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German Pages 265 Year 2010
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1173
Eisenbahnverfassung und Bahnprivatisierung Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit und zum Prozess der Privatisierung der Deutschen Bahn AG
Von Sina Stamm
Duncker & Humblot · Berlin
SINA STAMM
Eisenbahnverfassung und Bahnprivatisierung
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1173
Eisenbahnverfassung und Bahnprivatisierung Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit und zum Prozess der Privatisierung der Deutschen Bahn AG
Von Sina Stamm
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Universität Potsdam hat diese Arbeit im Jahre 2009 als Dissertation angenommen.
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Für Rudi
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde zu Beginn des Wintersemesters 2009/2010 von der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung wurden bis zu diesem Zeitpunkt verwertet, teilweise habe ich danach kleinere Ergänzungen und Aktualisierungen vorgenommen. Mein größter Dank gebührt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Hartmut Bauer für die Anregung zum Thema, die hervorragende Betreuung während der Entstehung der Arbeit sowie die Möglichkeit, seit inzwischen drei Jahren an seinem Lehrstuhl einer spannenden und interessanten Tätigkeit nachzugehen. Ebenfalls großer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Markus Krajewski für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Weiterhin möchte ich mich von Herzen bedanken bei Dr. Jörg Teumer für die Ermutigung zum „Wagnis Promotion“, bei Susann Tittmann für die mühselige Korrektur des Manuskripts, bei Kiki Dreber für den Beistand in schwerer Stunde sowie bei meiner Familie für ihre immerwährende Unterstützung. Köln im März 2010
Sina Stamm
Inhaltsbersicht
Kapitel 1 Der Zug der Zeit: Bahnprivatisierung
25
Kapitel 2 Geschichte der Eisenbahn
29
§ 1 Die Entwicklung der Eisenbahn von den Anfängen bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 § 2 Die weitere Entwicklung bis zum Zweiten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 § 3 Die Geschichte der deutschen Bahnen seit 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
Kapitel 3
§4 §5 §6 §7 §8 §9 § 10
Die erste und zweite Stufe der Bahnreform – Formelle Privatisierung
66
Motive der Bahnstrukturreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Reformprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Verfassungsänderung im Zuge der Bahnstrukturreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die einfachgesetzliche Ausformung der Bahnstrukturreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eckpunkte der Entwicklung zur formellen Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die weitere Entwicklung der Gesetzgebung im Eisenbahnsektor . . . . . . . . . . . . . . . Fünfzehn Jahre nach der Bahnreform – eine Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66 75 84 115 124 125 132
Kapitel 4 Die dritte Stufe der Bahnreform – Materielle Privatisierung § 11 Die Entscheidung für eine materielle Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 12 Der Entwurf eines Gesetzes zur Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes . . . . § 13 Die Verfassungsmäßigkeit des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 14 Die materielle Privatisierung im politischen Diskurs – Volksaktien- und Holdingmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 15 Das (vorläufige) Scheitern der materiellen Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
139 139 147 157 215 234
10
Inhaltsbersicht Kapitel 5 Resümee und Zusammenfassung
235
§ 16 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 § 17 Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263
Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Der Zug der Zeit: Bahnprivatisierung
25
Kapitel 2 Geschichte der Eisenbahn
29
§ 1 Die Entwicklung der Eisenbahn von den Anfängen bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 A. Die Erfindung der Eisenbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 B. Die deutschen Eisenbahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 I. Die Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 II. Staats- oder Privatbahn? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 § 2 Die weitere Entwicklung bis zum Zweiten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 A. Die Situation der Eisenbahnen während des Ersten Weltkriegs . . . . . . . . . . . . . . 36 B. Die Eisenbahnen zur Zeit der Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 I. Die Gründung der Deutschen Reichsbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 II. Die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1. Motive und Konzept der Gründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Struktur und Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3. Wirtschaftliche Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 C. „Räder müssen rollen für den Sieg“ – Die Reichsbahn während des Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 § 3 Die Geschichte der deutschen Bahnen seit 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 A. Die Nachkriegszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 B. Die Deutsche Reichsbahn in der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 I. Die rechtliche Gestaltung des Eisenbahnwesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
12
Inhaltsverzeichnis II. Die wirtschaftspolitische Rolle der Reichsbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 C. Die Deutsche Bundesbahn bis 1989 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 I. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1. Die Zuständigkeitsregelung des Art. 87 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2. Der Organisationsgehalt des Art. 87 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 3. Der Aufgabengehalt des Art. 87 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 II. Das einfachgesetzliche Eisenbahnrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 1. Das Bundesbahngesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 a) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 b) Staatsrechtliche Stellung der Bundesbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 c) Organe der Bundesbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 d) Wirtschaftsführung der Bundesbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 e) Interner Verwaltungsaufbau der Bundesbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 f) Zusammenfassende Anmerkungen zur Organisation der Bundesbahn 59 2. Das Allgemeine Eisenbahngesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3. Das Bundesbahnvermögensgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 4. Kritik und Reformbestrebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 a) Kritikpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 b) Reformbestrebungen und erfolgte Gesetzesänderungen . . . . . . . . . . 61 5. Tatsächliche Situation der Bundesbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 D. Die Vereinigung von Bundesbahn und Reichsbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 I. Rechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 II. Tatsächliche Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
Kapitel 3 Die erste und zweite Stufe der Bahnreform – Formelle Privatisierung
66
§ 4 Motive der Bahnstrukturreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 A. Unwirtschaftlichkeit und mangelnde Konkurrenzfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 I. Die wirtschaftliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
Inhaltsverzeichnis
13
II. Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 1. Behörde und Wirtschaftsunternehmen – die Janusköpfigkeit der Bundesbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2. Starre der Behördenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 3. Motorisierung und Wettbewerbsverzerrung durch den Staat . . . . . . . . . 69 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 B. Problemfall Deutsche Reichsbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 C. Fehlende Regionalisierung im Bereich des Schienenpersonennahverkehrs . . . . 71 D. Europäische Handlungszwänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 E. Zusammenfassende Bemerkungen zu den Motiven der Bahnstrukturreform . . . 75 § 5 Der Reformprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 A. Die Einberufung der Regierungskommission Bundesbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 I. Zusammensetzung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 II. Auftrag der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 B. Der Wechsel an der Unternehmensspitze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 C. Das Reformkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 I. Privatisierung – Begriff und Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 II. Die Vorschläge der Regierungskommission Bundesbahn . . . . . . . . . . . . . . 80 D. Der Gesetzgebungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 § 6 Die Verfassungsänderung im Zuge der Bahnstrukturreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 A. Die Gesetzgebungskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 I. Die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes in Art. 73 I Nr. 6a GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 II. Die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes in Art. 74 I Nr. 23 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
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Inhaltsverzeichnis B. Die Organisation der Eisenbahnen: Art. 87e GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 I. Die Verwaltungskompetenzen gem. Art. 87e I und II GG . . . . . . . . . . . . . 87 1. Bundeseigene Verwaltung bezüglich der Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes gem. Art. 87e I 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . 87 a) Inhalt der Verwaltungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 b) Art der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Fakultative Landesverwaltung gem. Art. 87e I 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . 90 3. Fakultative Bundesverwaltung gem. Art. 87e II GG . . . . . . . . . . . . . . . 90 II. Das Privatisierungsgebot gem. Art. 87e III GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 1. Formelle Privatisierung gem. Art. 87e III 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 2. Grenzen der materiellen Privatisierung gem. Art. 87e III 2 – 4 GG . . . . 94 a) Gesetzgebungsprozess und Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . 94 b) Zur Interpretation des Art. 87e III 2 – 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 III. Der Gewährleistungsauftrag gem. Art. 87e IV GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 1. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 2. Normadressat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 3. Gewährleistungsgegenstand und -umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 a) Bezugspunkte und inhaltliche Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 b) Gewährleistungszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 4. Mittel zur Umsetzung des Gewährleistungsauftrages, insbesondere die Beteiligungsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 a) Im Allgemeinen: Das Institut der Einwirkungspflicht . . . . . . . . . . . . 105 b) Im Besonderen: Anwendbarkeit im Rahmen des Art. 87e GG? . . . . 106 c) Das Verhältnis von Art. 87e III und Art. 87e IV GG . . . . . . . . . . . . . 106 d) Ableitung der Zulässigkeit der Beteiligungsverwaltung aus dem Schienenwegevorbehalt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 e) Grenzen der Beteiligungsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 aa) Gesetzgebungsauftrag und Gesetzesvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . 109 bb) Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 cc) Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 f) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 IV. Das Zustimmungserfordernis gem. Art. 87e V GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 C. Die Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs: Art. 106a, 143a GG . 114
Inhaltsverzeichnis
15
§ 7 Die einfachgesetzliche Ausformung der Bahnstrukturreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 A. Das Gesetz zur Zusammenführung und Neugliederung der Bundeseisenbahnen (BEZNG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 B. Das Gesetz über die Gründung einer Deutsche Bahn Aktiengesellschaft (DBGrG) 117 C. Das Gesetz über die Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes (BEVVG) . . . . 118 D. Das Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs (RegG) 120 E. Das Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 F. Die Anpassung weiterer Rechtsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
§ 8 Eckpunkte der Entwicklung zur formellen Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
§ 9 Die weitere Entwicklung der Gesetzgebung im Eisenbahnsektor . . . . . . . . . . . . . . . 125 A. Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 I. Das „erste Eisenbahninfrastrukturpaket“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 1. Trennung von Netz und Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2. Netzzugang und Einrichtung einer Regulierungsstelle . . . . . . . . . . . . . . 127 II. Das „Zweite Eisenbahnpaket“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 B. Nationales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 I. Die Zweite Stufe der Bahnreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 II. Das Dritte Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften . . . . . 129 1. Netzzugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 2. Trennung von Netz und Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 3. Erweiterung der Kompetenzen der Bundesnetzagentur . . . . . . . . . . . . . 131
§ 10 Fünfzehn Jahre nach der Bahnreform – eine Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 A. Die wirtschaftliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 B. Die Rolle des Verkehrsträgers Eisenbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 C. Die Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahnsektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 D. Weitere Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
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Inhaltsverzeichnis Kapitel 4 Die dritte Stufe der Bahnreform – Materielle Privatisierung
139
§ 11 Die Entscheidung für eine materielle Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 A. Die Entwicklung in den ersten zehn Jahren nach der Bahnreform . . . . . . . . . . . 139 B. Das sog. PRIMON-Gutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 I. Die verschiedenen Privatisierungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 1. Das Trennungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 2. Das Eigentumsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 3. Das Eigentumsmodell – Gestaltungsvariante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 4. Das integrierte Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 5. Das Finanzholding-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 II. Vergleichende Betrachtung der Privatisierungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . 142 C. Die Entscheidung für das sog. Eigentumssicherungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . 144 § 12 Der Entwurf eines Gesetzes zur Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes . . . . 147 A. Vom Referentenentwurf bis zum Kabinettsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 B. Der Gesetzesinhalt – Das Eigentumssicherungsmodell in der praktischen Ausformung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 I. Der Entwurf des Gesetzes über die teilweise Kapitalprivatisierung der Deutsche Bahn Aktiengesellschaft (DBPrivG-E) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 II. Der Entwurf des Gesetzes über die Struktur der Eisenbahnen des Bundes (BESG-E) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 III. Der Entwurf des Gesetzes über die Erhaltung und den Ausbau der Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes (BSEAG-E) . . . . . . . . . . . . . . 154 IV. Der Entwurf einer Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG-E) und des Bundeseisenbahnverkehrsverwaltungsgesetzes (BEVVG-E) . . . . 156 § 13 Die Verfassungsmäßigkeit des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 A. Grundsätzliche Zulässigkeit der Privatisierung von Verwaltungsaufgaben . . . . . 157 B. Formelle Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 I. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 1. Art. 1 EBNeuOG-E – DBPrivG-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
Inhaltsverzeichnis
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2. Art. 2 EBNeuOG-E – BESG-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 3. Art. 3 EBNeuOG-E – BSEAG-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 4. Art. 4 und 5 EBNeuOG-E – AEG-E und BEVVG-E . . . . . . . . . . . . . . . 159 5. Art. 6 – 9 EBNeuOG-E – DBGrG-E, EIBV-E, SchwAbG, VwGO-E . . 159 II. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 1. Gesetzesinitiative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 2. Zuleitung an den Bundesrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 3. Gesetzesberatungen im Bundestag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 4. Beteiligung des Bundesrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 C. Materielle Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 I. Verfassungsrechtlich geforderte Einwirkungsrechte des Bundes auf die EIU (Art. 87e III 3 HS 2 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 1. Auslegung des Art. 87e III 3 HS 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 a) Auslegung nach dem Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 aa) Quantitative Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 bb) Qualitative Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 b) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 c) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 d) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 2. Materielle Anforderungen an die Qualität der Einwirkungsrechte des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 a) Vergleichsmaßstab: Mehrheitsaktionär . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 b) Vergleichsmaßstab: Die typischen Rechte eines Mehrheitsanteilseigners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 II. Die Einwirkungsrechte des Bundes nach dem BESG-E . . . . . . . . . . . . . . . 183 1. Einschränkungen der „normalen“ Einwirkungsrechte eines Mehrheitsgesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 2. Kompensationsmöglichkeiten für die Beschränkung der Einwirkungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 a) Zustimmungsvorbehalt bezüglich bestimmter Entscheidungen der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 b) Zustimmungspflichtige Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
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Inhaltsverzeichnis c) Entsenderechte des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 d) Mehrheitseigentum an der DB AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 aa) Vorhandenes Einflusspotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 bb) Einflussverlust durch Beteiligung der privaten Aktionäre? . . . . 190 cc) Einflussverlust durch fehlende Unmittelbarkeit der Einwirkungsrechte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 dd) Stärkung des Einflusspotentials durch gesetzliche Sonderregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 ee) Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 e) Gesetzliche und vertragliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 3. Gesamtbilanz der vorhandenen Einwirkungsrechte und Ergebnis . . . . . 196 III. Die verfassungsrechtlich geforderte vermögensrechtliche Beziehung des Bundes zu den EIU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 IV. Die vermögensrechtliche Beziehung des Bundes zu den EIU nach dem BESG-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 1. Die Konstruktion des BESG-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 2. Vereinbarkeit der Konstruktion des BESG-E mit Art. 87e III 3 HS 2 GG 201 a) Dauerhafte Weggabe des wirtschaftlichen Eigentums? . . . . . . . . . . . 201 b) Faktischer Ausschluss der Zusammenführung des juristischen und wirtschaftlichen Eigentums (sog. Rückholoption)? . . . . . . . . . . . . . . 203 V. Verstoß gegen den Gesetzesvorbehalt des Art. 87e III 3 HS 1 GG? . . . . . . 205 VI. Verstoß gegen den Gewährleistungsauftrag aus Art. 87e IV 1 GG? . . . . . . 206 1. Verstoß durch Rechtsformenwahl? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 2. Verstoß durch fehlende Kündigungs- und Anpassungsrechte? . . . . . . . . 207 VII. Verstoß gegen den Gesetzesvorbehalt des Art. 87e IV 2 GG? . . . . . . . . . . 211 1. Auslegung des Art. 87e IV 2 GG als Gesetzesvorbehalt . . . . . . . . . . . . 211 2. Verstoß gegen den Gesetzesvorbehalt durch den BSEAG-E? . . . . . . . . 212 VIII. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
§ 14 Die materielle Privatisierung im politischen Diskurs – Volksaktien- und Holdingmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 A. Widerstand gegen das Eigentumssicherungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 B. Das sog. Volksaktienmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
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C. Das sog. Holdingmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 I. Der Entwurf des Holdingmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 II. Die Reaktion der Opposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 III. Die Befassung des Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 IV. Die Reaktion des Bundesrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 1. Der Entwurf des Gesetzes über die Erhaltung und den Ausbau der Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes (BSEAG-E2) . . . . . . . . . . . 223 2. Der Entwurf des Gesetzes zur Gewährleistung des Schienenpersonenfernverkehrs (BSPFVG-E) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 V. Die Umstrukturierung der DB AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 VI. Der Bundestagsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 VII. Die Verfassungsmäßigkeit einer Teilprivatisierung nach dem Bundestagsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 1. Verstoß gegen den Gesetzesvorbehalt aus Art. 87e III 3 HS 2 GG? . . . . 228 2. Verstoß gegen den Gesetzesvorbehalt aus Art. 87e IV 2 GG? . . . . . . . . 229 a) Verstoß durch Privatisierungsentscheidung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 b) Verstoß durch Begleitmaßnahmen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 § 15 Das (vorläufige) Scheitern der materiellen Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Kapitel 5 Resümee und Zusammenfassung
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§ 16 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 § 17 Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263
Abkürzungsverzeichnis a.A. ABl. ADB ADHGB AEG AEG-E a.F. AG AktG AO AöR ArbuR Art. AVW BayVBl. BB BbG BDI BESG-E BEV BEVVG BEVVG-E BEZNG BGB BGBl. BGH BMF BMV BMVBS BR BR-Drucks. BSEAG-E BSEAG-E2 BSPFVG bspw. BT BT-Drucks. BVerfG BVerwG
andere Auffassung Amtsblatt Allgemeine Deutsche Biographie Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch Allgemeines Eisenbahngesetz Entwurf einer Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes alte Fassung Aktiengesellschaft Aktiengesetz Anordnung Archiv des öffentlichen Rechts Arbeit und Recht Artikel Internationales Archiv für Verkehrswesen Bayerische Verwaltungsblätter Der Betriebsberater Bundesbahngesetz Bundesverband der Deutschen Industrie Entwurf des Gesetzes über die Struktur der Eisenbahnen des Bundes Bundeseisenbahnvermögen Gesetz über die Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes Entwurf einer Änderung des Bundeseisenbahnverkehrsverwaltungsgesetzes Gesetz zur Zusammenführung und Neugliederung der Bundeseisenbahnen Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bundesministerium der Finanzen Bundesministerium für Verkehr Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Bundesrat Drucksachen des Bundesrates Entwurf des Gesetzes über die Erhaltung und den Ausbau der Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes Entwurf des Gesetzes über die Erhaltung und den Ausbau der Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes (Entwurf des Landes Sachsen-Anhalt) Entwurf eines Gesetzes zur Gewährleistung des Schienenpersonenfernverkehrs beispielsweise Bundestag Drucksachen des Bundestages Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht
22 ca. CDU CSU DB DB AG DBGrG DBGrG-E DB ML AG DBPrivG-E
Abkürzungsverzeichnis
circa Christlich Demokratische Union Christlich Soziale Union Deutsche Bundesbahn Deutsche Bahn Aktiengesellschaft Gesetz über die Gründung einer Deutsche Bahn Aktiengesellschaft Entwurf einer Änderung des Deutsche Bahn Gründungsgesetzes Deutsche Bahn Mobility Logistics AG Entwurf des Gesetzes über die teilweise Kapitalprivatisierung der Deutsche Bahn Aktiengesellschaft DDR Deutsche Demokratische Republik d. h. das heißt DM Deutsche Mark DNVP Deutschnationale Volkspartei DÖV Die öffentliche Verwaltung DR Deutsche Reichsbahn DRG Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft Drucks. Drucksache DVBl. Deutsches Verwaltungsblatt DZWir Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EBA Eisenbahn-Bundesamt EBNeuOG-E Entwurf eines Gesetzes zur Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes EG Europäische Gemeinschaft EIBV Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung EIBV-E Entwurf einer Änderung der Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung EIU Eisenbahninfrastrukturunternehmen ENeuOG Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens EU Europäische Union EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht e.V. eingetragener Verein EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft f. folgende FDP Freie Demokratische Partei ff. fortfolgende FG Festgabe Fn. Fußnote FS Festschrift GBl. Gesetzblatt gem. gemäß GewArch Gewerbearchiv GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbHG GmbH-Gesetz GOBT Geschäftsordnung des Bundestages GVFG Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz GWG Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen GWP Gesellschaft. Wirtschaft. Politik.
Abkürzungsverzeichnis HGB Hrsg. HS HStR HVR i. d. F. i. d. R. i.S.d. i.S.v. i.V.m. JA JuS KG KJ LKV LL LuFV MBG MBl. MfV Mio. Mrd. m.w.N. NJW NordÖR Nr. NVwZ NWVBl. o.g. o. J. o.O. ÖPNV o.V. PBefG PDS Pkm PRIMON RdA RegG RegTP RGBl. RM Rn. Rspr. RVO S. SächsGemO SBZ
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Handelsgesetzbuch Herausgeber Halbsatz Handbuch des Staatsrechts Hauptverwaltung der Deutschen Reichsbahn im Vereinigten Wirtschaftsgebiet in der Fassung in der Regel im Sinne des/der im Sinne von in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Juristische Schulung Kommanditgesellschaft Kritische Justiz Landes- und Kommunalverwaltung Linke Liste Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung Mitbestimmungsgesetz Ministerialblatt Ministerium für Verkehr Million Milliarde mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift Zeitschrift für öffentliches Recht in Norddeutschland Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter oben genannte(r/s) ohne Jahr ohne Ort öffentlicher Personennahverkehr ohne Verfasser Personenbeförderungsgesetz Partei des Demokratischen Sozialismus Personenkilometer Privatisierungsvarianten der Deutschen Bahn AG mit und ohne Netz Recht der Arbeit Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post Reichsgesetzblatt Reichsmark Randnummer Rechtsprechung Rechtsverordnung Seite Sächsische Gemeindeordnung Sowjetische Besatzungszone
24 SchwAbG sog. SPD SPNV spw SWDE Tkm TOP UdSSR UmwG u. U. Var. VBlBW VerfGH VerwArch vgl. VO VRT VVDStRL VwO VwVfG WiGBl. WiVerw. WRV WuW ZG ZGR ZHR
Abkürzungsverzeichnis Schienenwegeausbaugesetz so genannte(r/s) Sozialdemokratische Partei Deutschlands Schienenpersonennahverkehr Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft Betriebsvereinigung der Südwestdeutschen Eisenbahnen Tonnenkilometer Tagesordnungspunkt Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken Umwandlungsgesetz unter Umständen Variante Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg Verfassungsgerichtshof Verwaltungsarchiv vergleiche Verordnung Verhandlungen des Reichstages Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsordnung der Deutschen Bundesbahn Verwaltungsverfahrensgesetz Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes Wirtschaft und Verwaltung Weimarer Reichsverfassung Wirtschaft und Wettbewerb Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht
Für alle weiteren verwendeten Abkürzungen wird auf H. Kirchner / D. Pannier, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 6. Auflage 2008, verwiesen.
Kapitel 1
Der Zug der Zeit: Bahnprivatisierung „A railroad is 95 percent men and 5 percent iron.“ Adam Smith (1723 – 1790), schottischer Nationalökonom, Rhetoriklehrer und Moralphilosoph, Begründer der klassischen Nationalökonomie.
In Zeiten leerer Staatskassen erfreut sich die Privatisierung großer Staatsunternehmen steigender Popularität. Beispielhaft sei hier auf die Umstrukturierung der Deutschen Bundespost verwiesen, die zwischen 1989 und 1996 von einer Behörde in mehreren Schritten zunächst in drei privatrechtliche Gesellschaften umgewandelt und anschließend zum Teil veräußert wurde1. Ebenfalls in den neunziger Jahren gab der Bund zudem seine Mehrheit an der bereits privatrechtlich organisierten Deutschen Lufthansa AG auf2; daneben wurden weitere kleinere Staatsunternehmen wie zum Beispiel die Bundesdruckerei3 und die Fraport AG4 materiell privatisiert5.
