimmungen des Volkes über die zur Debatte stehenden Verwaltungsentscheidungen im Einzelfall. Administrativentscheidungen, bei denen es unter Zugrundelegung der rechtlichen Vorgaben nur eine rechtmäßige Entscheidung gibt, kommen für Abstimmungen im Ja-Nein-Modus nicht in Betracht.69 Denn – so Kaup – „die beim […E] ntscheid erforderliche Wahlmöglichkeit zwischen den beiden Antwortalternativen bestünde hier nicht; die Stellung einer Frage, die von den Bürgern zu entscheiden Dazu auch Guckelberger, VerwArch 106 (2015) i. E. mit weiteren Nachweisen. Barczak, VerwArch 105 (2014), 142, 151, 172. 67 Barczak, VerwArch 105 (2014), 142, 144, 172 f.; dazu, dass die rechtlichen Eröffnungskontrollen zur Gleichheit beitragen, Ziekow, Gutachten D zum 69. Deutschen Juristentag, Neue Formen der Bürgerbeteiligung, 2012, D 114. 68 Ziekow, Gutachten D zum 69. Deutschen Juristentag, Neue Formen der Bürgerbeteiligung, 2012, D 114 f.; s. auch Guckelberger, VerwArch 106 (2015) i. E. 69 Kaup, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid zu Fragen der Bauleitplanung, 2014, S. 155. 65
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wäre, wäre überflüssig, wenn es nur eine richtige Antwort gäbe“.70 Für Abstimmungen in Verwaltungsangelegenheiten eignen sich folglich nur solche Bereiche, in denen jede der beiden Antworten, zwischen denen sich die Mehrheit entscheiden kann, rechtmäßig ist.71 Infolgedessen scheiden also solche Verwaltungsentscheidungen für Abstimmungen aus, bei denen die Verwaltung weder auf der Tatbestands- noch der Rechtsfolgenseite über Gestaltungsmöglichkeiten verfügt.72 b) Abstimmungen über Abwägungsentscheidungen? Obwohl die Verwaltung bei Planungsentscheidungen über Gestaltungsbefugnisse verfügt, ist vor einer vorschnellen Bejahung ihrer Abstimmungsfähigkeit Vorsicht geboten.73 Ein vergleichender Blick auf die Wahlen ergibt, dass dem Volk bei Abstimmungen nur solche Fragen unterbreitet werden können, die es mit einem einfachen „Ja“ oder „Nein“ beantworten kann.74 Bei Volksabstimmungen besteht keine Möglichkeit, sich in einem diskursiven Prozess auf einen Kompromiss zu verständigen.75 Für die Entscheidung der staatlichen Stellen über Fachplanungsvorhaben ist aber in aller Regel ihre hohe Technizität sowie eine vom Verfassungsrecht geforderte Ausgleichung verschiedener Belange kennzeichnend.76 Das Gebot der gerechten Abwägung der von einer hoheitlichen Planung berührten Interessen ergibt sich unabhängig von seiner gesetzlichen Positivierung „aus dem Wesen rechtsstaatlicher Planung“.77 Bei der Zulassung solcher Großvorhaben werden grundrechtliche und andere verfassungsrechtliche Rechtsgüter in vielfacher Weise tangiert.78 Eine solche mehrdimensionale Abstimmung lässt sich nicht angemessen in eine lediglich eindimensionale Abstimmung integrieren.79 Da bei Abstimmungen frühzeitig die zu stellenden Fragen festzulegen sind, gibt es bei ihnen keinen 70 Kaup, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid zu Fragen der Bauleitplanung, 2014, S. 155. 71 Kaup, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid zu Fragen der Bauleitplanung, 2014, S. 155 f. 72 Dazu, dass bei der Bestimmung der Abstimmungstauglichkeit nicht nur die Rechtsfolgenseite (gebundener Anspruch oder Ermessen) in den Blick zu nehmen ist, sondern auch auf Tatbestandsseite keine Beurteilungsspielräume für die Verwaltung bestehen dürfen, Kaup, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid zu Fragen der Bauleitplanung, 2014, S. 155 f. Dazu auch Guckelberger, VerwArch 106 (2015) i. E. 73 Guckelberger, VerwArch 106 (2015) i. E. 74 Kirchhof ZSE 2010, 412, 417; s. auch BVerfGE 13, 54, 83; SächsVerfGH NVwZ 2003, 472, 475. 75 Kersting, Die Zukunft der lokalen Demokratie, 2014, S. 231. 76 Durner, ZUR 2011, 354, 361. 77 BVerwGE 64, 270, 272 f.; Ziekow, in: ders., Handbuch des Fachplanungsrechts, 2. Aufl. 2014, § 6 Rn. 1. 78 Ewer, NJW 2011, 1328, 1329 f.; unter Rekurs auf den Gewaltenteilungsgrundsatz Erler/Arndt, VBlBW 2014, 81, 83. 79 Durner, ZUR 2011, 354, 361; s. auch Guckelberger, VerwArch 106 (2015) i. E.
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„fließenden“ Abwägungsvorgang mit der Möglichkeit zum Nachjustieren oder Modifizieren eines Planungsvorhabens.80 Mit Blick auf diese verfassungsrechtlichen Anforderungen wird daher überwiegend angenommen, dass planerische Abwägungen nicht (beliebig) durch Ja-Nein-Entscheidungen ersetzt werden können.81 Seit geraumer Zeit ist eine gewisse Bewegung in der Frage kommunaler Bürgerentscheide über Bauleitpläne zu verzeichnen. § 1 Abs. 7 BauGB bestimmt, dass bei Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind. Angesichts der bei ihnen am Ende des Bauleitplanverfahrens vorzunehmenden planerischen Abwägung herrscht weitgehend Konsens, dass diese nicht durch eine Abstimmung ersetzbar ist. Die Mitglieder des „Gemeindeparlaments“ würden sich bei ihrer Beschlussfassung über die Gewichtung der Belange verständigen und den ihnen vorliegenden Entscheidungsentwurf möglicherweise nach mehr oder weniger intensiven Diskussionen abändern. Demgegenüber könnte das „Gemeindevolk“ bei einer Abstimmung über den Bauleitplan diesen insgesamt nur annehmen oder ablehnen.82 Im Abstimmungsprozess könnten sie sich nicht einmal auf marginale Änderungen des vorgelegten Entwurfs verständigen.83 Deshalb fehlt diesem Prozedere die inhaltliche Ergebnisoffenheit, wie sie für die „gestalterischen“ Abwägungsentscheidungen über Bauleitpläne kennzeichnend ist.84 Die inhaltlichen Vorgaben der Bauleitplanung im Detail und das diesbezügliche förmliche Verfahren sind somit Sache des Gemeinderats.85 Soweit es kein entgegenstehendes Gemeinderecht gibt, neigen die Verwaltungsgerichte dazu, Bürgerentscheide „im Vorfeld“ der förmlichen Bauleitplanung für zulässig zu erachten.86 Dies gilt insbesondere für die Frage des „Ob“ einer Bauleitplanung, z. B. ob man einen bestimmten Bereich des Gemeindegebiets für die Gewerbeansiedlung öffnen soll.87 Derartige politische Grundsatzentscheidungen, ob die Bürger für oder gegen derartige Planungsabsichten sind, sind geeignete Abstimmungsfragen.88 Nach dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof sind derartige, in die Bauleitplanung eingreifende Bürgerbegehren mit einem positiven Planungs80 Wessels, Rechtliche Beurteilung der Ausnahmetatbestände und deren Umgehungsgefahr bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheid, 2013, S. 401. 81 Z. B. Ewer, NJW 2011, 1328, 1329 f.; Gärditz, GewArch 2011, 273, 278; s. auch Guckelberger, VerwArch 106 (2015) i. E. 82 Kaup, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid zu Fragen der Bauleitplanung, 2014, S. 111 f.; s. auch Guckelberger, VerwArch 106 (2015) i. E. 83 Kaup, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid zu Fragen der Bauleitplanung, 2014, S. 112; s. auch Guckelberger, VerwArch 106 (2015) i. E. 84 Kaup, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid zu Fragen der Bauleitplanung, 2014, S. 112; s. auch Guckelberger, VerwArch 106 (2015) i. E.; Schoch NVwZ 2014, 1473, 1478. 85 VGH Mannheim DVBl. 2011, 1035, 1038. 86 VGH Mannheim DVBl. 2011, 1035, 1037 f. 87 VGH Mannheim DVBl. 2011, 1035, 1038. 88 VGH Mannheim DVBl. 2011, 1035, 1038; s. auch Schoch,NVwZ 2014, 1473, 1477.
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ziel zulässig, „wenn dem planenden kommunalen Gremium noch ein Planungsspielraum und damit Abwägungsspielraum von substantiellem Gewicht verbleibt und genügend Alternativen zur Abwägung in der konkreten Planung offen gehalten werden“.89 Mangels planerisch-gestalterischer Abwägung kann das „Gemeindevolk“ grundsätzlich über die (Nicht-)Fassung eines Aufstellungsbeschlusses für ein Bauleitplanverfahren90 oder die Aufhebung eines Bauleitplans91 abstimmen.
III. Geltendes Abstimmungsrecht Momentan gibt es auf Bundesebene keine Möglichkeit für das Staatsvolk, über Planungs- und Genehmigungsvorhaben abzustimmen. Ähnlich verhält es sich mit Abstimmungen des Landesvolkes auf Landesebene. In aller Regel können nach den einzelnen Landesverfassungen Volksentscheide nur über Landesgesetze, nicht jedoch in Verwaltungsangelegenheiten durchgeführt werden.92 In Bayern gibt es im Moment eine Debatte, ob man nicht Volksabstimmungen bzw. Volksbefragungen über „Vorhaben des Staates mit landesweiter Bedeutung“, die keine Gesetzgebung sind, einführen sollte.93 Der Fortgang dieser Debatte bleibt mit Spannung abzuwarten. Sollten derartige Abstimmungsvorschriften eingeführt werden, dürfte ihnen momentan nur ein geringer Anwendungsbereich verbleiben, was Abstimmungen über klassische Planungs- bzw. Genehmigungsentscheidungen anbetrifft.94 Solche sind nur möglich, wenn der Bund das Eröffnungskontrollverfahren in dieser Hinsicht nicht abschließend geregelt hat.95 Wegen der Grundrechtsberechtigung privater Projektträger eignen sich deren Vorhaben regelmäßig nicht für Abstimmungen, son89 BayVGH BayVBl 2013, 180; s. auch BayVGH BayVBl. 2006, 405, 406; BayVBl. 2009, 245, 246; DVBl. 2011, 308, 309 f. bei Rn. 33. 90 Durinke/Fiedler, ZfBR 2012, 531, 534; Schoch, NVwZ 2014, 1473, 1477; eingehend Kaup, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid zu Fragen der Bauleitplanung, 2014, S. 120 ff. 91 Kaup, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid zu Fragen der Bauleitplanung, 2014, S. 114 f.; i. E. auch Zöllner, BayVBl. 2013, 129, 133; hierzu und dass auch Bürgerentscheide im Zusammenhang mit der Planverwirklichung möglich sind Schoch, NVwZ 2014, 1473, 1477 f. 92 Ennuschat, in: Kluth/Krings, Gesetzgebung, 2014, § 27 Rn. 14; Guckelberger, VerwArch 106 (2015) i. E.; Ziekow, Gutachten D zum 69. Deutschen Juristentag, Neue Formen der Bürgerbeteiligung, 2012, D 112 f. Zur Möglichkeit von Volksentscheiden in Angelegenheiten der politischen Willensbildung der Volksvertretung s. Art. 62 BerlVerf, Art. 50 HambVerf. 93 So BayLT-Drucks. 17/1745 (Volksbefragung); für Volksbefragungen, die Gegenstände der politischen Willensbildung sind und in der Zuständigkeit des Landtags liegen, BayLT-Drucks. 17/403; für Volksabstimmungen in Angelegenheiten von grundlegender und gesamtbayerischer Bedeutung BayLT-Drucks. 17/790. 94 Guckelberger, VerwArch 106 (2015) i. E.; Ziekow, Gutachten D zum 69. Deutschen Juristentag, Neue Formen der Bürgerbeteiligung, 2012, D 122 f. 95 Ziekow, Gutachten D zum 69. Deutschen Juristentag, Neue Formen der Bürgerbeteiligung, 2012, D 112 f.
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dern allein Vorhaben der öffentlichen Hand.96 Die zuständigen Stellen auf Landes ebene sollten deshalb in einen Diskussionsprozess über die Sinnhaftigkeit derartiger Regelungen eintreten.97 Dabei sollte auch geklärt werden, wie die verschiedenen Abstimmungsebenen zueinander abzugrenzen sind.98 Deutlich wurde dieses Problem am Streit um den Stuttgarter Bahnhof. Soll nur die vom Umbau unmittelbar betroffene Stuttgarter Bevölkerung abstimmungsberechtigt sein oder bei der Abstimmung auch die Bedeutung des Bahnhofs für die wirtschaftliche Gesamtentwicklung der Region bzw. das gesamte Bundesland oder gar die Belange aller Fernreisenden bei der Bestimmung des Abstimmungsvolkes berücksichtigt werden?99 Bislang sind die direktdemokratischen Instrumente in Deutschland auf der kommunalen Ebene am weitesten ausgebaut.100 Parallel zur Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG kann das Gemeindevolk zwar über Angelegenheiten des eigenen kommunalen Wirkungskreises abstimmen, nicht aber über Landes- oder Bundesangelegenheiten entscheiden.101 Bei den „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ handelt es sich um „Aufgaben, die das Zusammenleben und -wohnen der Menschen vor Ort betreffen oder einen spezifischen Bezug auf sie haben“.102 Bereits im 8. Band entschied das Bundesverfassungsgericht, dass eine Gemeinde zwar gegen eine sie speziell berührende staatliche Maßnahme protestieren könne. Sie überschreite aber ihre Schranken, „wenn sie zu allgemeinen, überörtlichen, vielleicht hochpolitischen Fragen Resolutionen fasst oder für oder gegen eine Politik Stellung nimmt, die sie nicht als einzelne Gemeinde besonders trifft“.103 Betrifft eine Planung eines überörtlichen Verwaltungsträgers das Gebiet einer Gemeinde nachhaltig, z. B. weil eine Autobahn ihr Gebiet durchqueren soll, besteht ein spezifischer Ortsbezug.104 Deshalb ist es grundsätzlich denkbar, dass ihre im Planfeststellungsverfahren abzugebende Stellungnahme Gegenstand eines Bürgerentscheids sein kann.105 96 Ziekow, Gutachten D zum 69. Deutschen Juristentag, Neue Formen der Bürgerbeteiligung, 2012, D 122 f.; zum Grundrechtsverzicht privater Vorhabenträger Guckelberger, VerwArch 106 (2015) i. E. 97 Guckelberger, VerwArch 106 (2015) i. E.; tendenziell ablehnend Ziekow, Gutachten D zum 69. Deutschen Juristentag, Neue Formen der Bürgerbeteiligung, 2012, D 123. 98 Dazu Guckelberger, VerwArch 106 (2015) i. E. 99 Gärditz GewArch 2011, 273, 278; Heselhaus, in: Festschrift für Hans-Joachim Koch, 2014, 297, 301 f.; Wittreck, ZG 2011, 209, 218; eingehender Guckelberger VerwArch 106 (2015) i. E. 100 s. dazu Huber, in: von Bogdandy/Cassese/ders., Handbuch Ius Publicum Europaeum, Bd. 5, 2014, § 73 Rn. 152; Martini, Wenn das Volk (mit)entscheidet …, 2012, S. 35. 101 Schoch, NVwZ 2014, 1473, 1474. 102 s. nur BVerfG, Beschl. v. 19.11.2014 – 2 BVL 2/13, Rn. 45, juris. 103 BVerfGE 8, 122, 134. 104 Dazu BVerwGE 77, 134, 138; VG Hamburg NuR 2004, 547. 105 Zu derartigen Stellungnahmen als geeigneter Abstimmungsgegenstand Guckelberger, VerwArch 106 (2015) i. E.; Müller, Bürgerbeteiligung in Finanzfragen, 2008, S. 94.
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Ergeben sich aus dem Landesverfassungsrecht keine Vorgaben für kommunale Abstimmungen,106 stellt die Einführung oder Erweiterung der Regelungen über gemeindliche Bürgerentscheide eine gesetzgeberische Entscheidung dar.107 Es erstaunt daher wenig, dass diese direktdemokratischen Verfahren von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ausgestaltet sind.108 Beispielsweise sind in Rheinland-Pfalz (§ 17a Abs. 2 GemO RP) und im Saarland (§ 21a Abs. 4 KSVG) über eine große Zahl von Angelegenheiten keine Bürgerentscheide möglich. Dazu gehören u. a. Angelegenheiten, für die der Bürgermeister zuständig ist. Dahinter verbirgt sich die Vorstellung, dass das Plebiszit auf die Ersetzung der Entscheidung eines Kollegialorgans abzielt.109 Vom Bürgerentscheid sind des Weiteren die innere Organisation der Gemeindeverwaltung, die Rechtsverhältnisse der für die Gemeinde ehren- oder hauptamtlich Tätigen, der Jahres- und Gesamtabschluss der Gemeinde ausgenommen. In beiden Bundesländern können keine Bürgerentscheide über die Aufstellung, Änderung und Aufhebung von Bauleitplänen durchgeführt werden (§ 17a Abs. 2 Nr. 6 GO RP, § 21a Abs. 4 Nr. 6 KSVG). Gleiches gilt für Vorhaben, für deren Zulassung ein Planfeststellungsverfahren oder ein förmliches Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung erforderlich ist (§ 17a Abs. 2 Nr. 7 GO RP, § 21a Abs. 4 Nr. 5 KSVG). Damit wurde eine ganze Reihe von für die Gemeindebürger/-innen zentraler Fragen von den kommunalen Abstimmungen ausgenommen. Da derartige Vorhaben örtlich vielfach auf Widerstand stoßen, kann es – so das rheinland-pfälzische Oberverwaltungsgericht – dem Landesgesetzgeber durchaus als angemessen erscheinen, von einem Hineinwirken der aufgeladenen Konfliktsituation in die innergemeindliche Willensbildung der Aktivbürger abzusehen. Dabei werde wohl angenommen, dass sich die Repräsentativorgane vermutlich leichter auf eine sachorientierte (Kompromiss-)Entscheidung verständigen könnten.110 Wie der Konflikt um Stuttgart 21 gezeigt hat, kann es Fälle geben, in denen das „Gemeindevolk“ derartige Entscheidungen der Gemeindevertretung nicht akzeptiert. Andere Landesgesetzgeber nutzen die Bürgerentscheide deshalb mehr als Instrument zur Befriedung von Konflikten. So hat Bayern davon abgesehen, die Bauleitplanung oder Verfahren mit einer förmlichen Öffentlichkeitsbeteiligung generell von den bürgerentscheidfähigen Angelegenheiten auszuklammern.111 Dies 106 Art. 7 Abs. 2; Art. 12 Abs. 3 BayVerf; Art. 22 Abs. 2 S. 1 BBgVerf; zu den landesverfassungsrechtlichen Garantien auch Unger, AöR 139 (2014), 80, 81. 107 VG Koblenz, Urt. v. 20.6.1996 – 2 K 4245/95.KO Rn. 23 juris; Guckelberger, VerwArch 106 (2015) i. E.; Schoch, NVwZ 2014, 1473, 1475. 108 Dazu Schoch, NVwZ 2014, 1473, 1474. 109 Schoch, NVwZ 2014, 1473, 1475. Ein weiterer Grund dürfte in einer Parallele zur Volksgesetzgebung liegen. 110 OVG Koblenz NVwZ 1998, 425, 426 f. 111 Nach Art. 18a Abs. 3 BayGO findet ein Bürgerentscheid nicht statt über Angelegenheiten, die kraft Gesetzes dem ersten Bürgermeister obliegen, über Fragen der inneren Organisation der Gemeindeverwaltung, über die Rechtsverhältnisse der Gemeinderatsmitglieder, der Bürgermeister und der Gemeindebediensteten und über die Haushaltssatzung.
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bedeutet aber nicht, dass die Gemeindebürger/-innen beliebig entscheiden könnten. Wegen § 1 Abs. 7 BauGB ist die umfassende Abwägung der öffentlichen und privaten Belange in der Bauleitplanung den Gemeinderäten vorbehalten. Völlig zutreffend betonte das rheinland-pfälzische Oberverwaltungsgericht, dass es „von vornherein ausgeschlossen [sei], einen Baugenehmigungsanspruch […] nach § 34 Abs. 1 BauGB, der von Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz geschützt ist, durch einen […] erfolgreichen Bürgerentscheid zu beseitigen“.112 Alles in allem bleibt die Fortentwicklung der Landesregelungen über Bürgerentscheide auf kommunaler Ebene in den verschiedenen Bundesländern abzuwarten. Da die Öffentlichkeitsbeteiligung in den vergangenen Jahren stark ausgeweitet wurde, sollten die Landesgesetzgeber überdenken, ob ein von ihnen normierter Ausschluss von Bürgerentscheiden über Vorhaben in derartigen Verfahren noch zeitgemäß ist.113 Des Weiteren stellt sich die Frage, wie man die neuen elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten mit den direktdemokratischen Instrumenten auf Gemeindeebene verbinden könnte. So können in Sachsen-Anhalt die Gemeinden z. B. nach § 28 Abs. 3 S. 2, 3 KVG Befragungen auch als Online-Abstimmungen vornehmen, soweit hinreichend sichere Vorkehrungen gegen Missbrauch und zur Sicherung der Integrität der Ergebnisermittlung getroffen sind.114
IV. Fazit Das Grundgesetz steht Volksabstimmungen in Verwaltungsangelegenheiten nicht per se entgegen. Dennoch ergeben sich bedeutsame Grenzen (vor allem aus den Grundrechten und der Gesetzesbindung). Auf Bundesebene hält die überwiegende Meinung derartige Abstimmungen nur aufgrund einer entsprechenden Änderung des Grundgesetzes für möglich. In den Landesverfassungen werden Volksabstimmungen bei der Ausübung von Landesstaatsgewalt in weitergehendem Maße zugelassen. Da sich die bestehenden Verfassungsnormen meistens auf die sog. Volksgesetzgebung beschränken, müssen erst die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen für die Durchführung landesweiter Abstimmungen über exekutive Maßnahmen geschaffen werden. Die direktdemokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten für die Bürger/innen sind im Moment auf der Gemeindeebene am weitesten ausgebaut. Je nach Bundesland fallen die Hürden für derartige kommunale Bürgerentscheide aber unterschiedlich hoch oder niedrig aus. Soweit das Verfassungsrecht nicht entgegensteht, handelt es sich bei der Fra112
OVG Koblenz, Beschl. v. 28.52014 – 10 B 10418/14 Rn. 11 juris. Guckelberger, VerwArch 106 (2015) i. E. 114 Diese Vorschrift bezieht sich nur auf Befragungen der Bürger und nach der Stellung der Vorschrift nicht auf den Bürgerentscheid. S. dazu die Stellungnahme von Martini, in: LT-Drucks. LSA 6/2247, S. 21, wonach die Anforderungen an den Einsatz der elektronischen Medien etwas niedriger gesetzt werden können, wenn der Gegenstandsbereich nur auf Konsultation und nicht Entscheidung durch das Volk abzielt. Durch Online-Abstimmungen ließen sich die Transaktionskosten für solche Bürgerbefragungen erheblich reduzieren. 113
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ge der Einführung bzw. Erweiterung derartiger Abstimmungsmöglichkeiten um politische Entscheidungen.115 Die zuständigen staatlichen Organe sollten daher im Wege einer nüchternen116 Abwägung der Pro- und Contra-Argumente unter Einbeziehung von Zeit und Kosten für derartige Verfahren entscheiden, ob sie dem Volk mehr Abstimmungsmöglichkeiten in Verwaltungsangelegenheiten einräumen möchten.117
115 Mayer, in: Mörschel/Erfler, Direkte Demokratie auf Bundesebene, 2013, 147, 159; Schliesky SchlHA 2014, 86, 89; Wittreck ZSE 2010, 553, 555. s. auch Schoch NVwZ 2014, 1473, 1482. 116 s. auch Gärditz GewArch 2011, 273, 278. 117 Guckelberger VerwArch 106 (2015) i. E.; zu den Kosten Naßmacher VR 2015, 44, 47.
Eine Studie über die tatsächliche Garantie der Bürgerbeteiligung hinsichtlich Kernkraftwerksfragen Studie über die Garantie der Bürgerbeteiligung zu Kernkraftwerksfragen
Von Okju Shin Okju Shin
Art. 117 und 118 der Koreanischen Verfassung bieten die Grundlage für die kommunale Verwaltungsautonomie, die zur Verwirklichung der Ideen von Demokratie, Volkssouveränität und vertikaler Gewaltenteilung dienen. Die Bürgerbeteiligung ist umfangreich. Zwei tragende Säulen sind die Bürgerteilnahme wie Anhörung, Empfehlung, Round Table usw., die für die kommunale Verwaltung keine bindende Wirkung entfaltet, und die Bürgerteilhabe, wie Volksabstimmungen, Volksentscheidungen, Volksinitiativen und Recalls, die man als die Elemente der direkten Demokratie versteht und die für die kommunale Verwaltung rechtsverbindlich ist. Das Selbstverwalten durch die souveränen Bürger macht den Kerngehalt der kommunalen Verwaltungsautonomie aus, der von Eingriffen seitens der gesetzgebenden Gewalt und der zentralen Regierung geschützt werden sollte. Die Partizipationsdemokratie, die die repräsentative Demokratie ergänzen sollte, kann nur verwirklicht werden, wenn die unabdingbare Voraussetzung, nämlich die aktive Beteiligung von Bürgern, erfüllt wird. Dabei ist es wichtig, die tatsächliche Bürgerbeteiligung zu gewährleisten. In den Gesetzen Local Autonomy Act, Residents Voting Act, und Recall Act wird den Bürgern die Volksabstimmung, der Volksentscheid und der Recall gewährleistet. Beispielsweise ist in § 14 Local Autonomy Act die Bürgerabstimmung normiert. Danach ist der kommunale Regierungspräsident befähigt, über erheblich finanziell belastende Aufgaben oder Aufgaben, die wichtige Auswirkungen auf die Bürger haben, mit Ausnahme von staatlich beauftragten Angelegenheiten, abstimmen zu lassen. Im Zusammenhang mit Atomkraftwerken, Kernenergieanlagen, Laufzeitverlängerungen und der Geländewahl für neue Atomkraftwerke in Korea ist die Bürgerbeteiligung problematisch. Überlegungen zur Umweltgerechtigkeit und dazu, dass Atomkraftwerke überwiegend in benachteiligten Orten gebaut worden sind und daher zu Problemen wie Gesundheitsschäden, Ungleichbehandlungen und intensiven Umweltschäden in den betroffenen Orten geführt haben, müssen in der Wirklichkeit Resonanz finden. Aber die Realität sieht anders aus. Diese Aspekte gehören prinzipiell nicht zum Abstimmungsgegenstand, weil sie zu den staatlichen Angelegenheiten zählen. Die Bürgerbeteiligung fand daher lediglich formell ohne genügende Informationen statt. Des Weiteren versuchte die Zentralregierung die Probleme und die Gegenstimmen mit finanzieller Förderung zu beseitigen. Daher fungierte die Bürgerbeteiligung nicht als ein regulierendes Mittel von konkurrie-
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renden Interessen. Die Konflikte zwischen Bürgern und Regierung auf der einen Seite und zwischen der Landes- und der Zentralregierung auf der anderen Seite sind ungelöst geblieben. Man muss sich überlegen, wie die Probleme rund um Atomkraftwerke zu lösen sind. Erstens muss der Zugang zu den Informationen gewährleistet werden. Zweitens ist die tatsächliche Bürgerbeteiligung zu garantieren. Drittens sind die betroffenen Gesetze wie § 14 Local Autonomy Act zu reformieren.
I. Einführung Heute verbreitet sich ein Phänomen, bei dem sich Zentralstaaten durch Dezentralisierung stark den Bundesstaaten annähern. Es liegt daran, dass zwar Fragen des nationalen Interesses auf nationaler Ebene aktiv und positiv behandelt werden müssen, aber hinsichtlich der Effizienz der Verwaltung und des Wohls des Bürgers kommunale Fragen eher auf einer von der entsprechenden Landesregierung selbst verwalteten Ebene behandelt werden müssten. Obwohl in der koreanischen Verfassung schon immer die kommunale Selbstverwaltung geregelt war, führte sie lange Zeit ein Schattendasein. Einerseits waren in der Verfassung die Bestimmungen der Selbstverwaltung der Kommunen verankert, andererseits wurden aber die Voraussetzungen in den Zusatzbestimmungen nie erfüllt, wie z. B. das Verschieben der Kommunalparlamentsbildung bis zur Wiedervereinigung Koreas. Die jetzige Verfassung von 1987 sieht ohne zusätzliche Bestimmungen die kommunale Selbstverwaltung in Artikel 117 und 118 vor. Infolgedessen hat eine ernsthafte Diskussion von verschiedenen Seiten über die Verwirklichung der kommunalen Selbstverwaltung begonnen. Ein gestärktes Selbstverwaltungsrecht ist notwendig für die Weiterentwicklung der Kommunen. Die Verstärkung der kommunalen Autonomie, die nicht nur verfassungsrechtlich, sondern auch politisch legitim ist, dient zur Dezentralisierung des Landes. Nur so kann Korea die Probleme der extremen Zentralisierung von Seoul und der Aushöhlung ländlichen Raumes lösen. Insbesondere in demographischer und finanzieller Hinsicht ist es notwendig, die ganze Krise des ländlichen Raumes innovativ und ausgewogen zu bewältigen. Die Selbstverwaltung der Kommunen bietet dafür eine Antwort. Darüber hinaus können nationale Integration und nationale Wettbewerbsfähigkeit auf der Grundlage der lokalen Vielfalt hergestellt werden. Im Zusammenhang mit Atomkraftwerken, Kernenergieanlagen, Laufzeitverlängerungen und der Geländewahl für neue Atomkraftwerke in Korea fungiert die Bürgerbeteiligung nicht als ein regulierendes Mittel von konkurrierenden Interessen, da sie formell ohne genügend Informationen stattfindet. Hierbei handelt es sich prinzipiell nicht um einen geeigneten Abstimmungsgegenstand, weil das Thema zu den staatlichen Angelegenheiten gehört. Zudem versuchte die Zentralregierung, mit finanzieller Förderung die Probleme und Gegenstimmen zu beseitigen. Diskussionen über Umweltgerechtigkeitsfragen, dass Atomkraftwerke überwiegend in benachteiligten Orten gebaut worden sind und daher zu Problemen wie
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Gesundheitsschäden, Ungleichbehandlung und Umweltschäden in den betroffenen Orten geführt haben, sind in der Realität zu verwirklichen. In dem Artikel wird zuerst das verfassungsrechtliche Verständnis der Selbstverwaltung dargelegt, danach die rechtliche Struktur, die die Bürgerbeteiligung in den Fällen vom Anlagebau für niedriges Niveau des radioaktiven Abfalls, wie etwa dem Kernkraftwerkbau in Samchuk und bei der Verlängerung der Laufzeit des Kernkraftwerks Gori hat, erforscht. Zuletzt wird eine Reform der Verfassung und der relevanten Gesetze vorgeschlagen.
II. Das verfassungsrechtliche Verständnis über die Bürgerbeteiligung in der Kommunalverwaltung 1. Die ideologische Grundlage der Kommunalverwaltung Selbstverwaltung bedeutet, dass die Kommunen eigene autonome Einrichtungen organisieren und im Rahmen der Eigenverantwortung ihre eigenen Angelegenheiten ohne die Einmischung von staatlichen Institutionen verwalten. Sie basiert auf den Grundsätzen der Demokratie, der Souveränität und der vertikalen Gewaltenteilung. Wie in § 1 des Local Autonomy Act geschrieben ist, wird sich die Effizienz der Verwaltung erhöhen und die Demokratie des Landes entwickeln, indem die von den Bewohnern unmittelbar und direkt gewählte Stadtverwaltung eng mit den Bürgern zusammenarbeitet. Dadurch wird eine ausgewogene und demokratische Entwicklung des Landes und des Staates gefördert. Das Verfassungsgericht ist der Meinung, dass die Selbstverwaltung der Kommunen auf der Idee der ‚Wurzeldemokratie‘ fußt. Dem Gericht zufolge verwaltet die autonome Verwaltung des Landes öffentliche Aufgaben der Kommunen. Das bedeutet, dass die vertikale Gewaltenteilung die Balance zwischen der Zentralregierung und der Landesregierung schafft. Durch eine gemeinsame Verwaltung mit den Bürgern, die sich souverän an kommunalen Angelegenheiten beteiligen, werden die Bürger die Fähigkeit erwerben, die Demokratie auch auf staatlicher Ebene umzusetzen. Demokratie im Sinne der Verfassung bedeutet, dass nach dem Mehrheitsprinzip Entscheidungen getroffen werden und im Pluralismus die Minderheitsmeinung geschützt wird. 2. Verständnis für den Artikel der Selbstverwaltung a) Chronologische Darstellung der Änderung des Selbstverwaltungsartikels Zwar existierte die verfassungsrechtliche Garantie zunächst nur von 1952 – 1961. Mit dem Entstehen der Dritten Republik im Jahre 1963 wurde die kommunale Selbstverwaltung nicht verfassungsrechtlich gewährleistet. Die jetzige Verfassung von 1987 sichert aber endlich die Kommunenselbstverwaltung verfassungsrechtlich ab. Der die kommunale Selbstverwaltung durch einen nicht ausgefüllten Gesetzesvorbehalt verhindernde Verfassungszusatzartikel wurde gestrichen.
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Die kommunale Verwaltungsautonomie in Art. 117 und 118 beinhaltet die Selbstverwaltung der Kommunen an sich und die Selbstverwaltung durch die Bürger. Das Koreanische Verfassungsgericht ist auch der Meinung, dass die kommunale Verwaltungsautonomie sowohl die Bürgerautonomie, die von Bürgern verwaltet wird, als auch die Kommunenautonomie, die als ein Teil des Staates durch ein selbstständiges Institut verwaltet wird, umfasst. Die Anlehnung an die Theorie der Basisdemokratie und die Dezentralisierung des Staates in der Politik macht die Diskussion über die Kommunenselbstverwaltung elastischer und breiter. Die Entwicklung der Kommunenselbstverwaltung soll durch den Local Autonomy Act, das Gesetz zur Selbstverwaltung der Kommunen, den Residents Voting Act, das Gesetz zum Bewohner-Referendum, und den Recall Act, das Gesetz über die Rückrufaktion des Bürgers, eingeleitet werden. b) Kommunale Selbstverwaltung als Verständnis einer institutionellen Garantie Die Regelung der Selbstverwaltung in der Verfassung ist als institutionelle Garantie zu verstehen. Anderes als bei einem Grundrecht wird bei einer institutionellen Garantie der Kerngehalt einer Institution gewährt. Der Gesetzgeber hat einen freien Gestaltungsspielraum. Es wird vertreten, dass die Theorie der institutionellen Garantie ihre Bedeutung verloren hat, da der Kern der Verwaltungsautonomie sich direkt aus der Verfassung herleiten lässt. Die Verwaltungsautonomie sollte von dem Grundgedanken der Verfassung her auf höchstem Niveau gewährleistet werden. Das Verfassungsgericht nennt als Kern der Selbstverwaltung die Garantie der Kommunen, die Garantie der Funktion der Selbstverwaltung und die Garantie der Eigenangelegenheit. Obwohl das Gericht behauptet, dass die Bürgerbeteiligung für die Selbstverwaltung elementare Voraussetzung ist, erwähnt sie das Gericht nicht als Kerngehalt der Selbstverwaltung. Die Garantie für die Bürgerbeteiligung befindet sich damit auf niedrigem Schutzniveau. In einem Fall, in dem den betroffenen Bürgern beim Zusammenschluss von zwei Kommunen das Recht auf die Abstimmung gewährleistet werden sollte, verneinte das Verfassungsgericht das Bürgerabstimmungsrecht. Das Gericht erklärte, dass das Bürgerabstimmungsrecht kein Grundrecht, sondern ein Recht auf Grund eines Gesetzes sei. Sofern dafür noch keine gesetzliche Grundlage geschaffen sei, bestehen für die Bürger ausreichende Beteiligungsmöglichkeiten, wenn lediglich die Möglichkeit der Anhörung im Kommunenparlament, als ausreichende Partizipationsmöglichkeit zu betrachten sei. Weil der Gesetzgeber einen großen Gesetzgebungsspielraum für die institutionelle Garantie hat, gäbe es keinen Zwang, trotz der Gesetzesermächtigung im Local Autonomy Act ein Gesetz für das Bürgerabstimmungsrecht zu erlassen. Diese Entscheidung des Verfassungsgerichts ist wie folgt zu kritisieren: Versteht man die Selbstverwaltung als eine institutionelle Garantie, muss in diesem Fall ein Gesetz zur Bürgerabstimmung erlassen werden. Nach § 13-2 des
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Local Autonomy Acts alter Fassung ist der betroffene Direktor einer Kommune für die Bürgerabstimmung bei bestimmten Angelegenheiten zu bestimmen. Nämlich in den Fällen des Abschaffens, Dividierens, Zusammenschließens, Eingliederns einer Kommune und für Eigenangelegenheiten, die die Bürger übermäßig finanziell belasten oder die erheblichen Einfluss auf sie ausüben, ist die Bürgerabstimmung vorgesehen. Im selben Artikel steht, dass Näheres für die Bürgerabstimmung durch ein Gesetz zu bestimmen ist. Dem Verfassungsgericht zufolge ist die Existenz des Bürgerabstimmungsrechts vom Gesetzgeber abhängig, da es kein Kerngehalt der Selbstverwaltung ist, und daher der Gesetzgeber einen großen Freiraum hat. Trotz des Gesetzesvorbehalts ist der Gesetzgeber nicht pflichtig. Da aber der Local Autonomy Act den Gesetzgeber zum Erlass eines Gesetzes zum Bürgerabstimmungsrecht ermächtigt, besteht für den Gesetzgeber die Pflicht, ein solches Gesetz zu erlassen. Denn nur so kann der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum bezüglich des Bürgerabstimmungsgesetzes nutzen. Sein Freiraum ist insofern nur auf die Umsetzungsdetails begrenzt. Zweitens ist die Teilnahme von Bürgern für Eigenangelegenheiten auf der Kommunenebene unabdingbar. Die Verfassung normiert als eine Eigenangelegenheit der Kommunen die Wohlfahrt der Bürger. Die Bürgerautonomie ist im Zusammenhang mit der Verwaltungsautonomie zu sehen. Anders als auf der weiten Zentralebene ist die Mitwirkung von aktiven, teilhabenden Bürgern an der Kommunenverwaltung als ein Kerngehalt anzusehen. Hinsichtlich des Abschaffens, dem Zusammenschließens von Kommunen etc. muss den Bürgern ein Abstimmungsrecht eingeräumt werden, weil es um die Identitätswahrung geht. Die Betroffenen sollen über das Schicksal selbst bestimmen können. Die rechtsunverbindliche Anhörung im Kommunenparlament reicht hierzu nicht aus. In den Fällen des § 14 Local Autonomy Act neue Fassung ist auch die Abstimmung des Bürgers unentbehrlich. Zwar steht im Artikel, dass der betroffene Direktor der Kommune ein Ermessen für die Bürgerabstimmung hat. Aber in den Fällen von finanziell erheblich belastenden oder folgenschweren Angelegenheiten sind seinem Spielraum enge Grenzen gesetzt und muss er die Abstimmung durchführen. Nur eine Möglichkeit der Anhörung im Kommunenparlament reicht nicht aus. 3. Die Gewährleistung der Bürgerbeteiligung in den Gesetzen Das Selbstverwalten durch den souveränen Bürger macht den Kerngehalt der kommunalen Verwaltungsautonomie aus, der vor dem Eingriff seitens der gesetzgebenden Gewalt und der zentralen Regierung geschützt werden sollte. Die Bürgerbeteiligung ist eine unentbehrliche Voraussetzung. Die Art und Weise der Bürgerbeteiligung ist vielfältig. Zwei tragende Säulen sind die Bürgerteilnahme und die Bürgerteilhabe. Für die Erstere sind Anhörung, Empfehlung, Round Table usw. zu benennen, die keine Bindungswirkung für die kommunale Verwaltung hat. Letztere sind die Volksabstimmung, Volksentscheid, Volksinitiative und Recall,
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welche man als Elemente der direkten Demokratie versteht. Sie haben eine bindende Wirkung für die kommunale Verwaltung. Die Partizipationsdemokratie, die die repräsentative Demokratie ergänzen solle, kann nur verwirklicht werden, wenn als unabdingbare Voraussetzung die aktive Beteiligung von Bürgern möglich ist. Dabei ist es wichtig, den Bürgern die faktische Einflussnahme zu gewährleisten. Um dies sicherzustellen, wurden Gesetze wie der Local Autonomy Act, Residents Voting Act, Residents Recall Act erlassen. Allerdings behindert die rechtliche Struktur die Beteiligung bei den kommunalen Angelegenheiten erheblich. Es ist auch problematisch, dass die Kommunen vom Staat übertragene Aufgaben, die ca. 70 % der ganzen kommunalen Aufgaben ausmachen, verrichten. Bürger haben keine Chance, sich an staatlich übertragenen Angelegenheiten mit einer Abstimmung zu beteiligen. Das Abstimmungsrecht des Bürgers für die Angelegenheiten der Kommunen, die den Bürger übermäßig finanziell belasten oder erheblichen Einfluss ausüben, ist für staatlich übertragene Aufgaben nicht gegeben. Bei übertragenen Angelegenheiten liegt die Entscheidung über eine Abstimmung bei der Zentralregierung. Nur wenn die Zentralregierung das Meinungsbild der Bevölkerung für wichtig hält, wird der zuständige Kommunendirektor sie durchführen. Allerdings ist das Ergebnis wiederum rechtlich unverbindlich. Diese Struktur macht es sehr schwer, die Selbstverwaltung durch eine souveräne Bürgerbeteiligung an Kommunalangelegenheiten zu ermöglichen und dadurch die vertikale Gewaltenteilung und die Balance zwischen der Zentralregierung und der Landesregierung zu realisieren sowie die Demokratie des Staates zu fördern.
III. Die Garantie der Bürgerbeteiligung an Kernkraftwerkfragen Die Überlegungen zur Umweltgerechtigkeit begannen in Amerika mit dem Umstand, dass Schichtenbildung, Lebensorte und die wirtschaftliche Lage auf die Einwirkung der Umweltverschmutzung Einfluss nehmen sollten. Umweltgerechtigkeit bedeutet, dass jeder unabhängig von Ethnie, Kultur, Volk, wirtschaftlicher Lage und Schicht usw. vor Umweltgefahren geschützt wird und alle Mitbürger der Gemeinschaft die Gefahren der Umweltverschmutzung und der gesundheitlichen Schäden gleich verteilt tragen. In Korea muss man sich jetzt darüber Gedanken machen, dass Atomkraftwerke überwiegend in benachteiligten Orten gebaut worden sind. Es sind 23 Kernenergiekraftwerke in Betrieb. Zusammen mit den geplanten Kernenergiekraftwerken werden es insgesamt 42 Kernenergiekraftwerke sein. 36 Anlagen davon befinden sich an der Ostküste. Daher bestehen in betroffenen Orten intensive Probleme wie Gesundheitsschäden, Ungleichbehandlung und Umweltschäden. Die Umweltgerechtigkeit muss in den Gesetzen und in der Wirklichkeit Beachtung finden.
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1. Rechtliche Struktur der Bürgerbeteiligung für die Kernkraftwerkbranche a) Local Autonomy Act § 11 bestimmt Folgendes: Lokale Regierungen dürfen keine staatlichen Angelegenheiten regeln, die unter einem der folgenden Buchstaben stehen: Dies gilt jedoch nicht, wenn es durch andere Gesetze vorgeschrieben ist: 7. Angelegenheiten, die für die technologischen und finanziellen Möglichkeiten der Kommunen, wie Inspektionen, Tests, Forschung, Luftverkehrsverwaltung, meteorologische Verwaltung, der Entwicklung der Kernenergie usw., ungeeignet sind, oder Angelegenheiten, für die eine ausgereifte Technik erforderlich ist. b) Electric Source Development Promotion Act § 5-2 regelt die Anhörung des betroffenen Unternehmens wie folgt: Nach Abs. 1 beabsichtigt der elektrische Quellenentwickler, die Genehmigung des Ausführungsplans oder die Genehmigung für die Änderung zu erhalten, welche in Artikel 5 genannt sind. Er/ Sie muss vor der Einreichung eines Antrags auf Zulassung oder Genehmigung für eine Änderung die Meinungen der Bewohner und von Spezialisten usw. hören. Dies geschieht durch die Anhörung des betroffenen Unternehmens und durch die Durchsicht des Geschäftsführungsplans. Es gilt nicht für folgende Fälle: 1. Wo die Meinungen der Bewohner usw. bereits im Rahmen anderer Gesetze und untergeordneten Gesetze konvergent war; 2. wo die Verteidigung nationaler Geheimnisse erforderlich ist; 3. wo die Projektgröße vom Ausführungsplan oder die Länge der Linien im Rahmen der 30/100 geändert wurde; 4. für die Fälle, in denen Unternehmen die Grundstücke etc., auf dem die elektrische Quelle installiert ist, erwerben, oder für Unternehmen das Nutzungsrecht zu sichern ist. c) Nuclear Safety Act Nach § 103 (1) sollte die Meinung von Bürgern gehört werden: Jede Person, die beabsichtigt, eine Genehmigung und eine Lizenz oder eine Genehmigung gemäß Artikel 10 (1) oder (3) oder (3), Artikel 20(2) oder Artikel 63(2) zu erhalten, muss bei der Erstellung des Radioumweltfolgeneinschätzungsberichts im Sinne von (3), durch eine Durchsicht eines Entwurfes des Radioumweltfolgeneinschätzungsberichtes oder durch eine Verfügung öffentlicher Anhörungen, die Meinungen der Bewohner innerhalb des von der Kommission vorgeschriebenen Rahmens hören. Die Meinung der Bürger spiegelt sich im Inhalt des Umweltfolgen
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einschätzungsberichts wider. In solchen Fällen, in denen es eine Nachfrage der Bewohner im Rahmen von Präsidialverordnungen gibt, oder der Direktor der Kommunen dies verlangt, muss eine öffentliche Anhörung usw. stattfinden. 2. Abstimmung über den Ort für den Anlagenbau von niedrigem radioaktiven Abfall 2003 hat in Buan eine Bürgerabstimmung, die nicht vom Gesetz vorgesehen war, sondern von den Bürgern durchgeführt wurde, hinsichtlich der Standortauswahl einer Anlage für niedrigen radioaktiven Abfall stattgefunden. Nachdem 91.8 % der Bevölkerung gegen die Anlage stimmten, wechselte die Zentralregierung ihre Strategie. 2005 wurde das Gesetz Special Act on Assistance to the Locations of Facilities for Disposal Radioactive Waste erlassen, in dem neben der Bürgerabstimmung das Sonderunterstützungsgeld von 30.000 Mil. und andere finanzielle Ausgleiche eingeführt worden sind. Dieser Fall zeigte, dass die finanzielle Sonderunterstützung die Bürgerabstimmung beeinflusst hat. Vier unterentwickelte Provinzen stellten daraufhin den Antrag für den Bau. Es begann ein fieberhafter Wahlkampf, da sich die Standortauswahl nach dem Abstimmungsergebnis richtete. So wurde Kyungju zum Anlagenstandort. Diese Form der Bürgerabstimmung verlief in vielerlei Hinsicht problematisch. Notwendige Voraussetzungen für die Bürgerbeteiligung wie Information, Anhörung, Round Table, Erklärung und egalitäre Teilnahme an der Verhandlung usw. wurden nicht erfüllt. Zielstrebig versuchten vier Städte die höchsten Zustimmungsraten zu erreichen. Auffällig ist, dass in vier Provinzen Beamte organisatorisch für die Abstimmung arbeiteten, obwohl dies nach Art. 21 des Bürgerabstimmungsgesetzes verboten ist. Mit der Bürgerabstimmung wurde somit die Behauptung der Zentralregierung legitimiert, dass der Ort nach dem Willen der Bürger gewählt worden sei. Einer Umfrage von 12.2008 zufolge stimmten 44,74 % (200 P.) für diese Anlage, 38,92 % (174 P.) dagegen, während 16,33 % (73 P.) sich enthielten. 3. Bürgerabstimmung gegen neuen Kernkraftwerkbau in Samcheok Am 9.10.2014 hatte in Korea erstmals eine Bürgerabstimmung gegen das neue Kernkraftwerk in Samcheok stattgefunden. Es war ein großer Erfolg für die Atomkraftwerksgegner. Zwar hatten die Bürger der Stadt Samcheok der Antragstellung zugestimmt, damit die Stadt sich an der Auswahl des neuen Kernkraftwerkbauortes beteiligen konnte. Doch verlangte die Bevölkerung eine Untersuchung der Geeignetheit des Kernkraftwerkbaus, die durch die Abstimmung beschlossen werden sollte. Die Abstimmung fand aber nicht statt. Die Zentralregierung wählte nach dem Untersuchungsergebnis über die Ortsauswahl eine Kommission. Die für Wasserkraft und Kernenergie zuständige An-
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stalt Koreas wählte jedoch Samcheok als Ort für das neue Kernkraftwerk aus und sollte es auch betreiben. Das Auswahlverfahren wurde binnen einer Stunde durchgeführt. Am 9.10.2014 fand die Bürgerabstimmung im Zusammenhang mit der Ortswahl für das neue Kernkraftwerk statt. Die absolute Mehrheit war gegen das neue Kernkraftwerk. Die Angelegenheit ist noch nicht erledigt. Denn die Zentralregierung ist der Meinung, dass der Bau des Kernkraftwerks eine staatliche Angelegenheit sei und daher nicht Gegenstand der Abstimmung sein könne. Sie ist weiter der Ansicht, dass das Abstimmungsergebnis nicht bindend sei und das Kernkraftwerk in Samchuk gebaut werden müsse.
IV. Schlussfolgerung: Vorschläge für die Verwirklichung der Bürgerbeteiligung Für die Verwirklichung der Selbstverwaltung der Kommunen ist die Bürgerbeteiligung, die den Kern der direkten Demokratie ausmacht, eine unabdingbare Voraussetzung. Nach der Basisdemokratie fördert die Verstärkung der kommunalen Selbstverwaltung die Demokratie des Landes, weil ein Staat aus solchen demokratischen Kommunen zusammengesetzt ist. Ein Bürger, der souverän an den Angelegenheiten auf ländlicher Ebene teilnimmt, wird demokratische Erfahrungen sammeln. Außerdem wird durch die vertikale Gewaltenteilung die Balance zwischen der Zentralregierung und der Landesregierung geschaffen. Im Zusammenhang mit dem Atomkraftwerkbau bzw. Anlagenbau für niedrigen radioaktiven Abfall sieht man die Schattenseite der Bürgerabstimmung Koreas. Nach der Analyse kann man feststellen, dass nicht die Abstimmung an sich das Ziel sein kann. Noch wichtiger ist, dass das Verfahren offen, vorsichtig, rücksichtsvoll und rechtmäßig in Gang gebracht wird. Weiterhin müssen die Voraussetzungen wie ausreichende Informationen, Anhörung etc. erfüllt werden. Es besteht ansonsten die Gefahr, dass die Abstimmung nicht als Konvergenzmittel, sondern als Legitimationsmittel der Zentralregierung fungiert. 1. Die Änderung von Artikel 117, 118 der Verfassung 1. Die kommunale Selbstverwaltung muss durch eine Verfassungsänderung in die Verfassung Eingang finden. 2. Anstatt der jetzigen Bestimmungsform, die den wichtigen Inhalt der Selbstverwaltung mit einem Vorbehalt dem Gesetzgeber überlassen hat, müssen wichtige Bestandteile der Selbstverwaltung, wie z. B. die direkte Wahl des Kommunendirektors, die Struktur und die legislative Autonomie des Kommunenparlaments in der Verfassung klar beschrieben werden. 3. Wenn man am strikten Verständnis des Verfassungsgerichts über die institutionelle Garantie der Kommunenselbstverwaltung festhält, wäre es sinnvoll,
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als Kerngehalt der Selbstverwaltung neben der Kommunenautonomie auch die Bürgerautonomie in die Verfassung aufzunehmen. 2. Die Änderungen des Local Government Act 1. Die staatlichen Angelegenheiten, die von der Bürgerbeteiligung ausgeschlossen sind, sind zu reduzieren. Die 70 % der vom Staat übertragenen Aufgaben, die nicht Gegenstand der Bürgerabstimmung sind, lassen den Kommunen zu wenig Spielraum. Dies wirkt hemmend für die Selbstverwaltung. 2. Um die legislative Autonomie zu erweitern, wäre es möglich, konkurrierende Gesetzgebungskompetenzen zu schaffen. 3. Das Ermessen für das Arrangieren der Bürgerabstimmung des Kommunendirektors nach § 14 muss geändert und in den Fällen von finanziell erheblich belastenden oder folgenschweren Angelegenheiten den Bürgern ein Abstimmungsrecht gewährleistet werden. 3. Die Änderung des Referendum Act 1. § 7 (1) erlaubt zu viele Ausnahmen. Bspw. stecken die vom Staat beauftragten Angelegenheiten, die nicht Gegenstand der Abstimmung sind, dem Abstimmungsrecht des Bürgers einen sehr engen Rahmen. Der Bau bzw. die Verlängerung der Laufzeit eines Atomkraftwerks und der Anlagenbau für niedrigen radioaktiven Abfall ist zwar staatliche Aufgabe, aber er übt auf die betroffenen Kommunen und Bürger großen Einfluss aus. Unter der jetzigen rechtlichen Struktur haben Bürger und Kommunen außer der Anhörung und der Erklärung keine Möglichkeit daran teilzunehmen. In solchen Fällen muss das Abstimmungsrecht für die Bürger gewährleistet werden. 2. Nach § 8 kann die Zentralregierung vom Kommunendirektor für die übertragenen Aufgaben immer die Bürgerabstimmung verlangen, wenn sie es für nötig hält. Das Ausmaß von übertragenen staatlichen Aufgaben ist unbestimmt. Dagegen kann die Kommunenverwaltung und das Kommunenparlament nichts unternehmen, wenn die Landesregierung es fordert. Die Abstimmungsforderung der Zentralregierung muss im Sinne von § 14 des Local Autonomy Act begrenzt werden. In solchen Fällen muss dem betroffenen Kommunenparlament das Zustimmungsrecht gegeben werden. 4. Garantie der Öffentlichkeit und Egalität Die wichtigsten Voraussetzungen der Bürgerbeteiligung und -abstimmung sind klare und umfangreiche Informationen, die es den betroffenen Bürgern ermöglichen, teilzunehmen, zu beratschlagen und Vereinbarungen zu treffen. Betreffend die Kernenergie ist es aber nicht leicht, sich zu informieren. Kernenergieinforma tionen sind bisher für die Öffentlichkeit bis auf wenige Informationen geheim ge-
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halten, weil sie zu den berechtigten Interessen des Unternehmers oder der nationalen Sicherheit gehören. Nach § 9 des Gesetzes zur Veröffentlichung der amtlichen Informationen werden sie nicht veröffentlicht. Aber für Informationen, die für Leben, körperliche Sicherheit und Eigentum eine wichtige Bedeutung haben, ist die Ausnahme des § 9 des obigen Gesetzes gegeben. Sie sollten daher veröffentlicht werden. 5. Die Aktivierung der Bürgerbeteiligung Wenn Bürger den kommunalen Angelegenheiten die kalte Schulter zeigen, kann die Selbstverwaltung nicht gelingen. Es ist daher wichtig, das Interesse und die Neugier von Bürgern mit vielfältigen Maßnahmen zu wecken. Das Ergebnis der Anhörung, Unterschriftensammlung usw. ist zwar nicht bindend, aber die Verwaltung wird darauf Rücksicht nehmen. Nach der Regelung des Gesetzes zur Förderung der Elektrizitätsentwicklung muss ein Unternehmer vor der Antragstellung zur Genehmigung der Anhörung, der Besichtigung des Verwirklichungsplans usw. die Meinung von Bürgern und Experten hören. Aber laut der Ausnahmebestimmung ist die Anhörung entbehrlich, wenn es um das Geheimnis der Verteidigung geht, was als problematisch zu betrachten ist Problematisch ist auch das Durchsichtsrecht der Bürger zum Umweltfolgeneinschätzungsbericht, weil es sich dabei nur um den Entwurf des Unternehmers handelt.
