Privatisierung des Fernmeldehoheitsrechts?: Zum rechtlichen Handlungsrahmen einer Neuordnung der Deutschen Bundespost [1 ed.] 9783428464722, 9783428064724


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Privatisierung des Fernmeldehoheitsrechts?: Zum rechtlichen Handlungsrahmen einer Neuordnung der Deutschen Bundespost [1 ed.]
 9783428464722, 9783428064724

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 539

Privatisierung des Fernmeldehoheitsrechts? Zum rechtlichen Handlungsrahmen einer Neuordnung der Deutschen Bundespost

Von

Wolfgang Schatzschneider

Duncker & Humblot · Berlin

WOLFGANG SCHATZSCHNEIDER Privatisierung des Fernmeldehoheitsrechts?

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 539

Privatisierung des Fernmeldehoheitsrechts? Zum rechtlichen Handlungsrahmen einer Neuordnung der Deutschen Bundespost

Von Prof. Dr. Wolfgang Schatzschneider

Duncker & Humblot * Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Schatzschneider, Wolfgang: Privatisierung des Fernmeldehoheitsrechts?: Zum rechtl. Handlungsrahmen e. Neuordnung d. Dt. Bundespost / von Wolf gang Schatzschneider. - Berlin: Duncker u. Humblot, 1988 (Schriften zum Öffentlichen Recht; Bd. 539) ISBN 3-428-06472-0 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1988 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin 61 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3-428-06472-0

Vorwort In der Bundesrepublik Deutschland steht derzeit die Neuordnung des Fernmeldewesens im Blickpunkt des öffentlichen Interesses. Die gesamte Struktur des historisch gewachsenen Telekommunikationsbereichs ist ins Wanken geraten. Das ordnungspolitische Umfeld ist durch Bestrebungen zu einem Abbau von Regulierungsinstanzen gekennzeichnet. In dieser Untersuchung soll der Frage nachgegangen werden, welche Möglichkeiten und Grenzen einer Deregulierung das Verfassungsrecht aufzeigt. Dabei wird die Deutsche Bundespost nicht als Ganzes, sondern lediglich mit ihrem Fernmeldebereich in die Betrachtung einbezogen. München, im April 1988 Wolfgang Schatzschneider

Inhaltsverzeichnis I. Einführung II. Die gewachsene Aufgabenstellung der Deutschen Bundespost

11 13

1. Geschichte des Fernmeldemonopols

13

2. Der (einfach-)gesetzliche Umfang des Fernmeldemonopols

15

3. Die Rechtsform der Deutschen Bundespost

18

III. Zur gegenwärtigen Diskussion um das Fernmeldemonopol

21

1. Die Deutsche Bundespost als Mischinstitution aus Hoheitsinstanz und öffentlichem Unternehmen 21 2. Verhalten der Deutschen Bundespost gegenüber den Nutzern

22

3. Zur wettbewerbspolitischen Kritik am Zulassungs- und Anschließungsverfahren 24 IV. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen einer Deregulierung . . . . . . 27 1. Zur Anwendung von Grundrechten auf Verwaltungsmonopole

27

2. Direktruf-Entscheidung des BVerfG und Art. 12 GG

30

3. Zur Netzträgerschaft der Deutschen Bundespost

31

4. Postalische Alleinrechte bei Breitbandverteilnetzen

. 33

5. Monopolisierung des Endgerätebereichs

34

6. Alleinrechte bei „Mehrwertdiensten"

35

V. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Organisation der Deutschen Bundespost 37 1. Zum Garantiegehalt von Organisationsnormen

37

2. Verselbständigung der Deutschen Bundespost

38

3. Zu den strukturellen Vorschlägen der „Regierungskommission Fernmeldewesen" 39 VI. Europäisches Gemeinschaftsrecht und nationale Fernmeldemonopole 1. Zum Stand der Telekommunikationspolitik in der Gemeinschaft

. 41 . . . 41

2. Das wettbewerbsrechtliche Instrumentarium der EG-Kommission .. 42

8

Inhaltsverzeichnis

VII. Exkurs: Neuordnung der Telekommunikationsmärkte im Ausland

. . . . 46

1. USA

46

2. Großbritannien

47

3. Japan

48

4. Sonstige Staaten

49

VIII. Zum telekommunikationspolitischen Handlungsrahmen - Ausblick

Literaturverzeichnis

. . . 50

52

Abkürzungen a. Α. a.a.O. abgedr. abl. ABl. Abs. AIP a.M. Anm. AöR ArchPF Art. / Artt. Aufl. Az. B. BayVBl. Bd. Begr. Bespr. BGB1. BGH BGHZ BT-Dr BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE DBP ders. DÖV Dt. Btg. DuK DVB1. EDS EG EuGH EuR f., ff. FAG

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anderer Ansicht am angegebenen Ort abgedruckt ablehnend Amtsblatt Absatz Archiv für Presserecht anderer Meinung Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts Archiv für das Post- und Fernmeldewesen Artikel Auflage Aktenzeichen Beschluß Bayerische Verwaltungsblätter Band Begründung Besprechung Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Drucksachen des Deutschen Bundestages Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Deutsche Bundespost derselbe Die Öffentliche Verwaltung Deutscher Bundestag Demokratie und Recht Deutsches Verwaltungsblatt Elektronisches Datenvermittlungssystem Europäische Gemeinschaft Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Europarecht folgende Fernmeldeanlagengesetz

10 FS FTZ Fußn. GG Hrsg. ISDN IuR JbDBP JuS JZ Komm. krit. m.w.N. NJW NVwZ o. PostVerwG RGBl. RGSt RN TKO

TWG u. Verh. VerwArch vgl. WuW ZBR zit. ZögU ZUM zust.

Abkürzungen Festschrift Fernmeldetechnisches Zentralamt Fußnote Grundgesetz Herausgeber Integrated Services Digital Network (Dienstintegriertes digitales Netz) Informatik und Recht Jahrbuch der Deutschen Bundespost Juristische Schulung Juristenzeitung Kommentar kritisch mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht oben Postverwaltungsgesetz Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Randnote Verordnung über die Bedingungen und Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen des Fernmeldewesens (Telekommunikationsordnung - TKO) vom 5. November 1986 (BGBl. IS. 1749) i. d. F. der Neubekanntmachung vom 16. Juli 1987 (BGBl. IS. 1761) Telegraphenwegegesetz Urteil Verhandlungen Verwaltungsarchiv vergleiche Wirtschaft und Wettbewerb Zeitschrift für Beamtenrecht zitiert Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht / Film- und Recht zustimmend

Die Abkürzungen folgen im übrigen Hildebert Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 3. Aufl., Berlin 1983.

I. Einführung Die Privatisierung öffentlicher Unternehmen und Leistungen ist ein politischer Dauerbrenner. I n der oft emotional oder ideologisch geführten Diskussion wird eine „Revision der Staatstätigkeit" 1 gefordert. Ausgangspunkt der K r i t i k ist ein allgemeines Unbehagen an der staatlichen Tätigkeit und der damit verbundenen „Bürokratie": Nur Privatunternehmer seien in der Lage, öffentliche Leistungen besser und billiger zu erbringen 2 . Auch die Deutsche Bundespost bleibt von solchen regelmäßig erhobenen Privatisierungsforderungen, die sich sowohl auf das Fernmeldenetz als auch auf den Endgerätemarkt beziehen, nicht verschont. Die postalische Tätigkeit soll dem Wettbewerb zugänglich gemacht werden. Vornehmlich die „Endgeräte-Politik" zieht K r i t i k an. Auseinandersetzungen auf diesem Gebiet haben Tradition: Bereits um die Jahrhundertwende äußerte die Fernmeldeindustrie ihr Unbehagen über ihre zu geringe Beteiligung am Markt für Fernsprech-Nebenstellenanlagen - ein Streit, der auf dem Wege informeller Verhandlungen beigelegt wurde 3 . Ende der 70er Jahre war es anläßlich der Einführung des Telefax- und Teletext-Dienstes zu Kontroversen zwischen dem Bundespost- und dem Bundeswirtschaftsministerium gekommen, die nur durch eine freiwillige Beschränkung des postalischen Anteils am Endgerätemarkt beigelegt werden konnten 4 .1985 waren beide Ministerien erneut uneinig - diesmal über die Art der Beteiligung der Bundespost auf dem Endgerätemarkt für multifunktionale Telefone (Multitel). Der Bundeswirtschaftsminister verweigerte sogar sein nach § 14 PostVerwG erforderliches Einvernehmen für eine Gebührenverordnung 5 . Ein Anfang 1987 veröffentlichtes 1

So Jahresgutachten 1975 des Sachverständigenrats, BT-Dr 7/4326, S. 137. So Wilfried Lange, JZ 1981, 698 Anm. 6 unter Hinweis auf eine Untersuchung Harrier's; krit. zu diesem Argument und zu den ordnungspolitischen Aspekten: Schatzschneider, NVwZ 1984, 87; ders., ArchPF 1988, 85ff.; Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 16; ebenso Rüfner, ZRP 1982, 182; Graffe / Bilgmann, JbDBP 1980, 197ff.; zur Einbeziehung gesellschaftlicher und sozialer Aspekte in Privatisierungsüberlegungen: Fees, ZBR 1980, 88. 3 Vgl. dazu Scherer, S. 402. 4 Vgl. Hesse, S. 70; ferner Scherer, S. 402ff. 5 Dazu Eidenmüller, DÖV 1985, 522. 2

12

I. Einführung

FDP-Arbeitspapier macht der Bundespost die Netzhoheit streitig und spricht sich für eine Neustrukturierung und Deregulierung des gesamten Fernmeldebereichs aus6. Die Bundesregierung hat am 13. März 1985 eine „Regierungskommission Fernmeldewesen" mit Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik eingesetzt, die die Aufgabenstellung der Bundespost im Fernmeldebereich analysieren und für ihre weitere Entwicklung gegebenenfalls Änderungsvorschläge unterbreiten sollte. Der Untersuchungsauftrag an die Regierungskommission läßt grundsätzlich auf eine Änderungsbereitschaft im Hinblick auf die Organisation der Fernmeldeverwaltung schließen. Eine wesentliche Einschränkung wurde der Kommission aber gleich mitgegeben: „Bei der Untersuchung soll von der in Art. 73 und 87 GG vorgegebenen Zuständigkeit des Bundes für das Post- und Fernmeldewesen sowie den im PostVerwG festgelegten Grundlinien der Verfassung der DBP ausgegangen werden." 7

Die Kommission ist in dem im Herbst 1987 fertiggestellten Abschlußbericht der Meinung, daß die veränderte Aufgabenstellung im Bereich der Telekommunikation in Zukunft eine Intensivierung des Wettbewerbs sowie eine organisatorische Trennung der Hoheitsaufgaben von den Unternehmensaufgaben der Bundespost erfordert 8 . Die Monopolrechte der Bundespost haben - wie es Lerche ausdrückt „verfassungsrechtlich eher dahingedämmert", auf einem „bequemen Polster einer gewissen natürlichen Selbstverständlichkeit" 9 . Das öffentlich-rechtliche Rundfunkmonopol ist durch den vor allem kabelbedingten Wegfall der Frequenznot ins Wanken geraten. Die Herausbildung neuer elektronischer Medien hat einen fast revolutionären Umbruch in der bundesrepublikanischen Medienstruktur und Medienpolitik ausgelöst 1 0 . Eine ähnliche Entwicklung läßt sich für die Hoheitsrechte der Bundespost im Fernmeldewesen nicht völlig ausschließen. Der Fernmeldezwang oder das Fernmeldemonopol sieht sich verfassungsrechtlichen Fragen nach seiner weiteren Existenzberechtigung ausgesetzt11.

6 Vgl. Süddeutsche Zeitung Nr. 39 vom 17.2.1987, S. 21 und Nr. 54 vom 6.3.1987, S. 31; Der Spiegel Nr. 38 vom 14.9.1987, S. 40ff. 7 Witte, Gutachten, S. 9; dazu auch Plagemann / Bachmann, DÖV 1987, 807. 8 Witte, Gutachten, S. Iff. und 107ff. 9 Lerche, in: Mestmäcker, Kommunikation, S. 140. 10 So Degenhart, BayVBl. 1986, 577. 11 Beuscher, NJW 1985, 1194.

Π. Die gewachsene Aufgabenstellung der Deutschen Bundespost 1. Geschichte des Fernmeldemonopols Nachdem seit der Mitte des 19. Jahrhunderts die elektrische Energie zur Nachrichtenübermittlung verwendet werden konnte, hatten sich auch die staatlichen Telegrafenverwaltungen auf diesem Gebiet betätigt 1 2 . In Anlehnung an das Postregal nahm der Staat auch ein Telegrafenregal in Anspruch - ein nach der damaligen Verfassungslage jedoch umstrittenes Alleinrecht. Der Reichsgesetzgeber entschloß sich deshalb, dem Streit ein Ende zu bereiten und jegliche Zweifel an dem Alleinrecht auszuschließen13. 1892 wurde das Telegrafengesetz (TG) erlassen, dessen § 1 bestimmte: „Das Recht, Telegraphenanlagen für die Vermittlung von Nachrichten zu errichten und betreiben, steht ausschließlich dem Reich zu. Unter Telegraphenanlagen sind die Fernsprechanlagen mitbegriffen. " 1 3 a

Eine nähere Bestimmung des Begriffs der Telegrafenanlage hielt der Gesetzgeber im Hinblick auf eine Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 1889 für entbehrlich 14 . Nach der Entscheidung des Gerichts in einer Strafsache gehörte zum „Wesen der ,Telegraphenanstalten'" „... jede Nachrichtenbeförderung, welche nicht durch den Transport des körperlichen Trägers der Nachrichten von Ort zu Ort, sondern dadurch bewirkt wird, daß der an einem Orte zum sinnlichen Ausdrucke gebrachte Gedanke an einem anderen entfernteren Orte sinnlich wahrnehmbar wieder erzeugt w i r d " 1 5 . Zwar wurde bei den Ausschußberatun12 Vgl. hierzu die Nachweise bei Badura, Das Verwaltungsmonopol, S. 203 Anm. 82; ferner Hesse, S. 6. 13 Begr. des Regierungsentwurfs, Verh. des Reichstags 1890/92, Bd. 112, Drucks. Nr. 308, S. 2104; zur historischen Entwicklung des Fernmeldewesens ferner BVerfGE 46, 120/140ff.; Eidenmüller, DÖV 1985, 526. 13a Gesetz über das Telegraphenwesen des Deutschen Reiches vom 6. April 1892 (RGBl. S. 467). 14 Begr. des Regierungsentwurfs zu § 1 TG (o. Fußn. 13). 15 RGSt 19, 55/58.