1 Grundlage der Umstrukturierung der Bundespost war zunächst das Poststrukturgesetz (BGBl. 1989 I, 1026) sowie das später folgende Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (BGBl. 1994 I, 2245) und das Postneuordnungsgesetz (BGBl. 1994 I, 2325). Einen kurzen Überblick über den Prozess und die Hintergründe der Privatisierung der Bundespost bieten J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 294 ff.; J. Teumer, Die Auswirkungen der Postreformen auf das materielle Strafrecht des StGB, S. 4 ff. Siehe dazu auch L.M. Büchner, DZWir 1995, 120 ff.; K. Stern, DVBl. 1997, 309 ff. Zu den Möglichkeiten der Privatisierung der Bundespost vor der Grundgesetzänderung R. Schmidt, Rechtliche Möglichkeiten für Privatisierungen im Bereich der Deutschen Bundespost, in: FS Lerche, S. 965 ff. Parallelen der Privatisierung von Bahn und Post zeigt U. Kramer, Das Recht der Eisenbahninfrastruktur, S. 83 ff. auf. 2 Im Geschäftsjahr 1994 wurde bei der Deutschen Lufthansa AG eine Kapitalerhöhung durchgeführt, bei der der Bund von seinen Bezugsrechten keinen Gebrauch machte und sein Unternehmensanteil in der Folge auf unter 50 % sank. Siehe zur Privatisierung der Deutschen Lufthansa AG N.v. Ruckteschell, ZGR 1996, 364 ff. Zu den Diskussionen im Vorfeld der Aufgabe des Mehrheitseigentums der öffentlichen Hand an der Lufthansa AG siehe H. Brede / G. Püttner, Die wichtigsten Privatisierungsformen und ihre Eignung, ein fortdauerndes öffentliches Interesse am Unternehmen zu wahren, in: H. Brede (Hrsg.), Privatisierung und die Zukunft der öffentlichen Wirtschaft, S. 267 (280 f.). 3 Die Bundesdruckerei gehörte zunächst zum Bundesvermögen und war Bestandteil der Bundesverwaltung. Am 01. Juni 1994 wurden ihre Aufgaben auf eine GmbH übertragen, deren Anteile sich jedoch zunächst vollständig in Bundeseigentum befanden. Erst im Jahre 2000 erfolgte eine Veräußerung dieser Unternehmensanteile. Nach einer defizitären und sogar insolvenzbedrohten Lage des Unternehmens schloss der Bund den Rückkauf des Unternehmens im März 2009 ab, vgl. Pressemitteilung der Bundesdruckerei GmbH, im Internet abrufbar unter (Stand: 22. Mai 2009).
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Kap. 1: Der Zug der Zeit: Bahnprivatisierung
Im Grunde war es daher nur eine Frage der Zeit, wann davon auch die Deutsche Bahn betroffen sein würde. Eine erste Bewegung in diese Richtung war bereits im Jahre 1994 mit der formellen Privatisierung und Umwandlung des öffentlich-rechtlichen Sondervermögens Deutsche Bundesbahn in ein Unternehmen privatrechtlicher Form erfolgt. Nun wird als nächster Schritt mit dem Börsengang und dem damit einhergehenden Verkauf des sich noch im Staatseigentum befindlichen Konzerns eine materielle Privatisierung angestrebt. Diese Entscheidung ist aber nicht nur hinsichtlich der Art und Weise ihrer Verwirklichung, sondern auch hinsichtlich der Frage, ob ein Börsengang überhaupt sinnvoll ist, stark umstritten. Während diese Auseinandersetzung zunächst vorrangig politischer Natur war, erhielt sie, spätestens mit der Vorlage des Entwurfes eines Gesetz zur Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes6 durch die Bundesregierung im September 2007, auch eine juristische Seite – es bestanden nämlich von Beginn an Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Entwurfes7, der das sog. Eigentumssicherungsmodell umsetzen will. Das Grundgesetz enthält bezüglich der Organisation der Eisenbahnen mit Art. 87e GG eine zentrale Norm, die im Zuge der Bahnreform von 1994 in die Verfassung eingefügt wurde. Diese schreibt für die Eisenbahnunternehmen zwar einerseits eine privatrechtliche Organisationsform und damit grundsätzlich eine privatwirtschaftliche Ausrichtung vor; andererseits wird diese Entscheidung, jedenfalls hinsichtlich der Eisenbahninfrastruktur, wieder relativiert und dem Bund eine Gemeinwohlverpflichtung auferlegt. Diese Konzeption der Eisenbahnverfassung bringt erhebliche Auslegungsfragen mit sich. Wenn es auch Sache des Gesetzgebers ist, eine Entscheidung bezüglich des Ob und des Wie eines möglichen Börsenganges der Deutschen Bahn AG zu treffen, so ist dessen Entscheidungsfreiheit doch zumindest dadurch eingeschränkt, dass er dabei die von der Verfassung vorgegebenen Grenzen, d. h. insbesondere Art. 87e GG, zu beachten hat. Die Verabschiedung eines verfassungswidrigen Privatisierungsgesetzes hätte nicht nur auf das Unternehmen Deutsche Bahn AG negative Auswirkungen, sondern auf den deutschen Schienenverkehrssektor insgesamt.
4 Die Fraport AG (zu Beginn Verkehrsaktiengesellschaft Rhein-Main AG [V.A.G.], später Flughafen Frankfurt/Main AG [FAG]) befand sich lange Zeit im ausschließlichem Eigentum der öffentlichen Hand (Land Hessen, Stadt Frankfurt am Main, Bund), bis sie im Jahre 2001 durch einen Börsengang teilprivatisiert wurde. Bei diesem Schritt gelangten knapp unter 30 % der Aktien in privaten Streubesitz (siehe I. Mikesˇic´, NVwZ 2004, 788 [791 mit Fn. 1]; VGH Kassel, NVwZ 2003, 874 [875]). Im Oktober 2005 veräußerte der Bund schließlich seinen Anteil, sodass die öffentliche Hand nunmehr lediglich knapp über 50 % der Anteile hält. Vgl. zum Ganzen (Stand: 27. Mai 2009). 5 Zum Begriff der „Privatisierung“ und seinen Formen siehe unten § 5 C. I. Einen Überblick über die Privatisierungstendenzen zu Beginn der neunziger Jahre (inklusive der Bahn) gibt A. Benz, Die Verwaltung 28 (1995), 337 (343 ff.). Vgl. auch H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 (245 ff.); F. Schoch, DVBl. 1994, 962 (963 f.). 6 BT-Drucks. 16/6383. 7 Siehe dazu unten, § 12 A.
Kap. 1: Der Zug der Zeit: Bahnprivatisierung
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Die Untersuchung der Vereinbarkeit des Entwurfs des Eisenbahnneuorganisationsgesetzes mit geltendem Verfassungsrecht soll aus diesem Grunde den Kernbestandteil der vorliegenden Arbeit ausmachen. Dabei wird zunächst zu untersuchen sein, ob der Bund für den Erlass des Eisenbahnneuorganisationsgesetzes zuständig und ob der absolvierte Teil des Gesetzgebungsverfahrens ordnungsgemäß abgelaufen ist. Im Anschluss daran soll der Fokus auf die Vereinbarkeit des Konzepts der Trennung zwischen wirtschaftlichem und juristischem Eigentum, wie sie im vorgelegten Entwurf verwirklicht ist, mit den Vorgaben des Art. 87e GG und dabei insbesondere den Regelungen bezüglich der Eisenbahninfrastrukturunternehmen gerichtet werden. Des Weiteren soll Gegenstand der Untersuchung sein, ob dem in Art. 87e III 3 GG für die Anteilsveräußerung an Eisenbahninfrastrukturunternehmen aufgestellten Gesetzesvorbehalt Genüge getan wurde. Schließlich soll auch das später in die Diskussion gebrachte sog. Holding-Modell auf seine Verfassungsmäßigkeit hin überprüft werden. Besonderer Aufmerksamkeit bedarf dabei der Umstand, dass diese Privatisierungsvariante lediglich aufgrund eines Bundestagsbeschlusses und ohne ein entsprechendes Privatisierungsgesetz umgesetzt werden soll. In diesem Zusammenhang spielt insbesondere die Vorschrift des Art. 87e IV 2 GG eine bedeutende Rolle. Die rechtliche Organisation der Eisenbahn ist keine rein politische Angelegenheit, sondern steht immer auch im Kontext der jeweiligen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und historischen Gegebenheiten8. Erst das Zusammenspiel dieser Faktoren ergibt ein vollständiges Bild und ermöglicht ein tieferes Verständnis der Entwicklung der Eisenbahnverfassung. So verdient zum Beispiel die Tatsache Aufmerksamkeit, dass sich viele Eisenbahnunternehmen zunächst in privatem Eigentum befanden, bevor sie später verstaatlicht wurden. Deswegen ist es nützlich, vor einer Auseinandersetzung mit der aktuellen rechtlichen Problematik (Kapitel 4) einen Blick auf die Geschichte der Eisenbahn zu werfen (Kapitel 2). Die Bahnreform von 1994, der die Rolle als Wegbereiter des Börsengangs der DB AG zukommt und die für diesen durch die erfolgte Grundgesetzänderung wesentliche Rahmenbedingungen setzte, soll dabei ein gesonderter Gegenstand der Untersuchung sein (Kapitel 3). In diesem Zusammenhang bleibt auch Raum für eine Exegese des Art. 87e GG, der im Wesentlichen den Prüfungsmaßstab für die Verfassungsmäßigkeit des Eisenbahnneuordnungsgesetzes bildet. Das Gesetzesvorhaben einer materiellen Privatisierung der Deutschen Bahn AG scheint zwar zwischenzeitlich aufgrund der aktuellen Finanzmarktkrise und damit zusammenhängenden Befürchtungen vor einem zu geringen Veräußerungserlös sowie der Trendwende von Privatisierung hin zu Verstaatlichung vorerst „auf Eis
8 Dies wird vor dem aktuellen Hintergrund der Entscheidung über die Verschiebung des Börsenganges der DB ML AG aufgrund der Finanzmarktkrise deutlicher denn je. Siehe dazu unten, § 15.
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Kap. 1: Der Zug der Zeit: Bahnprivatisierung
zu liegen“9 – erledigt ist dieses Thema damit aber noch nicht. Die neue Regierungskoalition aus den Fraktionen der CDU/CSU sowie FDP wird sich früher oder später diesem Thema annehmen müssen. Aufgrund der durchaus divergierenden Positionen der beiden Koalitionspartner zur Frage der Gestaltung einer materiellen Privatisierung der Deutschen Bahn AG während der letzten Legislaturperiode10 scheint in dieser Hinsicht alles möglich: von der vollständigen Absage an eine materielle Privatisierung über das Wiederaufleben des Eigentumssicherungs- oder des Holding-Modells bis hin zu einer vollkommen anderen Privatisierungsvariante. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit der beiden hauptsächlich zur Diskussion stehenden Modelle ist damit aktueller denn zuvor.
9 Vgl. o.V., Bahn-Börsengang erst nach der Bundestagswahl?, Artikel vom 05. Dezember 2008, im Internet abrufbar unter (Stand: 28. November 2008). 10 Siehe dazu die Ausführungen in § 14 C.
Kapitel 2
Geschichte der Eisenbahn § 1 Die Entwicklung der Eisenbahn von den Anfängen bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges A. Die Erfindung der Eisenbahn Die Entwicklung der Eisenbahn als Transportsystem vereinigte drei, zunächst völlig unabhängige Erfindungen miteinander: das Rad, die Schiene und die Nutzbarkeit der Dampfkraft. Während das Rad auf eine Geschichte zurückblicken kann, die mehrere Jahrtausende umfasst1, wurden hölzerne Schienen erstmals im 16. Jahrhundert in Bergwerken genutzt, um die sog. „Loren“ leichter über den unebenen Boden befördern zu können2. Im Jahre 1767 begann man in einem Bergwerk im englischen Coalbrookdale gegossene eiserne Schienen zu verwenden, die eine wesentlich längere Lebensdauer als ihre hölzernen Vorbilder aufwiesen3. Die Idee, Dampf als Antriebskraft zu nutzen, hat eine ähnlich lange Geschichte wie das Rad. Bereits im Jahre 65 v.Chr. drehte sich der Heron-Ball durch ausströmenden Dampf4. In der Neuzeit nutzte der Engländer Thomas Savery5 im Jahre 1698 den 1
Dazu kurz z. B. K. Hartung / E. Preuß, Chronik Deutsche Eisenbahnen 1835 – 1995, S. 11. Siehe R.R. Rossberg, Geschichte der Eisenbahn, S. 12; Hartung / Preuß, Eisenbahnen, S. 11. 3 Dazu und zur weiteren Entwicklung der Schiene Hartung / Preuß, Eisenbahnen, S. 11 ff. 4 Der Heron-Ball (auch „Aeolipile“) wurde nach seinem Erfinder, Heron von Alexandria, benannt, der zwischen 200 v.Chr. und 300 n.Chr. gelebt hat. Es handelt sich dabei um eine Maschine, mit deren Hilfe sich die Expansionskraft von Wasserdampf und das Rückstoßprinzip demonstrieren lassen. Meistens wird eine mit Wasser gefüllte Metallkugel drehbar auf einer Achse gelagert. An der Kugel befinden sich zwei Düsen, die jeweils gegen die Drehrichtung zeigen. Entfacht man ein Feuer unterhalb der Kugel, so setzt der austretende Wasserdampf die Kugel in eine Rotationsbewegung. Vgl. Technisches Museum Thessaloniki. Studiengesellschaft für antike griechische Technologie (Hrsg.), Antike Griechische Technologie. Eine Annäherung mit nachgebildeten Konstruktionen aus dem erstaunlichen Werk der altgriechischen Meister, S. 56. 5 Thomas Savery (1650 – 1715), englischer Ingenieur und Erfinder, der sich ursprünglich mit dem Bau von Schiffen befasste und sich später mit der Pumpentechnik auseinandersetzte. Die 1698 konstruierte Dampfmaschine, die er sich unter dem Namen „Miners Friend“ pa2
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Kap. 2: Geschichte der Eisenbahn
Dampf erstmals wirtschaftlich mit einer Dampfpumpe.6 Über 70 Jahre später, 1769, entwickelte James Watt7 die erste einfache Dampfmaschine. Als eigentlicher Erfinder der Dampflokomotive kann aber wohl Richard Trevithick8 gelten, der die erste Hochdruck-Dampfmaschine baute und mit Modellen von Dampfwagen experimentierte.9 Im Jahre 1804 schließlich fanden die drei Komponenten Rad, Schiene und Dampfantrieb zusammen: Aufgrund einer Wette mit einem Grubenbesitzer baute Trevithick die erste funktionsfähige Dampflokomotive, die einen Zug aus fünf Wagen mit 70 Passagieren und 10 t Last über eine Strecke von fast 15 km zog.10 Damit war die Eisenbahn geboren, ein Transportmittel, das seinen Siegeszug quer durch Europa und den Rest der Welt antrat, um die Personen- und Güterbeförderung zu revolutionieren. Nur zwei Jahrzehnte später, im Jahre 1825, wurde Englands erste Eisenbahn eröffnet. Sie verkehrte auf der Strecke von Stockton nach Darlington.
tentieren ließ, wurde dazu genutzt, um eindringendes Grundwasser aus Bergwerken zu pumpen. Dies wurde bis dahin manuell, mit Göpeln oder Wasserkünsten bewerkstelligt, was aber bei zunehmender Tiefe der Bergwerke zu teuer wurde. Saverys Dampfmaschine hatte den Nachteil, dass ihr Wirkungsgrad im Promillebereich lag und sie daher praktisch nur in Kohlebergwerken verwendet werden konnte. Vgl. zum Ganzen C. Matschoss, Die Entwicklung der Dampfmaschine, Band 1, S. 291 ff. 6 Vgl. W. Stoffels, Lokomotivbau und Dampftechnik, S. 11. 7 James Watt (1736 – 1819), schottischer Erfinder, war als Instrumentenmacher an der Universität von Glasgow tätig. Im Jahre 1764 erhielt er den Auftrag, eine Dampfmaschine (nach der Bauart von Thomas Newcomen) zu reparieren, was ihn dazu veranlasste, die durch ihren extrem hohen Energiebedarf gekennzeichnete Maschine zu verbessern. Er verlegte die Kondensation des Wasserdampfes in einen getrennten Behälter, den Kondensator, um so das abwechselnde Aufheizen und Abkühlen des Zylinders zu vermeiden. Nach diesem Prinzip funktionieren noch heute moderne Dampfkraftwerke. Deshalb gilt Watt als Erfinder der Dampfmaschine, obwohl er sie im Grunde nur an einer – zugegegebenermaßen entscheidenden Stelle – weiterentwickelt hat und damit eine Ersparnis an Steinkohle von über 60 % gegenüber den Vorläufermodellen erreicht werden konnte. Vgl. zu Watt H.L. Sittauer, James Watt. 8 Richard Trevithick (1771 – 1833), britischer Erfinder und Maschinenbauer, der sich mit der Verbesserung der Dampfmaschine und dabei insbesondere mit deren Verkleinerung und der Herstellung stärkerer Dampfkessel befasste. Wegen der Anwendung von Hochdruck-Dampf, die heute als seine wichtigste Erfindung angesehen wird, geriet er in scharfe Gegnerschaft zu James Watt (vgl. Fn. 7), der vor der Gefahr von Kesselexplosionen durch Trevithicks Hochdruck-Dampfmaschinen warnte. Im Jahre 1801 stellte er eine seiner neuen kleinen Dampfmaschinen auf Räder und schuf so eine Art Straßenlokomotive, zwei Jahre später folgte eine mit einer Dampfmaschine ausgestattete Postkutsche. In der Folge wandte er sich Entwicklungen wie Dampfbaggern, Schraubenpropellern und Schwimmdocks zu und verstarb schließlich, nachdem er zehn Jahre in Peru verbracht hatte, verarmt und vergessen in Dartford. Vgl. zur Biografie: A. Burton, Richard Trevithick. Giant of Steam. 9 Hartung / Preuß, Eisenbahnen, S. 12. 10 Hartung / Preuß, Eisenbahnen, S. 12.
§ 1 Von den Anfängen bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges
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B. Die deutschen Eisenbahnen I. Die Ausgangssituation In Deutschland waren die Vorbedingungen für die Einführung und Nutzung der neuen technischen Errungenschaft denkbar ungünstig. Die Kleinstaaterei und die damit einhergehenden Zollgebiete der einzelnen Staaten sowie die Tatsache, dass größtenteils noch Ackerbau ohne bedeutende Industrie betrieben wurde, führten dazu, dass der Handel auf einen Umfang beschränkt blieb, für den das Wasserund Straßennetz zunächst ausreichende Transportmöglichkeiten bereithielt.11 Dennoch gab es einige Persönlichkeiten, die die Bedeutung des neuen Transportmittels frühzeitig erkannten und sich um die Entwicklung der Eisenbahnen in Deutschland verdient machten. So erhielt der bayerische Oberstbergrat Joseph von Baader12 im Jahre 1815 das erste eisenbahntechnische Patent, das in Deutschland verliehen worden ist.13 Zehn Jahre später forderte Friedrich Harkort14 in einem Zeitungsartikel den Bau einer Eisenbahnverbindung von Köln nach Minden.15 Während dieser und die meisten anderen Vorschläge der damaligen Zeit jedoch auf einzelne Kleinstaaten oder Teilstrecken beschränkt blieben, brachte Friedrich List16 zum ersten Mal den Plan eines umfassenden und ganz Deutschland verbindenden Ei11 H.-H. Wilhelmi, Staat und Staatseisenbahn – Die Entwicklung der Eisenbahnverfassung in Deutschland, S. 4. 12 Joseph von Baader (1763 – 1835), deutscher Ingenieur und Arzt, beschäftigte sich nach seinem Medizinstudium mit dem Studium der Mathematik, des Maschinen- und Bergbaus und wurde später Direktor des Maschinen- und Bergbaus in Bayern. Vgl. zur Biografie: K. Karmarsch, Baader, Joseph von, in: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB), Band 1, S. 725 f. 13 B. Stumpf, Kleine Geschichte der deutschen Eisenbahnen, S. 16. 14 Friedrich Harkort (1793 – 1880), deutscher Unternehmer und Politiker, veröffentlichte seinen Artikel unter der Prämisse einer gewissen Marktstrategie. Im Jahre 1828 gründete er gemeinsam mit anderen Mitstreitern die erste Eisenbahn-Aktiengesellschaft auf deutschem Boden. Zweck war der Bau der Deilthaler Eisenbahn (einer Pferde-Bahn), die 1831 eröffnet wurde und den Namen Prinz-Wilhelm-Bahn trug. Im gleichen Jahr wiederholte er seinen Vorschlag bezüglich der Eisenbahn von Köln nach Minden im westfälischen Provinziallandtag, in den er zwischenzeitlich gewählt worden war. Schließlich wurde auch hier eine Aktiengesellschaft gegründet, um das notwendige Kapital zum Bau der Strecke aufzubringen, wozu der preußische Staat nicht willens oder in der Lage war. Erst 1847 war die Strecke aber vollständig befahrbar. Vgl. zur Biografie L. Berger, Der alte Harkort. Ein westfälisches Lebens- und Zeitbild. 15 Hartung / Preuß, Eisenbahnen, S. 13. 16 Friedrich List (1789 – 1846), deutscher Wirtschaftstheoretiker, wanderte wegen einer Haftstrafe in die USA aus und kehrte später als amerikanischer Staatsbürger und Generalkonsul für Baden nach Deutschland zurück. Er engagierte sich in der Folgezeit für den Aufbau eines deutschen Eisenbahnnetzes. Er warb beispielsweise mit einem Aufruf an das Sächsische Königshaus und Bürgertum für den Bau der Leipzig-Dresdner Eisenbahn und war maßgeblich am Erfolg dieser ersten deutschen Ferneisenbahnstrecke beteiligt. Trotz seiner Verdienste erhielt er nie einen leitenden Posten im Eisenbahnwesen, sondern fungierte immer nur als Ideengeber. Vgl. zur Biografie E. Wendler, Friedrich List. Eine historische Gestalt und Pionier auch im deutsch-amerikanischen Bereich.