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Abstimmungsmöglichkeiten der Bürger/-innen im Kontext von Bauleitplänen und Planungsvorhaben Abstimmungsmöglichkeiten im Kontext von Bauleitplänen
Von Hee-Gon Kim Hee-Gon Kim
I. Einleitung Ausgelöst durch die Proteste in den Jahren 2003 – 2004 rund um das Vorhaben, ein Lager für Atommüll in der südkoreanischen Küstenstadt Buan zu errichten, entbrannte in ganz Korea eine Debatte darüber, ob derartige hoheitliche Entscheidungen Gegenstand eines Bürgerbegehrens mit anschließenden Bürgerentscheid werden und dadurch einer Bürgerabstimmung1 zugeführt werden könnten. In Deutschland haben sich Bürgerabstimmungen in Form des Bürgerbegehrens und des Bürgerentscheids seit den achtziger und neunziger Jahren bundesweit als besondere Form der demokratischen Mitwirkung durchgesetzt. In Korea wurden anlässlich der Proteste von Buan (7.2003 – 2.2004) im Bürgerabstimmungsgesetz im September des Jahres 2004 auf Grundlage des Art. 14 des koreanischen Kommunalgesetzes2 einzelne Aspekte der Bürgerabstimmung, wie dessen zulässiger Gegenstand oder dessen Verfahren, spezifisch geregelt. Die Koreanische Verfassung (KV) sieht ein System mittelbarer Demokratie in Form der repräsentativen Demokratie vor. Art. 72 KV regelt die Möglichkeit der Durchführung einer Volksabstimmung auf nationaler Ebene, jedoch nicht die einer Bürgerabstimmung auf kommunaler Ebene. Hier stellen sich die Fragen, ob das in Art. 118 KV niedergelegte Demokratieprinzip der Einführung von Bürgerabstimmungen im koreanischen Kommunalrecht entgegensteht, ob die Bauleitplanung oder Planungsvorhaben Gegenstände einer Bürgerabstimmung sein können und inwieweit Sachverhalte, die grundsätzlich einer hoheitlichen Entscheidung unterliegen, einer Bürgerabstimmung zugänglich sind.
1 In den deutschen Gemeindeordnungen sowie der deutschen Rechtswissenschaft wird zwischen Bürger- (oder Einwohner-)begehren und Bürgerentscheid unterscheiden. Es scheint mir, dass der in der rechtswissenschaftlichen Literatur oft verwendete Begriff (Bürger-)Abstimmung sich auf beide Abstimmungsarten bezieht. 2 Am 16.3.1994 wurde das System des Bürgerentscheids als ein Recht des Bürgers im koreanischen Kommunalgesetz eingeführt.
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In diesem Aufsatz werden zunächst die Bürgerabstimmung und das koreanische System repräsentativer Demokratie hinsichtlich der Einführung von Elementen unmittelbarer Demokratie in die Koreanische Verfassung, zweitens, Abstimmungsmöglichkeiten der Bürger/-innen bei Bauleitplänen und Planungsvorhaben, drittens, die hiermit verbundenen Probleme sowie zu deren Lösung einige Verbesserungsvorschläge erläutert.
II. Der Bürgerentscheid und das repräsentative System 1. Begriff und Bedeutung des Bürgerentscheids Das Bürgerbegehren mit anschließendem Bürgerentscheid gilt als deutlichster Ausdruck unmittelbarer demokratischer Mitwirkung der Bürger an der Ausübung von Staatsgewalt auf der kommunalen Ebene.3 Das Bürgerbegehren selbst ist auf die Herbeiführung eines Bürgerentscheides, d.h. einer allgemeinen Abstimmung in der Gemeinde gerichtet. Es ist an die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen gebunden (z. B. Schriftform, Quorum, Begründung) und bedarf der Zulassung durch die Gemeindevertretung.4 Bei einem Bürgerentscheid wird über eine wichtige Gemeindeangelegenheit von den Bürgern in geheimer Abstimmung an Stelle der gewählten Vertretung selbst entschieden.5 Er gehört zu den Mitteln unmittelbarer Demokratie und bewirkt ein Mehr an echter politischer Partizipation der (Gemeinde-)Bürger. Darüber hinaus ist er geeignet, die inhaltliche Qualität der Willensbildung (in der Gemeinde) zu verbessern.6 Bürgerbegehren und Bürgerentscheid sollen die Stellung der Gemeindevertretung als politisches Führungs- und Hauptorgan nicht aushebeln. Deshalb darf über bestimmte Angelegenheiten, die in den Gemeindeordnungen näher bezeichnet sind, kein Bürgerentscheid stattfinden (Bürgerentscheidfähigkeit)7. 2. Das repräsentative System und der Bürgerentscheid Nach Art. 1 Abs. 2 KV geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. Gleichermaßen schreibt die koreanische Verfassung vor, dass die gesetzgebende Gewalt dem Parlament, die vollziehende Gewalt der Regierung mit dem Präsidenten an der Spitze und die rechtsprechende Gewalt den Gerichten mit Richtern überlassen ist. Die
Rolf Stober/Winfried Kluth, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl., 2010, § 97 Rn. 174. Rolf Stober, Kommunalrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., 1996,§ 8 I 3b cc. (S. 121 f.). 5 Albert von Mutius, Kommunalrecht, 1996, Rdn. 589 f.; Rolf Stober, a. a. O., § 8 I 3b cc. (S. 121). 6 Alfons Gern, Deutsches Kommunalrecht, 3. Aufl., 2003, § 11 Rn. 587; Hans Herbert von Arnim, Möglichkeiten unmittelbarer Demokratie auf Gemeindeebene, DÖV 1990, S. 86. 7 Rolf Stober, a. a. O., § 8 I 3b cc. (S. 122). 3 4
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Abgeordneten des Parlaments und der Präsident werden in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer, geheimer und freier Wahl gewählt. Es entspricht daher der allgemeinen Ansicht, dass die Koreanische Verfassung grundsätzlich keine unmittelbare Demokratie, sondern eine mittelbare Demokratie in einem repräsentativen System vorsieht.8 Lediglich Art. 72 KV enthält als ein Element unmittelbarer Demokratie die Möglichkeit der Durchführung einer Volksabstimmung (bzw. eines Volksentscheids). Nach herrschender Auffassung sieht die Koreanische Verfassung das System der repräsentativen Demokratie als den Grundsatz und die Anwendung direktdemokratischer Elemente als die Ausnahme an.9 Art. 117 KV garantiert die institutionelle (kommunale) Selbstverwaltung10 und Art. 118 KV schreibt vor, dass alle Gemeinden ein kommunales Willensbildungsorgan (einen Gemeinderat) haben müssen. Die Verfassung enthält jedoch keine Regelung über den Bürgerentscheid als Element direkter Demokratie. Nach Art. 31 des Koreanischen Kommunalgesetzes werden die Abgeordneten des kommunalen Willensbildungsorgans (Gemeinderat) in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl gewählt. Es enthält in Art. 14 daneben das Recht des Bürgers, an einer Bürgerabstimmung teilzunehmen. Auf Grundlage des Art. 14 des koreanischen Kommunalgesetzes wurde nunmehr das Bürgerabstimmungsgesetz geschaffen, welches genaue Regelungen über z. B. den Gegenstand oder das Verfahren des Bürgerbegehrens mit anschließendem Bürgerentscheid enthält. Hier stellt sich die Frage, ob das in Art. 118 KV niedergelegte Demokratieprinzip der Regelung einer Bürgerabstimmung im koreanischen Kommunalrecht entgegensteht. Nach herrschender Auffassung widerspricht das Vorhandensein einer Bürgerabstimmung im koreanischen Kommunalrecht nicht dem System der repräsentativen Demokratie. Eine Bürgerabstimmung stelle keine Ersetzung, sondern bloß eine Ergänzung des Systems der repräsentativen Demokratie dar. Ich bin gleichfalls der Überzeugung, dass eine Bürgerabstimmung im koreanischen Kommunalgesetz nicht der in Art. 118 KV niedergelegten Entscheidung für das System der repräsentativen Demokratie entgegensteht. Zum einen enthält die KV selbst mit der Volksabstimmung ein Element unmittelbarer Demokratie als Ergänzung des Systems der repäsentativen Demokratie. Zum anderen gewährleistet die Koreanische Verfassung die kommunale Selbstverwaltung. Dem Gedanken,
Soo Ung Han, Verfassungslehre, 2011, S. 110. usw. Nak In Seong, Verfassungslehre, 2011, S. 143; Soo Ung Han, a. a. O., S. 110 ff. 10 Als der wesentliche Inhalt der institutionellen (kommunalen) Selbstverwaltung gelten: die institutionelle Rechtssubjektsgarantie, die objektive Rechtsinstitutionsgarantie und die subjektive Rechtsstellungsgarantie, vgl. Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 2. Aufl., 1984, 12 II 4b (S. 409); Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd. II, 2. Aufl., 2006, Rn. 99-109 (S. 652 – 657). 8 9
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die örtlichen Angelegenheiten eigenständig zu regeln, entspricht es, hierzu auch die Möglichkeit zu eröffnen, dies durch Elemente direkter Demokratie zu tun.11 Das koreanische Verfassungsgericht (KVerfG) sieht die Möglichkeit zur Durchführung von Bürgerabstimmungen zwar als nicht in der Verfassung begründet, jedoch durch ein Gesetz begründbar an.12 Für die Möglichkeit der Durchführung von Bürgerabstimmungen stellt daher das Vorhandensein einer gesetzlichen Regelung eine scharfe Grenze dar.
III. Abstimmungsmöglichkeiten der Bürger/-innen im Kontext von Bauleitplänen und Planungsvorhaben 1. Die Abstimmungsmöglichkeiten der Bürger/innen auf den verschiedenen Ebenen a) Auf Staats- oder Bundesebene (1) Deutschland In Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG ist die Entscheidung des Verfassungsgebers für das Modell der repräsentativen Demokratie niedergelegt: Die Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und „Abstimmungen“ durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. Die ausdrückliche Benennung der „Abstimmungen“ in Art. 20 Abs. 2 S. 2 Var. 2 GG zeigt, die Möglichkeit auf, das im Grundgesetz vorgesehene System repräsentativer Demokratie um direktdemokratische Elemente zu ergänzen. In der deutschen Rechtswissenschaft ist jedoch umstritten, ob hierfür eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich ist. Manche halten für eine solche Einführung eine einfachgesetzliche Regelung der Abstimmungen für ausreichend.13 Nach über11 In diesem Zusammenhang erläutert Eberhard Schmidt-Aßmann wie folgt: Die Verfassungsmäßigkeit des Instituts ist mit Hinweis auf die Repäsentativfunktion des Gemeinderates zwar bezweifelt worden, im Ergebnis ist gegen den Bürgerentscheid jedoch nichts einzuwenden, weil die lokale Ebene weiteren Formen unmittelbarer Demokratie aus der Natur des Selbstverwaltungsgedankens eher zugänglich ist als die höheren Ebenen. Eberhard Schmidt-Aßmann, Kommunalrecht in: ders (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 13. Aufl., 2005, 1. Kap IV 3 b Rn. 91. 12 KVerfG, vom 22.12.2005, Az: 2004Hunma530; KVerfG, vom 28.6.2001, Az: 2000Hunma735; Nam Jin Kim/Yeon Tae Kim, Verwaltungsrecht II, 2011, S. 88; Dong Hee Kim, Verwaltungsrecht II, 2015, S. 62; Kyun Sung Pak, Verwaltungsrecht II, 2015, S. 90. 13 Dafür Bugiel, Volkswille und repräsentative Entscheidung, 1991, S. 112 ff.; Windhorst, in: Gröpl/Windthorst/von Coelln, Studienkommentar zum Grundgesetz, 2013, Art. 20 Rn. 53 ff.; Annette Guckelberger, Abstimmungsmöglichkeiten der Bürger/-innen im Kontext von Bauleitplänen und Planungsvorhaben, in: „Gestaltung des städtischen Raums“ 7. Koreanisch-deutsches Symposium zum Verwaltungsrechtsvergleich, 97. wissenschaftliches Symposium der KPLLA am 14. März 2015 in Seoul, S. 39.
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wiegender Auffassung14 setzen Abstimmungen auf der Bundesebene jedoch eine entsprechende Regelung in der Verfassung d.h. eine Änderung des Grundgesetzes voraus.15 Meines Erachtens hängt es von der staatlichen Ebene, auf welcher direktdemokratisch abgestimmt werden soll, ab, ob eine Änderung des Grundgesetzes notwendig ist. (2) Korea Art. 72 der koreanischen Verfassung garantiert die Möglichkeit der Durchführung von Volksabstimmungen (bzw. eines Volksentscheids): Der Präsident kann, sofern dies notwendig sein sollte, eine Volksabstimmung über wichtige politische Fragen der Diplomatie, der Verteidigung, der Wiedervereinigung und anderer Staatsziele durchführen lassen. Aufgrund des Art. 72 KV wurde ein koreanisches Gesetz über Volksabstimmungen geschaffen, in welchem z. B. die Volksabstimmungsberechtigten, das Volksabstimmungsgebiet, das Volksabstimmungsberechtigtenbuch, die Anzeige der Volksabstimmungsentwürfe, das Verfahren der Volksabstimmung, den Tag der Volksabstimmung, die Feststellung des Ergebnisses der Volksabstimmung, die Möglichkeiten der gerichtlichen Überprüfung einer Volksabstimmung, die Wiederholung einer Volksabstimmung usw. Meines Erachtens ist eine Änderung der Koreanischen Verfassung dafür nötig, neue direktdemokratische Elemente neben der Volksabstimmung, z. B. eine Volksinitiative, in die Koreanische Verfassung einzuführen. b) Auf Landesebene In den Landesverfassungen werden Volksabstimmungen bei der Ausübung von Landesstaatsgewalt in weitergehendem Maße zugelassen. Da sich die bestehenden Verfassungsnormen meistens auf die sog. Volksgesetzgebung beschränken, müssen erst die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen für die Durchführung landesweiter Abstimmungen über exekutive Maßnahmen geschaffen werden.16 Wie das Bundesverfassungsgericht entschied, können die Länder mit Blick auf ihre Eigenstaatlichkeit ihre Verfassungen selbstständig ausgestalten, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist.17 Ihnen obliegt die Entscheidung darüber, unter welbei Guckelberger, VerwArch 106 (2015) I.E.; Annette Guckelberger, a. a.O. S. 39. 15 Unter Berufung auf die herrschende Meinung behauptet Prof. Guckelberger, dass schon zur Wahrung bestimmter Anforderungen des Demokratieprinzips und aus Rücksichtnahme auf andere Verfassungsgüter solche Abstimmungen einer näheren rechtlichen Ausgestaltung bedürfen. Annette Guckelberger, a. a. O., S. 39. 16 Guckelberger, a. a. O., S. 51. 17 BVerfGE 4, 178, 189. 14 Nachweise
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chen Voraussetzungen und mit welchen Inhalten Volksbegehren und Volksentscheide zulässig sein sollen.18 Da Korea ein einfacher Staat und kein Bundesstaat ist, gab es derartige Erörterungen dort bislang nicht. c) Auf kommunaler Ebene (1) Deutschland Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG schreibt vor, dass das Volk in den Ländern, Kreisen und Gemeinden eine aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangene Vertretung haben muss. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gewährleistet den Gemeinden das sog. Selbstverwaltungsrecht wie folgt: „Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.“ Das Bürgerbegehren und der Bürgerentscheid haben sich in den achtziger und neunziger Jahren bundesweit als besondere Form der demokratischen Mitwirkung durchgesetzt.19 Sie sind in den einzelnen Gemeindeordnungen auf unterschiedliche Weise ausgestaltet.20 Bevor aufgrund eines Bürgerbegehrens ein Bürgerentscheid durchgeführt werden kann,21 muss es eine Reihe von Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllen: In formeller Hinsicht bedarf es eines hinreichend bestimmten Antrags, eines Vorschlags zur Kostendeckung sowie eines gewissen Unterstützungsquorums usw.22 Die Unterstützungsquoren des Bürgerbegehrens schwanken zwischen 3% der Einwohner bei großen Städten in Bayern 23 oder NRW und 7% bei Gemeinden in 18
BVerfGE 60, 175, 208. Rolf Stober/Winfried Kluth, a. a. O., § 97 Rn. 174. 20 Vgl. Alfons Gern, a. a. O., § 11 Rn. 587; Rolf Stober/Winfried Kluth, a. a. O., § 97 Rn. 174. Prof. Guckelberger erwähnte wie folgt: Die direktdemokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten für die Bürger/innen sind im Moment auf der Gemeindeebene am weitesten ausgebaut. Soweit das Verfassungsrecht (der Abstimmung) nicht entgegensteht, handelt es sich bei der Frage der Einführung bzw. Erweiterung derartiger Abstimmungsmöglichkeiten um politische Entscheidungen. 21 In Deutschland ist umstritten, ob EU-Ausländer, die in der Kommune ihren Erstwohnsitz haben, bei Bürgerbegehren stimmberechtig sind. Nach einer Auffassung von Thorsten Ingo Schmidt, ist die Ausdehnung der Beteiligungsrechte der EU-Ausländer auf Abstimmungen jedenfalls europarechtlich und grundgesetzlich nicht geboten. Thorsten Ingo Schmidt, Kommunalrecht, 2. Aufl., 2014, § 17 Rn. 593. 22 Peter J Tettinger/Wilfried Erbguth/Thomas Mann, Besonderes Verwaltungsrecht, 11. Aufl., 2012, § 3 III 1, Rn. 109. 23 Das Unterstützungsquorum für ein Bürgerbegehren in Bayern beträgt (Art. 18a Abs. 6 GO): Bei Gemeinden mit bis zu 10.000 Einwohnern mindestens 10 v. H., bis zu 20.000 Einwohnern mindestens 9 v. H., bis zu 30.000 Einwohnern mindestens 8 v. H., bis zu 50.000 Einwohnern mindestens 7 v. H., bis zu 100.000 Einwohnern mindestens 6 v. H., bis 19
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Thüringen.24 Sie sind innerhalb einer bestimmten Frist zu erreichen. Für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens ist in der Regel25 der Gemeinderat zuständig.26 Unterstützungsquorum des Bürgerentscheides schwanken zwischen 10 % der Einwohner bei großen Städten in Bayern 27 oder NRW und 20 % bei kleinen Gemeinden in Türingen.28 Der erfolgreiche Bürgerentscheid hat die Wirkung eines Beschlusses der Vertretungskörperschaft (Gemeinderat).29 (2) Korea Art. 14 des koreanischen Kommunalgesetzes regelt die Bürgerabstimmung (sog. Bürgerentscheid). Auf dessen Grundlage regelt das Bürgerabstimmungsgesetz die an der Teilnahme eines Bürgerbegehrens Berechtigten, den Gegenstand des Bürgerbegehrens, das Unterstützungsquorum, das Verfahren der Bürgerabstimmung, dessen Wirkung usw. Bürgerbegehrensberechtigt sind alle Bürger ab Vollendung des 19. Lebensjahres. Das erforderliche Unterstützungsquorum für das Bürgerbegehren wird durch eine Satzung bestimmt und bewegt sich in dem Bereich von mindestens einem Zwanzigstel bis hin zu einem Fünftel der Bürgerbegehrensberechtigten. Über den Tag der Abstimmung entscheidet der Bürgermeister als Kommunalbehörde im Einvernehmen mit dem zuständigen Wahlausschuss. Das Begehren muss eine mit Ja oder Nein zu beantwortende Fragestellung beinhalten. Abgestimmt werden kann innerhalb des gesamten Gebiets der zuständigen Gemeinde. Bei einem Bürgerentscheid ist die gestellte Frage angenommen, wenn sie die Mehrheit der gültigen Stimmen auf sich vereinigt und die Anzahl der gültigen Stimmen mindestens ein Drittel der Stimmberechtigten beträgt. zu 500.000 Einwohnern mindestens 5 v. H., mit mehr als 500.000 Einwohnern mindestens 3 v. H. 24 Das Unterstützungsquorum für ein Bürgerbegehren in Thüringen beträgt (Art. 17a Abs. 1 ThürKO): sieben vom Hundert, höchstens aber 7.000 Stimmberechtigte. 25 Über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens entscheidet in Schleswig-Holstein die Kommunalaufsichtsbehörde, in Niedersachsen der Hauptausschuss und in den übrigen Ländern die Vertretungskörperschaft (Gemeinderat). Thorsten Ingo Schmidt, a. a. O., § 17 Rn. 596. 26 Max-Emanuel Geis, Kommunalrecht, 2. Aufl., 2011, § 10 Rn. 68. 27 Das Unterstützungsquorum für einen Bürgerentscheid in Bayern ist Folgendes (Art. 18a Abs. 12 GO): Bei Gemeinden mit bis zu 50.000 Einwohnern mindestens 20 v. H. bis zu 100.000 Einwohnern mindestens 15 v. H. mit mehr als 100.000 Einwohnern mindestens 10 v. H. 28 Das Unterstützungsquorum für einen Bürgerentscheid in Thüringen ist Folgendes (Art. 17 Abs. 6 ThürKO): Bei Gemeinden mit bis zu 10.000 Bürgern 20 von Hundert, mit bis zu 50.000 Bürgern 15 von Hundert, mit mehr als 50.000 Bürgern zehn vom Hundert. 29 Thorsten Ingo Schmidt, a. a. O., § 17 Rn. 599.
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Der erfolgreiche Bürgerentscheid verpflichtet den Bürgermeister und den Gemeinderat zum Treffen der für die Durchführung des Bürgerbegehrens notwendigen Maßnahmen. 2. Gegenstand der Abstimmung der Bürger/-innen a) Deutschland Bürgerbegehren können grundsätzlich nur über solche Angelegenheiten stattfinden, die zu den Aufgaben des eigenen Wirkungskreises der Kommune gehören.30 Voraussetzung des Bürgerentscheids ist nach den meisten Gemeindeordnungen, dass es sich um wichtige Gemeindeangelegenheiten handeln muss. Die Wichtigkeit einer Angelegenheit beurteilt sich nach ihrem Einfluss auf das Gemeinschaftsleben in der Kommune und ihren Auswirkungen auf den Gemeindehaushalt.31 In allen Gemeindeordnungen findet sich darüber hinaus ein Negativkatalog, in welchem − abschließend − die Angelegenheiten genannt sind, über die kein Bürgerentscheid durchgeführt werden darf.32 Zum Inhalt des Negativkatalogs gehören nach den meisten Gemeindeordnungen Weisungsaufgaben, Pflichtaufgaben, die Haushaltssatzung sowie die Feststellung der Jahresrechnung und des Jahresabschlusses der Gemeinde. Hier stellt sich die Frage, ob Bauleitpläne und Planungsvorhaben Gegenstand des Bürgerbegehrens werden können. Die kommunale Planungshoheit gehört als Ausfluss der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie der einzelnen Landesverfassungen33 und des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG quasi zu den Kardinalhoheiten der Gemeinden und somit unumstritten zum eigenen Wirkungskreis. Folglich sind Bürgerbegehren zulässig, die auf die Aufstellung, Änderung oder Aufhebung gemeindlicher Bauleitpläne mittels Bürgerentscheid abzielen.34 Ein Bürgerentscheid im Vorfeld der förmlichen Bauleitplanung ist zulässig. Dies gilt insbesondere für die Frage des „Ob“ einer Bauleitplanung, z. B. ob man einen bestimmten Bereich des Gemeindegebiets für die Gewerbeansiedlung öffnen soll. Derartige politische Grundsatzentscheidungen darüber, ob die Bürger für oder gegen derartige Planungsabsichten sind, sind geeignete Abstimmungsfragen.35 Wie weit der Landesgesetzgeber die Einführung des Bürgerbegehrens auf Bauleitpläne erstreckt, steht in seinem legislativen Ermessen.36 Es gibt deutliche UnThorsten Ingo Schmidt, a. a. O., § 17 Rn. 595. Alfons Gern, a. a. O., 11. Kap. II 11.4.1. Rn. 587. 32 Alfons Gern, a. a. O., 11. Kap II 11.4.2. Rn. 588. 33 Z. B. Art. 11 Abs. 2 BV (Bayerische Verfassung). 34 Vgl. Franz-Ludwig Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, 12. Aufl., 2007, Rn. 186 (S. 147 f.). 35 VGH Mannheim DVBl, 2011, 1035, 1037 f.; Schoch, NVwZ 2014, 1473, 1477. 36 KG, 1997, Rn. 278a (S. 196). 30 31
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terschiede in den Regelungen über den Gegenstand der Bürgerentscheide in den einzelnen Ländern. In einigen Gemeindeordnungen gehören zum Negativkatalog die Aufstellung von Bauleitplänen37 und die Angelegenheiten, die im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens oder eines förmlichen Verwaltungsverfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung oder eines abfallrechtlichen, immissionsschutzrechtlichen, wasserrechtlichen oder vergleichbaren Zulassungsverfahrens zu entscheiden sind.38 b) Korea Auch in Korea können Bürgerbegehren grundsätzlich nur über solche Angelegenheiten stattfinden, die zu den Aufgaben des eigenen Wirkungskreises der Kommune gehören.39 Das Bürgerabstimmungsgesetz (BG) schreibt als Gegenstand des Bürgerentscheids die Angelegenheiten vor, die die Gemeinde in Form einer Satzung als ihre wesentlichen Entscheidungen regelt und die den Bürger belasten oder sonst beeinflussen (Art. 7 Abs. 1 BG).40 Ausnahmsweise können Angelegenheiten über die Staatspolitik ein Gegenstand des Bürgerentscheids sein (Art. 8 Abs. 1 BG). Es gibt auch einen Negativkatalog, der von dem Gegenstand des Bürgerentscheids bestimmte Angelegenheiten ausnimmt. Dazu gehören z. B. rechtswidrige Angelegenheiten, Angelegenheiten vor Gericht sowie Angelegenheiten, die unter die Kompetenz oder Aufgaben des Staates oder einer anderen Gemeinde fallen (Art. 7 Abs. 2 BG). Hier stellt sich die Frage, ob Bauleitpläne und Planungsvorhaben Gegenstand des Bürgerbegehrens werden können. Die kommunale Planungshoheit gehört als Ausfluss der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 117 KV quasi zu den wesentlichen Hoheiten (Hoheitsrechten) der Gemeinden41 und somit unumstritten zum eigenen Wirkungskreis. Folglich sind Bürgerbegehren zulässig, die auf die Aufstellung, Änderung oder Aufhebung gemeindlicher Bauleitpläne mittels Bürgerentscheid abzielen.42 Wie weit der Gesetzgeber die Einführung des Bürgerbegehrens auf Bauleitpläne erstreckt, steht in seinem legislativen Ermessen.43 37 Z. B. in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz. 38 Z. B. in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern. 39 Vgl. KOGH (Koreanischer Oberster Gerichtshof) 26.4.2002. 2002Tschu23. Jeong Seon Hong, Kommunalrecht, 2. Aufl. 2013, S. 149. 40 Jong Hyun Seok/Dong Soo Song, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2013, S. 100 f.; Nam Jin Kim/Yeon Tae Kim, Verwaltungsrecht, 2011, S. 89 ; Dong Hee Kim, Verwaltungsrecht, 2015, 62 f.; Chul Yong Kim, Verwaltungsrecht, 2011, S. 830 f. 41 Jeong Seon Hong, a. a. O., S. 51 f., 60 f. 42 Vgl. Franz-Ludwig Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, 12. Aufl., 2007, Rn. 186 (S. 147 f.). 43 Vgl. KG, 1997, Rn. 278a (S. 196).
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Das Bürgerabstimmungsgesetz (BG) hat Staatsaufgaben vom Gegenstand des Bürgerbegehrens ausgenommen, sodass folglich als Gegenstand des Bürgerentscheids grundsätzlich nur die Bauleitpläne und Planungsvorhaben, die nicht zu den Staatsaufgaben gehören, in Betracht kommen. 3. Grenzen des Bürgerentscheids als Konfliktlösungsmittel Einige Landesgesetzgeber in Deutschland nutzen Bürgerabstimmungen als ein Instrument zur Befriedung von Konflikten, z. B. beim Konflikt um Stuttgart 21.44 Es gab auch in Korea einige Fälle, bei denen Bürgerabstimmungen als Konfliktlösungsmittel eingesetzt wurden, z. B. Bürgerentscheide über die Gebietsvereinigung zwischen zwei Gemeinden45 oder Bürgerentscheide über den Ort eines Atommülllagers46. Eine Bürgerabstimmung eignet sich jedoch nicht für alle Angelegenheiten. Nach herrschender Auffassung eignet sich eine Bürgerabstimmung nicht für gebundene Verwaltungsentscheidungen sowie bei Planungsvorgängen, die einer Abwägung bedürfen. Meines Erachtens ist hierbei insbesondere die Erkenntnis hervorzuheben, dass eine Bürgerabstimmung zwar nützlich ist, aber auch Grenzen unterliegt. 4. Benutzung der elektronischen Kommunikationsmittel Im heutigen sogenannten Informations- und Internetzeitalter werden elektronische Kommunikationsmittel auch in vielen Bereichen der öffentlichen Verwaltung eingesetzt. In Sachsen-Anhalt können die Gemeinden z. B. Bürgerbefragungen als Onlineabstimmung durchführen (Art. 28 Abs. 3 S. 2, 3 KVG LSA). Im koreanischen Verwaltungsgesetz wurden die elektronische öffentliche Befragung (Art. 38-2) und elektronische Diskussion über Politik (Art. 53) eingeführt. Hier stellt sich die Frage nach den Möglichkeiten der Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel im Bereich der Bürgerabstimmungen. Die Durchführung 44 Vgl. Thomas Groß, Stuttgart 21: Folgerungen für Demokratie und Verwaltungsverfahren, DÖV 2011, S. 510 ff. 45 Am 29.9.2005 gab es die erste Bürgerabstimmung über die Gebietsvereinigung zwischen den Städten Cheongju und Cheongwoen Gun, aber sie führte nicht zum gewünschten Ergebnis. Am 27.6.2012 fand eine zweite Bürgerabstimmung statt, bei der die Mehrheit der Teilnehmer sich für die Vereinigung der Gebiete der beiden Städte entschieden hat. Am 27.6.2013 gab es einen Bürgerentscheid über die Gebietsvereinigung der Städte Jeonju und Wanju Gun, bei der jedoch nicht zugunsten der Gebietsvereinigung entschieden wurde. 46 Am 2.11.2005 gab es eine Bürgerabstimmung über die Ortsentscheidung der Radio aktivitätsabfallanlage in den Städten Gunsan, Geongju, Pohang und Yeongdeok Gun. Am Ende hat man sich für die Stadt Geongju als Ort der Radioaktivitätsabfallanlage entschieden.
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einer elektronischen Abstimmung hat neben einigen Vorzügen auch Nachteile. Als Vorzüge werden die Erhöhung des Anteils der teilnehmenden Bürger bei Bürgerbeteiligungen sowie die Reduzierung des Zeit- und Kostenaufwands erwähnt.47 Ich meine, dass eine gute Vorbereitung zur Einführung der elektronischen Abstimmung von hoher Bedeutung ist, z. B. die Schaffung sinnvoller rechtliche Institutionen oder eines hinreichenden Rechtsschutzes gegen ihren Missbrauch.
IV. Probleme und Verbesserungsvorschläge in Korea Es gibt einige Probleme im Zusammenhang mit Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden in Korea. Dazu gehören z. B. der Bereich der Träger des Bürgerbegehrens, der Gegenstand des Bürgerbegehrens, das Abstimmungsgebiet des Bürgerentscheids, das Unterstützungsquorum des Bürgerentscheids, (Rechts-)Wirkungen des Bürgerentscheids und der Rechtsweg. 1. Initiatoren eines Bürgerbegehrens Während die Durchführung einer Bürgerabstimmung über kommunale Angelegenheiten sowohl durch Bürger (bzw. Einwohner) als auch durch die Gemeindevertretung oder den Bürgermeister beantragt werden können, kann eine Bürgerabstimmung zu staatspolitischen Angelegenheiten nur durch den Leiter des obersten staatlichen Verwaltungsorgans beantragt werden. Umstritten ist, ob auch Bürgermeister, Gemeinderat oder Gemeindebürger (bzw. -einwohner) selbst eine Bürgerabstimmung über Staatsprojekte (staatliche Vorhaben) ins Leben rufen können, wenn ein wichtiges Interesse der Gemeinde betroffen ist. Hierzu werden zwei widerstreitende Ansichten vertreten. Während nach einer Auffassung die Durchführung derartiger Bürgerabstimmungen zulässig ist,48 dürfen nach anderer Auffassung solche Bürgerabstimmungen über staatliche Vorhaben nicht vom Bürgermeister oder vom Gemeinderat oder von den Gemeindebürgern durchgeführt werden.49 Manche behaupten, dass neben dem Leiter des obersten staatlichen Verwaltungsorgans in besonderen Fällen, in denen es notwendig erscheint,50 auch den 47 Yun Gi Kim, Eine Studie über neue Bürgerbeteiligungsmodelle, Regional Society Development Journal, Bd. 25-1, Korean Regional Society Development Association, 2000, S. 119. 48 Hae Ryoung Kim, Rechtliche Bedeutung und Verbesserungsvorschläge zum System des Bürgerentscheids, Yoebup Nonzip, Bd. 22 (2006.5), S. 46. 49 Hee Jeong Lee, Bedeutung und rechtliche Regelung des Bürgerentscheids über Staats politik, Haeng Jeong Bup Yeonku, Bd. 17 (2007.5), S. 119. 50 Z. B. in Fällen in denen der Bürger durch die Durchführung eines Vorhabens stark belastet wird, vgl. Art. 7 Abs. 1 BG.
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Bürgern die Möglichkeit der Initiierung eines Bürgerbegehrens eröffnet werden muss.51 Ich bin der Meinung, dass der Bereich der zur Initiierung einer Bürgerabstimmung Befugten vernünftigerweise für den Fall der Durchführung von Projekten der öffentlichen Hand auf die Bürger erweitert werden sollte, sofern ein gewichtiges Interesse der Bürger angenommen werden kann. 2. Gegenstand der Bürgerabstimmung (bzw. des -begehrens) Das Bürgerabstimmungsgesetz schreibt als Gegenstand der Bürgerabstimmung (bzw. des -begehrens) die Angelegenheiten vor, die die Gemeinde in Form von Satzungen als ihre wesentlichen Entscheidungen regelt und die den Bürger belasten oder wesentlich beeinflussen (Art. 7 Abs. 1 BG). Aber viele wichtige Angelegenheiten sind von dem Gegenstand der Bürgerabstimmung ausgenommen (Art. 7 Abs. 2 BG). Teilweise wird gefordert, dass einige weitere wichtige Angelegenheiten wie etwa im Zusammenhang mit dem Bürgereigentum, den Aufgaben bei der Erstellung des Haushaltsplans und des Jahresabschlusses zum Gegenstand der Bürgerabstimmung werden sollen.52 Meines Erachtens ist eine vernünftige Verkürzung des Negativkatalogs, der bestimmte Angelegenheiten vom Gegenstand einer Bürgerabstimmung ausnimmt, notwendig. Ich meine auch, dass bei Staatsaufgaben insbesondere im Vorfeld der Bauleitpläne und Planungsvorhaben, die den Bürger belasten oder wesentlich beeinflussen,53 die Möglichkeit einer Bürgerabstimmung eröffnet werden muss. 3. Bürgerabstimmungsgebiet Das Abstimmungsgebiet ist allein das Gebiet der zuständigen Gemeinde. Hier stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, die Abstimmung nur auf das Territorium der betroffenen Gemeinde zu beschränken.
51 Eun Seong Sin, Vergleichende Untersuchung von Anwendungsbeispielen des Bürger entscheids über öffentliche Vorhaben in Korea und Japan, Jeongtschaek Yeonku, Bd. 149 (2006), S. 181; Woo Young Choi, Nutzung des Bürgerentscheids bei Entscheidungen über Staatsaufgaben und rechtliche Probleme, Jibang Haengjeong, 2004.8, S. 41. 52 Vgl. Dong Geon Kim, Die Bedeutung und Rechtsprobleme des Bürgerentscheids, Local Government Law Journal, Bd. 11 (6-1), Korean Local Government Law Association, 2006, S. 123 f.; Byoeng Gi Kim, Eine Studie über Gesetze für die Bürgerbeteiligung um den Bürgerprozess, die Bürgerabstimmung und die Bürgerabberufung, Local Government Law Journal, Bd. 31 (11-3), Korean Local Government Law Association, 2011, S. 51; Hae Ryoung Kim, a. a. O., S. 21. 53 Insbesondere bei der Durchführung von Infrastruktur-Projekten wie z. B. Vorhaben über Atomkernstationen, Radioaktivitätsabfallanlagen.
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Nach einer Auffassung ist die Abstimmung nicht auf das Gemeindegebiet der erstbetroffenen bzw. zuständigen Gemeinde zu beschränken. Vielmehr sei wegen der Verwaltungsorganisationseinheit auf den Einwirkungsbereich abzustellen und seien zum Abstimmungsgebiet über die zuständige Gemeinde hinaus auch tatsächlich betroffene Gebiete anderer Gemeinden zu rechnen.54 Ich meine, dass zum Abstimmungsgebiet im Grundsatz nur das Gebiet der zuständigen Gemeinde und lediglich, soweit dies notwendig erscheint, als Ausnahme auch Gebiete anderer tatsächlich betroffener Gemeinden gehören. 4. Unterstützungsquorum des Bürgerentscheids Bei einem Bürgerentscheid ist die gestellte Frage angenommen, wenn sie die Mehrheit der gültigen Stimmen auf sich vereinigt und die gültigen Stimmen mindestens ein Drittel der Stimmberechtigten betragen (Art. 24 Abs. 1 BG). Hier stellen sich einige Fragen über das Unterstützungsquorum des Bürgerentscheids. Erstens stellt sich die Frage, ob die Hürde, dass mindestens ein Drittel der gültigen Stimmen der Stimmberechtigten als Unterstützungsquorum für die Eröffnung des Bürgerentscheidverfahrens erforderlich ist, möglicherweise zu hoch ist. Nach einer Auffassung muss das Unterstützungsquorum für die Einleitung des Bürgerentscheidverfahrens von mindestens einem Drittel auf mindestens 25 % oder 30 % der Stimmberechtigten herabgesetzt werden.55 Zweitens fällt auf, dass das Fordern der Mehrheit der gültigen Stimmen des Unterstützungsquorums für den Bürgerentscheid zu niedrig und nicht geeignet ist, um einen dem Demokratieprinzip gerecht werdenden Bürgerentscheid anzunehmen. Aus diesem Grund wird teilweise gefordert, dass das Unterstützungsquorum des Bürgerentscheids erhöht werden muss.56 Meines Erachtens bedarf es hier einer Regelung, die je nach Zahl der Gemeindebürger und Anteil der Beteiligung differenziert: Bei einer Beteiligung von mehr als 50 % der Stimmberechtigten sollte die Mehrheit der gültigen Stimmen genügen, bei einer Beteiligung zwischen 40 % bis 50 % der Stimmberechtigten sollte eine Mehrheit von mindestens 60 % der abgegebenen Stimmen gefordert werden, und bei einer Beteiligung von einem Drittel bis 40 % der stimmberechtigten Gemeindeeinwohner sollte eine Mehrheit von mindestens 75 % der gültigen Stimmen gefordert werden. 54 Do Houi Kim, Probleme und Verbesserungsvorschläge im Zusammenhang mit der Politik über Radioaktivitätsabfallanlagen, Local Government Journal, Bd., 10-4 (Winter 2006), 2007, S. 104, 108; Byoeng Gi Kim, a. a. O., S. 52. 55 Jeong Hwa Jeong, Die Durchführungssituation und Verbesserungsvorschläge des Bürgerentscheids, Korean Local Government Journal, Bd. 80 (24-4), Korean Local Government Association, 2012, S. 106; Jong Soo Pak, Vorschläge zur Verbesserung des Bürgerabstimmungsgesetzes und der Wahldemokratie, Wahl Journal, Bd. 2, Zentral-Wahlausschuss, 2011, S. 23. 56 Do Houi Kim, a. a. O., S. 107; Dong Geon Kim, a. a. O., S. 130.
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5. Rechtswirkungen des Bürgerentscheids Ein erfolgreicher Bürgerentscheid auf kommunaler Politikebene bindet sowohl den Bürgermeister als auch den Gemeinderat. Sie haben daher die zur Umsetzung notwendigen Verwaltungs- und finanziellen Maßnahmen zu treffen (Art. 24 Abs. 5 BG). Ein erfolgreicher Bürgerentscheid auf der Ebene der staatlichen Politik hat hingegen keine Bindungswirkung, sondern nur beratende oder informierende Funktion.57 Nach einer Auffassung muss auch dem erfolgreichen Bürgerentscheid auf staatlicher Ebene zumindest teilweise rechtliche Wirkung in Form einer Bindung der staatlichen Stellen zukommen.58 Nach anderer Auffassung soll dies nur bei einem erfolgreichen Bürgerentscheid mit Entscheidungscharakter gelten, nicht aber bei einem erfolgreichen Bürgerentscheid zur Informationssammlung.59 Ich schließe mich der zweiten Auffassung an, weil es vernünftig ist, je nach Art und dem damit verfolgten Ziel zwischen den Ziel und Bürgerentscheiden zu unterscheiden. 6. Rechtsweg Jeder Bürgerbegehrensberechtigte kann gegen die Wirkungen des Bürgerentscheids auf kommunaler Ebene im Wahlausschuss und vor Gericht vorgehen (Art. 25 BG). Dagegen gibt es keinen Rechtsweg gegen Bürgerentscheide auf staatlicher Ebene. Nach einer Auffassung muss der Rechtsweg auch gegen Bürgerentscheide auf staatlicher Politikebene eröffnet werden.60 Ich bin auch dafür, da die Eröffnung des Rechtswegs gegen Maßnahmen der Rechtsaufsichtsbehörden oder Gemeindeorgane, die die Voraussetzungen und Wirkungen des Bürgerentscheids missachten, notwendig erscheint.61
V. Schluss Ich möchte zum Schluss die wichtigsten Punkte zusammenfassen. 1. Der Bürgerentscheid als eine weitere Form unmittelbarer Demokratie steht nicht dem System der repräsentativen Demokratie in der KV entgegen, weil das System der repräsentativen Demokratie ein Grundsatz und das System der unmittelbaren Demokratie eine Ausnahme ist. Nam Jin Kim/Yeon Tae Kim, Verwaltungsrecht, 2011, S. 89. Sang Min Lee, Eine Studie über die Probleme und Verbesserungsvorschläge des Bürgerentscheids, Beobhak Nontschong, Bd. 36-2, Institut für Rechtswissenschaft an der Universität Dankuk, 2012, S. 127; Dong Geon Kim, a. a. O., S. 125 f. 59 Dong Geon Kim, a. a. O., S. 125. 60 Vgl. Dong Geon Kim, a. a. O., S. 125 f.; Byoeng Gi Kim, a. a. O., S. 54 f. 61 Vgl. Alfons Gern, a. a. O., 11. Kap. II 11.4.5. Rn. 590. 57
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2. Der Bürgerentscheid im koreanischen Kommunalrecht steht nicht Art. 118 KV (System der repräsentativen Demokratie) entgegen, weil die KV unmittelbare Elemente wie Volksabstimmungen als eine Ausnahme vom System der repäsentativen Demokratie anerkennt und weil die Gewährleistung der Selbstverwaltung in der KV auf die substantielle Verstärkung des demokratischen Systems aufgrund der Volkssouveränität abstellt. 3. In Korea können Bürgerabstimmungen auch über solche Angelegenheiten stattfinden, die auf die Aufstellung, Änderung oder Aufhebung gemeindlicher Bauleitpläne mittels Bürgerentscheid abzielen. Jedoch hat das Bürgerabstimmungsgesetz Staatsaufgaben vom Gegenstand des Bürgerbegehrens (bzw. des -entscheids) ausgenommen. Folglich werden als Gegenstand von Bürgerabstimmungen nur die Bauleitpläne und Planungsvorhaben, die nicht zu den Staatsaufgaben gehören, erfasst. 4. Letztlich möchte ich einige Verbesserungsvorschläge im Zusammenhang mit Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden in Korea wiederholen. Dazu gehören die Erweiterung des Kreises der Initiatoren und des Gegenstands des Bürgerbegehrens (bzw. des -bescheids), die vernünftige Erweiterung des Abstimmungsgebiets, eine sachgerechte Regelung des Unterstützungsquorums des Bürgerbegehrens (bzw. des Bürgerentscheids) und eine sinnvolle Regelung zu den Rechtswirkungen des Bürgerentscheids sowie die Verstärkung der Rechtsschutzmöglichkeiten.
Literatur Arnim, Hans Herbert von, Möglichkeiten unmittelbarer Demokratie auf Gemeindeebene, DÖV 1990, S. 85 ff. Choi, Woo Young, Nutzung des Bürgerentscheids bei Entscheidungen über Staatsaufgaben und rechtliche Probleme, Jibang Haengjeong 2004. Dreier, Horst (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 2. Aufl., Bd. II, Mohr Siebeck, 2006. Geis, Max-Emanuel, Kommunalrecht, 2. Aufl., Verlag C. H. Beck, München, 2011. Gern, Alfons, Deutsches Kommunalrecht, 3. Aufl., Nomos Verlag, 2003. Guckelberger, Annette, Abstimmungsmöglichkeiten der Bürger/-innen im Kontext von Bauleitplänen und Planungsvorhaben, in: „Gestaltung des städtischen Raums“, 7. Koreanisch-deutsches Symposium zum Verwaltungsrechtsvergleich, 97. wissenschaftliches Symposium der KPLLA am 14. März 2015. Han, Soo Ung, Verfassungslehre, 2011. Hong, Jeong Seon , Kommunalrecht, 2. Aufl., Verlag Pakyeong, 2013. Jeong, Jeong Hwa, Die Durchführungssituation und Verbesserungsvorschläge des Bürger entscheids, Korean Local Government Journal, Bd. 80 (24-4), Korean Local Government Association, 2012. Kim, Byoeng Gi, Eine Studie über Gesetze für die Bürgerbeteiligung um den Bürgerprozess, den Bürgerentscheid und die Bürgerabberufung, Local Government Law Journal, Bd. 31 (11-3), Korean Local Government Law Association, 2011.
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Kim, Chul Yong, Verwaltungsrecht, 2011. Kim, Do Houi, Probleme und Verbesserungsvorschläge im Zusammenhang mit der Politik über Radioaktivitätsabfallanlagen, Local Government Journal, Bd. 10-4 (Winter 2006), 2007. Kim, Dong Geon, Die Bedeutung und Rechtsprobleme des Bürgerentscheids, Local Govern ment Law Journal, Bd. 11 (6-1), Korean Local Government Law Association, 2006. Kim, Dong Hee, Verwaltungsrecht II, 2015. Kim, Hae Ryoung, Rechtliche Bedeutung und Verbesserungsvorschläge zum System des Bürgerentscheids, Yoebup Nonzip Bd. 22 (2006.5). Kim, Nam Jin/Kim, Yeon Tae, Verwaltungsrecht II, 2011. Kim, Yun Gi, Eine Studie über neue Bürgerbeteiligungsmodelle, Regional Society Development Journal, Bd. 25-1, Korean Regional Society Development Association, 2000. Knemeyer, Franz-Ludwig, Bayerisches Kommunalrecht, 12. Aufl., Richard Boorberg Verlag, 2007. Lee, Hee Jeong, Bedeutung und rechtliche Regelung des Bürgerentscheids über Staatspolitik, Haeng Jeong Bup Yeonku, Bd. 17 (2007.5). Lee, Sang Min, Eine Studie über die Probleme und Verbesserungsvorschläge zum Bürger entscheid, Beobhak Nontschong, Bd. 36-2, Institut für Rechtswissenschaft an der Universität Dankuk, 2012. Mutius, Albert von, Kommunalrecht, Verlag C. H. Beck, München, 1996, Pak, Jong Soo, Vorschläge zur Verbesserung des Bürgerabstimmungsgesetzes und der Wahldemokratie, Wahl Journal, Bd. 2, Zentral-Wahlausschuss, 2011. Pak, Kyun Sung, Verwaltungsrecht II, 2015. Schmidt, Thorsten Ingo, Kommunalrecht, 2. Aufl., Mohr Siebeck, 2014. Schmidt-Aßmann, Eberhard, Kommunalrecht in: ders. (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 13. Aufl., Verlag De Gruyter: Berlin, 2005. Seok, Jong Hyun/Song, Dong Soo, Allgemeines Verwaltungsrecht II, 2013. Seong, Nak In, Verfassungslehre, 2011. Sin, Eun Seong, Vergleichende Untersuchung von Anwendungsbeispielen des Bürgerentscheids über öffentliche Vorhaben in Korea und Japan, Jeongtschaek Yeonku, Bd. 149 (2006). Stern, Klaus, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl., Verlag C. H. Beck, München, 1984. Stober, Rolf/Kluth, Winfried, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl., Verlag C. H. Beck, München, 2010. Tettinger, Peter J/Erbguth, Wilfried/Mann, Thomas, Besonderes Verwaltungsrecht, 11. Aufl., C. f. Müller, 2012.
Veränderungssperre und Zurückstellung eines Baugesuchs als Mittel zur Sicherung der Bauleitplanung Von Wolf-Rüdiger Schenke Wolf-Rüdiger Schenke
I. Die Zwecksetzung von Veränderungssperren und Zurückstellungen eines Baugesuchs Veränderungssperre und Zurückstellung eines Baugesuchs stellen neben der Teilungsgenehmigung und der gesetzlichen Einräumung von Vorkaufsrechten bedeutsame Mittel zur Sicherung der Bauleitplanung dar (s. die §§ 14 ff. Baugesetzbuch [BauGB]). Sie schützen gemeindliche Planungen vor Baugenehmigungen oder ähnlichen baurechtlichen Entscheidungen, welche die Realisierung planerischer Absichten der Gemeinde beeinträchtigen oder durch Schaffung vollendeter Tatsachen sogar gänzlich vereiteln können. Damit tragen beide Institute dem Umstand Rechnung, dass das Verfahren der Bauleitplanung wegen seiner Komplexität meist viel Zeit in Anspruch nimmt. Ohne den Einsatz dieser Sicherungsinstrumente würde sich die planungsrechtliche Ausgangslage deshalb häufig in einer Weise weiterentwickeln, welche den planerischen Absichten der Gemeinde die Basis entziehen bzw. sie konterkarieren müsste. Damit wäre die gemeindliche Planungshoheit als ein wichtiger Bestandteil des durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden ernstlich gefährdet. Soweit für Vorhaben im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet oder im städtebaulichen Entwicklungsbereich eine Genehmigungspflicht nach § 144 Abs. 1 BauGB besteht, sind die Vorschriften über eine Veränderungssperre (s. § 14 Abs. 4 BauGB) wie auch die Vorschriften über die Zurückstellung eines Baugesuchs (s. § 15 Abs. 2 BauGB) nicht anwendbar, da hier die gemeindlichen Planungsabsichten bereits auf andere Weise gesichert werden. Zahlreiche rechtliche Fragen, die sich in Verbindung mit einer Veränderungssperre und einer Zurückstellung eines Baugesuchs stellen, sind auch heute noch sehr umstritten. Das erklärt sich daraus, dass die diesbezüglichen gesetzlichen Regelungen in den §§ 14 – 18 BauGB sehr lückenhaft sind. Viele sich im Zusammenhang mit diesen Sicherungsmitteln stellenden Probleme werden hier keiner eindeutigen gesetzlichen Regelung zugeführt. Deshalb verwundert es nicht, dass eine umfangreiche Rechtsprechung und ein kaum noch zu übersehendes rechtswissenschaftliches Schrifttum sich mit den hier aufgeworfenen Fragen beschäftigen und diese einer Lösung zuzuführen versuchen. So habe auch ich mich mit der Veränderungssperre und der Zurückstellung eines Baugesuchs befasst und sie zum
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Gegenstand eines Aufsatzes in einer Fachzeitschrift gemacht1. Dass dieser Aufsatz es auf die stattliche Zahl von 114 Seiten brachte, sagt einiges über den Umfang und die Schwierigkeit der sich hier stellenden Fragen aus. Aber bitte bekommen Sie keinen Schreck. Im Zusammenhang mit meinem Vortrag kann es naturgemäß nur darum gehen, einen kurzen Überblick über die Institute Veränderungssperre und Zurückstellung des Baugesuchs zu vermitteln.