14

II. Die Aufgabenstellung der Deutschen Bundespost

gen mehrfach angeregt, § 1 TG genauer zu fassen und das Regal der Postverwaltungen einzuengen; es wurde eine Lähmung der technischen Entwicklung durch einen zukunftsoffenen Monopolbegriff befürchtet. Die Ausschußmehrheit war der gegenteiligen Meinung; sie wollte den Begriff der Telegrafenanlage für zukünftige technische Entwicklungen offenhalten 1 6 . Eine bedeutsame Änderung erfuhr das Telegrafengesetz durch die sogenannte Funkgesetznovelle von 1908 17 . Zweck dieser Bestimmung war nicht, das Fernmeldehoheitsrecht des Reichs auf die drahtlose Telegrafie auszuweiten. Man war ohnehin der Meinung, daß auch der Funk zu den Telegrafenanlagen des § 1 TG gehöre und damit ausschließlich vom Reich betrieben werden dürfe. Durch die Gesetzesänderung sollte vielmehr die Sicherheit des Funkverkehrs dadurch verstärkt werden, daß die in § 3 TG vorgesehenen Ausnahmen von den Beschränkungen des Telegrafenregals beseitigt wurden, soweit sie sich auf Funkanlagen bezogen. Zur Sicherung der Landesverteidigung und zur Einhaltung internationaler Abmachungen hielt man eine Aufhebung der Ausnahmevorschriften für den Funk erforderlich 18 . Diese Entwicklung macht deutlich, daß bereits damals der Begriff der Telegrafenanlage umfassend verstanden wurde. Auf diesem historischen Hintergrund baut das Fernmeldeanlagengesetz auf. Das vorgenannte Telegrafengesetz erfuhr gegen Ende des Jahres 1927 eine Neufassung 19 . Gemäß Art. I I I dieses Änderungsgesetzes wurde das Telegrafengesetz nunmehr unter der Überschrift „Gesetz über Fernmeldeanlagen (FAG)" neu bekanntgemacht 20 . Der Begriff der Telegrafenanlage wurde durch den der Fernmeldeanlage ersetzt, was sachlich keine Änderung bedeutete 21 . Die Nachfolgeregelung übernahm trotz Textänderungen und -erweiterungen in § 1 FAG die wesentlichen Elemente der früheren Norm, insbesondere den staatlichen Ausschließlich-

16

Bericht der XVI. Kommission, Verh. des Reichstags 1890/92, Bd. 116, Drucks. Nr. 460, S. 2702f.; Hesse, S. 6f. 17 Gesetz, betreffend die Abänderung des Gesetzes über das Telegraphenwesen des Deutschen Reiches vom 6. April 1892, vom 7. März 1908 (RGBl. S. 79). 18 Verh. des Reichstags 1908, 85. Sitzung, S. 2590 f. 19 Gesetz zur Änderung des Telegraphengesetzes vom 3. Dezember 1927 (RGBl. I S . 331). 20 Gesetz vom 14. Januar 1928 (RGBl. I S. 8). 21 Begr. des Regierungsentwurfs zum FAG, Verh. des Reichstags 1924, Bd. 419, Nr. 3682, S. 6.

2. Der (einfach-) gesetzliche Umfang des Fernmeldemonopols

15

keitsanspruch 22 . Die Geschichte des Fernmeldemonopols ist - wie Hesse 23 betont - weitgehend eine Geschichte des Begriffs der Telegrafenbzw. Fernmeldeanlage. Dies bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die heutige Auslegung - besonders die des BVerfG, das sich in seiner Direktruf-Entscheidung bei der Interpretation des Begriffs der Fernmeldeanlage in § 1 I FAG von den aufgezeigten historischen Bezügen hat leiten lassen 24 . Von Bedeutung ist auch das Telegrafenwegegesetz (TWG) von 1899 25 , das anders als das Fernmeldeanlagengesetz in den 20er Jahren nicht neu gefaßt werden mußte. Während der Anwendungsbereich des Fernmeldeanlagengesetzes auf „Funkanlagen" ausgedehnt wurde, blieb die Terminologie des Telegrafenwegegesetzes unverändert 26 . Das Telegrafenwegegesetz ist heute noch in Kraft und räumt der Post das Recht ein, öffentliche Wege für die Verlegung ihrer Leitungen unentgeltlich zu nutzen - ein vornehmlich von den Gemeinden heftig angegriffenes Privileg 27 . Neben dieser Kosteneinsparnis braucht sich die staatliche Fernmeldeverwaltung nicht auf den Abschluß von Gestattungsverträgen verweisen zu lassen, für die Verlegung genügt eine Planfeststellung 28 .

2. Der (einfach-)gesetzliche Umfang des Fernmeldemonopols Die Deutsche Bundespost greift in die Wirtschaft des Nachrichtenverkehrs mit großen Folgewirkungen ein; im Rahmen dieser Allein- oder Monopolrechte an bestimmten Kommunikationseinrichtungen schließt sie alle anderen Wirtschaftssubjekte von einer Betätigung aus 29 . In welcher gesetzlichen Vorschrift sind diese Alleinrechte festgeschrieben?

22

So Eidenmüller, DVB1. 1987, 604. S. 7. 24 BVerfGE 46, 120/140 ff. 25 RGBl. S. 705. 26 Vgl. Scherer, S. 71. 27 Vgl. dazu im einzelnen: Beuscher, NJW 1985,1191 ff.; Dombert, NVwZ 1986, 277ff.; Vieweg, DÖV 1986, 909ff.; Allgaier, ArchPF 1987,14ff. - Der Streit um die Anwendbarkeit des TWG auf die Verlegung von Breitbandkabeln ist zwischenzeitlich positiv für die Postverwaltung geklärt (vgl. BVerwG, NJW 1987, 2096f.). 28 Hierzu näher S eher er, S. 71 und Hesse, S. 19. 29 So Herrmann, S. 174. 23

16

II. Die Aufgabenstellung der Deutschen Bundespost

Die rechtliche Grundlage des Fernmeldemonopols ist in § 1 FAG zu suchen. Im Grundgesetz sind zwar einige Aussagen zum Post- und Fernmeldewesen zu finden. Da ist zum einen Art. 73 Nr. 7 GG, wonach der Bund die ausschließliche Gesetzgebung auf dem Gebiet des „Post- und Fernmeldewesens" hat. Nach Art. 87 11 GG wird die Bundespost „ i n bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau" geführt. Ausdrückliche Feststellungen zum Monopol fehlen aber. Der Begriff des Fernmeldemonopols oder synonyme Ausdrücke wie Fernmeldezwang, Fernmeldehoheitsrecht, Alleinrechte usw. kommen im Grundgesetz nicht vor, sind keine Verfassungsbegriffe 30. Vielmehr werden aufgrund der Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz des Bundes aus Artt. 73 Nr. 7 und 87 I GG einfachgesetzlich eine Daseinsvorsorge- und Betriebspflicht des Bundespostministers für das Fernmeldewesen (§§ l f . PostVerwG) und Alleinrechte des Bundes bei Fernmeldeanlagen (§§ l f . FAG) statuiert. Das Recht, Fernmeldeanlagen zu betreiben, steht nach § 1 FAG ausschließlich dem Bund zu, der es durch den Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen ausübt. Der Umfang der Monopolisierung hängt von einer Auslegung des Begriffs der „Fernmeldeanlage" in § 1 FAG ab. Genauso wenig wie das Grundgesetz enthält das Fernmeldeanlagengesetz eine nähere Bestimmung. Das Fernmeldewesen besteht in der körperlosen Übermittlung von Gedankengut; geschieht dies durch die menschliche Sprache, handelt es sich um Fernsprechen, erfolgt die Reproduktion an einen anderen Ort durch Zeichen, spricht man von Telegrafie 31 . Das BVerfG hat in bislang zwei Entscheidungen das Objekt der Alleinrechte, die Fernmeldeanlage bzw. den Begriff des Fernmeldewesens, präzisiert. In der Direktruf-Entscheidung 32 bezeichnete das Gericht die körperlose Nachrichtenübermittlung als wesentliches Merkmal einer Fernmeldeanlage. Das Gericht hat es für entbehrlich gehalten, daß das Gesendete am Empfangsort sinnlich wahrnehmbar ist; es wurde für genügend erachtet, wenn die Nachricht am Empfangsort in irgendeiner Weise reproduziert - etwa gespeichert wird 3 3 . Auch eine digitale Nachrichtenübertragung soll dem Begriff des Betriebs von Fernmeldeanlagen unterfallen. Wenngleich sich das

30

32 33

Lerche (o. Fußn. 9), S. 144; ebenso Badura, ArchPF 1981, 267. So Hesse, S. 12. BVerfGE 46, 120/144. Dazu auch Eidenmüller, ArchPF 1986, 309.

2. Der (einfach-) gesetzliche Umfang des Fernmeldemonopols

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Gericht mit der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Fernmeldemonopols nicht auseinandergesetzt, diese Frage vielmehr ausdrücklich offengelassen hat, so wurde der Begriff der Fernmeldeanlage recht weit gezogen, auch auf „neuartige Übertragungstechniken" erstreckt 34 . Bereits in der Weimarer Republik versuchte die Reichspost, die Veranstaltung von Rundfunksendungen in eigene Regie zu nehmen; sie berief sich auf das Fernmeldemonopol. I n einem Kompromiß mit dem Innenministerium, das seinerseits den Rundfunkbereich beanspruchte, einigte man sich auf eine auch heute noch gültige Formel: Die Post ist lediglich für die Technik zuständig 35 . Im ersten Fernsehurteil 36 hat sich das BVerfG zu den Kompetenzvorschriften des Bundes aus Artt. 73 Nr. 7 und 87 I GG geäußert und den aus den 20er Jahren rührenden Streit, ob zur Fernmeldekompetenz auch Rundfunkveranstaltungen gehören, geklärt: Die Tätigkeit der Deutschen Bundespost wurde auf die Errichtung und den Betrieb von Funkanlagen, auf die Regelung technischer Vorgänge begrenzt. Die „Studiotechnik" gehört nicht mehr zum Vorgang des Übertragens und damit zum Fernmeldewesen. Das Monopol oder Zwangsrecht der Deutschen Bundespost ist - legt man den einfachgesetzlichen Wortlaut des Fernmeldeanlagengesetzes zugrunde - dermaßen umfassend, daß es - wie Aubert hinweist „begrifflich gar nicht erweitert werden kann" 3 7 . Wenn überhaupt können Bemühungen um eine Einschränkung oder Modifizierung der Alleinrechte nur auf verfassungsrechtlicher Ebene ansetzen; das vorkonstitutionelle und einfache Fernmeldeanlagengesetz muß einer verfassungskonformen und restriktiven Interpretation zugeführt werden. Emmerich beklagt die - jedenfalls einfachgesetzliche - Totalität des Monopols auf dem Fernmeldesektor: Mit der technischen Entwicklung, mit der Integration der Netze und mit der Möglichkeit, immer neue Geräte an die Netze anzuschließen, wächst das Monopol kontinuierlich m i t 3 8 . Die Post 34

BVerfGE 46, 120/144. Vgl. hierzu Fessmann, Rundfunk und Rundfunkrecht in der Weimarer Republik, S. 28 und 34; Hesse, S. 8. 3 6 BVerfGE 12, 205/227. 37 So Aubert, Fernmelderecht, S. 89. - Das Alleinrecht wird herkömmlicherweise aufgespalten in ein Netzmonopol (Fernmeldeleitungsrecht) und in ein Endgerätemonopol (Fernmeldeanlagenrecht im engeren Sinn) - so Eidenmüller, ArchPF 1986, 309. Zum Begriff des „Gestaltungsmonopols".(post-, teilnehmereigene oder private Endstelleneinrichtungen nach § 27 TKO), vgl. Hesse, S. 17 ff. 35

2 Schatzschneider

18

. Die Aufgabenstellung der Deutschen Bundespost

wäre sogar berechtigt, ihr (Endgeräte-)Monopol auf alle Rundfunkund Fernsehempfangsgeräte und Anlagen zur Datenverarbeitung zu erstrecken, sofern nur Leitungswege der Post benutzt werden 39 .

3. Die Rechtsform der Deutschen Bundespost Die Deutsche Bundespost hat im Staatsaufbau der BRD die Form der unmittelbaren Staatsverwaltung. Sie nimmt ihre Aufgaben nicht als selbständiger Träger wahr, sondern ist - wie sich aus § 11 PostVerwG ergibt - als Bundesverwaltung in das staatliche Aktionsgefüge eingegliedert 4 0 . Eine juristische Hilfskonstruktion ist § 4 I PostVerwG, wonach die Bundespost im Rechtsverkehr unter ihrem eigenen Namen auftreten kann und ihr die aktive und passive Prozeßführungsbefugnis zukommt. Dies ändert nichts an der verfassungsrechtlichen Vorgabe aus Art. 87 11 GG, wonach die Deutsche Bundespost in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau geführt wird. Das dem Post- und Fernmeldewesen gewidmete Vermögen ist ein Sondervermögen des Bundes mit eigener Haushalts- und Rechnungsführung und von dem übrigen Bundesvermögen getrennt zu halten (§ 3 I I PostVerwG). Der Post- und Fernmeldebereich hat eine Verpflichtung zur „Eigenwirtschaftlichkeit" 41 . Diese „etwas zwiespältige Doppelnatur der Post, Verwaltung und Unternehmen" 42 , geht zurück auf das Reichspostfinanzgesetz von 1924, an dessen Grundstruktur das derzeit gültige Postverwaltungsgesetz festgehalten hat: Das Vermögen der Reichspost wurde als Sondervermögen mit eigener Haushalts- und Rechnungsführung aus

38

AfP 1984, 15. - Zur Rechtfertigung einer ständigen Erweiterung des Dienstleistungsangebots (Diversifikation), insbesondere aufgrund der „Substitutionsverluste", vgl. Eidenmüller, DÖV 1985, 527; dersDÖV 1986, 415; ders., ArchPF 1985, 341. 39 Dazu Hesse, S. 12; krit. auch Herrmann, S. 188; Mestmäcker, in: Mestmäcker, Kommunikation, S. 166; zweifelnd zur Verfassungsmäßigkeit des Monopols für Rundfunkempfangsgeräte, deren Benutzung derzeit durch eine allgemeine Genehmigung nach § 2 FAG gestattet ist: Bullinger, Kommunikationsfreiheit im Strukturwandel der Telekommunikation, S. 89 Anm. 205 und Günter Herrmann, AöR 90 (1965), 286 und 333. 40 So Herrmann, S. 111 und 208; Plagemann / Bachmann, DÖV 1987, 812. 41 Herrmann, S. 111 und 162. 42 Kohl, ArchPF 1987, 329.