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Kap. 2: Geschichte der Eisenbahn
senbahnnetzes ins Gespräch.17 Es bedurfte der Eröffnung der ersten öffentlichen Dampfeisenbahn für Personenverkehr in England im Jahre 1830 zwischen Liverpool und Manchester18, damit auch in Deutschland die Einsicht in die Notwendigkeit und Nützlichkeit des neuen Transportmittels wuchs und man infolgedessen verschiedene Eisenbahnprojekte plante19. Die erste deutsche Eisenbahnlinie entstand schließlich 1835 in Bayern von Nürnberg nach Fürth, die schon 1814 von Josef von Baader als Pferdebahn geplant worden war.20 Strecken in anderen Staaten des Deutschen Bundes folgten.21 II. Staats- oder Privatbahn? Als die deutschen Staaten den Anschluss an die eisenbahntechnische Entwicklung geschafft hatten, stellte sich schon bald die Frage, ob sie den Bau und Betrieb von Eisenbahnen staatlich organisieren oder privaten Unternehmen überlassen wollten22. Die Antwort auf diese Frage fiel in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich aus. In Baden beispielsweise wurde lange und lebhaft über die Vorzüge und Nachteile einer Staatsbahn debattiert, bis sich schließlich eine Kommission von Notabeln eindeutig für das Staatsbahnsystem aussprach.23 Das zuständige Kommissionsmitglied Karl Friedrich Nebenius24 führte als Gründe hierfür auf, dass die mit dem Betrieb einer Eisenbahn verbundene Monopolstellung besser beim Staat verbleiben solle und das Land auf diese Weise zugleich vor Spekulationen in Aktien bewahrt werde. Zudem betonte er, dass der Staat im Falle eines Schadens mittelbar betroffen werde, weshalb er sich auch den Nutzen der Eisenbahn sichern solle.25 Diese Argumente gaben wohl den Ausschlag dafür, dass im Jahre 1838 die Anlegung einer Ei17
Stumpf, Kleine Geschichte, S. 17. Hartung / Preuß, Eisenbahnen, S. 14. 19 Stumpf, Kleine Geschichte, S. 18. 20 Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 5. 21 So etwa die Strecken Leipzig – Althen (1837), Berlin – Potsdam (1838) und Düsseldorf – Erkrath (1838). Überblick z. B. bei Hartung / Preuß, Eisenbahnen, S. 15 ff. 22 Siehe zu dieser Frage E. Kruchen, Zur Rechtsordnung der Organisation und Verfassung der Eisenbahnen, in: W. Haustein (Hrsg.), Die Eisenbahnen im deutschen öffentlichen Recht, S. 9 (34 ff.); G. Püttner, Die Ursprünge des deutschen Eisenbahnrechts, in: FS Blümel, S. 467 (469 ff.), der insbesondere auf die Ansichten der beiden Zeitgenossen List (Fn. 16) und Hansemann eingeht. 23 Vgl. Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 6 f. 24 Karl Friedrich Nebenius (1784 – 1857), badischer Beamter und Autor der badischen Verfassung von 1818, war von 1810 – 1849 in verschiedenen Positionen im badischen Staatsdienst tätig. Er förderte die Gründung der Technischen Hochschule Karlsruhe und betrieb den Beitritt Badens zum Deutschen Zollverein 1836. Nachdem er 1839 kurzzeitig badischer Innenminister gewesen war, wurde er im Rahmen der Revolution von 1848/49 aus dem Staatsdienst entlassen. Vgl. zur Biografie L. Vögely, Der Vater der Badischen Verfassung von 1818: Carl Friedrich Nebenius, Badische Heimat 73 (1993), S. 395 ff. 25 Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 7. 18
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senbahnstrecke in Baden beschlossen und das Staatsbahnsystem gesetzlich festgeschrieben wurde. In Sachsen hingegen setzte sich das Privatbahnsystem durch. Auf Bestreben Friedrich Lists wurde 1835 eine private Aktiengesellschaft gegründet, die es sich zum Ziel setzte, Dresden und Leipzig mit einer Eisenbahnstrecke zu verbinden. Die sächsische Regierung unterstützte dieses Vorhaben und erließ ein Enteignungsgesetz, das den Bodenerwerb für den Eisenbahnbau erleichtern sollte26. Neben Ländern mit reinem Privat- bzw. Staatsbahnsystem gab es auch Staaten, in denen beide Systeme nebeneinander existierten, so z. B. in Bayern.27 Trotz dieser strukturellen Unterschiede28 konnte der Streckenausbau in Deutschland im 19. Jahrhundert gute Fortschritte verzeichnen und innerhalb weniger Jahrzehnte entwickelte sich ein flächendeckendes Schienennetz. An der Finanzierung des Streckenbaus hatten die französischen Reparationszahlungen, die Deutschland nach dem gewonnenen Krieg ab 1871 erhielt, einen entscheidenden Anteil.29 Der deutsch-französische Krieg, bei dem die Eisenbahnen für Aufmarsch und Nachschub eingesetzt worden waren, hatte aber auch gezeigt, dass die Zersplitterung der deutschen Bahnen in Privat-, Staats- und Mischunternehmen einer effektiven Ausnutzung im Kriegsfall im Wege stand. Zudem gerieten viele private Eisenbahnunternehmen durch die Wirtschaftskrise von 1873 unter Druck, sodass die Idee eines Staatsbahnsystems für das inzwischen gegründete Deutsche Reich aufkam.30 Eine Vorreiterrolle dabei nahm Preußen ein, obwohl man dort der Schaffung einer Staatsbahn anfangs kritisch gegenüber gestanden hatte. Vor allem mangelnde Rentabilität und das angeblich nicht vorhandene Bedürfnis für eine Eisenbahn waren als Argumente angeführt worden.31 Als sich ab 1848 aufgrund der Verfassung für Preußen die Möglichkeit ergeben hatte,
26 Gesetz vom 03. Juli 1835, vgl. C.v. Rotteck / C. Welcker, Das Staats-Lexikon, Band V, S. 790. 27 Vgl. Stumpf, Kleine Geschichte, S. 47. 28 So existierten auch zahlreiche einzelstaatliche Eisenbahngesetze und bis 1847 fehlte eine gemeinsame Einrichtung der deutschen Staaten zur Koordination des Eisenbahnwesens, siehe E.R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band 4, S. 1058. 29 Vgl. W. Wolf, Eisenbahn und Autowahn – Personen- und Gütertransport auf Schiene und Straße – Geschichte, Bilanz, Perspektiven, S. 39. 30 K. Ottmann, Die Geschichte der deutschen Eisenbahnen im Spiegel persönlicher Erinnerungen, in: K. Ottmann / H.-J. Ritzau (Hrsg.), Deutsche Eisenbahnen im Zeitenwandel – Eisenbahngeschichte aktuell, S. 7 (27). 31 Einschätzung des Chefs des Departements für Handel, Fabrikation und Bauwesen, Rother, in einem Bericht vom 16. August 1835 über Pläne zur Anlegung von Eisenbahnen im Allgemeinen und im Interesse der preußischen Monarchie. Zitate bei Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 12. Nichtsdestotrotz erkannte man in Preußen früh die Notwendigkeit einer allgemeinen gesetzlichen Regelung der Rahmenbedingungen für die Eisenbahnen und erließ 1838 das Gesetz über die Eisenbahn-Unternehmungen (Gesetz vom 03. November 1838, PrGS S. 505), siehe dazu Püttner, Ursprünge, S. 467 (472 ff.); G. Hermes, in: G. Hermes / D. Sellner (Hrsg.), Beckscher AEG Kommentar, Einf A, S. 31.
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Schulden für den Bau einer Strecke aufzunehmen32, wurde das Gesetz betreffend den Bau der Ostbahn, der Westphälischen und der Saarbrücker Eisenbahn33 verabschiedet, wodurch die erste größere Staatsbahn in Preußen entstand. Diese Strecke war zum einen der Privatwirtschaft als nicht gewinnträchtig genug erschienen34, zum anderen hatten bei der Entscheidung für eine Staatsbahn wohl auch sozialpolitische Gründe eine Rolle gespielt, sollten doch durch den Bau der Strecke Arbeitsplätze auf Staatskosten geschaffen werden und so die sozialen Spannungen zwischen der herrschenden Schicht und der Masse der armen Landbevölkerung gemildert werden35. Als sich nun in den 1870er Jahren die Staatsbahnidee durchsetzte, gehörte auch der Reichskanzler Otto von Bismarck36 zu deren Verfechtern37. Er verfolgte den Plan, alle Eisenbahnen in das Eigentum des Reiches zu überführen, was jedoch am Widerstand liberaler Kreise und der betroffenen Eisenbahnunternehmen scheiterte38. Was ihm auf Reichsebene nicht gelungen war, erreichte Bismarck immerhin in Preußen, wo bis 1885 die Verstaatlichung der privaten Eisenbahngesellschaften durch Aufkäufe abgeschlossen wurde39. Diesem Beispiel des größten und mächtigsten deutschen Bundeslandes folgten zahlreiche andere Länder und es kam zu einer verstärkten VerstaatBis dahin war aufgrund der Königlichen Verordnung über das Staatsschuldenwesen vom 17. Januar 1820 (Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1820, No. 2, S. 9 ff.) für die Aufnahme größerer Geldbeträge die Zustimmung des Parlaments erforderlich. Ein solches existierte jedoch mangels Verfassung zunächst nicht. Ohne Anleihen war aber ein staatlicher Eisenbahnbau nicht denkbar; siehe dazu A.v.d. Leyen, Die Eisenbahnpolitik des Fürsten Bismarck, S. 121; M. Alberty, Der Übergang zum Staatsbahnsystem in Preußen, S. 3. 33 Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1849, Nr. 41, S. 437 ff. 34 F.B. Heyn, Die Entwicklung des Eisenbahnfrachtrechts von den Anfängen bis zur Einführung des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches (ADHGB), S. 34. 35 Stumpf, Kleine Geschichte, S. 47. 36 Otto von Bismarck (1815 – 1898), erster Reichskanzler des Deutschen Reiches. 37 K. Ottmann, Die Bundesbahn 1951, 847 (848) sowie Alberty, Übergang, S. 14 weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Befürwortung der Staatsbahnidee durch Bismarck mit dem Übergang zum Schutzzoll verknüpft war. Dies hing damit zusammen, dass sich das Bestehen eines Schutzzolles und die von privaten Eisenbahngesellschaften eigenmächtig geübte Tarifpolitik nicht vereinbaren ließen. Wenn aber der Staat in die Tarifgestaltung der Eisenbahnen eingreift, so liegt es nahe, dass er auch das wirtschaftliche Risiko der Unternehmung Eisenbahn trägt – also Staatsbahnen schafft. M. Ronellenfitsch, DÖV 1996, 1028 (1031) m.w.N. betont demgegenüber, dass die Privatbahnen dem mit dem Wirtschaftsaufschwung der 1870er Jahre zusammenhängenden starken Anstieg des Verkehrsaufkommens nicht mehr gewachsen waren. W. Bültmann, Die rechtliche Natur des staatlichen Eisenbahnbetriebs in Preußen und im Reiche, S. 33, wiederum geht davon aus, dass Aspekte der Landesverteidigung für die Wahl des Staatsbahnsystems maßgeblich waren. Eine ausführliche Analyse der Eisenbahnpoltik Bismarcks bietet v.d. Leyen, Eisenbahnpolitik. Zu den Motiven des Übergangs zum Staatsbahnsystem siehe auch Hermes, AEG, Einf A, S. 32 f. 38 Siehe dazu die ausführliche Darstellung bei Alberty, Übergang, S. 14 ff. Huber, Verfassungsgeschichte, S. 1057 nennt für das Scheitern „parlamentarische, partikularistische und bürokratische Widerstände“; zu den Hintergründen des Scheitern des Projekts siehe auch ebenda, S. 1061 ff. 39 Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 27 f.; vgl. auch Alberty, Übergang, S. 32 ff. 32
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lichung der zahlreichen Privatbahnen40, sodass schon bald der Übergang zum Staatsbahnsystem im gesamten Reichsgebiet vollzogen war41. Die Verfassung des Deutschen Reiches von 187142 hatte zur Frage des Eisenbahnwesens keine Entscheidung für Staats- oder Privatbahnen getroffen, sondern enthielt lediglich einige Bestimmungen, die unter anderem die Vereinheitlichung der technischen Normen und der Tarife bewirken sollten43, was jedoch nicht in ausreichendem Maße für das gesamte Reichsgebiet geschah. Dies lag wohl vor allem daran, dass trotz des Übergangs zum Staatsbahnsystem noch zahlreiche einzelne Staatsbahnen existierten.44 Trotz dieser noch anhaltenden Uneinheitlichkeit waren die folgenden Jahre bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges gesamtwirtschaftlich und auch für die Eisenbahn eine Blütezeit. So erhöhten sich beispielsweise die Betriebslänge der Eisenbahnen von 1870 bis 1913 auf fast das 3,4fache und das Anlagekapital auf nahezu das 4,2fache45. Ebenso stieg der Umfang des Personen- und Güterverkehrs als Folge der Rationalisierung des Eisenbahnbetriebs und dessen technischer Vervollkommnung beträchtlich. Die Eisenbahn entwickelte sich zu einem modernen und billigen Verkehrsmittel, sodass sich bald ein Massenverkehr einstellte.
40 Huber, Verfassungsgeschichte, S. 1065; Hartung / Preuß, Eisenbahnen, S. 41. Speziell zur Verstaatlichung in Sachsen siehe H.J. Ritzau, Das sächsische Eisenbahnwesen und dessen weiterreichende Bedeutung, in: J.F. Ulbricht / H.J. Ritzau, Deutsche Eisenbahngeschichte II. Sachsen, S. 111 (114 f.). 41 Siehe dazu E. Engel, Eisenbahnreform, S. 25 f.; Stumpf, Kleine Geschichte, S. 49. 42 Bundesgesetzblatt für den Deutschen Bund 1871, Nr. 16, S. 63. 43 Siehe Art. 42: „Die Bundesregirungen verpflichten sich, die deutschen Eisenbahnen im Interesse des allgemeinen Verkehrs wie ein einheitliches Netz zu verwalten und zu diesem Behufe auch die neu herzustellenden Bahnen nach einheitlichen Normen anlegen und ausrüsten zu lassen.“ Art. 43: „Es sollen demgemäß in thunlichster Beschleunigung übereinstimmende Betriebseinrichtungen getroffen […] werden.“ Art. 44: „Die Eisenbahnverwaltungen sind verpflichtet, die für den durchgehenden Verkehr und zur Herstellung ineinander greifender Fahrpläne nöthigen Personenzüge mit entsprechender Fahrgeschwindigkeit, desgleichen die zur Bewältigung des Güterverkehrs nöthigen Güterzüge einzuführen, auch direkte Expeditionen im Personen- und Güterverkehr, unter Gestattung des Überganges der Transportmittel von einer Bahn auf die andere, gegen die übliche Vergütung einzurichten.“ Art. 45: „Dem Reiche steht die Kontrolle über das Tarifwesen zu. Dasselbe wird namentlich dahin wirken: 1. daß baldigst auf allen deutschen Eisenbahnen übereinstimmende Betriebsreglements eingeführt werden; 2. daß die möglichste Gleichmäßigkeit und Herabsetzung der Tarife erzielt, insbesondere, daß bei größeren Entfernungen für den Transport für Kohlen, Koks, Holz, Erzen, Steinen, Salz, Roheisen, Düngungsmitteln und ähnlichen Gegenständen ein dem Bedürfniß der Landwirthschaft und Industrie enstprechender ermäßigter Tarif, und zwar zunächst thunlichst der Einpfennig-Tarif eingeführt werde.“ 44 Vgl. dazu Engel, Eisenbahnreform, S. 24 ff. Zur Erfolglosigkeit des Reichseisenbahnamtes, dem das Reich seine ihm zustehenden Rechte der Eisenbahnaufsicht übertragen hatte, siehe Huber, Verfassungsgeschichte, S. 1059 f. 45 Stumpf, Kleine Geschichte, S. 55.
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Auch von der finanziellen Seite war die Lage der Staatsbahnen überaus positiv zu beurteilen. So flossen zum Beispiel in Preußen nach der Jahrhundertwende jährlich mehr als 500 Mio. Mark aus dem Betrieb der Staatsbahn als Überschuss in die Staatskasse46. Zwar warfen die Bahnen im gebirgigeren Süddeutschland aufgrund der höheren Selbstkosten weniger Gewinne ab, die Verstaatlichung der Privatbahnen hatte sich aber für kein Land als wirtschaftlicher Fehler erwiesen. So betrug die Verzinsung des Anlagekapitals in Preußen im Jahre 1907 ca. 6,37 %, in Bayern immerhin noch 3,61 %.47 Unter diesen Voraussetzungen konnten die gemeinwirtschaftlichen Aufgaben, die den Eisenbahnen aufgrund ihrer Monopolstellung auferlegt worden waren48, ohne ökonomische Probleme bewältigt werden. Die daraus resultierenden Belastungen schlugen sich vor allem im Tarifbereich nieder. So wurden zum Beispiel Transportgüter mit Kosten entsprechend ihrem Wert belastet und nicht entsprechend den tatsächlich entstehenden Ausgaben.49
§ 2 Die weitere Entwicklung bis zum Zweiten Weltkrieg A. Die Situation der Eisenbahnen während des Ersten Weltkriegs Zu Beginn des Ersten Weltkrieges existierten acht deutsche Staatseisenbahnnetze50. Die technische Ausrüstung und Betriebsabwicklung dieser Gesellschaften war bereits in den Vorkriegsjahren auf Initiative des Vereins Deutscher Eisenbahnverwaltungen vereinheitlicht worden, was sich bei der Bewältigung der Mobilmachungsund Aufmarschtransporte bezahlt machte.51 Allerdings gab es auch noch Defizite: Unter den Landesbahnen herrschte starke Konkurrenz, es fehlte an einer zentralen Betriebsführung für das gesamte deutsche Eisenbahnnetz und die Vorschriften über die Ausführung des Eisenbahndienstes wichen voneinander ab. Im Verlaufe des Krieges erwies sich diese Uneinheitlichkeit immer mehr als Hemmnis. Zwar versuchte man dem Problem gegen Kriegsende durch die Einrichtung einer deutschen Kriegsbetriebsleitung zu begegnen, dieser fehlten jedoch die nötigen Anordnungsbefugnisse, sodass es weder in Deutschland noch in den besetzten Gebieten zu einer Verbesserung
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Stumpf, Kleine Geschichte, S. 53. H. Witte, Lebensadern der Wirtschaft, in: Eisenbahnjahr Ausstellungsgesellschaft mbH (Hrsg.), Zug der Zeit – Zeit der Züge, Band 1, S. 169 (174). 48 Dazu Huber, Verfassungsgeschichte, S. 1067 f. 49 S. Bennemann, Die Bahnreform – Anspruch und Wirklichkeit, S. 15. 50 Nämlich die der Länder Preußen-Hessen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Mecklenburg-Schwerin, Oldenburg und Elsaß-Lothringen. 51 Stumpf, Kleine Geschichte, S. 56. Zum Verein Deutscher Eisenbahnverwaltungen siehe auch Hermes, AEG, Einf A, S. 31 f. 47
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der Situation kam.52 Das Waffenstillstandsabkommen vom 11. November 1918 verpflichtete das Deutsche Reich zudem, eine erhebliche Anzahl von Lokomotiven und Eisenbahnwagen an die assoziierten Mächte auszuliefern53.
B. Die Eisenbahnen zur Zeit der Weimarer Republik I. Die Gründung der Deutschen Reichsbahn In der Reichsverfassung von 1919 zog man die richtigen Lehren aus der Erfahrung während des Ersten Weltkrieges. Die Verfassung bestimmte es zur Aufgabe des Reiches, die dem allgemeinen Verkehr dienenden Eisenbahnen in sein Eigentum zu übernehmen und sie als einheitliche Verkehrsanstalt zu verwalten.54 Bereits am 01. April 1920 wurde dieser Auftrag erfüllt: Das Reich schloss mit den acht deutschen Ländern mit Eisenbahnbesitz einen Staatsvertrag, durch den die verfassungsrechtlichen Anforderungen erfüllt wurden und die Deutsche Reichsbahn entstand. Dabei spielte wohl auch eine Rolle, dass die Landeseisenbahnen durch den Krieg stark in Mitleidenschaft gezogen worden waren und durch den Währungsverfall zusätzlich unwirtschaftlich wurden und so die Länderhaushalte zu belasten drohten.55 Laut Staatsvertrag sollten die Länder zwar einen Übernahmepreis von ca. 39 Mrd. Mark erhalten, diese Summe wurde aber vom Deutschen Reich nie gezahlt.56 Damit war es gelungen, eine einheitliche Deutsche Reichsbahn in der Form einer unselbständigen öffentlichen Anstalt57 zu schaffen. Deren wirtschaftliche Situation in den Nachkriegsjahren war weit von der prosperierenden Lage in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts entfernt. Technik und Anlagen waren in den Kriegsjahren übermäßig beansprucht worden und hätten dringend einer Erneuerung bedurft, wofür dem Reich jedoch die finanziellen Mittel fehlten58. Zudem trug die Inflation Anfang der 20er Jahre dazu bei, dass keine Verbesserung der Situation eintreten konnte. Aus diesen Gründen wurden Überlegungen laut, der Reichsbahn eine gewisse Autonomie zu gewähren und so die Vorteile des Staats- und Privatbahnsystems zu verbin-
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Stumpf, Kleine Geschichte, S. 57. Siehe dazu W. Haustein, Die völkerrechtliche Stellung der Eisenbahnen in Kriegs- und Nachkriegszeiten, S. 28 ff. 54 Art. 89 I WRV, RGBl. 1919 I, S. 1383 (1400). 55 M. Pohl / S. Kill, Von den Staatsbahnen zur Reichsbahn 1918 – 1924, in: L. Gall / M. Pohl (Hrsg.), Die Eisenbahn in Deutschland – Von den Anfängen bis zur Gegenwart, S. 71 (73, 80). 56 Stumpf, Kleine Geschichte, S. 57 f.; vgl. auch Pohl / Kill, Reichsbahn, S. 71 (81). 57 So Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 37. 58 Stumpf, Kleine Geschichte, S. 58. 53
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Kap. 2: Geschichte der Eisenbahn
den59. Schließlich einigte man sich 1924 in der Verordnung über die Schaffung eines Unternehmens „Deutsche Reichsbahn“60 darauf, das Unternehmen aus der allgemeinen Staatsverwaltung auszugliedern61. Es erhielt einen eigenen Haushalt und sollte keine Mittel zum Verlustausgleich aus der Reichskasse mehr bekommen. Dieses „Unternehmen Deutsche Reichsbahn“ erlangte jedoch praktisch keinerlei Bedeutung, da sich die Rechtslage alsbald wieder veränderte.
II. Die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft 1. Motive und Konzept der Gründung Die neuerliche Umgestaltung der Eisenbahnverfassung hatte ihren Grund im Versailler Vertrag und der darin niedergelegten Verpflichtung Deutschlands, an die früheren Kriegsgegner Reparationen zu zahlen.62 Dafür hafteten nach Art. 248 des Vertrages von Versailles63 der gesamte Besitz des Reiches und damit auch die Eisenbahnen. Der Dawes-Plan, ein Gutachten der von dem amerikanischen Bankier Charles Dawes64 geleiteten Sachverständigenkommission, regelte die Art der Reparationsleistungen. Unter anderem sah er eine Verpfändung der Reichsbahn zur Sicherung der Reparationsforderungen vor65. Zudem sollte die Bahn einen Teil der zu leistenden Zahlungen erwirtschaften. Ergebnis eines von den Alliierten in Auftrag gegebenen Spezialgutachtens66 war, dass die deutsche Eisenbahnpolitik bisher zu wenig darauf ausgerichtet gewesen war, die Eisenbahn als ein gewinnbringendes Unternehmen zu betreiben, was vor allem auf außerhalb der Eisenbahn liegende Umstände zurückzuführen gewesen sei67. Deswegen wurde eine umfassende Änderung der verfolgten Eisenbahnpolitik und damit einhergehend eine grundsätzliche Änderung der Organisa59 Zum Aufkommen des Autonomiegedankens siehe W. Haustein / H.-J. Finger, Die Deutsche Bundesbahn, S. 9 ff. Zu den theoretischen Grundlagen der Autonomie in Staatsbahnen siehe Kruchen, Rechtsordnung, S. 9 (37 ff.). 60 RGBl. 1924 I, S. 1179. 61 Zur Organisation des Unternehmens Deutsche Reichsbahn vgl. Haustein / Finger, Bundesbahn, S. 11. 62 Vgl. dazu E. Kolb, Die Reichsbahn vom Dawes-Plan bis zum Ende der Weimarer Republik, in: Gall / Pohl, Eisenbahn in Deutschland, S. 109 ff.; Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 40 ff. 63 RGBl. 1919 I, S. 687. 64 Charles G. Dawes (1865 – 1951) wurde nach seiner Tätigkeit u. a. als Anwalt, Währungskommissar der US-Regierung und Direktor der Haushaltsbehörde zur Alliierten Reparationskommission versetzt, wo er ein Konzept entwickelte, das zur Entspannung der finanziellen Situation in Europa führen sollte. Im Jahre 1925 erhielt er für seine Bemühungen, die deutsche Wirtschaft zu stabilisieren, den Friedensnobelpreis. Vgl. B.N. Timmons, Charles G. Dawes. Portrait of an American. 65 Vgl. dazu und zum Folgenden Haustein, Stellung, S. 98 ff. 66 VRT, II. Wahlperiode, 1924, Band 382, Drucks. Nr. 5, Anlage 3 (S. 103 ff.) und Anlage 4 (S. 125 ff.). 67 VRT, II. Wahlperiode, 1924, Band 382, Drucks. Nr. 5, Anlage 3, S. 122.
§ 2 Die weitere Entwicklung bis zum Zweiten Weltkrieg
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tion gefordert. Konkret schlugen die Autoren des Gutachtens vor, dass die Reichsbahn Eigentum des Deutschen Reiches bleiben, ihr Betrieb aber einer besonderen Gesellschaft übertragen werden solle. Der Verwaltungsrat dieser Gesellschaft, dem dann auch Vertreter der Gläubigermächte angehören würden, sollte einen Eisenbahnkommissar mit Kontrollbefugnissen wählen.68 Die Reichregierung akzeptierte das Dawes-Gutachten als Verhandlungsgrundlage und erreichte bei den folgenden Beratungen über das Reichsbahngesetz und die Satzung der Reichsbahngesellschaft noch einige Verbesserungen gegenüber den Vorschlägen des Sachverständigengutachtens69. Nun mussten diese Rechtsgrundlagen der neuen Eisenbahnverfassung noch den Reichstag passieren. Dazu bedurften sie aufgrund ihres verfassungsändernden Charakters einer Zweidrittelmehrheit.70 Diese Hürde nahmen die Gesetze mit der Unterstützung vieler Stimmen aus der Opposition in der Schlussabstimmung am 29. August 192471, sodass das Reichsbahngesetz72 (RbG) und das Reichsbahn-Personalgesetz73 in Kraft treten konnten. 2. Struktur und Organisation Die neu geschaffene „Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft“ (DRG) besaß eine weitgehende Selbständigkeit, wobei ihre Rechtsnatur umstritten blieb. Überwiegend wird vertreten, sie sei eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts unter Aufsicht des Reiches gewesen74, vereinzelt kann man auch lesen, sie hätte eine Gesellschaftsform sui generis dargestellt75.