II. Die Veränderungssperre 1. Die Rechtsnatur einer Veränderungssperre und ihre Konsequenzen für den Rechtsschutz Die in den §§ 14 ff. BauGB geregelte Veränderungssperre wird von der Gemeinde nach § 16 Abs. 1 BauGB als Satzung beschlossen. Sie stellt sich deshalb unabhängig von den Regelungen, die in ihr im Einzelnen getroffen werden, als Rechtsnorm dar. Sie ist ortsüblich bekannt zu machen (s. näher § 16 Abs. 2 BauGB) und unterliegt dem gegen Rechtsnormen eingeräumten Rechtsschutz. Voraussetzung ihrer Wirksamkeit ist grundsätzlich ihre Rechtmäßigkeit. Zu beachten ist allerdings, dass die Rechtswidrigkeit einer Veränderungssperre nicht zwingend zu ihrer Unwirksamkeit (Nichtigkeit) führt, sondern sich insoweit Einschränkungen aus den §§ 214 f. BauGB ergeben. Verfahrens- und Formfehler sind demnach nur unter den Voraussetzungen des § 214 Abs. 1 BauGB beachtlich. Ihre Unbeachtlichkeit kann zudem nach näherer Maßgabe des § 215 BauGB daraus resultieren, dass sie nicht innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Veränderungssperre unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts schriftlich gegenüber der Gemeinde geltend gemacht worden sind. Die Nichtigkeit einer Veränderungssperre kann gem. § 47 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 VwGO innerhalb eines Jahres seit deren Bekanntmachung im Wege einer Normenkontrolle vor den Oberverwaltungsgerichten 2 geltend gemacht werden. Verfahrensgegenstand dieser Normenkontrolle ist die vom Antragsteller behauptete Unwirksamkeit der Norm. Solche Normenkontrollen, in denen die Unwirksamkeit einer Norm Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist, nennt man prinzipale Normenkontrollverfahren. Von ihnen zu trennen sind inzidente Normenkontrollen. Bei ihnen wird nur inzidenter (vorfragweise) über die Gültigkeit einer Norm befunden. So haben z. B. die Gerichte bei einer Klage, die auf die Erteilung einer Baugenehmigung gerichtet ist, vorfrageweise darüber zu befinden, ob die Baugenehmigung deshalb nicht zu erteilen ist, weil sie im Widerspruch zu einer wirksamen Veränderungssperre steht, die das beantragte Bauvorhaben verbietet. Ist die Veränderungssperre rechtswirksam, hat die Kla1 Schenke, Veränderungssperre und Zurückstellung des Baugesuchs als Mittel zur Sicherung der Bauleitplanung, in: Wirtschaft und Verwaltung (WiVerw.) 1994, S. 253 ff. 2 Zur oberverwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle gem. § 47 VwGO s. näher Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 14. Aufl. 2014, Rn. 871 ff.
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ge auf Erteilung der Baugenehmigung aus diesem Grund keinen Erfolg. Ist die Veränderungssperre hingegen rechtswidrig und unwirksam, ist die Klage auf Erteilung der Baugenehmigung begründet, wenn dem Erlass der Baugenehmigung keine sonstigen Rechtsvorschriften entgegenstehen. Im Rahmen einer solchen inzidenten Normenkontrolle kann die Nichtigkeit der Veränderungssperre – anders als bei einer prinzipalen Normenkontrolle – grundsätzlich unbefristet geltend gemacht werden. Auch wenn das Verwaltungsgericht von der Unwirksamkeit der Veränderungssperre ausgeht, erwächst dies – anders als bei der prinzipalen Normenkontrolle des § 47 VwGO – nicht in Rechtskraft. Eine unwirksame Veränderungssperre hat die Baurechtsbehörde nach allerdings umstrittener Ansicht außer Anwendung zu lassen.3 Das gilt unabhängig davon, ob sich die Gerichte bereits mit ihrer Wirksamkeit befasst haben. 2. Inhalt und Reichweite einer Veränderungssperre a) Der mögliche Inhalt einer Veränderungssperre gem. § 14 Abs. 1 BauGB Der mögliche Inhalt der Veränderungssperre wird durch § 14 Abs. 1 BauGB abschließend umschrieben.4 Die Veränderungssperre kann danach gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB vorsehen, dass bauliche Vorhaben im Sinne des § 29 BauGB nicht durchgeführt oder bauliche Anlagen nicht beseitigt werden dürfen. Dem § 29 BauGB unterfallen alle Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben sowie Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs, ebenso Ausschachtungen und Ablagerungen einschließlich Lagerstätten. Ohne Bedeutung ist es für die Anwendung des § 29 BauGB, ob das Vorhaben genehmigungspflichtig ist. Nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 BauGB kann die Gemeinde auch vorsehen, dass erhebliche oder wesentlich wert steigernde Veränderungen von Grundstücken und baulichen Anlagen, deren Veränderung nicht genehmigungs-, zustimmungs- oder anzeigepflichtig sind, nicht vorgenommen werden dürfen. b) Einschränkungen durch § 14 Abs. 3 BauGB § 14 Abs. 3 BauGB stellt klar, dass Vorhaben, die vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre baurechtlich genehmigt wurden, durch die Veränderungssperre nicht hierzu Schenke, WiVerw. 1994, S. 253 (319 ff.) sowie Sennekamp, in: Brügelmann, Baugesetzbuch Bd. II, Stand 2014, § 14, Rn. 71 ff. mit weit. Nachweisen; allgemein zur Verwerfungsbefugnis der Verwaltung bezüglich untergesetzlicher rechtswidriger Rechtsnormen Baumeister/Ruthig, JZ 1999, S. 117 ff.; Wehr, Inzidente Normverwerfung durch die Exekutive, 1998. 4 s. zum möglichen Inhalt einer Veränderungssperre näher z. B. Mitschang, in: Battis/ Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 12. Aufl. 2014, Rn. 12 ff.; Rieger, in: Schrödter (Hrsg.), Baugesetzbuch, 8. Aufl. 2015, § 14, Rn. 20 ff. 3 Näher
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berührt werden.5 Dasselbe gilt für Vorhaben, von denen die Gemeinde nach Maßgabe des Bauordnungsrechts Kenntnis erlangt hat und mit deren Ausführung vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre hätte begonnen werden dürfen,6 sowie für Unterhaltungsarbeiten und die Fortführung einer bisher ausgeübten Nutzung. Lange Zeit war umstritten, ob § 14 Abs. 3 BauGB auch für die Fälle gilt, in denen noch keine Baugenehmigung erteilt wurde, die die baurechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens umfassend feststellt, sondern nur eine sogenannte Bebauungsgenehmigung. Von einer solchen spricht man, wenn in einem Bescheid nur über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Bauvorhabens unter Ausklammerung bauordnungsrechtlicher Fragen abschließend entschieden wurde. Die heute h. M.7 geht zu Recht davon aus, dass eine Bebauungsgenehmigung ein vorweggenommener Teil der Baugenehmigung ist. Sie wird folglich durch nachträglich ergangene Änderungen des Planungsrechts und damit auch durch eine später erlassene Veränderungssperre nicht berührt. Anderes gilt hingegen für einen baurechtlichen Vorbescheid, in dem nicht über die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens befunden wird, sondern nur über bauordnungsrechtliche Fragen.8 Auch eine Zusage der bauplanungsrechtlichen Unbedenklichkeit des Bauvorhabens unterfällt nicht dem § 14 Abs. 3 BauGB, weil sie noch keine abschließende Entscheidung über die planungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens trifft.9 Sie sichert eine solche nur im Rahmen einer erst später zu erlassenden Baugenehmigung zu. Für die Anwendung des § 14 Abs. 3 BauGB ist es nicht erforderlich, dass von der Baugenehmigung bereits Gebrauch gemacht wurde und mit dem Bau begonnen oder dieser sogar schon fertiggestellt wurde.10 Die dem § 14 Abs. 3 BauGB unterfallende Bebauungsgenehmigung räumt ohnehin noch kein Recht ein, mit dem Bau zu beginnen. Das Gebrauch machen von einer erteilten Baugenehmigung kann allen5 Maßgeblich ist dabei, dass tatsächlich bereits eine Baugenehmigung erteilt wurde. Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn zwar ein Anspruch auf die Baugenehmigung bestand, deren Erteilung aber rechtswidrig abgelehnt wurde, s. Sennekamp (Fn. 3), § 14, Rn. 79; BVerwG, NVwZ 2008, 431. 6 Nicht erfasst werden durch § 14 Abs. 3 BauGB hingegen gänzlich genehmigungs- und verfahrensfreie Vorhaben, für die damit eine Veränderungssperre gilt. Mitunter wird jedoch im Hinblick auf Art. 14 GG hiervon dann eine Ausnahme gemacht, wenn mit dem Bau bereits begonnen wurde (Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch Bd. II, Stand 2014, § 14, Rn. 130 a; VGH München, NVwZ-RR 2010, S. 11). Überzeugender erscheint es freilich, Art. 14 GG in diesen Fällen durch Bejahung eines Rechtsanspruchs auf Erteilung einer Ausnahme gem. § 14 Abs. 2 BauGB Rechnung zu tragen (so Sennekamp [Fn. 3], § 14, Rn. 87). 7 Ferner, in: Ferner/Kröninger/Aschke, Baugesetzbuch, 3. Aufl. 2013, § 14, Rn. 19; Mitschang (Fn. 4), § 14, Rn. 21; Sennekamp (Fn. 3), § 14, Rn. 77; BVerwGE 70, 228 (230); BGHZ 96, 385. 8 Schenke, WiVerw. 1994, S. 253 (274); Sennekamp (Fn. 39), § 14, Rn. 71. 9 Lemmel, in: Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, § 14, Rn. 26; Schenke, WiVerw. 1994, S. 253 (274); Sennekamp (Fn. 3),§ 14, Rn. 77. 10 Mitschang (Fn. 4), § 14, Rn. 21; Sennekamp (Fn. 3), § 14, Rn. 78.
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falls für die Frage des Widerrufs der Baugenehmigung gem. § 49 Abs. 2 Nr. 4 der Landesverwaltungsverfahrensgesetze bedeutsam werden. Nach dieser Vorschrift kann nämlich auch ein rechtmäßig erlassener begünstigender Verwaltungsakt widerrufen werden, wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht hat und wenn ohne Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Bei Anwendbarkeit dieser Vorschrift würde der Schutz des § 14 Abs. 3 BauGB trotz Erlasses einer Baugenehmigung erheblich eingeschränkt. Bei einer Bebauungsgenehmigung würde er sogar weitgehend leerlaufen, da von dieser – anders als von einer Baugenehmigung – noch kein Gebrauch gemacht werden kann. Richtigerweise wird man davon auszugehen haben, dass § 14 Abs. 3 BauGB eine lex specialis im Verhältnis zu § 49 Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG darstellt. Deshalb ist ein auf die Veränderungssperre gestützter Widerruf einer vorher erlassenen Baugenehmigung wie auch einer Bebauungsgenehmigung ausgeschlossen11. c) Räumliche, sachlich-inhaltliche und zeitliche Beschränkungen einer Veränderungssperre Die Veränderungssperre kann den gesamten räumlichen Bereich umfassen, in Bezug auf den Planungsabsichten der Gemeinde bestehen. Sie kann sich aber auch auf Teilbereiche des Planungsgebiets beschränken und u. U. nur einige wenige Grundstücke erfassen, die innerhalb des Planungsgebiets liegen. Es kann sogar zulässig sein, dass sich die Veränderungssperre nur auf ein einzelnes Grundstück bezieht.12 Allerdings ist in einem solchen Fall regelmäßig zu prüfen, ob diese Beschränkung mit dem Gleichheitssatz im Einklang steht. U. U. kann die räumliche Beschränkung der Veränderungssperre freilich sogar geboten sein. Das trifft dann zu, wenn nur in Bezug auf einzelne Grundstücke, möglicherweise sogar nur in Bezug auf ein Grundstück, ein Bedürfnis zum Erlass einer Veränderungssperre besteht, um die Realisierung gemeindlicher Planungsabsichten zu sichern. Eine Veränderungssperre kann nach § 14 Abs. 1 BauGB nicht nur räumlich auf Teile des Plangebiets beschränkt werden. Denkbar sind ebenso sachlich-inhaltliche Begrenzungen der Veränderungssperre.13 So kann eine Veränderungssperre etwa nur einen Teil der in § 14 Abs. 1 BauGB genannten Maßnahmen ausschließen. Beispielsweise kann sie sich damit begnügen festzulegen, dass bauliche Anlagen nicht beseitigt werden dürfen oder erhebliche wertsteigernde Maßnahmen zu unterlassen 11 s. zu diesem Problem eingehend Schenke, WiVerw. 1994, S. 253 (275 f.); ebenso Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, Baugesetzbuch. Baunutzungsverordnung, 6. Aufl. 2010, § 14, Rn. 38; Sennekamp (Fn. 3), § 14, Rn. 85; Stock (Fn. 6); § 14, Rn. 116; OVG Berlin, LKV 2004, 33; VGH Mannheim, VBlBW 2001, 323; a. A. Mitschang (Fn. 4), § 14, Rn. 21; Rieger (Fn. 4), § 14, Rn. 31. 12 Mitschang (Fn. 4), § 14, Rn. 10; Sennekamp (Fn. 3, § 14, Rn. 42; BVerwGE 51, 121. 13 s. z. B. Sennekamp (Fn. 3), § 14, Rn. 43.
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sind. Reicht dies bereits zur Sicherung der gemeindlichen Planungsabsichten aus, sind darüber hinausreichende Beschränkungen der Baufreiheit unzulässig. Daneben kommen auch zeitliche Beschränkungen der Veränderungssperre in Betracht.14 Zwar tritt die Veränderungssperre gem. § 17 Abs. 1 BauGB, wenn nichts anderes bestimmt ist, nach zwei Jahren ohnehin außer Kraft. Steht aber etwa im Hinblick auf die weit fortgeschrittene gemeindliche Planung fest, dass die zu deren Umsetzung benötigte Zeit erheblich kürzer zu bemessen ist als die sonst geltende Zweijahresfrist, so ist die Veränderungssperre von vorneherein zeitlich noch enger zu begrenzen. Die im Schrifttum teilweise vertretene gegenteilige Auffassung, nach der § 17 Abs. 1 BauGB eine authentische Gesetzesinterpretation dessen darstelle, was in der Regel zunächst als erforderliche und angemessene zeitliche Begrenzung der Veränderungssperre zu gelten habe, trägt der Verfassungsbindung des Gesetzgebers und hier speziell dem Grundsatz des geringsten Eingriffs nicht ausreichend Rechnung. Genügt weniger als ein Jahr zur Sicherung, wird sich im Übrigen häufig die Zurückstellung eines Baugesuchs gem. § 15 BauGB anbieten, falls nur von einem konkreten Bauvorhaben eine Gefährdung der gemeindlichen Planungsabsichten zu befürchten ist. 3. Spezifische Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer Veränderungssperre § 14 Abs. 1 BauGB schreibt für den Erlass einer Veränderungssperre spezifische Voraussetzungen vor. Erforderlich ist demnach ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans und planerische Vorstellungen, zu deren Sicherung die Veränderungssperre erforderlich ist. Der vom Gemeinderat zu fassende Planaufstellungsbeschluss, der gleichzeitig mit der Veränderungssperre beschlossen werden kann, ist nach § 2 Abs. 1 S. 2 BauGB ortsüblich bekannt zu machen. Seine Bekanntmachung muss spätestens gleichzeitig mit der Veröffentlichung der Veränderungssperre erfolgen.15 Bei fehlender ortsüblicher Bekanntmachung wird die Veränderungssperre nicht wirksam. Allerdings kann dieser Fehler seit Inkrafttreten des Europarechtsanpassungsgesetzes 24. 6. 2004 (BGBl. I S. 1359) gem. § 214 Abs. 4 BauGB im Rahmen eines ergänzenden Verfahrens rückwirkend behoben werden.16 Der Aufstellungsbeschluss selbst muss noch keine Aussagen über den Inhalt der beabsichtigten Planung treffen.17 Die Anordnung der Veränderungssperre muss zur Sicherung der gemeindlichen Planungsabsichten erforderlich sein. Deshalb muss der Planinhalt eines künftigen Bebauungsplans bereits in einem Mindestmaß bestimmt und absehbar sein.18 Die demnach gebotene Konkretisierung muss zwar nicht offen gelegt werden. Sie muss s. etwa Sennekamp (Fn. 3), § 17, Rn. 6; Stock (Fn. 6), § 17, Rn. 10; BVerwGE 51, 121. Mitschang (Fn. 4), § 14, Rn. 6. 16 BVerwG, ZfBR 2010, S. 75 f. 17 Mitschang (Fn. 4), § 14, Rn. 6; Sennekamp (Fn. 3), § 14, Rn. 18; BVerwGE 51, S. 121; BGHZ 82, S. 361; a. A. früher BGHZ 58, 124 (128). 14
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jedoch bereits so verlässlich festgelegt sein, dass die Gemeinde für ihre planerischen Absichten einen Nachweis führen kann. Dieser kann durch einen Sitzungs niederschrift oder durch sonstige erkennbare Unterlagen und Umstände geführt werden.19 Obwohl es nicht erforderlich ist, dass die Konkretisierung der planerischen Absichten der Gemeinde bereits in einem Aufstellungsbeschluss erfolgt, genügt es selbstverständlich auch, wenn diese planerischen Absichten bereits im Inhalt des Aufstellungsbeschlusses ihren Ausdruck gefunden haben. 18
Von einer hinreichenden Konkretisierung ist in der Regel auszugehen, wenn über die zukünftige Nutzungsart des Gebiets, für das die Veränderungssperre gilt, im Zeitpunkt der Beschlussfassung Klarheit besteht.20 Nähere Einzelheiten über den Inhalt der Planung müssen aber noch nicht feststehen.21 Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung oder sonstige Details der Planung bereits konkrete Vorstellungen bestehen. Fehlt es allerdings an einem Mindestmaß planerischer Vorstellungen ist die Veränderungssperre rechtswidrig. Nicht ausreichend ist es jedenfalls, wenn das planerische Konzept erst im Planungsverfahren entwickelt werden soll.22 Ausgeschlossen ist insbesondere eine sogenannte Negativplanung, die nur darauf gerichtet ist, die Bebauung eines Gebiets zunächst zu unterbinden, um möglicherweise erst zu einem späteren Zeitpunkt planerische Vorstellungen über die Nutzung der Grundstücke zu entwickeln oder deren zukünftige Bebauung sogar gänzlich auszuschließen.23 Nachträgliche Änderungen des beim Erlass der Veränderungssperre bestehenden Planungskonzepts der Gemeinde führen grundsätzlich zur Unwirksamkeit der Veränderungssperre.24 Sie tritt aber erst von dem Zeitpunkt an ein, in dem das ursprüngliche Planungskonzept aufgegeben wurde. Geringfügige nachträgliche Veränderungen der planerischen Vorstellungen der Gemeinde haben hingegen keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Veränderungssperre. Ob die ins Auge gefasste zukünftige Planung in der vorgesehenen Weise rechtlich zu realisieren ist, ist für die Rechtmäßigkeit einer Veränderungssperre grundsätzlich ohne Bedeutung. Die planerischen Vorstellungen der Gemeinde sind noch nicht am Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB zu messen.25 Für den Erlass der Veränderungssperre selbst gilt § 1 Abs. 7 BauGB ohnehin nicht. Steht aber bereits Vgl. statt vieler Sennekamp (Fn. 3), § 14, Rn. 19; BVerwGE 51, 121; 120, 138. Mitschang (Fn. 4), § 14, Rn. 9; BVerwGE 120, 138. 20 Sennekamp (Fn. 3), § 14, Rn. 24; BVerwG, ZfBR 2002, S. 597; NVwZ 2004, S. 477. 21 Schenke, WiVerw. 1994, S. 253 (265); Sennekamp (Fn. 3), § 14, Rn. 19. 22 Sennekamp (Fn. 3), § 14, Rn. 21; BVerwG, BRS 67 Nr. 119. 23 Mitschang (Fn. 4), § 14, Rn. 9; BVerwG, NVwZ 2004, S. 984; BauR 2009, S. 1421 (1422); s. zur Unzulässigkeit einer Negativplanung näher Schenke, WiVerw. 1994, S. 253 (266 f.). 24 Mitschang (Fn. 4), § 14, Rn. 9a; Schenke, WiVerw. 1994, S. 253 (264); OVG Lüneburg, BauR 2000, S. 73; a. A. Sennekamp (Fn. 3), Rn. 29; VGH Mannheim, VBlBW 2008, 143. 25 Mitschang (Fn. 4), § 14, Rn. 9a; BVerwG, NVwZ 1993, S. 473, OVG Koblenz, N VwZ-RR 2013, S. 258 (260). 18
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beim Erlass der Veränderungssperre fest, dass sich die planerischen Vorstellungen der Gemeinde über die Art der baulichen Nutzung nicht realisieren lassen, vermag die Veränderungssperre die ihr zugedachte Sicherungsfunktion nicht zu erfüllen. Sie ist deshalb in einem solchen Fall rechtswidrig und grundsätzlich unwirksam.26 Eine Veränderungssperre ist auch dann rechtswidrig, wenn ihr Erlass zur Sicherung der planerischen Absichten der Gemeinde nicht erforderlich ist, weil eine mit den planerischen Vorstellungen der Gemeinde kollidierende bauliche Nutzung ohnehin bereits nach geltendem Baurecht unzulässig wäre. Unzulässig, da nicht erforderlich, ist eine Veränderungssperre auch dann, wenn zur Sicherung der Bauleitplanung bereits die weniger belastende Zurückstellung eines Baugesuchs ausreicht.27 Der Erlass der Veränderungssperre setzt nicht voraus, dass bezüglich des Gebiets, für das die Veränderungssperre gelten soll, bereits konkrete Bauabsichten einzelner Personen bestehen oder diese gar schon einen Bauantrag gestellt haben. 4. Das gemeindliche Ermessen bezüglich des Erlasses einer Veränderungssperre Der Erlass einer Veränderungssperre ist nach § 14 BauGB in das Ermessen der Gemeinde gestellt. Da es sich bei der Veränderungssperre um eine Rechtsnorm handelt, sind die Vorschriften des § 40 VwVfG und § 114 VwGO, die die Ausübung des Ermessens beim Erlass von Verwaltungsakten zum Gegenstand haben, jedenfalls nicht unmittelbar anwendbar. Obschon sonst für die gerichtliche Überprüfung des normativen Ermessens prinzipiell andere Grundsätze gelten als für die Überprüfung von Verwaltungsakten 28 und bei Normen insbesondere die Willensbildung des Normgebers keiner gerichtlichen Kontrolle unterliegt, gelten für Veränderungssperren wegen ihrer besonderen Grundstücksbezogenheit – ähnlich wie für Bebauungspläne – im Wesentlichen dieselben Grundsätze wie für die Ausübung und Überprüfung des Ermessens bei Verwaltungsakten.29 Ein Ermessensfehler liegt demgemäß nicht nur dann vor, wenn der Erlass der Veränderungssperre im Ergebnis zu beanstanden ist, sondern auch dann, wenn die Art und Weise, in der die Ermessensentscheidung zustande kam, zu missbilligen ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Gemeinde wesentliche für die Ermessensentscheidung relevante Aspekte bei ihrer Willensbildung nicht berücksichtigt hat, diese nicht in der rechtlich gebotenen Weise gewichtet hat (Ermessensdisproportionalität) oder sich bei 26 Rieger (Fn. 4), § 14, Rn. 18; Schenke, WiVerw. 1994, S. 253 (266); Sennekamp (Fn. 3), § 14, Rn. 34. 27 Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, /Bauplanungsrecht, 5. Aufl. 2004, Rn. 2306 f.; Schenke, WiVerw. 1994, S. 253 (270); Sennekamp (Fn. 3), § 14, Rn. 38; a. A. Rieger (Fn. 4), § 14, Rn. 19. 28 s. hierzu näher allgemein Schenke, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Drittbearbeitung) 2009, Art. 19 Abs. 4, Rn. 594 ff. 29 Dazu Schenke, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Drittbearbeitung), Art. 19 Abs. 4, Rn. 604 ff.
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ihrer Ermessensentscheidung von sachfremden Erwägungen leiten ließ (Ermessensmissbrauch). 5. Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gem. § 14 Abs. 2 BauGB § 14 Abs. 2 BauGB sieht vor, dass von einer Veränderungssperre Ausnahmen zugelassen werden können, wenn überwiegende öffentliche Interessen nicht entgegenstehen. Die Entscheidung über Ausnahmen trifft die Baurechtsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde. Ist die Gemeinde zugleich Baurechtsbehörde, bedarf es keines gesonderten gemeindlichen Einvernehmens.30 Durch die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung, die nach überwiegender Meinung antragsgebunden ist,31 wird dem Übermaßverbot Rechnung getragen. Die Zulassung einer Ausnahme gem. § 14 Abs. 2 BauGB bewirkt nur die Suspendierung von den Festsetzungen einer Veränderungssperre. Sie ist daher von der Baugenehmigung scharf zu trennen. Erst wenn eine Ausnahme von der Veränderungssperre erteilt worden ist, ist über ein Baugesuch anhand der §§ 29 ff. BauGB und der bauordnungsrechtlichen Bestimmungen zu befinden. Die Zulassung einer Ausnahmegenehmigung gem. § 14 Abs. 2 BauGB setzt zwingend voraus, dass ihr keine „überwiegenden öffentlichen Belange“ entgegenstehen. Bei diesem Terminus handelt es sich um einen gerichtlich uneingeschränkt überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff. Bezüglich der Frage, ob solche überwiegenden öffentlichen Belange vorliegen, bestehen daher weder ein Beurteilungs- noch ein Ermessensspielraum. Erst wenn feststeht, dass es an überwiegenden öffentlichen Belangen fehlt, ist Raum für eine Ermessensentscheidung. Von überwiegenden öffentlichen Belangen, welche die Erteilung einer Ausnahme ausschließen, ist in Anlehnung an § 15 BauGB, der unmittelbar nur die Zurückstellung eines Baugesuchs betrifft, jedenfalls dann auszugehen, wenn zu befürchten ist, dass durch eine beabsichtigte bauliche Anlage, durch Änderungen daran oder eine Veränderung des Grundstücks die Durchführung der Planung unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert wird.32 An entgegenstehenden öffentlichen Belangen wird die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung regelmäßig scheitern, wenn das Bauvorhaben mit den planerischen Absichten der Gemeinde, wie sie im Entwurf eines Bebauungsplans ihren Ausdruck gefunden haben, nicht übereinstimmt und deshalb beim späteren Inkrafttreten des vorgesehenen Bebauungsplans nicht genehmigungsfähig wäre. Ob überwiegende öffentliche Belange einer Ausnahme im Wege stehen, ist im Übrigen anhand einer Interessenabwägung zwischen dem Interesse eines Antragstellers an der sofortigen Realisierung seines Bauvorhabens Sennekamp (Fn. 3), § 14, Rn. 68; BVerwGE 121, 339. Schenke, WiVerw. 1994, S. 253 (280); Sennekamp (Fn. 3), § 14, Rn. 66; OVG Weimar, NVwZ-RR 2002, 415; a. A. Lemmel (Fn. 9), § 14, Rn. 34. 32 Mitschang (Fn. 4), § 14, Rn. 19; Schenke, WiVerw. 1994, S. 253 (281); Sennekamp (Fn. 3), § 14, Rn. 59. 30 31
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sowie dem Interesse der Gemeinde an der Verwirklichung ihrer planerischen Absichten zu ermitteln. Auch bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 14 Abs. 2 BauGB steht die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung in der Regel nur im behördlichen und gemeindlichen Ermessen. Das schließt nicht aus, dass im Einzelfall das Ermessen auf null reduziert sein kann und die Ausnahmegenehmigung deshalb zu erteilen ist. Fehlt in Bezug auf ein konkretes Bauvorhaben das Sicherungsbedürfnis, weil hierdurch eine Gefährdung planerischer Absichten ausgeschlossen erscheint und stehen diesem deshalb nicht nur keine überwiegenden, sondern überhaupt keine öffentlichen Belange entgegen, so ergibt sich aus der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie des Art. 14 GG unter Beachtung des Übermaßverbots ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Ausnahmegenehmigung.33 Ein Rechtsanspruch auf eine Ausnahmegenehmigung ist insbesondere in den Fällen der Planreife eines Bauvorhabens gem. § 33 BauGB zu bejahen, die u. a. voraussetzt, dass ein Vorhaben den künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans nicht entgegensteht.34 Ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung kann schließlich auch aus dem Gesichtspunkt der Folgenbeseitigungslast begründet sein.35 Sie verpflichtet die Verwaltung dort, wo sich für sie die Möglichkeit bietet, früheres Unrecht zu korrigieren, von einer entsprechenden Ermessensermächtigung Gebrauch zu machen. Hat die Baurechtsbehörde die Erteilung einer beantragten Baugenehmigung bereits vor Erlass der Veränderungssperre (bzw. einer Zurückstellung des Baugesuchs) zu Unrecht abgelehnt, so ist sie deshalb bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 BauGB verpflichtet, eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen. 6. Die Geltungsdauer der Veränderungssperre Die Veränderungssperre tritt gem. § 17 Abs. 1 BauGB grundsätzlich nach zwei Jahren außer Kraft. Etwas anderes gilt dann, wenn sich die Veränderungssperre von vorneherein eine kürzere Geltungsdauer beigemessen hat. Nach § 17 Abs. 4 BauGB ist eine Veränderungssperre vor Fristablauf überdies ganz oder teilweise außer Kraft zu setzen, sobald die Voraussetzungen für ihren Erlass weggefallen sind.36 Zudem tritt die Veränderungssperre gem. § 17 Abs. 5 BauGB in jedem Fall außer Kraft, sobald und soweit die Bauleitplanung verbindlich abgeschlossen ist. Auf die Geltungsdauer einer Veränderungssperre ist der seit der ersten Zustellung der Zurückstellung eines Baugesuchs abgelaufene Zeitraum nach § 17 Abs. 1 S. 2 BauGB anzurechnen. Die Anrechnung wirkt nur grundstücksbezogen. Auf die Veränderungssperre ist jede für ein Grundstück ergangene Zurückstellung ohne Rücksicht auf die Person des Bauantragstellers und das konkret beantragte VorhaSchenke, WiVerw. 1994, S. 253 (283); Sennekamp (Fn. 4), § 14, Rn. 61. Rieger (Fn. 4), § 14, Rn. 27; Sennekamp (Fn. 3), § 14, Rn. 62. 35 Schenke, WiVerw. 1994, S. 253 (284); Sennekamp (Fn. 3), § 14, Rn. 62; BVerwG, NVwZ 1990, 58. 36 Sennekamp (Fn. 3), § 14, Rn. 62; BVerwG, BauR 2008, 328. 33
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ben anrechenbar.37 Dies hat die Konsequenz, dass die Geltungsdauer der Veränderungssperre gegenüber verschiedenen hierdurch Betroffenen variieren kann. § 17 Abs. 1 S. 2 BauGB wird durch die h. M.38 analog auf die Fälle angewandt, in denen ein Baugesuch verzögerlich behandelt oder rechtswidrig abgelehnt wurde. Man spricht hier von sogenannten faktischen Bausperren. Diese Ansicht vermag jedoch nicht zu überzeugen. Sie übersieht, dass die Interessenlage bei einer rechtswidrigen Verzögerung oder Ablehnung einer Baugenehmigung nicht mit dem in § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB geregelten Fall der rechtmäßigen Zurückstellung eines Baugesuchs zu vergleichen ist und deshalb die ratio legis des § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB nicht für eine faktische Bausperre passt.39 Während sich der Betroffene gegen eine rechtswidrige Verzögerung oder Ablehnung einer Baugenehmigung mit Erfolg gerichtlich zur Wehr setzen kann, kann er sich einer rechtmäßigen Zurückstellung eines Baugesuchs nicht mit Erfolg widersetzen. Die Geltungsdauer der Veränderungssperre kann gem. § 17 Abs. 1 S. 3 BauGB um ein Jahr verlängert werden. Eine noch weitere zweite Verlängerung um ein zusätzliches Jahr ist gem. § 17 Abs. 2 BauGB nur zulässig, wenn besondere Umstände es erfordern. Voraussetzung hierfür ist, dass das Planverfahren durch eine Ungewöhnlichkeit gekennzeichnet ist, die sich von dem allgemeinen Rahmen der üblichen städtebaulichen Tätigkeit wesentlich abweicht.40 Daran fehlt es jedenfalls dann, wenn die Gemeinde die Durchsetzung ihrer planerischen Vorstellungen in vorwerfbarer Weise verzögert hat und bei ordnungsgemäßer Betreibung der Planung ihre planerischen Absichten bereits zu einem rechtsverbindlichen Bebauungsplan geführt hätten.41 Noch weitere Verlängerungen der Veränderungssperre über § 17 Abs. 2 BauGB hinaus sind ausgeschlossen. Die Höchstdauer einer Veränderungssperre kann damit auch nach ihren Verlängerungen maximal vier Jahre betragen. § 17 Abs. 3 BauGB sieht aber vor, dass eine Gemeinde eine außer Kraft getretene Veränderungssperre ganz oder teilweise erneut beschließen kann, wenn die Voraussetzungen für ihren Erlass fortbestehen. Hat vor dem Neuerlass einer Veränderungssperre bereits für mindestens drei Jahre eine Veränderungssperre gegolten, bedarf es jedoch analog § 17 Abs. 2 BauGB besonderer Gründe für den Neuerlass der Veränderungssperre.42 Ohne die Bejahung einer solchen Analogie ließe sich 37 Mitschang (Fn. 4), § 17, Rn. 2; Schenke, WiVerw 1994, S. 253 (285 ff.); Sennekamp (Fn. 3), § 17, Rn. 17; Stock (Fn. 6), § 17, Rn. 15; BVerwG, BauR 2004, S. 1263. 38 Lemmel (Fn. 9), § 17, Rn. 5; Mitschang (Fn. 4), § 17, Rn. 2; Rieger (Fn. 4), § 17, Rn. 5; Stock (Fn. 6), § 17, Rn. 17; BVerwG, NJW 1971, S. 445. 39 s. hierzu eingehend mit weiteren Argumenten Schenke, WiVerw. 1994, S. 253 (287 ff.); ebenso nunmehr auch Sennekamp (Fn. 3), § 17, Rn. 24 ff. mit weiteren Nachweisen. 40 So zutreffend Sennekamp (Fn. 3), § 17, Rn. 58. 41 Mitschang (Fn. 4), § 17, Rn. 4; Rieger (Fn. 4), § 17, Rn. 10; VGH Mannheim, N VwZ-RR 1995, S. 135. 42 Schenke, WiVerw. 1994, S. 253 (317 f.); Sennekamp (Fn. 3), § 17, Rn. 58; BVerwG, NVwZ 1993, 474.
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das für eine Verlängerung der Veränderungssperre über drei Jahre hinaus aufgestellte Erfordernis „besonderer Gründe“ durch Neuerlass einer Veränderungssperre umgehen. 7. Entschädigungsansprüche gem. § 18 BauGB Dauert die Veränderungssperre länger als vier Jahre über den Zeitraum ihres Beginnes oder die erste Zurückstellung eines Baugesuchs nach § 15 Abs. 1 BauGB hinaus, ist den Betroffenen nach näherer Maßgabe des § 8 BauGB für dadurch entstandene Vermögensnachteile eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten.43 Zur Entschädigung verpflichtet ist die Gemeinde. § 18 BauGB trägt mit der Zuerkennung eines Entschädigungsanspruchs einem sich aus der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie ergebenden Erfordernis Rechnung. Zwar liegt in der durch die Veränderungssperre hervorgerufenen baulichen Einschränkung der Nutzung des Grundstücks nach der neueren Rechtsprechung des BVerfG44 noch keine Enteignung i. S. des Art. 14 Abs. 3 GG, für die eine Entschädigung zu leisten ist. Von einer Enteignung ist nach dieser Judikatur nämlich nur bei einem – durch die Veränderungssperre nicht begründeten – ganzen oder teilweisen Entzug des Eigentums auszugehen. Wohl aber begründet eine so lange andauernde Beschränkung der baulichen Nutzung eines Grundstücks eine entschädigungspflichtige Sozialbindung des Eigentums. 8. Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche bei rechtswidriger Verhängung einer Veränderungssperre Ein Entschädigungsanspruch gem. § 18 BauGB besteht nur bezüglich solcher Vermögensnachteile, die durch rechtmäßige Veränderungssperren hervorgerufen wurden. Waren die Veränderungssperren rechtswidrig, kommen bezüglich hierdurch verursachter Vermögensnachteile jedoch Entschädigungsansprüche unter dem Aspekt des enteignungsgleichen Eingriffs in Betracht.45 Auch ein solcher Anspruch, der eine richterrechtliche Ausprägung des Aufopferungsgrundsatzes beinhaltet, ist auf eine angemessene Entschädigung gerichtet. Der Betroffene muss es sich aber analog § 254 BGB anrechnen lassen, wenn er es versäumt hat, den Schaden durch den Gebrauch von Rechtsmitteln abzuwehren bzw. zu mindern. Bei schuldhaftem Erlass einer Veränderungssperre stehen den durch eine Veränderungssperre Geschädigten auch Schadensersatzansprüche wegen Amtspflichtverletzung gem. § 839 BGB i. V. mit Art. 34 GG zu.46 Diese Ansprüche reichen weiter als Entschädigungsansprüche. Zu ersetzen ist danach auch entgangener Gewinn. s. hierzu näher Rieger (Fn. 4), § 18, Rn. 1 ff.; Schenke, WiVerw. 1994, S. 253 (345 ff.). Grundlegend BVerfGE 58, S. 300 ff. 45 s. hierzu eingehend Schenke, WiVerw. 1994, S. 252 (350 ff.); zur Anwendbarkeit des enteignungsgleichen Eingriffs auf normatives Unrecht s. allgemein näher Schenke, NJW 1991, S. 1777 ff. 43
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III. Die Zurückstellung eines Baugesuchs 1. Rechtsnatur und Rechtsschutz gegen die Zurückstellung eines Baugesuchs
Ein Mittel zur Sicherung der Bauleitplanung ist auch die Zurückstellung eines konkreten Baugesuchs, die in § 15 BauGB geregelt ist. Im Gegensatz zur Veränderungssperre führt sie nicht zu einer generellen Unzulässigkeit der Bebauung eines Grundstücks. Vielmehr bewirkt sie nur die Aussetzung der behördlichen Entscheidung über ein konkretes Baugesuch. Damit zusammenhängend weist sie auch eine andere Rechtsnatur auf als eine Veränderungssperre. Anders als jene ist sie keine Rechtsnorm, sondern ein Verwaltungsakt,47 auf den deshalb grundsätzlich die für Verwaltungsakte geltenden Regelungen der §§ 35 ff. der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder (VwVfG) anwendbar sind.48 Zuständig für den Erlass eines Zurückstellungsbescheids ist – auch insoweit abweichend von der Veränderungssperre – nicht die Gemeinde, sondern die Behörde, die für die Entscheidung über das Baugesuch zuständig ist. Voraussetzung für die Zurückstellung eines Baugesuchs ist allerdings ein in das gemeindliche Ermessen gestellter Antrag der Gemeinde, dem die zuständige Behörde bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Zurückstellung des Baugesuchs zu folgen hat. Das Antragserfordernis entfällt, wenn die Gemeinde zugleich Baurechtsbehörde ist. Da es sich bei der Zurückstellung des Baugesuchs um einen Verwaltungsakt handelt, kann sich der hierdurch Betroffene gegen die Zurückstellung mit einer Anfechtungsklage zur Wehr setzen.49 Die formelle oder materielle Rechtswidrigkeit des Zurückstellungsbescheids führt grundsätzlich nicht zu dessen Nichtigkeit, sondern hat nur zur Folge, dass eine noch nicht bestandskräftige Zurückstellung gem. § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG durch die zuständige Behörde oder – bei Anfechtung Betroffener – durch das Gericht gem. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO aufzuheben ist. 2. Spezifische Voraussetzungen für die Zurückstellung eines Baugesuchs Gem. § 15 Abs. 1 S. 1 BauGB ist die Zurückstellung eines Baugesuchs auf Antrag der Gemeinde dann vorzunehmen, wenn eine Veränderungssperre nach § 14 BauGB nicht beschlossen wurde, obwohl deren Voraussetzungen gegeben s. hierzu näher Schenke, WiVerw. 1994, S. 253 (352 ff.), zur Anwendbarkeit des § 839 BGB i. V. mit Art. 34 GG auf normatives Unrecht s. bereits näher Schenke, Rechtsschutz bei normativem Unrecht, 1978, S. 89 ff. sowie ders., DVBl. 1975, S. 121 ff. 47 Statt vieler Sennekamp (Fn. 3), § 15, Rn. 41 f. 48 Schenke, WiVerw. 1994, S. 253 (336); Sennekamp (Fn. 3), § 15, Rn. 29 ff. 49 So die heute h. M., vgl. z. B. Sennekamp, in: Staat, Verwaltung und Rechtsschutz, Festschrift für Wolf-Rüdiger Schenke zum 70. Geburtstag, 2011, S. 1225 (1236); Kopp/ Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 21. Aufl. 2005, § 42, Rn. 30. 46
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sind oder wenn eine beschlossene Veränderungssperre noch nicht in Kraft getreten ist. Bezüglich der Voraussetzungen für die Zurückstellung eines Baugesuchs gilt damit weitgehend dasselbe wie für die Veränderungssperre.50 Erforderlich sind demnach auch hier ein ordnungsgemäß bekannt gemachter Beschluss der Gemeinde, einen Bebauungsplan aufzustellen sowie ein Mindestmaß an Konkretisierung der Planung, das sich aber auch hier nicht bereits aus dem Aufstellungsbeschluss ergeben muss. In Bezug auf die Durchführung dieser Planung muss überdies zu befürchten sein, dass sie durch das Vorhaben, das den Gegenstand des Baugesuchs bildet, unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert würde. Ausgeschlossen ist die Zurückstellung eines Baugesuchs, wenn bereits eine wirksame Veränderungssperre erlassen wurde. Selbst bei Vorliegen der bisher genannten Voraussetzungen für die Zurückstellung eines Baugesuchs darf jene dann nicht ergehen, wenn eine an ihre Stelle tretende Veränderungssperre gem. § 14 Abs. 3 BauGB keinen Einfluss auf die Zulässigkeit des Bauvorhabens hätte.51 Dafür sprechen neben der Formulierung des § 15 Abs. 1 S. 1 BauGB auch teleologische Gründe. Die Notwendigkeit einer Anknüpfung an § 14 Abs. 3 BauGB ergibt sich daraus, dass die Zurückstellung des Baugesuchs der Baurechtsbehörde wie auch der Gemeinde keine stärkere Rechtsposition als eine Veränderungssperre verschaffen soll. Bedeutsam ist diese Anknüpfung an § 14 Abs. 3 BauGB insbesondere dann, wenn der Antragsteller bereits im Besitz einer Bebauungsgenehmigung ist und nunmehr einen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung stellt. Da die Bebauungsgenehmigung insoweit ein vorweggenommener Teil einer Baugenehmigung ist, als bereits durch sie die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des vorgesehenen Bauvorhabens abschließend bindend festgestellt wird, kann die Baurechtsbehörde dann die Entscheidung über den Antrag auf Baugenehmigung nicht mehr zurückstellen. 3. Die zeitliche Dauer der Zurückstellung eines Baugesuchs Die Baurechtshörde kann die Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens maximal für einen Zeitraum bis zu zwölf Monaten aussetzen. Eine schon früher erfolgte Zurückstellung eines Baugesuchs muss auf eine nochmalige spätere Zurückstellung angerechnet werden.52 Zur Begründung dieses Ergebnisses bedarf es nicht einmal einer analogen Anwendung des § 17 Abs. 1 S. 2 BauGB. Vielmehr ergibt sich dies schon daraus, dass § 15 Abs. 1 S. 1 BauGB sinnvollerweise nur so verstanden werden kann, dass eine Zurückstellung nur für insgesamt maximal ein Jahr zulässig ist. Andernfalls könnte diese Vorschrift durch „Kettenzurückstellungen“ beliebig ausgehöhlt werden. Damit würde der Sache nach ein ähnlicher Effekt wie mit einer Veränderungssperre erzielt. Faktische Bausperren sind auch hier – ebenso wie bei Veränderungssperren – entgegen der h. M. nicht anzurechSennekamp (Fn. 3), § 15, Rn. 17 ff. Rieger (Fn. 4), § 15, Rn. 6. 52 Rieger (Fn. 4), § 15, Rn. 15. 50 Näher 51
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nen.53 Bisher schon erlassene Veränderungssperren sind hingegen nicht auf die Zurückstellung eines Baugesuchs anzurechnen. Wäre man hier anderer Ansicht, so schiede die Zurückstellung eines Baugesuchs nach vorheriger Verhängung einer Veränderungssperre regelmäßig aus. Sind die Voraussetzungen für die Zurückstellung eines Baugesuchs bereits vor Ablauf der im Zurückstellungsbescheid vorgesehenen Zeit entfallen, wird der Zurückstellungsbescheid vom Moment des Entfallens an rechtswidrig. Er ist deshalb durch die Baurechtsbehörde gem. § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG zurück zu nehmen und bei gerichtlicher Anfechtung der Zurückstellungsbescheids vom Moment des Wegfalls der Rechtmäßigkeitsvoraussetzung an gem. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO verwaltungsgerichtlich aufzuheben.54 Sind die planerischen Absichten der Gemeinde nunmehr in einem Bebauungsplan umgesetzt worden und steht das Baugesuch mit diesem nicht im Einklang, ist der Zurückstellungsbescheid aufzuheben und ein Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung nunmehr als unbegründet abzuweisen. Steht das Baugesuch dagegen im Einklang mit dem neu erlassenen Bebauungsplan, ist der Zurückstellungsbescheid aufzuheben und die Baugenehmigung bei Vorliegen ihrer sonstigen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen zu erteilen. Das dürfte sogar bereits dann gelten, wenn sich die Planungsvorstellungen der Gemeinde zwar noch nicht in einem rechtsverbindlichen Bebauungsplan niedergeschlagen haben, wohl aber bereits Planreife i. S. des § 33 BauGB vorliegt.55 4. Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche Die rechtmäßige Zurückstellung eines Baugesuchs, die sich auf maximal 1 Jahr belaufen kann, stellt sich als eine entschädigungslos hinzunehmende Sozialbindung des Eigentums dar. Sie ist allerdings gem. § 18 BauGB auf eine spätere Veränderungssperre anzurechnen und führt, wenn diese unter ihrer Einbeziehung länger als vier Jahre andauert, zu einem Entschädigungsanspruch gegen die Gemeinde. Bei einer rechtswidrigen Zurückstellung des Baugesuchs kommen Entschädigungsansprüche unter dem Aspekt des enteignungsgleichen Eingriffs gegen den Träger der Bauaufsichtsbehörde in Betracht, wenn dem durch die Zurückstellung Betroffenen ein durch den Gebrauch von Rechtsmitteln nicht abwendbarer Vermögensschaden entsteht.56 Erfolgt die rechtswidrige Zurückstellung eines Baugesuchs schuldhaft, können überdies Schadensersatzansprüche unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung (§ 839 BGB i. V. mit Art. 34 GG) gegeben sein.
53 Schenke, WiVerw. 1994, S. 253 (335); Sennekamp (Fn. 3), § 14, Rn. 8; a. A. für die h. M. z. B. Stock (Fn. 6), § 15, Rn. 49. 54 Schenke, WiVerw. 1994, S. 253 (337); Sennekamp (Fn. 3), § 15, Rn. 49. 55 Sennekamp (Fn. 3), § 14, Rn. 55. 56 Mitschang (Fn. 4), § 18, Rn. 3; Schenke, WiVerw. 1994, S. 253 (350 ff.).
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Literatur Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, Kommentar, 14. Aufl. 2014. Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, Loseblattausgabe, Stand 2014. Brügelmann, Baugesetzbuch Bd. II, Kommentar, Loseblattausgabe, Stand 2014. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), Baugesetzbuch Bd. II, Loseblattausgabe, Stand 2014. Ferner/Kröninger/Aschke (Hrsg.), Baugesetzbuch, Kommentar, 3. Aufl. 2013. Gelzer/Bracher/Reidt, Bauplanungsrecht, 7. Aufl. 2004. Jäde/Dirnberger/Weiß, Baugesetzbuch, Kommentar, 7. Aufl. 2013. Schenke, Veränderungssperre und Zurückstellung des Baugesuchs als Mittel zur Sicherung der Bauleitplanung, WiVerw. 1994, S. 253 ff. Schrödter (Hrsg.), Baugesetzbuch, 8. Aufl. 2015.
Mittel zur Sicherung der Bauleitplanung in Deutschland und Korea Von Bo Cook Seo Bo Cook Seo
I. Einleitung Das deutsche BauGB normiert verschiedene Mittel zur Sicherung der Bauleitplanung1. Neben der Teilungsgenehmigung, dem Vorkaufsrecht, der Sanierung und der Entschädigung geht es insbesondere um die Veränderungssperre und die Zurückstellung eines Baugesuchs nach §§ 14 ff. BauGB. Die beiden letztgenannten Rechtsfiguren sind von koreanischen Verwaltungsrechtlern bislang noch gar nicht untersucht worden. Seit den 1970er Jahren sind allerdings viele deutsche Rechtsfiguren und Theorien von der koreanischen Verwaltungsrechtswissenschaft analysiert und ins koreanische Verwaltungsrecht eingeführt worden 2. Das wirft die Frage auf, welche Unterschiede bei der Sicherung der Bauleitplanung zwischen Deutschland und Korea insbesondere in Bezug auf die Veränderungssperre und die Zurückstellung eines Baugesuchs bestehen und was die Gründe hierfür sind. Die folgenden Ausführungen werden sich mit den Grundzügen der Sicherungsmittel der Bauleitplanung in Deutschland (II.) sowie in Korea einschließlich der kurzen Darstellung einer verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (III.) befassen. Anschließend sind in rechtsvergleichender Perspektive die Unterschiede, die bei der Sicherung der Bauleitplanung zwischen Deutschland und Korea (IV.) bestehen, zu erörtern. 1 In Deutschland sind die Gemeinden zuständig für den Vollzug der Bauleitplanung, also für die Aufstellung der Bauleitpläne (Flächennutzungsplan und Bebauungsplan). Der Flächennutzungsplan wird für das gesamte Gemeindegebiet nur behördenverbindlich (§§ 5 – 7 BauGB) aufgestellt, während ein Bebauungsplan für räumliche Teilbereiche des Gemeindegebiets allgemeinverbindlich (§§ 8 – 10 BauGB) aufgestellt wird. Im Unterschied zum Bebauungsplan wird der Flächennutzungsplan nicht als Satzung beschlossen, sondern als verwaltungsinterner Plan festgestellt. Der Flächennutzungsplan begründet also keine Bauansprüche für die Grundstückseigentümer, er bindet jedoch die Gemeinde und andere öffentliche Planungsträger bei späteren Entscheidungen. Deshalb kann der deutsche „Flächennutzungsplan“ mit dem koreanischen nur behördenverbindlichen „Stadtgrundplan“ und der deutsche „Bebauungsplan“ mit dem koreanischen allgemeinverbindlichen „Stadtmanagementplan“ verglichen werden. 2 Dazu Jong Hyun Seok, Die Rezeption des deutschen Verwaltungsrechts in Korea, 1991, passim.
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II. Sicherungsmittel der Bauleitplanung in Deutschland 1. Veränderungssperre als Satzung der Gemeinde Nach §§ 14, 16-18 BauGB kann die Gemeinde durch Satzung eine Veränderungssperre mit den Folgen eines Bau- und Abrissverbots sowie der Untersagung wertsteigernder Maßnahmen erlassen, wenn für das fragliche Gebiet die Aufstellung eines Bebauungsplans bereits beschlossen ist3. Als Teil des öffentlichen Baurechts ist die Veränderungssperre als kommunale Satzung, welche gem. § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle unterliegt4, von der Bauaufsichtsbehörde zu beachten. Der Beschluss der Gemeinde über den Erlass einer Veränderungssperre setzt den Aufstellungsbeschluss der Gemeinde bezüglich eines Bebauungsplans und die öffentliche Bekanntgabe des Beschlusses voraus5. Zudem muss der künftige Inhalt des Bebauungsplans zum Zeitpunkt des Erlasses einer Veränderungssperre in einem Mindestmaß konkretisiert und absehbar sein6. Welches Mindestmaß der Konkretisierung erforderlich ist, hängt im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalls ab. Nach § 14 Abs. 3 BauGB hat die Veränderungssperre keine Sperrwirkung, wenn das Bauvorhaben bereits vor dem Inkrafttreten der Satzung genehmigt wurde. Außerdem kann die Gemeinde eine Ausnahme von der Veränderungssperre erteilen, wenn kein Verstoß gegen öffentliche Belange vorliegt. Nach § 17 Abs. 1 BauGB erlischt die Veränderungssperre grundsätzlich nach Ablauf von zwei Jahren. Sie kann aber um ein Jahr verlängert werden. Auf die Zweijahresfrist ist der seit der Zustellung der ersten Zurückstellung eines Baugesuchs nach § 15 Abs. 1 BauGB abgelaufene Zeitraum anzurechnen. Auf die Geltungsdauer der Veränderungssperre ist auch die sog. „faktische Zurückstellung“, z. B. der Zeitraum, der durch eine verzögerte Behandlung des Bauantrages entstanden ist, anzurechnen7. In jedem Fall tritt eine Veränderungssperre nach § 17 Abs. 5 BauGB außer Kraft, wenn der Bebauungsplan rechtsverbindlich beschlossen wurde. Insgesamt darf eine Veränderungssperre maximal vier Jahre bestehen. 2. Zurückstellung eines Baugesuchs als Verwaltungsakt der Bauaufsichtsbehörde Nach § 15 BauGB hat die Baugenehmigungsbehörde auf Antrag der Gemeinde die Entscheidung über die Zulässigkeit von Bauvorhaben vorläufig bis maximal 3 Wickel, Bauplanung, in: Ehlers/Fehling/Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 2, 2013, § 40 Rn. 181 ff. 4 W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 14. Aufl., 2014, Rn. 878. 5 BVerwG, v. 6. 8. 1992 - 4 N 1.92, NVwZ 1993, S. 471 ff. 6 BVerwG, v. 19. 2. 2004 - 4 CN 16.03, NVwZ 2004, 858 ff. 7 Dazu ausführlich W.-R. Schenke, Veränderungssperre und Zurückstellung eines Baugesuchs als Mittel zur Sicherung der Bauleitplanung, WiVerw 1994, S. 253 (261 – 328).