3. Die Rechtsform der Deutschen Bundespost

19

dem allgemeinen Reichsvermögen ausgegliedert; ihre Ausgaben mußte sie von nun an ausschließlich aus ihren Einnahmen decken 43 . Seit 1914 mußte das Reich die durch Krieg und Inflation bedingten Verluste abdekken; dies wurde nun ausgeschlossen44. Reformbestrebungen zur Änderung der Organisationsstruktur gab es in der Vergangenheit immer wieder. Im Gegensatz zu der in Art. 87 I G G ebenfalls genannten Schwesterverwaltung, der Deutschen Bundesbahn, kommt der Bundespost keine gegenüber der Bundesverwaltung verselbständigte Geschäftsführung zu. Der Bundestag hat 1964 eine Sachverständigenkommission eingesetzt, die vorschlug, die Bundespost in eine bundeseigene Anstalt des öffentlichen Rechts mit eigenen Organen (Vorstand und Verwaltungsrat) umzugestalten 45 . 1969 wurde eine „Kommission Deutsche Bundespost" eingesetzt, deren Vorschläge die Grundlage für einen Ministerialentwurf eines „Gesetzes über die Unternehmensverfassung der Deutschen Bundespost" bildete 46 . Auch hier sollte die unmittelbare Einbindung in die Bundesverwaltung und das Übergewicht politischer Einflüsse auf die Postverwaltung abgeschwächt werden. Der Gesetzentwurf ist im Beratungsnetz der gesetzgebenden Körperschaften unverabschiedet hängengeblieben 47 . Diese bemerkenswerten, jedoch gescheiterten Versuche zu einer Statusänderung bei der Deutschen Bundespost hatten damals den Hintergrund der etwas prekären Finanzlage der Post- und Fernmeldeverwaltung 48 . Es wurde als entscheidender Mangel der geltenden Postverfassung angesehen, daß die Spitzenpersonen sich im ständigen Widerstreit zwischen politischen und unternehmerischen Interessen befinden, eine Möglichkeit zu einem echten Managementverhalten nicht besteht 49 . Die K r i t i k punkte in der gegenwärtigen Diskussion gehen in eine andere Richtung. Dies ist zum einen der Verbund von Ordnungsaufgaben und Betrieb, wei-

43

Herrmann, S. 95. Badura, JbDBP 1977, 76 und 86; Herrmann, S. 112; Hesse, S. 8. 45 BT-Dr V/203; zur Erwiderung der Bundesregierung und des Postausschusses des Bundestages, vgl. BT-Dr V/3875 und V/4410. 46 Vgl. Herrmann, S. 112; ferner den Gesetzentwurf BT-Dr VI/1385 und 7/81. 47 Herrmann, S. 112; Gscheidle, JbDBP 1980, 26; Plagemann / Bachmann, DÖV 1987,812. 48 Vgl. hierzu Herrmann, S. 141. 49 So Herrmann, S. 114 f. 44

2'

20

II. Die Aufgabenstellung der Deutschen Bundespost

t e r h i n die - v o l k s w i r t s c h a f t l i c h k r i t i s c h betrachtete - V e r e i n i g u n g des Post- u n d Fernmeldewesens (Verlustausgleich des Postwesens d u r c h G e w i n n e des Fernmeldewesens) 5 0 .

50

Dem letzteren Aspekt soll in dieser Untersuchung nicht weiter nachgegangen werden. Der Kostenausgleich innerhalb der einzelnen Dienstzweige der Post, zwischen dem Fernmeldewesen/Postwesen und die Ablieferungspflicht nach § 211 PostVerwG ist verfassungsrechtlich nur schwer angreifbar und vom BVerf G gebilligt worden (BVerfGE 28, 66/85f. = NJW 1970, 892 L; ferner Vorprüfungsausschuß Β. v. 22.3.1984, NJW 1984, 1871; zust. Kohl, ArchPF 1987, 332; Eidenmüller, ArchPF 1985, 341; ders., DÖV 1985, 527; krit. dagegen Hesse, S. 81ff.; Herrmann, S. 163,172f. und 197ff.).

ΙΠ. Zur gegenwärtigen Diskussion um das Fernmeldemonopol 1. Die Deutsche Bundespost als Mischinstitution aus Hoheitsinstanz und öffentlichem Unternehmen Das BVerfG hat in der Entscheidung zum Verordnungsrecht der Bundespost festgestellt: „Was unter Post- und Fernmeldewesen im Sinne des in Art. 73 Nr. 7 GG gleichlautend gebrauchten Begriffs zu verstehen ist, ergibt sich hinreichend deutlich aus der historischen Entwicklung und nach dem allgemeinen Sprachgebrauch" 51 . Das Aufgabengefüge der Bundespost ist - mit anderen Worten - „nicht nach Systemüberlegungen zusammengesetzt worden, sondern hat sich in einer mehrhundertjährigen Geschichte herausgebildet" 52 . Die Aufgaben lassen sich nach der von Herrmann aufgestellten Systematik wie folgt aufgliedern: 1. Ordnungsaufgaben; 2. Betriebsauf gaben - mit Versorgungscharakter; - ohne Versorgungscharakter 53 . Die Deutsche Bundespost ist mit den ordnungs-, versorgungs- und unternehmerischen Aufgaben in diese Funktionsbereiche hineingewachsen 54 . Ist die Verbindung von Hoheits- und Unternehmensaufgaben heute noch aufrechtzuerhalten? Herrmann hat die Pro- und Kontra-Argumente herausgearbeitet: Für den Verbund von Ordnung und Betrieb sprechen einige positive Aspekte, wie z.B. beste Sachkunde und Praxisnähe, der unmittelbare Kontakt zu den Benutzern. Diese Organisationsform vermeidet personelle Doppelbesetzungen. Das Einheitsmodell ist jedoch unter ordnungspolitischen Aspekten problematisch. Die Fernmeldever51 BVerfGE 28, 66/85. 52 Herrmann, S. 82. 53 S. 53. 54

So Herrmann, S. 85.

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III. Zur gegenwärtigen Diskussion um das Fernmeldemonopol

waltung nimmt im Rahmen besonderer öffentlich-rechtlicher Beziehungen Leistungs- und Regulierungsaufgaben wahr 5 5 . Sie setzt als Regelungsbehörde die technischen Normen für die Geräte und für das gesamte System; sie ist damit Hoheitsinstanz mit Normsetzungsbefugnis 56 . Sie ist aber auch ein öffentliches Unternehmen, das von den Normen betroffen ist. Die hoheitlichen Regelungen beziehen sich lediglich auf Benutzer und Zulieferer, solange die Deutsche Bundespost über ein uneingeschränktes Monopol verfügt. Das „ordnungspolitische Problem" wird deutlich, sobald die Bundespost einem auch nur partiellen Wettbewerb ausgesetzt ist 5 7 . Die staatliche Verwaltung ist jedoch an vielen Stellen des Fernmeldesystems in Konkurrenz zu privaten Wirtschaftssubjekten tätig, verfolgt als Regelungsbehörde daneben noch eigene Interessen. Als eine „Mischinstitution aus Hoheitsinstanz und Unternehmen" 58 ist sie in der Lage - und wie die Vergangenheit gezeigt hat auch versucht, sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Herrmann drückt es anders aus: Sie vermag „das System so zu gestalten, daß es nicht nur technisch funktioniert, sondern ihr auch noch wirtschaftlichen Erfolg beschert" 59 . Schon früher wurde durch das Gutachten der Sachverständigenkommission für die Deutsche Bundespost (1965) und durch die Kommission Deutsche Bundespost (1970) eine Trennung der hoheitlich-ordnenden und der betrieblich-leistenden Funktionen und die Zuweisung an zwei voneinander unabhängige Institutionen empfohlen 60 - ein Vorschlag, den die Regierungskommission Fernmeldewesen wiederholt hat 6 1 .

2. Verhalten der Deutschen Bundespost gegenüber den Nutzern Die Wahrnehmung der Aufgaben und Befugnisse der Deutschen Bundespost im Fernmeldewesen ist hoheitliche Ausübung öffentlicher Verwaltung. Das gilt sowohl für den Nutzer posteigener Fernmeldeanlagen als auch gegenüber den Interessenten für die Errichtung und den Betrieb 55

Badura, ArchPF 1981, 269. So Herrmann, S. 120. 57 Vgl. Witte, Gutachten, S. 71. 58 Witte (o. Fußn. 57); krit. hierzu auch Mestmäcker, in: Mestmäcker, Kommunikation, S. 177f.; Knieps, Wettbewerb, S. 139f. 59 Herrmann, S. 120. 60 Vgl. die Nachweise oben Fußn. 45 bis 47. 61 Vgl. Witte, Gutachten, S. 70 ff. und 106 ff. 56

2. Verhalten der Deutschen Bundespost gegenüber den Nutzern

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privater Fernmeldeanlagen 62 . Die Benutzungsverordnungen sind Rechtssätze, die den Anforderungen des Art. 80 GG unterfallen. Sie bedürfen einer Ermächtigung, die in § 14 PostVerwG zu suchen ist 6 3 . Die inhaltliche Bestimmung des Postbenutzungsverhältnisses durch obrigkeitliche Normen hat „eine jahrhundertealte Tradition" 6 4 . Daß die Leistungsgewährung sich auch auf der Ebene der Gleichordnung abspielen kann, die „Wendung zum Öffentlich-Rechtlichen" 65 nicht zwingend ist, zeigt das Verhalten der Deutschen Bundesbahn, die bürgerlich-rechtliche Beförderungsverträge abschließt 66 . Nicht zutreffend ist die K r i t i k von Herrmann 61, der einwendet, daß Benutzungsbedingungen und Gebühren nicht - wie bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen - vereinbart, sondern in der Gestalt von Rechtssätzen verkündet werden. Er übersieht insoweit die Realitäten. Bei privaten Dienstleistungsunternehmen ist die Privatautonomie des Nachfragers aufgrund einseitig „erlassener" Allgemeiner Geschäftsbedingungen ebenfalls weitgehend aufgehoben 68 . Durch das Agieren der Postverwaltung im öffentlich-rechtlichen Bereich ist es ihr aber nicht möglich - und insoweit ist die K r i t i k von Herrmann berechtigt, sich durch Erproben an die richtige Bedingungsstruktur und an die angemessene Gebührenhöhe heranzutasten 69 . Sie muß besonders in der Anfangsphase neuer Dienste auf „Betriebsversuche" ausweichen, um sie aus der Starrheit des postalischen Normengefüges herauszuhalten 70 . Die Normenstarre der Benutzungsverordnungen macht es der Post weiterhin unmöglich, von den Regelbedingungen abzuweichen, besonders auf Großkunden zugeschnittene Benutzungs- und Preisbedingungen für den Einzelfall zu vereinbaren 71 .

6

2 Badura, ArchPF 1981, 469.

« Hesse, S. 72. 64 So Herrmann, S. 152. 65 Herrmann, S. 154. 66 Vgl. dazu Wiechert, JbDBP 1980,130 und 163; Plagemann / Bachmann, DÖV 1987, 812; Herrmann, S. 154; Witte, Gutachten, S. 39. 67 S. 152. 68 Krit. hierzu Kohl, ArchPF 1987, 332. 69 70 71

Herrmann, S. 153. Krit. dazu Scherer, S. 462 ff. So Herrmann, S. 155.