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VRT, II. Wahlperiode, 1924, Band 382, Drucks. Nr. 5, Anlage 4, S. 125 und S. 127 f. Kolb, Dawes-Plan, S. 109 (113). Diese betrafen v. a. die Zusammensetzung des Verwaltungsrates, den Einfluss der Reichsregierung auf die Tarifgestaltung, die Begrenzung der Befugnisse des Eisenbahnkommissars und die Ausgestaltung der Schiedsgerichtsbarkeit. 70 Vgl. Bennemann, Bahnreform, S. 17; Kolb, Dawes-Plan, S. 109 (114); Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 41. Geändert wurden die Art. 89 und 92 WRV. Art. 89 I WRV hatte die Verwaltung der Eisenbahnen als Aufgabe des Reiches bezeichnet, die neu geschaffene Deutsche Reichsbahngesellschaft galt aber wegen der Übertragung der Verwaltung auf ein anderes Rechtssubjekt nicht mehr als Organ der Reichsverwaltung. Art. 92 WRV sah die Eingliederung des Eisenbahnhaushaltes in den Reichshaushalt vor, während § 30 RbG eine davon abweichende Regelung enthielt (vgl. Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 41). 71 VRT, II. Wahlperiode, 1924, Band 381, S. 1085 ff., 1125 ff. 72 RGBl. 1924 II, S. 272 ff. 73 RGBl. 1924 II, S. 287 ff. 74 Bennemann, Bahnreform, S. 17; H. Hillebrand, Die Aufsichtsrechte des Deutschen Reiches über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft nach geltendem Recht, S. 4 ff.; F.R.M. Nießen, Die Gebührenfreiheit der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft, S. 50 ff. 75 So z. B. Kolb, Dawes-Plan, S. 109 (116) und A. Sarter / T. Kittel, Die neue deutsche Reichsbahn-Gesellschaft. Ihr Aufbau und ihr Wirken, S. 102, die sich der Begründung zum Reichsbahngesetz anschließen, in der es heißt, die DRG sei „eine Gesellschaft eigenen Rechts mit privatwirtschaftlichem Charakter, aber mit starkem öffentlich-rechtlichen Einschlag“ (vgl. VRT, II. Wahlperiode, 1924, Band 383, Drucks. Nr. 452, S. 15); Ottmann, Eisenbahnen im 69
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Unabhängig von dieser Streitfrage lassen sich jedoch Struktur und Organisation der neu geschaffenen Institution charakterisieren76. So verblieb das Eigentum an den Anlagen und Fahrzeugen der Reichseisenbahnen beim Deutschen Reich, während die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft lediglich das Recht der Betriebsführung an den Anlagewerten erhielt.77 Dieses Recht war mit der Verpflichtung verknüpft, den Betrieb sicher zu führen und alle Anlagen und Fahrzeuge gut zu unterhalten.78 Die Gesellschaft war finanziell vom Reichshaushalt unabhängig und sollte gem. § 2 RbG ihren Betrieb unter Wahrung der Interessen der deutschen Volkswirtschaft nach kaufmännischen Grundsätzen führen und gem. § 30 RbG eine Bilanz aufstellen. Auch bezüglich der Verwaltung war die DRG weitgehend autonom, Aufsicht und Leitung wurden getrennt. Die DRG besaß einen Verwaltungsrat und einen Vorstand, der die laufenden Geschäfte führte79, wobei die Amtsführung des Vorstandes nicht kollegialisch aufgeteilt war, sondern ein Generaldirektor alleinverantwortlich an der Spitze stand80. Auch muss erwähnt werden, dass der Verwaltungsrat zwar dem Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft nachempfunden81, allerdings mit deutlich weiterreichenden Rechten ausgestattet war. Er hatte die Aufgabe, die Geschäftsführung der Gesellschaft zu überwachen und über alle grundsätzlichen Fragen zu entscheiden.82 Die Gläubigerstaaten sicherten sich ihren Einfluss dadurch, dass die Reparationskommission einen Treuhänder ernannte, der seinerseits neun Verwaltungsratsmitglieder bestellte83. Außerdem wählten die ausländischen Mitglieder des Verwaltungsrates84 den Eisenbahnkommissar, der die Aufbringung der Reparationsleistungen sicherstellen sollte. Dem Reich, oder genauer gesagt dem Reichsverkehrsminister, verblieb lediglich das Aufsichtsrecht. Es beinhaltete die Betriebsaufsicht, sonstige Hoheitsrechte, das Gesetzgebungs- und Verordnungsrecht, die Mitwirkung bei der Aufstellung der Ta-
Spiegel, S. 49, bezeichnet die DRG als „öffentliche Anstalt sui generis“; Haustein / Finger, Bundesbahn, S. 12, nennen sie eine „Körperschaft des öffentlichen Rechts von besonderer Art“. 76 Siehe dazu auch G. Fromm, DVBl. 1994, 187 (188). 77 §§ 5 und 6 RbG; vgl. Haustein / Finger, Bundesbahn, S. 12; Stumpf, Kleine Geschichte, S. 59; Kolb, Dawes-Plan, S. 109 (116); Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 41; G. Fromm, DVBl. 1994, 187 (188). 78 Kolb, Dawes-Plan, S. 109 (116); Stumpf, Kleine Geschichte, S. 59. 79 Vgl. § 18 RbG. 80 Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 41; Haustein / Finger, Bundesbahn, S. 12. 81 G. Fromm, DVBl. 1994, 187 (188). 82 Vgl. DB Museum (Hrsg.), Im Dienst von Demokratie und Diktatur, S. 18 f. So durfte der Verwaltungsrat z. B. den Generaldirektor und die leitenden Beamten ernennen, über die Gewinnverteilung entscheiden und die Besoldungs- und Lohnordnung festlegen. 83 Kolb, Dawes-Plan, S. 109 (118). 84 Von den vom Treuhänder zu ernennenden Mitgliedern des Verwaltungsrates durften max. fünf Deutsche sein, vgl. DB Museum, Demokratie und Diktatur, S. 19.
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rife und der Fahrpläne des Personenverkehrs sowie ein weit reichendes Auskunftsrecht.85 Eine letzte Besonderheit, die wiederum die autonome Stellung der DRG unterstreicht, stellte die Existenz eines besonderen Gerichts, des Reichsbahngerichts, dar. Dieses war zuständig für Streitfälle zwischen der Gesellschaft und der Reichsregierung über die Auslegung der Bestimmungen des RbG und der Satzung sowie über Maßnahmen augrund dieser Normen (vgl. § 44 RbG). Die Stellung der DRG kann also trotz ihres Staatsbahncharakters als erstaunlich unabhängig und eigenverantwortlich bewertet werden. Auch war der Einfluss der Siegerstaaten des Ersten Weltkrieges begrenzt, sodass sich die meisten der anfangs in dieser Richtung gehegten Befürchtungen86 als unbegründet erwiesen.87 Endgültig erledigten sich diese Vorbehalte aber erst, als es 1930 im Zuge der Umsetzung des Young-Plans88 zu einer erneuten Änderung des RbG89 kam. Die DRG behielt darin zwar ihre Autonomie und blieb auch weiterhin einer der Hauptträger der Reparationslast, allerdings wurden die finanziellen Belastungen in eine Reparationssteuer umgewandelt90 und es entfielen alle ausländischen Bindungen und Kontrollen, mithin der Treuhänder, der Eisenbahnkommissar und die Mitwirkung ausländischer Mitglieder im Verwaltungsrat. 3. Wirtschaftliche Situation Nachdem die Reparationszahlungen ab Mitte des Jahres 1931 im Zuge des Hoover-Plans zunächst offiziell ausgesetzt worden waren, wurden sie danach nie wieder aufgenommen91, sodass die DRG finanziell erheblich entlastet wurde. Bis dahin hatte die DRG rund sieben Jahre lang einen Großteil der deutschen Reparationszahlungen aufgebracht, insgesamt ca. 4,2 Mrd. RM. Eine zusätzliche Milliarde floss der Reichskasse in Form von Barablieferungen und Forderungsverzichten zu.92 Die Gesellschaft hatte es sogar geschafft, jedes Jahr einen Reingewinn ausweisen zu können. Allerdings darf nicht außer Acht gelassen werden, dass diese positiven betriebswirtschaft85
Siehe §§ 31, 32 RbG. So behauptete der DNVP-Abgeordnete Quaatz in einer Reichstagsdebatte beispielsweise, die DRG könne unmöglich eine „deutsche Gesellschaft“ genannt werden, sie sei eine „internationale Eisenbahngesellschaft“ und der „eigentliche Leiter des Unternehmens“ werde der ausländische Eisenbahnkommissar sein, VRT, II. Wahlperiode, 1924, Band 381, S. 1006. 87 So auch Kolb, Dawes-Plan, S. 109 (119). 88 Der sog. Young-Plan (benannt nach dem amerikanischen Bankier Owen D. Young) sollte die im Dawes-Plan nur vorläufig geregelte Reparationsfrage einer endgültigen Lösung zuführen. 89 RGBl. 1930 II, S. 359 ff. 90 Vorher hatte es stattdessen Reparationsschuldverschreibungen gegeben. 91 Dies wurde auf der Lausanner Konferenz beschlossen. Zwar wurde das Lausanner Abkommen nie ratifiziert, es brachte aber rein faktisch das Ende der Reparationen (vgl. dazu auch Kolb, Dawes-Plan, S. 109 [124]; Haustein / Finger, Bundesbahn, S. 12). 92 Stumpf, Kleine Geschichte, S. 63. 86
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lichen Ergebnisse nur erreicht werden konnten, weil die DRG überzähliges Personal abbaute und vor allem im Bereich der Neuinvestitionen eine rigide Sparpolitik verfolgte.93 In einer größeren Untersuchung wurde gar festgestellt: „Daß […] infolge der Reparationsbelastung und infolge der auch sonst keineswegs günstigen Finanzlage der Reichsbahn die Betriebssicherheit leidet, steht außer Zweifel.“94 In der Gesamtschau kann man jedoch festhalten, dass sich die Organisationsform der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft als geeignet erwiesen hatte, unter Berücksichtigung sozialer Belange wirtschaftlich erfolgreich zu sein95. Durch die unabhängige Stellung ihrer Organe konnte sie sich leichter an Wirtschaftsschwankungen anpassen96, deshalb arbeitete sie auch als Staatsbahn, der im Allgemeinen der Ruf der Starre und Unwirtschaftlichkeit vorauseilt, ökonomisch einträglich97.
C. „Räder müssen rollen für den Sieg“98 – Die Reichsbahn während des Nationalsozialismus „Es gab eine Zeit, in der Briefe aus Königsberg, Holzspielzeug aus Seiffen und Bier aus München, Stühle aus Coburg, Geschirr aus Wächtersbach und Fisch aus Bremerhaven den Empfänger in Berlin, Köln, Frankfurt am Main oder Stuttgart nur deshalb binnen Stunden erreichen konnten, weil die Reichsbahn mit der militärischen Präzision eines Uhrwerks immer funktionierte. Es war ihre Aufgabe, riesige Mengen Kohle und Kartoffeln in die Großstädte oder das Erz von den Gruben zu den Hochöfen zu bringen. In Zeiten des Krieges freilich lud sich die Reichsbahn mit ähnlicher Zuverlässigkeit Soldaten und Kanonen oder Kriegsgefangene und zum Tod bestimmte Juden auf, ohne viel zu fragen.“99 Treffender als mit diesen Bemerkungen von Alfred Gottwaldt100 kann man die Zwiespältigkeit der Rolle, die die Bahn in der deutschen Geschichte gespielt hat, kaum beschreiben. Zuverlässiges Transportmittel für Personen und Güter einerseits,
93 T.J. Grohn, Die Leistungsfähigkeit des deutschen Eisenbahnsystems nach der Bahnreform, S. 40 f.; Kolb, Dawes-Plan, S. 109 (124); Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 43. 94 B. Moll, Die Finanzpolitik der Reichsbahn, S. 56. 95 So auch die Einschätzung von Haustein / Finger, Bundesbahn, S. 12; Stumpf, Kleine Geschichte, S. 60; anders Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 43. 96 Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 43. 97 Stumpf, Kleine Geschichte, S. 60. 98 Dieser Spruch war seit 1942 vielfach auf dem Gelände der Reichsbahn zu finden, vgl. A.B. Gottwaldt, Deutsche Eisenbahnen im Zweiten Weltkrieg, S. 77. 99 A.B. Gottwaldt, Deutsche Reichsbahn. Kulturgeschichte und Technik, S. 5. 100 Alfred B. Gottwaldt (geb. 1949), Leiter der Abteilung Schienenverkehr im Deutschen Technikmuseum, Veröffentlichungen zur Verkehrsgeschichte mit Schwerpunkt Reichsbahn und Zweiter Weltkrieg.
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wurde sie andererseits während des Dritten Reiches zum Instrument der unerbittlichen Kriegsführung und der Judendeportation101. Dass die Reichsbahn so uneingeschränkt im Dienste des Nationalsozialismus stand, hatte natürlich eine Vorgeschichte. Nach der Machtergreifung Adolf Hitlers im Jahre 1933 ging die Reichsregierung zunächst dazu über, die Kontrolle über die unabhängige DRG mittels einer zielgerichteten Personalpolitik an sich zu reißen102, sodass die Bahn für politische Ziele nutzbar gemacht werden konnte. So wurde sie beispielsweise durch Hergabe ihres Stammkapitals von 50 Mio. RM zur Finanzierung des Baus der geplanten Reichsautobahnen herangezogen und musste diesen unter Nutzung ihrer Verwaltungsstrukturen und ihres Personals sogar mitorganisieren. Das machte die Reichsbahn zum Förderer ihres stärksten Konkurrenten, des Kraftverkehrs.103 Schon bald jedoch empfand die politische Führung die Unabhängigkeit der DRG als zunehmende Störung und so wurde – nach dem Leitbild des zentralistischen Führerstaates – die faktische kurzerhand in eine zusätzlich formale Abhängigkeit umgewandelt. Im Jahre 1937 wurde die DRG durch Gesetz104 wieder offiziell in „Deutsche Reichsbahn“ (DR) umbenannt. Entscheidend aber war, dass nunmehr der Betrieb der Bahn nicht mehr in den Händen einer Gesellschaft, sondern wieder in der Verantwortlichkeit des Deutschen Reichs lag, wobei das dem Betrieb gewidmete Vermögen als Sondervermögen des Reichs bezeichnet wurde105 und mittels dieser Formulierung absichtlich offen blieb, ob die DR noch als juristische Person gelten sollte oder nicht.106 Verwaltungsmäßig wurde die DR zurück in die unmittelbare Staatsverwaltung überführt, die bis dahin bestehende Trennung von Leitung und Aufsicht abgeschafft und die Reichsbahn eng mit der politischen Führung verknüpft. Der Reichsverkehrsminister übte in Personalunion den Posten des Generaldirektors aus107, die Hauptverwaltung wurde Teil dessen Ministeriums und der Verwaltungsrat hatte fortan nur noch die Funktion eines beratenden Beirats.108
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Gottwaldt, Deutsche Eisenbahnen, S. 132 f. K. Hildebrand, Die Deutsche Reichsbahn in der nationalsozialistischen Diktatur 1933 – 1945, in: Gall / Pohl, Eisenbahn in Deutschland, S. 165 (168); Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 44; vgl. auch Gottwaldt, Deutsche Eisenbahnen, S. 9. 103 Stumpf, Kleine Geschichte, S. 63 f. 104 RGBl. 1937 II, S. 47. 105 Vgl. Art. 2 III des Gesetzes. 106 Vgl. dazu Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 44 ff.; Hildebrand, Reichsbahn in der NSDiktatur, S. 165 (169 f.). 107 Dieses Amt wurde seit der Einführung der Personalunion im Jahre 1937 von Julius Dorpmüller ausgeübt, der bereits zuvor Generaldirektor der Reichsbahn gewesen war. Vgl. zu Dorpmüller unten Fn. 121. 108 Vgl. Hildebrand, Reichsbahn in der NS-Diktatur, S. 165 (169); Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 45; Haustein / Finger, Bundesbahn, S. 13. 102
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Im Jahre 1939 wurde in logischer Konsequenz und Fortführung dieser Entwicklung das RbG geändert109, wodurch alle Trennungen zwischen Reichsbahn und Reich entfielen. Immerhin behielt die DR einen eigenen Haushalt mit eigener Wirtschafts- und Rechnungsführung, wenngleich sie auch kaum mehr als „Wirtschaftsunternehmen“ bezeichnet werden konnte.110 Ferner wurde im Gesetz ein Passus aufgenommen, der die gemein- und nicht erwerbswirtschaftliche Zielsetzung der DR klarstellte. Demnach sollte die DR „zum Nutzen des deutschen Volkes und der deutschen Wirtschaft“ und im Dienste der „Belange der Landesverteidigung“111 tätig sein. Innerhalb der Reichsbahn war es bereits im Frühjahr 1933 zu einem „Putschversuch“ nationalsozialistischer Eisenbahner gekommen. Dieser verlief zwar erfolglos, allerdings mussten schon bald einige „missliebige“ Mitglieder des Verwaltungsrates unter dem Druck der Partei ihren Posten räumen112. Die solcherart gefügig gemachte Reichsbahn diente während des Dritten Reiches auch von Anfang an militärischen Zielen. So gingen beispielsweise Experten daran, gestützt auf den Winterfahrplan 1935/36, die Rolle festzulegen, die die DR für den militärischen Aufmarsch und die wirtschaftliche Versorgung Deutschlands spielen sollte113. Auch an der Errichtung des Westwalls hatte die DR einen nicht zu unterschätzenden Anteil, war dessen Fertigstellung doch zeitweise mehr eine Transportals eine Baufrage114. In Kenntnis dessen verwundert es nicht, dass die DR bei der im August 1939 beginnenden Mobilmachung eine logistische Höchstleistung zu erbringen im Stande war115. An eine Kriegsführung ohne Eisenbahn war nicht zu denken, was sich besonders bemerkbar machte, als wegen ungünstiger Witterungsbedingungen im Winter 1939/40 Transportschwierigkeiten auftraten116. Hinzu kam, dass die DR die Eisenbahnen in den eroberten Gebieten im Sinne des Reiches organisieren musste117. Die übermäßige Beanspruchung, der die DR in den Kriegsjahren ausgesetzt war, forderte schon bald ihren Tribut. Doch konnte der Eisenbahnverkehr fast bis zum Ende des Krieges aufrechterhalten werden. Erst die systematischen Bombardements 109
RGBl. 1939 I, S. 1205 ff. Stumpf, Kleine Geschichte, S. 64; Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 45 f. 111 § 3 III 1 RbG, RGBl. 1939 I, S. 1205 (1206). 112 So z. B. der langjährige Pressechef der Reichsbahn, Hans Baumann und der Stellvertreter des Generaldirektors, Wilhelm Weihrauch, vgl. zum Ganzen DB Museum, Demokratie und Diktatur, S. 70 f. 113 Vgl. Hildebrand, Reichsbahn in der NS-Diktatur, S. 165 (221 f.). 114 Zissel, Die Reichsbahn 1939, 628 (634). 115 Statistische Werte dazu bei H. Wehner, 1933 – 1945. Räder mußten rollen für den Krieg, in: E. Rehbein (Hrsg.), Deutsche Eisenbahnen 1835 – 1985, S. 146 (161). Zur Rolle, die die Reichsbahn im Rahmen der Kriegsführung spielte, siehe auch Gottwaldt, Deutsche Eisenbahnen, S. 21 ff. 116 Hildebrand, Reichsbahn in der NS-Diktatur, S. 165 (224). 117 Siehe dazu Gottwaldt, Deutsche Eisenbahnen, S. 29, 42, 57. Zum Beschlagnahmerecht von Eisenbahnen in Kriegszeiten allgemein siehe Haustein, Stellung, S. 14 ff. 110
§ 3 Die Geschichte der deutschen Bahnen seit 1945
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durch die Alliierten und die Zerstörung von sensiblen Verkehrsknotenpunkten durch die Deutschen selbst, die glaubten auf diese Weise den feindlichen Vormarsch zu behindern, führten schließlich zum Zusammenbruch der Reichsbahn.118
§ 3 Die Geschichte der deutschen Bahnen seit 1945 A. Die Nachkriegszeit Nach der Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg organisierten die einzelnen Besatzungsmächte die Eisenbahnen vorerst selbst, später errichteten sie in ihren Zonen oberste Dienststellen für Betrieb, Wirtschaftsführung und Verwaltung der Eisenbahnen. Bei diesen Einrichtungen handelte es sich um deutsche Behörden, die jedoch den Weisungen der Besatzungsmächte unterlagen.119 Nach deren Vorstellungen bestand die oberste Aufgabe der Bahn in der Bewältigung des Militärverkehrs sowie im Transport von Lebensmitteln und Rohstoffen.120 Mit der Leitung des Wiederaufbaus der deutschen Eisenbahnen betrauten die westlichen Alliierten Julius Dorpmüller121, der seit 1926 Generaldirektor der Deutschen Reichsbahn(-Gesellschaft) und seit 1937 zugleich Reichsverkehrsminister gewesen war. Da dieser jedoch im Sommer 1945 verstarb, blieb diese Aufgabe unerfüllt.122 Im August 1946 kam es zunächst zu einem Zusammenschluss der Bahnen im britischen und amerikanischen Sektor; danach oblag die Leitung der gesamten Verkehrsverwaltung dem „Verwaltungsrat für Verkehr“.123 Zwei Jahre später aber folgte mit dem Gesetz über den Aufbau der Verwaltung für Verkehr124 eine Umgestaltung der 118 DB Museum, Demokratie und Diktatur, S. 128 ff.; Stumpf, Kleine Geschichte, S. 65 f.; Haustein / Finger, Bundesbahn, S. 13; Gottwaldt, Deutsche Eisenbahnen, S. 169. 119 Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 47. 120 A.J. Nicholls, Zusammenbruch und Wiederaufbau: Die Reichsbahn während der Besatzungszeit, in: Gall / Pohl, Eisenbahn in Deutschland, S. 245 (251). 121 Julius H. Dorpmüller (1869 – 1945) war zunächst in der preußischen Staatseisenbahnverwaltung tätig, arbeitete später für verschiedene kleinere Bahnunternehmen und wirkte schließlich nach dem Ersten Weltkrieg wieder in mehreren Reichsbahndirektionen. Aufgrund seiner umfassenden Erfahrung im Eisenbahnwesen war Dorpmüller auch zu den Beratungen über den Dawes-Plan hinzugezogen worden. Im Jahre 1925 wurde er zum ständigen Vertreter des Generaldirektors der Deutschen Reichsbahn berufen, ein Jahr später, nach dem Tod des damaligen Generaldirektors, übernahm er selbst diesen Posten. Vgl. H. Bock / J. Dorpmüller / F. Garrecht, Julius Dorpmüller – Ein Leben für die Eisenbahn. Biographie – Erinnerungen – Zeittendenzen. 122 Vgl. dazu Stumpf, Kleine Geschichte, S. 79 f. 123 Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 48. 124 WiGBl. 1948, S. 95 ff.
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Eisenbahnorganisation. Die Eisenbahnen unterstanden nunmehr der Hauptverwaltung der Deutschen Reichsbahn im Vereinigten Wirtschaftsgebiet (HVR). Dabei waren Aufsicht und Leitung nur äußerlich getrennt und die Reichsbahn blieb ein Sondervermögen mit eigener Wirtschafts- und Rechnungsführung125, aber ohne eigene Rechtspersönlichkeit126. In der französischen Besatzungszone schufen die drei dort vorhandenen Länder in einem von der Besatzungsmacht genehmigten Staatsvertrag die „Betriebsvereinigung der Südwestdeutschen Eisenbahnen (SWDE)“, die die Rechtsform einer gemeinnützigen Anstalt des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit innehatte.127 Dabei wurde eine ähnliche Organisationsform wie in der Eisenbahnverfassung von 1924 gewählt: Die Länder galten als treuhänderische Eigentümer des Reichseisenbahnvermögens und Träger der Eisenbahnhoheitsrechte (vor allem der Aufsichtsbefugnis), während Verwaltung und Betrieb der Eisenbahnen der SWDE oblag.128 Nach der Gründung der Bundesrepublik wurde schließlich der größte Teil der deutschen Staatsgewalt an handlungsfähige deutsche Staatsorgane zurückgegeben. Die Verwaltung für Verkehr übernahm das Bundesverkehrsministerium. In der sowjetischen Zone129 war im Juli 1945 zunächst die Deutsche Zentralverwaltung des Verkehrs mit der Unterabteilung „Hauptverwaltung der Deutschen Reichsbahn“ eingerichtet worden, der kurz darauf die Verantwortung für die Eisenbahnen übergeben wurde130. Im Jahre 1948 zog dann die Deutsche Wirtschaftskommission die Zuständigkeit für das Verkehrswesen an sich131. Ein Jahr später wurde im Zuge der Abtretung aller Funktionen von der sowjetischen Militäradministration an die Organe der DDR die Verantwortung für das Transportwesen an das Verkehrsministerium abgetreten.