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12 Monate auszusetzen8. Eine früher erfolgte Zurückstellung eines Baugesuchs muss auf eine nochmalige spätere Zurückstellung zeitlich angerechnet werden9. Liegen die Voraussetzungen für eine Zurückstellung vor, muss die Baugenehmigungsbehörde ein Baugesuch zurückstellen. Die Voraussetzungen entsprechen denen einer Veränderungssperre. Die Zurückstellung eines Baugesuchs ist aber keine kommunale Satzung, sondern wird als Verwaltungsakt i. S. v. § 35 VwVfG beschlossen. Bei sogenannten „Freistellungsverfahren“, in welchen Baugenehmigungen für bestimmte Vorhaben nicht mehr erforderlich sind, kann an Stelle der Zurückstellung ein Bauvorhaben innerhalb einer bestimmten Frist vorläufig untersagt werden. 3. Weitere Sicherungsmittel Für die Teilung eines bebauten Grundstückes und die Fortschreibung im Grundbuch wird eine bauordnungsrechtliche Teilungsgenehmigung benötigt. Eine ohne Teilungsgenehmigung erfolgte grundbuchmäßige Abschreibung des Teilgrundstücks ist materiell-rechtlich unwirksam. Eine Teilungsgenehmigung ist nur erforderlich, wenn dies von einer Gemeinde im Geltungsbereich eines Bebauungsplans durch Satzung bestimmt wird. Gem. § 19 Abs. 2 BauGB darf die Teilung nur versagt werden, wenn die Teilung oder die mit ihr bezweckte Nutzung mit den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht vereinbar ist. Noch in den 90er Jahren bedurfte es für die Grundstücksteilung im Geltungsbereich eines Bebauungsplans sowie im unbeplanten Innen- und Außenbereich immer einer Teilungsgenehmigung. Seitdem wurde die Teilungsgenehmigung für den Innen- und Außenbereich grundsätzlich abgeschafft. Die Teilungsgenehmigung gibt es nunmehr gemäß § 22 BauGB nur noch zur Sicherung in Fremdenverkehrsgebieten. Zur Sicherung der Bauleitplanung soll die Gemeinde die Vorkaufsrechte nur binnen zwei Monaten nach Mitteilung des Kaufvertrags durch Verwaltungsakt ausüben. Die §§ 24 ff. BauGB unterscheiden allgemeine und besondere Vorkaufsrechte. Besitzt die Gemeinde an einem Grundstück kein Vorkaufsrecht kraft Gesetzes, kann sie sich aufgrund der Ermächtigung des § 25 BauGB durch Erlass einer Satzung selbst die Rechtsgrundlage für ein besonderes Vorkaufsrecht schaffen. Die gemeindlichen Vorkaufsrechte bieten der Gemeinde die Möglichkeit, Grundstücke ohne Enteignung zur Sicherung planerischer Entwicklungsziele zu erwerben. Darüber hinaus gibt es noch die städtebauliche Sanierung nach § 136 ff. BauGB, die Entschädigung nach § 39 ff. BauGB und die Enteignung nach § 85 ff. BauGB zur Sicherung der Bauleitplanung im weiteren Sinne.
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Wickel, a. a. O., § 40 Rn. 185. W.-R. Schenke, a. a. O., S. 334.
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III. Sicherungsmittel der Bauleitplanung in Korea 1. Veränderungssperre und Zurückstellung des Baugesuchs? In Korea gibt es keine direkte Entsprechung zur Veränderungssperre und zur Zurückstellung des Baugesuchs nach dem BauGB. Zur Sicherung der Bauleitplanung sieht § 18 Abs. 2 KBauGB jedoch ein anderes Sicherungsmittel vor. Dabei handelt es sich nicht um eine Gemeindesatzung oder einen Verwaltungsakt, sondern um eine behördliche Anordnung gegenüber den Unterkommunen. Diese Einschränkung der Baugenehmigung steht in Korea im Ermessen der Oberkommunen. § 18 KBauGB (Einschränkung der Baugenehmigung usw.) (1) Der Bauminister kann die Baugenehmigung des Genehmigungsträgers oder den Baubeginn der genehmigten baulichen Anlage einschränken, soweit es zur Entwicklung des Staatsraums als unabdingbar anzusehen ist oder wenn der zuständige Minister die Einschränkung für Zwecke der Verteidigung, des Denkmalschutzes oder aus volkswirtschaftlichen Gründen als besonders notwendig erachtet und dies dringend verlangt. (2) Der Bürgermeister von Oberkommunen kann die Baugenehmigung vom Bürgermeister der Unterkommunen oder den Baubeginn der genehmigten baulichen Anlage einschränken, soweit es für die Regional- oder Stadtplanung als besonders notwendig anzusehen ist. (3) Der Bauminister oder der Bürgermeister von Oberkommunen muss gemäß § 8 Grundordnung zur Regulierung der Bodennutzung nicht nur das Verfahren der Anhörung der Bürger, sondern auch des Ausschusses der Bauverwaltung eröffnen, falls die Baugenehmigung vom Bürgermeister der Unterkommunen oder der Baubeginn der genehmigten baulichen Anlage nach Abs. 1 oder 2 eingeschränkt wird. (4) In den Fällen nach Abs. 1 oder 2 darf der Zeitraum der Einschränkung zwei Jahre nicht überschreiten. Darüber hinaus kann die Einschränkung innerhalb eines Jahr einmal verlängert werden. (5) Der Bauminister oder Bürgermeister von Oberkommunen muss in den Fällen nach Abs. 1 oder 2 dem Genehmigungsträger die Einzelheiten über die Nutzung der betreffenden baulichen Anlage sowie die Lage, Fläche und Grenze des betreffenden Gebiets mitteilen. Der die Mitteilung erhaltende Genehmigungsträger muss diese Einzelheiten sofort bekannt machen. (6) In den Fällen nach Abs. 2 muss der Bürgermeister von Oberkommunen sofort dem Bauminister von der Einschränkung berichten und der informierte Bauminister kann in unzumutbaren Fällen die Freigabe der Einschränkung anordnen.
2. Teilungsgenehmigung und Vorkaufsrecht? Anders als die Veränderungssperre und die Zurückstellung des Baugesuchs sind die Teilungsgenehmigung und das Vorkaufsrecht im koreanischen Rechtssystem bereits kodifiziert. Im Gesetz über die Planung und Nutzung des Staatsraums (PNSRG) wird die Teilungsgenehmigung als eine Bebauungsgenehmigung gere-
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gelt. Nach § 56 Abs. 1 Nr. 4 PNSRG muss derjenige, der eine Teilung des Grundstücks vornehmen will, entweder vom Bürgermeister der Sonderstadt, der Großraumstadt, der Stadt oder der Gun eine Bebauungsgenehmigung einholen. PNSRG § 56 Genehmigung des Vorhabens (Bebauungsgenehmigung) (1) Derjenige, der eine der in der Rechtsverordnung bestimmten Aktionen vornehmen will, muss entweder vom Bürgermeister der Sonderstadt, der Großraumstadt, der Stadt oder der Gun eine Bebauungsgenehmigung einholen. Jedoch findet diese Bestimmung keine Anwendung auf folgende stadtplanerische Maßnahmen: 1. Errichtung baulicher Anlagen oder Installation einer Werkanlage 2. Änderung der Bodeneigenschaft (ausgeschlossen ist die Änderung der Boden eigenschaft für den Ackerbau) 3. Abbau von Steinen und Erden 4. Teilung des Grundstücks (ausgeschlossen ist das Baugrundstück mit baulichen Anlagen) 5. Aufschüttung von Material im Grüngebiet, Managementgebiet sowie Natur- und Umweltschutzgebiet (länger als einen Monat) (2) Bei der Änderung der bereits genehmigten Bebauungsgenehmigung findet Abs. 1 entsprechende Anwendung. In dem Fall, dass eine geringfügige Änderung nach der PVo vorgenommen wird, findet diese Bestimmung keine Anwendung. (3) Für die Vorhaben i.S.d. Abs. 1 Nr. 2 und 3 im Stadtgebiet und Planungsmanagementgebiet, insbesondere für den Bau der Waldwege und die Schutzmaßnahmen vor Bodenerosion sind das FBHPG und BESMG abweichend von der Bestimmung des Abs. 1 maßgebend. Für die Vorhaben i. S. d. Abs. 1 Nr. 2 und 3 im Wald, der sich im Erhaltungsmanagementgebiet, Produktionsmanagementgebiet, Land- und Forstwirtschaftsgebiet und Natur- und Umweltschutzgebiet befindet, ist das BWPG maßgebend. (4) Ohne Bebauungsgenehmigung kann mit den folgenden Vorhaben trotz der Bestimmung des Abs. 1 begonnen werden. Nur wenn die provisorische Maßnahme nach Nr. 1 getroffen wird, muss diese innerhalb eines Monats dem Bürgermeister der Sonder- und Großraumstadt sowie dem Bürgermeister der Stadt oder Gun angezeigt werden. 1. Die provisorische Maßnahme zur Katastrophenhilfe oder zur Räumung nach einem Unglück 2. Die Renovierung, der Ausbau oder der Wiederaufbau der baulichen Anlagen, die nach dem BauGB anzeigebedürftig sind, und die Änderung der Bodeneigenschaften, die hierfür notwendig ist (gültig nur für das Gelände zur noch nicht realisierten stadtplanerischen Infrastruktur) 3. Sonstige geringfügige Vorhaben nach der Rechtsverordnung
§ 122 PNSRG sieht zur Sicherung der Bauleitplanung und zur Vermeidung von Spekulation mit Grund und Boden kein Vorkaufsrecht, sondern nur eine Möglichkeit des Vorkaufs vor und regelt das entsprechende Verfahren. In Korea besitzt der Staat oder die Selbstverwaltung (Sonderstadt, Großraumstadt, Stadt oder Gun) nicht kraft Satzung, sondern nur kraft Gesetzes eine Möglichkeit, ein Vorkaufsrecht auszuüben.
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PNSRG § 117 Zuweisung als Genehmigungsbereich zum Grundstücksverkehr § 118 Genehmigung über den Bodenkaufvertrag § 122 Möglichkeit des Vorkaufs (1) Genehmigungsträger können von dem Staat oder der Selbstverwaltung (Sonderstadt, Großraumstadt, Stadt oder Gun) in den Fällen des Antrags nach § 118 Abs. 1 folgende Grundstücke vorkaufen lassen, wenn er/sie sie vorkaufen möchten. 1. gemeinnütziges Grundstück 2. zweckwidrig genutztes Grundstück, welches mit Genehmigung des Bodenkaufvertrags nach § 118 Abs. 1 gekauft wurde. (2) Der Genehmigungsträger muss beim Antrag auf Genehmigung des Bodenkaufvertrags über das Grundstück in Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 einen Vorkaufsberechtigten dem Eigentümer des Grundstücks binnen eines Monats mitteilen. Der Vorkaufsberechtigte muss nach der Rechtsverordnung binnen eines Monats nach der Mitteilung eine Besprechung des Vorkaufs mit dem Eigentümer des Grundstücks durchführen. (4) Der Genehmigungsträger muss unverzüglich eine Entscheidung über die Genehmigung des Bodenkaufvertrags mitteilen, wenn eine Besprechung des Vorkaufs nach Abs. 2 nicht gelingt.
3. § 14b Abs. 4 PNSRG a. F. (§ 64 Abs. 3 PNSRG n. F.) und eine Entscheidung des KVerfG Zur Sicherung der Bauleitplanung muss die Baugenehmigungsbehörde gem. § 64 Abs. 3 PNSRG (§ 14b Abs. 4 PNSRG a. F.) mindestens 3 Monate vor dem Beginn der Maßnahmen zur stadtplanerischen Infrastruktur die zur Wiederherstellung erforderlichen Maßnahmen sowie den Abbruch der provisorischen Bauten oder der Werkanlage anordnen. PNSRG § 64 Vorhaben auf dem Gelände für stadtplanerische Infrastruktur (1) Der Bürgermeister einer Sonder- oder Großraumstadt und der Bürgermeister einer Stadt oder der Gun dürfen auf dem für die stadtplanerische Infrastruktur vorgesehenen Gelände keine Bebauungsgenehmigung für das Bauen der baulichen Anlagen oder die Installation der Werkanlage erteilen. In den von der Rechtsverordnung bestimmten Fällen dürfen sie die Bebauungsgenehmigung erteilen. (2) Der Bürgermeister der Sonder- oder Großraumstadt und der Bürgermeister der Stadt oder Gun dürfen trotz der Bestimmung des Abs. 1 für die folgenden Fälle die Bebauungsgenehmigung erteilen, wenn kein Stufenausführungsplan nach § 85 unter den noch nicht verwirklichten stadtplanerischen Infrastrukturen innerhalb von 2 Jahren nach der Bekanntgabe des Beschlusses aufgestellt ist oder wenn der Stufenausführungsplan den ersten Stufenausführungsplan nicht beinhaltet. 1. Das Errichten der provisorischen Bauten und die dazu erforderliche Änderung der Bodeneigenschaften. 2. Die Installation der Werkanlage, die der Ausführung der stadtplanerischen Infrastruktur nicht entgegensteht, und die dazu erforderliche Änderung der Bodeneigenschaften.
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3. Die Renovierung oder der Wiederaufbau der baulichen Anlagen und die dazu erforderliche Änderung der Bodeneigenschaften (der Fall des § 56 Abs. 4 Nr. 2 ist ausgeschlossen). (3) Der Bürgermeister der Sonder- und Großraumstadt und der Bürgermeister der Stadt oder der Gun müssen mindestens 3 Monate vor dem Beginn der Maßnahmen zur stadtplanerischen Infrastruktur mit der Kostenübernahme durch den Eigentümer der provisorischen Bauten oder Werkanlage die zur Wiederherstellung erforderlichen Maßnahmen wie den Abbruch der provisorischen Bauten oder der Werkanlage anordnen, wenn die Maßnahmen zur stadtplanerischen Infrastruktur auf dem nach Abs. 2 Nr. 1 oder 2 genehmigten Gelände ausgeführt werden. Dies gilt nicht, wenn die Wiederherstellung als nicht notwendig anzusehen ist. (4) Der Bürgermeister der Sonder- und Großraumstadt und der Bürgermeister der Stadt oder der Gun können durch verwaltungsrechtliche Zwangsmaßnahmen nach dem Gesetz zur Zwangsausführung der Verwaltungsangelegenheiten (VAZAG) selbst die Wiederherstellung vornehmen, wenn der nach Abs. 3 zur Wiederstellung Aufgeforderte der Aufforderung nicht nachkommt.
Nach der Entscheidung des KVerfG10 soll § 14b Abs. 4 PNSRG a. F. (§ 64 Abs. 3 PNSRG n. F.) nicht verfassungswidrig sein. Er sieht eine behördliche Verpflichtung zur Anordnung von Wiederherstellungsmaßnahmen gegenüber dem Eigentümer der provisorischen Bauten oder Werkanlage vor. Die streitige Frage, ob die Regelung wegen Verstoß gegen das Übermaßverbot verfassungswidrig ist, hat das koreanische Verfassungsgericht verneint. Die Rechtsatzverfassungsbeschwerde sei nicht begründet, weil Belastungen für den Eigentümer von vornherein vorhersehbar seien.
IV. Rechtsvergleichende Analyse zum Unterschied bezüglich der Sicherungsmittel Man kann die Meinung vertreten, dass es in der koreanischen Verwaltungsstruktur keine den deutschen Gemeinden entsprechende Institution gibt. Die Stadt (Landratsamt oder Kreisverwaltung) hat nicht nur die Satzungsgebung, sondern auch die Baugenehmigung zu verantworten und spielt so nicht nur bei der Bauleitplanung, sondern auch bei der Bauaufsicht eine Rolle. In Korea fungiert sie also einerseits als Organ der Satzungsgebung, andererseits als Bauaufsichtsbehörde. Nach dem KBauGB und dem PNSRG kann sie den Flächennutzungsplan und den Bebauungsplan beschließen. Die Frage, ob ein Bauvorhaben den Festsetzungen des Bebauungsplans widerspricht, entscheidet die Stadt als Baugenehmigungsbehörde. Die Baugenehmigung wird nach § 11 Abs. 1 KBauGB vom Bürgermeister der Unterkommune erteilt. Der Bürgermeister der Unterkommune (Stadt oder Gun) in einer Sonder- oder Großraumstadt ist für die Genehmigung eines Bauvorhabens zuständig, dessen Vollgeschosse unter 21 liegen oder dessen Geschossfläche weni-
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KVerfG, v. 16. 9. 1999 - 99Hunba82.
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ger als 100.000 m 2 beträgt. Für sonstige Bauvorhaben ist der Bürgermeister einer Sonder- oder Großraumstadt zuständig. Daher bestehen in Korea gar keine Gemeinden, deren Planungen vor einer Baugenehmigung, welche die Realisierung gemeindlicher Absichten beeinträchtigt, durch Veränderungssperre und Zurückstellung des Baugesuchs geschützt werden könnten. Abgesehen von den oben genannten Unterschieden ist bisher das Thema der Sicherung des Bebauungsplans und des Rechtschutzes der Kommune im Bereich des koreanischen Verwaltungsrechts ohnehin vernachlässigt worden, weil die kommunale Selbstverwaltung keine lange Tradition hat11. In der koreanischen Literatur wurden diese Rechtsfiguren nur zweimal12 kursorisch angesprochen, aber noch nicht eingehend untersucht. In den meisten Stellungnahmen im Schrifttum zum verwaltungsrechtlichen Planungsrecht sind nur Probleme des Rechtsschutzes des Bürgers gegen behördliche Beeinträchtigungen des Vertrauens durch unvorhersehbare Planänderungen, also der sogenannte Plangewährleistungsanspruch thematisiert worden. Angesichts der Sicherung der Bauleitplanung kann man damit feststellen, dass es bei der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Planungshoheit im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung noch große Defizite in Korea gibt.
Jeung Gyun Oh, Städtebaurecht und Planungssystem in Südkorea, 2011, S. 168. Hee-Gon Kim, Eine Studie über Entschädigung für Planungsschäden, Public Land Law Review, Vol. 43 No. 2, 2009, S. 31 (35 und 39); Nam-Chul Chung, Rechtsprobleme von Anspruch der Öffentlichkeit auf Planänderung, Public Land Law Review, Vol. 48, 2010, S. 49 (64). 11
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Fehlerfolgen und Grundsatz der Planerhaltung im Bauplanungsrecht Von Ralf P. Schenke Ralf P. Schenke
Der Grundsatz der Planerhaltung1 markiert einen Ausschnitt aus dem großen Themenkreis der Fehlerfolgenlehre2. Deren Gegenstand ist bekanntlich die Frage, welche Rechtsfolgen mit der Rechtswidrigkeit eines Rechtsaktes verbunden sind. Sie auf Grundlage einer allgemeinen Theorie zu beantworten, erscheint zunächst als eine reizvolle Aufgabe, weil sich die Thematik für alle drei Staatsgewalten gleichermaßen stellt3. Dabei wird freilich verkannt, dass sich die Interessen- und Problemlage in Abhängigkeit von der konkreten Handlungsform und dem jeweiligen Rechtsgebiet grundlegend voneinander unterscheidet4. Die folgenden Ausführungen müssen sich daher auf einen engen Ausschnitt, den Bereich der untergesetzlichen Rechtsetzung und noch enger auf den Bereich des Bauplanungsrechts beschränken. Dass dieser Thematik besondere Bedeutung zukommt, hat einen vergleichsweise einfachen Hintergrund: In kaum einem anderen Rechtsbereich dürfte es der Verwaltung ähnlich schwer fallen, legal zu handeln wie im Bauplanungsrecht. Diese Schwierigkeiten beruhen auf der hohen Komplexität der Rechtsmaterie und der Vielzahl der normativen Vorgaben, die die Kommunalverwaltungen bei der Aufstellung von Bebauungsplänen zu beachten haben. Diese sind zudem einem ständigen Wandel unterworfen, weil sich Veränderungen der gesellschaftlichen, sozialen, wirtschaftlichen und umweltpolitischen Anschauungen regelmäßig auch im Bauplanungsrecht widerspiegeln. Zu den relevanten Rechtsgrundlagen gehören neben dem Baugesetzbuch zahlreiche weitere bundesrechtliche (z.B. ROG, BauNVO, § 50 BImSchG), landesrechtliche (z.B. LPlanG, GO), kommunalrechtliche (z.B. Verkündungssatzungen) und in jüngerer Zeit zunehmend aber auch europarechtliche Vorgaben (z.B. UVP-Richt1 Hierzu aus Perspektive des koreanischen Rechts Chung, Der Grundsatz der Planerhaltung, in: Korea Public Land Law Association (Hrsg.), Rechtsfragen des modernen öffentlichen Rechts, Festschrift für Jong Hyun Seok, Public Land Law Review 2009 (Vol. 43), S. XXX. 2 Vgl. dazu umfassend Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, 5. Aufl., 2013; speziell zur Fehlerfolgenlehre des Verwaltungsaktes Baumeister, Der Beseitigungsanspruch als Fehlerfolge des rechtswidrigen Verwaltungsakts, 2006. 3 Wahl, Verwaltungsverfahren zwischen Verwaltungseffizienz und Rechtsschutzauftrag, VVDStRL 41 (1983), 151 (178 ff.); Pietzcker, Verwaltungsverfahren zwischen Verwaltungseffizienz und Rechtsschutzauftrag, VVDStRL 41 (1983), 193 (225 ff.). 4 s. auch Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, 5. Aufl., 2013, Rn. 721.
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linie 2011/92/EU). Weiterhin sind die geltenden Vorschriften nicht allein an eine Behörde adressiert, sondern müssen in einem vielstufigen und langwierigen Verfahren abgearbeitet werden, wobei betroffenen Bürgern, Nachbargemeinden und anderen Planungsträgern umfangreiche Beteiligungs- oder doch zumindest Anhörungsrechte zustehen. In der Frage, wie mit dem Problem der hohen Fehleranfälligkeit von Bebauungsplänen umgegangen werden kann, sind in der Geschichte des Bauplanungsrechts bedeutende Umbrüche zu verzeichnen. Ziel meines Vortrages wird es sein, die bisherige Entwicklung nachzuzeichnen und rechtspolitisch zu bewerten.
I. Das Nichtigkeitsdogma als Ausgangspunkt der Fehlerfolgenlehre Sowohl in historischer Perspektive wie in der Rechtstheorie markiert das sogenannte Nichtigkeitsdogma den Ausgangspunkt aller Überlegungen5. Nach dem Nichtigkeitsdogma kommen der rechtswidrigen Rechtsnorm jedenfalls im Grundsatz keine Rechtswirkungen zu. Damit wird der aus dem Verwaltungsverfahren bekannte Grundsatz der fehlerunabhängigen Wirksamkeit des Verwaltungsaktes (§ 43 Abs. 1 VwVfG)6 in sein Gegenteil verkehrt. Die rechtswidrige Rechtsnorm ist ipso iure unwirksam und vermag keinerlei Rechtswirkungen zu entfalten. Ausdrücklich positiviert, d.h. gesetzlich normiert, ist das Nichtigkeitsdogma im geltenden Recht nicht, zählt aber zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Verwaltungsrechts. Verfassungsrechtlich ist es sowohl im Rechtsstaats- wie im Demokratieprinzip fundiert7. Das Nichtigkeitsdogma dient bei untergesetzlichen Normen der rechtsstaatlichen Disziplinierung der Verwaltung. Wenn die Wirksamkeit der untergesetzlichen Rechtsnorm unter dem Vorbehalt ihrer Rechtmäßigkeit steht, kann die Verwaltung die Ziele, die sie mit der Normsetzung verfolgt, nur unter der Voraussetzung erreichen, dass sämtliche Rechtmäßigkeitsanforderungen beachtet werden. Deren Einhaltung liegt damit im wohlverstandenen Eigeninteresse der Verwaltung. Daneben bestehen aber auch Bezüge zum Demokratieprinzip und zu den Grundrechten. Aus der Perspektive des Demokratieprinzips rechtfertigt sich das Nichtigkeitsdogma als Sanktionierung einer unbotmäßigen Verwaltung, die sich bei der Normsetzung über den Willen des parlamentarisch legitimierten Gesetzge5 Vgl. etwa Schmidt-Aßmann, in: Maunz-Dürig, GG, Art. 19 IV, 2014, Rn. 240, 287; Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, 5. Aufl., 2013, Rn. 758; Baumeister, Das Rechtswidrigwerden von Normen, 1996, S. 269.; hierzu kritisch aber Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, 1997, S. 49 ff., 118 ff. 6 Vgl. nur Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Aufl., 1995, § 56 Rn. 2; Ziekow, Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl., 2013, § 44 Rn. 1. 7 Vgl. auch BVerfGE 103, 302 (390), wonach das Nichtigkeitsdogma zwar verfassungsrechtlich fundiert, aber nicht verfassungsrechtlich geboten sein soll.
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bers hinweggesetzt hat. Auch aus grundrechtlicher Perspektive mag zunächst viel für das Nichtigkeitsdogma sprechen. So muss der Bürger Einschränkungen seines Rechtskreises durch die untergesetzliche Rechtsnorm nur dann in Kauf nehmen, wenn die Verwaltung sämtliche Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen eingehalten hat, die das geltende Recht für entsprechende Eingriffe statuiert.
II. Erste Differenzierungen Gleichwohl sind Gesetzgebung und Verwaltungsrechtswissenschaft im Bauplanungsrecht in weiten Teilen vom Nichtigkeitsdogma abgerückt. Wie im Folgenden noch im Einzelnen zu zeigen ist, hat der Gesetzgeber die Wirksamkeit von Bebauungsplänen gegen eine Vielzahl formeller wie materieller Fehler immunisiert. Diese Entwicklung aufgreifend wird in der Literatur neben oder sogar an die Stelle des Nichtigkeitsdogmas der Grundsatz der Planerhaltung gestellt8, um so die ipso- iure-Nichtigkeit zu vermeiden9. Die Gründe für diesen Paradigmenwechsel erschließen sich erst vor dem Hintergrund einer Analyse der Interessen, die bei der Bauleitplanung zum Ausgleich zu bringen sind. Dabei erweist sich die oben entfaltete These, die Grundrechte und das Rechtsstaatsprinzip drängten darauf, rechtswidrigen Rechtsakten die Wirksamkeit vorzuenthalten, offensichtlich als unterkomplex. Denn dem Nichtigkeitsdogma gegenläufig können andere Verfassungsprinzipien eher dafür sprechen, an der Gültigkeit von Rechtsnormen festzuhalten, selbst wenn sich (nachträglich) die Rechtswidrigkeit der Rechtsnorm herausstellen sollte. 1. Die Interessenlage Im Baurecht steht sich eine Vielzahl von Akteuren als Träger oftmals gegenläufiger privater und öffentlicher Interessen gegenüber. Eine Fehlerfolgenlehre hat nicht nur die Interessen der Belasteten, sondern auch die Interessen derjenigen zu berücksichtigen, die von einem rechtswidrigen Rechtsakt profitieren. Sobald ein rechtswidriger Rechtsakt – sei es eine Baugenehmigung, sei es ein Bebauungsplan – ins Werk gesetzt worden ist, drängt die Eigentumsgarantie der Begünstigten (Art. 14 Abs. 1 GG) darauf, den Bestand des rechtswidrigen Rechtsaktes unange8 Grundlegend Sendler, Neue Entwicklungen bei Rechtsschutz und gerichtlicher Kon trolldichte im Planfeststellungsrecht in: Kormann (Hrsg.), Aktuelle Fragen der Planfeststellung, 1994 S. 38; ders., Der Jubilar, der Grundsatz der Planerhaltung und das Richterrecht DVBl. 2005, 659; Hoppe, Der Grundsatz der Planerhaltung im neuen Städtebaurecht DVBl. 1997, 1407 ff.; Hoppe, Der Rechtsgrundsatz der Planerhaltung als Struktur- und Abwägungsprinzip DVBl. 1996, 12 ff.; monographisch etwa Steinwede, Planerhaltung im Städtebaurecht durch Gesetz und richterliche Rechtsfortbildung, 2003; Käß, Inhalt und Grenzen des Grundsatzes der Planerhaltung, 2002. 9 Kritisch hierzu Bartlsperger, Planungsrechtliche Optimierungsgebote, DVBl. 1996,1 ff.
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tastet zu lassen. Hinzu treten öffentliche Interessen, die es erfordern oder doch zumindest nahelegen können, an der rechtswidrigen Rechtsnorm festzuhalten. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Rechtszustand, der im Fall der Nichtigkeit der Rechtsnorm eintreten würde, mit gravierenden Rechtsbeeinträchtigungen verbunden ist, sodass ein Festhalten an der rechtswidrigen Rechtsnorm als das vergleichsweise kleinere Übel erscheint10. Ein weiterer Verfassungsgrundsatz, der gegen ein rigoroses Nichtigkeitsdogma spricht, ist der im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Grundsatz des Rechtsfriedens. So gehört es zu den grundlegenden Aufgaben des Rechtsstaates, eine verlässliche Verhaltensordnung zu schaffen11. Dem widerspricht es, wenn die Rechtswidrigkeit eines Rechtsaktes unter Umständen auch noch Jahre und Jahrzehnte nach dessen Erlass geltend gemacht werden kann12. Die Fehlerfolgenlehre hat daher ein komplexes Spannungsfeld auszutarieren, in dem das Nichtigkeitsdogma keineswegs alternativlos ist. Vielmehr können auch gute Gründe dafür sprechen, die Rechtswirksamkeit von der Rechtmäßigkeit zu entkoppeln. Dies gilt etwa, wenn es sich um weniger gravierende Rechtsverstöße handelt, die im Vergleich zu den Rechtsverlusten, die mit der Ungültigkeit verbunden sind, weniger schwer wiegen, oder der Fehler für den Inhalt der Norm nicht kausal geworden ist13. 2. Instrumente der Fehlerfolgenlehre So vielschichtig wie die Interessenlage ist, so vielschichtig sind auch die Instrumente, um das oben skizzierte Spannungsfeld auszutarieren. Das Nichtigkeitsdogma ist dabei nur eine Option unter vielen möglichen Varianten. So kann das materielle Recht dem rechtswidrigen Rechtsakt nicht ausnahmslos die Wirksamkeit absprechen, sondern nach der Art des Fehlers differenzieren. Denkbar ist es beispielsweise, zwischen formellen und materiellen Fehlern, nach der Schwere des Fehlers sowie dessen Kausalität für das Abwägungsergebnis zu unterscheiden. Dieser Weg wird im VwVfG eingeschlagen, das in § 43 Abs. 1 VwVfG zunächst vom Grundsatz der fehlerunabhängigen Wirksamkeit des Verwaltungsaktes ausgeht. Durchbrochen wird dieser Grundsatz aber, sofern einer der in § 44 Abs. 1, 2 VwVfG normierten Nichtigkeitsgründe vorliegt. Hierzu muss der Verwaltungsakt entweder mit einem der in § 44 Abs. 2 Nr. 1-6 VwVfG genannten formellen oder materiellen Fehler behaftet sein oder nach § 44 Abs. 1 VwVfG an W.-R. Schenke, Die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Norm als Streitgegenstand der oberverwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle gem. § 47 VwGO, in: Heckmann (Hrsg.), Gedenkschrift Kopp, 2007, S. 113 (125); Ossenbühl, Eine Fehlerlehre für untergesetzliche Normen NJW 1986, 2805 (2808). 11 Huster/Rux, in: BeckOK, GG, Edition 24, Art. 20 Rn. 181. 12 Siehe auch BVerfGE 10, 264 (267). 13 Vgl. zu den Denkmustern nationaler „Fehlervernachlässigung“ instruktiv Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, 5. Aufl., 2013, Rn. 760. 10 Vgl.
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einem besonders schwerwiegenden Fehler leiden und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich sein. Der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens bzw. des fehlenden Rechtswidrigkeitszusammenhangs ist Hintergrund des § 46 VwVfG. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines formell fehlerhaften Verwaltungsaktes nicht verlangt werden, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat14. Mit Rücksicht auf den Grundsatz des Rechtsfriedens und den grundrechtlich fundierten Vertrauensschutz kann die Erheblichkeit bzw. Beachtlichkeit von Fehlern auch in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt werden. Auch dies lässt sich am Beispiel der Fehlerfolgenlehre des Verwaltungsakts verdeutlichen. So erwächst der rechtswidrige Verwaltungsakt nach Ablauf der grundsätzlich einmonatigen Rechtsmittelfrist des § 74 Abs. 1 VwGO in Bestandskraft. Nach Ablauf dieser Frist kann seine Rechtswidrigkeit – vorbehaltlich seiner Nichtigkeit– nicht mehr geltend gemacht werden. Ein weiterer Baustein einer Fehlerfolgenlehre ist die Möglichkeit einer Nachholung eines fehlerhaften oder unterlassenen Verfahrensschritts. Auch hierfür bietet die Fehlerfolgenlehre des Verwaltungsaktes Anschauungsmaterial. So ist nach § 45 Abs. 1 VwVfG der Katalog der dort genannten Verfahrens- und Formfehler unbeachtlich, wenn die entsprechenden Handlungen bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden15.
III. Entwicklung der Fehlerfolgenlehre Nachdem die vorherigen Überlegungen einen ersten Überblick über die Interessenlage und die Instrumente der Fehlerfolgenlehre gegeben haben, soll im Folgenden deren Entwicklung im Bauplanungsrecht skizziert werden. Dabei wird auch ein Seitenblick auf die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu werfen sein. Schon aus Raumgründen kann die Entwicklung an dieser Stelle nicht vollständig, sondern nur in ihren wesentlichen Etappen nachgezeichnet werden16. Die europarechtlichen Aspekte bleiben dabei zunächst ausgeklammert und werden erst im sich anschließenden vierten Teil aufgegriffen (s. unten IV. 2.).
14 Vgl. nur Ziekow, Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl., 2013, § 46 Rn. 1, 13 und Ule/ Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Aufl., 1995, § 58 Rn. 25, wonach die Vorschrift allein den Anspruch auf Aufhebung ausschließt, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes aber unberührt lässt. 15 Vgl. nur Ziekow, Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl., 2013, § 45 Rn. 1 f. und Ule/ Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Aufl., 1995, § 58 Rn. 1 ff. zur ratio legis. 16 Vgl. hierzu ausführlich Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 2007, § 214 Rn. 9 ff.
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1. BBauGB 1960 Den Ausgangspunkt der Entwicklung markieren das BBauGB von 1960 sowie die im gleichen Jahr in Kraft getretene VwGO. Retrospektiv betrachtet kann man den Vorstellungen des Gesetzgebers zur Fehlerfolgenlehre nur Naivität bescheinigen. Im Gesetzestext wird die Thematik überhaupt nicht und auch in der Gesetzesbegründung nur implizit angesprochen. Die entsprechenden Ausführungen finden sich bei § 14 BBauGB zur Rechtsnatur des Bebauungsplanes. Dort wird die Einordnung als Satzung mit der Erwägung gerechtfertigt, hiermit solle die gerichtliche Anfechtungsmöglichkeit begrenzt werden, um so den alsbaldigen Vollzug zu gewährleisten17. Diese Einschätzung gründete auf dem Umstand, dass zum damaligen Zeitpunkt in der VwGO ein prinzipaler Rechtsschutz gegen Bebauungspläne nur nach Maßgabe des Landesrechts vorgesehen war. Indem der Bebauungsplan nicht als Verwaltungsakt, sondern als Satzung eingeordnet wurde, konnten Bebauungspläne nicht bundeseinheitlich im Wege der Anfechtungsklage, sondern nur dann angegriffen werden, wenn dies im Landesrecht ausdrücklich vorgesehen war. Vom Gesetzgeber übersehen wurde freilich, dass die Einordnung als Verwaltungsakt die Möglichkeit eröffnet hätte, einen rechtswidrigen Bebauungsplan nach Ablauf der Anfechtungsfristen in Bestandskraft erwachsen zu lassen. Dieses Defizit wog schwer, weil das BBauGB auf jede Form der Fehlerheilung verzichtete. Damit musste es bei dem Nichtigkeitsdogma, d.h. der strikten Verbindung zwischen Gültigkeit und Rechtmäßigkeit eines Bebauungsplanes bleiben. Nach Offenbarwerden eines Fehlers verblieb nur die Möglichkeit, das gesamte Verfahren der Bauleitplanung erneut durchzuführen. Vom Gesetzgeber zwar gesehen18, in seiner Bedeutung aber verkannt wurde ferner, dass der Ausschluss eines prinzipalen Rechtsschutzes gegen Bebauungspläne keinesfalls zur Konsequenz hat, dass Rechtsakte, die der Verwirklichung des Bebauungsplanes dienen, ebenfalls der Anfechtung entzogen sind. So steht es beispielsweise einem Nachbarn, der von der Rechtswidrigkeit eines Bebauungsplanes ausgeht, frei, im Wege der Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO gegen Baugenehmigungen vorzugehen, die auf dem rechtswidrigen Bebauungsplan beruhen. Dass diese Rechtslage den Interessen der begünstigten Bauherren, die auf den Bestand des Bebauungsplanes vertrauen, nur unzureichend gerecht wurde, ist einsichtig. Dies galt umso mehr, als die Kommunalverwaltungen mit dem Vollzug des neuen Gesetzes offensichtlich überfordert waren und so zahlreiche Bebauungspläne rechtswidrig und damit nichtig waren. Einen Eindruck der hiermit verbundenen Schwierigkeiten gibt eine zeitgenössische Untersuchung zur Erfolgsquote der in Baden-Württemberg anhängigen Normenkontrollanträge gegen Bebauungspläne. Hier wurde in den Jahren 1962 bis 1973 von 88 Normenkontrollanträgen 36 Anträgen stattgegeben, was eine Erfolgsquote von 41 % bedeutete.19 17 18
BT-Drs. 3/336, S. 65. BT-Drs. 3/336, S. 65.
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Als Reaktion auf diesen vielfach kritisierten Zustand versuchten Teile der Rechtsprechung im Wege richterlicher Rechtsfortbildung Abhilfe zu schaffen. In diesem Kontext müssen Entscheidungen der Verwaltungsgerichtshöfe gesehen werden, die Nichtigkeitsfolge hinsichtlich von Verfahrensfehlern auf wesentliche Verfahrensfehler zu begrenzen. Dem wurde indes vom BVerwG eine Absage erteilt, sodass das Problem auch richterrechtlich nicht gelöst werden konnte20. 19
2. Gesetz zur Änderung des BBauGB (1976) Erste Schritte, das Problem auf Ebene der Gesetzgebung anzugehen, ließen bis zu dem 1976 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung des BBauGB auf sich warten. In § 155a BBauGB sah der Gesetzgeber eine aus heutiger Perspektive vergleichsweise einfach strukturierte Rechtsnorm zur Fehlerfolgenlehre vor. Grundgedanke der Vorschrift war es, zwischen Verfahrens- und Formfehlern einerseits und materiellrechtlichen Fehlern andererseits zu differenzieren. Für Verfahrens- und Formvorschriften nach dem BBauGB statuierte § 155a BBauGB eine schriftliche Rügeobliegenheit innerhalb eines Jahres. Nach Ablauf dieser Frist sollte der Fehler „unbeachtlich“ werden, was auf eine Quasi-Bestandskraft hinauslief. Von der Fehlerheilung ausgenommen waren nach § 155a Satz 2 BBauGB die Vorschriften über die Genehmigung und die Veröffentlichung der Satzung. Umgekehrt wurde der Kreis potenziell beachtlicher Fehler bei der Bürgerbeteiligung von vornherein auf die Missachtung der Vorschriften über die Auslegung des Entwurfs mit dem Erläuterungsbericht bzw. der Begründung begrenzt. Für materiellrechtliche Fehler blieb es dagegen bei dem Nichtigkeitsdogma21. Nur kurze Zeit nach Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vollzog sich im Bereich des Rechtsschutzes gegen Bebauungspläne eine bedeutende Weichenstellung. Durch das Gesetz zur Änderung verwaltungsprozessualer Vorschriften wurde eine prinzipale Normenkontrolle für Satzungen nach dem BBauGB bundesweit eingeführt (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). In der Gesetzesbegründung gab der Gesetzgeber seiner Erwartung Ausdruck, mit der Ausweitung der Klagemöglichkeit seien keine „unüberwindlichen Schwierigkeiten“ verbunden. So werde die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Lage sein, „Lösungen, welche den tatsächlichen Gegebenheiten Rechnung tragen, [zu] finden“. Auch diese Einschätzung ging indes evident an der tatsächlichen späteren Entwicklung vorbei. So sahen sich die Oberverwaltungsgerichte in Folge der Novelle mit einer erheblichen Zunahme der Verfahrenseingänge konfrontiert. Aus Sicht des Gesetzgebers, der sich von § 155a BBauG eine Siche19 Schlez, Die Fehlerquellen beim Bebauungsplan und das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 4 Satz 2 BBauG, BauR 1974, 289 (290); Käß, Inhalt und Grenzen des Grundsatzes der Planerhaltung, 2002, S. 63. 20 Ausführlich hierzu Käß, Inhalt und Grenzen des Grundsatzes der Planerhaltung, 2002, S. 88 ff. 21 Allein in § 155a Satz 4 BBauG war hinsichtlich der Berücksichtigung sozialer Belange eine kleine Einschränkung vorgesehen, die hier aber nicht weiter vertieft werden muss.
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rung der Wirksamkeit von Bebauungsplänen versprochen hatte, war die Erfolgsquote im Normenkontrollverfahren weiterhin erstaunlich hoch und schwankte mit Ausschlägen nach oben und nach unten um die 50 %.22 3. Gesetz zur Beschleunigung von Verfahren und zur Erleichterung von Investitionsvorhaben im Städtebaurecht (1979) Als Reaktion hierauf wurden 1979 die Vorschriften der Fehlerfolgenlehre nicht nur redaktionell neu gefasst, sondern auch inhaltlich erweitert. Zu den bedeutendsten Neuerungen gehörte die den Gemeinden eingeräumte Möglichkeit, Verfahrensund Formfehler zu beheben und die Bauleitplanung rückwirkend erneut in Kraft zu setzen (§ 155a Abs. 5 BBauGB). Ergänzt wurde § 155a BBauGB durch einen Katalog im Grundsatz unbeachtlicher Fehler (§ 155b Abs. 1 BBauGB). Aufnahme in diesen Katalog fanden nicht nur formelle, sondern auch materielle Fehler, die das Gebot betrafen, den verbindlichen Bebauungsplan aus dem vorbereitenden Flächennutzungsplan zu entwickeln. Allerdings stand diese Unbeachtlichkeit unter dem Vorbehalt, dass die Grundsätze der Bauleitplanung und die Anforderungen an die Abwägung (§ 1 Abs. 6 und 7 BBauGB) gewahrt blieben. Bedeutend waren ferner die Einschränkungen der Überprüfung der eigentlichen planerischen Abwägung. So waren Mängel im Abwägungsvorgang nach § 215b Abs. 2 Satz 2 BBauGB nur erheblich, „wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind“. Auch dieser Novelle war freilich aus Sicht des Gesetzgebers nur ein enttäuschender Erfolg beschieden. So kamen rechtstatsächliche Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass die Erfolgsquote im Normenkontrollverfahren gegen Bebauungspläne weiterhin bei um die 60 % lag23, 24. 4. BauGB (1987) und weitere Entwicklungen Eine weitere wichtige Etappe in der Fehlerfolgenlehre markiert die Ablösung des BBauGB durch das 1987 in Kraft getretene BauGB. Standorte der FehlerfolSiehe auch Scharmer, Bebauungspläne in der Normenkontrolle, 1988, S. 43 ff., 180 ff. Scharmer, Bebauungspläne in der Normenkontrolle, 1988, S. 38, 151. 24 Diese Zahlen relativieren sich zwar durch den Umstand, dass nur ein vergleichsweise geringer Prozentsatz der neu erlassenen Bebauungspläne tatsächlich angegriffen wurde. Die Quote schwankte zwischen 3 und 5 %. Neben die ausdrücklich für nichtig erklärten Bebauungspläne trat allerdings eine nicht unerhebliche Anzahl „verdeckt nichtiger“ Pläne, die vielfach in der gleichen fehlerhaften Weise zustande gekommen waren (Käß, Inhalt und Grenzen des Grundsatzes der Planerhaltung, 2002, S. 73 f.; Schäfer/SchmidtEichstaedt, Praktische Erfahrungen mit dem Bundesbaugesetz, 1984, S. XX; Schäfer/ Schmidt-Eichstaedt, Das Baugesetzbuch in der Praxis, DVBl. 1984, 588 (594 f.); Scharmer, Bebauungspläne in der Normenkontrolle, 1988, S. 52 f., 152). 22
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genlehre sind seitdem §§ 214 und 215 BauGB. Die Vorschriften sind zwar noch verschiedentlich novelliert worden, in ihrer Grundkonzeption aber im Wesentlichen unverändert geblieben. Aus Vereinfachungsgründen wird im Folgenden allein vom aktuellen Rechtszustand ausgegangen. In §§ 214, 215 BauGB hält der Gesetzgeber im Ausgangspunkt weiterhin am Nichtigkeitsdogma fest. Allerdings wird dieser Grundsatz in vielerlei Hinsicht durchbrochen, um den Bestand des fehlerhaften Bebauungsplanes zu sichern. Zu den Neuerungen der Fehlerfolgenlehre des BauGB gehört eine Umkehrung des bisher geltenden Rechtsgrundsatzes, dass die Verletzung von Verfahrensund Formvorschriften die Unwirksamkeit des Bebauungsplanes nach sich zieht. Nach nunmehr geltendem Recht sind Verfahrens- und Formfehler hingegen nur beachtlich, wenn sie in dem Katalog des § 214 Abs. 1 Nr. 1-4 BauGB ausdrücklich genannt sind. Die Beachtlichkeit dieser Fehler wird dort von verschiedenen einschränkenden Bedingungen abhängig gemacht. Anknüpfungspunkte sind u.a. die Schwere des Verstoßes, dessen Erkennbarkeit sowie die Kausalität des Fehlers für das Abwägungsergebnis. Auch die in § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-3 BauGB genannten beachtlichen Fehler werden nach § 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB unbeachtlich, wenn sie nicht binnen einer Jahresfrist schriftlich gegenüber der Gemeinde geltend gemacht worden sind. Beachtlich und keiner Heilung nach Ablauf der Rügefrist zugänglich sind damit nur noch die in § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB genannten Fehler, wozu insbesondere ein fehlender Satzungsbeschluss sowie gravierende Fehler bei der Bekanntmachung zählen. Selbst insoweit besteht allerdings die Möglichkeit, den Fehler gem. § 214 Abs. 4 BauGB durch ein sogenanntes „ergänzendes Verfahren“ auch mit rückwirkender Kraft zu beheben, was unter dem Aspekt des Rückwirkungsverbots nicht unproblematisch ist. Wie im Begriff des „ergänzenden Verfahrens“ bereits angelegt ist, darf dieses jedoch nicht zu einem grundlegend anderen Bebauungsplan führen25. Insbesondere darf der Kern der Abwägungsentscheidung nicht betroffen26 und muss die Identität des Plans27 gewahrt sein. Materiellrechtliche Fehler führen im Grundsatz zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans. Modifiziert wird dieser Grundsatz durch § 214 Abs. 2 BauGB, der in den Nr. 1-4 einen Katalog von unbeachtlichen Fehlern enthält, die allesamt das Entwicklungsgebot, d.h. den Grundsatz betreffen, den Bebauungsplan aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln. Für die gleichwohl nach § 214 Abs. 2 BauGB beachtlichen Fehler statuiert § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB erneut eine Rügeobliegenheit. Auch insoweit gilt § 214 Abs. 4 BauGB. Eine bedeutsame Änderung hat 2004 das Europarechtsanpassungsgesetz gebracht. Der Abwägungsausfall, das Abwägungsdefizit und die AbwägungsfehleinBattis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 12. Aufl., 2014, vor § 214 Rn. 23. BVerwG NVwZ 1999, 420. 27 Dolde, Das ergänzende Verfahren nach § 215a I BauGB als Instrument der Planerhaltung, NVwZ 2001, 976 (977). 25
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schätzung werden nicht länger als materiellrechtliche, sondern als Verfahrensfehler eingeordnet, die nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB grundsätzlich beachtlich sind. Einschränkend gilt dies allerdings nur, sofern es sich um einen gravierenden Fehler handelt („in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind“), der Fehler erkennbar ist („Mangel offensichtlich“) sowie der Fehler „auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen ist“ (Rechtswidrigkeitszusammenhang/Fehlerkausalität). Auch hier ist einschränkend die Rügeobliegenheit nach § 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB sowie nach § 214 Abs. 4 BauGB die Möglichkeit eines ergänzenden Verfahrens zu beachten. Relevant bleibt dagegen die Abwägungsdisproportionalität, bei der sich auch ein ergänzendes Verfahren zur rückwirkenden Fehlerheilung verbieten dürfte.
IV. Grenzen des Grundsatzes der Planerhaltung Die zunehmende Abkehr vom Nichtigkeitsdogma wirft die Frage auf, ob der derzeit erreichte Rechtszustand den Endpunkt markiert oder ob darüber hinausgehend noch weitere Möglichkeiten bestehen, die Rechtsgültigkeit von Bebauungsplänen von deren Rechtmäßigkeit zu entkoppeln. 1. Verfassungsrechtliche Grenzen Grenzen vermag hier das Verfassungsrecht zu ziehen. So sind gegen den Ausbau der Vorschriften zur Planerhaltung eine ganze Reihe unterschiedlicher Verfassungsnormen ins Feld geführt worden. Hierzu zählen der Vorrang des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG), die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) sowie die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG28. Im Ergebnis überzeugen die Einwände nicht und sind daher auch mit guten Gründen nicht in der Rechtsprechung aufgegriffen worden. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass das Nichtigkeitsdogma lediglich einen verfassungsrechtlichen Gehalt hat, aber nicht verfassungsrechtlich geboten ist29. Zwar hat die Verletzung eines subjektiven Rechts dem Grunde nach einen Restitutionsanspruch zur Folge30. Dieser muss aber seitens des Gesetzgebers der Abwägung mit anderen, ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Geboten zugänglich sein. Wie oben gezeigt wurde, lassen sich mit dem Vertrauensschutz der Begünstigten sowie dem Grundsatz des Rechtsfriedens plausible Gründe anführen, das Nichtigkeitsdogma einzuschränken. Wie der Ausgleich im Einzelnen zu erfolgen hat, muss primär Sache des parlamentarisch verantwortlichen 28 Vgl. etwa Kirchhof, Die Baurechtsnovelle 1979 als Rechtswegsperre?, NJW 1981, 2382 ff. 29 BVerfGE 103, 332 (390). 30 W.-R. Schenke, in: BK, GG, Art. 19 Abs. 4, Drittbearbeitung, 2009, Rn. 473; eingehend Baumeister, Der Beseitigungsanspruch als Fehlerfolge des rechtswidrigen Verwaltungsakts, 2006, S. 21 ff.
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Gesetzgebers sein. Dessen Prioritätensetzung ist so lange hinzunehmen, soweit damit keine unzumutbare und unverhältnismäßige Rechtsverkürzung verbunden ist31. Die derzeitigen Bestimmungen zur Planerhaltung halten diese Grenzen noch ein32. Darüber hinausgehend dürften aber kaum mehr Spielräume verbleiben, den Zusammenhang zwischen Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit von Bebauungsplänen weiter aufzulösen. Dies gilt etwa für die Rügeobliegenheit, die bei einer erneuten Verkürzung der Rügefrist nicht mehr die gebotene Zeit lassen würde, die mit der Planung verbundenen Auswirkungen sowie die Rechtmäßigkeit des Bebauungsplanes zu überprüfen33. Auch vor Art. 19 Abs. 4 GG und dem Gedanken des Grundrechtsschutzes durch Verfahren nicht zu beanstanden sind ferner die Einschränkungen bei der Kontrolle des Abwägungsgebots. Hier stellt sich allerdings die Frage, ob das Abwägungsgebot nicht von vornherein in Zusammenschau mit den Bestimmungen zur Planerhaltung gesehen werden muss34. In dieser Lesart verbürgt das Abwägungsgebot keinen optimalen Interessenausgleich, sondern schützt bereits dem Grunde nach nur vor offensichtlichen Fehlgewichtungen und Fehlentscheidungen. Da Art. 19 Abs. 4 GG keine materiellen Rechte begründet, sondern diese voraussetzt35, könnte die Rechtsweggarantie auch nicht gegen eine Abkehr vom Gebot „optimaler“ Abwägung im Sinne eines „perfekten“ Interessenausgleichs in Stellung gebracht werden. Gleiches muss aber auch für das Postulat des Grundrechtsschutzes durch Verfahren gelten, das nur eine angemessene Berücksichtigung der Interessen der Grundrechtsträger, nicht aber einen optimalen Interessenausgleich zu garantieren vermag. 2. Europarechtliche Grenzen Hier nur angedeutet werden kann die Diskussion zu den Grenzen, die dem Grundsatz der Planerhaltung durch das Europarecht gesetzt sind36. Relevant wird dies für Planungsschritte, die unionsrechtlich vorgegeben sind. Beispielhaft für diesen Themenkreis steht etwa der nach § 2 Abs. 4 BauGB zu erstellende Umweltbericht, der auf die Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme zurückgeht. 31
Vgl. BVerfGE 103, 332 (390). s. etwa W.-R. Schenke, in: BK, GG, Art. 19 Abs. 4, Drittbearbeitung, 2009, Rn. 754. 33 Vgl. zur Zumutbarkeit fristgebundener Rechtsverteidigung Schmidt-Aßmann, Vor überlegungen zu einem neuen Städtebaurecht, DVBl. 1984, 582 (586). 34 A.A. aber für die ganz h.M. Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 12. Aufl., 2014, vor § 214 Rn. 1, wonach §§ 214-215 BauGB lediglich die gerichtliche Kon trollkompetenz beschränken. 35 W.-R. Schenke, in: BK, GG, Art. 19 Abs. 4, Drittbearbeitung, 2009, Rn. 751. 36 Vgl. etwa Kment, Planerhaltung auf dem Prüfstand: Die Neuerungen der §§ 214, 215 BauGB 2007 europarechtlich betrachtet, DVBl. 2007, 1275 ff.; ders., Zur Europarechtskonformität der neuen baurechtlichen Planerhaltungsregeln, AöR 130 (2005), 570 ff. 32
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Hier stellt sich die Frage, inwieweit europarechtlich begründete Verfahrensanforderungen einer Relativierung durch den Grundsatz der Planerhaltung zugänglich sind. Dies erscheint zumindest auf den ersten Blick fragwürdig, weil Verfahrensvorschriften im europäischen Recht ein deutlich höherer Stellenwert als im deutschen Verwaltungsrecht beigemessen wird. Während dem Verfahren im deutschen Recht lediglich eine „dienende“ Funktion zukommt37, misst das Europarecht diesem einen stärkeren Eigenwert zu. So wird nach europäischem Verständnis durch das Verfahren nicht allein festgestellt, was rechtens ist. Vielmehr wird in Anlehnung an Vorstellungen des britischen und französischen Verwaltungsrechts die Entscheidung allein unter der Voraussetzung rechtmäßig, dass das vorgeschriebene Verfahren eingehalten worden ist38. Gleichwohl besteht zwischen den Vorgaben des Europarechts und dem Grundsatz der Planerhaltung kein unüberbrückbarer Gegensatz. Prüfstein muss hier sein, inwieweit Bestimmungen zur Planerhaltung noch mit dem Grundsatz der Effektivität des Gemeinschaftsrechts vereinbar sind. Danach dürfen nationale Vorschriften die Ausübung eines Unionsrechts nicht tatsächlich oder praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren39. Vergleichsweise unproblematisch sind Ausschlussfristen, wie sie in § 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB vorgesehen sind. Kritischer zu beurteilen sind hingegen Eingrenzungen des Prüfungsmaßstabes. Hier hat der EuGH in einer jüngeren Entscheidung klargestellt, dass diese dem Effektivitätsgrundsatz zuwiderlaufen40, sofern der betroffenen Richtlinie die praktische Wirksamkeit genommen wird. Mit Rücksicht auf den Vorrang des Europarechts haben die Gerichte entsprechende Bestimmungen unangewendet zu lassen, sodass es im Ergebnis bei der Nichtigkeitsfolge bleibt41. Unionsrechtlich zulässig ist es dagegen wohl, von der Nichtigkeitsfolge abzusehen, wenn zumindest die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Entscheidung bei Einhaltung des vorgeschriebenen Verfahrens nicht anders ausgefallen wäre. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist insbesondere die Schwere des geltend gemachten Fehlers sowie zu berücksichtigen, ob die verfahrensrechtliche Garantie gerade geschaffen wurde, um eine Beteiligung am Verfahren zu ermöglichen42.