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III. Zur gegenwärtigen Diskussion um das Fernmeldemonopol

Auch die Regierungskommission Fernmeldewesen empfiehlt, die Rechtsverhältnisse zu den Nutzern privatrechtlich auszugestalten, ein „einheitliches Vertragsdenken" in allen Teilen des Telekommunikationsbereichs zu entwickeln 72 . Zivilrecht steht nicht im Gegensatz zu einem möglichen Erfordernis regulierter Entgelte - wie das Beispiel der Energiewirtschaft zeigt. 3. Zur wettbewerbspolitischen Kritik am Zulassungs- und Anschließungsverfahren Das Fernmeldemonopol hat nicht nur Auswirkungen auf der Angebotsseite; hier werden potentielle Mitwettbewerber ausgeschlossen. Das Monopol hat auch Auswirkungen auf Schritte, die dem Betreiben einer Fernmeldeanlage vorausgehen 73 . Endgeräte befinden sich zwar in aller Regel im Privatbereich des Teilnehmers. Das Fernmeldeanlagengesetz unterscheidet bei den Fernmeldeanlagen jedoch nicht zwischen dem Netz und den Endgeräten. Es rechnet zur Fernmeldeanlage einheitlich alle Einrichtungen, die zur fernmeldemäßigen Übertragung erforderlich sind 7 4 . Nach herrschender Meinung werden Endgeräte durch den Anschluß an das öffentliche Netz Bestandteil der postalischen Fernmeldeanlage 75 . Die Post unterwirft das gesamte Fernmeldewesen einer „Gestaltungskompetenz" 76 , wonach sie „die für die Teilnahme an öffentlichen Telekommunikationsdiensten jeweils erforderlichen technischen und betrieblichen Funktionsbedingungen festlegen kann" (§ 5 TKO). Das im öffentlichen Fernmeldewesen verwendete Material muß daher eine Typprüfung beim Fernmeldetechnischen Zentralamt (FTZ) durchlaufen - das sogenannte Zulassungsverfahren 77 . Bei vom Teilnehmer selbst beschafften Einrichtungen findet eine weitere Prüfung durch das jeweilige Fernmeldeamt in bezug auf die örtlichen Betriebsverhältnisse statt; das Verfahren endet mit einer Anschließungsgenehmigung oder Freigabe 72

Witte, Gutachten, S. 119; ebenso Herrmann, S. 224. So Hesse, S. 102. 74 So Wiechert, JbDBP 1980, 133. ™ BVerfGE 46, 120/144; Wiechert (o. Fußn. 74). 76 So Herrmann, S. 181; ferner Hesse, S. 17 („Gestaltungsmonopol"); Knieps, Wettbewerb, S. 64 und 108 („end to end control"). 77 Zur Organisation des FTZ, vgl. Monopolkommission, Sondergutachten Nr. 9, S. 47; Hesse, S. 17; Scherer, S. 78ff. 73

3. Zur Kritik am Zulassungs-und Anschließungsverfahren

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zum Betrieb 78 . Mit diesem Instrumentarium der Zulassungen und Genehmigungen hat es die Deutsche Bundespost in der Hand, den Sektor des Fernmeldewesens, den sie nicht selbst betreibt, maßgeblich zu bestimmen und zu steuern 79 . Es ist einsehbar, daß bei der Zulassung fernmeldetechnische Belange zu berücksichtigen sind: Ein Gerät muß so beschaffen sein, daß es bei seinen Benutzern oder Dritten keine physischen Schäden verursacht (Betriebssicherheit). Andere Netzbenutzer dürfen nicht durch irgendwelche Interferenzen gestört werden und damit schlechter kommunizieren können (Netzschutz). Zwischen Teilnehmern an einem offenen Netz mit verschiedenen Geräten muß eine Verständigung möglich sein (Kompatibilität) 8 0 . Diese fernmeldetechnischen Kriterien, die zu den Grundvoraussetzungen eines funktionierenden Fernmeldewesens gehören 81 , sind wie auch das BVerfG in der Direktruf-Entscheidung herausgestellt hat mit dem Grundgesetz vereinbar 82 . Problematisch ist aber die Hereinnahme von fernmeldebetrieblichen Versagungsgründen in das Zulassungsverfahren, bei denen es um Erleichterungen in der Abwicklung der Fernmeldedienste geht 83 . So verweigerte die Fernmeldeverwaltung die Zulassung von Geräten, bei denen sie ein Wartungsmonopol in Anspruch nimmt 8 4 , wegen zu hoher Wartungskosten 85 . Der Sicherung des Gebührenaufkommens diente die Zurückweisung von Geräten mit hohen Übertragungsgeschwindigkeiten; hier drohen Gebührenverluste 86 . Der Bundespost wird von Mestmäcker 87 vorgeworfen, daß sie bei ihren Zulassungsanforderungen über das technisch Notwendige hinausgehe und andere, in ihrem eigenen Betrieb liegende Interessen verfolge. Sie lasse eigennützige Erwägungen in das Zulassungsverfahren einfließen 88 . Die Deutsche Bundespost tritt in min78

Scherer, S. 78ff.; Herrmann, S. 181. So Herrmann, S. 40. 80 Knieps, Wettbewerb, S. 108; Hesse, S. 105. 81 So Hesse, S. 105. 32 BVerfGE 46, 120/146 und 155; ebenso E 25, 1/12. 83 So Hesse, S. 105; Herrmann, S. 181 f. 84 Etwa bei Telexeinrichtungen (§ 19 V TKO). es Vgl. Hesse, S. 105. 86 Hesse (o. Fußn. 85). 87 In: Mestmäcker, Kommunikation, S. 161 ff.; zur Debatte um die Zulassungspolitik, vgl. auch Scherer, S. 353 ff. 88 Herrmann, S. 120. 79

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III. Zur gegenwärtigen Diskussion um das Fernmeldemonopol

destens vier verschiedenen RoUen auf: als Hoheitsträger, der die technische Gestaltung bestimmt; als öffentlich-rechtlicher Anbieter dieser Einrichtungen; als Wettbewerber der privatwirtschaftlich handelnden Anbieter und als Kunde der eigenen Wettbewerber, bei denen sie ihren Bedarf deckt 89 . Um diese „schwer entwirrbaren Interessenkonflikte" 90 zu lösen, scheint aus wettbewerbspolitischen Gründen eine organisatorische Verselbständigung der Zulassungsfunktion erforderlich 91 . Es mag strittig sein, ob Fälle von Mißbrauch tatsächlich aufgetreten sind 9 2 . Wie Herrmann hinweist, genügt „allein die Möglichkeit, das Zulassungsverfahren mit Absichten der Selbstbegünstigung zu betreiben, ..., um die Wettbewerbsatmosphäre zu vergiften und das Vertrauen in die DBP als Ordnungsstifterin zu zerstören" 93 .

89

So Mestmäcker (o. Fußn. 87), S. 196. Mestmäcker (o. Fußn. 87). 91 Knieps, Wettbewerb, S. 112ff.; Herrmann, S. 224; Hesse, S. 102; Witte, Gutachten, S. 6 und 102 ff. 92 Zu dem bereits zweimal von der EG-Kommission eingesetzten gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsinstrumentarium, vgl. unten Kap. VI 2. 93 S. 201. 90

IV. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen einer Deregulierung 1. Zur Anwendung von Grundrechten auf Verwaltungsmonopole An dieser Stelle soll der Frage nachgegangen werden, ob und in welchem Ausmaß das Grundgesetz eine Monopolisierung zuläßt. Wann entwickeln Grundrechtspositionen eine Sperrwirkung gegen die Errichtung von Verwaltungsmonopolen? Gebieten Grundrechte gar eine Beschneidung von postalischen Aufgaben? Hierzu gibt es unterschiedliche Antworten. Die wohl weitgehendste Ansicht nimmt - trotz des etwas unklaren und zweifelhaften Wortlauts in Artt. 73 und 87 GG - eine Anerkennung des Fernmeldemonopols insgesamt durch das Grundgesetz an. Kirchhof 94 vertritt die Meinung, daß die Deutsche Bundespost kraft Verfassungsrecht notwendigerweise den gesamten Umfang des Fernmeldewesens in eigener Verantwortung halten muß. Begründet wird dies mit der vom Bundesverfassungsgericht 95 betonten Deckungsgleichheit der Begriffe „Post- und Fernmeldewesen" in Art. 73 Nr. 7 GG und „Bundespost" in Art. 8 7 1 1 GG. Das Fernmeldemonopol sei in Gestalt des § 1 FAG verfassungsrechtlich fixiert. Jede wesentliche Änderung im Aufgabenbestand, auch eine Öffnung zum Wettbewerb, soll gegen die Verfassung verstoßen. Teilweise wird auf die stillschweigende Billigung des Fernmeldemonopols durch den historischen Gesetzgeber verwiesen. Das bei Inkrafttreten des Grundgesetzes schon 60 Jahre alte Fernmeldemonopol sei zumindest in seiner Struktur im Großen - „gleichsam als vorrechtliches Gesamtbild" - vom Grundgesetz vorgefunden und anerkannt worden 96 . Eine derartige Ansicht, die von einem verfassungsrechtlich geforderten oder 94

DVB1. 1984, 657; krit. hierzu Lerche, in: FS für Obermayer, S. 77f. BVerfGE 12, 205/229; ferner Ossenbühl, Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der DBP, S. 30 Anm. 28; Scherer, S. 248. 96 Wiechert, JbDBP 1986, 138; ferner Bachof, in: Die Grundrechte HI/1, S. 201 f.; Klingler, ArchPF 1978,189; Püttner, ZögU 1981, Beiheft 4, S. 115ff. 95

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IV. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen

gebotenen Monopol 97 ausgeht, führt zu einer Festschreibung des Fernmeldemonopols nach § 1 FAG auf verfassungsrechtlicher Ebene und würde eine Überprüfung der Alleinrechte der Post anhand der Grundrechte - besonders Art. 12 GG - weitgehend entfallen lassen. Es wäre wie Hesse 98 betont - ein Zirkelschluß, wenn durch ein Hineininterpretieren eines einfachen vorkonstitutionellen Gesetzes in die Verfassung die Prüfung eines Monopols auf seine Verfassungsmäßigkeit entfiele. Eine gegenteilige Position gibt Art. 87 I GG eine „rein kompetenzielle Deutung" 9 9 . Es soll im Belieben des Gesetzgebers stehen, ob er die Deutsche Bundespost mit Aufgaben ausstattet und diese monopolisiert. Hier steht die Kompetenz des Bundes aus Art. 87 I GG unter weitgehender einfachgesetzlicher Disposition. Dies hätte zur Folge, daß die Schranken der Grundrechte unmittelbare Geltungskraft entfalten. Während die erstgenannte Ansicht zu einer kaum haltbaren Fixierung des Fernmeldemonopols führt, vernachlässigt die kompetenzielle Interpretation des Art. 87 I GG die materiellrechtlichen Wirkungen der die Bundespost betreffenden Kompetenznormen 100 . Die Wechselwirkung von Grundrechten und Kompetenznormen darf nicht übersehen werden. Den Kompetenznormen des Grundgesetzes w i r d in Rechtsprechung und Literatur mehr und mehr auch ein materieller Gehalt zugeordnet, der eine grundrechtsbegrenzende Wirkung hat 1 0 1 . Nach dem Prinzip der „Einheit der Verfassung" 102 , das als allgemeiner Grundsatz der Verfassungsinterpretation vom Bundesverfassungsgericht anerkannt ist, sind Organisationsbestimmungen bei der Lösung von Grundrechtskonflikten mit heranzuziehen. Es stellt sich also die Frage: Läßt sich aus Art. 87 I GG ein für das staatliche Fernmeldewesen notwendiges Begriffsminimum herauslesen, das im Hinblick auf seinen materiellen Gehalt zu einer Immunisierung 97

Dazu auch Witte, Gutachten, S. 3Iff. S. 46. 99 Vgl. die Nachweise bei v. Pestalozza, Der Staat 11 (1972), 161 ff.; ferner Lerche (o. Fußn. 94), S. 78. 100 Scherer, S. 642. 101 So etwa BVerfGE 14, 105/111; 41, 205/217; Badura, JbDBP 1977, 76/149; Ossenbühl (o. Fußn. 95), S. 27; Lerche, JZ 1972, 473; Lerche / ν . Pestalozza, Die Deutsche Bundespost als Wettbewerber, S. 32ff.; Wiechert (o. Fußn. 96), S. 123. 102 So Scherer, S. 642 f. 98

1. Zur Anwendung von Grundrechten auf Verwaltungsmonopole

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der Staatstätigkeit führt 1 0 3 . Lerche leitet aus Art. 87 I GG die Gewährleistung einer „effektiven Existenz der Bundespost" ab. Er hält den Bund für verpflichtet, der Bundespost einen „geschichtlich erschließbaren und für die Gegenwart aktualisierbaren Grundbestand an typischen Aufgaben postalisch-fernmelderechtlicher Natur" zuzuweisen 104 . Aus dem Gedanken der Leistungsstaatlichkeit folge, daß „traditionelle wie neue typische postalische Dienste, die ihrer Eigenart nach zum Felde des grundsätzlich für jedermann und jederorts sicherzustellenden, einheitliche Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik anstrebenden Leistungspotentials gehören, dann, aber auch nur dann, zum garantierten Bestand der Bundespost zählen, wenn und soweit dieser ihrer Eigenart nur durch staatliche Obhut genügt werden kann. Wann dies der Fall ist, ist eine Frage der Einzelfallprüfung" 1 0 5 . Es ist dem Bund verwehrt, die staatlicherseits zu erbringende Leistungsaufgabe völlig austrocknen zu lassen. Es ist ein Kernbereich „wesentlicher" Fernmeldedienstleistungen zu achten 106 . Mangels konkreter grundgesetzlicher Anhaltspunkte ist es dem einfachen Gesetzgeber, dem insoweit eine Konkretisierungskompetenz zukommt, vorbehalten, die Umrisse und Grenzen des Wettbewerbsbereichs festzulegen 107 . Die Befugnis des Bundes zur Monopolisierung hat aber nicht nur einen eröffnenden, sondern auch einen begrenzenden Charakter. Die Verpflichtung des Staates erstreckt sich nur auf solche Leistungen, an deren Erbringung der Allgemeinheit ein schützenswertes Interesse zukommt. Die staatliche Organisation der Post verdankt seit jeher ihre Legitimation „dem Prinzip der Daseinsvorsorge und der Leistungsstaatlichk e i t " 1 0 8 . Danach ist alles, was zur leistungsstaatlichen Daseinsvorsorge nicht erforderlich ist, nicht mehr von der Kompetenz aus Art. 87 I GG und der Befugnis des Bundes zur Monopolisierung gedeckt. Und hier besteht die Einbruchsstelle für eine Grundrechtsprüfung. Die Allein- und 103 So Hesse, S. 45. 104

Lerche (o. Fußn. 99), S. 78f.; noch weitergehend die Stellungnahme der Deutschen Bundespost zum Sondergutachten Nr. 9 der Monopolkommission, abgedr. bei Arnold, Endstelleneinrichtungen der öffentlichen Fernmeldenetze, S. 165ff., wonach „die wesentlichen Dienstleistungen des Fernmeldewesens ... vom Bund zu erbringen" seien. 105 Lerche (o. Fußn. 99), S. 80. 106 So Wiechert (o. Fußn. 96), S. 124. io? Wiechert (o. Fußn. 96), S. 125; Hesse, S. 47. ι 0 8 Lerche (o. Fußn. 94), S. 80.