125
Haustein / Finger, Bundesbahn, S. 14; Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 50. R. Mayer, DÖV 1952, 14 (14). 127 Nicholls, Zusammenbruch, S. 245 (260); Haustein / Finger, Bundesbahn, S. 14; R. Mayer, DÖV 1952, 14 (14). 128 Vgl. H. Wenzel, Die Südwestdeutschen Eisenbahnen in der französischen Zone (SWDE), S. 9; Haustein / Finger, Bundesbahn, S. 14. 129 Zur Sonderstellung Berlins in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg siehe Haustein, Stellung, S. 63 ff. 130 Befehl Nr. 8 vom 11. August 1945, unterschrieben von Generalmajor Kwaschnin (Leiter der Transportabteilung der Sowjetischen Militäradministration Deutschlands) und Generalleutnant Tschernjakow. 131 Haustein / Finger, Bundesbahn, S. 16. 126
§ 3 Die Geschichte der deutschen Bahnen seit 1945
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B. Die Deutsche Reichsbahn in der DDR I. Die rechtliche Gestaltung des Eisenbahnwesens Durch umfangreiche Enteignungsmaßnahmen von bis dahin nichtstaatlichen Bahnen existierten zur Zeit der Gründung der DDR keine Privatbahnen mehr, sondern nur noch die Deutsche Reichsbahn.132 Für die DDR stellte sich das Problem der Rechtsnachfolge des auf dem Staatsgebiet befindlichen Reichsbahnvermögens, weil man nicht für die Schulden der DR gegenüber in- und ausländischen Gläubigern aufkommen wollte. Das Aneignungsrecht der DDR an den Reichsbahnanlagen wurde schließlich mit der völkerrechtlichen Konstruktion des Verwaltungsvermögens (domaine public) begründet.133 Die Verfassung der DDR134 traf zum Thema Eisenbahnen nur spärliche Aussagen: In Art. 112 war der Republik die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zugewiesen, während in Art. 124 festgelegt war, dass das Eisenbahnwesen von der Republik verwaltet wird. Außerdem fand sich in den Verfassungen von 1968/74 in Art. 12 I die Regelung, dass sowohl die Verkehrswege als auch die Transportmittel Volkseigentum darstellten, an dem Privateigentum unter keinen Umständen begründet werden konnte. Zur Rechtsstellung der DR fand sich in der Verfassung keine Aussage und sie war in den Anfangsjahren der DDR auch zunächst nicht klar zu bestimmen gewesen. Um als juristische Person zu gelten, hätte es nach der damaligen Rechtsauffassung einer eigenen Organisationseinheit bedurft, an der es wegen der Verbindung von Reichsbahnleitung und Verkehrsministerium fehlte.135 Im Jahre 1952 wurde schließlich eine rechtliche Regelung getroffen, die die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der DR betraf136. Dadurch konnte sie – was zur wirtschaftlichen Rechnungsführung unerlässlich war – im Rechts- und Geschäftsverkehr als juristische Person auftreten137, wodurch sie eine Art Teilrechtsfähigkeit erlangte. Im einfachgesetzlichen Bereich galt zunächst das Reichsbahngesetz von 1939 weiter, wurde aber sozialistisch interpretiert138. Erst im Jahre 1960 löste das Statut der DR139, das zusammen mit dem Statut des Verkehrsministeriums140 die wichtigste 132
U. Kramer, Das Recht der Eisenbahninfrastruktur, S. 38 m.w.N. M. Kilian / U. Hesse, Die Verwaltung 27 (1994), 175 (179) m.w.N. 134 GBl. 1949, S. 5. 135 M. Kilian / U. Hesse, Die Verwaltung 27 (1994), 175 (180). Siehe auch B. Burger, Zuständigkeit und Aufgaben des Bundes für den öffentlichen Personenverkehr nach Art. 87e GG, S. 30. 136 AO über die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der DR, MBl. 1952, S. 166. 137 M. Kilian / U. Hesse, Die Verwaltung 27 (1994), 175 (180). 138 Eine solche Vorgehensweise war für die damalige Zeit nicht ungewöhnlich, vgl. M. Kilian / U. Hesse, Die Verwaltung 27 (1994), 175 (178). 139 GBl. 1960 II, S. 453. 140 GBl. 1960 I, S. 155. 133
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Kap. 2: Geschichte der Eisenbahn
einfach-gesetzliche Rechtsgrundlage für den Eisenbahnsektor war, die alten Normen ab. Diese beiden Gesetze regelten unter anderem, dass die Reichsbahn dem Verkehrsministerium unterstand141, wobei ihre Generaldirektion aus der zentralisierten Verwaltung herausgelöst wurde und eine eigene Finanz-, Personal-, Planungs- und Materialverwaltung, und damit eine gewisse Selbständigkeit, erhielt.142 Seit der Ernennung Erwin Kramers143 zum Verkehrsminister und Generaldirektor im Jahre 1954 wurde die Personalunion beider Ämter eingeführt144, die bis kurz vor der deutschen Wiedervereinigung andauerte145. Die Verwaltungsstrukturen der Deutschen Reichsbahn wurden in den Anfangsjahren der DDR mehrfach geändert. Von April 1953 bis November 1954 existierte sogar ein eigenes Ministerium für das Eisenbahnwesen, bevor die Reichsbahn wieder dem Verkehrsministerium unterstellt wurde. Danach wurde die Abteilungsgliederung durch fünf Hauptverwaltungen auf Ministerialebene146 und zwei zentrale Hauptverwaltungen für Ausbesserungswerke und Eisenbahnbau funktional stärker differenziert, womit eine Periode permanenter Umstrukturierungen zu Ende ging.147 Die geschaffene Organisationsstruktur war – mit kleineren Veränderungen – bis 1989 von Bestand. II. Die wirtschaftspolitische Rolle der Reichsbahn Zum Zeitpunkt der Staatsgründung befand sich die Reichsbahn auf dem Gebiet der DDR in einem äußerst schlechten technischen Zustand. Sie hatte auch in den folgenden Jahren kaum eine Chance, ihren Rückstand im Vergleich zur westlichen Bundesbahn aufzuholen, was vor allem daran lag, dass sie einer der Hauptträger der Repa-
141 Vgl. § 1 III Statut MfV, der lautete: „Das MfV ist gleichzeitig das zentrale Leitungsorgan des staatlichen Unternehmens DR.“ In der späteren Fassung des Statuts hieß es in § 2 II: „Das Ministerium leitet unmittelbar das staatliche Eisenbahnunternehmen.“ (GBl. 1975 I, S. 621). 142 Vgl. Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 74. 143 Erwin Kramer (1902 – 1979) emigrierte 1932 wegen eines drohenden Hochverratsprozesses in die UdSSR und nahm später in den Internationalen Brigaden am Spanischen Bürgerkrieg teil. Nach einer Internierung in Frankreich kehrte er zunächst in die UdSSR zurück, später nach Deutschland, wo er 1946 der SED beitrat und anschließend in der Reichsbahn und der Politik Karriere machte. 144 Vgl. § 5 I Statut DR, GBl. 1960 II, S. 453. 145 Die Personalunion wurde erst 1990 abgeschafft und eine gesonderte Generaldirektion der DR außerhalb des MfV eingerichtet, vgl. AO Nr. 2 über das Statut der DR, GBl. 1990 I, S. 186. Siehe auch E. Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 193. 146 Namentlich die Abteilungen Betriebs- und Verkehrsdienst, Maschinenwirtschaft, Wagenwirtschaft, Bahnanlagen, Sicherungs- und Fernmeldewesen. 147 Vgl. dazu DB Museum (Hrsg.), Auf getrennten Gleisen, S. 41.
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rationslast war und eine umfangreiche Demontage ihres Streckennetzes erdulden musste.148 Trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten, mit denen die Deutsche Reichsbahn wegen veralteter Technik und Demontage zu kämpfen hatte, floss ein Großteil der Investitionen in politisch gewollte, aber infrastrukturell nicht notwendige Vorhaben, wie zum Beispiel die Isolierung des Verkehrsknotenpunktes West-Berlin.149 Dabei wurde ein Außenring um Berlin errichtet, um den Personenverkehr aus Richtung Dessau, Leipzig und Dresden an West-Berlin vorbei an die Ost-Berliner Fernbahnhöfe zu leiten. Daneben gab es noch weitere Bauvorhaben, um das Eisenbahnnetz in der DDR von dem der Bundesrepublik abzuschotten, die jedoch 1963 mit dem Bau der Umgehungsbahn Gerstungen – Förtha abgeschlossen waren. Diese Maßnahmen ermöglichten die vollständige Trennung der Eisenbahnsysteme, die nach dem Bau der Berliner Mauer nur noch an wenigen Punkten verbunden waren.150 Nachdem der grundlegende Wiederaufbau und der Teilungsprozess Anfang der 60er Jahre ihren Abschluss fanden, musste die künftige Rolle der Eisenbahn in der DDR grundlegend definiert werden. Es stellte sich vor allem die Frage, in welchem Verhältnis die Eisenbahn und der LKW als alternative Gütertransportmittel zueinander stehen sollten. Zwar konnte es im Wirtschaftssystem der DDR nicht zu einem Konkurrenzdruck im ökonomischen Sinne kommen, da die Verteilung der Transportleistungen auf die Verkehrsträger durch den Plan erfolgte und sich nicht durch Angebot und Nachfrage selbst regulierte151. Trotzdem erkannte man die Vorteile des LKWTransports, insbesondere im Güternahverkehr. Da die Reichsbahn auf diesem Sektor sowohl finanziell als auch vom Arbeitsaufwand her einer unverhältnismäßigen Belastung ausgesetzt war, kam es 1958 zu einer Gütertarifreform, die zu einer kostenorientierteren Arbeitsteilung führen sollte.152 Was den Personenverkehr anbelangt, war die Reichsbahn aus dem Alltag der meisten Menschen in der DDR nicht hinwegzudenken. Hauptgründe dafür dürften der Mangel an privaten PKW und der günstige Preis von Bahnfahrten gewesen sein.153 Der Normaltarif lag bei unverhältnismäßig niedrigen 8 Pfennigen je Kilometer154 und wurde aus politischen Gründen nicht angehoben. Auf diese Weise konnte die 148 Näher zum Ganzen W.-D. Machel, Bahnextra 2/2008, S. 12 (12 f.); C. Kopper, Die Deutsche Reichsbahn 1949 – 1989, in: Gall / Pohl, Eisenbahn in Deutschland, S. 281 ff.; M. Kilian / U. Hesse, Die Verwaltung 27 (1994), 175 (177 ff.); H.-J. Fricke / H.-J. Ritzau, Die innerdeutsche Grenze und der Schienenverkehr, S. 11. 149 Vgl. Kopper, Deutsche Reichsbahn, S. 281 (300 ff.). 150 E. Preuß, Bahnextra 2/2008, S. 21 (21); Kopper, Deutsche Reichsbahn, S. 281 (300 f.). 151 Zur Verkehrswirtschaft in der Planwirtschaft, insbesondere in Hinblick auf die Eisenbahnen siehe E. Kruchen, Zu den Rechtsordnungen des Betriebs und Verkehrs der Eisenbahnen, in: Haustein, Eisenbahnen im deutschen öffentlichen Recht, S. 183 (287 ff.). 152 Kopper, Deutsche Reichsbahn, S. 281 (302); siehe dazu auch Kruchen, Betrieb, S. 183 (300 f.). 153 Vgl. dazu E. Preuß / P. Schricker, Bahnextra 2/2008, S. 14 (22). 154 K. Hofmann, Ökonomik, Organisation und Planung der Eisenbahn, S. 203.
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Reichsbahn im Personenverkehrssektor nicht wirtschaftlich arbeiten. Obwohl im Güterverkehr ein Überschuss erzielt wurde, reichte diese Quersubventionierung zur Erreichung der Wirtschaftlichkeit nicht aus. Die Reichsbahn war daher auf permanente staatliche Unterstützung angewiesen. Während man seit Ende der 50er Jahre in der DDR bemüht gewesen war, den Güternahtransport auf die Straße zu verlagern, kam es ab Ende der 70er Jahre zu einer gegenläufigen Tendenz. Ursache dafür war, dass die veränderten Öllieferbedingungen der UdSSR die DDR zum Ölsparen zwangen.155 Durch die Belastung der Reichsbahn mit unrentablen Güternahtransporten sank deren Wirtschaftlichkeit weiter. Andererseits förderte der Ölmangel aber auch die bis dahin nur langsam vorankommende Elektrifizierung der Bahnstrecken.156 Neben den wirtschaftlich unsinnigen Nahtransporten litt die Reichsbahn in den 80er Jahren noch an weiteren Problemen. Zu nennen sind hier insbesondere ein Investitionsmangel und die Verschlechterung des Zustands des Streckennetzes157. Außerdem gab es zu wenige und zu schlecht ausgestattete Waggons. Trotz dieser verheerenden Bilanz konnte die Reichsbahn zur Wiedervereinigung doch auch einige Positivposten ausweisen. Wegen der Elektrifizierung gab es einen guten Bestand an elektrischen Lokomotiven. Zudem verfügte die Reichsbahn über eine gut ausgebildete Belegschaft und ein dichtes, wenn auch sanierungsbedürftiges Gleisnetz.158
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Dies hing mit den enormen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der UdSSR und mit der Zweiten Ölkrise (1979/80) zusammen. Letztere wurde hauptsächlich durch Forderungsausfälle und Verunsicherung während des ersten Golfkriegs zwischen Iran und Irak (1980 – 1988) verursacht und führte zu einem drastischen Ölpreisanstieg. 156 In den 60er Jahren hatte man sich gegen eine schnelle Elektrifizierung entschieden und stattdessen auf die Dieseltraktion gesetzt, was v. a. daran lag, dass man die Kapazitäten der Elektroindustrie und der Elektrizitätswirtschaft für die Versorgung der stromintensiven Industriezweige nutzen wollte und die Kosten für die „Verdieselung“ nur halb so hoch waren wie die für die Elektrifizierung (vgl. Kopper, Deutsche Reichsbahn, S. 281 [308]). Bereits ab 1977 hatte die Staatliche Plankommission dem Verkehrsministerium dann aber vorgegeben, dass der Dieselverbrauch ab 1985 sinken müsse (vgl. E. Preuß / P. Schricker, Bahnextra 2/2008, S. 14 [21]; Kopper, Deutsche Reichsbahn, S. 281 [312] m.w.N.). 157 Ab 1979 hatte es eine starke Zunahme von Gleisschäden gegeben, die durch die Verarbeitung von zu stark alkalihaltigem Zement in den Betonschwellen verursacht wurden. Der alkalihaltige Zement und der kieselsäurehaltige Sand lösten einen chemischen Zersetzungsprozess aus, sodass die Schwellen schon nach wenigen Jahren zu zerfallen begannen (vgl. Kopper, Deutsche Reichsbahn, S. 281 [314]). 158 Kopper, Deutsche Reichsbahn, S. 281 (316).
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C. Die Deutsche Bundesbahn bis 1989 Schon seit 1949 war die Hauptverwaltung der Deutschen Reichsbahn im Vereinigten Wirtschaftsgebiet in „Deutsche Bundesbahn“ (DB) umbenannt worden159, ohne dass damit aber eine strukturelle Veränderung einhergegangen wäre. Diese erfolgte erst 1951/52, nachdem die Neuorganisation der Bahn seit mehr als drei Jahren vorbereitet worden war.160 I. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben Bei der Umstrukturierung der Deutschen Bundesbahn mussten die Vorgaben des neu geschaffenen Grundgesetzes161 beachtet werden. In diesem waren verschiedene Regelungen enthalten, die die Bundesbahn betrafen: - In Art. 73 Nr. 6 GG erhielt der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die Eisenbahnen des Bundes. - Nach Art. 80 II GG bedurften Rechtsverordnungen (RVO) der Bundesregierung oder eines Bundesministers hinsichtlich des Rechts des Verkehrs der Bundeseisenbahnen und über Bau und Betrieb von Eisenbahnen überhaupt der Zustimmung des Bundesrates. - Gem. Art. 87 I GG wurden die Bundeseisenbahnen in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau geführt. - Schließlich enthielt Art. 130 GG eine Übergangsvorschrift, die die Überführung der SWDE in die Bundesverwaltung regelte.162 Die wichtigste Norm in diesem Zusammenhang ist neben der Kompetenzzuweisung an den Bund und der darin enthaltenen Absage an ein Länderbahnsystem zweifelsohne Art. 87 I GG, dessen Aussagegehalt im Folgenden näher dargestellt werden soll.
159 Die Umbenennung erfolgte genau am 07. September 1949 und damit an dem Tag, an dem auch Bundesrat und Bundestag zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammengetreten waren. Die Wahl dieses Termins hatte wohl Symbolcharakter, aber sonst keine grundlegende Bedeutung. Vgl. G. Schulz, Die Deutsche Bundesbahn 1949 – 1989, in: Gall / Pohl, Eisenbahn in Deutschland, S. 317 (322). 160 Zur Geschichte der Bahn in den Anfangsjahren der Bundesrepublik siehe auch Bundesministerium für Verkehr (Hrsg.), Verkehrspolitik in der Bundesrepublik Deutschland 1949 – 1965, S. 96 ff. 161 BGBl. 1949 I, S. 1. 162 Solch eine Übergangsvorschrift war für die Verwaltung der ehemaligen Deutschen Reichsbahn im Vereinigten Wirtschaftsgebiet nicht notwendig, da diese gem. Art. 133 GG automatisch in die Bundesverwaltung überging.
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1. Die Zuständigkeitsregelung des Art. 87 I GG Einigkeit herrschte darüber, dass Art. 87 I GG eine Durchbrechung des Grundsatzes der Länderverwaltung in Bundesangelegenheiten (Art. 83 GG) darstellte und in dieser Hinsicht einen Zuständigkeitsgehalt besaß163. Durch die Begründung einer Bundeszuständigkeit war es dem Bund also überhaupt erst erlaubt, Eisenbahnen bundeseinheitlich zu verwalten. 2. Der Organisationsgehalt des Art. 87 I GG Strittig war jedoch, ob der Aussagegehalt des Art. 87 I GG über die Begründung einer Verwaltungszuständigkeit des Bundes hinausging164. Die einen bejahten dies und nahmen an, dass die Norm nur eine unmittelbare und unselbständige Verwaltung des Bundes zulasse165. Daraus folge, dass die DB nicht in der Form einer vom Bund zu unterscheidenden Rechtspersönlichkeit (also zum Beispiel als Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts) betrieben werden dürfe. Als Argument für diese These wurde vor allem der Wortlaut des Art. 86 Satz 1 GG herangezogen, der die Begriffe „bundeseigene Verwaltung“ (im engeren Sinne) und „Verwaltung durch bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts“ gegenüberstellt und nicht etwa die mittelbare Bundesverwaltung als Unterfall der bundeseigenen (im engeren Sinne) definiert. In diesem Sinne sollte „bundeseigen“ dann auch im Rahmen des Art. 87 I GG zu verstehen sein.166 Demgegenüber vertraten andere die Ansicht, die Aussage des Art. 87 I GG erschöpfe sich in seinem Zuständigkeitsgehalt und beinhalte demzufolge keine Beschränkung des Bundes hinsichtlich der Organisationsform der Bahn. In Bezug auf Art. 86 GG interpretierten die Vertreter dieser Auffassung die dort genannten Körperschaften und Anstalten als Beispiele oder Unterfälle der bundeseigenen Verwaltung, sodass auch für die Bundesbahn die Form einer mittelbaren Staatsverwaltung eröffnet sei.167
163 Vgl. T. Maunz, in: T. Maunz / G. Dürig, GG Kommentar, Band III (1991), Art. 87, Rn. 1; E. Schmidt-Aßmann / G. Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn in verfassungsrechtlicher Sicht, S. 54 ff.; G. Schulz, Das Eisenbahnwesen des Bundes und die Stellung der deutschen Bahnen auf dem Europäischen Binnenmarkt, S. 38 f.; G. Fromm, DVBl. 1982, 288 (291 f.); Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 53. 164 Vgl. zum Ganzen G. Fromm, DVBl. 1994, 187 (188 f.); Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 63 f. jeweils m.w.N. 165 Maunz, Art. 87, Rn. 30; A. Dittmann, Die Verwaltung 8 (1975), 431 (435 f.). 166 Maunz, Art. 87, Rn. 39; A. Dittmann, Die Verwaltung 8 (1975), 431 (435 f.); P. Hommelhoff / E. Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 521 (530); M. Ronellenfitsch, Wirtschaftliche Betätigung des Staates, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 84, Rn. 21. 167 G. Fromm, DVBl. 1982, 288 (292); H. Krüger, DÖV 1949, 467 (467 f.); G. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen (1969), S. 137.
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Darüber hinaus stand die Möglichkeit einer Bahnprivatisierung in Streit. Mehrheitlich168 wurde dazu – meist in Anknüpfung an den aus Art. 86 I, 87 I GG abgeleiteten Typenzwang – vertreten, dass weder eine formelle noch eine materielle Privatisierung erfolgen dürfe; eine Minderheitsmeinung169 ging jedoch davon aus, dass zumindest die Organisationsprivatisierung möglich sei. Gegen die Zulässigkeit jeglicher Privatisierungsvarianten sprach zum einen der Wortlaut – als bundeseigen wäre eine Verwaltung durch ein Privatrechtssubjekt kaum zu bezeichnen gewesen170 – und zum anderen der entstehungsgeschichtliche Hintergrund der Norm: Hätte der Parlamentarische Rat, dem insbesondere die Ausgestaltung der deutschen Bahnen in Form der Reichsbahn-Gesellschaft als dem Unternehmensrecht stark angenäherte Organisationsform bekannt war, eine solche oder zumindest ähnliche Organisationsform unter den Begriff „bundeseigene Verwaltung“ fassen wollen, so hätte dies wohl eines ausdrücklichen Hinweises bedurft.171 Insoweit war die Bundesbahn also der Bundesverwaltung (und damit dem Staat) durch das Grundgesetz zugewiesen. Der Art. 87 I GG erfüllte in dieser Hinsicht eine Schutzfunktion; die wesentlichen Entscheidungen bezüglich der Bundesbahn sollten auch im Hinblick auf Gemeinwohlbelange getroffen werden.172 Dies stellte zugleich eine politische Entscheidung dar, wobei die Forderung nach einer Privatisierung der Bundesbahn nach dem Zweiten Weltkrieg kaum mehr erhoben worden war, auch nicht in der öffentlichen Diskussion173. 3. Der Aufgabengehalt des Art. 87 I GG Umstritten war bei der Interpretation des Art. 87 I GG auch, inwiefern ihm über den Zuständigkeits- und Organisationsgehalt hinaus noch eine Aufgabenzuweisung entnommen werden konnte.174 Für eine solche Zuweisung sprach vor allem die Überlegung, dass die Länder wohl kaum von einem so wichtigen Bereich der Verkehrsinfrastruktur hätten ausgeschlossen werden sollen, wenn den Bund nicht zugleich die Pflicht zum Betrieb eines Eisenbahnnetzes träfe175. Zu diesem Ergebnis gelangt man auch im Wege der historischen Auslegung176 – so war der aufgabenrechtliche 168 Maunz, Art. 87, Rn. 31; Schulz, Eisenbahnwesen, S. 113 f.; Schmidt-Aßmann / Fromm, Aufgaben, S. 113 ff.; K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, S. 831 f.; H.-J. Finger, DÖV 1985, 226 (228). 169 R. Stober, NJW 1984, 449 (452); Püttner, Unternehmen (1969), S. 137 f. 170 P. Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Band III (1991), Art. 86, Rn. 57. 171 Schmidt-Aßmann / Fromm, Aufgaben, S. 117. 172 Maunz, Art. 87, Rn. 31; Schulz, Eisenbahnwesen, S. 113 f. 173 So Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 55; Schulz, Bundesbahn, S. 317 (322). 174 Ausführlich zu dieser Frage und zum Meinungsstand Schmidt-Aßmann / Fromm, Aufgaben, S. 56 ff. m.w.N. 175 U. Steiner, Verkehr und Post, in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 81, Rn. 12. 176 Vgl. P. Hommelhoff / E. Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 521 (529 f.); SchmidtAßmann / Fromm, Aufgaben, S. 59 ff.