37 Vgl. etwa Sodan, Unbeachtlichkeit und Heilung von Verfahrens- und Formfehlern, DVBl. 1999, 729 (732). 38 Classen, Strukturunterschiede zwischen deutschem und europäischem Verwaltungsrecht, NJW 1995, 2457 (2457 f.). 39 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 2.10.2003 – C-147/01 –, Slg. 2003, I-11365, Rn. 104; ausführlich Kment, Zur Europarechtskonformität der neuen baurechtlichen Planerhaltungsregeln, AöR 130 (2005), 570 (576 ff.). 40 EuGH, Urt. v. 18.4.2014, C-463/11 – L gegen M, Rn. 31 ff. 41 EuGH, Urt. v. 18.4.2014, C-463/11 – L gegen M, Rn. 31 ff. 42 EuGH, Urt. v. 7.11.2013, C-72/12 – Altrip, Rn. ff.
Fehlerfolgen und Grundsatz der Planerhaltung im Bauplanungsrecht
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V. Zusammenfassende Schlussbetrachtung Das früher geltende Nichtigkeitsdogma für untergesetzliche Rechtsnormen ist im Bereich des Bauplanungsrechts durch ein differenziertes System abgelöst worden, das die Wirksamkeit von Bebauungsplänen in weiten Teilen von deren Rechtmäßigkeit entkoppelt hat. Aus verfassungsrechtlicher und zumindest im Grundsatz auch aus europarechtlicher Sicht sind die bestehenden Regelungen keinen Einwänden ausgesetzt, wenngleich der derzeit erreichte Rechtszustand wohl die Grenzen dessen markieren dürfte, was noch hinnehmbar ist. Rechts- und verfassungspolitisch löst die Gesamtschau der geltenden planungsrechtlichen Anforderungen und der diese relativierenden Bestimmungen zur Planerhaltung dagegen ein nicht unerhebliches Störgefühl aus. So mag man sich mit Fug und Recht die Frage stellen, welchen Sinn es hat, die kommunalen Planungsträger mit komplexen und kaum vollzugsfähigen Vorschriften zu konfrontieren, deren Missachtung letztlich folgenlos bleibt. Hier gehört nicht viel Fantasie dazu, dass die Entscheidungsträger derartigen Bestimmungen von vornherein nur geringes Gewicht beimessen werden. Damit dürfte die Effektivität der „sanktionslosen Planungsnormen“ äußerst begrenzt sein. Dies gilt umso mehr, als sich Vorschläge, im Wege des Normenkontrollverfahrens eine Feststellung der Rechtswidrigkeit unbeachtlicher Fehler zu ermöglichen, bislang nicht durchsetzen konnten43. Ebenfalls vergleichsweise ineffektiv sind Möglichkeiten der Rechtsaufsicht, gegen Fehler im Verfahren der Bauleitplanung vorzugehen. Gleiches gilt auch für § 216 BauGB, der die Verpflichtung der zuständigen Behörde statuiert, einen genehmigungspflichtigen Bauleitplan in vollem Umfang auf Fehler zu überprüfen. Der Wirksamkeit dieser Bestimmung steht entgegen, dass einer solchen Genehmigung nur noch in wenigen Fällen bedarf. Unter diesen Voraussetzungen erscheint es ehrlicher, die Anforderungen an die Bauleitplanung von vornherein auf einen Kernbestand von Normen zurückzuführen, deren Missachtung nach dem derzeitigen Rechtszustand auch auf die Wirksamkeit eines Bebauungsplanes durchschlagen muss. Eine partielle Entrechtlichung der Bauleitplanung würde die Kommunalverwaltungen selbstverständlich nicht daran hindern, in der Bauleitplanung über den gesetzlich garantierten (und auch sanktionierten!) Mindeststandard hinauszugehen. Zugleich würde das Planungsrecht aber nicht länger die Illusion eines optimalen Interessenausgleichs am Leben erhalten, der durch die Vorschriften zur Planerhaltung auf das rechtsstaatlich gebotene Mindestmaß zurückgeführt werden muss. Einzuräumen ist freilich, dass die europarechtlichen Vorgaben dem nationalen Gesetzgeber nur geringe Spielräume lassen, derartige Vorschläge umzusetzen. Damit dürfte das Bauplanungsrecht auch zukünftig durch die rechtsstaatliche Schizophrenie geprägt sein, den Kommunalverwaltungen bei der Ausstellung 43 Dafür aber W.-R. Schenke, Die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Norm als Streitgegenstand der oberverwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle gem. § 47 VwGO, in: Heckmann (Hrsg.), Gedenkschrift Kopp, 2007, S. 113 ff.
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von Bebauungsplänen zunächst ein praktisch unerfüllbares Pflichtenprogramm aufzuerlegen, aus der Missachtung dieser Vorschriften aber letztlich kaum Konsequenzen zu ziehen.
Literatur Bartlsperger, Richard, Planungsrechtliche Optimierungsgebote, DVBl. 1996, 1-12 Baumeister, Peter, Das Rechtswidrigwerden von Normen, 1996 Der Beseitigungsanspruch als Fehlerfolge des rechtswidrigen Verwaltungsakts, Tübingen 2006 Classen, Claus Dieter, Strukturunterschiede zwischen deutschem und europäischem Verwaltungsrecht. Konflikt oder Bereicherung?, NJW 1995, 2457 Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, 1997 Hoppe, Werner, Der Rechtsgrundsatz der Planerhaltung als Struktur- und Abwägungsprinzip DVBl. 1996, 12 ff. Hoppe, Werner/Henke, Peter, Der Grundsatz der Planerhaltung im neuen Städtebaurecht DVBl. 1997, 1407 ff. Hufen, Friedhelm/Siegel, Thorsten, Fehler im Verwaltungsverfahren. Ein Handbuch für Ausbildung und Praxis, 5. Aufl., Baden-Baden 2002 Käß, Robert, Inhalt und Grenzen des Grundsatzes der Planerhaltung. Dargestellt am Beispiel der §§ 214 - 216 BauGB, Berlin 2002 Kirchhof, Ferdinand, Die Baurechtsnovelle 1979 als Rechtswegsperre? Zur Vereinbarkeit der §§ 155a und 155b BBauG mit Art. 19 IV GG, NJW 1981, 1981 Kment, Martin, Planerhaltung auf dem Prüfstand: Die Neuerungen der §§ 214, 215 BauGB 2007 europarechtlich betrachtet DVBl. 2007, 1275 ff. Ossenbühl, Fritz, Eine Fehlerlehre für untergesetzliche Normen NJW 1986, 2805 ff. Schenke, Wolf-Rüdiger, Die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Norm als Streitgegenstand der oberverwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle gem. § 47 VwGO, in: D. Heckmann (Hrsg.), Gedenkschrift für Ferdinand O. Kopp, Stuttgart 2007, S. 113, in: R. Dolzer (Hrsg.), Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 19 IV GG, Drittbearbeitung, Heidelberg 2009 Schmidt-Aßmann, Eberhard, Vorüberlegungen zu einem neuen Städtebaurecht, DVBl. 1984, in: T. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, München 2014 Sendler, Horst, Neue Entwicklungen bei Rechtsschutz und gerichtlicher Kontrolldichte im Planfeststellungsrecht in: J. Kormann (Hrsg.), Aktuelle Fragen der Planfeststellung, München 1994, S. 38 – Der Jubilar, der Grundsatz der Planerhaltung und das Richterrecht DVBl. 2005, 659 ff. Sodan, Helge, Unbeachtlichkeit und Heilung von Verfahrens- und Formfehlern, DVBl. 1999, 729 Steinwede, Holger, Planerhaltung im Städtebaurecht durch Gesetz und richterliche Rechtsfortbildung, Berlin 2003 Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), BauGB, Kommentar, München 2007
Inhaltliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Bebauungsplänenund ihre verfassungsrechtliche Implikation – unter besonderer Berücksichtigung des Gemeinwohlerfordernisses von Bebauungsanlagen Von Sung Soo Kim Sung Soo Kim
I. Problemstellung In der koreanischen Rechtsprechung kommt als gerichtlicher Prüfungsmaßstab der Rechtmäßigkeit von Bebauungsplänen u. a. der Grundsatz der gerechten Abwägung zur Anwendung.1 Dem bebauungsrechtlichen Abwägungsgebot liegt nach ständiger Rechtsprechung die Vorstellung zugrunde, dass die Planung einen komplexen Willensbildungsprozess darstellt, der sich aus Elementen des Erkennens, des Wertens und des Wollens zusammensetzt. Die Planung an sich ist durch eine weitreichende Gestaltungsfreiheit gekennzeichnet, deren Kern wiederum die planerische Abwägung bildet.2 Daher kommt der Abwägung bei der gemeindlichen Planung grundlegende Bedeutung zu. Dies ergibt sich auch daraus, dass sie verfassungsrechtlich durch die kommunale Planungshoheit nach Art. 117 Abs. 1 der koreanischen Verfassung („K-VG“) gewährleistet und abgesichert ist. Im Übrigen stellt eine fehlerfreie Abwägung ein rechtsstaatliches Erfordernis dar, weil das Abwägungsgebot bei hoheitlichen Planungsentscheidungen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren hat. Vor diesem Hintergrund ist auch verständlich, dass ein Verstoß gegen elementare Grundsätze der Abwägung die Planung ungültig machen kann. Neben dem verfahrensrechtlich gewährleisteten Abwägungsgebot in der Bauleitplanung liegt der Schwerpunkt dieser Abhandlung in der Frage, ob und inwieweit die Gerichte einen Bebauungsplan inhaltlich prüfen können. In diesem Zusammenhang ist der Golfanlagenfall besonders aufschlussreich. In diesem ging es darum, ob eine mit einem Bebauungsplan bewilligte Sportanlage, konkret eine Golfanlage, als eine bebauungsplanerisch relevante Gemeinwohlanlage nach dem koreanischen Landplanungsgesetz („LPG“) zu qualifizieren ist. Der koreanische Oberste Gerichtshof hatte dazu in der Entscheidung vom 11. Oktober 2013 die 1 Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs vom 10. Juli 2014 (2003Du5426); 24. Februar 2011 (2010Du21464); 8. September 2006 (2003Du5426). 2 Nam Cheol Kim, Verwaltungsrecht, Bakyoung Verlag, 2014, S. 302.
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Auffassung vertreten, dass die Golfanlage nicht als eine der Allgemeinheit zugängliche Sportanlage anzusehen sei, weil sie nur gegen Zahlung eines hohen Beitrittsbeitrages genutzt werden konnte. Aus dieser Feststellung ergebe sich die Rechtswidrigkeit der Bewilligung der Golfanlage. So gehe diese inhaltlich über die ihr vorausgehende Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans hinaus.3 In dieser Entscheidung zitierte das Gericht das Urteil des koreanischen Verfassungsgerichts vom 30. Juni 2011.4 Das Verfassungsgericht hatte die Begriffsbestimmung zu Sportanlagen des LPG für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Durch diese würde der Staatspräsident in umfassender Weise dazu ermächtigt, durch eine Rechtsverordnung die Arten und den Umfang der Sportanlagen zu regeln, ohne auf ihren rechtlichen Charakter und ihre Gemeinwohlverträglichkeit Rücksicht zu nehmen. Demzufolge verstieße sie gegen das Verbot der umfassenden Ermächtigung nach Art. 75 K-VG bzw. das Bestimmtheitsgebot. Der Oberste Gerichtshof hatte sich auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Bewilligung einer privaten Golfanlage nach dem LPG beschränkt, in dem er die Voraussetzungen der enteignungsrelevanten Arten von Sportanlagen im Sinne der Gemeinwohlverträglichkeit nach Art. 23 Abs. 3 K-VG festlegte. In Wirklichkeit ging es bei dieser Entscheidung um die in Korea höchst umstrittene Frage, ob die Enteignung zugunsten privater, nicht öffentlicher Sportanlagen im Sinne des LPG, insbesondere bei privaten Golfanlagen verfassungsmäßig ist.5 Anders ausgedrückt zeigt dieser Fall den Zusammenhang zwischen der inhaltlichen Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Bebauungsplänen durch Gerichte und ihrer verfassungsrechtlichen Implikationen. Dies wird im Folgenden ausführlich behandelt.
II. Planungsermessen und Abwägungsgebot in der koreanischen Rechtsprechung Der Grundsatz des Abwägungsgebots, der nach ständiger koreanischer Rechtsprechung im Planungsrecht Anwendung findet, hat seinen Ursprung in der Rechtsprechung des deutschen Bundesverwaltungsgerichts. Nach dem Bundesverwaltungsgericht liegt eine Verletzung des Gebots der gerechten Abwägung vor, wenn eine Abwägung nicht stattgefunden hat oder ein Belang in die Abwägung nicht eingestellt wurde, der nach Lage der Dinge hätte eingestellt werden müssen. Eine Verletzung liegt ferner vor, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange 3
Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 11. Oktober 2013 (2012Du15784). Entscheidung des Verfassungsgerichts vom 30. Juni 2011 (2008HunBa166). 5 Dazu ausführlich Sung Soo Kim, Gemeinwohlerfordernis von PPP-Vorhaben nach Art. 23 Abs. 3 der koreanischen Verfassung, unter besonderer Berücksichtigung der Enteignung zugunsten privat initiierter Golfanlagen, in: Jan Ziekow (Hrsg.), Wandel der Staatlichkeit und wieder zurück? Die Einbeziehung Privater in die Erfüllung öffentlicher Aufgaben (Public Private Partnership) in/nach der Weltwirtschaftskrise, Nomos Verlag 2011, S. 235 ff. 4
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verkannt oder der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen zur objektiven Bedeutung einzelner Belange außer Verhältnis steht.6 Hierbei wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde unter den kollidierenden Belangen für die Bevorzugung eines Belangs entscheidet und damit die anderen notwendigerweise zurückgestellt werden. Damit ist eine gewisse Ähnlichkeit zwischen den für die Abwägung geltenden Vorgaben und der Ermessenslehre unverkennbar. Zu beachten ist, dass die Grundsätze der gerechten Abwägung, wie sie das Bundesverwaltungsgericht in der sog. Flachglas-Entscheidung aus dem Jahr 1974 festgestellt hat,7 sowohl für den Abwägungsvorgang als auch für das Abwägungsergebnis selbst gelten. Die Bauleitplanung ist demnach auch dann fehlerhaft, wenn eine Abwägung stattgefunden hat, in der alle betroffenen Belange beachtet und in ihrer Bedeutung zutreffend beurteilt worden sind, jedoch die Abwägung zu einem Ergebnis geführt hat, das in keinem Verhältnis zu dem Gewicht der Belange steht und deshalb nicht akzeptabel ist. Das Abwägungsgebot verlangt somit die Beachtung folgender Aspekte: Zunächst muss überhaupt eine Abwägung stattfinden. Dabei sind alle von der Planung möglicherweise betroffenen öffentlichen und privaten Belange zu berücksichtigen. Zudem darf die Bedeutung der betroffenen Belange nicht verkannt werden. In einem letzten Schritt muss der Ausgleich zwischen den berührten Belangen in einer Weise vorgenommen werden, die im Verhältnis zu dem objektiven Gewicht der einzelnen Belange steht.8 Das Gebot der gerechten Abwägung im Planungsrecht, insbesondere als Prüfungsmaßstab der Rechtmäßigkeit der bebauungsrechtlichen Planentscheidung wurde erstmals in der Rechtsprechung des koreanischen Obersten Gerichtshofs in der Entscheidung vom 29. November 1996 angewandt.9 Das Gericht führte aus, dass dem Hoheitsträger der Planung bei der Aufstellung und der Beschlussfassung über einen Plan insofern ein weitreichender Gestaltungsspielraum zukäme, als im Planungsrecht wie auch im LPG zwar die abstrakten Ziele bzw. Verfahren der Verwaltung geregelt würden, über die Inhalte der Planung aber nur wenige Bestimmungen bestünden. Dennoch sei die planerische Gestaltungsfreiheit selbstverständlich nicht schrankenlos. So müsse eine gerechte Abwägung sowohl zwischen den erheblichen öffentlichen Belangen untereinander als auch zwischen den öffentlichen und den privaten Belangen sowie ferner unter den privaten Belangen stattfinden. Der Bebauungsplan verletze dann das Gebot der gerechten Abwägung und missbrauche zugleich rechtswidrigerweise den planungsrechtlichen Gestaltungsspielraum, wenn bei der Aufstellung und der Beschlussfassung des Planes entweder überhaupt keine Abwägung stattgefunden habe oder bei der Abwägung die von der Planung berührten Belange, die nach der Lage der Dinge hätten ein6
BVerwGE 45, 309, 326. BVerwGE 45, 309, 315. 8 BVerwGE 138, 12, 20 ff. 9 Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 29. November 1996 (96Nu8567). 7
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gestellt werden müssen, nicht eingestellt worden seien oder im Rahmen der Interessenermittlung ein Mangel an der gerechten und objektiven Abwägung bestehe. Seitdem geht der Oberste Gerichtshof im Planungsrecht, einschließlich des LPG, von diesen Grundsätzen der gerechten Abwägung aus. Dies ist darauf zurückzuführen, dass im Verhältnis zum deutschen BauGB10 das koreanische LPG, 10 Danach ist der Inhalt des Bebauungsplans in § 9 BauGB ausführlich geregelt: 1. die Art und das Maß der baulichen Nutzung, 2. die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen, 2a. vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen, 3. für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke Mindestmaße und aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden für Wohnbaugrundstücke auch Höchstmaße, 4. die Flächen für Nebenanlagen, die auf Grund anderer Vorschriften für die Nutzung von Grundstücken erforderlich sind, wie Spiel-, Freizeit- und Erholungsflächen sowie die Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten, 5. die Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und Spielanlagen, 6. die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden, 7. die Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude, die mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gefördert werden könnten, errichtet werden dürfen, 8. einzelne Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf bestimmt sind, 9. der besondere Nutzungszweck von Flächen, 10. die Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, und ihre Nutzung, 11. die Verkehrsflächen sowie Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung, wie Fußgängerbereiche, Flächen für das Parken von Fahrzeugen, Flächen für das Abstellen von Fahrrädern sowie den Anschluss anderer Flächen an die Verkehrsflächen; die Flächen können auch als öffentliche oder private Flächen festgesetzt werden, 12. die Versorgungsflächen, einschließlich der Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung, 13. die Führung von oberirdischen oder unterirdischen Versorgungsanlagen und -leitungen, 14. die Flächen für die Abfall- und Abwasserbeseitigung, einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser, sowie für Ablagerungen, 15. die öffentlichen und privaten Grundflächen, wie Parkanlagen, Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätze, Friedhöfe, 16. die Wasserflächen sowie die Flächen für die Wasserwirtschaft, für Hochwasserschutz anlagen und für die Regelung des Wasserabflusses, 17. die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen, 18. a) die Flächen für die Landwirtschaft und b) Wald, 19. die Flächen für die Errichtung von Anlagen für die Kleintierhaltung wie Ausstellungs- und Zuchtanlagen, Zwinger, Koppeln und dergleichen, 20. die Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft, 21. die mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit, eines Erschließungsträgers oder eines beschränkten Personenkreises zu belastenden Flächen, 22. die Flächen für Gemeinschaftsanlagen für bestimmte räumliche Bereiche wie Kinderspielplätze, Freizeiteinrichtungen, Stellplätze und Garagen, 23. Gebiete, in denen a) zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte Luft verunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen, b) bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen, 24. die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, die Flächen für besondere Anlagen
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wie oben dargestellt wurde, nur wenige gesetzliche Vorgaben zu den konkreten Inhalten des Bebauungsplans11,12 enthält. Deshalb beschränkt sich die Rechtsprechung hauptsächlich auf die Prüfung der Ermittlung der Belange bei der Aufstellung und Beschlussfassung des Bebauungsplans. Demzufolge sind nur selten Judikate zu finden, die sich mit der inhaltlichen Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans auseinandersetzen. Im Folgenden wird die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zum begrifflichen Inhalt der Gemeinwohlverträglichkeit der Golfanlage als Bebauungsanlage nach dem LPG analysiert. Ferner wird die verfassungsrechtliche Implikation der Frage des Gemeinwohlbegriffs nach Art. 23 Abs. 3 K-VG dargestellt.
III. Inhaltliche Prüfung der Rechtmäßigkeit von Bebauungsplänen des koreanischen Obersten Gerichtshofs zum Begriff des Gemeinwohls von Sportanlagen 1. Die Entscheidung vom 12. Juli 2013 Im Jahr 2013 hat sich der Oberste Gerichtshof gleich dreimal mit der inhaltlichen Rechtmäßigkeit von Bebauungsplänen im Hinblick auf die Gemeinwohlverträglichkeit von Sportanlagen befasst. Eine Enteignung auch zugunsten privater Unternehmen im Sinne des LPG setzt voraus, dass es sich um eine Bebauungsanlage handelt, die der Umsetzung eines Bebauungsplans dient. Es musste also entschieden werden, ob eine Golfanlage eine Bebauungsanlage nach dem LPG darund Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie die zum Schutz vor solchen Einwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen zu treffenden baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen, 25. für einzelne Flächen oder für ein Bebauungsplangebiet oder Teile davon sowie für Teile baulicher Anlagen mit Ausnahme der für landwirtschaftliche Nutzungen oder Wald festgesetzten Flächen, a) das Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen, b) Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern, 26. die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen und Stützmauern, soweit sie zur Herstellung des Straßenkörpers erforderlich sind. 11 Der § 36 Abs. 1 LPG bestimmt nur den Rahmen der Flächennutzung des Bebauungsplans als folgendes. 1. Städtegebiet, a) Wohngebiet, b) Handelsgebiet, c) Industriegebiet, d) Grüngebiet, 2. Bewirtschaftungsgebiet, a) Schutzbewirtschaftungsgebiet, b) Herstellungsbewirtschaftungsgebiet, c) Planungsbewirtschaftungsgebiet, 3. Landschaftsgebiet, 4. Umweltschutzgebiet. 12 Daran anschließend regelt § 37 Abs. 1 LPG die Flächennutzung des Bebauungsplans zu den folgenden Geländen. 1. Landschaftsgelände, 2. Ansichtsgelände, 3. Höchstgelände, 4. Feuerschutzgelände, 5. Unfallschutzgelände, 6. Erhaltungsgelände, 7. Einrichtungsschutzgelände, 8. Siedlungsgelände, 9. Erschließungsgelände, 10. Gelände für bestimmte Verwendungszwecke, 11. Die nach Rechtsverordnung des Staatspräsidenten zu regelnden übrigen Gelände. In gewissem Sinne steht der Bebauungsplan nach dem LPG inhaltlich dem Flächennutzungsplan näher als dem Bebauungsplan des deutschen BauGB.
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stellt. In seiner Entscheidung vom 12. Juli 2013 hat der Oberste Gerichtshof ausgeführt, dass nach §§ 2, 30, 43, 95 LPG der Vorhabenträger für Bebauungsanlagen zur Enteignung befugt sei und § 2 Nr. 6 LPG als Bebauungsanlagen neben Schulen, Spielfeldern und öffentlichen Gebäuden auch öffentliche Kultur- und Sportanlagen vorsehe. Vorausgehend sah das Verfassungsgericht in seinem Urteil vom 30. Juni 2011 § 2 Nr. 6 LPG als mit der Verfassung unvereinbar an. Das Gericht setzte dem Gesetzgeber zur Neuregelung eine Frist, indem es die Vorschrift nur noch bis zum 31. Dezember 2012 für gültig erklärte. Damit mussten der Oberste Gerichtshof und das dafür zuständige Oberste Verwaltungsgericht als Vorinstanz die Entschließung des Bebauungsplans der zuständigen Behörde inhaltlich prüfen. Im Zentrum stand die Frage, ob die in dem Bebauungsplan enthaltene Kultur- und Sportanlage als „enteignungsrelevante öffentliche Anlage“ anzusehen ist. Denn § 2 Nr. 6 LPG galt nach dem Urteil des Verfassungsgerichts nur bis zum 12. Dezember 2012, also bis zur Gesetzesänderung des Gesetzgebers. Der Schwerpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs lag darin, dass nach den betroffenen gesetzlichen Vorschriften die Golfanlage dem Kreis der die Enteignung zulassenden Bebauungsanlagen zuzurechnen ist. Darüber hinaus handele es sich in diesem Fall um die materiellen Kriterien einer enteignungsrelevanten öffentlichen Golfanlage, da sie der Allgemeinheit zugänglich und ihre Benutzung jedem zur Verfügung gestellt worden sei. Erstens könne jeder ohne weitere Bedingungen mit Ausnahme der Beitragspflicht die Golfanlage benutzen. Zweitens sei das Golfspiel unter der Bevölkerung mittlerweile als ein allgemeiner Sport anerkannt, obwohl das Angebot im Verhältnis zur Nachfrage relativ beschränkt sei. Drittens hinderten oder gar erdrosselten die Benutzungskosten nicht den Zugang der Allgemeinheit. Mit Blick auf die ausgeführten Darlegungen sei nach der Auffassung des Obersten Verwaltungsgerichts die Golfanlage als rechtmäßig zugelassene Bebauungsanlage anzusehen, obwohl die für die Anlage erfolgte Enteignung zugunsten eines privaten Vorhabenträgers stattfinde und ihre Benutzung nicht unerhebliche Kosten verursache. Schließlich hat der Oberste Gerichtshof die Entscheidung des Obersten Verwaltungsgerichts gebilligt und die Rechtmäßigkeit der Golfanlage als Bebauungsanlage festgestellt. 2. Die Entscheidung vom 21. September 2013 In dieser Entscheidung befasste sich der Oberste Gerichtshof schwerpunktmäßig mit der Grenze des Beurteilungsspielraums der zuständigen Verwaltungsbehörde in der Bebauungsplanung. Aufgrund der Feststellung, dass der Bebauungsplan der zuständigen Behörde auf dem LPG und den betroffenen gesetzlichen Vorschriften beruhe, ist der Oberste Gerichtshof der Ansicht, dass die Entscheidung der Verwaltungsbehörde zur Bebauungsanlage als rechtmäßig anzusehen sei, es sei denn, es lägen davon abweichende andere Umstände vor. Nur wenn die Bebauungsanlagen, also hier die Sportanlagen, in ihrer Struktur, Betriebsweise und ihren Einrichtungskriterien den Voraussetzungen der gesetzlichen Regelung entsprächen, der
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Allgemeinheit zugänglich zu sein, könnten sie bewilligt werden. Im Übrigen sei im Hinblick auf die Frage, ob eine Anlage im Bebauungsplan festgesetzt werden könne, zu untersuchen, ob die infrage stehende Sportanlage nach den materiellen Kriterien – wie der Zahl der Benutzer, den Kosten für ihre Benutzung, ihrer Öffentlichkeit und Größe – der Allgemeinheit zugänglich sei. Im konkreten Fall habe die zuständige Behörde zugunsten eines privaten Vorhabenträgers die Golfanlage als eine Bebauungsanlage bewilligt. Insofern sei ihre Bewilligung nur dann rechtmäßig, wenn sie der Allgemeinheit zugänglich und ihre Benutzung kostengünstig sei. In dieser Hinsicht werde die infrage stehende Golfanlage nicht als „öffentlich“ angesehen, und zwar deswegen, weil ihre Benutzung mit einem hohen Mitgliedsbeitrag verbunden und nur den Mitgliedern zur Verfügung gestellt werde. Demzufolge sei sie nicht als eine der Allgemeinheit zugängliche Sportanlage zu qualifizieren. Nach alldem sei die Bewilligung der im Bebauungsplan enthaltenen Golfanlage rechtswidrig und zurückzunehmen. In dieser Entscheidung hat sich der Oberste Gerichtshof nicht darauf beschränkt, der Verwaltung einen weitgehenden Beurteilungsspielraum für die Öffentlichkeit einer Sportanlage zuzubilligen. Vielmehr hatte er sich grundlegend damit auseinandergesetzt, dass die Beurteilung der Verwaltung zu den Begriffen der allgemeinen Zugänglichkeit und der öffentlichen Sportanlage, einschließlich einer Golfanlage als eine Bebauungsanlage des LPG, nach objektiven und materiellen Kriterien exakt und genau geprüft werden müsse. 3. Die Entscheidung vom 11. Oktober 2013 Parallel zur Entscheidung vom 21. September 2013 setzte sich der Oberste Gerichtshof mit derselben Problematik der Öffentlichkeit einer privaten Golfanlage auseinander, die sich in einem Bebauungsplan als eine Bebauungsanlage befand. Er hat ausgeführt, dass sich nach dem LPG und anderen betroffenen gesetzlichen Regelungen die Bewilligung der Bebauungsanlage an der Vollziehung des Bebauungsplans ausrichte. Im Allgemeinen werde die Entscheidung der Verwaltungsbehörde zur Bebauungsanlage als rechtmäßig angesehen, es sei denn, es lägen andere Umstände vor. Nur wenn die Bebauungsanlagen, also hier die Sportanlagen, den gesetzlich geregelten Voraussetzungen für den Zugang der Allgemeinheit in ihrer Struktur, ihren Einrichtungskriterien und ihrer Betriebsweise entsprächen, könnten sie rechtmäßig bewilligt werden. Im Übrigen sei im Hinblick auf die Frage, ob eine Sportanlage im Bebauungsplan festgesetzt werden könne, zu untersuchen, ob diese nach den materiellen Kriterien wie der Zahl der Benutzer, ihren Benutzungskosten, ihren Öffnungszeiten und ihrer Größe der Allgemeinheit zugänglich sei. Nach den Entscheidungsgründen der Vorinstanz sei als Sachverhalt festzustellen, dass die städtische Verwaltung aufgrund des Bebauungsplans die Bebauungsanlage als private Golfanlage mit 18 Löchern bewilligt habe. Diese sei nur für ihre Mitglieder zur Verfügung gestellt worden. Aus den oben ausgeführten Darlegungen ergebe sich, dass die
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Bewilligung der Golfanlage nur dann als rechtmäßig angesehen werde könne, wenn sie der Allgemeinheit uneingeschränkt zugänglich sei. Aufgrund der Tatsache, dass die Golfanlage prinzipiell nur Mitgliedern offenstehe, fordere ihre Benutzung nach dem allgemeinen Wirtschaftsniveau der koreanischen Gesellschaft nicht unerhebliche Kosten. Bestünden keine davon abweichenden anderen Umstände, gehe der Oberste Gerichtshof davon aus, dass die infrage stehende Golfanlage nicht als der Allgemeinheit zugängliche Sportanlage anzusehen sei. Demzufolge sei die Bewilligung von Golfanlagen als Bebauungsanlagen rechtswidrig, weil sie über die rechtliche Grenze des Bebauungsplans nach dem LPG hinausginge. 4. Zwischenfolgerung Durch das Urteil des Verfassungsgerichts vom 30. Juni 2011 wurde bei der Konkretisierung des Begriffs der Sportanlagen nach § 2 Nr. 6 LPG eine Verletzung des Verbots der umfassenden Ermächtigung und des Bestimmtheitsgebots nach Art. 75 K-VG festgestellt. Die Regelung wurde als mit der Verfassung unvereinbar erklärt und galt daher nur bis zur Gesetzesänderung. Der Oberste Gerichtshof hatte sich daraufhin mit dem Begriff der Öffentlichkeit der Sportanlagen auseinandergesetzt und prinzipiell nach dem Kriterium der Allgemeinzugänglichkeit zwei Formen unterschieden. Inzwischen hat der Gesetzgeber die Gesetzesänderung vollzogen und den § 2 Nr. 6 LPG am 18. Dezember 2012 neu geregelt. So fallen unter Bebauungsanlagen lediglich ‚gemeinwohlverträgliche‘ Sportanlagen. Die neue Fassung trat am 1. Januar 2013 in Kraft. Damit hat sich die Auslegungsproblematik der Sportanlagen einschließlich der Golfanlagen erledigt, die nicht von den Städten, sondern von Privaten errichtet wurden und zugunsten dieser die Enteignung von privatem Grundeigentum zugelassen wurde. Nunmehr fragt sich aber, was eigentlich unter dem Begriff der ‚Gemeinwohlverträglichkeit‘ zu verstehen ist. Dies ist im Wege der Auslegung durch die Gerichte zu klären, vor allem durch den Obersten Gerichtshof, der zu entscheiden hat, ob die Bewilligung der in einem Bebauungsplan enthaltenen rein privaten Sportanlagen als rechtmäßig erachtet wird. Es besteht die Möglichkeit, dass auch der geänderte § 2 Nr. 6 LPG durch Anträge der allgemeinen Gerichte beim Verfassungsgericht einer Prüfung unterzogen werden kann. Dies führt dazu, dass die inhaltliche Beurteilung des hier infrage stehenden § 2 Nr. 6 LPG mit der Interpretation und Deutung des Gemeinwohlbegriffs nach Art. 23 Abs. 3 K-VG verknüpft ist.
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IV. Rechtsprechung des koreanischen Verfassungsgerichts zur Zulässigkeit der Enteignung zugunsten privater Golfanlagen als Bebauungsanlagen 1. Die Entscheidung des Bezirksgerichts der Stadt Suwon vom 22. Oktober 2008 Ob private Sportanlagen, insbesondere Golfanlagen, als Bebauungsanlagen nach dem LPG anzusehen sind und aufgrund der betroffenen gesetzlichen Regelungen eine Enteignung zu Gunsten ihrer Betreiber zulässig ist, ist in den letzten Jahren im juristischen Schrifttum heftig diskutiert worden. Im Oktober 2008 hat sich die Rechtsprechung zum ersten Mal damit befasst. So entschied das Bezirksgericht Suwon, dass das LPG die Sportanlage als eine die Enteignung zulassende rechtmäßige Bebauungsanlage vorsehe. Im Übrigen werde das gesetzliche Bestimmtheitsgebot und die Grenze der Ermächtigung eingehalten. Dienten die Golfanlagen der Verbesserung des alltäglichen Lebens und des Wohlbefindens der in den Städten wohnenden Bürger, seien sie nach dem LPG als rechtmäßig zu erachten. Eine Enteignung, die dem Gemeinwohlerfordernis nach Art. 23 Abs. 3 K-VG entspreche, sei verfassungsmäßig. Es liege insofern im Planungsermessen der betroffenen Gemeinde, dass diese im Hinblick auf die Öffentlichkeit der Bebauungsanlage das Gemeinwohlerfordernis und die damit verbundene Rechtmäßigkeit der Enteignung nach ihrem sachgerechten Ermessen entscheide. Nach der Entscheidung des Gerichts seien städtische Bebauungsanlagen diejenigen Einrichtungen, die in Bezug auf das komplexe Leben der städtischen Bevölkerung zur Verbesserung ihrer Lebensqualität dienten und dafür vorzuhalten seien. Im Prinzip erfüllten die – für die Verbesserung des städtischen Lebens der Bevölkerung zur Verfügung gestellten – Bebauungsanlagen den Begriff der Öffentlichkeit und des Gemeinwohlerfordernisses nach Art. 23 Abs. 3 K-VG. Die Regelungen des LPG und das damit zusammenhängende Sportanlagengesetz bestimmten, dass Golfanlagen zu den städtischen Bebauungsanlagen des LPG gehören. Wenn sie der Bevölkerung allgemein zugänglich seien und zugleich der Verbesserung der Gesundheit der Bürger dienten, seien sie als öffentliche Bebauungsanlagen anzusehen, welche die verfassungsrechtliche Voraussetzung des Gemeinwohlerfordernisses nach Art. 23 Abs. 3 K-VG erfüllten. Dies werde auch nicht durch die Tatsache geändert, dass bei der Benutzung der Golfanlage ein von der Allgemeinheit abzugrenzender Personenkreis bevorzugt werde und mit der Golfanlage mehr oder weniger ein Gewinnerzielungszweck des privaten Vorhabenträgers verbunden sei. Eigentlich liege die Entscheidung über den Bebauungsplan soweit im Ermessen der zuständigen Behörde, als sie die Eignung des betroffenen Vorhabens bzw. des Vorhabenträgers aus Sicht der Öffentlichkeit oder des Gemeinwohlerfordernisses begutachte und das gesamte Umfeld der sich in Planung befindlichen Golfanlage sowie die technische und finanzielle Leistungsfähigkeit des privaten Vorhabenträgers unter fachlichen Gesichtspunkten zu prüfen habe. Dies führe dazu, dass die Enteignung zugunsten eines privaten Vorhabenträgers nach dem LPG und den
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anderen gesetzlichen Regelungen die Eigentumsgarantie nach Art. 23 Abs. 1 K-VG und die allgemeine Handlungsfreiheit des Klägers nach Art. 10 K-VG nicht unverhältnismäßig verletze und schließlich nicht verfassungswidrig sei. Damit hat das Gericht die Anfechtungsklage gegen die Enteignung und den Antrag der in der Nachbarschaft lebenden Bewohner an das Verfassungsgericht, die Verfassungswidrigkeit der betroffenen Regelungen des LPG und anderer Gesetze festzustellen, zurückgewiesen. Nach § 68 Abs. 2 des Verfassungsgerichtsgesetzes haben die Eigentümer der enteigneten Grundstücke im Anschluss beim Verfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde eingereicht. 2. Das Urteil des Verfassungsgerichts vom 30. Juni 2011 a) Die Streitpunkte Über die Verfassungsbeschwerde entschied letztendlich das Verfassungsgericht, dem zwei verfassungsrechtliche Fragen vorgelegt wurden. Zuerst sollte die Gesetzmäßigkeit der Enteignung, also das Vorliegen ihrer gesetzlichen Grundlage, ferner die Art der Ermächtigung geprüft werden. Die gesetzliche Grundlage der Enteignung zum Vorteil des privaten Vorhabenträgers von Golfanlagen nach dem Bebauungsplan befindet sich nicht unmittelbar im LPG, sondern im Wege einer komplexen Weiterverweisung im Sportanlagengesetz. In seinem Anhang werden die Golfanlagen als Sportanlagen bezeichnet. Mit anderen Worten bestimmt das LPG lediglich die rechtliche Grundlage der Enteignung der für den Vollzug des Bebauungsplans notwendigen Anlage. Die Golfanlage selbst wird hier nicht explizit erwähnt. Die konkrete Art und der Umfang der Sportanlagen, einschließlich der Golfanlagen, werden im Sportanlagengesetz geregelt, was im strikten Sinne dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Enteignung zuwiderläuft. Die zweite Frage bezog sich auf die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Enteignung zugunsten privater Golfanlagen, also darauf, ob sie unter den Begriff des Gemeinwohls nach Art. 23 Abs. 3 K-VG subsumiert werden können. b) Die herrschende Meinung Nach der herrschenden Auffassung des Verfassungsgerichts sei der infrage stehende § 2 Nr. 6 LPG insoweit mit der Beschränkung der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie eng verbunden, als er im Zusammenhang mit dem gesamten Regelungskomplex zur Verwirklichung des Bebauungsplans die Art und den Umfang der Enteignung der Bebauungsanlagen feststelle. Im Hinblick auf das Gemeinwohlerfordernis, das die Enteignung voraussetze, sei je nach Art der Sportanlage zu differenzieren. Zum Teil seien sie entweder der Allgemeinheit unbegrenzt zugänglich, zum Teil würden sie nur für eine begrenzte Zahl der Mitglieder zur Verfügung gestellt. Andere würden unabhängig von ihren Benutzungskosten an sich zu Gemeinwohlzwecken eingerichtet.
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Um in einer Rechtsverordnung zur Bestimmung der Art und des Umfangs der als Bebauungsanlagen angesehenen Sportanlagen zu ermächtigen, ergebe sich die Notwendigkeit, diese auf gemeinwohlverträgliche Sportanlagen zu beschränken. Darin unterschieden sich die Sportanlagen von denjenigen Bebauungsanlagen wie Wasser-, Strom- und Gasversorgungsanlagen, die ihrem natürlichen Charakter nach als gemeinwohlgeeignet erachtet würden. Der infrage stehende § 2 Nr. 6 LPG ermächtige den Staatspräsidenten umfassend und weitgehend, eine Rechtsverordnung zu erlassen, ohne dass der Gesetzgeber die Art und den Umfang der Sportanlagen selbst bestimme. Demzufolge verletze § 2 Nr. 6 LPG Art. 75 K-VG, der unbeschränkte Ermächtigungen zu Rechtsverordnungen verbiete, die unter dem Rang der formellen Gesetze stehen. § 2 Nr. 6 LPG sei daher verfassungswidrig. Im Gegensatz dazu würde die Regelung des LPG, welche die Enteignung zugunsten privater Golfanlagen als Bebauungsanlagen zulasse, für verfassungskonform gehalten. Denn sie entspreche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Als legitimen Gesetzeszweck erfülle der Bebauungsplan die Enteignungsvoraussetzungen. Zudem diene die Enteignungsregelung im LPG dem Vollzug des Bebauungsplans. Unter bestimmten Bedingungen komme den privaten Vorhabenträgern bzw. Unternehmen eine Enteignungskompetenz zu. Daher stelle die Enteignungsregelung ein geeignetes Instrument zur Verwirklichung des Enteignungszwecks dar. Anderenfalls bestehe insofern das Risiko, dass der Vollzug des Bebauungsplans von der Zustimmung der Enteignungsgegner abhängig sei und er sich gegebenenfalls verzögere oder vollständig vereitelt werde. Im Hinblick darauf, dass die Enteignung rechtmäßig nach dem Verfahren des LPG zustande gekommen sei, eine angemessene Entschädigung vorliege und vor allem dem Enteigneten der Verwaltungsrechtsweg offen stehe, verstieße die Enteignungsregelung nicht gegen den Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs. Im Übrigen stünden die aus der Enteignung erfolgten öffentlichen Belange nicht außer Verhältnis zu den davon betroffenen privaten Interessen. Daher fehle bei der Enteignungsregelung weder die Voraussetzung des Gemeinwohlerfordernisses nach Art. 23 Abs. 3 K-VG noch verletze sie das Verhältnismäßigkeitsprinzip und die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie. 3. Die abweichende Meinung In diesem Urteil vertraten zwei Richter Gegenauffassungen. Nach dem Sondervotum des Richters Kim wird der öffentliche Belang nicht gewährleistet, wenn nicht der öffentlichen Hand, sondern dem Privaten die Enteignungskompetenz zugerechnet wird. Denn bei Privaten stehe die Verfolgung der Privatnützigkeit im Vordergrund.13 Die Enteignung zugunsten privater Unternehmen könne nur dann 13 Vgl. In Ho Lee, Zur Verfassungswidrigkeit von einer sog. ‚a reverse Robin Hood fashion‘ Enteignung, – Die Auslegung des Gemeinwohlerfordernisses nach Art. 23 Abs. 3 der koreanischen Verfassung –, Verfassungspraxisforschung. Bd. 10, Bakyoung Verlag 2010, S. 537.
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gerechtfertigt werden, wenn das Gemeinwohlerfordernis nachhaltig gewährleistet werde und die aus der Enteignung resultierenden wirtschaftlichen Vorteile dem Gemeinwesen gemeinnützig zukommen. Im Grunde genommen hat dieser Richter die Enteignungsregelung zugunsten Privater als institutionell skeptisch betrachtet und nur ausnahmsweise ihre Verfassungsmäßigkeit gebilligt.14 Richter Cho hat in seinem Sondervotum das Zulässigkeitskriterium der Enteignung zugunsten privater Golfanlagen aus der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs übernommen. Nach seiner Auffassung erfüllt die private Golfanlage nicht das verfassungsrechtliche Gemeinwohlerfordernis. Die Enteignungsregelung sei deshalb verfassungswidrig, weil die Anlage nicht der Allgemeinheit, sondern im Prinzip nur ihren Mitgliedern und deren Begleitung zugänglich sei. Dagegen vertrat er die Meinung, dass § 2 Nr. 6 LPG zwar an sich nicht verfassungswidrig sei, jedoch eine Enteignung nur bei bestimmten, gemeinwohlverträglichen Sportanlagen rechtmäßig sein könne. 4. Das Urteil des Verfassungsgerichts vom 30. Oktober 2014 In diesem Fall hat sich das Verfassungsgericht mit der Enteignungsproblematik anlässlich einer luxuriösen privaten Golfanlage befasst und die Enteignungsregelung für verfassungswidrig erklärt. Hierbei handelte es sich nicht um die Enteignungsregelung nach dem LPG, sondern um die Enteignung nach dem Gesetz zur regional gleichmäßigen Entwicklung (gleichmäßiges Entwicklungsgesetz; „GEG“). Dies regelt jedoch gesetzestechnisch auch den Bebauungsplan nach dem LPG. Nach der Auffassung des Verfassungsgerichts werde das Gemeinwohlerfordernis nach Art. 23 Abs. 3 K-VG als notwendig erachtet, um eine zwangsweise Entziehung des Eigentums gegen den Willen des Eigentümers zu rechtfertigen. In diesem Sinne gliedere sich das Gemeinwohlerfordernis in zwei Begriffskomponenten, also einerseits die Öffentlichkeit, andererseits die Erforderlichkeit. Der Begriff der Öffentlichkeit werde nach den jeweiligen Kriterien ausgelegt. Diese seien u. a. der Zweck und der Inhalt der betroffenen Anlage, vor allem aber die allgemeine Zugänglichkeit. Der Begriff der Erforderlichkeit binde die Rechtmäßigkeit einer Enteignung an erhebliche Belange, die den Eingriff in das private Eigentum rechtfertigten und nicht außer Verhältnis zu dem verletzten privaten Interesse stünden. Die infrage stehende luxuriöse Golfanlage diene weder dem Gesetzeszweck noch sei sie dazu bestimmt, die öffentlichen Belange durch Allgemeinzugänglichkeit zu verwirklichen. Der Betrieb der luxuriösen Golfanlage fördere lediglich indirekte öffentliche Belange, wie Erhöhung der Steuereinnahmen sowie die regionale Entwicklung. Diese würden aber nicht schwerer wiegen als die durch die Enteignung bedingte Verletzung privater Interessen. Sie genügten also nicht, die Entziehung des privaten Eigentums zu rechtfertigen. Demzufolge verstieße die Enteignungsregelung zugunsten privater luxuriöser Golfanlagen nach dem GEG gegen Art. 23 Abs. 3 K-VG. 14
Auch kritisch Sun Young Lee, Juristenzeitung vom 17. November 2011.
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Zu der Entscheidung gaben drei Richter abweichende Sondervoten ab. Demnach sei die Enteignungsregelung zugunsten privater luxuriöser Golfanlagen nach dem GEG nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichts verfassungsmäßig und entspreche dem verfassungsrechtlichen Gemeinwohlerfordernis.
V. Schlussfolgerung – Kritische Bemerkung und rechtspolitische Aufgabe An dieser Stelle stellt sich zuletzt die Frage, ob nach dem Urteil des Verfassungsgerichts vom 30. Juni 2011 und der daran anschließenden Änderung des § 2 Nr. 6 LPG vom 18. Dezember 2012 die allgemeinen Gerichte die inhaltliche Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans ohne weitere verfassungsrechtliche Fragestellungen prüfen können. Es fragt sich auch, ob im Übrigen die jetzige Rechtslage im Einklang mit dem Bestimmtheitsgebot für die Betroffenen hinreichend berechenbar und voraussehbar ist. Nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts wurden die Sportanlagen, die im LPG als Enteignungsanlagen geregelt sind, zwar begrifflich näher konkretisiert. Es schweigt sich jedoch dazu aus, was eigentlich begrifflich unter ‚luxuriösen’ Sportanlagen zu verstehen ist. Bei der Gesetzesänderung hat sich der Gesetzgeber lediglich damit begnügt, in § 2 Nr. 6 LPG vor dem Begriff der Sportanlagen das Adjektiv „gemeinwohlverträglich“ zu setzen. Mit anderen Worten werden die Art und der Umfang der Sportanlagen, die auch Enteignungen zugunsten privater Golfanlagen erlauben, in der Rechtsverordnung des Land- und Verkehrsministers (Rechtsverordnung für die Errichtungsrichtlinie und Strukturen der Bebauungsanlagen) geregelt. Merkwürdigerweise bestimmt diese Rechtsverordnung die Art und den Umfang der Sportanlagen aber selbst nicht und überlässt es dem Sportanlagengesetz. Dies ermächtigt wiederum den Staatspräsidenten, durch Rechtsverordnung die Art und den Umfang der Sportanlagen zu konkretisieren. Durch dieses Regelungslabyrinth von Gesetzen und Rechtsverordnungen sind für die Eigentümer Enteignungen nicht ausreichend vorherseh- und berechenbar. Dadurch werden das Bestimmtheitsgebot und das Rechtsstaatsprinzip verletzt. Damit stellt sich auch weiterhin das Problem einer zu weit gefassten Ermächtigung, die das Verfassungsgericht wegen Verletzung des Art. 75 K-VG mit der Verfassung als unvereinbar erklärt hatte. Dies widerspricht auch der Wesentlichkeitstheorie. Hierbei geht es nicht bloß um die Begriffsregelung der Sportanlagen an sich, sondern um die gesetzliche Grundlage zur Enteignung der Bebauungsanlagen, zu denen auch Sportanlagen zählen können. Rechtspolitisch hat der Gesetzgeber die Art und den Umfang der Sportanlagen im LPG selbst zu regeln, das dafür unter hinreichend bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen auch Enteignungen zugunsten Privater erlauben kann. Ein weiteres Problem liegt in der materiellrechtlichen und inhaltlichen Auslegung des § 2 Nr. 6 LPG. Zwar hat der Gesetzgeber bei der Gesetzesänderung den Terminus „gemeinwohlverträglich“ hinzugefügt und der Oberste Gerichtshof
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durch seine drei Entscheidungen im Jahre 2013 ein Abgrenzungskriterium zur Bestimmung der Gemeinwohlverfolgung durch eine Golfanlage entwickelt. Dennoch bleibt die Frage zu klären, was unter dem Begriff der gemeinwohlverträglichen Golfanlagen zu verstehen ist. In der Tat besteht stets die Möglichkeit, dass der einzelne rechtsanwendende Richter an der Gemeinwohlverträglichkeit einer privaten Golfanlage Zweifel hat und bei der inhaltlichen Prüfung des Bebauungsplans nicht von seiner Rechtmäßigkeit überzeugt ist. Dann könnte er entweder einen Antrag beim Verfassungsgericht stellen und nach dessen Entscheidung urteilen. Oder er könnte notwendigerweise den verfassungsrechtlichen Begriff des Gemeinwohls eigenständig auslegen. Mit anderen Worten mutiert in diesem Fall die allgemeine Gerichtsbarkeit im Hinblick auf die Auslegung des § 2 Nr. 6 LPG zur Verfassungsgerichtsbarkeit, die sich hauptsächlich mit dem Begriff des Gemeinwohlerfordernisses zu befassen hat. Damit überlagern sich die allgemeine Gerichtsbarkeit und die Verfassungsgerichtsbarkeit. Das hängt damit zusammen, dass das LPG keine Regelung zu den allgemeinzugänglichen oder luxuriösen Golfanlagen enthält. Daher hat sich die allgemeine Gerichtsbarkeit ständig mit der Zulässigkeit der Enteignung zugunsten Privater und mit der Frage der inhaltlichen Prüfung der im Bebauungsplan enthaltenen Golfanlage zu befassen und zu klären, ob diese dem Gemeinwohlerfordernis entspricht.15 Dies könnte die Zuständigkeit der allgemeinen Gerichte nach Art. 107 Abs. 1 K-VG verletzen, der die Auslegung der unter der Verfassung stehenden Gesetze, Rechtsverordnungen und Verwaltungsakte ausschließlich den allgemeinen Gerichten vorbehält. Rechtspolitisch wäre es erwünscht, die Unterscheidungskriterien des Obersten Gerichtshofs im LPG unmittelbar gesetzlich zu verankern.
15 In der abweichenden Meinung des Urteils des Verfassungsgerichts vom 30. Juni 2011 hat Richter Cho ausgeführt, dass nur bestimmten Sportanlagen, die zum Gemeinwohl geeignet seien, als Bebauungsanlagen angesehen würden. Daran ändert nichts, dass § 2 Nr. 6 LPG gesetzlich ohne Weiteres die Sportanlagen als Bebauungsanlagen geregelt habe. Demnach hat er den Bebauungsplan als inhaltlich rechtswidrig angesehen und betont, dass das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bebauungsplans der Behörde zu revidieren habe.