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IV. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen

Zwangsrechte bedürfen mit Blick auf Art. 12 GG der Interpretation und der Rechtfertigung 109 . Die Auswirkungen des Monopols sind besonders an Art. 12 GG zu messen, soweit dadurch nicht die Ausübung der Kompetenz aus Art. 87 I GG in Frage gestellt w i r d 1 1 0 . 2. Direktruf-Entscheidung des BVerfG und Art. 12 GG Das BVerfG hat i n der Direktruf-Entscheidung keine Veranlassung gesehen, sich mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Monopols der Bundespost und mit § 1 FAG auseinanderzusetzen, sondern hat die Direktruf-VO unmittelbar an Art. 12 GG gemessen111. Die durch die Verordnung getroffene Berufsausübungsregelung wird von dem Gericht mit der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Netzes, insbesondere dem Ausschluß störender Einflüsse auf den Netzbereich, der Möglichkeit einer Anpassung des Netzes an die neuere technische Entwicklung und der Gefahr von Fehlinvestitionen der Benutzer gerechtfertigt 112 - eine Argumentationskette, die für die Netzträgerschaft und den Einfluß der Bundespost auf den Endgerätemarkt immer wieder angeführt wird. Das Gericht hat allerdings an mehreren Stellen darauf hingewiesen, daß seine Ausführungen „jedenfalls" 1 1 3 bis zur Einrichtung eines EDS-Systems gelten. Und hier zeigt sich eine Parallele zu den diversen Fernseh-Urteilen des BVerfG 1 1 4 , die vor und während einer medienpolitischen Umbruchsituation ergangen sind, in der Vergangenheit unter dem Eindruck der „Sondersituation" im Bereich der Rundfunkfrequenzen standen 1 1 5 . Während im ersten Fernseh-Urteil eine Gleichstellung des Rundfunks mit der Presse noch abgelehnt wurde, stellt das Gericht nun das Leitbild einer dualen Rundfunkordnung auf, das den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Aufgabe einer „Grundversorgung" der Bevölkerung zuweist 1 1 6 . Das Gericht spricht zwar nicht von einem völli109 Eidenmüller,

DÖV 1985, 528.

"ο Hesse, S. 47. m BVerfGE 46,120/136. h 2 BVerfGE 46, 120/145 ff. und 155 ff. 113 BVerfGE 46, 120/152. 114 BVerfGE 12, 205 (Entscheidung von 1961); E 31, 314 (1971); E 57, 295 (1981) und E 73, 118 (1986). 115 So BVerfGE 12, 205/261 = NJW 1961, 547; dazu auch W. Schmidt, ZRP 1980, 132. ne BVerfGE 73, 118 = NJW 1987, 239/241; ferner Hecker, DuR 1987, 68.

3. Zur Netzträgerschaft der Deutschen Bundespost

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gen Entfallen, wohl aber von einer Veränderung und Verbesserung der Sondersituation „ i n neuerer Zeit" und negiert damit nicht länger die technischen Innovationssprünge der letzten Jahre 117 . Auch im Fernmeldewesen stehen w i r an der Schwelle zu einem Kommunikationszeitalter, dessen Möglichkeiten und Herausforderungen allerdings erst in Konturen erkennbar sind. Wir werden in der nächsten Dekade den Umbruch auf eine neue Generation der Telekommunikation erleben 118 , die eine verfassungsrechtliche Neubesinnung erfordert. Die Alleinrechte der Bundespost berühren das Grundrecht der Berufsfreiheit, das auch bei einer monopolistischen Situation mit wirtschaftlichem Charakter eingreift 1 1 9 . Das Fernmeldeanlagengesetz stammt aus einer Zeit, in der die Berufsfreiheit noch nicht verfassungsmäßig geschützt war. Dies zwingt die Post dazu, „sich beim Geltendmachen ihrer Monopolbefugnisse nicht schlicht mit einer Berufung auf den Gesetzestext zu begnügen" 120 . Manche Positionen der Bundespost, die für ein Fernmeldemonopol sprechen, werden durch die künftige technische Entwicklung überholt. 3. Zur Netzträgerschaft der Deutschen Bundespost Das BVerfG hat es in seiner Entscheidung zum Personenbeförderungsgesetz für notwendig erachtet, nicht Allein- und Monopolrechte als solche, sondern die jeweils angebotenen einzelnen Dienste einer gesonderten Prüfung zu unterziehen 121 . Bei verschiedenen Sachbereichen können die Rechtfertigungsgründe unterschiedlich sein. Um auf dem Gebiet der Fernkommunikation arbeiten zu können, braucht man zweierlei: ein Fernmeldenetz, über das die Informationen übertragen und verteilt werden, und Endgeräte, mit denen die Informationen in das Netz eingegeben oder hieraus abgerufen werden 1 2 2 . Die Wirtschaftswissenschaft spricht

Ii? BVerfGE 73, 118 = NJW 1987, 239/240; dazu auch Schmitt Glaeser, DVB1. 1987,15; ferner Bethge, DVB1.1986, 859; Seemann,, ZRP 1987, 37; Broß, VerwArch 78 (1987), 475 ff. H® Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen, Chance und Herausforderung, S. 29. us Hesse, S. 34. 120 So Herrmann, S. 177; krit. hierzu Kohl, ArchPF 1987, 330. 121 BVerfGE 11, 168/183; ferner Hesse, S. 55. 122 Vgl. Mendner u.a., Privatisierung, S. 187ff.

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IV. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen

für den Netzbereich von einem „natürlichen Monopol". Bei Aufhebung der Alleinrechte der Post würde sich ein neues Monopol oder bestenfalls lokal begrenzte Monopole bilden 1 2 3 . Technische Gründe sprechen - jedenfalls zur Zeit noch - gegen eine Zulassung privater Betreiber, die evtl. noch gegeneinander konkurrieren. Als Vermittlungsnetz ist das Fernmeldenetz störungsanfälliger, es existiert ein erhöhter technischer „Koordinationsbedarf" 124 - im Gegensatz zum Verteilnetz, bei dem eine Störung an einer Stelle keine Rückwirkung auf das Netz hat. Das postalische Alleinrecht kann überdies gleiche Zugangsbedingungen für jedermann sichern und ein „Rosinenpicken" 125 die Beschränkung von Privaten auf bestimmte gewinnträchtige Gebiete verhindern. Zwar ist nicht ausgeschlossen, daß fortschreitende Mikrowellentechnik und Satellitenübertragung einen weitgehend kabelfreien Teilmarkt ermöglichen 126 , so daß dann die jetzige Rechtsposition überdacht werden sollte. Im Moment verbietet der hohe Ordnungsbedarf im Netzbereich einen völlig freien Marktzutritt 1 2 7 - eine Meinung, die auch die Mehrheit der „Regierungskommission Fernmeldewesen" vertritt und der Bundespost ein inhaltlich und zeitlich bedingtes Netzmonopol zubilligt: Sie „behält das Netzmonopol, solange sie Mietleistungen (Festverbindungen) zu angemessenen und wettbewerbsfähigen Bedingungen entsprechend dem quantitativen und qualitativen Bedarf anderen überläßt" 1 2 8 . Mit der Vorhaltung eines leistungsfähigen und flächendeckenden Fernmeldenetzes wird ein Grundbedürfnis im Kommunikationssektor verwirklicht. Es handelt sich hierbei um ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut, das eine Einschränkung der Berufsfreiheit als verhältnismäßig zu rechtfertigen vermag.

123

Dazu Monopolkommission, Sondergutachten Nr. 9, S. 25; krit. hierzu Scherer, S. 185 ff. 124 Hesse, S. 58. 125 So Kohl, ArchPF 1987, 330; v. Weizsäcker, in: Mestmäcker, Kommunikation, S. 129. 126 ν . Weizsäcker (o. Fußn. 125). 127 Herrmann, S. 192. 128 Witte, Gutachten, S. 3 und 82.

4. Postalische Alleinrechte bei Breitbandverteilnetzen

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4. Postalische Alleinrechte bei Breitbandverteilnetzen Das Fernmeldenetz als Vermittlungsnetz erfüllt seine Funktion am besten, wenn es flächendeckend arbeitet. Seinem Zweck wird das Netz um so eher gerecht, je größer es ist. Diese Überlegungen sollen nach Hesse 129 auf Breitbandnetze, die gegenwärtig in zwei verschiedenen Nutzungsformen (Gemeinschaftsantennenanlagen und Kabelfernsehnetze) verwendet werden und die derzeit reine Verteilnetze sind, nicht gelten. Für das reine technische Funktionieren soll das Monopol nicht erforderlich sein. Wie beim Fernmeldenetz sprechen gemeinwirtschaftliche Gründe (flächendeckende Versorgung zu gleichen Bedingungen) wohl eher für ein Alleinrecht der Post 130 . Mit dem Ausbau von Breitbandnetzen wird ein kommunikatives Grundbedürfnis erfüllt. Überdies muß die technische Entwicklung der Zukunft in Betracht gezogen werden, die zur Glasfasertechnologie geht. Mit diesem extrem leistungsfähigen Breitbandkabel wird es dann möglich sein, die bisher getrennt verlaufenden Vermittlungs- und Verteilnetze in ein und demselben Kabel zusammenzufassen 131 . Die Bundespost setzt derzeit aus ökonomischen Gründen noch auf die Parallelität des integrierten Glasfaser-Fernmeldenetzes für die Dienste der Individualkommunikation (Breitband-ISDN) und der Kupferkoaxialkabelnetze für die Verteilung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen. Eine spätere Übernahme der Massenkommunikation (wie Rundfunk und Fernsehen) in das Breitband-ISDN ist nicht ausgeschlossen, so daß am Ende der Entwicklung ein integriertes Universalfernmeldenetz (IBFN) stehen könnte 1 3 2 . Die oben angeführten Gründe für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung von postalischen Alleinrechten bei Fernmeldenetzen, aber auch die einheitliche Entwicklung der gesamten Fernmeldeinfrastruktur sprechen gegen eine alternative private Netzträgerschaft bei Breitbandanlagen der Massenkommunikation 133 , deren Integration in ein allgemeines Netz sich 129

S. 64. 130 vgl, dazu Hempell, Postverfassungsrecht, S. 104. 131

Mendner u.a., Privatisierung, S. 188; Lauxmann, Die Post, S. 103ff. Zu den zeitlichen Vorgaben und Vorstellungen, vgl. Thomas / Schnöring, JbDBP 1985, 571f.; Gehling, in: Arbeitswelt 2000, S. 63; Wolfgang Hoffmann, „Angst vor der digitalen Diktatur", in: Die Zeit Nr. 45 vom 30.10.1987, S. 48. 133 Mit sg. Kooperationsmodellen läßt die Bundespost allerdings private Breitbandverteilnetze auf dem Genehmigungsweg zu (vgl. Deutsche Bundespost, Geschäftsbericht 1986, S. 48); ferner Mendner u.a., Privatisierung, S. 192). 132

3 Schatzschneider

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IV. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen

absehen läßt. Eine alleinige Trägerschaft für die neuen zukünftigen Fernmelde-Breitbandnetze stellt sicher, daß die sich zunächst bildenden Breitbandinseln zu einem kompatiblen Netz zusammengefaßt werden. Eine eindeutige Trennung von Programm und Netz wäre zur Sicherstellung der Netzneutralität auch medienpolitisch wünschenswert 134 . 5. Monopolisierung des Endgerätebereichs Nach dem Fernmeldeanlagengesetz hat die Deutsche Bundespost nicht nur für den Netzbereich, sondern auch für den Bereich der Endgeräte grundsätzlich das Alleinrecht 1 3 5 . Bei Endgeräten handelt es sich um die bei dem Teilnehmer befindlichen Einrichtungen, die eine Umwandlung der eingegebenen Information in übertragungsfähige elektrische Impulse vornehmen 136 . Die Bundespost könnte - nach einer allerdings nicht unumstrittenen wörtlichen Interpretation von § 11 FAG - den Endgerätemarkt ausschließlich alleine bedienen. Die Verwaltungspraxis und die Gesetzeslage der Telekommunikationsordnung (TKO) w i r d den verfassungsrechtlichen Anforderungen jedoch besser gerecht als die gesetzliche Grundlage - das Fernmeldeanlagengesetz 137. Eine Reihe von Endgeräten wird nicht von der Post vertrieben. Ein Alleinrecht beansprucht die Bundespost nur noch bei den Endgeräten für den Fernsprechhauptanschluß (in unterschiedlichen Variationen nach § 14 TKO) und bei Telexanschlüssen in Form eines Wartungsmonopols (§ 19 V TKO) 1 3 8 . Die Bereitstellung und Unterhaltung von Fernsprechapparaten am einfachen Hauptanschluß w i r d deshalb ausschließlich von der Post wahrgenommen, weil dies für die Betriebssicherheit des Netzes erforderlich sei 1 3 9 . Beim einfachen Fernsprechanschluß ist es derzeit günstiger, auf eine Schnittstelle zum Ausschluß von Netzstörungen zu verzichten 140 . Unter 134 So Graffe / Bilgmann, JbDBP 1980, 220; a. A. Mestmäcker, in: Mestmäcker, Kommunikation, S. 177, der der DBP vorwirft, „auch die Entwicklung des Mediums" zu steuern. 135 Mendner u.a., Privatisierung, S. 193; Wiechert, JbDBP 1986, 133. 136 So Hesse, S. 13. 137 Eidenmüller, DÖV 1985, 529; Hesse, S. 101. 138 Ferner müssen die Adapter bei Bildschirmtextgeräten posteigen sein (§ 31IV TKO). Zu einer Beanstandung der EG-Kommission wegen des Alleinangebots von Modems und zu dem in dieser Sache mit der Bundespost geschlossenen Vergleich, vgl. Wiechert, JbDBP 1986, 149 und unten Kap. VI 2. 139 So Mendner u.a., Privatisierung, S. 194.