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Gehalt, der der Kompetenzzuweisung an den Bund innewohnte, im Herrenchiemseer Verfassungsentwurf noch deutlicher zu erkennen177. Dass sich diese Fassung schließlich nicht durchsetzte, kann aber nach zutreffender Ansicht178 nicht zu der Annahme führen, der aufgabenrechtliche Gehalt habe gestrichen werden sollen. Was den Umfang der Aufgabenzuweisung an den Bund durch Art. 87 I GG angeht, so war dieser nicht klar umrissen, sodass der Bundesbahn ein Entscheidungsspielraum bei dessen Ausfüllung zukam179. Teilweise unterschied man einen unantastbaren Aufgabenkern und darüber hinausgehende Verkehrsleistungen und ging davon aus, dass der jeweilige Aufgabenzuschnitt von den wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und technischen Entwicklungen abhänge180. Insgesamt war Art. 87 I GG also auch als Einrichtungsgarantie zu verstehen. 4. Zusammenfassung Die sprachlich knappe Formulierung des Art. 87 I GG enthielt also einen mehrschichtigen Aussagegehalt und traf insbesondere Bestimmungen zu Zuständigkeit, Organisation und Aufgabe des Betreibens von Eisenbahnen in Deutschland. Dabei ließ die Norm viel Raum für Interpretation und eröffnete einen Fächer an konkreten Umsetzungsmöglichkeiten. Das Grundgesetz determinierte folglich nur die eisenbahnverfassungsrechtlichen Grundpfeiler, was folgte war die – keineswegs unumstrittene – einfachgesetzliche Ausgestaltung dieser Vorgaben. II. Das einfachgesetzliche Eisenbahnrecht 1. Das Bundesbahngesetz a) Entstehungsgeschichte Den Anstoß zu einem Bundesbahngesetz (BbG) hatte das Land Nordrhein-Westfalen im Bundesrat gegeben, als es einen ersten Gesetzentwurf zur Erörterung stellte181, außerdem veröffentlichten zwei Gewerkschaften eigene Entwürfe182. Der Bundesrat machte sich schließlich den Vorschlag Nordrhein-Westfalens zu eigen und 177
Vgl. Art. 116 und 117 Ch.E. Schmidt-Aßmann / Fromm, Aufgaben, S. 62. 179 Steiner, Verkehr und Post, § 81, Rn. 12. 180 Schmidt-Aßmann / Fromm, Aufgaben, S. 63 ff.; Steiner, Verkehr und Post, § 81, Rn. 12. 181 Vgl. Entwurf eines Gesetzes über die Deutsche Bundesbahn (Bundesbahngesetz), aufgestellt vom Verkehrsminister des Landes Nordrhein-Westfalen, BR-Drucks. 236/50 sowie die Erörterung des Entwurfs im Bundesrat, Sitzungsbericht 9/49. Zum Ganzen L. Brandt, Internationales Archiv für Verkehrswesen (AVW) 1951, 361 ff. Eingehend zur Entstehungsgeschichte des BbG A. Sarter / T. Kittel, Die Deutsche Bundesbahn. Ihr Aufbau und ihre Arbeitsgrundlagen, S. 21 ff.; H. Beer, Die Bundesbahn 1951, 860 ff. 182 Vgl. Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 54 f. 178
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brachte diesen als Initiativgesetzentwurf183 im März 1950 in den Bundestag ein184. Auch die Bundesregierung hatte unterdessen an einem abweichenden Entwurf gearbeitet, den sie ein halbes Jahr später im Parlament vorlegte185. Die beiden Vorschläge unterschieden sich vor allem hinsichtlich des Maßes an Autonomie, die der Bundesbahn gewährt werden sollte. Der Bundesratsentwurf strebte eine relativ weitgehende Selbständigkeit der Bahn an, während der Regierungsentwurf statt eines Autonomiebetriebes eine stärkere Anlehnung an die Bundesregierung vorsah186. Zwar war eine Privatisierung der Bahn durch das Grundgesetz ausgeschlossen187, jedoch forderten die Autonomiebefürworter eine Unabhängigkeit der Bahn im Sinne einer Entpolitisierung und Entbürokratisierung188. Die grundsätzlichen Auseinandersetzungen über die unterschiedlichen Entwürfe fanden schließlich nicht im Bundestagsplenum, sondern im Verkehrsausschuss statt. Die von ihm beschlossene Fassung des BbG189 stellte aber letztlich eher einen in vielen Punkten eigenständigen Entwurf als einen Kompromiss zwischen Bundesrats- und Bundestagsentwurf dar.190 Der Entwurf des Verkehrsausschusses wurde zwar vom Bundestag angenommen191, der Bundesrat rief jedoch gem. Art. 77 II GG den Vermittlungsausschuss an, weil er insbesondere bezüglich der Kompetenzverteilung zwischen den Organen der Bahn Änderungen forderte192. Die Änderungsvorschläge des Vermittlungsausschusses gingen schließlich nicht so weit wie die Vorstellungen der Länderkammer, trotzdem legte diese gegen die vom Bundestag angenommenen Änderungsvorschläge193 keinen Einspruch mehr ein, sodass das BbG194 am 14. Dezember 1951 in Kraft treten konnte.
183 Initiativantrag des Deutschen Bundesrates für ein Gesetz über die Deutsche Bundesbahn (Bundesbahngesetz) vom 30. März 1950, BT-Drucks. I/1275. 184 H. Beer, Die Bundesbahn 1951, 860 (861). 185 Vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes über die Deutsche Bundesbahn vom 14. September 1950, BT-Drucks. I/1341. 186 So der damalige Bundesverkehrsminister H.-C. Seebohm in einer Rede im Bundesrat, siehe BR-Plenarprotokoll I/64, S. 526; vgl. auch Haustein / Finger, Bundesbahn, S. 23. 187 Siehe dazu § 3 C. I. 188 Vgl. Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 55. 189 Siehe BT-Drucks. I/2399. 190 Dies galt insbesondere hinsichtlich der Zusammensetzung der Organe der DB, so die Einschätzung von Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 55, und wird besonders dadurch deutlich, dass in der BT-Drucks. I/2399 die drei Entwurfsfassungen des BbG (von Bundestag, Bundesrat und Verkehrsausschuss) in drei Spalten nebeneinander dargestellt werden. 191 Vgl. BT-Plenarprotokoll I/156, S. 6201 ff. 192 Vgl. Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 56. 193 Vgl. BT-Plenarprotokoll I/173, S. 7113. 194 BGBl. 1951 I, S. 955.
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b) Staatsrechtliche Stellung der Bundesbahn Gem. § 1 BbG stellte die Deutsche Bundesbahn ein nicht rechtsfähiges Sondervermögen des Bundes mit eigener Wirtschafts- und Rechnungsführung dar195. Ihre Organe hatten sie unter Berücksichtigung der Interessen der deutschen Volkswirtschaft nach kaufmännischen Grundsätzen zu verwalten (§ 4 I 1 BbG). Aufgrund der Zugehörigkeit der DB zur Bundesverwaltung stellte die Erfüllung ihrer Aufgaben öffentlichen Dienst dar (§ 6 III BbG) und ihre Dienststellen waren Bundesbehörden (§ 6 II BbG). Entsprechend ihrer Stellung als nicht rechtsfähiges Sondervermögen konnte die DB nur im geschäftlichen Verkehr, also in ihrer Tätigkeit als Verkehrsunternehmen, unter ihrem eigenen Namen handeln, klagen und verklagt werden (Teilrechtsfähigkeit, § 2 BbG).196 c) Organe der Bundesbahn Die Organe der DB bestanden nach § 7 BbG aus Vorstand und Verwaltungsrat. Die oberste Entscheidungsbefugnis lag beim Verwaltungsrat197, der vom Präsidenten geleitet wurde (§ 11 I BbG). Er bestand aus zwanzig Mitgliedern, von denen je fünf auf Vorschlag des Bundesrats, der Spitzenverbände der Wirtschaft, der Gewerkschaften und des Bundesministers für Verkehr ernannt wurden198 (§ 10 II BbG) und über eine Reihe besonders wichtiger Angelegenheiten (§ 12 I BbG) sowie gem. § 12 II BbG Fragen von allgemeiner Bedeutung entschieden199. Gem. § 10 IV BbG hatten die Mitglieder des Verwaltungsrates ihr Amt zum Nutzen des deutschen Volkes, der deutschen Wirtschaft und der Deutschen Bundesbahn zu versehen, wobei sie nicht an Weisungen gebunden waren. Der Verwaltungsrat setzte auch die vier ständigen Ausschüsse ein: den Finanzausschuss, den Tarif- und Verkehrsausschuss, den Personalausschuss und den Technischen Ausschuss. Der Vorstand der DB bestand aus einem Vorsitzenden und drei weiteren Mitgliedern, die im Einvernehmen mit dem Verwaltungsrat vom Bundesminister für Verkehr vorgeschlagen und aufgrund eines Beschlusses der Bundesregierung vom Bundes195
Zur Stellung der Bundesbahn als Sondervermögen des Bundes siehe auch H.-J. Finger, Kommentar zum Allgemeinen Eisenbahngesetz und Bundesbahngesetz, § 1 BbG, S. 71. Zu den Motiven der Rechtsformwahl siehe K. Ottmann, Die Bundesbahn 1951, 847 (851). W. Haustein / R. Mayer, Bundesbahngesetz, S. 11, gehen darüber hinaus davon aus, dass es sich bei der DB auch ohne eigene Rechtspersönlichkeit um eine Anstalt des öffentlichen Rechts handele; ebenso Haustein / Finger, Bundesbahn, S. 23. 196 Die DB konnte allerdings nicht gegen den Bund oder eine andere Bundesverwaltung klagen, siehe Finger, Kommentar, § 2 BbG, S. 72. 197 Zur Frage, ob man den Verwaltungsrat als oberstes Leitungsorgan bewerten konnte, siehe J. Homeister, Öffentliche Aufgabe, Organisationsform und Rechtsbindungen, S. 44 f. 198 Zur Ausgestaltung des Vorschlags- und Ernennungsrechts Homeister, Öffentliche Aufgabe, S. 43 f. 199 Sog. Kompetenz-Kompetenz, vgl. dazu Haustein / Mayer, Bundesbahngesetz, S. 24; Haustein / Finger, Bundesbahn, S. 26.
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präsidenten ernannt wurden200 (§ 8 I, II BbG). Dem Vorstand oblag gem. § 9 I BbG die Führung der Geschäfte der Bundesbahn, wobei der Verwaltungsrat zwar nicht Aufsichtsinstanz gegenüber dem Vorstand war, allerdings für ihn bindende Beschlüsse fassen konnte201. Die autonome Entscheidungskompetenz dieser beiden Bundesbahnorgane relativierte sich freilich durch die weitgehende Rechts- und Betriebsaufsicht des Bundesministers für Verkehr, der jedoch kein Organ der DB darstellte202. Hier ist vor allem zu erwähnen, dass dieser die allgemeinen Anordnungen erließ, die erforderlich waren, um den Grundsätzen der Politik der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere der Verkehrs-, Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik Geltung zu verschaffen und um die Interessen der Deutschen Bundesbahn und der übrigen Verkehrsträger miteinander in Einklang zu bringen203. Weiterhin bedurften beispielsweise die Beteiligung an anderen Unternehmen, der Wirtschaftsplan, wichtige Verwaltungsangelegenheiten und Tarifentscheidungen seiner Genehmigung (§§ 14 III, 16 BbG) und in allen anderen Bereichen stand ihm ein Auskunfts- und Einspruchsrecht bezüglich der Beschlüsse des Verwaltungsrats zu.204 Durch diese weitgehenden Befugnisse war die aufsichtliche Macht als weitreichender als in den RbG von 1924 und 1930 einzuschätzen205. d) Wirtschaftsführung der Bundesbahn Wie bereits erwähnt, war die Deutsche Bundesbahn gem. § 1 BbG als Sondervermögen mit eigener Wirtschafts- und Rechnungsführung organisiert und gem. § 4 I 1 BbG unter Wahrung der Interessen der deutschen Volkswirtschaft nach kaufmännischen Grundsätzen zu verwalten206. Ihr wurde insofern eine finanzielle AutoZu den im Vorfeld der Verabschiedung des BbG geführten Diskussionen über die Entscheidung für das Präsidialsystem oder das Kollegialsystem im Vorstand siehe Haustein / Mayer, Bundesbahngesetz, S. 17. 201 Wessel, DVBl. 1952, 229 (231). Haustein / Mayer, Bundesbahngesetz, S. 19, sprechen demgegenüber davon, dass der Verwaltungsrat den Vorstand „beaufsichtige“. 202 R. Mayer, DÖV 1952, 14 (15); Finger, Kommentar, § 14 BbG, S. 131; Menges, Rechtsgrundlagen, S. 192 mit Fn. 49. 203 Zum Begriff der „allgemeinen Anordnungen“ siehe K. Ottmann, Die Bundesbahn 1951, 847 (853). 204 Eine vollständige Aufzählung aller Kompetenzen des Bundesministers für Verkehr nach dem BbG findet sich bei Finger, Kommentar, § 14 BbG, S. 131 ff; eher überblicksmäßige Darstellungen bieten Wessel, DVBl. 1952, 229 (231) sowie K. Ottmann, Die Bundesbahn 1951, 847 (853 f.). 205 So auch R. Mayer, DÖV 1952, 14 (15). Haustein / Mayer, Bundesbahngesetz, S. 28, wiesen zudem darauf hin, dass durch § 14 VIII BbG (Kompetenz des Verkehrsministers zur Heranziehung von Beamten der DB zur Erfüllung der ihm nach dem BbG obliegenden Aufgaben) die saubere Trennung zwischen Leitung und Aufsicht gefährdet würde. 206 Bezüglich der kaufmännischen Grundsätze, die für die DB galten, gab es allerdings gewisse Einschränkungen. So war sie nicht dem Ziel der Gewinnmaximierung unterworfen, sondern sollte lediglich ihre Aufwendungen durch ihre Erträge decken und eine angemessene Eigenkapitalverzinsung anstreben, vgl. dazu Finger, Kommentar, § 28 BbG, S. 180. Haustein / 200
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nomie zugestanden, die sich dadurch ausdrückte, dass die Rechnung der DB nach kaufmännischen Grundsätzen erfolgen sollte (§ 29 BbG) und sie befugt war, einen eigenen Wirtschaftsplan aufzustellen (§ 30 BbG). Außerdem war die Bundesbahn gem. § 31 BbG berechtigt, selbständig Kredite aufzunehmen. Um das Ziel des § 28 I BbG zu erreichen, nämlich die zur Erfüllung ihrer Aufgaben und Verpflichtungen nötigen Aufwendungen selbst bestreiten zu können, war die Bahn vom Haushaltsund Finanzrecht des Bundes befreit (§ 35 BbG). Die Bundesbahn war damit ökonomisch weitgehend auf sich selbst gestellt und glich darin einem privaten Wirtschaftsbetrieb207. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die finanzielle Autonomie dadurch eingeschränkt wurde, dass sie durch das Aufsichtsrecht des Bundesverkehrsministers an die aktuelle Politik der jeweiligen Bundesregierung gebunden war208 und ihr insbesondere durch den Genehmigungsvorbehalt für Tarifänderungen (vgl. § 16 BbG) eine freie Preisgestaltung versagt blieb. e) Interner Verwaltungsaufbau der Bundesbahn Gem. § 6 I BbG sollte die Verwaltungsorganisation der Bundesbahn in einer Verwaltungsordnung (VwO) festgelegt werden, was 1952 erstmals geschah.209 Durch diese wurde die hergebrachte vierstufige Verwaltung übernommen (vgl. § 13 VwO). An der Spitze der Hierarchie stand demnach die Hauptverwaltung der DB mit dem Vorstand. Die mittlere Ebene stellten die Bundesbahndirektionen und die zentralen Ämter dar, denen die nach Sachgebieten gebildeten Ämter (wie zum Beispiel das Verkehrs-, Betriebs- oder Maschinenamt) als dritte Ebene unterstellt waren. Auf der untersten Stufe standen die Dienststellen des Außendienstes. Außerhalb dieser Hierarchie existierten noch verschiedene Sonderämter, wie zum Beispiel das Bundesbahn-Sozialamt für Versicherung und Gesundheitsfürsorge.210
Mayer, Bundesbahngesetz, S. 39, gehen davon aus, dass der gemeinnützigen Aufgabe der DB der Vorrang vor der kaufmännischen Erfolgswirtschaft zukam. 207 Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 64. 208 Vgl. dazu Finger, Kommentar, § 28 BbG, S. 180. 209 Die Kompetenz zur Aufstellung der Verwaltungsordnung lag gem. § 9 V BbG beim Vorstand. Der Beschluss erfolgte jedoch durch den Verwaltungsrat und bedurfte der Genehmigung des Bundesministers für Verkehr. Im Jahre 1952 stellte man zunächst eine vorläufige Verwaltungsordnung auf, die ein Jahr später durch eine reguläre Fassung ersetzt wurde (abgedruckt bei H.-J. Finger, Eisenbahngesetze, S. 371 ff.). Vgl. zur Verwaltungsordnung der DB im Zusammenhang mit ihrer gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung auch H.-J. Finger, Die Bundesbahn 1957, 97 (99 ff.). 210 Zu den einzelnen Instanzen im Verwaltungsaufbau siehe Haustein / Finger, Bundesbahn, S. 31 ff.; Finger, Kommentar, § 13, 14 VwO, S. 288 ff.; eine funktional-bewertende Betrachtung, insbesondere im Vergleich mit der französischen Eisenbahn, findet sich bei K. Ottmann, Die Bundesbahn 1952, 491 (500 ff.).
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f) Zusammenfassende Anmerkungen zur Organisation der Bundesbahn Die Regelungen im BbG zeigen, dass der DB zwar einerseits in vielen Bereichen eine relative Autonomie zukam, sowohl in verwaltungsmäßiger als auch in finanzieller Hinsicht. Dafür lässt sich anführen, dass die Bundesbahn ihre eigenen, handlungsfähigen Organe besaß und als Sondervermögen nicht Bestandteil des Staatshaushalts war – Charakteristika, die sie mit der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft211 (DRG) gemein hatte212. Andererseits war sie – im Gegensatz zur DRG – mit ihrer fehlenden Trennung von Aufsicht und Leitung aber auch klar als Behörde strukturiert und unterlag in wichtigen Fragen der Letztentscheidungskompetenz des Bundesverkehrsministers, was zwar die Durchsetzung verkehrspolitischer Anliegen erleichterte, aber auch zu der einer Behörde eigenen mangelnden Flexibilität und Starre beitrug. 2. Das Allgemeine Eisenbahngesetz Im gleichen Jahr wie das Bundesbahngesetz wurde auch das Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG)213 erlassen. Das AEG enthielt allgemeine Bestimmungen für alle Eisenbahnen des Bundesgebietes, also auch für Länderbahnen. Deswegen konnte es als Bundesgesetz nicht auf den Kompetenztitel des Art. 73 Nr. 6 GG gestützt werden, der ja bloß für Bundesbahnen galt, sondern wurde im Wege der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 74 Nr. 23 GG erlassen214. Aufgabe des AEG war es, ein Mindestmaß an Einheitlichkeit für nicht bundeseigene Bahnen zu schaffen und die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Träger der Eisenbahnhoheit zu ermöglichen.215 Inhaltlich erwähnenswert ist die Vorschrift des § 3 AEG, die die Bundesregierung ermächtigte, mit Zustimmung des Bundesrates für die Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs Rechtsverordnungen über den Bau, den Betrieb, den Verkehr und die Statistik zu erlassen216. Außerdem wurde geregelt, dass jede öffentliche Eisenbahn den Anschluss und die damit zusammenhängende Mitbenutzung ihrer Anlagen durch angrenzende öffentliche Eisenbahnen unter billiger Regelung der Kosten zu gestatten hatte (§ 7 AEG). Zuletzt ist zu erwähnen, dass durch § 8 AEG erstmals die Aufgabe des Bundesverkehrsministers in einem Gesetz festgelegt wurde217.
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Siehe dazu § 2 B. II. 2. K. Ottmann, Die Bundesbahn 1951, 847 (850), wertet das BbG denn auch weder als Wendepunkt noch als Markstein der eisenbahnverfassungsrechtlichen Entwicklung, sondern als Variante desselben Systems wie seine Vorgänger. 213 BGBl. 1951 I, S. 225. 214 Finger, Kommentar, § 1 AEG, S. 11 f. 215 R. Mayer, DÖV 1951, 271 (272). 216 Dazu näher R. Mayer, DÖV 1951, 271 (272). 217 § 8 AEG lautete: „Mit dem Ziel bester Förderung des Verkehrs hat der Bundesminister für Verkehr darauf hinzuwirken, daß die Interessen der verschiedenen Verkehrsträger ausgeglichen und ihre Leistungen und ihre Entgelte aufeinander abgestimmt werden.“ 212
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Kap. 2: Geschichte der Eisenbahn
3. Das Bundesbahnvermögensgesetz Das Bundesbahnvermögensgesetz218 hatte zum Ziel, gem. Art. 134 I, IV GG das ehemalige Sondervermögen „Deutsche Reichsbahn“ in das Vermögen des Bundes zu überführen. Es betraf also nur eigentumsrechtliche Fragen219, ohne die Regelung der Organisation der Deutschen Bundesbahn zu berühren. 4. Kritik und Reformbestrebungen a) Kritikpunkte Die einfachgesetzlichen Regelungen über die Bahn stießen schon bald und zunehmend auf Kritik. Im Mittelpunkt stand dabei die mangelnde Autonomie der DB aufgrund ihrer Abhängigkeit von der Bundesregierung sowie die unklare Verantwortungsverteilung zwischen DB und Bund220. Ein kritischer Betrachter221 stellte fest: Das BbG „übergeht mit Stillschweigen jede Abgrenzung der Verantwortlichkeiten. Es bleibt in Dunkel gehüllt, wen für Planungen und Entscheidungen auf dem Gebiet des Eisenbahnverkehrs die Verantwortung trifft; und nicht weniger im Dunkel bleibt die Frage, wie sich eine solche Verantwortung praktisch auswirken könnte.“, woraus sich für ihn die Frage ergab: „Wie ist sichergestellt, daß etwaige Verluste und Fehldispositionen nicht ungesühnt bleiben?“ Ein weiterer Kritikpunkt bestand hinsichtlich der durch das BbG festgelegten Ziele der Bundesbahn. Einerseits sollte sie nach kaufmännischen Grundsätzen arbeiten, andererseits aber dabei die Interessen der deutschen Volkswirtschaft wahren und den Anforderungen des Verkehrs gerecht werden (§ 4 BbG). Das BbG enthielt aber keine Bestimmungen darüber, wie diese widerstreitenden Ziele in Ausgleich zu bringen gewesen wären oder in welchem Verhältnis sie zueinander standen, sodass hinsichtlich dieses Zielkonflikts von der „Quadratur des Kreises“222 gesprochen wurde. Außerdem sah das BbG vor, dass tarifliche Maßnahmen, deren Durchführung oder Unterlassung der Pflicht der DB zur selbständigen Bestreitung ihrer Ausgaben zuwiderliefen, auch gegen ihren Einspruch von der Bundesregierung angeordnet werden konnten (§ 28 III BbG). Zwar löste dies grundsätzlich einen Erstattungsanspruch hin218
BGBl. 1951 I, S. 155. Zur Notwendigkeit des Bundesbahnvermögensgesetzes siehe Wessel, DVBl. 1952, 229 (229); Haustein / Mayer, Bundesbahngesetz, S. 8; Haustein / Finger, Bundesbahn, S. 15 f.; Haustein, Stellung, S. 45 ff. 220 Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 68 f.; Schmidt-Aßmann / Fromm, Aufgaben, S. 22; G. Fromm / C. Heinze, Deutsche Bundesbahn als Unternehmen – Gesetzentwurf mit Begründung, S. 8 ff.; in diese Richtung auch Bericht über die Deutsche Bundesbahn (DB), BT-Drucks. III/1602, S. 8 ff. 221 K. Ottmann, AVW 1953, 165 (172). 222 Schulz, Bundesbahn, S. 317 (324); kritisch zu diesem Zielkonflikt auch G. Aberle, Zukunftsperspektiven der Deutschen Bundesbahn, S. 21. 219
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sichtlich der Mehrbelastung gegenüber dem Bund aus, dieser setzte aber voraus, dass die im Laufe eines Wirtschaftsjahres gemachten Auflagen in ihrer Gesamtheit den Wirtschaftsplan nicht nur unerheblich beeinflussten und die Mehrbelastung nicht aus einem Überschuss des Jahresabschlusses gedeckt werden konnte (§ 28 IV, V BbG). Und selbst wenn diese Bedingungen erfüllt waren, dann hatte die Bundesregierung noch immer das Recht, über die Höhe des zu übernehmenden Betrages unter Berücksichtigung aller Umstände endgültig zu entscheiden (§ 28 VI BbG). Diese Regelung führte im Ergebnis zu einer Situation, in der die Bundesbahn keine Handhabe dagegen hatte, dass der Bund selbst ihr die Erfüllung ihrer wirtschaftlichen Pflichten (insbesondere der aus § 28 I BbG) erschwerte oder unmöglich machte223. Auch hinsichtlich der äußerst angespannten finanziellen Situation der DB bereits zu Beginn der 50er Jahre stieß diese Bestimmung des BbG auf Kritik. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren große Teile der Eisenbahnen in den Westzonen beschädigt oder zerstört und die Kosten für den Wiederaufbau musste die Bahn selbst tragen224. Diese lagen in den frühen 50er Jahren jährlich bei rund 200 Mio. DM225. Dazu kamen hohe Personalkosten und aufgrund von Abnutzung und Überalterung erforderliche Ersatzinvestitionen. Angesichts dieser hohen Ausgaben blieb der Bahn nichts anderes übrig, als von Anfang an mit Fremdkapital zu arbeiten226, was wiederum wegen der immer weiter ansteigenden Kreditlasten dazu führte, dass sie in der Gewinn- und Verlustrechnung rote Zahlen schrieb227. Außerdem sah sich die DB einer wachsenden Konkurrenz durch den Kraftwagenverkehr ausgesetzt, dem zu begegnen sie angesichts ihrer wirtschaftlichen Situation nicht gewachsen erschien. In Anbetracht dieser verheerenden Bilanz verwundert es nicht, dass – nur wenige Jahre nach seiner Schaffung – bereits über eine Reform des Bundesbahngesetzes nachgedacht wurde228. b) Reformbestrebungen und erfolgte Gesetzesänderungen Drei Jahre nach dem Inkrafttreten des BbG lag im Bundestag der Entwurf eines Gesetzes zur Wiederherstellung der Wirtschaftlichkeit der Deutschen Bundesbahn229 223 Schmidt-Aßmann / Fromm, Aufgaben, S. 22; Fromm / Heinze, Bundesbahn als Unternehmen, S. 9; Wilhelmi, Staatseisenbahn, S. 65; vgl. dazu auch den Vorschlag des BestellerPrinzips von Aberle, Zukunftsperspektiven, S. 70. 224 Zerstört waren u. a. ein Sechstel des Gleiskörpers, ein Viertel der Brücken und über die Hälfte der Hochbauten und Werkstattanlagen, vgl. Wolf, Autowahn, S. 173. 225 Schulz, Bundesbahn, S. 317 (332). 226 Bennemann, Bahnreform, S. 21. 227 Das Wirtschaftsjahr 1953 etwa schloss die DB mit einem Fehlbetrag von 600 Mio. DM ab, vgl. Begründung des Entwurfes eines Gesetzes zur Wiederherstellung der Wirtschaftlichkeit der Deutschen Bundesbahn, BT-Drucks. II/612, S. 2. 228 Siehe dazu beispielsweise G. Fromm, AVW 1954, 487 ff. 229 BT-Drucks. II/612.