Fehlerfolgen und Grundsatz der Planerhaltung im Bauplanungsrecht Von Namchul Chung Namchul Chung
I. Einleitung Bei der Planung und dem Bau von Großprojekten wie z.B. Flughäfen, Abfalldeponien, Eisenbahn und Fernstraßen sowie sonstigen Planvorhaben werden die Rechtsfolgen fehlerhafter Planung immer bedeutsamer. In der Bundesrepublik Deutschland ist wegen der hohen Fehleranfälligkeit von Plänen, insbesondere von Bebauungsplänen, eine Begrenzung der Fehlerfolgen durch ein ergänzendes Verfahren und eine Planergänzung nicht nur in der Bauleitplanung, sondern auch in der Planfeststellung geschaffen worden. Bei der Novellierung des deutschen Baugesetzbuchs 1997 wurde der „Grundsatz der Planerhaltung“ neu eingeführt.1 Fehler, die zwar nicht nach den §§ 214 und 215 BauGB unbeachtlich sind, können seitdem durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden, sodass sie nicht zur Nichtigkeit des Planes führen. Durch das am 20.7.2004 in Kraft getretene Europarechtsanpassungsgesetz Bau (EAG Bau) 2004 wurde § 215a BauGB gestrichen und das ergänzende Verfahren in modifizierter Form in § 214 Abs. 4 BauGB geregelt.2 Nach § 214 Abs. 4 BauGB können Bauleitpläne nunmehr durch ein ergänzendes Verfahren zur Behebung von Fehlern rückwirkend in Kraft gesetzt werden. Des Weiteren wird bei Verfahrens- und Formfehlern die gerichtliche Aufhebbarkeit von Planfeststellungsbeschlüssen beschränkt.3 Verfahrens- und Formfehler führen gemäß § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG nur zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, soweit sie durch ein Verfahren oder eine Planergänzung nicht behoben werden können. Der Grundsatz der Planerhaltung ist bislang in der koreanischen Rechtsprechung und Literatur noch relativ unbekannt. Dies liegt nicht zuletzt auch daran, dass der Grundsatz im koreanischen Städtebaugesetz nicht ausdrücklich normiert ist. Trotzdem erscheint es wichtig, sich mit diesem Grundsatz zu beschäftigen. Denn im koreanischen Recht haben die Verfahrensvorschriften eine große Bedeutung, da alle Verwaltungsvorschriften nach h. M. auf dem Rechtsstaatsprin1 Die vom Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Anfang 1995 eingesetzte Kommission zur Novellierung des Baugesetzbuchs hat den Gedanke der Plan erhaltung und die Einführung eines ergänzenden Verfahrens vorgeschlagen. Vgl. Hoppe, Der Grundsatz der Planerhaltung als Struktur- und Abwägungsprinzip, DVBl. 1996, S. 12. 2 Thomas Schröer, Die BauGB-Novellen im Spiegel der Zeit, NZBau 2009, S. 593 ff. 3 Jarass, Aktuelle Probleme des Planfeststellungsrechts, DVBl. 1997, S. 759 ff. (800 f.).
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zip, dem Demokratieprinzip und nicht zuletzt auf due process (Art. 12 Abs. 1 koreanische Verfassung) beruhen. Des Weiteren kann der Grundsatz eine wichtige Rolle unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie spielen. Eine weitergehende Auseinandersetzung erscheint daher zwingend. Ich selber schrieb diesbezüglich schon im Jahr 2003 in der Festschrift für Prof. Dr. Seok, Jong-Hyun zum 60. Geburtstag einen Aufsatz zum Thema „Grundsatz der Planerhaltung.“ Damals stieß das Thema in der koreanischen Literatur und Rechtsprechung auf wenig Interesse. Umso erfreuter war ich über den Vortrag von Prof. Dr. Ralf P. Schenke mit dem Thema „Fehlerfolgen und Grundsatz der Planungserhaltung im Bauplanungsrecht“, den er am 7. koreanisch-deutschen Symposium in Korea hielt. Im Folgenden möchte ich, um die wissenschaftliche Auseinandersetzung zu fördern, vornehmlich Fehlerfolgen und Nichtigkeitsdogma im koreanischen Bauplanungsrecht mit dem deutschen Recht vergleichen.
II. Rechtsfolgen fehlerhafter Planung nach dem koreanischen Recht 1. Ausgangspunkte für Fehlerfolgen im koreanischen Bauplanungsrecht In Korea werden Bebauungspläne durch die Gemeinde als Satzung erlassen. Anders als im deutschen Recht kommt ihnen aber nur wenig Bedeutung im koreanischen Planungssystem zu. Viel wesentlicher ist die sogenannte verbindliche Stadtplanung, die in der Regel als Verwaltungsakt oder Allgemeinverfügung erlassen wird. Diese kann der koreanischen Rechtsprechung zur Folge auch dann nichtig oder anfechtbar sein, wenn sie nur wegen Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften formell rechtswidrig ist. Eine gerichtliche Überprüfung von auf untergesetzlichen Normen basierenden Verwaltungsakten, wie sie die verbindliche Stadtplanung darstellt, kann unter anderem inzident im Rahmen der von Art. 107 Abs. 2 KV garantierten konkreten Normenkontrolle erfolgen.4 Eine prinzipale Normenkontrolle von Bebauungsplänen ist jedoch nicht vorgesehen. Dementsprechend können Satzungen in Korea grundsätzlich nur inzident überprüft werden. Unter bestimmten Voraussetzungen ist aber eine Verfassungsbeschwerde nach § 68 des koreanischen Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof (KVerfGG) auch gegen Bebauungspläne denkbar. Des Weiteren kommt noch eine Organklage nach § 172 Abs. 3 des koreanischen kommunalen Selbstverwaltungsgesetzes in Betracht. Die gemeindliche Planungshoheit ist im koreanischen Städtebaugesetz nicht vollständig gewährleistet. So ist das Institut der Planfeststellung als „Prototyp der 4 The Constitution of the Republic of Korea. Article 107 (2) The Supreme Court shall have the power to make a final review of the constitutionality or legality of administrative decrees, regulations or actions, when their constitutionality or legality is at issue in a trial.
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Fachplanung“5 im koreanischen Verwaltungsverfahrensgesetz nicht vorgesehen. Das koreanische Bauplanungsrecht misst der verbindlichen Stadtplanung eine wesentliche Bedeutung bei. Bereits seit den achtziger Jahren sind die Besonderheit der Planungsnormen und die Abwägungsdogmatik in der Literatur anerkannt. Beides wurde stark vom deutschen Recht beeinflusst. In den neunziger Jahren hat der Koreanische Oberste Gerichtshof (KOGH) den Begriff der „(planerischen) Gestaltungsfreiheiten“ sogar ausdrücklich aufgegriffen.6 Zudem werden Verfahrensfehler in der koreanischen Rechtsprechung relativ strikt geprüft, sodass auch ein nur verfahrensfehlerhafter Verwaltungsakt nichtig sein kann. 2. Das Nichtigkeitsdogma und die gerichtliche Kontrolle der Pläne Die Fehlerfolgenbegrenzung basiert vor allem auf dem Rechtsgedanken der Erhaltung eines fehlerhaften Rechtsaktes. Nach deutschem Recht sind fehlerhafte Bebauungspläne, also fehlerhafte Normen, ipso iure nichtig.7 Dieses Nichtigkeitsdogma gilt im Ausgangspunkt ebenso wie die Fehlerfolgenlehre im koreanischen Recht auch für die fehlerhafte verbindliche Stadtplanung. Große Teile der Literatur sowie die koreanische Rechtsprechung vertreten hierbei die sogenannte Evidenztheorie. 8 Danach ist die verbindliche Stadtplanung in Gestalt eines Verwaltungsaktes nichtig, sofern sie offenkundig und schwerwiegend rechtswidrig ist. In jüngster Zeit wird jedoch auch die Meinung vertreten, dass ein offenkundig rechtswidriger Verwaltungsakt nur unter bestimmten Voraussetzungen zur Nichtigkeit führen kann.9 Nach dieser Auffassung ist die Offensichtlichkeit des Fehlers ausnahmsweise unbeachtlich, wenn sich der Betroffene nicht auf Vertrauensschutz oder Drittschutz berufen kann. Einen Katalog absoluter Nichtigkeitsgründe, wie ihn § 44 Abs. 2 VwVfG formuliert, enthält das koreanische Verwaltungsverfahrensgesetz nicht. Vielmehr hängt die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes von der Interpretation der einzelnen Umstände durch die Rechtsprechung ab. Ferner ist eine Umdeutung in einen anderen, rechtmäßigen Verwaltungsakt möglich. Die fehlerhaften Bebauungspläne von Gemeinden sind auch in Korea von Anfang an nichtig. Nach der koreanischen Rechtsprechung können Fehler von Bebauungsplänen grundsätzlich nur inzident nachgeprüft werden. Entsprechende Satzungen können nur ausnahmsweise durch eine Anfechtungsklage aufgehoben werden.10 Dies wird von Teilen der koreanischen Literatur kritisiert. Wobei sich die Kritik vor allem auf die Einschränkung der Klageart im koreanischen Verwaltungsprozessrecht Kühling, Fachplanung, 1988, Rn. 305. KOGH, Urt. vom 29.11.1996 – 96Nu8567 –. Damals übersah der Koreanische Oberste Gerichtshof, dass sich das Planungsermessen von dem Rechtsfolgeermessen unterscheidet. 7 Hoppe, DVBl. 1996, S. 13. 8 KOGH, Urt. v. 24.9.2009 – 2009Du2825 –; KOGH, Urt. v. 15.10.2004 – 2002Da68485 –. 9 Vgl. KOGH, Urt. v. 12.2 2009 – 2008Du11716 –. 10 KOGH, Urt. 20.9.1996– 95Nu8003 –. 5
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bezieht. Besonders deutlich wurde das bei einem Symposium zum Änderungsgesetz des koreanischen Verwaltungsprozessgesetzes des Koreanischen Obersten Gerichtshofs 2004, in dem die Möglichkeiten der Verwaltungsgerichtsbarkeit, untergesetzliche Normen wie insbesondere Rechtsverordnungen zu überprüfen, heftig diskutiert wurden. In der koreanischen Lehre wird teilweise vertreten, dass fehlerhafte Rechtsverordnungen auch durch eine Anfechtungsklage und nicht nur durch ein Normenkontrollverfahren angreifbar sein sollten. Diese Auffassungen wurden aber von der h. M. heftig abgelehnt, was schließlich zum Scheitern des Entwurfs zum Änderungsgesetz des Verwaltungsprozessgesetzes führte. Da in Art. 107 Abs. 2 KV nur die konkrete Normenkontrolle gewährleistet ist, bedarf es der Änderung der koreanischen Verfassung, um das Problem zu lösen. 3. Das Abwägungsgebot als materiell-rechtliche Vorgabe und Fehler im Abwägungsvorgang In der koreanischen Rechtsprechung ist das Abwägungsgebot als materielle Vorgabe in der Dogmatik der Planungsnormen anerkannt. In der deutschen Rechtsprechung wird nach der sogenannten Abwägungsfehlerlehre zwischen Abwägungsausfall, Abwägungsdefizit, Abwägungsfehlgewichtung sowie Abwägungsdisproportionalität unterschieden. Die koreanische Rechtsprechung unterscheidet Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis hingegen nicht voneinander.11 Im ersten Urteil des Koreanischen Obersten Gerichtshofs zu diesen Fragen wurde folgerichtig nicht zwischen Planungsermessen und Rechtsfolgenermessen differenziert.12 Diese Auffassung wurde durch das Urteil des Koreanischen Obersten Gerichtshofs vom 9.8.2006 aber mittlerweile modifiziert.13 Nach dem EAG Bau 2004 trat eine wesentliche Änderung des deutschen Baugesetzbuchs in Kraft. Abwägungsausfall, Abwägungsdefizit sowie Abwägungsfehlgewichtung werden „durch europarechtliche Vorgaben zu den verfahrensbezogenen Elementen“ und seither nicht länger als materiell-rechtliche Fehler, sondern
11
KOGH, Urt. v. 24. 4. 1998 – 97Nu1501 -; KOGH, Urt. 10. 3. 2005 – 2002Du5474 –. In jüngerer Zeit wurde in Deutschland der Begriff des sog. „Regulierungsermessens“ bezüglich administrativer Letztentscheidung neu geschaffen. Das deutsche Bundesverwaltungsgericht hat ihn erstmals auf dem Gebiet der Telekommunikation verwendet (BVerwGE 120, 263 (265); K. F. Gärditz, „Regulierungsermessen“ und verwaltungsgerichtliche Kon trolle, NVwZ 2009, S. 1005; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl., § 7 Rn. 63). Das Regulierungsermessen wird in der Regel anerkannt, wenn in Bezug auf das Erreichen der Regulierungsziele der Behörde eine umfassender Gestaltungsspielraum zusteht (A. Lippert, ZUR 2013, S. 205 f.). Es bezieht sich im Rahmen einer komplexen Normstruktur auf „Spielräume, die auf Tatbestands- und Rechtsfolgenseite einschlägiger Normen untrennbar miteinander verknüpft sind (Sachs/Jasper, Regulierungsermessen und Beurteilungsspielräume, NVwZ 2012, S. 649). Umstritten ist, ob man das Regulierungsermessen für die Planungsentscheidung bei großen Projekten anwenden kann (vgl. Lippert, a.a.O., S. 206). 13 KOGH, Urt. v. 8. 9. 2006 –2003Du5426 –. 12
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als Verfahrensfehler gewertet.14 Dementsprechend stellt die fehlerhafte Ermittlung und Bewertung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange gemäß § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB nunmehr eine Verletzung der Verfahrens- und Formvorschriften dar.15 Derartige Fehler sind danach nur beachtlich, sofern entgegen § 2 Abs. 3 BauGB die von der Planung berührten Belange in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt oder bewertet wurden. Gemäß § 214 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 BauGB können sie nicht mehr als Mängel der Abwägung geltend gemacht werden. Darüber hinaus sind Mängel im Abwägungsvorgang nach § 214 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB beachtlich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind, können dann aber noch durch das ergänzende Verfahren behoben werden.16 Der Begriff des Verwaltungsverfahrens ist zwar in der deutschen Lehre noch umstritten,17 sodass der Legaldefinition des § 9 VwVfG nur beschränkte Bedeutung zukommt. Grundsätzlich kann jedoch jede auf den Erlass einer Entscheidung, den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages wie auch auf den Erlass von Administrativnormen, wie z.B. Rechtsverordnungen oder Satzungen, gerichtete Tätigkeit der Verwaltungsbehörde als Verwaltungsverfahren im weiteren Sinne erfasst werden.18 Obwohl der Begriff des Verwaltungsverfahrens nach § 9 VwVfG in verengter Bedeutung verwendet wird, ist das Erfordernis einer Außenwirkung aber sinnvoll. Damit sollen alle verwaltungsinternen Vorgänge ausgeschlossen werden. Nicht zuletzt beziehen sich die Verfahrensfehler eng auf die Rechtswidrigkeit des Verfahrensergebnisses. Aus meiner Sicht unterscheidet sich der Abwägungsvorgang von dem „Verwaltungsverfahren“, das auf Rechtsakte der Verwaltungsbehörde gerichtet ist. Als Verfahrensfehler werden Verstöße gegen Rechtsvorschriften wie z.B. der Bürgerbeteiligung und dem Anhörungsrecht erfasst. Denkbar sind weiter Verstöße gegen Zuständigkeits- und Formvorschriften. Die Fehler im Abwägungsvorgang können hingegen nicht als derartige Verfahrensfehler eingeordnet werden. Zweifelhaft ist ferner, ob die fehlerhafte Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials als ein eigenständiger Verfahrensfehler im Bau- und Planungsrecht erfasst werden kann. Diesbezüglich wird in der deutschen Lehre teilweise kritisiert, dass der Abwägungsvorgang nicht als „Verfahren“ behandelt werden kann19 und dass der deutsche Gesetzgeber „den unverrückbar inhaltlichen Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr (Hrsg.), BauGB, 11. Aufl., § 214 Rn. 4. Ursula Steinkemper, Die Änderungen des BauGB durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau (EAG Bau) im Überblick, NZBau 2004, S. 495 ff. 16 Battis, Öffentliches Baurecht und Raumordnungsrecht, 5. Aufl., S. 103. 17 Sachs, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrecht, Band II, § 31 Rn. 13 ff. 18 Sachs, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), a.a.O., § 31 Rn. 20 ff. 19 Erbguth, Die Rechtsmäßigkeit von Bauleitpläne: Neuregelungen durch das EAG Bau, Jura 2006, S. 9 ff. (13 f.). 14
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Charakter der Ermittlung und Bewertung“ übersehen hat.20 Die neuen Regelungen des BauGB werfen demnach schwierige Rechtsfragen auf. Auf den ersten Blick erscheint auch die Abgrenzung des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 von der Regelung des § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB nicht unproblematisch. Dabei kommt es darauf an, inwieweit diese Neuerungen vom Europarecht beeinflusst werden und ob das Europarecht die deutsche Abwägungsdogmatik fundamental verändern kann. Auch wenn die europarechtlich begründeten Verfahrensanforderungen für das deutsche Bauplanungsrecht akzeptiert sind, hängt die Entwicklung der Abwägungsdogmatik letztlich von der deutschen Judikatur ab.21 4. Verfahrensfehler und ihre Heilung im koreanischen Bauplanungsrecht Auch in der koreanischen Literatur und Rechtsprechung kann ein verfahrensfehlerhafter Verwaltungsakt geheilt werden. Während die Nachholung in Deutschland aber zeitlich bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz zulässig ist, ist sie in Korea nur bis vor Erhebung einer Anfechtungsklage oder, sofern durchgeführt, bis vor Beginn des Vorverfahrens bzw. Widerspruchverfahrens zulässig. In Korea wird die Heilung des Verfahrensfehlers folglich zeitlich sehr beschränkt. Nach h. M. in der koreanischen Lehre und Rechtsprechung kann ein nichtiger Verwaltungsakt allerdings nicht geheilt werden, auch wenn er lediglich wegen Verfahrensfehlern formell rechtswidrig ist. Im Hinblick darauf kommt es außerdem auf die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) an. Dabei ist in Korea problematisch, welche Folgerungen aus Verstößen gegen die UVP-Pflicht abgeleitet werden können. Der Koreanische Oberste Gerichtshof hat nicht zuletzt im sog. Saemankeum-Fall22 eindeutig entschieden, dass eine Planungsentscheidung im städtebaulichen Planungsverfahren nur dann rechtswidrig ist, wenn die UVP bei einem großen Infrastrukturvorhaben unterblieben ist. Wird die UVP hingegen lediglich nicht vollständig durchgeführt, so soll dies gerade nicht zur Rechtswidrigkeit der Planungsentscheidung führen, sondern sei nur in der planerischen Abwägung zu berücksichtigen. In Deutschland ist das UVP-Verfahren durch das Europarecht stark beeinflusst worden. Zwar war das UVP-Verfahren schon zuvor bei Großprojekten als selbstständiger Teil im Planfeststellungsverfahren eingeordnet worden, nunmehr wird ein Fehler im UVP-Verfahren allerdings als stets beachtlicher Verfahrensfehler behandelt.23 20 Erbguth, a.a.O., S. 14 f. Nach einer Auffassung können trotz der Neuregelung des § 214 Abs. 1 BauGB das materiell-rechtliche Verständnis der Ermittlung und Bewertung in der deutschen Rechtsprechung nicht ausgeschlossen werden (Stock, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), BauGB, § 214 Rn. 39b). 21 Erbguth, a.a.O., S. 15. 22 KOGH, Urt. v. 16. 3. 2006 – 2006Du330 -. Der Fall von Saemankeum als ein Großprojekt Polder wird als ein Meilenstein für öffentliche Nachbarklage im koreanischen Umweltrecht bezeichnet. 23 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl., § 72 Rn. 36.
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III. Der Grundsatz der Planerhaltung und seine Durchsetzbarkeit in Korea 1. Entwicklung des Grundsatzes der Planerhaltung in Deutschland Im deutschen Bauplanungsrecht hat sich der Grundsatz der Planerhaltung als ein eigenständiges Institut entwickelt. Der Grundgedanke der Planerhaltung ist von Horst Sendler geprägt und von Werner Hoppe dogmatisch weiterentwickelt worden.24 Nicht zuletzt hat Hoppe früher das Phänomen hoher Fehleranfälligkeit von Bebauungsplänen als „gerichtliche Jagd nach Fehlern“ bezeichnet.25 Auf der anderen Seite ist der Grundsatz der Planerhaltung jedoch aus rechtsstaatlicher Sicht scharf kritisiert worden. Im Hinblick auf den Grundrechtsschutz, der gerade durch das Verfahren und die gerichtliche Kontrolldichte gegenüber der Verwaltung gewährleistet werden soll, sind die Unbeachtlichkeits- und Heilungsvorschriften auf heftige Kritik gestoßen. Dem entgegnete Ronellenfitsch, dass sich der Grundsatz der Planerhaltung aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ableite. Es erscheine widersinnig, wegen eines Verstoßes, der auf das Ergebnis nicht von Einfluss ist, einen gefundenen Interessenausgleich wieder aufzuheben. Auch bei der Fachplanung komme es folglich nur auf das Abwägungsergebnis an.26 Zudem wurde vertreten, dass durch die gesetzlichen Regelungen zum Grundsatz der Planerhaltung den dogmatischen Grundlagen der Rechtmäßigkeit der Verwaltung und der gerichtlichen Kontrolle von Plänen bei der Bauleitplanung sowie der Planfeststellung die Grundlage entzogen werden könne.27 Nicht zuletzt hat Bartlsperger die skizzierten Änderungen im deutschen Bauplanungsrecht und im Fachplanungsrecht als „Krise des Planungsrechts“ bezeichnet.28 2. Durchsetzbarkeit des Gedankens der Planerhaltung im koreanischen Bauplanungsrecht a) Grundlagen Fraglich ist, ob der Grundsatz der Planerhaltung in das koreanische Städtebaugesetz eingeführt werden kann. Nach dem koreanischen Verwaltungsprozessgesetz sind Verletzungen von Verfahrens- und Formvorschriften bei der verbindlichen Stadtplanung in Form eines Verwaltungsakts vornehmlich durch eine Anfechtungsklage oder eine Feststellungsklage auf Nichtigkeit angreifbar. Die Form- und Verfahrensfehler eines Bebauungsplanes können im Rahmen einer Anfechtung 24 Sendler, Plan- und Normerhaltung vor Gericht, in: Erbguth/Oebbecke/Rengeling/ Schulte (Hrsg.), Planung, FS Für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000, S. 1011 ff.; Gaentzsch, a.a.O., S. 201. 25 Hoppe, DVBl. 1996, S. 13. 26 Ronellenfitsch, Rechtsfolgen fehlerhafter Planung, NVwZ 1999, S. 583 ff. (589). 27 Bartlsperger, Planungsrechtliche Optimierungsgebote, DVBl. 1996, S. 1 ff. 28 Bartlsperger, a.a.O., S. 1.
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eines auf den Bebauungsplan gestützten Verwaltungsaktes inzident überprüft werden. Zwar werden Bebauungspläne von den Gemeinden beschlossen, anders als im deutschen Recht ist die sogenannte kommunale Planungshoheit allerdings nicht vollständig gewährleistet. Auch ist im koreanischen Verwaltungsprozessgesetz keine prinzipale Normenkontrolle gegen Bebauungspläne vorgesehen. Obwohl in der koreanischen Literatur und Rechtsprechung die Bestandskraft einer verbindlichen Stadtplanung gewährleistet wird, werden Verletzungen der Verfahrens- und Formvorschriften relativ strikt gerichtlich nachgeprüft. Deshalb kann die verbindliche Stadtplanung auch in Korea für Verfahrens- und Formfehler anfällig sein. b) Erforderlichkeit des ergänzenden Verfahrens im koreanischen Bauplanungsrecht Die Fehleranfälligkeit der verbindlichen Stadtplanung im koreanischen Bauplanungsrecht ist nicht geringer als im deutschen Bauplanungsrecht. Verfahrens- und Formfehler können im koreanischen Städtebaugesetz auch bei der verbindlichen Stadtplanung zur Nichtigkeit führen. Insbesondere bei Großprojekten, wie beispielsweise Infrastrukturvorhaben, erscheint das nicht unproblematisch. Die Anfechtungsklage nach § 23 des koreanischen Verwaltungsprozessgesetzes hat, anders als in der deutschen VwGO, grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Ein Großprojekt kann sich aber manchmal verzögern, wenn eine aufschiebende Wirkung ausnahmsweise anerkannt wird. Ferner kann die Verletzung der sachlichen Zuständigkeit oder von Verfahrensvorschriften, wie der Öffentlichen Bekanntgabe und der Bürgerbeteiligung, eine Planungsentscheidung auch bei Großprojekten nichtig werden lassen. Das koreanische Verwaltungsverfahrensgesetz sieht keine Unbeachtlichkeits- und Heilungsvorschriften vor. Die Heilung von Verfahrensund Formfehlern hängt in der Regel von der einzelnen Entscheidung eines Gerichts ab. Dabei ist die Heilung der Verfahrensfehler in Korea zeitlich sehr eingeschränkt. Wie oben erwähnt, können sie nur bis vor Erhebung der Anfechtungsklage bzw. vor dem Vorverfahren geheilt werden. Das kann die Bestandskraft der verbindlichen Stadtplanung erheblich bedrohen. Die Erforderlichkeit eines ergänzenden Verfahrens sollte daher aus meiner Sicht auch im koreanischen Bauplanungsrecht anerkannt werden. Wünschenswert wären insoweit Regelungen über Umfang und Voraussetzungen von Unbeachtlichkeits- und Heilungsvorschriften.
IV. Zusammenfassung Der Grundsatz der Planerhaltung hat sich als ein eigenständiges Institut im deutschen Bauplanungsrecht entwickelt. Unsicher ist jedoch, ob sich dieser Grundsatz in anderen europäischen Ländern wiederfindet. Wie oben erwähnt, ist der Grundsatz der Planerhaltung nicht zuletzt von Sendler und Hoppe entwickelt und auch seitens der deutschen Rechtsprechung unterstützt worden. Von anderen Meinungen wurde er unter dem Aspekt des Rechtsstaatsprinzips heftig kritisiert. In jüngster Zeit ist der Grundsatz auch unionsrechtlichen Einwänden ausgesetzt. Das
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Abwägungsgebot, das früher als materiell-rechtliche Vorgabe anerkannt worden ist, wird heutzutage auch vom Europarecht stark herausgefordert. Das deutsche Baugesetzbuch wurde schon durch das EAG 2004 wesentlich verändert. Mängel im „Abwägungsvorgang“ werden seitdem als verfahrensrechtliche Elemente und nicht mehr als materiell-rechtliche verstanden. Das erscheint aus ostasiatischer Sicht als widersprüchlich. Denn die wesentlichen Änderungen im deutschen Baugesetzbuch haben keine verfahrensrechtlichen Kontrollen verstärkt, sondern vielmehr große Heilungsmöglichkeiten fehlerhafter Ermittlung und Bewertung mit sich gebracht, indem die Mängel im Abwägungsvorgang nunmehr als Verfahrensfehler geregelt werden. Insgesamt scheint es aufgrund des Vertrauensschutzes der Begünstigten, des Grundsatzes des Rechtsfriedens sowie der Rechtssicherheit möglich, den Grundsatz der Planerhaltung in das koreanische Bau- und Planungsrecht einzuführen. Diesbezüglich bleibt zu klären, ob und inwieweit der koreanische Gesetzgeber künftig die Unbeachtlichkeit von Verfahrens- und Formfehlern, die durch das ergänzende Verfahren behoben werden können, eindeutig im koreanischen Städtebaugesetz vorsehen kann. Zu beachten ist dabei, dass die gerichtliche Kontrolldichte nicht wesentlich reduziert werden sollte.
Lärmschutzplanung, veranschaulicht am Beispiel der Stadt Mainz Von Hans-Werner Laubinger Hans-Werner Laubinger
I. Zur Einführung Lärm ist eine der großen Plagen der heutigen Zeit. Ein beträchtlicher Teil der deutschen Bevölkerung leidet unter der Belästigung durch Lärm, insbesondere durch den Verkehrslärm, der durch den Straßen-, den Schienen- oder den Luftverkehr verursacht wird. In Korea wird es nicht viel anders sein. Die Belästigung durch Lärm ist allerdings kein ganz neuartiges Phänomen. Im Jahre 50 v. Chr. soll Julius Cäsar ein Nachtfahrverbot für Kutschen erlassen haben. Die englische Königin Elisabeth I (1533 – 1603) untersagte angeblich im 16. Jh. durch Edikt handgreifliche und laute Ehestreitigkeiten nach 22 Uhr, um die ungestörte Nachtruhe ihrer Untertanen zu gewährleisten1. Und der in Frankfurt am Main lebende Philosoph Artur Schopenhauer (1788 – 1860) beklagte sich im XXX. Kapitel seiner „Kleinen philosophischen Schriften“2 über den „Lärm“ als „die impertinenteste aller Unterbrechungen, da er sogar unsere eigenen Gedanken unterbricht, ja, zerbricht“. Am meisten ärgerte ihn „das wahrhaft infernale Peitschenklatschen, in den hallenden Gassen der Städte“. Wir ersehen daraus, dass schon vor der Zeitenwende und vor 200 Jahren der Straßenlärm zu den Hauptquellen der Lärmbelästigung gehörte.
II. Naturwissenschaftliche Grundlagen des Lärmschutzes Aber was ist Lärm? Das Bundes-Immissionsschutzgesetz hat den Terminus vor Einführung der Lärmminderungsplanung vermieden. Auch noch heute taucht dieser Ausdruck fast ausschließlich im Zusammenhang mit der Lärmminderungsplanung in dem Gesetz auf 3. Stattdessen spricht das Bundes-Immissionsschutzgesetz
Schedler, Handbuch Umwelt, 3. Aufl., Renningen-Malmsheim 1991, S. 396. Arthur Schopenhauer, Parerga und Paralipomena II – Kleine philosophische Schriften, Kap. XXX, § 378, in: Haffmans-Ausgabe, Bd. V, Zürich 1988/91, S. 551 ff. 3 Daneben nur in § 66 Abs. 2, wonach die „Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm“ fortgilt. 1 2
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zumeist von „Geräuschen“4. Um Missverständnissen vorzubeugen, möchte ich ein paar Begriffe erläutern5. Alles, was wir mit unseren Ohren hören, ist – physikalisch ausgedrückt – Schall. Darunter versteht die Physik mechanische Schwingungen von festen, flüssigen oder gasförmigen Stoffen. Dementsprechend gibt es Körperschall, Flüssigkeitsschall und Luftschall. Der Verkehr erzeugt Luftschall. Der Luftschall geht (wie jeder Schall) von einer Schallquelle aus; das kann die menschliche Stimme, eine Maschine oder ein Kraftfahrzeug sein. Die Schallquelle versetzt Luftmoleküle in Schwingung, dadurch entstehen Schwankungen des Luftdrucks, die auf unser Ohr einwirken. Was der Mensch hört, wird vor allem durch die Lautstärke und die Tonhöhe bestimmt. Die Tonhöhe hängt ab von der Häufigkeit der Druckschwankungen. Die Anzahl der Schwingungen einer Schallwelle in der Sekunde wird als Frequenz bezeichnet. Je größer die Frequenz eines Tones ist, umso höher erscheint er uns. Die Frequenz wird in der Einheit Hertz (Hz) angegeben. 1 Hz bedeutet eine Schwingung des Tons pro Sekunde. Das menschliche Gehör kann tiefe Töne bis hinunter zu etwa 16 Hz wahrnehmen, ein neugeborenes Kind hohe Töne bis zu etwa 23.000 Hz. Mit zunehmendem Lebensalter nimmt die Leistungsfähig unseres Gehörs stetig ab, dies gilt vor allem für die hohen Töne. Ein 65Jähriger nimmt Töne nur noch bis etwa 5000 Hz wahr. Frequenzen oberhalb von 20.000 Hz werden als Ultraschall, Frequenzen unterhalb von 20 Hz als Infraschall bezeichnet. Die Lautstärke hängt ab von der Größe der Luftdruckschwankungen, der Amplitude der Schwingungen. Je größer die Amplituden, d.h. der Schallwechseldruck oder Schalldruck, umso lauter erscheint uns der Schall. Die Schallenergie nimmt bei der Ausbreitung mit dem Quadrat der Entfernung von der Schallquelle ab. Mit der Verdoppelung des Abstandes von der Schallquelle, verringert sich die Schallenergie also auf ein Viertel. Die Schallenergie, die in einer Zeiteinheit durch die Flächeneinheit hindurchtritt, wird als Schallintensität (Schallleistung pro Fläche) bezeichnet. Die Schallintensität kann mit den dafür geeigneten Geräten gemessen werden. Die Maßeinheit ist das Dezibel (dB)6. Die Schallintensität variiert ungeheuer stark. Sie reicht von dem relativen Wert 1, der die Hörschwelle markiert, bis zu dem Wert 10 Billionen (1013), bei dem die Schmerzgrenze erreicht wird. Um diese riesige Va4 So schon in der Langfassung der Gesetzesbezeichnung: „Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge“. 5 Eine gut verständliche Darstellung der akustischen Grundbegriffe, die den folgenden Ausführungen zugrunde liegt, findet sich bei Schedler (Fn. 1), S. 397 ff. 6 Das Wort setzt sich zusammen aus den Abkürzungen für Dezi (ein Zehntel) und Alexander Graham Bell (1847 – 1922), dem Erfinder des Telefons.
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riationsbreite darstellen zu können, ist die Dezibelskala logarithmisch aufgebaut. Sie reicht von 0 (Hörschwelle) bis 130 dB (Schmerzgrenze). Für den Umgang mit der Dezibelskala gelten die logarithmischen Rechenregeln. Erhöht man einen Schallpegel um 10 dB, so entspricht das einer Verzehnfachung (101) der Schallintensität. Eine Erhöhung um 20 dB entspricht einer hundertfachen (102), einer Erhöhung um 30 dB einer tausendfachen (103) Vergrößerung der Schallintensität. Addiert man zwei Schallpegel, so ergeben 50 dB + 50 dB nicht 100 dB, sondern 53 dB. Eine Erhöhung des Schallpegels um 3 dB entspricht einer Verdoppelung der Schall intensität. Die Ergebnisse der Schalldruckmessungen einerseits und unser Hörempfinden andererseits weichen voneinander ab. Das beruht darauf, dass das menschliche Ohr nicht für alle Frequenzen gleich empfindlich ist. Schallwellen im mittleren Frequenzbereich zwischen 1000 und 4000 Hz wirken trotz gleicher Schallintensität für uns lauter als tiefe Töne unterhalb von 1000 Hz und hohe Töne oberhalb von 4000 Hz. Dieser frequenzabhängigen Empfindlichkeit des menschlichen Gehörs wird bei Schallmessungen mit Hilfe von Bewertungskurven Rechnung getragen, welche die tiefen und die hohen Töne stärker gewichten als die Töne des mittleren Frequenzbereichs. Die bekannteste Bewertungskurve ist die A-Bewertung. Die mit ihr gemessenen Schallpegel werden in dB(A) angegeben. Nach diesem Exkurs in die Akustik zurück zur Terminologie. Unser Hör empfinden unterscheidet zwischen Tönen, Klängen und Geräuschen. Ein Ton ist dadurch gekennzeichnet, dass die Schallwelle sinusförmig schwingt. In der Musik werden die Töne durch ihre Frequenz definiert. Das eingestrichene a‘ hat 440 Hz. Ein Klang setzt sich aus mehreren reinen Tönen zusammen, deren Frequenzen in einem einfachen Zahlenverhältnis zueinander stehen. Ein Geräusch ist ein Gemisch aus vielen Tönen beliebiger Frequenzen. Lärm ist unerwünschter Schall7.
III. Wirkungen des Lärms auf Gesundheit und Wohlbefinden des Menschen Allgemein anerkannt ist, dass Lärm geeignet ist, Menschen zu belästigen und sogar ihre Gesundheit zu beschädigen. Ob und unter welchen Bedingungen es dazu kommt, hängt von einer ganzen Reihe von Umständen ab. Lärm ist nicht gleich Lärm, auf den A wirkt Lärm möglicherweise ganz anders als auf den B. Nach den Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung steht fest, dass bei einer Dauerbelastung mit Mittelungspegeln von mehr als 65 dB(A) tags und mehr als 55 dB(A) nachts das Risiko von Herz- und Kreislauferkrankungen zunimmt. 7
Schedler (Fn. 1), S. 397.
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Das Umweltbundesamt (UBA) und die Weltgesundheitsbehörde (WHO) streben folgende Ziele an: – Minimalziel: Um gesundheitliche Risiken zu vermeiden, sollten 65/55 dB(A) tags/nachts nicht überschritten werden. – Mittleres Ziel: Um erhebliche Belästigungen zu vermeiden, sollten die Belastungen auf 55/45 dB(A) tags/nachts sinken. – Optimaler Schutz: Langfristig sind 50/40 dB(A) tags/nachts anzustreben. Zwar ist dies – insbesondere in Innenstädten – selbst langfristig nur zum Teil und nur schwer erreichbar. Gleichwohl ist dieses Ziel als Schadensschwelle bedeutsam, etwa bei Kosten-Nutzen-Bewertungen und Entschädigungsregelungen
IV. Strategien der Lärmbekämpfung Der Gesetzgeber setzt unterschiedliche Strategien beim Kampf gegen den Lärm ein. 1. Lärmbekämpfung durch abstrakt-generelle Regeln Eine der wichtigsten Voraussetzungen für jegliche Lärmbekämpfung ist die Existenz von Gesetzen, Rechtsverordnungen oder zumindest Verwaltungsvorschriften, die Grenzen für Lärmemissionen oder Lärmimmissionen festlegen. Dies ist durch mehrere Regelwerke geschehen, die überwiegend auf bestimmte Lärmarten (Straßenverkehrs-, Industrie- und Gewerbe-, Freizeitlärm u.a.) zugeschnitten sind. Die Festlegung von Grenz- oder Richtwerten allein reicht aber nicht aus. Sie müsse auch durchgesetzt werden. Dafür setzt der Gesetzgeber unterschiedliche Strategien ein. 2. Lärmbekämpfung durch behördliche Maßnahmen im konkreten Fall Gesetze bieten zum einen die Handhabe, um gegen den im konkreten Fall durch Anlagen oder Personen verursachten Lärm einzuschreiten. Eine Ermächtigung für das Vorgehen gegen die Betreiber von Anlagen bieten u.a. § 17 BImSchG (genehmigungsbedürftige Anlagen im Sinne von § 4 BImSchG) sowie §§ 24 und 25 BImSchG (immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige Anlagen). Stellt sich bei dem Betrieb einer genehmigungsbedürftigen Anlage nach Erteilung der Genehmigung heraus, dass die Anlage Lärm verursacht, der geeignet ist, die Nachbarschaft zu belästigen oder zu gefährden, kann die zuständige Überwachungsbehörde im Wege einer nachträglichen Anordnung den Anlagenbetreiber auffordern, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Belästigungen oder Gefahren abzustellen (§ 17 BImSchG).
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Auch der Betrieb nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen darf keinen Lärm verursachen, der die Nachbarschaft in unzumutbarer Weise belästigt oder gar Gefahren für ihre Gesundheit hervorruft. Geschieht dies dennoch, so kann die zuständige Behörde den Anlagenbetreiber per Verwaltungsakt dazu verpflichten, den Lärm auf ein zumutbares Maß zu reduzieren. Unter Umständen kann der Anlagenbetrieb sogar völlig untersagt werden, wenn der Lärm nicht auf das zulässige Maß reduziert wird (§§ 24 und 25 BImSchG). Eine Handhabe für das Einschreiten gegen lärmende Personen findet sich in den Immissionsschutzgesetzen und Lärmschutzgesetzen oder -verordnungen der Länder. So bestimmt beispielsweise § 3 Abs. 1 des Landes-Immissionsschutzgesetzes von Rheinland-Pfalz8: „Soweit sich aus den folgenden Bestimmungen keine weiter gehenden Gebote und Verbote ergeben, hat sich jede Person so zu verhalten, dass schädliche Umwelteinwirkungen9 vermieden werden, soweit dies nach den Umständen des Einzelfalles möglich und zumutbar ist.“
Wird hiergegen verstoßen, kann die zuständige Behörde oder die Polizei die erforderlichen Anordnungen treffen, um das Lärmen zu unterbinden (§ 14 LImSchG). 3. Lärmbekämpfung durch Genehmigungspflicht Häufig verlangt das Gesetz, dass eine Genehmigung eingeholt werden muss, bevor – eine potentiell lärmträchtige Anlage errichtet oder betrieben werden darf, Einschlägige Regelungen enthält beispielsweise das Bundes-Immissionsschutzgesetz. Gemäß § 4 BImSchG bedürfen die Errichtung und der Betrieb von Anlagen, die aufgrund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebes in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen, erheblich zu belästigen oder erheblich zu benachteiligen, einer Genehmigung. Welche Anlagen einer solchen Genehmigung bedürfen, regelt die 4. Durchführungsverordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (4. BImSchV). – ein lärmendes Geräte in den Handel gebracht oder eingeführt werden darf, So ermächtigt § 32 BImSchG die Bundesregierung, durch eine Rechtsverordnung vorzuschreiben, dass serienmäßig hergestellte Teile von Betriebsstätten und sonstigen ortsfesten Anlagen nur dann in den Verkehr gebracht oder eingeführt werden dürfen, wenn sie den Anforderungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche genügen. Aufgrund dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung die 32. BImSchV erlassen. Danach bedarf etwa das In-denVerkehr-Bringen und die Einfuhr von Bohrgeräten, Heckenscheren und Rasen8
LImSchG vom 20.12.2000 (GVBl. S. 578). ihnen gehört auch der Lärm, wie sich aus den Begriffsbestimmungen des § 2 LImSchG ergibt. 9 Zu
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mähern, die bekanntlich eine Menge Lärm entwickeln, einer behördlichen Erlaubnis (§ 3 i.V.m. dem Anhang). Außerdem regelt diese Verordnung den Betrieb derartiger Geräte in Wohngebieten (§ 7) und in sog. empfindlichen Gebieten (§ 8). 4. Lärmbekämpfung durch Planung Lärm kann ferner dadurch verhindert werden, dass – unabhängig von einem konkreten Lärmereignis – Vorkehrungen dafür getroffen werden, dass in der Zukunft unnötiger Lärm vermieden wird. Ein Instrument dafür ist die Planung. Dabei kann man vorhabenbezogene und gebietsbezogene Planungen unterscheiden. a) Vorhabenbezogene Planungen Große Bedeutung für den Lärmschutz hat die Verkehrswegeplanung, d.h. die Planung des Baues von Straßen, Eisenbahnen, Straßenbahnen und Flughäfen. Denn der Lärm, der von Kraftfahrzeugen, Eisenbahnzügen, Straßenbahnen und Flugzeugen verursacht ist, stellt heute – zumindest in Deutschland – das größte Problem dar – ein viel größeres als der Lärm, der von Industrieanlagen erzeugt wird. Um den Verkehrslärm möglichst gering zu halten, bestimmt § 41 BImSchG, dass bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung öffentlicher Straßen sowie von Eisenbahnen und Straßenbahnen sicherzustellen ist, dass durch diese keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche hervorgerufen werden können, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. § 43 BImSchG ermächtigt die Bundesregierung, dies durch nähere Vorschriften auszugestalten. Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung Gebrauch gemacht durch den Erlass zweier Rechtsverordnungen. Die Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) legt zum Schutz der Anlieger an Straßen, Eisenbahnen und Straßenbahnen Immissionsgrenzwerte fest. Bei dem Bau oder einer wesentlichen Änderung dieser Verkehrsanlagen muss sichergestellt werden, dass diese Grenzwerte bei dem Betrieb der Straße nicht überschritten werden. Dies geschieht bereits im Stadium der Planung der Verkehrsanlagen, nicht erst bei deren Bau. Für den Bau oder wesentliche Änderungen einer Straße, einer Eisenbahn- oder einer Straßenbahnstrecke bedarf es in der Regel eines Planfeststellungsbeschlusses. In ihm sind die Anforderungen festzulegen, die gewährleisten sollen, dass die in der Verkehrslärmschutzverordnung festgelegten Werte nicht überschritten werden. b) Gebietsbezogene Planungen, insbesondere die Bauleitplanung Von der konkreten Anlage lösen sich die räumlichen Gesamtplanungen, die es auf mehreren Ebenen gibt: die Landesplanung für das Gebiete eines ganzen Bundeslandes, die Regionalplanung für Teile eines Bundeslandes (z.T. auch länderübergreifend) und die Bauleitplanung (für das Gebiet einer einzelnen Gemeinde oder Teile des Gemeindegebiets). Auf allen diesen Planungsebenen ist § 50 B ImSchG zu beachten. Danach sind bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen die
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für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass schädliche Umwelteinwirkungen – also auch Lärm – auf die ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienenden Gebiete soweit wie möglich vermieden werden. Das bedeutet u.a., dass Wohngebiete und Industriegebiete nach Möglichkeit räumlich voneinander zu trennen sind. Die Bauleitplanung ist zweistufig angelegt. In jeder Gemeinde gibt es nur einen einzigen Flächennutzungsplan, aber mehrere Bebauungspläne, in Städten wie Mainz sind es mehrere hundert. Die Bebauungspläne (die verbindlichen Bauleitpläne) sind aus dem Flächennutzungsplan (dem vorbereitender Bauleitplan) zu entwickeln (Entwicklungsgebot – § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Der räumliche Geltungsbereich der einzelnen Bebauungspläne ist sehr unterschiedlich groß: Gelegentlich beschränkt er sich auf ein einzelnes Grundstück, zumeist aber gilt er für ein größeres Areal des Gemeindegebiets. Bei der Bauleitplanung, vor allem bei der Aufstellung von Bebauungsplänen, spielt der Lärmschutz eine gewichtige Rolle. Die einschlägigen Regelungen finden sich im Baugesetzbuch (BauGB) und in der Baunutzungsverordnung (BauNVO). Gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne auch die Belange des Umweltschutzes zu berücksichtigen, darunter (1) die umweltbezogenen Auswirkungen von Festsetzungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt (Nr. 7 Buchst. c), (2) die Vermeidung von Emissionen (Nr. 7 Buchst. e) sowie (3) die Darstellung von Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissions schutzrechts (Nr. 7 Buchst. g). Zu den Plänen des Immissionsschutzrechts in diesem Sinne zählen auch die Lärmminderungspläne. Deren Zielvorstellungen sind deshalb bei der Aufstellung der Flächennutzungs- und Bebauungspläne in die Abwägung der mit einander konfligierenden Belange einzustellen10. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB können im Bebauungsplan Flächen für bauliche oder sonstige Vorkehrungen festgesetzt werden, die (1) dem Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes- Immissionsschutzgesetzes, also auch dem Schutz vor Lärmbelästigungen, (2) dem Schutz vor solchen Einwirkungen oder (3) der Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen dienen11. 10 Porger, Umweltschutz durch öffentliches Baurecht, in: Hansmann/Sellner (Hrsg.), Grundzüge des Umweltrechts, 3. Aufl., Berlin 2007, S. 355 ff., 392 (Rn. 75) [aufgrund einer überholten Fassung des BauGB, was aber in diesem Falle am Ergebnis nichts ändert, da die von ihm ausgelegte Bestimmung ohne Änderung ihres Inhalts lediglich verschoben worden ist.]; Dürnberger, in: Spannowsky/Uechtritz, BauGB, 2. Aufl., München 2014, § 1 Rn. 104.14. 11 Dazu Spannowsky, in: Spannowsky/Uechtritz (Fn. 10), § 9 Rn. 98 ff.; Porger (Fn. 10), 407 ff.
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Die Festsetzung von Schutzflächen nach der erste Alternative hat den Zweck, Gebiete mit unterschiedlichen, sich gegenseitig beeinträchtigenden Nutzungen oder mit einem besonderen Gefahrenpotential bzw. einer besonderen Schutzbedürftigkeit (z.B. Krankenhäuser, Altenheime, Schulen) voneinander zu trennen. Gleichzeitig kann festgesetzt werden, wie diese Flächen zu nutzen sind12. Die zweite Alternative der Nr. 24 gestattet u.a. die Festsetzung von Flächen, die für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmt sind. Solche Anlagen und Vorkehrungen sind beispielsweise Lärmschutzwälle und Lärmschutzwände13. Die dritte Alternative erlaubt die Festsetzung von baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen, die zur Vermeidung oder Minderung von schädlichen Umwelteinwirkungen erforderlich sind. Dazu zählen zum einen flächenbezogene Schallschutzmaßnahmen (z.B. Schallschutzwälle und -wände) und zum anderen sonstige bauliche Vorkehrungen sowohl an potentiellen Lärmquellen (z.B. die Festsetzung, dass besonders schalldämpfenden Baustoffe oder Konstruktionen zu verwenden sind), das Verbot von Fenstern auf einer bestimmten Gebäudeseite oder die Verpflichtung, Schallschutzfenster einzubauen14. Zu betonen ist, dass die planerischen Festsetzungen für sich allein genommen die Grundstückseigentümer nicht dazu zwingen, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen. Die in den Festsetzungen enthaltenen Gebote und Verbote werden erst dann virulent, wenn die Grundstücke bebaut werden sollen. Dann sind sie bei der Erteilung der Baugenehmigungen zu beachten. § 9 Abs. 6 BauGB bestimmt, dass Festsetzungen, die nach anderen gesetzlichen Vorschriften getroffen worden sind, in den Bebauungsplan nachrichtlich übernommen werden sollen, soweit sie zu seinem Verständnis oder für die städtebauliche Beurteilung von Baugesuchen notwendig oder zweckmäßig sind15. Derartige Festsetzungen werden nur „nachrichtlich übernommen“. Sie werden nicht erst durch die Übernahme in den Bebauungsplan verbindlich, sondern sind dies bereits infolge der fachplanerischen Entscheidung. Ein Verstoß gegen diese Übernahmepflicht beeinträchtigt die Wirksamkeit weder der fachplanerischen Entscheidung noch des Bebauungsplans16. „Festsetzungen nach anderen gesetzlichen Vorschriften“ im Sinne des § 9 Abs. 6 BauGB sind Fachplanungen oder Nutzungsregelungen. Als Beispiele werden in der Literatur Planfeststellungen, Wasserschutz- und Überschwemmungsgebiete, Naturund Landschaftsschutzgebiete und Lärmschutzzonen genannt17. Ob auch die Lärmminderungspläne dazu gehören, ist noch nicht geklärt, dürfte aber zu bejahen sein. Porger (Fn. 10), S. 408 (Rn. 109). Porger (Fn. 10), S. 408 (Rn. 110). 14 Porger (Fn. 10), S. 408 f. (Rn. 111). 15 Zu dieser Vorschrift Spannowsky (Fn. 10), § 9 Rn. 164 ff. 16 So zur Gültigkeit des Bebauungsplans auch Spannowsky (Fn. 10), § 9 Rn. 165.1. 12 13
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Im Außenbereich der Gemeinden ist ein Vorhaben18 nur dann zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen (§ 35 Abs. 1 BauGB). Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt u.a. dann vor, wenn das Vorhaben (z.B. die Errichtung einer baulichen Anlage) 17
– den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1) oder – den Darstellungen eines Plans des Immissionsschutzrechts widerspricht (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2). Zu den „Plänen des Immissionsschutzrechts“ wird auch der Lärmaktionsplan gezählt19. Das könnte etwa zur Folge haben, dass ein Vorhaben (z.B. die Errichtung von Windkraftanlagen) nicht genehmigungsfähig ist, weil es auf einem Gelände verwirklicht werden soll, das in einem Lärmaktionsplan als „ruhiges Gebiet“ ausgewiesen ist20. Allerdings gehören Windkraftanlagen zu den sog. privilegierten Vorhaben (§ 35 Abs.1 Nr. 5 BauGB), die wegen ihrer schädlichen Umweltwirkungen im Außenbereich grundsätzlich verwirklicht werden sollen; damit ist aber nicht gesagt, dass sie an jedem beliebigen Standort im Außenbereich errichtet werden dürfen. Sie sind dann unzulässig, wenn ihnen öffentliche Belange „entgegenstehen“21. Eine „Beeinträchtigung“ öffentlicher Belange, die „sonstige Vorhaben“ im Sinne von § 35 Abs. 2 BauGB verhindern, ist nicht erforderlich.
V. Die Lärmminderungsplanung Die Lärmminderungsplanung ist ein relativ junges Instrument der Lärmbekämpfung. 1. Kurze Charakterisierung der Lärmminderungsplanung § 47d BImSchG verpflichtet die Gemeinden oder die nach Landesrecht zuständigen Behörden, Lärmaktionspläne aufzustellen. Sie bilden die Grundlage für weitere Maßnahmen, die zwei Zwecke verfolgen: Die Belastung der Menschen durch Spannowsky (Fn. 10), § 9 Rn. 166. Der Begriff des „Vorhabens“ darf nicht mit dem der „(baulichen) Anlage“ verwechselt werden. Das Wort „Vorhaben“ bezeichnet eine bestimmte Tätigkeit. Vorhaben im Sinne des Bauplanungsrechts sind die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung baulicher Anlagen (§ 29 Abs. 1 BauGB). 19 Söfker, in: Spannowsky/Uechtritz (Fn. 10), § 35 Rn. 77. 20 Auch Stettner, in: Ule/Laubinger/Repkewitz, BImSchG – Kommentar, Rechtsvorschriften, Rechtsprechung, Köln, Stand des Werks: 201. Aktualisierungslieferung/Februar 2015, Stand der Kommentierung: 148. Aktualisierungslieferung/Okt. 2006, § 47a Rn. C 7, weist darauf hin, die Einbeziehung von „ruhigen Gebieten“ könne für Windkraftanlagen relevant werden. 21 Dazu Söfker (Fn. 19), § 35 Rn. 47 ff. (S. 667 – 669). 17 18
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Lärm soll reduziert werden. Und ruhige Gebiete sollen gegen eine Zunahme des Lärms geschützt werden. Die Grundlage von Lärmaktionsplänen bilden Lärmkarten, die gemäß § 47c BImSchG erstellt werden. Sie erfassen bestimmte Lärmquellen in dem jeweils betrachteten Gebiet, welche Lärmbelastungen von ihnen ausgehen und wie viele Menschen davon betroffen sind. Lärmaktionspläne können Auswirkungen auf andere Planungen wie z. B. Bauleitpläne, Regionalpläne oder Verkehrspläne haben und ermöglichen dadurch eine gesamtplanerische Problemlösung und -vermeidung. Viele lärmbedingte Konfliktfälle, die im Nachhinein hohe Kosten verursachen, können vorausschauend vermieden werden. Aber auch „ruhige Gebiete“, die für die Erholung der Bevölkerung einen hohen Wert haben, können vor einer Zunahme des Lärms geschützt werden. Bei der Ausarbeitung der Lärmaktionspläne kommt der Information und Beteiligung der Öffentlichkeit eine besondere Bedeutung zu. Die Bürger können und sollen dazu beitragen, dass aus ihrer Kenntnis die Gegebenheiten im Wohnumfeld so gut wie möglich gestaltet werden. Der aktive Austausch zwischen Bevölkerung, Politik und Verwaltung soll die Transparenz des Planungsprozesses und die Akzeptanz der vorgeschlagenen Maßnahmen erhöhen. 2. Rechtliche Grundlagen der Lärmminderungsplanung Die heute geltenden Regelungen der Lärmminderungsplanung, die §§ 47a bis 47f BImSchG, wurden durch das „Gesetzes zur Umsetzung der EG-Richtlinie über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm“ vom 24. Juni 2000 (BGBl. I S. 1794) in das Bundes-Immissionsschutzgesetz eingefügt22. Diese Vorschriften setzen die Umgebungslärmrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft (EG)23 vom 25. 6 2002 in deutsches Recht um. Durch Gesetz vom 27. Juni 2005 wurden in § 47c und § 47d je ein Abs. 2a eingefügt. Zugleich wurde § 47f in das Bundes-Immissionsschutzgesetz neu eingefügt. Schließlich wurde durch Gesetz vom 2. Juli 2013 dem § 47e ein Abs. 4 angefügt. Aufgrund der Ermächtigung des § 47f erließ die Bundesregierung die Vierunddreißigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über die Lärmkartierung – 34. BImSchV) vom 6. März 2006 (BGBl. I S. 516). 22 Zur Vor- und Entstehungsgeschichte dieser Regelungen eingehend Stettner (Fn. 20), Vor §§ 47a – 47f Rn. A 1 ff., ferner Hansmann, Rechtsprobleme der Lärmminderungsplanung, in: Festschrift für Eckard Rehbinder, Berlin 2007, S. 331 ff., 332 f.; Cancik, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. III, Loseblatt, Stand: 73. Ergänzungslieferung/Aug. 2014, Vor § 47a Rn. 3 ff.; Schulze-Fielitz, in: Koch/Pache/Scheuing, GK-BImSchG, Loseblatt, Stand: 36. Lieferung/Juni 2014, Vor §§ 47a – 47f, Rn. 21 ff. 23 Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm vom 25. 6. 2002 (ABl. Nr. L 189 S. 12). Abgedr. in: Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 20), unter RvB E 54.