6. Alleinrechte bei „Mehrwertdiensten"

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dem Aspekt des Netz- und Betriebsschutzes mag die ausschließliche Beteiligung der Bundespost am Endgerätemarkt im Augenblick noch gerechtfertigt sein. Dieser Argumentation der Bundespost ist auch das BVerfG in der Direktruf-Entscheidung gefolgt; das Gericht hat die „Steckerlösung" verworfen 141 . Mit dem Betrieb des ISDN-Netzes dürfte das Überlassungs- und Wartungsmonopol für Telefon- und Telexanschlüsse wohl fallen 1 4 2 . 6. Alleinrechte bei „Mehrwertdiensten" Der kritische Punkt bei den Alleinrechten liegt im Bereich der „Mehrwertdienste". Im internationalen Sprachgebrauch werden diese Fernmeldedienste „Value Added Network Services" (VAN) genannt 143 . Es handelt sich um Dienste, bei denen private Unternehmen Leitungen mieten und sie mit speziellen Endeinrichtungen ausstatten, so daß damit besondere Dienstleistungen möglich sind; die angebotene Leistung muß über die reine Nachrichtenübermittlung für Dritte, über den sogenannten Basisdienst hinausgehen. Zu den VAN-Diensten zählen etwa MailboxDienste, Sicherheitsdienste, Telekonferenzen, Datenverarbeitung mit Paketvermittlung, Komfortdienste des Fernsprechens usw. 1 4 4 . Die Bundespost hat es bislang nicht zugelassen, daß private Unternehmen auf der Basis von gemieteten posteigenen Festverbindungen Mehrwertdienstleistungen erbringen 145 . Sie sieht bei diesen Diensten die Gefahr, daß private Fernmeldeagenturen das Gebührengefüge und deren Verzerrungen lediglich für eine Profitmöglichkeit ausnutzen, in Wirklichkeit kein Mehr anbieten 146 . 140 vgl. Hesse, S. 69f.; zur Definition der Schnittstelle (Übergabestelle) ferner Albensöder, Telekommunikation, S. 28; Arnold (o. Fußn. 104), S. 24. BVerfGE 46, 120/147. So Herrmann, S. 189; zum Netzabschluß beim künftigen ISDN, vgl. Tenzer, JbDBP 1985, 538ff.; ferner den Bericht in: Süddeutsche Zeitung Nr. 138 vom 20./ 21.6.1987, S. 33 (neue „Endgeräte-Philosophie" durch das Postministerium, das sich auf die Installation einer „Steckdose" beschränken will). 143 So Heuermann / Neumann, Liberalisierung des britischen Telekommunikationsmarktes, S. 107 ff. 144 Herrmann, S. 189; Scherer, S. 234f., 242 und 256; Heuermann / Neumann (o. Fußn. 143), S.110. 145 § 341 I I TKO räumt keinen Rechtsanspruch auf Überlassung posteigener Stromwege ein. 146 So Herrmann, S. 190. 142

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IV. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen

Daß es bei diesen Diensten auch anders geht, zeigen ausländische Erfahrungen - besonders die Großbritanniens, das eine Fülle von Unternehmen in Konkurrenz zur British Telecom lizenziert hat 1 4 7 . Gegen den Ausschluß der VAN-Dienste durch die Bundespost müssen auch verfassungsrechtliche Bedenken vorgebracht werden. Aufgabe der Bundespost ist es, die technische Art der Übertragung zu sichern und zu regeln; die Einflußnahme auf den Zweck der Nachrichtenvermittlung kann nur dann Gegenstand einer Benutzungsregelung sein, wenn dadurch aus übergeordneten Gesichtspunkten eine bestimmte Nutzung verhindert werden soll. Bei der Direktruf-VO, die ein „Untervermieten" ausschloß, erblickte das BVerfG „vernünftige Gründe des Gemeinwohls" 148 . Es soll eine Schmälerung des Gebührenaufkommens der Bundespost durch Zwischenschaltung privater Übertragungszentralen verhindert werden. Beim Direktruf richtet sich die Gebühr nach der Leitungslänge. Das BVerfG hält sein Ergebnis aber ausschließlich aufgrund dieser Sonderheit des Direktrufs - eines auslaufenden Telekommunikationsdienstes für gerechtfertigt, nämlich „solange die Festsetzung verkehrsabhängiger Gebühren nicht möglich i s t " 1 4 9 . Die technische Entwicklung hat die Entscheidung des Gerichts längst überholt. Anbieter mögen „Gebührenverzerrungen" 150 ausnutzen, doch ist das Gebührensystem von der Bundespost so verordnet worden. Zu Recht wendet E. Herrmann ein, „daß es viel angemessener ist, das Gebührensystem zu korrigieren als einen so schweren Wirtschaftseingriff wie den Ausschluß aller privaten Dienstanbieter vorzunehmen" 151 .

147

Heuermann / Neumann (o. Fußn. 143), S. 107ff.; Herrmann, S. 189; ferner Dieter Ciaassen, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 208 vom 11.9.1987, S. 22; zur Abgrenzung von Basis-/Mehrwertdiensten in Frankreich, vgl. Gebhardt, ArchPF 1987,127 und Werner Frey, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 212 vom 16.9.1987, S. 29. ι « BVerfGE 46, 120/152 f. BVerfGE 46, 120/152. 150 Herrmann, S. 190. 151

O. Fußn. 150. - A.A. Eidenmüller, ArchPF 1986, 307: „Keine Existenzberechtigung haben Mehrwertdienste durch Tarif arbitrage (= Ausnutzung der Gebührenunterschiede bzw. -Staffelung), denn positive Innovationen können von einem reinen Wiederverkauf postalischer Leistungen nicht ausgehen". Zu den Konzepten der DBP, Wiederverkaufsprobleme gebührenpolitisch zu lösen, vgl. Schön / Neumann, JbDBP 1985, S. 521 ff. und 527.

V. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Organisation der Deutschen Bundespost 1. Zum Garantiegehalt von Organisationsnormen Die Deutsche Bundespost wird in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau geführt (Art. 87 11 GG). Sie gehört zur obligatorischen Bundesverwaltung 152 . Im ersten Fernseh-Urteil hat das BVerfG festgestellt: „Nach der Systematik des Grundgesetzes bezeichnet die Gesetzgebungskompetenz die äußerste Grenze für seine Verwaltungsbefugnisse" 153 . Dies bedeutet: Die postalischen Aufgaben werden durch den Verfassungsbegriff des Post- und Fernmeldewesens „ i n seiner äußersten Begrenzung umrissen" 154 . Sie können durchaus weniger weit reichen als die Gesetzgebungskompetenz aus Art. 73 Nr. 7 GG, keinesfalls aber über diese hinausgehen. Welche fernmelderechtlichen Angelegenheiten sind der Bundespost anzuvertrauen? Wenn man die hier vertretene materiellrechtliche Komponente von Organisationsnormen zugrundelegt, ist der Reformierungsspielraum des Gesetzgebers eingeengt 155 . Der Verfassungsgeber hat eine Grundsatzentscheidung für die Organisation und Durchführung der „Telekommunikation als Staatsauf gäbe" getroffen 156 . Zumindest ein Kernbereich des Fernmeldemonopols ist verfassungsrechtlich verankert. Das garantierte Minimum eines Aufgabenbestands ist aber fließend. Es bleibt dem Gesetzgeber überlassen, die Umrisse und Grenzen des monopolisierten Bereichs festzulegen, die „wesentlichen" oder eine „notwendige Daseinsvorsorge" bildenden Fernmeldedienstleistungen zu bestimmen 1 5 7 . Zu den genuinen Staatsauf gaben gehört sicherlich die Ordnungs152

Plagemann / Bachmann, DÖV 1987, 810. iss BVerfGE 12, 205/229. 154

So Ossenbühl (o. Fußn. 95), S. 30; ferner Lerche (o. Fußn. 94), S. 76; Herrmann, S. 230. 155 Witte, Gutachten, S. 9. !56 Gscheidle, JbDBP 1980, 29 f. 157 Wiechert, JbDBP 1986, 125.

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V. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Organisation

funktion im Fernmeldewesen, wie z.B. die Vertretung in internationalen Organisationen, Frequenzverwaltung, Standardisierung, Gerätezulassung 158 . Dem Staat kommt nach Art. 87 I GG aber nicht nur als Ordnungskraft, sondern auch als Leistungsträger eine entscheidende Rolle zu 1 5 9 . Zu den „wesentlichen Dienstleistungen" zählen - jedenfalls nach derzeitigem Technikstand noch - die Bereitstellung der Netzinfrastruktur und die Versorgung mit Grunddiensten der Telekommunikation zu gleichen Bedingungen 160 . Ein Zwang zur ausschließlichen Monopolisierung besteht auch in diesem Bereich nicht. Es bleibt dem Gesetzgeber überlassen, Private neben dem Staat konkurrierend zuzulassen. Eine Sperre gegen die Umgestaltung des Fernmeldewesens in einen Wettbewerbsbereich entfaltet Art. 87 1 GG erst dann, wenn das Fernmeldewesen als staatliche Leistungsaufgabe völlig aufgegeben wird, der garantierte Kernbereich berührt ist. 2. Verselbständigung der Deutschen Bundespost Pläne einer Neuordnung der Bundespost sind durch verfassungsrechtliche Vorgaben belastet. Eine privatrechtliche Organisation der Betriebsdienste der Bundespost ist ausgeschlossen161. Aber auch die Ausgestaltung des Verwaltungsgebildes mit selbständiger Rechtspersönlichkeit würde nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 87 11 GG genügen, der eine „bundeseigene" Verwaltung verlangt. Nach herrschender Meinung ist dies gleichbedeutend mit „bundesunmittelbar" 1 6 2 . Die Aufgaben der Deutschen Bundespost dürften danach keiner vom Staat verschiedenen Rechtspersönlichkeit übertragen werden 163 . In einem privatrechtlichen Kleid auftretende Tochtergesellschaften der Deutschen Bundespost können nur eng begrenzte Teilaufgaben oder Hilfsfunktionen wahrnehmen 164 . Wenngleich es gewichtige Argumente 158

Witte, Gutachten, S. 108 f. iss Wiechert (o. Fußn. 157). 160 So Plagemann / Bachmann, DÖV 1987, 811. 161 A. Arndt, ArchPF 1970, 10; Voges, DVB1. 1975, 974; Kirschenmann, JuS 1977, 570; Herrmann, S. 231; Plagemann / Bachmann (o. Fußn. 160), S. 810; Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 245. ι 6 2 Vgl. dazu Herrmann, S. 231. 163 Plagemann / Bachmann (o. Fußn. 160), S. 811; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 87 RN 30.

3. Zu den Vorschlägen der „Regierungskommission Fernmeldewesen"

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gegen eine derartige Interpretation des Begriffs „bundeseigen" gibt 1 6 5 , so wäre doch die Organisation der Bundespost als rechtsfähige öffentliche Anstalt mit erheblichen verfassungsrechtlichen Risiken behaftet 166 .

3. Zu den strukturellen Vorschlägen der „Regierungskommission Fernmeldewesen" Die „Regierungskommission Fernmeldewesen" hat umfangreiche strukturelle Konsequenzen für die Deutsche Bundespost vorgeschlagen. Verfassungskompetenzrecht war allerdings Auslöser für eine Selbstbescheidung der Kommission. Der mögliche Handlungsrahmen für eine Neuordnung der Post wird von den Gutachtern insofern eingeengt, als nach ihrer Auffassung die Deutsche Bundespost zwar keinen verfassungsrechtlichen Monopolschutz genießt, eine Privatisierung des Fernmeldewesens als radikalste Form einer Neuordnung jedoch erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken mit sich brächte 167 . Die Überführung der Post in eine privatrechtliche Organisationsform, aber auch die Wahl von Formen mittelbarer Bundesverwaltung würde unter Umständen der Normlage des Art. 87 I GG widersprechen. Die wesentlichen Reformansätze in den Kommissionsvorschlägen laufen deshalb lediglich auf eine Trennung zwischen der hoheitlichen Überwachungsfunktion des zuständigen Bundesministers und den unternehmerischen Aktivitäten der Post hinaus, wobei die Gutachter für eine organisatorische Abtrennung der Postdienste vom Fernmeldebereich plädieren. Der Fernmeldebereich soll auch künftig ein öffentliches Unternehmen sein und Bestandteil des Sondervermögens des Bundes bleiben. Zu den einschneidenderen Verände164 Plagemann / Bachmann (o. Fußn. 160), S. 811; Maunz (o. Fußn. 163), Art. 86 RN 2 und Art. 87 RN 26, 31 und 47; Ohnheiser, Postrecht, S. 97. 165 Dazu Herrmann, S. 231. 166 Zur Zulässigkeit, Leistungen privatrechtlich bereitzustellen, vgl. oben Kap. I I I 2 und Plagemann / Bachmann (o. Fußn. 160), S. 812; Wiechert, JbDBP 1986, 130 und 163; Herrmann, S. 224. 167 Vgl. Witte, Gutachten, S. 30 ff. - Zu möglichen Unternehmenskonzepten für die Deutsche Bundespost, insbesondere zur Strukturierung nach dem Muster einer Aktiengesellschaft wie die Bundesbahn, vgl. Janson, Rechtsformen öffentlicher Unternehmen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 281 ff. - Teilweise wird in der Literatur eine Unvereinbarkeit einer Unternehmensverfassung mit Art. 87 11 GG behauptet (vgl. zum Meinungsstand Fromm, DVB1.1982, 291f.; Voges, DVB1.1975, 974 ff.).

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V. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Organisation

rungen, die die Kommission mehrheitlich empfiehlt, gehören folgende Punkte: Die vom Postwesen organisatorisch getrennte Fernmeldegesellschaft - „Telekom" genannt - soll das Fernmeldemonopol behalten, solange sie ihren Nutzern Fernmeldeverbindungen als Mietleitungen „zu angemessenen und wettbewerbsfähigen Bedingungen" überläßt 168 . Im Falle einer „nicht befriedigenden Marktentwicklung" 1 6 9 soll die Bundesregierung jedoch die Errichtung konkurrierender Netze zulassen. Alle übrigen Dienstleistungen der Telekommunikation sollen künftig im Wettbewerb mit privaten Unternehmen angeboten werden 1 7 0 - eine verfassungsgerechte, dem Grundrecht der Berufsfreiheit konforme Lösung. Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten muß die Beschneidung des Netzmonopols aber mit einem Fragezeichen versehen werden: Die materielle Komponente des Art. 87 I GG beinhaltet die Garantie einer „effektiven Existenz" 1 7 1 der Bundespost, die bei einem völligen Entzug des Netzmonopols in Frage gestellt wäre. Übrig bliebe nur ein „Bundesminister für Post- und Telekommunikation", dem bestimmte Hoheitsaufgaben obliegen sollen - eine dürftige Organisationskompetenz des Bundes, die wohl nur mit einer Grundgesetzänderung zu erreichen ist.