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Kap. 2: Geschichte der Eisenbahn
vor. Ziel des Entwurfes war es, die Unabhängigkeit der Bahn zu vergrößern und sie stärker an der Marktwirtschaftlichkeit auszurichten. Um dies zu erreichen, sollten der Verwaltungsrat und der Vorstand mehr Kompetenzen erhalten, außerdem war für Letzteren die Einführung des Präsidialprinzips vorgesehen. Eine echte Neuerung stellte die Idee eines unabhängigen Bahngerichts dar, das für Streitigkeiten zwischen Bund und DB kompetent gewesen wäre. Der Gesetzentwurf konnte sich allerdings nicht durchsetzen. Es fanden dazu zwar Beratungen im Bundestag230 statt, der das Vorhaben an die Ausschüsse verwies. Dort wurde der Entwurf jedoch nicht behandelt.231 Anlass zu erneuten Reform-Diskussionen gab dann schließlich das sog. BrandGutachten. Im Februar 1958 hatte der Bundestag beschlossen, den Bundesverkehrsminister mit der Einsetzung einer Kommission zu beauftragen, die die Betriebsrechnung der DB überprüfen und Vorschläge unterbreiten sollte, wie die Ertragslage zu verbessern sei. Das Gutachten der Kommission232, das einen vollständigen Entwurf einer Neufassung des BbG233 enthielt, wurde im Januar vorgelegt. Im Anschluss daran kam es 1961 im Rahmen der sog. Kleinen Verkehrsreform zu einer Gesetzesänderung234. In der nunmehr geltenden Kodifikation versuchte man den beschriebenen Zielkonflikt zwischen Gemein- und Erwerbswirtschaftlichkeit durch die Streichung der Pflicht zur Wahrung der Interessen der deutschen Volkswirtschaft zu erreichen. Das BbG legte stattdessen fest, dass die Bahn wie ein Wirtschaftsunternehmen nach kaufmännischen Grundsätzen zu führen sei und in diesem Rahmen ihre gemeinwirtschaftliche Aufgabe zu erfüllen habe (§ 28 I BbG). Außerdem wurde der Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Leistungen durch den Bund neu geregelt; es blieb jedoch bei einem Letztentscheidungsrecht der Bundesregierung (vgl. § 28a IV BbG). Die nächste Novelle des Bundesbahngesetzes235 erfolgte im Jahre 1969. Sie schränkte die Aufsichtsrechte des Bundesverkehrsministers ein und erweiterte noch einmal die Ausgleichspflicht des Bundes für die Auferlegung gemeinwirtschaftlicher Aufgaben. Insofern es in Bezug auf die Ausgleichspflicht zu einem Dissens kommen sollte, war nunmehr vorgesehen, dass darüber auf Antrag der Bundesregierung oder der DB eine Einigungsstelle entschied (vgl. § 28a II BbG). Sie bestand aus je einem Vertreter des Verkehrs- und Wirtschaftsministers, zwei Vertretern der Bundesbahn sowie einem unabhängigen Wirtschaftssachverständigen.
230 231 232 233 234 235
BT-Plenarprotokoll II/38, S. 1776 ff. Siehe Schmidt-Aßmann / Fromm, Aufgaben, S. 23 mit Fn. 35. Vgl. BT-Drucks. III/1602. BT-Drucks. III/1602, S. 21 ff. BGBl. 1961 I, S. 1161. BGBl. 1969 I, S. 191.
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Die Bundesbahn selbst untersuchte im Jahre 1979 Möglichkeiten der Trennung von Netz und Betrieb236. Im Ergebnis wurde nur eine reale Trennung der beiden Bereiche als sinnvoll eingestuft, was aber verfassungsrechtlich nicht möglich war237. Zu einer dritten Änderung des BbG238 kam es schließlich im Jahre 1981. In Bezug auf eine Stärkung der Autonomie der Bahn interessiert daraus nur die Umgestaltung der Leitungsebene. Die Vorstandsmitglieder, die bis dahin Beamte auf Zeit gewesen waren, sollten nunmehr in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zum Bund stehen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die zwischen 1949 und 1989 erfolgten Reformen im deutschen Eisenbahnrecht die Eisenbahnverfassung als solche nicht in Frage stellten. Vielmehr blieb es bei marginalen Änderungen im einfachgesetzlichen Bereich. Weitergehende Autonomiebestrebungen hatten sich nicht durchsetzen können239. 5. Tatsächliche Situation der Bundesbahn In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg verlor die Bahn ihr faktisches Verkehrsmonopol aufgrund des erheblichen Anstiegs des Kraftfahrzeugverkehrs. Ebenso kontinuierlich wie sich das Straßennetz durch Ausbaumaßnahmen vergrößerte240, sank die Bedeutung der Bahn für den Personen- und Güterverkehr. Weil der Gütertransport durch LKWauf kurzen Strecken rentabler war als mit der Bahn, hatte man bereits in den 50er Jahren begonnen, Nebenstrecken stillzulegen241, was den Verlust der Bahn an Marktanteilen im Personen- und Güterverkehr noch verstärkte. Dem versuchte die Bahn durch Leistungsverbesserungen wie Netzelektrifizierung, Reisezeitverkürzung und Komforterhöhung entgegenzuwirken242, was aber nur in begrenztem Umfang Erfolg hatte. Angesichts dieser Situation hatten auch alle erfolgten Änderungen des BbG nicht vermocht, die finanzielle Situation der DB zu verbessern. Hatte der Schuldenstand im Jahre 1961 noch bei 8,2 Mrd. DM243 gelegen, so belief er sich 1972 bereits auf 18,0 Mrd. DM244 und 1984 auf 35,8 Mrd. DM245. Die Gewinn- und Verlustrechnung 236 Eine solche Trennung mit dem Ziel einer effizienteren Führung des Verkehrsbereichs als Wirtschaftsunternehmen hatte bereits K. Ottmann, AVW 1960, 89 (90 ff.), gefordert. 237 Siehe BT-Drucks. 8/3049. 238 BGBl. 1981 I, S. 1689. 239 Steiner, Verkehr und Post, § 81, Rn. 5 f.; M. Kilian / U. Hesse, Die Verwaltung 27 (1994), 175 (187 ff.); G. Fromm, DVBl. 1982, 288 (291). Vgl. auch G. Ellwanger, Zeitschrift für Verkehrswissenschaft 1989, 181 (195). 240 Siehe dazu Wolf, Autowahn, Tabelle 11, S. 167. 241 Schulz, Bundesbahn, S. 317 (335). 242 Schulz, Bundesbahn, S. 317 (338). 243 H. Weigelt / U. Langner, 40 Jahre Deutsche Bundesbahn 1949 – 1989, S. 203. 244 Weigelt / Langner, Deutsche Bundesbahn, S. 362. 245 o.V., Bonner Bahn-Pläne: „Alles nur Nebel“, in: Der Spiegel 33/1988, S. 70 (71).
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Kap. 2: Geschichte der Eisenbahn
der Bahn hatte nach dem Krieg nur in einigen wenigen Jahren einen Überschuss ausgewiesen246; später vergrößerte sich der jährliche Fehlbetrag fast permanent – trotz gleichzeitig wachsender Bundeszuschüsse247.
D. Die Vereinigung von Bundesbahn und Reichsbahn Eine völlig neue Entwicklung im Bereich der Eisenbahnen ergab sich schließlich durch die Deutsche Wiedervereinigung im Oktober 1990. Der Bund stand nun vor der Aufgabe, die beiden Staatsbahnen Bundesbahn und Reichsbahn in geeigneter Weise zusammenzuführen. I. Rechtliche Regelungen Die wesentlichen Bestimmungen über diese „Fusion“ finden sich im Einigungsvertrag248. Darin war geregelt, dass sämtliche Vermögenswerte der Reichsbahn in das Eigentum des neu geschaffenen Sondervermögens Deutsche Reichsbahn übergehen und die DR künftig dem bundesrepublikanischen Eisenbahnrecht unterliegen sollte. Seit September 1991 war der Vorstandsvorsitz von DB und DR vereinigt und in der Folge die Strukturen der Reichsbahn an die der Bundesbahn angepasst worden; bereits im Juni 1992 konnte ein gemeinsamer Vorstand gebildet werden. Die endgültige Verschmelzung der beiden bis dahin formal selbständigen Unternehmen erfolgte jedoch erst im Januar 1994 im Zuge der formellen Privatisierung der deutschen Eisenbahnen.249 II. Tatsächliche Situation Aufgrund des schlechten technischen Zustandes der Reichsbahn im Gebiet der neuen Bundesländer250 und der über Jahrzehnte voneinander getrennten Eisenbahnnetze bestand nach der Deutschen Wiedervereinigung ein sehr hoher Investitionsbedarf im Bereich der deutschen Bahnen. Das „Verkehrsprojekt Deutsche Einheit“ trug diesem Umstand Rechnung, indem es dem Bahnsektor 29 Mrd. DM bereitstellte, von denen allein 23 Mrd. auf die Deutsche Reichsbahn entfielen251. Diese Mittel waren zum Beispiel nötig, um die Netzstrukturen der Bahnen, die beide jeweils von Nord 246 So z. B. in den Jahren 1946 – 1948 und 1951, vgl. zum Ganzen P.A. Schymanietz, Die Organisation der deutschen Eisenbahnen 1835 – 1975, S. 100 ff. 247 Vgl. dazu die Tabelle bei Wolf, Autowahn, S. 181. 248 Siehe insbesondere Art. 26 EV und Anlage I, Kapitel XI, Sachgebiet A, Abschnitt III. 249 Vgl. zum Ganzen M. Kilian / U. Hesse, Die Verwaltung 27 (1994), 175 (187). Siehe auch M. Möstl, in: T. Maunz / G. Dürig, GG Kommentar, Band V, Art. 87e (2006), Rn. 37. 250 Siehe § 3 B. 251 H.-P. Schwarz, Wiedervereinigung und Bahnreform 1989 – 1994, in: Gall / Pohl, Eisenbahn in Deutschland, S. 377 (384) m.w.N.
§ 3 Die Geschichte der deutschen Bahnen seit 1945
65
nach Süd ausgerichtet waren, zusammenzuführen und die jeweiligen Ballungszentren in West-Ost-Richtung zu verbinden.252 Des Weiteren erwies sich die DR als personell stark überbesetzt – allein zwischen 1990 und 1993 wurde deshalb der Personalbestand von ca. 253.000 auf ca. 137.000 Mitarbeiter verkleinert.253 Der Bund hatte damit nun das Problem, neben der stark subventionierungsbedürftigen DB auch noch die Verantwortung für die marode DR übernehmen zu müssen. Bereits im Jahre 1991 prognostizierte man – bei Fortbestand der damaligen Rechtslage – Verluste der deutschen Bahnen in den nächsten zehn Jahren von rund 266 Mrd. DM und einen damit einhergehenden Finanzbedarf vom Staat von etwa 417 Mrd. DM254. Grund genug für eine grundlegende rechtliche Umgestaltung der Eisenbahnverfassung, die schließlich 1994 vorgenommen wurde.
252 253 254
Schwarz, Wiedervereinigung, S. 377 (383 f.). Schwarz, Wiedervereinigung, S. 377 (384 f.). Regierungskommission Bundesbahn, Bericht vom Dezember 1991, S. 58.
Kapitel 3
Die erste und zweite Stufe der Bahnreform – Formelle Privatisierung § 4 Motive der Bahnstrukturreform A. Unwirtschaftlichkeit und mangelnde Konkurrenzfähigkeit I. Die wirtschaftliche Ausgangslage Obwohl der Verkehrsmarkt nach dem Zweiten Weltkrieg in geradezu drastischer Weise wuchs, konnte die Eisenbahn an dieser positiven Entwicklung nicht partizipieren. So stiegen die Verkehrsleistungen im Güterverkehrsbereich beispielsweise von 70,4 Mrd. Tonnenkilometer (Tkm) im Jahr 1950 auf 307,1 Mrd. Tkm im Jahr 1993; im gleichen Zeitraum vervielfachten sich die Verkehrsleistungen im Personenverkehr von 84,8 Mrd. Personenkilometer (Pkm) auf 760,1 Mrd. Pkm. Vergleichsweise bescheiden nahmen sich dagegen die Zuwachsraten der Deutschen Bundesbahn aus: Im Güterverkehr war ein Anstieg von 39,3 Mrd. Tkm auf 54,3 Mrd. Tkm zu verzeichnen, im Personenverkehr wuchsen die Verkehrsleistungen von 30,8 Mrd. Pkm auf 47,7 Mrd. Pkm. Dem entsprach ein Rückgang der Marktanteile der Bahn von 55,8 % auf 17,7 % im Güterverkehr bzw. von 36,3 % auf 6,3 % im Personenverkehr. „Gewinner“ des Wettbewerbs unter den Verkehrsträgern war hingegen der Straßenverkehr, der seinen Marktanteil im Bereich des Gütertransports von 19,7 % auf 59,3 % steigern konnte. Der Anteil des motorisierten Individualverkehrs am Personenverkehr wuchs sogar von 32,8 % auf 81,5 %.1 Diese für die Bahn desaströse Entwicklung der Marktlage blieb nicht ohne negative Folgen für die finanzielle Situation der DB; bereits im Jahre 1989 hatte sie Kreditverbindlichkeiten in Höhe von 42 Mrd. DM angehäuft2 – trotz jährlich ansteigender Ausgleichszahlungen des Bun1 Alle statistischen Angaben sind entnommen bei N. Reinke, Bahnstrukturreform, S. 133, Tabelle I und S. 134, Tabelle II. Weiteres statistisches Material findet sich auch in Regierungskommission Bundesbahn, Bericht vom Dezember 1991, S. 8 ff.; bei J. Schneider, Privatisierung der Deutschen Bundes- und Reichsbahn, S. 36 ff. und G. Ellwanger, Zeitschrift für Verkehrswissenschaft 1989, 181 (186). 2 P. Reinhardt, Welche Bahn will die Bundesregierung?, in: Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft (Hrsg.), Konsolidierung der Eisenbahnen, S. 22. Die genauen Angaben über die Höhe der Verbindlichkeiten schwanken geringfügig, so nennt Reinhardt selbst bspw. in einer späteren Publikation für das Jahr 1988 bereits die Zahl von 43 Mrd. DM, vgl. P. Reinhardt,
§ 4 Motive der Bahnstrukturreform
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des in Milliardenhöhe3. Angesichts dieser Situation verwundert es nicht, dass die DB – nach üblichen kaufmännischen Usancen bewertet – schon vor 1991 hätte Konkurs anmelden müssen4 und von Helmut Schmidt die Aussage bekannt ist, dass die Deutsche Bahn zum Haushaltsrisiko Nummer eins für den Bund geworden sei5.
II. Ursachen Doch worin lagen die Ursachen für diesen Abwärtstrend nach dem Zweiten Weltkrieg? Waren die Eisenbahnen nicht bis zum ersten Drittel des 20. Jahrhunderts noch florierende Unternehmen gewesen, die ihren Eigentümern beträchtliche Gewinne verschafften?6 1. Behörde und Wirtschaftsunternehmen – die Janusköpfigkeit der Bundesbahn Einen der Hauptfaktoren stellte die in sich widersprüchliche Unternehmensverfassung der Bundesbahn dar7. In der Begründung des Gesetzentwurfs für ein Eisenbahnneuordnungsgesetz heißt es dazu: „Beachtliche Anstrengungen, die widersprüchlichen Aufgabenstellungen einer Verwaltungsbehörde (Artikel 87 GG) einerseits und eines Wirtschaftsunternehmens (§ 28 BbG) andererseits miteinander in Einklang zu bringen, hat es bei der DB über lange Jahre zwar auf allen Ebenen gegeben. Da die DB allein letztlich diesen vom Gesetzgeber und Eigentümer verordneten Widerspruch jedoch nicht auflösen konnte, mußten alle Bemühungen der DB in ihrer erhofften Wirkung hinter den Erwartungen zurückbleiben.“8 ZGR 1996, 374 (375). M. Suckale, in: G. Hermes / D. Sellner (Hrsg.), Beckscher AEG Kommentar, Einf C, S. 71 nennt für 1990 die Zahl von 47 Mrd. DM. 3 Vgl. § 28a BbG, der für bestimmte – gemeinwohlorientierte – Aufgaben der DB eine Ausgleichspflicht des Bundes statuierte. Eine Übersicht über die Höhe der jährlichen Ausgleichszahlungen von 1960 bis 1993 findet sich bei Reinke, Bahnstrukturreform, S. 136, Tabelle IV. 4 Regierungskommission Bundesbahn, Bericht, S. 11. 5 Vgl. S. Bennemann, Die Bahnreform – Anspruch und Wirklichkeit, S. 35. 6 Vgl. dazu § 1 B. II. und § 2 B. II. 3. Zu den Ursachen der wirtschaftlich desaströsen Lage siehe auch I. Kordts, NordÖR 2006, 429 (430 f.). 7 Im Ergebnis so auch Regierungskommission Bundesbahn, Bericht, S. 16; H. Dürr, Bahnreform, S. 3 ff.; H. Delbanco, Die Bahnstrukturreform – Europäische Vorgaben und deren Umsetzung in nationales Recht, in: C.R. Foos (Hrsg.), Eisenbahnrecht und Bahnreform, S. 19 (23, 32); P. Reinhardt, ZGR 1996, 374 (377 f.); A. Holst, Der Prozeß der Privatisierung und Probleme der Regulierung aus der Sicht des Bundesministeriums des Verkehrs als oberster Regulierungsbehörde, in: K. König / A. Benz (Hrsg.), Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 83 (84); L. Jülitz, Bestandsaufnahme Deutsche Bahn, S. 33 f.; Bennemann, Bahnreform, S. 34; W. Wolf, Eisenbahn und Autowahn, S. 294 ff.; C.-F. Laaser, Die Bahnstrukturreform, S. 12; G. Fromm / C. Heinze, Deutsche Bundesbahn als Unternehmen, z. B. S. 22 f.; R. Freise / K.-D. Wittenberg, GewArch 1996, 353 (353). 8 Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens, BT-Drucks. 12/4609, S. 55 f.
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Kap. 3: Die erste und die zweite Stufe der Bahnreform
Der Wunsch, gemeinwirtschaftliche Aufgabenerfüllung und erwerbswirtschaftliches Handeln miteinander zu kombinieren, wie es das BbG tat, hatte sich in der Praxis als nahezu unmöglich dargestellt; die gesetzlichen Vorgaben standen einer klaren Unternehmensstrategie im Wege. Die drei klassischen Pflichten der Bahn (Betriebspflicht, Beförderungspflicht, Tarifpflicht)9 widersprachen ihrer Stellung als marktwirtschaftliches Unternehmen, kennzeichnet sich ein solches ja gerade dadurch, dass es frei agieren und sich ohne Rücksichtnahme auf gemeinwirtschaftliche Belange am zu erwartenden Gewinn orientieren kann10. 2. Starre der Behördenstruktur Auch das System der Abstufung von Entscheidungsbefugnissen mit seinen langwierigen Aufsichts-, Genehmigungs- und Einspruchsrechten11 behinderte den Vorstand dabei, eigenverantwortlich und flexibel agieren zu können. Eine unbürokratische und rasche Entscheidungsfindung konnte faktisch nicht stattfinden12. So musste beispielsweise jede Investition über fünf Mio. DM vom Bundesministerium für Verkehr (BMV) in Abstimmung mit dem Bundesfinanzministerium genehmigt werden; genauso bedurften die Tarife der DB der Genehmigung des BMV13. Zudem erfolgte keine klare Abgrenzung der Verantwortlichkeiten zwischen Vorstand, Verwaltungsrat und Bundesverkehrsministerium14. Kurzum: Die DB litt an der Starre des Korsetts einer Behördenbahn. Dies äußerte sich auch darin, dass für ihre Mitarbeiter das öffentliche Dienstrecht galt15. Das bedeutete vor allem starre Besoldungs- und Laufbahnordnungen, stark begrenzte Möglichkeiten zum Um- oder Freisetzen von Arbeitskräften und erhebliche Beschränkungen hinsichtlich einer motivationsfördernden Gehaltspolitik. Die Mitarbeiter der Bundesbahn besaßen zu einem großen Teil Beamtenstatus und waren daher faktisch unkündbar.16 In der Praxis äußerte sich dies beispielsweise darin, dass Bereichsleiter in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis bestellt, ihre Ernennung vom Bundeskabinett beschlossen
9 Zu diesen Begriffen ausführlich E. Kruchen, Zu den Rechtsordnungen des Betriebs und Verkehrs der Eisenbahnen, in: W. Haustein (Hrsg.), Die Eisenbahnen im deutschen öffentlichen Recht, S. 183 (189 ff., 220 ff.). 10 Vgl. Wolf, Autowahn, S. 294. Siehe dazu auch E. Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 83 ff.; G. Ellwanger, Zeitschrift für Verkehrswissenschaft 1989, 181 (184 f.). 11 Siehe dazu z. B. §§ 14 – 17, 31 BbG; vgl. auch § 3 C. II. 1. c). 12 Vgl. P. Reinhardt, ZGR 1996, 374 (376); Jülitz, Bestandsaufnahme, S. 34; Dürr, Bahnreform, S. 5 ff. 13 §§ 14 bzw. 16 BbG, vgl. dazu Dürr, Bahnreform, S. 5 f. 14 Vgl. dazu bereits § 3 C. II. 4. 15 Vgl. § 6 III BbG. 16 Vgl. zum Ganzen z. B. Schneider, Privatisierung, S. 44 ff.; P. Reinhardt, ZGR 1996, 374 (377); Dürr, Bahnreform, S. 6; Laaser, Bahnstrukturreform, S. 18 ff.