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Die Umgebungslärmrichtlinie verfolgt gemäß ihrem Art. 1 das Ziel, ein für alle Mitgliedstaaten geltendes gemeinsames Konzept für die Bekämpfung des Umgebungslärms festzulegen. Unter Umgebungslärm versteht die Richtlinie „unerwünschte oder gesundheitsschädliche Geräusche im Freien, die durch Aktivitäten von Menschen verursacht werden, einschließlich des Lärms, der von Verkehrsmitteln, Straßenverkehr, Eisenbahnverkehr, Flugverkehr sowie Geländen für industrielle Tätigkeiten … ausgeht.“
Ähnlich lautet die Begriffsbestimmung von § 47b Nr. 1 BImSchG. Danach bezeichnet der Begriff Umgebungslärm „belästigende oder gesundheitsschädliche Geräusche im Freien, die durch Aktivitäten von Menschen verursacht werden, einschließlich des Lärms, der von Verkehrsmitteln, Straßenverkehr, Eisenbahnverkehr, Flugverkehr sowie Geländen für industrielle Tätigkeiten ausgeht.“
Das Tatbestandsmerkmal „im Freien“ kann zu Missverständnissen Anlass geben, nämlich zu der Annahme, bekämpft werden solle nur solcher Lärm, dem die Menschen im Freien ausgesetzt sind, sodass der Kampf gegen solchen Lärm ausgeschlossen wäre, den Menschen im Inneren von Gebäuden erleiden, z.B. durch den Straßenverkehr. Das aber ist nicht gemeint. Durch die Worte „im Freien“ soll nur der Lärm ausgeschlossen werden, der im Inneren von Gebäuden – z.B. von Wohnungsnachbarn – erzeugt wird. Das stellen die Vorschriften über den Geltungsbereich klar. Sowohl die Richtlinie als auch das Bundes-Immissionsschutzgesetz betonen, dass die Bestimmungen über den Umgebungslärm keine Anwendung finden auf „Lärm, der von der davon betroffenen Person selbst verursacht wird, noch für Lärm durch Tätigkeiten innerhalb von Wohnungen, Nachbarschaftslärm, Lärm am Arbeitsplatz, in Verkehrsmitteln oder Lärm der von militärischen Gebieten zurückzuführen ist“ (Art. 2 Abs. 2 Richtlinie) bzw. „Lärm, der von der davon betroffenen Person selbst oder durch Tätigkeiten innerhalb von Wohnungen verursacht wird, für Nachbarschaftslärm, Lärm am Arbeitsplatz, in Verkehrsmitteln oder Lärm, der auf militärische Tätigkeiten in militärischen Gebieten zurückzuführen ist“ (§ 47a Satz 2 BImSchG).
Mit dem missverständlichen Begriff „Nachbarschaftslärm“ gemeint ist hier der verhaltensbezogene Lärm, der von den Bewohnern benachbarter Wohnung erzeugt wird, z.B. durch lautes Musizieren, Radiohören, Partys, sowie der Lärm, der auf solchen Spiel- und Bolzplätzen erzeugt wird, die ausschließlich von Nachbarn genutzt werden 24. 24 Jarass, BImSchG, 10. Aufl., München 2013, § 47a Rn. 5; Hansmann (Fn. 22), S. 342; Cancik (Fn. 22), § 47a Rn. 10; Schulze-Fielitz (Fn. 22), § 47a Rn. 19; Heitsch, in: Kotulla, BImSchG, Loseblatt, Stand: 17. Lieferung/Juni 2011, § 47a Rn. 68. Teilweise abweichend Scheidler/Tegeter, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Loseblatt, 182. Ergänzungslieferung/Okt. 2014, § 47a Rn. 16 f.: Soweit der in Wohnungen oder von Nachbarn erzeugte Lärm eine gewissen Regelmäßigkeit erreicht, sei er als Umgebungslärm bei der Lärmminderungsplanung zu berücksichtigen. Das scheint mir unrealistisch zu sein.
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Umgebungslärm meint nicht nur den gesundheitsschädlichen oder den erheblich belästigenden Lärm im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG, sondern auch den nicht erheblich belästigenden Lärm, sofern er das Wohlbefinden des Menschen beeinträchtigt25. 3. Von der Lärmminderungsplanung erfasste Gebiete Die Lärmminderungsplanung erstreckt sich nicht flächendeckend über das ganze Land, sondern beschränkt sich auf solche Gebiete, die in besonderem Maße mit Lärm belastet sind, nämlich auf 1. Ballungsräume. Das sind Gebiete mit mehr als 100.000 Einwohnern und einer Bevölkerungsdichte von mehr als 1000 Einwohnern pro Quadratmeter (§ 47b Nr. 2 BImSchG). 2. Hauptverkehrsstraßen. Das sind Bundesfern- und Landesstraßen sowie sonstige grenzüberschreitende Straßen, die ein Verkehrsaufkommen von mehr als 3 Millionen Kraftfahrzeugen pro Jahr aufweisen (§ 47b Nr. 3 BImSchG). 3. Haupteisenbahnstrecken. Das sind Schienenwege von Eisenbahnen im Sinne des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (also nicht nur der früheren Bundesbahn und Reichsbahn der DDR, sondern auch der Privateisenbahnen) mit einem Verkehrsaufkommen von mehr als 30.000 Zügen im Jahr (§ 47b Nr. 4 BImSchG). 4. Großflughäfen. Das sind Verkehrsflughäfen mit einem Verkehrsaufkommen von mehr als 50.000 Bewegungen im Jahr (§ 47b Nr. 5 BImSchG). 4. Die stufenweise Einführung der Lärmminderungsplanung Die Pflicht zur Erarbeitung von Lärmkarten und Lärmaktionsplänen wurde nicht für sämtliche Ballungsräume, Hauptverkehrsstraßen und Haupteisenbahnstrecken zur gleichen Zeit eingeführt, sondern in zwei zeitlich aufeinander folgenden Stufen. a) Die erste Stufe der Einführung Eine erste Stufe erfasste nur die großen und damit besonders lärmträchtigen Einrichtungen, nämlich 1. Ballungsräume mit mehr als 250.000 Einwohnern (sog. Ballungsräume der 1. Stufe), 2. Hauptverkehrsstraßen mit einem Verkehrsaufkommen von über 6 Millionen Kraftfahrzeugen pro Jahr, 3. Haupteisenbahnstrecken mit einem Verkehrsaufkommen von über 60.000 Zügen pro Jahr und 4. Großflughäfen. 25 Repkewitz, Probleme der Umsetzung der Umgebungslärmrichtlinie, VBlBW 2006, 409 ff., 411; Cancik (Fn. 22), § 47b Rn. 4.
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Für sie mussten bereits bis zum 30. Juni 2007 Lärmkarten erarbeitet (§ 47c Abs. 1 Satz 1 BImSchG) werden. Hierauf aufbauend mussten bis zum 18. Juli 2008 Lärmaktionspläne aufgestellt werden (§ 47d Abs. 1 Satz 1 BImSchG) für 1. Ballungsräume mit mehr als 250.000 Einwohnern, 2. Orte in der Nähe der a) Hauptverkehrsstraßen mit einem Verkehrsaufkommen von über 6 Millionen Kraftfahrzeugen pro Jahr, b) Haupteisenbahnstrecken mit einem Verkehrsaufkommen von über 60.000 Zügen pro Jahr und c) Großflughäfen. Die Lärmaktionspläne waren also – anders als die Lärmkarten – nicht für die Hauptverkehrsstraßen, Haupteisenbahnstrecken und Großflughäfen, sondern für „Orte in deren Nähe“ aufzustellen. Damit gemeint sind nicht Städte und Gemeinden, sondern die Einwirkungsbereiche, also die räumliche Bezirke, auf die der Lärm der jeweiligen Hauptverkehrsstraße, Haupteisenbahnstrecke oder Großflughafen einwirkt26. b) Die zweite Stufe der Einführung Die zweite Stufe der Einführung der Lärmminderungsplanung folgte fünf Jahre später. Nunmehr mussten für – sämtliche Ballungsräume, – sämtliche Hauptverkehrsstraßen und – sämtliche Haupteisenbahnstrecken bis zum 30. Juni 2012 Lärmkarten erarbeitet (§ 47c Abs. 1 Satz 2 BImSchG) und bis zum 18. Juli 2013 Lärmaktionspläne aufgestellt werden (§ 47d Abs. 1 Satz 2 BImSchG). c) Die Lärmminderungsplanung als Daueraufgabe Die Erarbeitung von Lärmkarten und die Aufstellung von Lärmaktionsplänen ist kein einmaliger Vorgang, sondern eine Daueraufgabe. Nach dem 30. Juni 2012 sind nach jeweils fünf Jahren die Lärmkarten für sämtliche Ballungsräume, Hauptverkehrsstraßen und Haupteisenbahnstrecken zu überarbeiten (§ 47c Abs. 1 Satz 2 BImSchG). Die Lärmaktionspläne müssen bei bedeutsamen Entwicklungen der Lärmsituation sowie jeweils fünf Jahre nach ihrer Aufstellung überprüft und ggf. überarbeitet werden (§ 47d Abs. 5 BImSchG).
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Cancik (Fn. 22), § 47d Rn. 6 f.
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5. Zuständigkeit für die Lärmminderungsplanung a) Die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung Für die Ausarbeitung der Lärmkarten für Schienenwege von Eisenbahnen des Bundes27 ist das Eisenbahn-Bundesamt zuständig (§ 47e Abs. 3)28. Seine Zuständigkeit erstreckt sich seit Anfang 2015 darüber hinaus auch auf die „Aufstellung eines bundesweiten Lärmaktionsplanes für die Haupteisenbahnstrecken des Bundes mit Maßnahmen in Bundeshoheit“ (§ 47e Abs. 4 Satz 1 BImSchG). Unter „Maßnahmen in Bundeshoheit“ dürften Entscheidungen zu verstehen sein, für deren Erlass der Bund die Verwaltungskompetenz besitzt29. Für andere Maßnahmen zur Bekämpfung des Lärms, den der Eisenbahnverkehr verursacht, sind gemäß § 47e Abs. 1 BImSchG die Gemeinden oder die nach Landesrecht zuständigen Behörden zuständig. In Hinblick hierauf bestimmt § 47e Abs. 4 Satz 2 BImSchG, dass bei Lärmaktionsplänen für Ballungsräume das Eisenbahn-Bundesamt mitwirkt. Zuständig für die Lärmminderungsplanung für die Ballungsräume, die Hauptverkehrsstraßen und die Großflughäfen sind gemäß § 47e Abs. 1 BImSchG „die Gemeinden oder die nach Landesrecht zuständigen Behörden“. Das ist so zu verstehen, dass die Gemeinden für die Ausarbeitung der Lärmkarten und die Aufstellung der Lärmaktionspläne zuständig sind, sofern das Landesrecht nichts anderes bestimmt. Von der Abweichungsmöglichkeit haben die Flächenländer30 in unterschiedlicher Weise Gebrauch gemacht. Mehrere Länder haben Landesbehörden mit der Lärmkartierung betraut (Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen [Hauptverkehrsstraßen] und Thüringen). Auch die Lärmaktionspläne für Großflughäfen sind in Baden-Württemberg und Bayern von staatlichen Behörden aufzustellen. In Bayern gilt dasselbe für Bundeseisenbahnen und Haupteisenbahnstrecken. Am rigorosesten ist Hessen verfahren. Dort ist die gesamte Lärmaktionsplanung den drei Regierungspräsidien überantwortet. Das hat beispielsweise zur Konsequenz, dass die Lärmaktionspläne für Frankfurt und Wiesbaden in dem vom Regierungspräsidium Darmstadt aufgestellten Lärmaktionsplan „Hessen – Teilplan Straßenverkehr – Regierungsbezirk Darmstadt“31 und dem von den Regierungspräsidien Darmstadt, Gießen und Kas27 Von dieser Regelung nicht erfasst sind Eisenbahnen, die von Bundesländern oder von Privaten betrieben werden. Für sie gilt die Zuständigkeitsregelung des § 47e Abs. 1 BImSchG. 28 Siehe dazu die Kartenapplikation des Eisenbahn-Bundesamtes: http://laermkartierung1. eisenbahn-bundesamt.de/mb3/app.php/application/eba. 29 Jarass (Fn. 24), § 47e Rn. 5. Cancik (Fn. 22), § 47e Rn. 14, nennt als Beispiele Verkehrsbeschränkungen und bauliche Maßnahmen. 30 Für die drei Stadtstaaten (Berlin, Bremen und Hamburg) spielt diese Möglichkeit keine Rolle. Sie arbeiten die Lärmkarten aus und stellen die Lärmaktionspläne auf. 31 http://www.rp-darmstadt.hessen.de/irj/RPDA_Internet?cid=18e5145c22e3edd662 e29cbf2d4c17ca.
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sel gemeinsam aufgestellten, für ganz Hessen geltenden „Lärmaktionsplan Hessen – Teilplan Schienenverkehr“32 enthalten sind. Außerdem gibt es einen vom Regierungspräsidium Darmstand aufgestellten Lärmaktionsplan für den Flughafen Frankfurt am Main33. b) Lärmaktionsplanung und gemeindliches Selbstverwaltungsrecht (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) Die Zuständigkeitsregelung des § 47e BImSchG wirft zwei Probleme auf. Zum einen wird die Ansicht vertreten, die Aufstellung von Lärmaktionsplänen sei – wie die Bauleitplanung – Ausdruck der gemeindlichen Selbstverwaltung im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG34. Träfe das zu, so dürfte die hessische Regelung, wonach die Aktionspläne von Landesbehörden (den drei Regierungspräsidien) aufgestellt werden, gegen Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verstoßen. Gleiches gälte für § 5 Nr. 1 der Immissionsschutzrechtlichen Zuständigkeitsverordnung von Mecklenburg-Vorpommern, der die Oberbürgermeister der kreisfreien Städte sowie die Amtsvorsteher der amtfreien Gemeinden für zuständig erklärt und damit zum Ausdruck bringt, die Aufstellung der Pläne sei eine staatliche Auftragsangelegenheit, also keine Selbstverwaltungsangelegenheit. Das wird man aber wohl nicht annehmen können. Die Aktionspläne sind nach der Umgebungslärmrichtlinie wie nach Bundes-Immissionsschutzgesetz nicht für einzelne Gemeinden, sondern für Ballungsräume sowie für Orte in der Nähe von 32 https://umweltministerium.hessen.de/sites/default/files/HMUELV/lap_schiene_ pdf_68_mb.pdf. 33 http://verwaltung.hessen.de/irj/servlet/prt/portal/prtroot/slimp.CMReader/HMdI_15/ RPDA_Internet/med/b7c/b7c601d5-4f3b-c541-f012-f312b417c0cf,22222222-2222-22222222-222222222222. 34 So die ganz herrschende Meinung: Stettner (Fn. 20), Vor §§ 47a – 47f Rn. B 9 f.; Kupfer, Lärmminderungsplanung – Effektives Instrument zum Schutz der Bevölkerung vor Umgebungslärm? – Eine Klärung dringender Rechtsfragen, NVwZ 2012, 784 ff., 790; Scheidler, Neue Aufgaben für die Gemeinden durch Neuregelungen im BImSchG zur Lärmminderungsplanung, DVBl. 2005, 1344 ff., 1347; Heitsch (Fn. 24), § 47d Rn. 10. Ebenso Hansmann (Fn. 22), S. 339 (mit der Einschränkung: soweit es um Lärmkarten und Lärmaktionsplänen geht, die ausschließlich auf das Gebiet einer Gemeinde beschränkt sind); wie Hansmann auch Cancik (Fn. 22), Vor § 47a Rn. 13 und § 47e Rn. 3, und wohl auch Schulze-Fielitz (Fn. 22), Vor §§ 47a – 47f, Rn. 19, ders. (Fn. 22), § 47d Rn. 5; Röckinghausen, Bindungswirkung eines Lärmaktionsplans und Durchsetzungsmöglichkeiten in der Praxis, I + E 2014, 230 ff., 234. – Das NdsOVG drückt sich in seinem Beschluss vom 10. 1. 2014 (12 LA 68/13, NdsVBl. 2014, 203 f.) vorsichtig aus: Die Aufstellung eines Lärmaktionsplans „dürfte“ als Teil der örtlichen Planung dem Selbstverwaltungsrecht unterfallen. – A.M. jedoch VG Freiburg, Urteil vom 25. 7. 2014, Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 20), Rspr. § 47d Nr. 1 Rn. 33: Die Lärmminderungsplanung sei eine staatliche Aufgabe, die den Gemeinden in ähnlicher Weise übertragen worden sei wie die Aufgaben und Befugnisse der unteren Bauaufsichtsbehörde.). – Zweifelnd Berkemann, Kommunale Lärmaktionsplanung (§ 47d BImSchG) – Das (unionsrechtliche) Recht richtig anwenden, NordÖR 2015, 1 ff., 6.
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Hauptverkehrsstraßen, Haupteisenbahnstrecken und Großflughäfen aufzustellen. Ballungsräume können zwar aus einzelnen Städten bestehen; das ist jedoch nicht notwendigerweise der Fall, ein Ballungsraum kann sich auch aus mehreren Kommunen zusammensetzen, die mit einander räumlich verflochten sind35. Gegen eine örtliche Radizierung spricht auch, dass im Mittelpunkt der Lärmminderungsplanung überörtliche Verkehrswege stehen, nämlich Bundesautobahnen, Bundesstraßen, Landes- und Kreisstraßen sowie Eisenbahnen und Flugplätze. Die Lärmminderungsplanung dürfte deshalb keine örtliche, sondern eine überörtliche Planung sein, die nicht unter Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG fällt. c) Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Zuständigkeitsregelung (§ 47e BImSchG) Dem Bund steht unbestritten die Gesetzgebungskompetenz für die Regelung der Lärmminderungsplanung zu. Denn nach Art. 74 Abs. Nr. 24 GG erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung auf die „Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm)“. Das BImSchG (und damit auch die §§ 47a bis 47f) wird nach Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG von den Ländern als eigene Angelegenheit ausgeführt. Die Kompetenz zu bestimmen, welche Verwaltungseinheiten das Gesetz vollziehen sollen, steht daher nicht dem Bund, sondern den Ländern zu. Das wurde früher nicht so eng gesehen36, ist nun aber durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. 8. 2006 (Föderalismusreform I) klargestellt worden. Denn dieses Gesetz hat dem Art. 84 Abs. 1 einen neuen Satz 7 angefügt, der unmissverständlich bestimmt: „Durch Bundesgesetz dürfen Gemeinden und Gemeindeverbänden Aufgaben nicht übertragen werden.“ Hiermit wäre § 47e BImSchG, würde er heute erlassen, unvereinbar. Gleichwohl ist die Vorschrift nach wie vor geltendes Recht. Denn die §§ 47a ff. BImSchG wurden bereits im Jahre 2005, also ein Jahr vor der GG-Änderung, in das Gesetz eingestellt. Die Fortgeltung der Zuständigkeitsregelung des § 47e beruht auf Art. 125a Abs. 1 GG. Danach gilt Recht, das als Bundesrecht erlassen worden ist, aber wegen der Einfügung des Art.84 Abs. 1 Satz 7 GG nicht mehr als Bundesrecht erlassen werden könnte, als Bundesrecht fort. § 47e BImSchG gilt also trotz heute fehlender Gesetzgebungskompetenz weiter, könnte jedoch jederzeit durch Landesrecht ersetzt werden (Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG).
35 Allgemeine Meinung, z.B. Hansmann (Fn. 22), S. 344 f.; Jarass (Fn. 24), § 47b Rn. 7; Repkewitz (Fn. 25) VBlBW 2006, 409 ff., 414; Cancik (Fn. 22), § 47b Rn. 11; Heitsch (Fn. 24), § 47b Rn. 12. 36 Kritisch zur Verfassungsmäßig der Zuweisung der Lärmaktionsplanung an die Gemeinden schon vor Einfügung des Satzes 7 in Art. 84 Abs. 1 GG: Hansmann (Fn. 22), S. 339.
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6. Der Ablauf der Lärmminderungsplanung Sowohl die Umweltlärmrichtlinie als auch die §§ 47a ff. BImSchG regeln den Ablauf der Lärmminderungsplanung nur lückenhaft (vgl. § 47c Abs. 2a, 5 und 6, § 47d Abs. Abs. 2a, 3 und 7 BImSchG)37. Die Behörden, die im Lärmaktionsplan festgelegte Maßnahmen umsetzen sollen, sind anzuhören, obwohl dies nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist38. Dies gilt umso mehr, als sogar ausländische Behörden im Grenzgebiet zu beteiligen sind (§ 47d Abs. 3 i.V.m. § 47c Abs. 3 BImSchG). Besondere Bedeutung messen die Umweltlärmrichtlinie und das Bundes-Immissionsschutzgesetz der Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Aufstellung der Lärm aktionspläne bei. Zunächst muss die Öffentlichkeit über die Ergebnisse der Lärmkartierung informiert werden. Deshalb bestimmt § 7 der Verordnung über die Lärmkartierung (34. BImSchV), dass geeignete Ausfertigungen der Lärmkarten, die der Unterrichtung der Öffentlichkeit dienen (sollen), von den zuständigen Behörden zu verbreiten sind. Dies hat in durch eine für die Öffentlichkeit verständliche Darstellung und leicht zugänglichen Formaten zu geschehen. Nach § 47d Abs. 3 BImSchG ist die Öffentlichkeit zu Vorschlägen für Lärmaktionsplänen zu hören. Sie muss rechtzeitig und effektiv die Möglichkeit erhalten, an der Ausarbeitung und der Überprüfung der Lärmaktionspläne mitzuwirken. Die Ergebnisse dieser Mitwirkung sind bei der Beschlussfassung über den Plan zu berücksichtigen. Und schließlich ist die Öffentlichkeit über die getroffene Entscheidung zu unterrichten. In der Praxis erfolgt die Öffentlichkeitsbeteiligung in erster Linie durch das Internet, teilweise zusätzlich auch durch Veranstaltungen, in denen Vertreter der Gemeinden die Entwürfe vorstellen und den Bürgern die Möglichkeit geben, sich dazu zu äußern. Die Aktionspläne werden ins Netz gestellt, aber nicht in einem Gesetz- oder Amtsblatt öffentlich bekannt gemacht. Eine Veröffentlichung der Lärmaktionspläne schreiben weder die Richtlinie noch das Bundes-Immissionsschutzgesetz vor. Nicht geregelt ist auch die Frage, von welchem Organ der Gemeinde (Bürgermeister oder Gemeinderat) der Lärmaktionsplan beschlossen wird.
37 Daran wird immer wieder Kritik geübt. Berkemann (Fn. 34), NordÖR 2015, 1 ff., 6, bezweifelt, dass § 47d BImSchG „ein geordnetes nationales Verfahren“ regelt. Kupfer (Fn. 34), NVwZ 2012, 784 ff., 785, meint, § 47d Abs. 3 BImSchG sei nicht geeignet, das Verfahren zur Aufstellung von Lärmaktionsplänen normativ zu leiten. Die Ausgestaltung des Planaufstellungsverfahrens in Anlehnung an die §§ 3 ff. BauGB sei naheliegend. 38 Jarass (Fn. 24), § 47d Rn. 7, 9 und 14; Cancik, Stand und Entwicklung der Lärmminderungsplanung in Deutschland, WiVerw. 2012, 210 ff., 213 f. Eine frühzeitige Einbeziehung der Träger öffentlicher Verwaltung, die im Lärmaktionsplan festgelegte Maßnahmen durchführen sollen, in das Planaufstellungsverfahren fordert auch Kupfer (Fn. 34), NVwZ 2012, 784 ff., 787.
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7. Die Lärmkarten a) Inhalt der Lärmkarten Welchen Inhalt die Lärmkarten haben müssen, ergibt sich aus dem Anhang IV der Umgebungslärmrichtlinie. Nach dessen Nr. 1 müssen die Lärmkarten Angaben enthalten zu – der aktuellen, früheren oder vorhersehbaren Lärmsituation, die durch einen Lärmindex39 ausgedrückt wird, – der Überschreitung von Grenzwerten, – der geschätzten Anzahl von Wohnungen, Schulen und Krankenhäusern in einem bestimmten Gebiet, die bestimmten Werten eines Lärmindexes ausgesetzt sind, sowie – der geschätzten Anzahl von Menschen in einem lärmbelasteten Gebiet. Für Ballungsräume ist nicht (nur) eine Lärmkarte für alle Lärmarten auszuarbeiten, sondern zumindest vier Lärmkarten, nämlich je eine für den Straßenverkehrslärm, den Eisenbahnverkehrslärm, den Fluglärm sowie für den Industrie- und Gewerbelärm (Anhang IV Nr. 8 Umgebungslärmrichtlinie). b) Anspruch auf Lärmkartierung und Rechtsschutz Die zuständigen Behörden sind zur Lärmkartierung und zur Ausarbeitung von Lärmkarten verpflichtet (§ 47c Abs. 1 BImSchG). Diese Verpflichtung besteht jedoch nur im Interesse der Allgemeinheit, nicht auch im Interesse einzelner Bürger. Diese haben deshalb auch keinen dahingehenden Anspruch40. Auf die Frage, ob ein Umweltverband unter Berufung auf das Umweltrechtsschutzgesetz die Ausarbeitung von Lärmkarten erzwingen kann, kann ich hier nicht eingehen. 8. Der Lärmaktionsplan a) Ziele des Lärmaktionsplans Der Lärmaktionsplan soll zwei Hauptziele anvisieren: Zum einen soll er Wege aufzeigen, wie der Lärm vermindert werden kann, und zwar vor allem an den Orten, wo die Schallpegel besonders hoch sind und besonders viele Menschen betroffen sind. Zum anderen soll er Orte ausweisen, die relativ lärmarm sind, sog. ruhige 39 Gemäß
Art. 3 Buchst. d der Umgebungslärmrichtlinie bezeichnet der Ausdruck „Lärmindex“ eine physikalische Größe für die Beschreibung des Umgebungslärms, der mit gesundheitsschädlichen Auswirkungen in Verbindung steht. 40 BVerwG, Urt. vom 10.10.2012 – 9 A 18/11, juris Rn. 20; Jarass (Fn. 24), § 47c Rn. 18; Cancik (Fn. 22), § 47c Rn. 4; Schulze-Fielitz (Fn. 22), § 47c Rn. 97. – A.M. Heitsch (Fn. 24), § 47c Rn. 25: Der Einzelne könne nach den maßgeblichen gemeinschaftsrechtlichen Kriterien die Ausarbeitung strategischer Lärmkarten insofern gerichtlich durchsetzen, als er von potentiell gesundheitsschädlichen Umweltlärmbelastungen betroffen ist.
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Orte; diese sollen auch künftig erhalten werden (§ 47d Abs. 2 Satz 2 BImSchG). An diesen Grobzielen orientiert sich der Inhalt der Lärmaktionspläne. b) Inhalt des Lärmaktionsplans Zur Festlegung des Mindestinhalts der Pläne verweist § 47d Abs. 2 Satz 1 ImSchG auf den Anhang V (Mindestanforderungen für Aktionspläne) der UmB gebungslärmrichtlinie. Nach dessen Nr. 1 müssen die Aktionspläne unter anderem enthalten – eine Beschreibung des Ballungsraums, der Hauptverkehrsstraßen, der Haupteisenbahnstrecken, der Flughäfen und anderer Lärmquellen, die zu berücksichtigen sind, – alle geltenden Lärmgrenzwerte, – eine Zusammenfassung der Daten der Lärmkarten, – die Zahl der durch Lärm betroffenen Personen, – die bereits vorgenommenen oder geplanten Maßnahmen zur Lärmminderung, – die Maßnahmen, die die Behörden für die nächsten fünf Jahre geplant haben, einschließlich der Maßnahmen zum Schutz ruhiger Gebiete, – die langfristige Strategie für die Lärmbekämpfung, – Angaben zu den für die Lärmminderung zur Verfügung stehenden Finanzmitteln, – eine Kostenwirksamkeits- und Kosten-Nutzen-Analyse. c) Lärmminderungsmaßnahmen Von besonderer Bedeutung im Hinblick auf die Zielsetzung der Lärmaktionsplanung sind natürlich die Angaben zu den beabsichtigten Lärmminderungsmaßnahmen. Der Anhang V der Umgebungslärmrichtlinie macht dafür ein paar – unverbindliche – Vorschläge (Nr. 2). In Betracht gezogen werden können danach beispielsweise41 – Maßnahmen der Verkehrsplanung, – raumordnerische Maßnahmen, – auf die Geräuschquelle ausgerichtete technische Maßnahmen. – Wahl von Quellen geringerer Lärmentwicklung, – Verringerung der Schallübertragung, – rechtliche oder wirtschaftliche Maßnahmen oder Anreize.
41 Umfassende Zusammenstellungen in Betracht kommender Maßnahmen bei SchulzeFielitz (Fn. 22), § 47d Rn. 58 – 76 und 100 – 143.
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Die zuständige Behörde ist zwar verpflichtet, im Lärmaktionsplan irgendwelche Lärmminderungsmaßnahmen festzulegen42. Es bleibt ihr aber überlassen, welche Maßnahmen dies sind und wie hoch der Grad der Verbindlichkeit sein soll. Die Behörde ist also frei in der Entscheidung darüber, ob sie die Durchführung einer Maßnahme zur strikten Pflicht machen oder die Durchführung nur empfehlen will. Die Behörde ist insbesondere nicht gehalten, die Festlegung von Richt- oder Grenzwerten für Lärm – beispielsweise für eine bestimmte Straße – zu verlangen. Hierin besteht ohne Zweifel eine große Schwäche der Lärmminderungsplanung. Wie bei jeder Planung steht der zuständigen Behörde auch bei Aufstellung eines Lärmaktionsplans eine planerische Gestaltungsfreiheit zu Gebote. Dabei muss sie sich jedoch an den gesetzlichen Zielen dieser Planungsart orientieren sowie das Für und Wider der in Betracht kommenden Festlegungen verständig abwägen. Sie darf – mit anderen Worten – nicht willkürlich vorgehen. Welche Lärmminderungsmaßnahmen in dem Lärmaktionsplan aufgenommen werden sollten, hängt maßgeblich von den Ergebnissen der Lärmkartierung ab. Aus Kapazitäts- und vor allem aus finanziellen Gründen wird es zumeist nicht möglich sein, gleichzeitig allen Lärmbelästigungen zu Leibe zu rücken. Im Lärm aktionsplan müssen daher Prioritäten festgelegt werden, aufgrund deren dann bestimmt wird, in welcher Reihenfolge die als erforderlich erkannten Maßnahmen durchgeführt werden sollen. Maßgebend für die Bildung von Prioritäten sind insbesondere zwei Faktoren: zum einen die Stärke des Lärms – ausdrückt in dB(A), die bei der Lärmkartierung ermittelt worden ist, und die Zahl der betroffenen Personen. d) Die Festlegung ruhiger Gebiete/Ruhige Gebiete Ziel der Lärmaktionspläne soll es auch sein, ruhige Gebiete gegen eine Zunahme des Lärms zu schützen (§ 47d Abs. 2 Satz 2 BImSchG). „Ruhige Gebiete“43 existieren nicht von Natur aus, sondern sie werden erst durch eine entsprechende Festsetzung im Lärmaktionsplan ins Leben gerufen. Welche Kriterien dabei anzulegen sind, bestimmt weder die Umgebungslärmrichtlinie noch das Bundes-Immissionsschutzgesetz und ist deshalb noch weitgehend ungeklärt. Immerhin hat das VG Berlin44 festgestellt, dass eine einzelne Wohnung in einer lärmarmen Ge42 Stettner (Fn. 20), § 47d Rn. C 5, schließt aus § 47d Abs. 1 Satz 3 BImSchG, es stehe im Ermessen der planaufstellungspflichtigen Behörde (i.d.R. also der Gemeinde), ob sie überhaupt Maßnahmen festlegen wolle oder nicht. Daraus folgert er weiter, die Regelung verstoße gegen Art. 8 Abs. 1 Satz 2 der Umgebungslärmrichtlinie. Dem kann nicht zugestimmt werden. Es steht lediglich im Ermessen, welche Maßnahmen die Behörde festlegen will. So auch Scheidler/Tegeter (Rn. 24), § 47d Rn. 17 und 18. 43 Definitionen für „ruhige Gebiete in einem Ballungsraum“ und „ruhige Gebiete auf dem Land“ enthält Art. 3 Buchst. l und m der Richtlinie. 44 Urt. vom 7.5.2013, juris.
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gend kein „ruhiges Gebiet“ sein kann. Ein großer Erkenntnisgewinn ist das wohl nicht. e) Die Rechtsnatur des Lärmaktionsplans Keine Einigkeit besteht über die Rechtsnatur des Lärmaktionsplans. Maßgebend für dessen Qualifizierung ist – jedenfalls primär – nicht seine Form, sondern sein Inhalt. Er selbst greift nicht in Rechte von Bürgern ein und bietet aus sich heraus keine Ermächtigung für derartige Maßnahmen, sondern wendet sich verpflichtend ausschließlich an Träger öffentlicher Verwaltung. Deshalb scheidet die Qualifizierung als Verwaltungsakt (auch in Gestalt einer Allgemeinverfügung)45, Rechtsverordnung46 oder Satzung47 aus. Der Aktionsplan entspricht auch nicht dem typischen Erscheinungsbild einer Verwaltungsvorschrift48. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass sie das Verhalten nachgeordneter Behörden oder Bediensteter regelt; das tun Lärmaktionspläne nicht49. Die Qualifizierung als Maßnahme sui generis50 trifft zu, hilft jedoch nicht weiter, weil sich daraus keinerlei Rechtsfolgen ableiten lassen51. Eine gewisse Ähnlichkeit weist der Lärmaktionsplan mit dem Flächennutzungsplan auf52. Diesen charakterisiert das Baugesetzbuch (§ 1 Abs. 2) als „vorbereitenden Bauleitplan“. Die Ähnlichkeit besteht darin, dass auch der Lärmaktionsplan zwar die Gemeinde, die ihn aufgestellt hat, in gewisser Weise bindet, und dass er die Grundlage bildet für die auch nach außen hin verbindliche Bauleitplanung durch Bebauungspläne, dass er aber für den Bürger weder Recht noch Pflichten begründet. So auch Schulze-Fielitz (Fn. 22), § 47d Rn. 91. neigt Repkewitz (Fn. 25) VBlBW 2006, 409 ff., 416. A.M. Scheidler/Tegeter (Rn. 24), § 47d Rn. 64; Schulze-Fielitz (Fn. 22), § 47d Rn. 90. 47 VG Freiburg, Urteil vom 25.7.2014, Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 34) Rn. 21: Der Lärmaktionsplan sei weder Gesetz noch Rechtsverordnung noch Satzung. 48 Brinktrine, Pläne nach §§ 47 Abs. 2, 47d BImSchG als Grundlage subjektiv-öffentlicher Rechte?, in: Festschrift für Scheuing, Baden-Baden 2011, S. 279 ff., 786, hält den Aktionsplan für ein „der Verwaltungsvorschrift ähnliches Instrument“ Jarass (Fn. 24), § 47d Rn. 16 meint, er sei ein „der Verwaltungsvorschrift ähnliches Verwaltungsinternum“. Stettner (Fn. 20), § 47d Rn. H 2, schreibt, Lärmaktionspläne ähnelten Verwaltungsvorschriften und seien verwaltungsinterne Fachpläne. 49 Darauf weist zutreffend Repkewitz (Fn. 25), VBlBW 2006, 409 ff., 416, hin. 50 Cancik (Fn. 38),WiVerw. 2012, 210 ff., 222 („Plan sui generis, der rechtnormähnliche Züge aufweist“); Scheidler/Tegeter (Rn. 24), § 47d Rn. 64. Heitsch (Fn. 24), § 47d Rn. 51, qualifiziert solche Festlegungen, die „potentiell gesundheitsschädlichen Lärm“ reduzieren sollen, als „Rechtsnormen eigener Art“. 51 Schulze-Fielitz (Fn. 22), § 47d Rn. 89, qualifiziert den Lärmaktionsplan als „verwaltungsintern verbindlichen Umweltplan“. 52 Gegen eine „Parallelisierung“ von Lärmaktions- und Flächennutzungsplan Cancik, Umweltrechtliche Aktionspläne in der Bauleitplanung – eine Annäherung an Probleme der Verzahnung von Planungsinstrumenten, DVBl. 2008, 546 ff., 550. 45
46 Dazu
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Für die Ähnlichkeit des Lärmaktionsplans mit dem Flächennutzungsplan spricht ferner der Umstand, weil das Baugesetzbuch beide gewissermaßen in einem Atemzuge nennt: Gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Bau GB liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange u.a. dann vor, wenn das Vorhaben den Darstellungen des Flächennutzungsplans (Nr. 1) oder denen eines Lärmaktionsplanes (Nr. 2) widerspricht. Beide Pläne äußern also jedenfalls in dieser Hinsicht die gleiche Wirkung, indem sie der Errichtung oder Änderung einer baulichen Anlage im Außenbereich entgegenstehen. f) Anfechtung des Lärmaktionsplans Es erscheint zweifelhaft, ob irgendjemand ein Interesse daran hat, einen Lärm aktionsplan zu Fall zu bringen. Gleichwohl soll die Anfechtungsmöglichkeit kurz angesprochen werden. aa) Rechtsschutzmöglichkeiten Einzelner und von Umweltverbänden Da die Festlegungen des Lärmaktionsplans nicht in die Rechte des Einzelnen eingreifen, würde seine Klage – gleich in welcher Rechtsschutzform – am Fehlen der Klagebefugnis, des Feststellungsinteresses oder des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses scheitern53. Auch Umweltverbände dürften kein schutzwürdiges Interesse daran haben, einen Lärmaktionsplan zu Fall zu bringen. bb) Rechtsschutzmöglichkeiten von Trägern öffentlicher Verwaltung gegen eine ihnen durch den Lärmaktionsplan auferlegte Verpflichtung Realistischer ist die Frage, ob sich ein Träger öffentlicher Gewalt, von dem der Lärmaktionsplan bestimmte Maßnahmen verlangt, dagegen zur Wehr setzen kann, wenn er meint, die Festlegung sei rechtswidrig54.
53 Zutreffend Schulze-Fielitz (Fn. 22), § 47d Rn. 159. Cancik (Fn. 22), § 47d Rn. 37, hält die Statthaftigkeit einer Normenkontrolle von Seiten Einzelner für nicht ausgeschlossen. Ähnlich Heitsch (Fn. 24), § 47d Rn. 53: Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO oder – in den Bundesländern, die diese Verfahrensart nicht eingeführt haben – Feststellungsklage. 54 Cancik (Fn. 22), § 47d Rn. 39, meint, ein solcher Fall werde kaum praktisch werden, weil die Vollzugsbehörde einen aus ihrer Sicht rechtswidrigen Plan nicht zu vollziehen brauche. Das überzeugt nicht. Denn zum einen ist „die Sicht der Vollzugsbehörde“ nicht entscheidend, und zum anderen geht es um die Möglichkeit der Konfliktlösung, wenn die planaufstellende und die Vollzugsbehörde unterschiedlicher Ansicht über die Rechtmäßigkeit der Festlegung sind. Eine andere – und wohl näher liegende – Möglichkeit zur Beilegung eines solchen Konflikts besteht darin, dass die Gemeinde Rechtsmittel ergreift, um ihre Festlegung durchzusetzen; dazu unten V 8 i bb aaa (2).
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Da der Lärmaktionsplan kein Verwaltungsakt ist, scheidet die Anfechtungsklage von vornherein aus. Auch das Normenkontrollverfahren scheint a priori nicht in Betracht zu kommen, weil der Lärmaktionsplan keine Rechtsvorschrift im Sinne von § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO ist. Da der Lärmaktionsplan eine gewisse Nähe zum Flächennutzungsplan aufweist, könnte jedoch ein Normenkontrollantrag in entsprechender Anwendung von § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO in Betracht gezogen werden. Zwar ist der Flächennutzungsplan grundsätzlich mit dem NK-Antrag nicht angreifbar. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat das BVerwG55 jedoch für den Fall zugelassen, dass eine bestimmte Darstellung des Flächennutzungsplans durch eine Rechtsvorschrift einen Grad rechtlicher Verbindlichkeit erlangt, der den herkömmlichen Wirkungskreis des Flächennutzungsplans deutlich überschreitet56. In Anwendung dieses Grundsatzes hat das Gericht § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO im Wege der Analogie auf Darstellungen des Flächennutzungsplans mit den Rechtwirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erstreckt57 und überprüft, ob die Darstellung einer außerordentlich kleinen Konzentrationsfläche für Windenergieanlagen, durch die die Errichtung derartiger Anlagen auf dem gesamten übrigen Gemeindegebiet ausgeschlossen wurde, unter einem Abwägungsmangel litt. Es ist jedoch zweifelhaft, ob dieser Gedanke auf Festlegungen des Lärmaktionsplans übertragbar ist. Das würde nämlich voraussetzen, dass seine Festlegungen unmittelbar in Rechte von Bürgern eingreifen, ohne einer Umsetzung durch Vollzugsakte zu bedürfen. Das scheint mir allenfalls bei der Ausweisung ruhiger Gebiete denkbar zu sein, weil eine derartige Festlegung auf dem Weg über § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB die Errichtung und Änderung baulicher Anlagen verhindern kann. Sollte der Normenkontrollantrag eines Trägers öffentlicher Verwaltung tatsächlich einmal statthaft sein, ergäbe sich die Antragsbefugnis aus § 47 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 VwGO, wonach jede Behörde, die die zur Prüfung gestellte Rechtsvorschrift zu vollziehen hat, antragsberechtigt ist. In Betracht kommen könnte ferner eine Feststellungsklage nach § 43 VwGO mit dem Antrag festzustellen, dass die Behörde (Gemeinde) nicht berechtigt war, die den Träger öffentlicher Verwaltung verpflichtende Festlegung vorzunehmen58. g) Anspruch auf Aufstellung eines Lärmaktionsplans Klärungsbedürftig ist, ob einzelne Bürger – z.B. ein vom Straßenlärm geplagter Bürger – oder ob ein Umweltverband die Aufstellung eines Lärmaktionsplans erzwingen kann. 55
BVerwG, Urt. vom 26.4.2007, BVerwGE 128, 382 ff. BVerwG a.a.O. S. 387 ganz oben. 57 BVerwG a.a.O. S. 389 oben. 58 So Scheidler/Tegeter (Rn. 24), § 47d Rn. 75. 56
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aa) Klage des Einzelnen auf Aufstellung eines Lärmaktionsplans Ob Bürger einen Anspruch auf Aufstellung eines Lärmaktionsplans haben, ist umstritten59. Dass die nach § 47e Abs. 1 BImSchG zuständige Behörde verpflichtet ist, einen Aktionsplan aufzustellen, ergibt sich unmissverständlich aus § 47d Abs. 1 Satz 1 und 2 BImSchG. Dieser Verpflichtung stände ein subjektives Recht der einzelnen Bürger gegenüber, wenn die genannte Vorschrift nicht nur die Interessen der Allgemeinheit an einer Verminderung des Umgebungslärms, sondern – zumindest auch – die Interessen des Einzelnen zu dienen bestimmt wäre. Das aber wird man aus mehreren Gründen nicht annehmen können. Zum einen ist vor Aufstellung eines Lärmaktionsplans völlig ungewiss, welche Festlegungen er enthalten wird und wer durch diese einmal begünstigt werden wird. Zum anderen mahnt der Vergleich mit anderen Planungen zur Vorsicht. So schließt § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB einen Anspruch auf die Aufstellung von Bauleitplänen ausdrücklich aus, obwohl die Gemeinde zu deren Aufstellung verpflichtet ist, sobald und soweit es für die städtebauliche Ordnung erforderlich ist (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB). bb) Verbandsklage auf Aufstellung eines Lärmaktionsplans Aussichtsreicher erscheint eine Verbandklage. Der Umstand, dass der einzelne Bürger keinen Anspruch auf Aufstellung eines Lärmaktionsplans hat und ihm deshalb für eine verwaltungsgerichtliche Verpflichtungs- oder allgemeine Leistungsklage die Klagebefugnis fehlt, schließt es nicht aus, dass ein Umweltschutzverband eines solche Klage erheben kann. Denn im Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) ist weder die Zulässigkeit noch die Begründetheit von Rechtshelfen, die von Umweltschutzvereinigungen erhoben werden, davon abhängig, ob ihnen ein subjektiv-öffentliches Recht zustehen kann bzw. zusteht. Gemäß § 2 Abs. 1 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) kann eine anerkannte Umweltschutzvereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen einlegen, 59 Bejahend: Cancik, Aktionspläne zur Lärmminderung – effektives Instrument oder „Aktionismus“?, ZUR 2007, 169 ff., 172 - 174; dies. (Fn. 38), WiVerw. 2012, 210 ff., 223; dies. (Fn. 22), § 47d Rn. 34; Heitsch (Fn. 24), § 47d Rn. 54 (jedoch nur insoweit, als die Aufstellung des Lärmaktionsplans und die Festlegung von Maßnahmen zur Reduzierung einer potentiell gesundheitsschädlichen Lärmbelastung zwingend geboten ist). – Verneinend Kröner, Der Bürger als Akteur oder Statist der Lärmaktionsplanung, UPR 2013, 89 ff. (mit eingehender Begründung); Repkewitz (Fn. 25), VBlBW 2006, 409 ff., 416; Scheidler/ Tegeter (Rn. 24), § 47d Rn. 77; Schulze-Fielitz (Fn. 22), § 47d Rn. 159, VG Ansbach, Urteil vom 7. 12. 2007 – AN 10 K 06.02910 und AN 10 K 06.03593, juris Rn. 32. – Jarass (Fn. 24), § 47d Rn. 17, meint, eine Klage auf Erlass eines Lärmaktionsplans „dürfte“ ausgeschlossen sein, weil die Vorgaben des EU-Rechts zu vage seien.
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wenn die Vereinigung geltend macht, eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 UmwRG oder deren Unterlassen widerspreche Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen und für die Entscheidung von Bedeutung sein können. Unterlässt die zuständige Behörde die Aufstellung eines Aktionsplans, verstößt sie eindeutig gegen § 47d Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 Satz 1 BImSchG, die ebenfalls eindeutig dem Umweltschutz dienen. Fraglich kann allerdings sein, ob die Aufstellung eines Aktionsplans eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG ist. Das wäre wohl dann zu bejahen, wenn der Aufstellung eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorausgehen müsste (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG). Das ist nicht stets, sondern nur dann der Fall, wenn er für UVP-pflichtige Vorhaben einen Rahmen setzt (Nr. 2.1 der Anlage 3 i.V.m. § 14b Abs. 1 Nr. 2 UVPG). Der Lärmaktionsplan setzt einen Rahmen dann, wenn er Festlegungen mit Bedeutung für spätere Zulassungsentscheidungen, insbesondere für Bedarf, Größe, Standort, Beschaffenheit oder Betriebsbedingungen von Vorhaben oder für die Inanspruchnahme von Ressourcen enthält (§ 14b Abs. 3 UVPG)60. Liegen diese Voraussetzungen vor, dürften die Umweltschutzverbände berechtigt sein, vor dem Verwaltungsgericht auf Aufstellung eines Lärmaktionsplans zu klagen61. Die dafür geeignete Klageart wäre die allgemeine Leistungsklage. Für die Begründetheit einer derartigen Klage ist nicht § 113 VwGO, sondern § 2 Abs. 5 UmwRG maßgebend, der eine Verletzung des Umweltverbandes in subjektiven Rechten konsequenterweise nicht voraussetzt. h) Anspruch auf Aufnahme einer bestimmten Festlegung in den Lärmaktionsplan Kein Anspruch besteht darauf, dass eine bestimmte Festlegung in den Lärmaktionsplan aufgenommen wird62, z.B. darauf, dass an einem bestimmten Straßenabschnitt die Geschwindigkeit auf 30 km/h beschränkt werden soll. Da der Lärm aktionsplan ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit, nicht aber (auch) im Interesse Einzelner aufgestellt wird, kann der Einzelne auch nicht die Verletzung des planerischen Ermessens gerichtlich geltend machen. Etwas anderes könnte gelten, wenn begeht wird, dass ein bestimmtes Gelände im Außenbereich der Gemeinde als „ruhiges Gebiet“ ausgewiesen wird. Denn eine solche Festlegung hat auf dem Weg über § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB Außen60 Repkewitz (Fn. 25), VBlBW 2006, 409 ff., 416; Stettner (Fn. 20), § 47d Rn. J 1 und 2; Scheidler/Tegeter (Rn. 24), § 47d Rn. 53 ff. 61 Einen Anspruch von Umweltverbänden auf Aufstellung eines Lärmaktionsplans bejaht Röckinghausen (Fn. 34), I + E 2014, 230 ff., 235, und scheint auch Kröner (Fn. 59), UPR 2013, 89 ff., 92, 94, bejahen zu wollen. 62 Repkewitz (Fn. 25), VBlBW 2006, 409 ff., 416 f. – Cancik (Fn. 59), ZUR 2007, 169 ff., 174, dies. (Fn. 38), WiVerw. 2012, 210 ff., 223; dies. (Fn. 22), § 47d Rn. 35, hält es für möglich, dass ein solcher Anspruch dann besteht, wenn sich das Ermessen der Behörde auf Null reduziert.
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wirkung und verhindert, dass in dieser geschützten Zone lärmerzeugende bauliche Anlagen errichtet werden. i) Bindungswirkung und Durchsetzung des Lärmaktionsplans Die Lärmaktionspläne müssen konkrete Maßnahmen vorsehen, die geeignet sind, den Lärm zu vermindern, und sie müssen „ruhige Gebiete“ festsetzen. Um die beabsichtigte Wirkung zu entfalten, bedürfen die vorgesehenen Maßnahmen der Umsetzung. Sieht der Lärmaktionsplan beispielsweise vor, dass die Geschwindigkeit auf einer bestimmten Straße auf 30 km/h herabgesetzt werden soll, so bedarf es dazu erstens einer entsprechenden straßenverkehrsbehördlichen Anordnung und zweitens der Anbringung der Verkehrsschilder am Straßenrand. Ermächtigungsgrundlage für die straßenbehördliche Anordnung ist § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StVO. Er ermächtigt die Straßenverkehrsbehörden, „zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen“ die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken zu beschränken oder zu verbieten oder den Verkehr umzulenken. Welche Behörden als Straßenverkehrsbehörden fungieren, bestimmt gemäß § 44 Abs. 1 das Landesrecht. In Rheinland-Pfalz fungieren als Straßenverkehrsbehörden die Kreisverwaltung, in kreisfreien und großen kreisangehörigen Städten die Stadtverwaltung (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 der Landesverordnung über Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Straßenverkehrsrechts vom 12.3.1987. In Mainz also die Stadtverwaltung. Damit stellt sich die Frage, ob die Behörden, die für diese Vollzugsmaßnahmen zuständig sind, verpflichtet sind, diese vorzunehmen. Das hängt in erster Linie davon ab, wie der Lärmaktionsplan die Festlegung der Maßnahme formuliert, ob er deren Durchführung strikt verlangt oder nur empfiehlt. Die §§ 47a bis 47f BImSchG enthalten keine eigene Vorschrift dazu, ob und wie die Festsetzungen des Lärmaktionsplans durchzusetzen sind. § 47d Abs. 6 bestimmt jedoch, dass § 47 Abs. 6 BImSchG, der die Durchsetzung von Luftreinhaltplänen regelt, entsprechend gelten soll. Daraus folgt, dass Maßnahmen, die im Lärmaktionsplan festgelegt sind, „durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen sind“ (Satz 1). Sind im Lärmaktionsplan „planungsrechtliche Festlegungen vorgesehen, haben die zuständigen Planungsträger dies bei ihren Planungen zu berücksichtigen“ (Satz 2). aa) Adressaten der Umsetzungspflicht Die Formulierung des § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG stellt klar, dass durch Festlegungen im Aktionsplan keine (natürlichen oder juristischen) Privatpersonen, sondern ausschließlich Träger öffentlicher Verwaltung in die Pflicht genommen werden können63. Das sind der Bund, die Länder und die Kommunen sowie die von 63
VG Ansbach, Urt. vom 7.12.2007 – AN 10 K 06.02910, AN 10 K 06.03593, juris.