168

Witte, Gutachten, S. 3 und 82. O. Fußn. 168. "o O. Fußn. 168, S. 83 ff. 171 So Lerche, FS für Obermayer, S. 78. 169

VI. Europäisches Gemeinschaftsrecht und nationale Fernmeidemonopole 1. Zum Stand der Telekommunikationspolitik in der Gemeinschaft Eine Reihe von Vorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts ist für die Neuordnung im Telekommunikationsbereich von erheblicher praktischer Bedeutung. Dabei ist eine fast schon kurios zu nennende Situation anzutreffen. Während das deutsche Verfassungsrecht in bezug auf eine Neuordnung eher Begrenzungen setzt, wirkt das europäische Gemeinschaftsrecht umgekehrt in Richtung auf eine Veränderung 172 . Die Lage in der Gemeinschaft ist in einer „dynamischen Umwälzung" begriffen 173 . Das Fernmeldewesen ist Gegenstand staatlicher Alleinrechte in fast allen EG-Mitgliedsstaaten. Auf die traditionelle Stellung der staatlichen Fernmeldemonopole wird in den letzten Jahren Druck seitens der EGBehörden, besonders der Kommission, ausgeübt 174 . Das Zusammenwachsen der Telekommunikation und der Datenverarbeitung sowie technische Innovationen haben neue Kundenbedürfnisse und Postfunktionen, aber auch neue und private Übertragungsmöglichkeiten entstehen lassen. In dieser Situation können die Mitgliedsstaaten versucht sein, durch striktere rechtliche Regelungen die Dinge wieder in den Griff zu bekommen. Die EG-Kommission möchte den derzeitigen Strukturwandel zu einem koordinierten Vorgehen nutzen, drängt auf den Abbau nationaler Barrieren und Behinderungen und auf die Schaffung einheitlicher Standards im Telematikmarkt 1 7 5 . Die Europäische Gemeinschaft hat sich das Ziel gesetzt, eine einheitliche Telekommunikationspolitik zu entwickeln und schrittweise zu reali172

So Witte, Gutachten, S. 40. 173 Grünbuch über die Entwicklung des Gemeinsamen Marktes für Telekommunikationsdienstleistungen und Telekommunikationsgeräte - KOM (87) 290 endg. (Ratsdok. Nr. 7961/87), BT-Dr 11/930, S. 9. 174 175

Vgl. Pappalardo, in: Mestmäcker, Kommunikation, S. 202 ff. Vgl. Bericht in: Süddeutsche Zeitung Nr. 131 vom 10.6.1987, S. 21.

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VI. Europäisches Gemeinschaftsrecht

sieren. Drei Grundpositionen auf Gemeinschaftsebene lassen sich dabei ausmachen: Schrittweise soll der Endgerätemarkt vollständig für den Wettbewerb geöffnet werden. Die nationalen Fernmeldeverwaltungen haben das Netz unter gerechten wettbewerbsorientierten Bedingungen für Dienstanbieter aus anderen Mitgliedsstaaten zu öffnen. Die hoheitlichen und betrieblichen Funktionen der Fernmeldeverwaltungen sollen strikt getrennt werden 1 7 6 . Der Rat der EG hat 1984 Empfehlungen verabschiedet, die sich mit der Harmonisierung von neuen Diensten und der Öffnung der öffentlichen Fernmeldemärkte befassen 177 . I n der Folgezeit sind eine Fülle von Empfehlungen, Beschlüssen und Richtlinien zur Förderung einer einheitlichen Telekommunikationsinfrastruktur ergangen 1 7 8 . Es ist - wie die „Regierungskommission Fernmeldewesen" feststellt - damit zu rechnen, „daß das Europäische Gemeinschaftsrecht neben der technischen Entwicklung mittel- und langfristig sich als die stärkste reformierende Kraft erweisen w i r d " 1 7 9 .

2. Das wettbewerbsrechtliche Instrumentarium der EG-Kommission Parallel zu den zuvor geschilderten Bestrebungen, den institutionellen und ordnungspolitischen Rahmen anzupassen, versucht die EG-Kommission, die Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrages im Einzelfall durchzusetzen. Hier stellt sich die Frage, welche Einwirkungsmöglichkeiten der EWG-Vertrag auf Alleinrechte im Fernmeldewesen ermöglicht. Sind die Vorschriften zum freien Warenverkehr, zur Dienstleistungsfreiheit und die Wettbewerbsregelungen anwendbar? Die Bestimmungen des EWG-Vertrages über eine Beseitigung der mengenmäßigen Beschränkung zwischen den Mitgliedsstaaten, besonders die Artt. 30 und 37 EWGV, greifen unmittelbar nur bei Waren und nicht bei "β Grünbuch (o. Fußn. 173), S . U . 1 77 Empfehlung des Rates vom 12.11.1984 betreffend die Implementierung eines gemeinsamen Vorgehens auf dem Gebiet des Fernmeldewesens (84/549/ EWG) und Empfehlung des Rates vom 12.11.1984 betreffend die erste Phase der Öffnung der öffentlichen Fernmeldemärkte (84/550/EWG) (ABl. L 298 vom 16.11.1984). 178 Vgl. die Übersicht in: Grünbuch (o. Fußn. 173), S. 7; ferner Herrmann, S. 135f. 179 Witte, Gutachten, S. 40.

2. Das wettbewerbsrechtliche Instrumentarium der EG-Kommission

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Dienstleistungen ein. Ein Unternehmen, das ein Monopol besitzt (im Sacchi-Urteil des EuGH ein Monopol für Fernsehwerbesendungen in Italien) 1 8 0 , verletzt nicht schon durch seine Existenz den Grundsatz des freien Warenverkehrs; es verstößt jedoch gegen Artt. 30 ff. EWGV, wenn es zugunsten inländischer Materialien und Erzeugnisse diskriminiert 1 8 1 . Das Zulassungsverfahren der Bundespost auf dem Gebiet des Fernmeldewesens und die Beschaffungspolitik ist immer wieder Gegenstand von Auseinandersetzungen. Befürwortet wird seitens der Kritiker besonders eine organisatorische Verselbständigung der Zulassungsfunktion, um auf diese Weise die Eigeninteressen der Post aus dem Zulassungsverfahren herauszuhalten 182 . Zulassungspolitik und Nachfragemonopol der Post diskriminieren aber nicht spezifisch ausländische Anbieter 1 8 3 . Das nationale Dienstleistungsmonopol, wie sie der Sache nach § 1 FAG enthält, berührt auch nicht den freien Dienstleistungsverkehr aus Art. 59 EWGV, da Inländer wie Ausländer gleichermaßen von der fraglichen Tätigkeit ausgesperrt werden. Ebensowenig ergibt sich aus Art. 90 EWGV ein gemeinschaftsrechtliches Verbot nationaler Monopole oder der Errichtung neuer Alleinrechte; vielmehr läßt diese Vorschrift erkennen, daß der EWG-Vertrag von der grundsätzlichen Zulässigkeit postalischer Alleinrechte ausgeht 184 . Die EG-Kommission stellt sich allerdings auf den Standpunkt, daß öffentliche Unternehmen einer Mißbrauchsaufsicht seitens der EG-Behörden unterliegen 185 ; so hat die EG-Kommission mit Entscheidung vom 10.12.1982 der damals noch als öffentliches Unternehmen geführten British Telecom die Anwendung bestimmter Benutzungsbedingungen ihrer Fernmeldeordnung untersagt. British

180 EuGH Slg. 1974, 409 ff. 181 So Pappalardo (ο. Fußn. 174), S. 205. 1 82 So Hesse, S. 102; ebenso Witte, Gutachten, S. 6 und 102. 183 A.A. Pappalardo (ο. Fußn. 174), S. 210, der das Umformungsgebot für staatliche Handelsmonopole erweiternd auslegt. i 0 4 So Emmerich, EuK 1983, 219; ferner Backhaus, Öffentliche Unternehmen, S. 79 ff. iss Für öffentliche Unternehmen gilt insbesondere die Transparenzrichtlinie Nr. 80/723 vom 25.6.1980 (ABl. L 195 vom 29.7.1980, S. 30; vgl. dazu Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 208; Emmerich (o. Fußn. 184)). - Zu einem parallelen Rechtsproblem, der Liberalisierung des Europäischen Luftverkehrsmarktes, vgl. Maiwald, EuR 1983, 73ff.; Sedemund / Montag, NJW 1986, 2146 und Berichte in der Süddeutschen Zeitung Nr. 143 vom 26.6.1987, S. 23 und Nr. 148 vom 2.7.1987, S. 23.

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VI. Europäisches Gemeinschaftsrecht

Telecom wollte die Tätigkeit privater Fernmeldeagenturen, die eine Relaisvermittlung von Telefon- und Fernschreibnachrichten betrieben und die sich das Gebührengefälle Großbritanniens zum Ausland zunutze machten, verhindern 186 . Das Fernmeldenetzmonopol als solches, das staatliche und private Anbieter in einigen EG-Staaten in Anspruch nehmen, ist bislang allgemein als mit den Vorschriften des EWG-Vertrages vereinbar angesehen worden 1 8 7 . Auch für den Bereich von Rundfunkverteilanlagen hat die EG-Kommission Gebietsmonopole von Betreibergesellschaften für unbedenklich eingeschätzt 188 . Im British-Telecom-Fall bestand jedoch eine Besonderheit, die der EuGH herausstellte: Nach der Rechtslage in Großbritannien kommt British Telecom zwar ein Fernmeldenetzmonopol zu; das Unternehmen hat aber - anders als in der Bundesrepublik - keine Alleinrechte für die damit zusammenhängenden Dienstleistungen 189 . Die Kommission hat in der Vergangenheit verschiedentlich die Meinung vertreten, daß die Deutsche Bundespost ohne rechtfertigenden Grund ihre Alleinrechte auf bestimmte Endgeräte erstreckt, die u. U. von der Privatwirtschaft billiger angeboten werden können 190 . Den Bedenken der Kommission gegen das Schnurlose Telefon, das posteigen sein sollte, entsprach die Deutsche Bundespost durch Änderung der Benutzungsregelung 191 . Ein Verfahren gegen die Bundespost, weil sie ihr Netzmonopol auf Modems und Basisbandgeräte ausgedehnt und überdies das Zulassungsverfahren für private Modems restriktiv gehandhabt habe, endete durch einen Vergleich 192 .

186 ABl. L 360 vom 21.12.1982, S. 6; dazu auch Wiechert, JbDBP 1986, 142; Scherer, S. 735 Anm. 38; Emmerich (o. Fußn. 184), S. 216. - Eine Klage der Republik Italien (!) gegen die Kommissionsentscheidung wurde vom EuGH zwischenzeitlich abgewiesen (U. vom 20.3.1985, RS 41/83, in: WuW 1986, 229 = Z U M 1985, 560; vgl. ferner Sedemund, NJW 1986, 636). 187

Vgl. dazu näher Wiechert, JbDBP 1986, 140. 1 88 Antwort auf eine schriftliche Anfrage, ob das Verbot zur Installation von Satelliten-Parabolantennen in Gebieten, in denen Kabelfernsehgesellschaften Konzessionen halten, EG-rechtens sei, vgl. ABl. C 291 vom 13.11.1985, S. 14f. 189 vgl. wate, Gutachten, S. 42; Wiechert (o. Fußn. 187), S. 142. 1 90 Dazu Emmerich, AfP 1984,17; zu den Beschwerdepunkten der EG-Kommission, vgl. auch WuW 1983, 764. - Zur Tätigkeit grenzüberschreitender Kurierdienste, die die DBP nach einer Intervention der EG-Kommission hinnehmen mußte, vgl. Herrmann, S. 178 und 191. 191 vgl. Wiechert (o. Fußn. 187), S. 143 und 161; Witte, Gutachten, S. 40.

2. Das wettbewerbsrechtliche Instrumentarium der EG-Kommission

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Zusammenfassend kann gesagt werden, daß gemeinschaftsrechtlich von einer Mißbrauchsaufsicht abgesehen - nur begrenzte Möglichkeiten bestehen, deregulierend im Fernmeldesektor einzugreifen. Die EG-Kommission hat sich aus diesem Grund auf Vorschläge für Richtlinien über die Normierung der Informationstechnologie und der Telekommunikation sowie über die Durchführung der gegenseitigen Anerkennung der Zulassung von Telekommunikationsendgeräten konzentriert 193 .

192

Herrmann, S. 182 Anm. 79; Witte, Gutachten, S. 41; Wiechert (o. Fußn. 187), S. 144 ff. und 161. 193 Zu dem Vorschlag für eine Empfehlung des Rates über die koordinierte Einführung des ISDN in der EG, Rats-Dok. Nr. 7308/86, vgl. BT-Dr 10/5933, BT-Dr 10/6254 und Dt. Bundestag, Stenogr. Bericht, 246. Sitzung vom 13.11.1986, S. 19110 ff. (Anlage 4). - Erforderlich ist diese Standardisierung, da nach einer McKinsey-Studie das Angebot an Fernmelde-Endgeräten in der BRD fast ausschließlich durch inländische Hersteller und deren Innovationsgeschwindigkeit bestimmt wird (nach Süddeutsche Zeitung Nr. 72 vom 27.3.1987, S. 25).