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ihnen ins Leben gerufenen Körperschaft, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Auf den ersten Blick mag es ungewöhnlich anmuten, dass eine Gemeinde durch Festlegungen in ihrem Lärmaktionsplan Behörden des Landes oder gar des Bundes verpflichten kann, bestimmte dem Lärmschutz dienende Maßnahmen zu ergreifen64. Da kommt einem die Kontroverse um die Frage in den Sinn, ob der Vollzug von Landesrecht durch Bundesbehörden mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Wenn man das für unzulässig hält, müsste umso mehr die Ausführung kommunalen Rechts durch Bundesbehörden unzulässig sein. Doch geht es hier wohl (!) nicht um die Ausführung, sondern um die Beachtung gemeindlichen Rechts. Und dagegen ist nichts einzuwenden65. Es ist keineswegs ungewöhnlich, dass der Bund oder das Land kommunale Vorschriften, z.B. Festsetzungen eines gemeindlichen Bebauungsplans, zu beachten hat66. Umstritten ist, ob auch juristische Personen des Privatrechts (z.B. Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, eingetragene Vereine), die von Körperschaften des öffentlichen Rechts beherrscht werden, zu den „Trägern öffentlicher Verwaltung“ zählen. Diese Frage ist virulent geworden in einem Rechtsstreit, über den im vorigen Jahr das VG Freiburg67 zu entscheiden hatte. Die Klägerin, eine baden-württembergische Kleinstadt, begehrte von der Beklagten, der DB Netz AG68, die Einführung der Lärmminderungsmaßnahme „Besonders überwachtes Gleis“69 aufgrund 64 Dass sie dazu berechtigt ist, entspricht der ganz herrschende Meinung: Hansmann (Fn. 22), S. 350; Jarass (Fn. 24), § 47d Rn. 14; Röckinghausen (Fn. 34), I + E 2014, 230 ff., 232. – Beachtliche kompetenzrechtliche Bedenken, die er aber für letztlich nicht durchschlagend hält, äußert Schulze-Fielitz (Fn. 22), § 47d Rn. 10 ff. In keinem Falle dürfe eine Behörde mit Anordnungen oder gar mit Zwang in die hoheitliche Tätigkeit einer anderen Hoheitsverwaltung eingreifen (Rn. 16). Vor der verbindlichen Festlegung von fachbehördlichen Einzelmaßnahmen müsse die Gemeinde die Fachbehörden anhören und sich mit ihnen über den Planinhalt abstimmen (Rn. 18). 65 Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. 4. 1989, BVerwGE 82, 17 ff., 21 (zur grundsätzliche Bindung des Bundes an das jeweils einschlägige Landesrecht selbst bei hoheitlicher Tätigkeit) sowie Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: Handbuch des Staatsrechts, hrsg. von Isensee/Kirchhof, Bd. VI, 3. Aufl., Heidelberg 2008, S. 3 ff., 61 ff. 66 Stettner (Fn. 20), Vor §§ 47a - 47f Rn. B 11, hält die Bindung des Bundes an Festlegungen des Aktionsplans zwar für problematisch, aber für noch eben hinnehmbar, falls die Bundesbehörden bei der Planaufstellung angehört und von ihnen vorgebrachten Einwände in gebotenem Maße berücksichtigt werden. 67 VG Freiburg, Urteil vom 25. 7. 2014, Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 34). 68 Die DB Netz AG, ein hundertprozentiges Tochterunternehmen der Deutschen Bahn AG (DB), betreibt als Eisenbahninfrastrukturunternehmen ca. 87,5 % des deutschen Schienennetzes. 69 Das VG Freiburg, Ule/Laubinger/Repkewitz (Fn. 34) Rn. 9, erläutert das so: „Die Maßnahme ‚Besonders überwachtes Gleis‘ – ‚BüG‘ – dient der Gleispflege aus akustischen Gründen. Die Gleise werden regelmäßig daraufhin überprüft, ob der Schallpegel seit der
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eines von ihr beschlossenen Lärmaktionsplans. Damit stellte sich die Frage, ob die Deutsche Bahn AG eine Trägerin öffentlicher Verwaltung ist. Das VG neigte der Ansicht zu, das sei zu verneinen; eine unmittelbare Bindung der Beklagten an einen kommunalen Lärmaktionsplan sei nach der gegenwärtigen Konzeption des Gesetzgebers ausgeschlossen. In der Literatur70 wird der gegenteilige Standpunkt vertreten71. Ich neige dazu, dem Verwaltungsgericht zuzustimmen. Wie bereits erwähnt, ist nunmehr das Eisenbahn-Bundesamt für die Aufstellung eines „bundesweiten Lärmaktionsplans für die Haupteisenbahnstrecken des Bundes mit Maßnahmen in Bundeshoheit“ zuständig (§ 47e Abs. 4 Satz 1 BImSchG). Diese schwer verständliche Formulierung dürfte besagen, dass die Gemeinden von der Deutschen Bahn AG und deren Töchtern (insbesondere der DB Netz AG) nicht die Durchführung von Maßnahmen verlangen können, für deren Anordnung das Eisenbahn-Bundesamt zuständig ist. Der gegenteilige Standpunkt erscheint – von den möglichen praktischen Auswirkungen her betrachtet – sehr problematisch, weil viele besonders stark lärmbelasteten Gemeinden (z.B. im Mittelrheintal) versucht sein könnten, die Geschwindigkeit der Züge zu reglementieren, was schwerlich hinnehmbar ist. bb) Umsetzung von Maßnahmen der im Lärmaktionsplan vorgesehenen Maßnahmen § 47 Abs. 6 BImSchG, auf den § 47d Abs. 6 BImSchG verweist, unterscheidet zwei Arten von Festlegung des Aktionsplans, nämlich – zum einen Maßnahmen, die durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen durchzusetzen sind (Satz 1), und – zum anderen „planungsrechtlichen Festlegungen“ (Satz 2).
letzten Kontrolle zugenommen hat. Ist dies der Fall, wird das überprüfte Gleis geschliffen. Durch das Schleifen werden die wellenartigen Unebenheiten der Schienen beseitigt, die durch das Befahren der Schienen mit der Zeit entstehen. Überrollt ein Zug diese Unebenheiten, entsteht ein mit zunehmender Geschwindigkeit zunehmender Heulton, der gegenüber einer glatten Schiene zu einem 3 dB(A) und mehr höheren Fahrgeräuschpegel führen kann. Die Minderungsmaßnahme ‚Besonders überwachtes Gleis‘ würde nach den Berechnungen des Lärmaktionsplans die Anzahl der Betroffenen von Lärmbelastungen über 70 dB(A) am Tag um 42 auf 9 Personen und von Lärmbelastungen über 60 dB(A) nachts um 217 auf 97 Personen reduzieren.“ 70 Kupfer (Fn. 34), NVwZ 2012, 784 ff., 790; Röckinghausen (Fn. 34), I + E 2014, 230 ff., 232. 71 Schulze-Fielitz (Fn. 22), § 47d Rn. 10 – 18, vertritt aufgrund verfassungsrechtlicher Erwägungen die Ansicht, die Deutsche Bahn AG sei grundsätzlich an Festlegungen eines gemeindlichen Lärmaktionsplans (z.B. Festlegung eines bestimmten Schallpegels, den die Züge auf dem Gemeindegebiet nicht überschreiten dürfen, oder einer Höchstgeschwindigkeit für Züge) gebunden. Voraussetzung sei allerdings eine vorherige Abstimmung der verschiedenen öffentlichen Belange.
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Die Maßnahmen der erstgenannten Art, die man als „nichtplanerische Maßnahmen“72 bezeichnen könnte, sind durchzusetzen73 (sofern sie entsprechend formuliert sind, s.o.). Die planungsrechtlichen Festlegungen hingegen sind bei den Planungen lediglich zu berücksichtigen. (1) Umsetzung von Maßnahmen nichtplanerischer Art (a) Bindungswirkung der Festlegungen Hier geht es um die Fälle, in denen es für die Umsetzung der Festlegung des Erlasses von Anordnungen oder sonstiger Entscheidungen bedarf. Das können Verwaltungsakte, Realakte, innerbehördliche Maßnahmen, Satzungen oder sogar Rechtsverordnungen74 sein, sofern diese Maßnahmen nicht planerischer Natur sind. Greift die Durchführungsmaßnahme in die Rechte von Bürgern ein, bedarf es dafür einer gesetzlichen Grundlage; der Lärmaktionsplan reicht dafür nicht aus. Die gesetzliche Grundlage kann sich aus dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (z.B. aus dessen §§ 17, 24, 25) oder aus anderen Bestimmungen des Bundes- oder Landesrechts ergeben (z.B. aus dem oben genannten § 45 StVO). Ist die Gemeinde selbst für die Durchführungsmaßnahme zuständig, so bindet sie sich – eine entsprechende Formulierung der Festlegung vorausgesetzt – gewissermaßen selbst75. So verhält es sich etwa dann, wenn eine kreisfreie Stadt im Lärmaktionsplan schreibt, dass an einer bestimmten Straße die Geschwindigkeit ganztägig oder für die Nachtstunden auf 30 km/h herabgesetzt oder der Lkw-Verkehr ausgeschlossen werden soll. Denn die kreisfreien Städte fungieren in Rheinland-Pfalz (und in den anderen Bundesländern) als untere Straßenverkehrsbehörden, die für die Anordnung derartiger Maßnahmen sachlich zuständig sind. In derartigen Fällen stellt sich das Durchsetzungsproblem nicht, sondern allenfalls die Frage, ob die staatliche Aufsichtsbehörde die Stadt in deren Eigenschaft als quasi-staatliche Behörde anweisen darf, die im Lärmaktionsplan zwingend vorge72 Die Terminologie ist uneinheitlich und verwirrend. Cancik (Fn. 59), ZUR 2007, 169 ff., 174, spricht einmal von „planunabhängigen Maßnahmen“, an anderer Stelle [(Fn. 38), WiVerw. 2012, 210 ff., 216, (Fn. 52), DVBl. 208, 546 ff., 548; (Fn. 22), § 47d Rn. 14a] von „Maßnahmen im engeren Sinne“. Kupfer (Fn. 34), NVwZ 2012, 784 ff., 786, unterscheidet „Maßnahmen ohne planungsrechtliche Qualität“ und Maßnahmen mit planungsrechtlicher Qualität“. Röckinghausen (Fn. 34), I + E 2014, 230 ff., 231, differenziert zwischen „Maßnahmen“ oder „Einzelmaßnahmen einerseits und planungsrechtlichen Festlegungen“ andererseits. 73 Allgemeine Meinung, z.B. Cancik (Fn. 59), ZUR 2007, 169 ff., 175. 74 Durch Rechtsverordnungen wird beispielsweise der Verlauf von Flugrouten festgelegt. Diese Festlegung ist allerdings eine planerische Entscheidung. 75 So auch Schulze-Fielitz (Fn. 22), § 47d Rn. 93, mit der Einschränkung, die Erfüllung der planerischen Umsetzungspflicht werde an die finanziellen und rechtlichen Möglichkeiten „vor Ort“ gebunden.
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sehenen verkehrsbehördlichen Anordnungen zu treffen. Das ist zu bejahen, sofern man nicht den Standpunkt einnimmt, die Lärmaktionspläne seien Ausdruck der durch Art. 28 GG gewährleisteten gemeindlichen Selbstverwaltung. Fällt die Durchführung einer in dem Lärmaktionsplan vorgesehenen Maßnahme nichtplanerischer Art dagegen in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Trägers öffentlicher Verwaltung, so ist dieser verpflichtet, die Maßnahme durchzuführen, sofern er dazu von Rechts wegen in der Lage ist76. So verhält es sich, wenn in dem soeben genannten Beispiel der Lärmaktionsplan nicht von einer kreisfreien, sondern von einer kreisangehörigen Gemeinde beschlossen wird. Denn die zur Durchführung der festgelegten straßenverkehrsbehördlichen Maßnahmen ist in diesem Falle die Kreisverwaltung. Steht die Durchführung der Maßnahme im Ermessen des Trägers öffentlicher Verwaltung, so wird dieses Ermessen durch die Bindungswirkung des Lärmaktionsplans überlagert und damit ausgeschaltet; es schrumpft gewissermaßen auf Null, sodass der Träger öffentlicher Verwaltung verpflichtet ist, die Festlegung des Lärmaktionsplans umzusetzen77. Das ist freilich sehr umstritten78. 76 Ebenso Jarass (Fn. 24), § 47d Rn. 14 a.E.; Cancik (22), § 47d Rn. 14b, 21a und 29a. Dagegen meint Heitsch (Fn. 24), § 47a Rn. 57 59, die Systematik der Umgebungslärmrichtlinie (sic!) spreche eher gegen eine strikte Verbindlichkeit der Lärmaktionspläne. Außerdem dienten sie – anders als die Maßnahmepläne nach der Luftqualitätsrichtlinie – nicht dazu, gemeinschaftsrechtlich zwingend vorgegebene Grenzwerte einzuhalten; vielmehr hätten die Mitgliedstaaten ein weites Ermessen, Lärmschutzziele zu definieren. Ausnahmen seien nur anzuerkennen, soweit die Aktionspläne Maßnahmen zum Schutz vor Lärmbelastungen mit potentiell gesundheitsschädlichen Auswirkungen enthalten; diese Maßnahmen müssten zwingend durchgeführt werden. An späterer Stelle (§ 47d Rn. 45) schreibt Heitsch, Die Bindung anderer Behörden an die Lärmaktionspläne sei i.d.R. deutlich weniger strikt als die Bindung an die Pläne gemäß § 47 Abs. 2 BImSchG. Anders als im Luftqualitätsrecht würden Ermessens- und Abwägungsklauseln des nationalen Rechts grundsätzlich nicht gemeinschaftsrechtlich überlagert. Ausnahmen hiervon seien die Fälle, in denen ein Lärmaktionsplan solche Maßnahmen vorschreibt, die anhand der maßgeblichen nationalen Grenzwerte als potentiell gesundheitsschädlich eingestuft wurden. Die Reduzierung einer derartigen Lärmbelastung sei gemeinschaftsrechtlich zwingend erforderlich. Erstaunt liest man wenig später (Rn. 46), die Behörden seien an die in den Lärmaktionsplänen festgelegten Maßnahmen gebunden und verpflichtet, diese mit ihren Mitteln durchzusetzen, wobei sie an die Voraussetzungen der in Frage kommenden Eingriffsermächtigungen gebunden seien. Sofern die Ermächtigungsgrundlagen der Behörde Ermessen einräumt, werde dieses durch den Aktionsplan grundsätzlich nicht reduziert (Rn. 47), es sei denn, es gehe um die Verhinderung einer potentiell gesundheitsschädlichen Lärmbelastung, dann sei das Ermessen auf Null reduziert (Rn. 48). 77 So dürften auch Cancik (Fn. 22), § 47d Rn. 29a, und Scheidler/Tegeter (Rn. 24), § 47d Rn. 62, zu verstehen sein. 78 Die Meinungen weichen erheblich voneinander ab und lassen sich kaum auf einen gemeinsamen Nenner bringen: Stettner (Fn. 20), § 47d Rn. H 3, lehnt eine Ermessensreduktion auf Null ab und führt aus, das dem Träger öffentlicher Verwaltung eingeräumt Ermessen bestehe trotz Festlegung durch den Aktionsplan weiter; dieser sei bei der Ermessenbetätigung
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(b) Rechtsbehelfe der Gemeinde zur Durchsetzung der Festlegungen Weigert sich der zur Umsetzung der Maßnahme verpflichtete Träger öffentlicher Verwaltung, seiner Verpflichtung nachzukommen, so stellt sich die Frage, ob die Gemeinde ihn dazu zwingen kann. Das setzt einen entsprechenden Anspruch der Gemeinde voraus. Sofern man annimmt, dass der Lärmaktionsplan Ausfluss des durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten Selbstverwaltungsrechts ist, könnte man möglicherweise aus dieser Vorschrift einen Anspruch der Gemeinde herleiten79. Dieser Weg ist jedoch versperrt, wenn man – wie ich – davon ausgeht, dass die Lärmaktionsplanung nicht durch Art. 28 GG geschützt ist. Nicht ganz ausgeschlossen scheint mir jedoch, unmittelbar aus § 47 Abs. 6 in Verbindung mit § 47a Abs. 6 BImSchG einen Anspruch der Gemeinde darauf herzuleiten, dass die zur Umsetzung der Lärmaktionsplanung verpflichteten Träger öffentlicher Verwaltung die gemeindlichen Festlegungen auch tatsächlich umsetzen. Denn wenn man einen solchen Anspruch ablehnt, wird die Durchsetzbarkeit des Lärmaktionsplans entscheidend geschwächt. Welche prozessualen Mittel der Gemeinde zur Verfügung stehen, hängt davon ab, welche Rechtsnatur die Maßnahme hat, die von dem Träger öffentlicher Verwaltung vorgenommen werden soll. Zur Durchsetzung der Geschwindigkeitsverminderung auf 30 km/h wäre eine Verpflichtungsklage der Gemeinde gegen den Landkreis auf Erlass einer entsprechenden verkehrsbehördlichen Anordnung, verbunden mit einer allgemeinen Leistungsklage auf Anbringung der Verkehrszeichen, der geeignete Rechtsbehelf. (c) Rechtsbehelfe des Bürgers zur Durchsetzung der Festlegungen Da die Festlegungen ausschließlich im Allgemeininteresse und nicht (auch) im Interesse einzelner Bürger getroffen werden, haben diese keinen verwaltungsgerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Durchführung der Maßnahme gegen den als wesentlicher Gesichtspunkt zu beachten. Repkewitz (Fn. 25) VBlBW 2006, 409 ff., 416, meint, die Aufnahme einer Maßnahme in den Lärmaktionsplan führe zwar nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null, wohl aber nach Art des intendierten Ermessens zu einer Verstärkung und Akzentuierung der für die Maßnahme sprechenden Belange. Röckinghausen (Fn. 34), I + E 2014, 230 ff., 233, schreibt, in der Regel sei die Bindungswirkung so stark, dass nur eine Umsetzung des Plans in Betracht komme; im Einzelfall könne der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dazu führen, dass eine vom Plan divergierende Entscheidung getroffen wird. Schulze-Fielitz (Fn. 22), § 47d Rn. 97 f., ist der Ansicht, obwohl der Lärmaktionsplan die anderen Behörden unmittelbar binde, könne er deren eigene gesetzlich vorgegebene Ermessensentscheidungen nicht ersetzen oder entbehrlich machen. Der Lärmaktionsplan müsse deshalb in seinem Maßnahmenteil mit den anderen Behörden abgestimmt sein, damit diese sich dadurch in ihrer Ermessensbetätigung selbst binden könnten. Erst dadurch könnten sie durch den Aktionsplan in ihrem Ermessen eingeschränkt sein. Unter Umständen sei auch eine Ermessenseinschränkung auf Null denkbar. 79 So Kupfer (Fn. 34), NVwZ 2012, 784 ff., 791.
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Träger öffentliche Verwaltung80 und ebenso wenig einen Anspruch gegen die Gemeinde darauf, dass sie gegen den Träger der öffentlichen Verwaltung vorgeht, um ihn zur Durchführung der Maßnahme zu zwingen. (d) Rechtsbehelfe von Umweltschutzverbänden zur Durchsetzung der Festlegungen In Erwägung zu ziehen ist jedoch, ob Umweltschutzverbände die Umsetzung von zwingenden Festlegungen eines Lärmaktionsplanes erzwingen können. Im Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) ist weder die Zulässigkeit noch die Begründetheit von Rechtshelfen, die von Umweltschutzvereinigungen erhoben werden, davon abhängig, dass ihnen ein subjektiv-öffentliches Recht zustehen kann oder zusteht. Gemäß § 2 Abs. 1 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) kann eine anerkannte Umweltschutzvereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen einlegen, wenn die Vereinigung geltend macht, dass eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 UmwRG oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen und für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht. Der Umweltschutzverband braucht also nicht die Verletzung eigener Rechte geltend zu machen, sondern lediglich darzulegen, dass die angegriffene Maßnahme oder das gerügte Unterlassen gegen eine Rechtsvorschrift verstößt, die dem Umweltschutz dient. Wird eine zwingend formulierte Festlegung von dem verpflichteten Träger öffentlicher Verwaltung nicht umsetzt, so verstößt dieses Unterlassen gegen § 47 Abs. 6 i.V.m. § 47a Abs. 6 BImSchG, die fraglos dem Umweltschutz dienen. Fraglich kann allerdings sein, ob eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 mwRG unterlassen wird, wenn der Träger öffentlicher Verwaltung seiner UmU setzungsverpflichtung nicht nachkommt. Auf diese schwierige Frage kann ich hier nicht eingehen81. 80 BVerwG, Urteil vom 14. 4. 2010 – 9 A 43.08, juris Rn. 46 (Aus den §§ 47f ff. ergebe sich zwar eine Pflicht der zuständigen Behörde auf Erarbeitung von Lärmkarten und zur Aufstellung von Lärmaktionsplänen, aber kein Anspruch auf Anordnung einer Schutzauflage durch die Planfeststellungsbehörde); BVerwG, Urteil vom 10. 10. 2012 – 9 A 18.11, juris Rn. 20 (insoweit in BVerwGE 144, 343 ff. nicht abgedruckt): Aus einem Lärmaktionsplan ergäben sich keine Schutzansprüche einzelner Lärmbetroffener); VG Ansbach, Urteil vom 7. 12. 2007 – AN 10 K 06.02910 und AN 10 K 06.03593, juris Rn. 32; Stettner (Fn. 20), § 47d Rn. H 2; Jarass (Fn. 24), § 47d Rn. 17 (kein Anspruch auf Durchsetzung der Maßnahmen des Plans); Scheidler/Tegeter (Rn. 24), § 47d Rn. 76. Das VG Berlin, Urteil vom 7. 5. 2013 – 10 K 301.11, ZUR 2013, 556 ff., bezweifelt das Bestehen eines solchen Anspruchs. – Röckinghausen (Fn. 34), I + E 2014, 230 ff., 234 f., bejaht einen Anspruch des Bürgers auf Planvollzug für den Fall, dass sich der Lärm im Bereich gesundheitsschädlicher Werte bewegt.
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Zur Abrundung nur so viel: Für die Begründetheit der Klage eines Umweltverbandes wäre § 2 Abs. 5 UmwRG maßgebend. Danach ist der Rechtsbehelf begründet, soweit die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassung gegen umweltschützenden Vorschriften verstößt, ohne dass es darauf ankommt, ob diese drittschützend sind. 81
(2) Umsetzung planerischer Maßnahmen Nach § 47d Abs. 6 in Verbindung mit § 47 Abs. 6 BImSchG hat der zuständige Planungsträger die Festlegungen eines Aktionsplans nicht durchzusetzen, sondern lediglich zu berücksichtigen. In einem solchen Fall steht dem Träger öffentlicher Verwaltung ein Planungsermessen (planerische Gestaltungsfreiheit) zu Gebote. Er muss die Festlegung des Aktionsplans in die Abwägung der Belange miteinbeziehen. Ob sich die Festlegung dabei gegenüber widerstreitenden anderen Belangen durchsetzt, ist nicht gesichert. Das klassische Beispiel für diese Fallgestaltung ist eine Festlegung, die durch Aufnahme in einen Bebauungsplan umgesetzt werden soll, z.B. durch die Festsetzung, dass zum Schutz vor Lärm bestimmte Abstände zwischen künftig zu errichtenden Gebäuden einzuhalten sind oder dass lärmintensive bauliche Anlagen in einem bestimmten Gebiet nicht errichtet werden dürfen oder dass die Gebäude auf den Grundstücken in bestimmter Art und Weise angeordnet werden müssen, um die Bewohner vor Lärm zu schützen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis § 47d Abs. 6 i.V.m. § 47 Abs. 6 Satz 2 BImSchG zu § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB Buchst. g steht. Nach dieser Vorschrift ist bei der Aufstellung der Bauleitpläne (also des Flächennutzungsplans und der Bebauungspläne) die Darstellung von Plänen des Immissionsschutzrechts zu berücksichtigen. Zu diesen zählen auch die Lärmminderungspläne. Deren Zielvorstellungen sind deshalb bei der Aufstellung der Flächennutzungs- und Bebauungspläne in die Abwägung der mit einander konfligierenden Belange einzustellen82. Auf den ersten Blick scheinen beide Vorschriften identische Regelungen zu enthalten. Die immissionsschutzrechtlichen Bestimmungen dürften jedoch über die baurechtliche in einer Hinsicht hinausgehen: Während die baurechtliche Vorschrift lediglich für den Fall gilt, dass die Gemeinde einen Flächennutzungs- oder Bebauungsplan aufstellen oder ändern will, äußern die immissionsschutzrechtlichen Bestimmungen darüber hinaus eine Art „Anstoßwirkung“: Die Gemeinde ist meines Erachtens verpflichtet, ein entsprechendes Bau81 Röckinghausen (Fn. 34), I + E 2014, 230 ff., 235 f., neigt dazu, den Umweltverbänden ein Klagerecht auch für die Durchsetzung von Festlegungen des Lärmaktionsplans zuzuerkennen. 82 Dürnberger, in: Spannowsky/Uechtritz (Fn. 10), § 1 Rn. 104.14; Porger (Fn. 10), S. 392 (Rn. 75) [aufgrund einer überholten Fassung des BauGB, was aber in diesem Falle am Ergebnis nichts ändert, da die von ihm ausgelegte Bestimmung ohne Änderung ihres Inhalts lediglich verschoben worden ist.].
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leitplanverfahren einzuleiten. In ihm ist zu prüfen, ob ein neuer Bebauungsplan aufzustellen oder ein bestehender Bebauungsplan zu ändern ist, um die Festlegungen des Lärmaktionsplans umzusetzen. Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB heranzieht. Danach haben die Gemeinden Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Dies wird man annehmen dürfen, wenn ein Lärmaktionsplan bestimmte Maßnahmen verlangt, welche die Aufstellung oder Änderung des Flächennutzungs- oder eines Bebauungsplans voraussetzt. § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB betont, dass der gemeindlichen Verpflichtung zur Aufstellung eines Bauleitplans kein entsprechender Anspruch des Bürgers korrespondiert. Ein solcher Anspruch lässt sich auch nicht aus den beiden immissionsschutzrechtlichen Vorschriften ableiten. Umstritten83, aber zu bejahen ist, ob zu den Planungen im Sinne des Satzes 2 auch die Planfeststellungen zählen, die für den Bau oder die wesentliche Änderung von Straßen, Straßenbahnen und Eisenbahnen erforderlich sind. Denn auch in diesen Verfahren ist eine planerische Abwägung der mit einander konfligierenden Belange erforderlich. Demzufolge sind entsprechende Festlegungen eines Lärmaktionsplans bei der Straßenplanung84 und bei der Planfeststellung für den Ausbau eines Flughafens85 als öffentlicher Belang in die Abwägung einzustellen. In einem Lärmaktionsplan festgelegte „Ruhige Gebiete“ sind bei der Festlegung von Flugrouten nicht absolut gegen eine Lärmzunahme geschützt; sie sind in die Abwägung einzustellen, jedoch nicht unüberwindbar86.
VI. Die Lärmminderungsplanung der Stadt Mainz 1. Die Lärmminderungsplanung in Rheinland-Pfalz In Rheinland-Pfalz gibt es drei Ballungsräume: die Städte Mainz, Ludwigshafen und Koblenz. Sie sind verpflichtet, jeweils für ihr Gebiet eine Lärmkartierung vorzunehmen und einen Lärmaktionsplan aufzustellen. Für die übrigen Städte und Gemeinden mit bis zu 80.000 Einwohnern wird die Lärmkartierung durch das Land Rheinland-Pfalz durchgeführt, da diese Kommunen dazu mangels entsprechend qualifizierten Personals nicht in der Lage sind. Das Land bedient sich dabei des Zentrums für Bodenschutz und Flächenhaushalts-
83 Stettner (Fn. 20), § 47d Rn. H 4, neigt der Ansicht zu, Planfeststellungen seien keine Planung im Sinne des Satzes 2. Ihm stimmt Jarass (Fn. 24), § 47d Rn. 15, zu. 84 OVG Bremen, Urt. vom 18.2.2010 – 1 D 599/08, juris Rn. 43; SächsOVG, Beschluss vom 25.1.2012 – 4 A 873/10, UPR 2012, 197 f. = LKV 2012, 133 f., juris Rn. 9. 85 OVG Schleswig-Holstein, Beschl. vom 14.3.2011 – 1 MR 19/10, juris Rn. 80. 86 OVG Berlin-Brandenburg, Urt. vom 14.6.2013 – OVG 11 A 20.13, ZUR 2013, 678 ff. = NuR 2014, 366 ff., juris Rn. 43.
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politik der Fachhochschule Trier/Umwelt-Campus Birkenfeld87. Die Städte mit mehr als 80.000 Einwohnern müssen die Kartierung – ebenso wie die Ballungsräume – selbst vornehmen. Die Lärmaktionspläne werden von den Städten und Verbandsgemeinden aufgestellt, sofern sie dazu verpflichtet sind. Das ist dann der Fall, wenn durch das Gemeindegebiet Hauptverkehrsstraßen (§ 47b Nr. 3 BImSchG) oder Haupteisenbahnstrecken (§ 47b Nr. 4 BImSchG) verlaufen, deren Lärmemissionen die Wohnbevölkerung belästigen. Das bedeutet, dass längst nicht alle rheinland-pfälzischen Gemeinden Lärmaktionspläne aufstellen müssen. 2. Die Lärmminderungsplanung der Stadt Mainz Mainz hat neuesten Meldungen zufolge 210.000 Einwohner und ist daher ein „Ballungsraum der 2. Stufe“, der deshalb eigentlich erst in der 2. Stufe zur Lärmminderungsplanung verpflichtet gewesen wäre88. Trotzdem hat die Stadt bereits bei der 1. Stufe an der Lärmminderungsplanung teilgenommen. Denn durch das Stadtgebiet verlaufen Hauptverkehrsstraßen mit mehr als 16.440 Kfz/Tag sowie Schienenstrecken mit mehr als 60.000 Züge/Jahr. Für diese Strecken hätte eine Lärmkartierung durchgeführt und hätten Lärmaktionspläne aufgestellt werden müssen, selbst wenn Mainz kein Ballungsraum wäre. Um gleich „Nägel mit Köpfen zu machen“, hat sich die Stadt seinerzeit entschlossen, gleich auch die übrigen Straßen in die Planung einzubeziehen, wie dies für einen Ballungsraum erforderlich ist. Im Oktober 2007 lagen die Lärmkarten für das Straßennetz vor, im Juni 2008 die vom Eisenbahn-Bundesamt erarbeiteten Lärmkarten für die Eisenbahnstrecken im Stadtgebiet. Auf dieser Grundlage wurde der Lärmaktionsplan für die Landeshauptstadt Mainz von der Stadtverwaltung ausgearbeitet und am 29. April 2009 vom Stadtrat beschlossen89. Zurzeit wird dieser Plan „fortgeschrieben“, d.h. unter Berücksichtigung der seitherigen Entwicklung auf den neuesten Stand gebracht. Aktualisierte Lärmkarten, die von einem darauf spezialisierten Unternehmen erarbeitet wurden, liegen seit 2012 vor90. Nachdem die Öffentlichkeitsbeteiligung Ende vorigen Jahres (2014) stattgefunden hat91, kann damit gerechnet werden, dass der überarbeitete Lärmak87 Siehe dazu den Leitfaden „Strategische Lärmkartierung 2012 Rheinland Pfalz“, abrufbar unter http://www.umgebungslaerm.rlp.de/. 88 Ausarbeitung von Lärmkarten bis 30.6.2012 (§ 47c Abs. 1 Satz 2 BImSchG), Aufstellung eines Lärmaktionsplans bis 18.7.2013 (§ 47d Abs. 1 Satz 2 BImSchG). 89 Der Lärmaktionsplan von 2009 ist abrufbar unter https://www.mainz.de/C1256D6E 003D3E93/files/LAP_2009_gebunden.pdf/$FILE/ LA P_2009_gebunden.pdf. 90 http://www.mainz.de/C1256D6E003D3E93/files/201208_StrategischeLaermkartie rung.pdf/$FILE/201208_StrategischeLaermkartierung.pdf. 91 Während bei der Öffentlichkeitsbeteiligung für den Lärmaktionsplan 2009 nur eine einzige Stellungnahme abgegeben wurde, gingen im vorigen Jahr 200 bis 300 Stellungnahmen ein.
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tionsplan92 im Verlauf dieses Jahres (2015) vom Stadtrat beschlossen und damit wirksam werden wird. 3. Lärmkarten der Stadt Mainz Die Stadt hat im Jahre 2012 erneut Lärmkarten für den Straßenverkehrslärm, den Schienenverkehrslärm der Straßenbahnen, den Gewerbelärm und den Flug lärm des Fluglandeplatzes Mainz-Finthen erstellt. Von der Stadt nicht erfasst ist der Lärm, der von den Schienenstrecken der Eisenbahn und des Flughafens Frankfurt im Stadtgebiet erzeugt wird. Denn die Daten hierfür werden vom Eisenbahn-Bundesamt, einer Bundesbehörde, bzw. vom Hessischen Landesamt für Umwelt und Geoinformation, einer hessischen Landesbehörde, erhoben. Der Lärm, der von den Kraftfahrzeugen, der Straßenbahn, den Industrie- und Gewerbebetrieben sowie von den Flugzeugen erzeugt wird, wurde – wie dies allgemein üblich ist – nicht gemessen, sondern mit Hilfe bestimmter Modelle berechnet. Bezugspunkt dieser Berechnungen war jeweils die Außenfassade der Häuser, die an der Straße liegen. Der Berechnung zugrunde gelegt wurden unter anderem Daten dazu, wie viele Fahrzeuge die betreffende Straße benutzen, wie hoch die Geschwindigkeit der Fahrzeuge ist, wie die Straße beschaffen ist (z.B. Breite, Straßenbelag), wie groß der Abstand der Fahrbahn von den Gebäuden ist. Berechnet wurden jeweils Lärmindizes für den gesamten Tag (LDEN)93 und für die Nacht (22 bis 6 Uhr, LNight). Alles das fand seinen Niederschlag in sieben mehrfarbigen Lärmkarten, aus denen ersichtlich ist, wie groß der Lärm ist, dem die Straßenanwohner am Tage und in der Nacht ausgesetzt sind. Ferner wurde eine Betroffenenstatistik erstellt, indem ermittelt wurde, wie viele Personen in den Gebäuden leben und demzufolge von dem Lärm betroffenen sind. 4. Ergebnisse der Lärmkartierung der Stadt Mainz Die Lärmkartierung erbrachte unter anderem folgende Erkenntnisse94: Der meiste Lärm geht von den Straßen aus. 42.600 Mainzer sind tagsüber einem Straßenlärm von 55 dB(A) und mehr ausgesetzt. In der Nacht leiden sogar 48.500 Einwohner unter Straßenlärm von mindestens 45 dB(A). Das entspricht einem Bevölkerungsanteil von 22 bzw. 25 %. In den höheren Pegelbereichen sinkt die Anzahl der Lärmbetroffenen naturgemäß. Einem Straßenverkehrslärm von 65
92 Entwurf der Fortschreibung des Lärmaktionsplans: http://www.mainz.de/1256D6E 003D3E93/vwLookupImagesforLoad/LAP_Entwurf_ Stadt_Mainz_neu.pdf/$FILE/LAP_ Entwurf_Stadt_Mainz_neu.pdf. 93 Die international übliche Abkürzung DEN steht für Day, Evening und Night. 94 Planentwurf S. 7.
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dB(A) und mehr sind tagsüber immerhin noch 9500 Menschen ausgesetzt, einem nächtlichen Lärm von mehr als 55 dB(A) 10.000 Einwohner. Die Zahl der durch Straßenbahnlärm Betroffenen beträgt nur ein Zehntel der durch Straßenlärm gepeinigten Menschen. Dabei muss man berücksichtigen, dass in Mainz nur wenige Straßenbahnen verkehren. Eine neue Straßenbahnstrecke („Mainzelbahn“) ist zurzeit in Bau. Die Lärmbelastung von Einwohnern durch Industrie und Gewerbe ist gering und liegt höchstens im Pegelbereich zwischen 55 und 60 dB(A) am Tage und zwischen 45 und 55 dB(A) in der Nacht. Der Verkehrslandeplatz Mainz-Finthen verursacht – wie festgestellt wurde – keine nach der Umgebungslärmrichtlinie relevante Belastung von Einwohnern. Ganz anders verhält es sich mit dem Lärm, den die vom Frankfurter Flughafen startenden und auf ihm landenden Flugzeuge, die zu immer wiederkehrenden Protesten der Mainzer Bevölkerung provozieren. Näheres ergibt sich aus den Tabellen 1 und 2, die ich dem Entwurf des Lärmaktionsplans entnommen habe. Tabelle 1
Geschätzte Zahl der durch Straßenverkehrslärm belasteten Menschen LDEN in dB(A) Personen je Pegelklasse LDEN in dB(A) Personen aggregiert
> 55 bis ≤ 60
> 60 bis ≤ 65
> 65 bis ≤70
> 70 bis ≤75
> 75
22.400
13.600
7.500
1.800
200
> 55
> 60
> 65
> 70
> 75
45.500
23.100
9.500
2.000
200
(nach VBEB, gerundet auf die nächste Hunderterstelle), LDEN (24 h), aktualisierter Stand entsprechend Neuberechnung, Juni 2013
Tabelle 2
Geschätzte Zahl der durch Straßenverkehrslärm belasteten Menschen LNight [dB(A)] Personen je Pegelklasse LNight [dB(A)] Personen aggregiert
> 45 bis ≤ 50
> 55 bis ≤ 55
> 55 bis ≤ 60
> 60 bis ≤ 65
> 65
27.700
16.000
7.700
1.900
400
> 70
> 50
> 55
> 60
> 65
53.700
26.000
10.000
2.300
400
(nach VBEB, gerundet auf die nächste Hunderterstelle), LNight (6-22 h), aktualisierter Stand entsprechend Neuberechnung, Juni 2013
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5. Handlungsbedarf Die bei der Lärmkartierung festgestellte Lärmbelastung zeigt an, dass Handlungsbedarf besteht. Unterschieden wird vordringlicher und zusätzlicher Handlungsbedarf. Vordringlicher Handlungsbedarf besteht dort, wo der gemittelte Lärmpegel am Tage 70 dB(A) und nachts 60 dB(A) überschreitet, ergänzender Handlungsbedarf dort, wo der Geräuschpegel am Tage mehr als 65 (aber weniger als 70) und nachts mehr als 55 (aber weniger als 60) dB(A) beträgt95. Von Bedeutung für die Frage, wo der größte Handlungsbedarf besteht, ist ferner der Umstand, wie viele Personen an dem jeweiligen Ort betroffen sind. Diese sog. einwohnerbezogene Lärmbetroffenheit wurde über die LärmKennZiffer (LKZ)96 abschnittsweise und getrennt für Straßen- und Schienenverkehrslärm ermittelt. Hierbei fand eine Verschneidung der Lärmbelastungen und der davon betroffenen Einwohnerzahlen statt. Die LärmKennZiffer stellt eines der zentralen Kriterien zur Priorisierung dar und wurde für die festgelegten Maßnahmenbereiche, die in der Regel aus mehreren Abschnitten bestehen, neu berechnet. Ein weiteres Kriterium ist der Anteil der Wohngebäude im Maßnahmenbereich, die einen Gebäudepegel von mehr als 70 dB(A) am Tage aufweisen. In Abhängigkeit der Höhe der LKZ für Straßen- und/oder Straßenbahnverkehrslärm und dem Anteil der Wohngebäude mit Gesamtlärmbelastungen von mehr als 70 dB(A) am Tage wurden drei Prioritäten gebildet: Priorität 1: Maßnahmenbereiche mit einer LKZ Straße und/oder Straßenbahn > 200 und > 20% der Gebäude mit Lärmpegeln (Gesamtpegel Straße und Straßenbahn) LDEN > 70 dB(A). Priorität 2: Maßnahmenbereiche mit einer LKZ Straße und/oder Straßenbahn > 200 oder > 20% der Gebäude mit Lärmpegeln (Gesamtpegel Straße und Straßenbahn) LDEN > 70 dB(A). Priorität 3: alle weiteren Maßnahmenbereiche. Eine Anpassung der Prioritäten soll ggf. in den Maßnahmenbereichen erfolgen, in denen eine Zusatzbelastung durch Eisenbahnlärm auftritt, sobald das Eisenbahn-Bundesamt die erforderlichen Daten zur Verfügung gestellt hat. Auf diese Weise wurden 39 Maßnahmenbereiche festgelegt, von denen 8 der 1. Priorität, 22 der 2. und 9 der 3. Priorität zugeordnet sind. 95
Nach den Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung ist statistisch nachweisbar, dass bei einer Dauerbelastung mit Mittelungspegeln ≥ 65 dB(A) tags und ≥ 55 dB(A) nachts das Risiko von Herz- und Kreislauferkrankungen zunimmt. 96 Die LärmKennZiffer ist das Produkt aus der Anzahl der Menschen, die Lärmbelastungen über dem gesundheitlichen Schwellenwert (LDEN = 65 dB(A) oder LNight = 55 dB(A)) ausgesetzt sind, und dem Maß der Überschreitung dieser Werte. Die LKZ am Abschnitt wurde auf 100 m normiert, um unterschiedliche Abschnittslängen in den Untersuchungsnetzen auszugleichen.
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Der überwiegende Teil der Maßnahmenbereiche ist ausschließlich durch Kfz-Verkehrslärm belastet97. Deshalb betreffen die in Aussicht genommenen Maßnahmen zur Reduzierung des Lärms fast ausschließlich Straßen. 6. Bisherige Umsetzung des Lärmaktionsplans 2009 Die Fortschreibung des Aktionsplans muss nicht nur die Lärmminderungsmaßnahmen festlegen, die bis zur nächsten Fortschreibung in fünf Jahren (§ 47d Abs. 5 BImSchG98) verwirklicht werden sollen, sondern er muss auch darstellen, welche der Maßnahmen, die im Jahre 2009 geplant waren, in die Tat umgesetzt worden sind99. Diese Zwischenbilanz sieht einigermaßen ernüchternd aus100: „Die Maßnahmenempfehlungen des Lärmaktionsplans 2009 konnten bisher wie folgt umgesetzt werden: – eine Geschwindigkeitsreduzierung auf 30 km/h wurde z.T. umgesetzt, weitere Tempo-30-Strecken sind in Diskussion; grundsätzlich sind die Erfahrungen mit dieser Maßnahme positiv, – die Verbesserung des Verkehrsflusses wird sukzessive umgesetzt, – für Maßnahmen zur Verkehrsverlagerung sind konzeptionelle Vorarbeiten erforderlich, die bisher nicht erfolgt sind, – dem Einbau lärmmindernder Fahrbahnbeläge stehen Widerstände von Landesseite und auch Bedenken auf städtischer Seite entgegen, – die konkret empfohlenen straßenräumlichen Maßnahmen des Lärmaktionsplans 2009 wurden bisher nicht umgesetzt, u.a. da in den relevanten Bereichen überwiegend keine Baumaßnahmen anstanden, – für passiven Schallschutz stehen keine Mittel zur Verfügung.“
7. Maßnahmenempfehlungen für die nächsten fünf Jahre Das Kapitel 7 (S. 91 – 96) der Fortschreibung des Lärmaktionsplans enthält Empfehlungen für die Maßnahmen, die in den nächsten fünf Jahren101 ins Werk gesetzt werden sollen. Dabei ist dreierlei bemerkenswert:
97 Relevante Lärmbetroffenheiten durch den Straßenbahnverkehrslärm treten in vier Maßnahmenbereichen auf. Am Hauptbahnhof und in der Bahnhofstraße ist ausschließlich der Straßenbahnverkehr in die Lärmkartierung eingeflossen. 98 Siehe auch Anhang V Nr. 1 Spiegelstrich 9 der Umgebungslärmrichtlinie: Die Aktionspläne müssen u.a. die Maßnahmen enthalten, die die zuständigen Behörden für die nächsten fünf Jahre geplant haben. 99 Siehe Anhang V Nr. 1 Spiegelstrich 8 der Umgebungslärmrichtlinie: „die bereits vorhandenen … Maßnahmen“. 100 Entwurf der Fortschreibung Nr. 5.1.7 (S. 40). 101 Siehe Fn. 98.
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(1) Die Durchführung der Maßnahmen wird lediglich empfohlen, also nicht zwingend angeordnet. Schon aus diesem Grund können sie nicht zwangsweise durchgesetzt werden. (2) Sämtliche Maßnahmen sind von Organisationseinheiten der Stadt durchzuführen. Weder die Deutsche Bahn AG oder ihre Tochterunternehmen noch der Frankfurter Flughafen werden zu Maßnahmen aufgefordert. Es ist allerdings beabsichtigt, einen „Lärmaktionsplan Schiene“ nachzuschieben, sobald das Eisenbahn-Bundesamt aktuelle Kartierungsergebnisse vorgelegt hat102. Der Frankfurter Flughafen liegt außerhalb des Geltungs- und Einflussbereichs des Mainzer Lärmaktionsplans. (3) Ein erheblicher Anteil der empfohlenen Maßnahmen ist nicht neu, sondern fand sich bereits im Aktionsplan 2009, ist aber bisher nicht umgesetzt worden und soll nunmehr verwirklicht werden. Das Spektrum der empfohlenen Maßnahmen ist sehr eng. – Ganz im Vordergrund steht die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h (z. T. ganztägig, z. T. nur nachts). Die Kosten dafür werden mit 43.400 € veranschlagt. – An einigen Straßen sollen „straßenräumliche Maßnahmen“ in Gestalt von Fahrbahnerneuerungen oder -sanierungen vorgenommen werden. – Mangels finanzieller Mittel wird das Programm „Passiver Schallschutz“ (vor allem durch den Einbau von Schallschutzfenstern und Schalldämmlüftern) voraussichtlich auch in der neuen Planungsperiode nicht umgesetzt werden können. Vorgesehen ist passiver Schallschutz in zwei Bebauungsplänen. 8. Ruhige Gebiete Anders als der Lärmaktionsplan 2009 soll dessen Fortschreibung ein paar „ruhige Gebiete“ festlegen, wie sich aus der Tab. 9 ergibt: Name
Gesamtfläche (und Kernfläche ≤ 50) in ha
Lage
Nr.
Laubenheimer Höhe und Kesseltal
689 (604)
süd-westlich von Lauben heim
1
Ebersheimer Weinberge (Teilgebiete Sand und Hüttberg) und Umgebung
275 (266)
südlich und süd-westlich von Ebersheim
2
Laubenheimer Ried
281 (220)
südlich von Laubenheim
3
Höllenberg und Umgebung
211 (164)
westlich von Finthen
4
Gonsbachtal
129 (38)
bei Gonsenbach
5
102
So der Entwurf der Fortschreibung S. 1 (Einleitung).
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VII. Schlussbemerkungen Die Lärmminderungsplanung befindet sich noch in der Entwicklungsphase. Ihre Schwachpunkte liegen auf der Hand: Solange es im Belieben der zur Aufstellung des Lärmaktionsplans zuständigen Behörde steht, welche Art von Maßnahmen sie festlegen will und mit welchem Grad von Verbindlichkeit dies geschehen soll, ist der Lärmaktionsplan ein „zahnloser Tiger“. Dem könnte dadurch abgeholfen werden, dass das Bundes-Immissionsschutzgesetz dahingehend geändert wird, dass die für die Planaufstellung zuständige Behörde verpflichtet wird, verbindlich vorzuschreiben (und nicht nur zu empfehlen), dass der zuständige Träger öffentlicher Verwaltung innerhalb einer bestimmten Frist bestimmte lärmmindernde Maßnahme durchzuführen hat, wenn bei der Lärmkartierung festgestellt worden ist, dass an einem bestimmten Straßenabschnitt bestimmte Lärmpegel überschritten werden. Es steht zu erwarten, dass die EU-Kommission, der periodisch Bericht zu erstatten ist und die die Entwicklung in den Mitgliedstaaten aufmerksam beobachtet103, in dieser Richtung durch Änderung der Umgebungslärmrichtlinie tätig werden wird. Man muss sich allerdings im Klaren sein, dass bei einer derartigen Änderung der Rechtslage erhebliche Mehrkosten auf die zur Durchsetzung der Festlegungen zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung zukommen würden. Die Kritik an der gegenwärtigen Durchsetzungsschwäche der Lärmminderungsplanung soll keineswegs besagen, dass sie wertlos ist. Schon allein der Umstand, dass sich die zuständigen Behörden durch die Lärmkartierung bewusst machen müssen, wie hoch die Belastung der Bevölkerung mit Lärm ist, und dass sie darüber nachdenken müssen, welche Maßnahmen Abhilfe oder jedenfalls Linderung schaffen könnten und welche Prioritäten dabei zu setzen sind, hat seinen nicht zu unterschätzenden Wert. Die Lärmminderungsplanung ist eine Daueraufgabe, die spätestens alle fünf Jahre erneut auf der Tagesordnung steht, sodass auch immer wieder Rechenschaft darüber abgelegt werden muss, was geschafft worden ist und was unerledigt geblieben ist.
103 Siehe den Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Durchführung der Richtlinie über Umgebungslärm gemäß Artikel 11 der Richtlinie 2002/49/EG – KOM(2011) 321 endgültig: http://www.umgebungslaerm.nrw.de/materialien/ Mitteilungen_-_EU/Bericht_der_EU-Kommission_ueber_die_Durchfuerung_der_ULR. pdf.
Kommentar zum Beitrag von Hans-Werner Laubinger über das Thema Lärmschutzplanung, veranschaulicht am Beispiel der Stadt Mainz Von Hyun-Joon Kim Hyun-Joon Kim
Herr Professor Laubinger hat über die Lärmschutzplanung referiert, die es in Deutschland seit wenigen Jahren gibt. Da Lärm auch hierzulande eine der großen Plagen der heutigen Zeit ist, suchen wir nach immer besseren Lärmbekämpfungsstrategien. Aus diesem Grund habe ich das Referat mit großem Interesse gehört. Auffallend ist zunächst, dass die Handlungsform der Planung als ein effektives Instrument für Lärmbekämpfung in Deutschland funktioniert. Bei uns gibt es zwar ein Gesetz über das Management von Lärm und Erschütterungen. Das aus 60 Paragraphen bestehende Gesetz verwendet aber überwiegend ordnungsrechtliche Instrumente. Eine Ausnahme bildet § 27 des Gesetzes, wonach die Behörde Bereiche zum Schutz vor Lärm und Erschütterungen, die durch Verkehr hervorgerufen werden, festsetzen kann. Das koreanische Gesetz enthält seit Kurzem auch eine Vorschrift über die Lärmkartierung. Nach § 2 des Gesetzes über das Management von Lärm und Erschütterungen kann die Behörde eine Lärmkarte ausarbeiten; gleichzeitig wurde der Umweltminister ermächtigt, nähere Regelungen zu erlassen. Weil die daraufhin erlassene Rechtsverordnung m.E. verbesserungsbedürftig ist, wäre eine rechtsvergleichende Untersuchung der einschlägigen deutschen und koreanischen Regelungen sehr wertvoll und hilfreich. Ebenfalls interessant ist, was Prof. Laubinger über den Zusammenhang zwischen der Lärmminderungsplanung und dem Rechtsschutz nach der Verwaltungsgerichtsordnung und dem Umweltrechtsbehelfsgesetz ausgeführt hat. Dabei handelt es sich u.a. um die Fragen, welche Rechtsnatur der Lärmaktionsplan hat und wem die Klagebefugnis zusteht, um gegen diesen Plan vorzugehen. Das könnte auch hierzulande sehr interessant sein. Weil es in Korea kein Gesetz über Umweltverbandsklagen gibt, kann ich hierauf nicht eingehen. Ich habe in der Literatur mehrfach gefordert, in Korea die Umweltverbandsklage einzuführen, insbesondere um das Recht auf Zugang zu den Gerichten in Umweltangelegenheiten zu gewährleisten. Leider ist das bisher nicht geschehen. Im heutigen Beitrag finde ich die wichtige Rechtsschutzmöglichkeit durch Verbandsklage. Die Notwendigkeit, diese Klagemöglichkeit auch in Korea einzuführen, möchte ich hervorheben.
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Nun möchte ich ein paar Fragen stellen, und zwar zu Problemen, auf die Prof. Laubinger in seinem Vortrag nicht näher eingegangen ist, die aber hierzulande von Bedeutung sind. Die erste Frage betrifft die Stadt Mainz. Nach herrschender Meinung ist die Lärm aktionsplanung Ausdruck der gemeindlichen Selbstverwaltung, während Prof. Laubinger anderer Meinung ist. Auch wenn man der herrschenden Meinung zustimmt, wird die Gemeinde durch Bundesgesetz, nämlich das Bundes-Immissionsschutzgesetz, zur Aufstellung von Lärmaktionsplänen ermächtigt. Deshalb möchte ich wissen, ob es eine eigene Satzung zur Lärmbekämpfung in Mainz, unabhängig von Bundes- oder Landesgesetz, gibt. Die zweite Frage betrifft den sog. „Lärm zwischen Etagen“, der kein Geräusch im Freien und kein Umgebungslärm ist, weshalb diese Problematik in Ihrem Referat nicht behandelt wurde. In Korea gibt es relativ mehr Appartements als in Deutschland. Deshalb ist der Nachbarschaftslärm, insbesondere der Lärm in Mehrfamilienhäusern, zu einem großen Problem geworden. Wenn es öffentlich-rechtliche Instrumente zur dieser Problematik in Deutschland gibt, wäre ich sehr dankbar, wenn diese vorgestellt werden könnten.
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren Dr. Namchul Chung, Univ.-Prof., Sookmyung Women’s University, Seoul Dr. Annette Guckelberger, Univ.-Prof., Universität des Saarlandes Saarbrücken Dr. Hee-Gon Kim, Univ.-Prof., Woosuk University, Korea Dr. Hyun-Joon Kim, Univ.-Prof., Yeungnam Univ. Law School, Korea Dr. Sung-Soo Kim, Univ.-Prof., Yonsei Universität Seoul Dr. Hans-Werner Laubinger, Univ.-Prof., Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Dr. Byoung-Hyo Moon, Univ.-Prof., National University of Kangwon Dr. Shin, Okju, Univ.-Prof., Chonbuk University, Korea Dr. Ralf P. Schenke, Univ.-Prof., Universität Würzburg Dr. Wolf-Rüdiger Schenke, Univ.-Prof., Universität Mannheim Dr. Bo Cook Seo, Univ.-Prof., Chungnam University, Daejeon Dr. Dr. Jong Hyun Seok, Univ.-Prof., President /Korean Public Land Law Association Dr. Dr. h.c. (NUM) Jan Ziekow, Univ.-Prof., Direktor des Deutschen Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung Speyer