VII· Exkurs: Neuordnung der Telekommunikationsmärkte im Ausland 1. USA Weltweit wird im Fernmeldewesen liberalisiert. Es werden Strukturen entflochten, Regulierungsinstanzen abgebaut und Verwaltungen privatisiert 1 9 4 . In den USA wurden Maßnahmen zur Neugestaltung des Telekommunikationsbereichs recht frühzeitig ergriffen. Dabei muß bei der Analyse der jüngsten amerikanischen Entwicklung unterschieden werden zwischen der Entflechtung von AT & Τ (American Telephone and Telegraph Company), der dominierenden Telefongesellschaft, und der Rücknahme staatlicher Eingriffe (Deregulierung) 195 . Ersteres ist Ergebnis einer Fülle von Gerichtsverfahren, die eine Monopolentflechtung zur Folge hatte. Schlußstein war die 1984 durchgeführte Zerschlagung von AT & T, die in acht kleinere Einheiten aufgespalten wurde. Parallel hierzu haben Entscheidungen der Federal Communication Commission (FCC) dazu beigetragen, daß der Bereich der Fernmeldenetze und der Endgerätebereich weitgehend dereguliert wurde 1 9 6 . Rechtliche Grundlage hierfür bildet der „Communication Act" von 1934. Private Telefongesellschaften werden von den staatlichen Regulierungsbehörden (auf Bundesebene die FCC, auf Landesebene die einzelnen „State Public U t i l ity Commissions") überwacht und angehalten, den Benutzern die Telefonanschlüsse und den Telefonverkehr so ökonomisch wie möglich zur Verfügung zu stellen 197 . In der deutschen Diskussion über die „Rolle des Wettbewerbs im Fernmeldebereich" 198 w i r d immer wieder auf die Vor194

Eidenmüller, DVB1. 1987, 607. So Witte, Gutachten, S. 49. 196 Scherer, S. 205; Heuermann / Neumann / Schnöring / Wieland, JbDBP 1986, 165ff.; Wieland, Die Entflechtung des amerikanischen Fernmeldemonopols, S. 14 ff. 197 Knieps u.a., Wettbewerb, S. 35. 198 So der Titel des von Knieps u.a. für die Monopolkommission erstatteten Gutachtens. 195

2. Großbritannien

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bildfunktion der amerikanischen Telekommunikationspolitik hingewiesen. Dies trifft nur eingeschränkt zu 1 9 9 . Die USA bilden den „Sonderfall einer von vornherein privatwirtschaftlich organisierten Telekommunikat i o n " 2 0 0 . Das in der Bundesrepublik Deutschland aufgeworfene Problem der Privatisierung des in staatlicher Hand befindlichen Fernmeldewesens stellte sich nicht. Das „break up" von AT & Τ zeigt jedoch, wie kompliziert der Übergang von einem regulierten Monopol zu einem „regulierten Teilwettbewerb" ist 2 0 1 . 2. Großbritannien Großbritannien hat die Organisation seines Telekommunikationsbereichs grundlegend geändert. Die Deregulierung des Fernmeldewesens vollzog sich in zwei Schritten. Im Gegensatz zu den USA war die Ausgangslage ähnlich, wie sie in Deutschland noch heute besteht 202 . Postund Fernmeldewesen waren als Post Office zusammengefaßt und einem Ministerium unterstellt. In der ersten Phase wurde durch den „Telecommunication Act" von 1981 Post- und Fernmeldeverwaltung organisatorisch voneinander getrennt. Es bildeten sich zwei Unternehmen heraus: „Post Office" und „British Telecom", das zunächst völlig in Staatsbesitz blieb. In der zweiten, seit 1984 andauernden Phase wurde begonnen, British Telecom zu privatisieren 203 . Überdies wurde nicht nur die Endgerätepolitik liberalisiert, die Gesetzgebung sieht prinzipiell die Vergabe von Lizenzen zur Errichtung und zum Betrieb von Fernmelde-Übertragungswegen an private Unternehmen vor 2 0 4 . Bislang wurde allerdings nur ein Unternehmen lizenziert - Mercury, das Spezialnetze betreibt. Im Bereich der VAN-Dienste erhielten zahlreiche Unternehmen Lizenzen 205 . Die Privatisierung von British Telecom w i r d häufig als Paradebeispiel einer erfolgreichen Entstaatlichung bezeichnet. Die Überführung der 199

Vgl. dazu Schatzschneider, ArchPF 1988, 85. So Witte, Gutachten, S. 47. 201 Kftieps u.a., Wettbewerb, S. 58. 202 vgl. W i t t e > Gutachten, S. 51. 200

203 Scherer, S. 230ff.; Witte, Gutachten, S. 52; Heuermann / Neumann, Liberalisierung des britischen Telekommunikationsmarktes, S. 43ff.; Heuermann / Neumann / Schnöring / Wieland (o. Fußn. 196), S. 167 ff. 204 Witte, Gutachten, S. 53. 205 Herrmann, S. 189f.; Witte, Gutachten, S. 52f.

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VII. Neuordnung der Telekommunikationsmärkte im Ausland

British Telecom in eine privatrechtlich organisierte Gesellschaft hat in der Tat zur Schaffung einer breiten Basis von Aktionären in der Bevölkerung geführt. Die Entstaatlichung der bis 1984 als öffentliches Unternehmen geführten British Telecom zeigt aber, daß eine Privatisierung zu einer Motivation des Managements zum Unternehmensziel Gewinnmaximierung führt; ein privates Monopol tendiert eher zu einer unerwünschten Konsumentenausbeutung als ein öffentliches. Eine Privatfirma ist auch weniger gewillt, unprofitable Dienste anzubieten. Ressourcen werden zwar effizienter genutzt, doch bestimmte Konsumentengruppen, die aus sozialen Gründen unterstützt werden sollten, werden geschädigt 206 . In der britischen Öffentlichkeit ist zunehmend der schlechtere Service von British Telecom kritisiert worden. Das Image dieser Gesellschaft ist deutlich gesunken, was als Höhepunkt dieser Entwicklung zum Rücktritt des Chairmans dieser Gesellschaft geführt hat 2 0 7 . Ein privatisierter Monopolbetrieb bleibt ein Monopolbetrieb - nur ohne gemeinwirtschaftliche Verantwortung 208 . Daß ein Staatsbetrieb weniger leistet als ein Privatbetrieb, diesen Beweis ist das britische Modell bislang schuldig geblieben. 3. Japan Träger des japanischen Post- und Fernmeldewesens war bis 1949 der Staat. 1949 wurden die Dienstzweige getrennt. 1953 wurden die internationalen Fernmeldedienste einem privaten Unternehmen übertragen 209 . Die in Inland und Ausland aufgeteilten Fernmeldedienste und die sonstigen Formen der Telekommunikation wurden von zwei öffentlichen Monopolanstalten (NTT für den Inlands- und K D D für den Auslandsverkehr) 2 1 0 wahrgenommen, befinden sich jedoch in einem unterschiedlich weit fortgeschrittenen Stadium der Privatisierung und Marktliberalisierung. Im inländischen Fernsprechverkehr ist das Monopol seit 1987 206

So Heuermann / Neumann (o. Fußn. 203), S. 162; Schatzschneider (o. Fußn. 199). 207 Vgl. Dieter Ciaassen, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 208 vom 11.9.1987, S. 22; ferner Der Spiegel Nr. 40 vom 28.9.1987, S. 186f. 208 So Lauxmann, Die Post, S. 84 f. 2 9 Vgl. Mukaida, IuR 1987, 335ff.; Scherer, S. 239. 210 "Nippon Telegraph and Telephone Public Corporation" (NTT) und "Kohusai Denshin Denwa Co. Ltd." (KDD).

4. Sonstige Staaten

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effektiv gebrochen worden 2 1 1 . Von der staatlichen Aufsichtsbehörde wurden Netzbetreiber, die eigene Übertragungswege besitzen (Unternehmen der 1. Kategorie), und sonstige Betriebsgesellschaften (Unternehmen der 2. Kategorie) lizenziert 2 1 2 . 4. Sonstige Staaten Auch in anderen Ländern ist eine ordnungspolitische Umorientierung eingeleitet oder bereits vollzogen worden. In praktisch allen EG-Staaten wird eine Neuordnung des Telekommunikationssektors geprüft 2 1 3 . In Frankreich sind bedeutende Veränderungen der gesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet der Telekommunikation und im audiovisuellen Bereich in Kraft getreten. In den Niederlanden, Belgien, Italien, Spanien, Portugal und anderen Mitgliedsstaaten 214 sind Untersuchungen oder Veränderungen im Gange, die das Ziel verfolgen, das Telekommunikationswesen auf die Anforderungen der Zukunft einzustellen und neue Handlungsspielräume zu schaffen 215 .

211

Vgl. hierzu Gebhard Hielscher, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 217 vom 22.9.1987, S. 23. 212 Mukaida (o. Fußn. 209), S. 337f.; Witte, Gutachten, S. 56f. 213 Vgl. Grünbuch (o. Fußn. 173), S. 9. 214 Dazu Grünbuch (o. Fußn. 173), S. 9; vgl. ferner die problemorientierte Übersicht bei Heuermann / Neumann / Schnöring / Wieland (o. Fußn. 196) zu den Ländern USA, Großbritannien, Frankreich, Niederlande, Schweden und Japan; Plagemann, ArchPF 1988, 16ff. 215 So Plagemann / Bachmann, DÖV 1987, 808. 4 Schatzschneider

Vni. Zum telekommunikationspolitischen Handlungsrahmen - Ausblick Die Diskussion über die angesichts der technischen und ökonomischen Herausforderung der Telekommunikation „richtige" Politik einer Fernkommunikation ist in vollem Gange 216 . Eine Vielzahl von Reformvorschlägen und von kritischen Einwendungen sind vorgebracht worden, wobei die Stimmen für eine Deregulierung des Fernmeldewesens überwiegen. Die Deregulierungsdiskussion im In- und Ausland beruht auf der These vom „Staatsversagen": Staatliche Regulierung sei nicht geeignet, eine effiziente Allokation knapper Ressourcen herbeizuführen 217 . Die Frage ist, welche Rolle der Wettbewerb als Antriebs- und Steuerungsmechanismus im Fernmeldewesen spielen kann. Die Forderung nach einer Deregulierung - in dem Bericht der „Regierungskommission Fernmeldewesen", früher schon in einem Sondergutachten der Monopolkommission erhoben 218 - w i r d in erster Linie ökonomisch begründet. „Rechtlich strukturierte Verfahren zur Steuerung des Handelns der Akteure" 2 1 9 i m Bereich Telekommunikation sollen durch eine „durchgreifende Wettbewerbslösung" 220 als angenommenes „überlegenes (prozedurales) Steuerungselement" 221 ersetzt werden. Die ordnungspolitische Vorstellung vom „Wettbewerb als Entdeckungsverfahren" 2 2 2 mag einiges für sich haben. Das US-amerikanische Beispiel, aber auch die Telekommunikationspolitik anderer Staaten zeigt, daß sogar bei einer extremen Liberalisierung der Zulassung und Benutzung von Endgeräten „harm to the network-Probleme" nicht auf getreten sind 2 2 3 . Derzeit ist nach der hier vertretenen Ansicht das umfassende 216

So Scherer, S. 245. Scherer, S. 249. 218 Monopolkommission, Sondergutachten Nr. 9, S. 13 ff. 219 Scherer, S. 247. 220 So Witte, Gutachten, S. 139. 221 Scherer, S. 247. 222 So v. Weizsäcker, in: Mestmäcker, Kommunikation, S. 134 und Scherer, S. 190 unter Bezugnahme auf die gleichlautende Schrift von Friedrich August von Hayek, Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, Kiel 1968. 223 v. Weizsäcker, in: Mestmäcker, Kommunikation, S. 135. 217

VIII. Zum telekommunikationspolitischen Handlungsrahmen

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Monopol der Deutschen Bundespost im Netzbereich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Wie aber die Entwicklung im Rundfunkbereich zeigt, kann das rasche Fortschreiten der Technologie es in Zukunft nahelegen, die Rolle des Wettbewerbs im Netzbereich neu zu überdenken. Nur - das Postlat der Ökonomie nach mehr Wettbewerb 224 - oder wie es die „Regierungskommission Fernmeldewesen" formuliert: das Subsidiaritätsprinzip als „ordnungspolitische A n t w o r t " 2 2 5 für oder gegen eine Liberalisierung - haben verfassungsrechtlich lediglich einen geringen Erkenntniswert. Wie das BVerfG schon in einer seiner frühen Entscheidungen festgestellt hat, sanktioniert das Grundgesetz keine bestimmte Wirtschaftsordnung im Sinne eines geschlossenen nationalökonomischen Systems. Der Gesetzgeber kann daher die ihm jeweils sachgemäß erscheinende Wirtschaftspolitik verfolgen 226 . Zu Recht rügt S eher er die „Verfassungsferne" 227 mancher wirtschaftswissenschaftlich ausgerichteter Deregulierungsansätze, wenn ohne weiteres der Vorrang „marktwirtschaftlicher" vor „staatlicher Steuerung" 228 postuliert wird: „Telekommunikationspolitische Entscheidungen unter dem Grundgesetz dürfen sich ... nicht ausschließlich an der ökonomischen Effizienz ihrer Folgen orientieren, sondern müssen zuerst und vor allem an den von der Verfassung vorgegebenen Wohlfahrtszielen und prozeduralen wie organisatorischen Mitteln zu ihrer Erreichung ausgerichtet sein. Die Wohlfahrtsmaßstäbe der Verfassung sind differenzierter als diejenigen, die der bisherigen deutschen Deregulierungsdiskussion zugrunde gelegt wurden. Sie zielen nicht nur auf die Maximierung der ökonomischen Entscheidungsfreiheit von Marktteilnehmern ..., sondern auf die Gewährleistung eines sehr viel komplexeren Systems von Grundrechten" 229 . 224

Vgl. Scherer, S. 190. Witte, Gutachten, S. 65. - Dagegen Ossenbühl, Bestand und Erweiterimg des Wirkungskreises der DBP, S. 102, der darauf hinweist, daß Breite und Umfang der Auseinandersetzungen um das Subsidiaritätsprinzip gegenüber seiner praktischen Bedeutung überdimensioniert ist. Ähnlich Graffe / Bïlgmann, JbDBP 1980, 182 und BVerwGE 23, 304/306; E 39, 329/338 gegen die Interpretation des Sozialstaatsprinzips als Funktionssperre öffentlicher Wirtschaftsbetätigung. 226 BVerfGE 4, 7/17f.; E 7, 400; E 50, 290/336f. 227 S. 248. 228 S. 267. 229 Scherer, S. 266. - Es gibt auch keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz dahingehend, daß der Staat zu einem effizienten Verhalten verpflichtet ist (so Lecheler, ZBR 1980, 72; vgl. ferner allgemein Walter Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip, 1971). 225

4*

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