§ 4 Motive der Bahnstrukturreform
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und die Ernennungsurkunden vom Bundespräsidenten ausgefertigt werden mussten17. 3. Motorisierung und Wettbewerbsverzerrung durch den Staat Seit der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts litt die Bahn stark unter der anhaltenden Motorisierungswelle. Hinzu kam eine Verkehrspolitik, die die strukturellen Vorteile des flexibleren Straßenverkehrs gegenüber der Bahn nicht zu nivellieren versuchte, sondern sie im Gegenteil noch verschärfte. So wurden in der Bundesrepublik zwischen 1960 und 1994 rund 450 Mrd. DM in den Fernstraßenausbau investiert und auf diese Weise 150.000 km neue Straßen gebaut, während die Bundesbahn im Vergleichszeitraum gerade einmal 56 Mrd. DM für den Schienenausbau zur Verfügung gestellt bekam. Dementsprechend konnten auch nur 700 km neue Bahnstrecken18 gebaut werden.19 Dieses unterschiedliche Investitionsverhalten des Bundes führte dazu, dass sich das Nettoanlagevermögen20 der Verkehrsträger stark auseinander entwickelte – bei der Bundesbahn war zwischen 1960 und 1984 nur ein Anstieg i.H.v. 69 % zu verzeichnen, bei Straßen und Brücken hingegen wuchs der Wert des Nettoanlagevermögens um 284 %21. Ein weiterer Nachteil der Eisenbahn im Wettbewerb mit dem Straßenverkehr war darin begründet, dass die Bundesbahn einen erheblichen Teil ihrer Investitionen durch Kreditaufnahmen finanzieren musste, weil der Staat nicht bereit war, diese – wie beim Straßenbau – aus Steuermitteln zu begleichen. Unter anderem daraus resultierten die hohen Verbindlichkeiten der DB und die immense durch sie zu tragende Zinslast.22 All diese Faktoren führten zu einer erheblichen Wettbewerbsverzerrung zu Ungunsten der Eisenbahn, sodass diese nicht in der Lage war, mit den anderen Verkehrsträgern, namentlich Personen- und Lastkraftwagen, zu konkurrieren. 4. Zusammenfassung Die schlechte wirtschaftliche Ausgangslage der Bundesbahn hatte ihren Grund weder ausschließlich in einer falschen Verkehrspolitik noch lediglich in der Motorisierung und der damit verbundenen Umstrukturierung des Verkehrsmarktes. Nur das Zusammenwirken dieser Gründe über Jahrzehnte konnte zur beschriebenen Situation
17
Dürr, Bahnreform, S. 5. Die Zahl bezieht sich auf sämtliche Bahnstrecken, einschließlich S-Bahn. 19 Siehe Jülitz, Bestandsaufnahme, S. 31 f.; Dürr, Bahnreform, S. 3 f.; vgl. auch Suckale, in: Hermes / Sellner, AEG, Einf C, S. 71; Laaser, Bahnstrukturreform, S. 3 bzw. S. 30, Tabelle A2, der sogar von einer Schrumpfung des Eisenbahnnetzes ausgeht. 20 Das Nettoanlagevermögen stellt das um die Abschreibungen, also den wertmäßigen Verschleiß, bereinigte gesamte Anlagevermögen dar. 21 Siehe Wolf, Autowahn, S. 289, Tabelle 25. 22 Wolf, Autowahn, S. 290 ff. 18
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Kap. 3: Die erste und die zweite Stufe der Bahnreform
führen23. Die Zukunftsprognosen für die Schuldenentwicklung und den Finanzbedarf der DB waren durchweg negativ und sagten eine stetig wachsende Belastung des Bundeshaushalts voraus24, sodass eine grundlegende Reform des Eisenbahnwesens schon aus wirtschaftlichen Motiven unumgänglich war25.
B. Problemfall Deutsche Reichsbahn Verschärft wurde die Situation der Staatseisenbahn in Deutschland durch die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten. In deren Folge gingen sämtliche Vermögenswerte der damaligen Deutschen Reichsbahn auf das neu geschaffene gleichnamige Sondervermögen über (Art. 26 Einigungsvertrag). Der Bund trug nunmehr auch für die Eisenbahnen im Beitrittsgebiet sowie für deren Verschmelzung mit der DB die Verantwortung.26 Die wirtschaftliche Lage der DR stellte sich keineswegs hoffnungsvoller als die der DB dar, eher das Gegenteil war der Fall. Nach dem Zusammenbruch der Planwirtschaft büßte die Reichsbahn ihre Position als wichtigster Verkehrsträger ein. In der DDR hatte sie noch über zwei Drittel aller Verkehrsleistungen im Güterverkehr und immerhin ca. 17 % der Verkehrsleistungen im Personenverkehr erbracht27. Nach dem Ende der mit der Planwirtschaft verbundenen Transportlenkung sanken die Verkehrsleistungen bis 1991 im Personenbereich um etwa 58 %, im Güterbereich sogar fast um 70 %28 – entsprechend sanken die Marktanteile von 17 % auf 7 % bzw. von 72 % auf 32 %29. Zudem befand sich die Infrastruktur der DR größtenteils in einem maroden Zustand, weniger als 30 % des Netzes waren elektrifiziert, nicht einmal ein Drittel war mehrgleisig – der Investitionsbedarf war folglich enorm. Wie bereits erwähnt musste die Reichsbahn aufgrund ihres großen Mitarbeiterüberhangs auch personell umstrukturiert werden – im Jahre 1990 hatte sie mehr Personal als die DB, wobei sie aber nur ein etwa halb so großes Netz mit halb so vielen Zügen betrieb.30 War eine Reform der Bundesbahn vor der Deutschen Wiederverei23 C. Burmeister, Der Wettbewerb der Eisenbahnen im europäischen Binnenmarkt, S. 25 f., nennt zudem als Grund einen Strukturwandel in der Verkehrswirtschaft (sog. Logistikeffekt). 24 Siehe S. Wilkens, Wettbewerbsprinzip und Gemeinwohlorientierung bei der Erbringung von Eisenbahndienstleistungen, S. 17 f. mit Fn. 5 m.w.N.; BT-Drucks. 12/4609, S. 54. 25 BT-Drucks. 12/4609, S. 54 f. 26 Vgl. dazu § 3 D. 27 H. Link, Möglichkeiten und Grenzen der Privatisierung von Eisenbahnen – Ein Vergleich der Bahnreformen in Deutschland, Japan und Großbritannien, in: König / Benz, Privatisierung, S. 139 (144). 28 BT-Drucks. 12/4609, S. 54. 29 Link, Möglichkeiten und Grenzen, S. 144, vgl. auch Tabelle 1, S. 145. 30 Ausführlich zur Situation der Deutschen Reichsbahn nach dem Zusammenbruch der DDR H.-P. Schwarz, Wiedervereinigung und Bahnreform 1989 – 1994, in: L. Gall / M. Pohl (Hrsg.), Die Eisenbahn in Deutschland – Von den Anfängen bis zur Gegenwart, S. 377 (383 ff.).
§ 4 Motive der Bahnstrukturreform
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nigung schon erforderlich gewesen, so wurde die Problematik durch die Wiedervereinigung und die Situation der Reichsbahn dringender denn je.
C. Fehlende Regionalisierung im Bereich des Schienenpersonennahverkehrs Vor der Bahnstrukturreform von 1994 bestanden erhebliche Unklarheiten, wer für die Organisation des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) und dessen Finanzierung verantwortlich war. Zum SPNV zählt man Züge, die der Verkehrsbedienung innerhalb von Nahverkehrsräumen dienen sowie überwiegend Fahrgäste mit einem Fahrtziel von weniger als 50 km Entfernung und einer Reisezeit von weniger als einer Stunde befördern31. Gegen eine Verpflichtung des Bundes in diesem Bereich wurde argumentiert, dass allein aus der Pflicht, die Bundeseisenbahnen mit eigenem Verwaltungsunterbau zu führen (Art. 87 I 1 GG), keine Verpflichtung zu einer flächendeckenden Eisenbahnbedienung abgeleitet werden könne32. Allerdings hieß das nicht, dass der Bund keine Nahverkehrsleistungen erbringen durfte. In der Praxis erbrachte er auch 90 % der Nahverkehrsleistungen, was vor allem seiner Stellung als Eigentümer der überwiegenden Zahl der Bahnstrecken geschuldet war33. Obwohl Länder und Gemeinden aus diesem Grund einen verschwindend geringen Einfluss auf die Gestaltung des in der Regel stark defizitären SPNV hatten und ihnen eigentlich finanziell die Ausstattung für dessen Betrieb fehlte, wuchs ihr Anteil an dessen Finanzierung immer weiter34. Zwar verstieß diese Mischfinanzierung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegen den verfassungsrechtlich festgeschriebenen Grundsatz der Konnexität zwischen Aufgabenverantwortung und Ausgabentragung (Art. 104a GG), sofern eine Zuständigkeit der entsprechenden Gebietskörperschaft im konkreten Fall bestand35 (zum Beispiel aus Art. 28 II GG). Allerdings konnte vor der Bahnstruktur31
Vgl. R. Eckert, Die Stellung der Länder zu den Regionalisierungsbestrebungen und zur Trennung von Fahrweg und Transport bei den Bahnen des Bundes, in: Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft (Hrsg.), Teilung der Verantwortlichkeiten für Infrastruktur und Transport bei den Eisenbahnen, S. 3 (9). Zu den Begriffen ÖPNV und SPNV ausführlich S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 29 ff. Siehe jetzt auch § 2 Satz 2 RegG. Zu den Eisenbahnen i.S.d. Art. 87 I 1 GG zählten aber von vornherein nur dem überörtlichen Personen- und Güterverkehr dienende Schienenbahnen, sodass Straßen- und U-Bahnen unstreitig nicht in den Zuständigkeits- oder Aufgabenbereich des Bundes fielen, siehe T. Maunz, in: T. Maunz / G. Dürig, GG Kommentar, Band III (1991), Art. 87, Rn. 44. 32 E. Schmidt-Aßmann / G. Fromm, Aufgaben und Organisation der Bundeseisenbahnen in verfassungsrechtlicher Sicht, S. 73 ff. 33 Bennemann, Bahnreform, S. 36. 34 Vgl. dazu Wilkens, Wettbewerbsprinzip, S. 19 f.; Barth, Nahverkehr, S. 56 f. 35 BVerwGE 81, 312 (313 ff.).
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reform von einer klaren Abgrenzung der Aufgaben- und Ausgabenverantwortung im Bereich des SPNV keine Rede sein; dazu kam das Nebeneinander verschiedener Träger. Auch widersprach die Erbringung von Nahverkehrsleistungen durch den Bund dem Subsidiaritätsprinzip, wonach immer die unterste Ebene, die zur Problemlösung in der Lage ist, dafür auch zuständig sein soll, weil diese in der Regel die größte Sachnähe aufweist. Der Bund hat nun aber naturgemäß aufgrund der Mannigfaltigkeit seiner Aufgaben in der Regel weniger Kenntnis von der Nahverkehrssituation der verschiedenen Landkreise als beispielsweise das betroffene Bundesland, das eine größere Nähe zu diesem Problemkreis vorweisen kann. Fehlende Kenntnisse führen aber häufig zu falschen Entscheidungen und damit zu einem Nahverkehrsangebot, das an den tatsächlichen Bedürfnissen vorbei geht. Dies führte insgesamt zu einer Situation, in der die staatliche Eisenbahn auf lokaler Ebene häufig als Fremdkörper betrachtet und nicht in Infrastrukturplanungen einbezogen wurde36. Der SPNV konnte auf diese Weise seiner wachsenden Bedeutung im Rahmen der Daseinsvorsorge nicht mehr gerecht werden und bedurfte dringend einer grundlegenden rechtlichen Umgestaltung37. Dies sollte in Form der Regionalisierung38 erfolgen, d. h. der Aufgabenübertragung auf eine kleinere staatliche Ebene – in diesem Fall die Länder.
D. Europäische Handlungszwänge In den Primärrechtsquellen der Europäischen Gemeinschaft finden sich nur spärliche explizite Regelungen zum Bereich der Eisenbahnen39 (Art. 74 – 84 EGV), allerdings sprach sich der Rat schon in den 1960er Jahren für eine finanzielle Eigenständigkeit der Eisenbahnunternehmen aus40. In den darauf folgenden Jahren erließ man dann zwar auch eine Reihe von Verordnungen41 und Entscheidungen42 – eine grund36
Bennemann, Bahnreform, S. 37. Eckert, Regionalisierungsbestrebungen, S. 3 (4 f.); vgl. auch Wilkens, Wettbewerbsprinzip, S. 20; Laaser, Bahnstrukturreform, S. 8. 38 Zum Begriff der Regionalisierung F. Engbarth, Eisenbahn-Kurier Special 81, S. 8 (9). 39 Zum europäischen Primärrecht in Bezug auf den Verkehr siehe R. Wolf, KJ 2003, 192 (194 ff.); G. Hermes, in: Hermes / Sellner, AEG Kommentar, Einf B, S. 36 ff. Zu den Hintergründen der nur lückenhaften Regelung siehe T.J. Grohn, Die Leistungsfähigkeit des deutschen Eisenbahnsystems nach der Bahnreform, S. 88 ff. 40 Entscheidung des Rates vom 13. Mai 1965 über die Harmonisierung bestimmter Vorschriften, die den Wettbewerb im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr beeinflussen (65/271/EWG, ABl. 1500/65). Siehe dazu Menges, Rechtsgrundlagen, S. 4 f. 41 So z. B. die Verordnungen EG-VO 1191/69, ABl. Nr. L 156/1; 1192/69, ABl. Nr. L 156/8; 1107/70, ABl. Nr. L 130/1; 1108/70, ABl. Nr. L 130/4; 2598/70, ABl. Nr. L 278/1. 42 So z. B. die Entscheidung des Rates zur Sanierung der Eisenbahnunternehmen und zur Harmonisierung der Vorschriften über die finanziellen Beziehungen zwischen diesen Unternehmen und den Staaten (ABl. Nr. L 152/3); Entscheidung des Rates vom 19. Juli 1982 über die Preisbildung im grenzüberschreitenden Eisenbahngüterverkehr (82/529/EWG, ABl. Nr. L 234/ 37
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legende Umgestaltung des Eisenbahnwesens ging damit jedoch nicht einher43. Dies hatte eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Jahre 1985 zur Folge, der feststellte, der Rat habe es unterlassen, die Dienstleistungsfreiheit im Bereich des grenzüberschreitenden Verkehrs sicherzustellen und habe dadurch den Vertrag verletzt44. In einem angemessenen Zeitraum sollte diesbezüglich Abhilfe geschaffen werden, was – im Zusammenwirken mit den sog. Mailänder Beschlüssen des Europäischen Rates über die Schaffung eines EG-Binnenmarktes als Raum ohne Binnengrenzen – die Entwicklung der europäischen Eisenbahnpolitik in der Folge erheblich beschleunigte45. Im Jahre 1990 legte die Kommission dem Rat schließlich eine Mitteilung über eine Eisenbahnpolitik der Gemeinschaft vor46, auf deren Grundlage der Ministerrat die Richtlinie 91/440/EWG47 vom 29. Juli 1991 und die Verordnung 1893/9148 (Änderung der Verordnung 1191/69) vom 29. Juni 1991 erließ49. Bedeutung für die Deutsche Bundesbahn und ihre zukünftige Entwicklung entfaltete dabei insbesondere die Richtlinie 91/440/EWG. Sie setzte es sich zum Ziel, die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Eisenbahnen zu erhöhen50. Es wurden folgende Grundsätze aufgestellt: - Die Geschäftsführung der Eisenbahnunternehmen sollte unabhängig von staatlichen Stellen erfolgen können. Dies erforderte vom Staat getrennte Haushaltspläne, Vermögen und Rechnungsführungen (Art. 4). Des Weiteren sollten die Eisenbahnunternehmen nach den Grundsätzen geführt werden, die für Wirtschaftsunternehmen gelten (Art. 5 I). - Der Betrieb der Eisenbahninfrastruktur (Netz, Bahnhöfe etc.) und die Erbringung von Transportleistungen durch Eisenbahnunternehmen mussten getrennt werden – wobei die Trennung der Rechnungsführung zwingend vorgeschrieben (Art. 6 I 1), 5); Entscheidung des Rates vom 25. Juli 1983 über die kommerzielle Selbständigkeit der Eisenbahnunternehmen bei der Verwaltung ihres grenzüberschreitenden Personen- und Gepäckverkehrs (83/418/EWG, ABl. Nr. L 237/32). 43 Vgl. dazu und zum Folgenden ausführlich A. Holst, in: A. Frohnmeyer / P. Mückenhausen (Hrsg.), EG-Verkehrsrecht Kommentar, 21, Rn. 1 ff.; Burmeister, Wettbewerb, S. 58 ff.; außerdem H. Schmuck, TransportR 1992, 41 (41 f.); Reinke, Bahnstrukturreform, S. 44 ff. und M. Kilian / U. Hesse, Die Verwaltung 27 (1994), 175 (193 f.). 44 Rechtssache 13/83, EUGHE 1985, 1513 ff. Siehe dazu Grohn, Leistungsfähigkeit, S. 97 ff.; Hermes, in: Hermes / Sellner, AEG, Einf B, S. 38. 45 Vgl. G. Aberle, Transportwirtschaft. Einzelwirtschaftliche und gesamtwirtschaftliche Grundlagen, S. 173. 46 EG-Kommission 564/89 endg. vom 25. Januar 1990. 47 ABl. Nr. L 237/25. 48 ABl. Nr. L 169/1. 49 Sehr ausführlich zu Einzelaspekten der Richtlinie und auch der Verordnung H. Schmuck, Zeitschrift für den internationalen Eisenbahnverkehr 1992, 4 ff.; H. Schmuck, TransportR 1992, 41 ff. Siehe auch Menges, Rechtsgrundlagen, S. 9 ff. 50 Siehe Erwägungsgründe 2 und 3 zur RL 91/440/EWG, ABl. Nr. L 237/25 und Art. 1 der Richtlinie. Siehe dazu auch H. Schmuck, Zeitschrift für den internationalen Eisenbahnverkehr 1992, 4 (4 f.).
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eine weitergehende organische oder institutionelle Trennung hingegen freigestellt wurde (Art. 6 II). Quersubventionen zwischen den beiden Bereichen wurden untersagt (Art. 6 I 2). - Die existierenden öffentlichen Eisenbahnunternehmen sollten finanziell saniert werden (Art. 9), weil ohne eine Entschuldung ein marktwirtschaftliches Agieren der Eisenbahnen in den meisten Mitgliedstaaten erheblich erschwert worden wäre51. - Internationalen Gruppierungen von Eisenbahnunternehmen und Eisenbahnunternehmen, die Verkehrsleistungen im grenzüberschreitenden kombinierten Güterverkehr erbringen, mussten diskriminierungsfreie Zugangsrechte zu den Eisenbahnnetzen der Mitgliedstaaten garantiert werden (Art. 10). Auch wenn die Richtlinie eine Privatisierung der staatlichen nationalen Eisenbahnen nicht vorschrieb52 – dem hätte schon Art. 295 EGVentgegengestanden, nach dem das EG-Recht die Eigentumsordnung in den Mitgliedstaaten unberührt lässt – erfüllte im Jahre 1991 kein Mitgliedstaat die Anforderungen der Richtlinie53. Deutschland konnte nach der Rechtslage vor der Bahnreform sogar gar keinem der oben angeführten Grundsätze gerecht werden. Wie bereits dargestellt54 genoss vor allem das Bundesverkehrsministerium vielfältige Eingriffsmöglichkeiten in die Geschäftsführung des Vorstandes, sodass von dessen Unabhängigkeit keine Rede sein konnte. Der Betrieb der Infrastruktur und die Erbringung der Verkehrsleistungen lagen – ohne getrennte Rechnungsführung – beide in den Händen der Bundesbahn bzw. der Reichsbahn, die hoch verschuldet waren. Bezüglich des diskriminierungsfreien Zugangs fremder Eisenbahnunternehmen existierten jedenfalls keine gesetzlichen Regelungen, der Zugang konnte in der Praxis nur auf der Grundlage der Gestattung des Netzbetreibers erreicht werden55. Eine Aufrechterhaltung des status quo im Bereich des Eisenbahnrechts wäre also auch aus europarechtlicher Sicht nicht möglich gewesen56. Der sehr ehrgeizige Zeit51
Reinke, Bahnstrukturreform, S. 45. Wilkens, Wettbewerbsprinzip, S. 28 f.; vgl. auch G. Schulz, Das Eisenbahnwesen des Bundes und die Stellung der deutschen Bahnen auf dem Europäischen Binnenmarkt, S. 323 ff.; Holst, in: Frohnmeyer / Mückenhausen, Verkehrsrecht, 21, Rn. 12; B. Burger, Zuständigkeit und Aufgaben des Bundes für den öffentlichen Personenverkehr nach Art. 87e GG, S. 65. 53 Bennemann, Bahnreform, S. 38. 54 Vgl. dazu auch die Ausführungen zur bundesdeutschen Eisenbahnverfassung bis 1994 in § 3 C. 55 Holst, in: Frohnmeyer / Mückenhausen, Verkehrsrecht, 21, Rn. 23. 56 Siehe R. Wolf, KJ 2003, 192 (201), der ebenfalls davon spricht, dass die Privatisierung der DB im Kontext gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben zu sehen sei, dabei allerdings die sekundärrechtliche Deregulierung mit einem bereits vorhandenen Reformwillen in Deutschland parallel lief. C. Seitz, EuZW 1994, 33 (33), geht sogar davon aus, dass es ohne das Streben um eine EG-weite Eisenbahnstrukturreform wohl kaum zur Bahnstrukturreform in ihrer schließlich verwirklichten Form gekommen wäre. Siehe dazu auch Suckale, in: Hermes / Sellner, AEG, Einf C, S. 70. Die Unvereinbarkeit des deutschen Eisenbahnverfassungsrechts vor der Bahn52
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plan der Richtlinie – es war eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zum Erlass der notwendigen nationalen Rechtsakte bis spätestens zum 1. Januar 1993 vorgesehen (Art. 15) – erhöhte sogar noch den Druck für eine schnelle und umfassende Bahnreform.
E. Zusammenfassende Bemerkungen zu den Motiven der Bahnstrukturreform Zu Beginn der 1990er Jahre verdichteten sich die Impulse für eine grundlegende Umgestaltung der Eisenbahnverfassung in Deutschland. Während einige der Motive systemimmanent und langfristig absehbar gewesen waren57, wirkten andere, wie die Deutsche Wiedervereinigung und die gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zur Umsetzung der Richtlinie 91/440/EWG, kurzfristig und von außen auf die deutsche Eisenbahnverfassung ein. Im Zusammenwirken führten diese Faktoren zu einem dringenden Reformbedarf.
§ 5 Der Reformprozess A. Die Einberufung der Regierungskommission Bundesbahn Angesichts der sich zuspitzenden finanziellen Probleme der Bundesbahn hatte der damalige Bundesverkehrsminister Jürgen Warnke im Rahmen seines Berichts zur Lage der DB dem Kabinett im Januar 1989 die Einberufung einer Expertenkommission vorgeschlagen, die die Zukunftsaussichten der Bahn kritisch beleuchten und Lösungsvorschläge ausarbeiten sollte58. Nach einem entsprechenden Auftrag des Kabinetts oblag dem Minister in der Folge die Ausarbeitung des genauen Kommissionsauftrags und die Auswahl der Kommissionsmitglieder. Diese Arbeit verantwortete bereits der seit April 1989 amtierende neue Bundesverkehrsminister Friedrich Zim-
strukturreform mit Gemeinschaftsrecht weist Schulz, Eisenbahnwesen, passim, nach. Menges, Rechtsgrundlagen, S. 55, geht dagegen davon aus, dass es aus europarechtlicher Sicht jedenfalls keiner Verfassungsänderung bedurft hätte. 57 Dementsprechend hatte es bereits mannigfache Versuche zur Reformierung der Struktur der Bundesbahn gegeben, vgl. dazu § 3 C. II. 4.; Holst, Privatisierung, S. 83 (84) und M. Kilian / U. Hesse, Die Verwaltung 27 (1994), 175 (188) sprechen von 16 großen Untersuchungen zu diesem Thema; Jülitz, Bestandsaufnahme, S. 41, geht davon aus, dass die schließlich umgesetzte Bahnreform von 1994 der 17. Versuch in der Nachkriegszeit war, eine Neustrukturierung der Bundesbahn einzuleiten. Die Rechtsanwälte Fromm und Heinze, Bundesbahn, legten 1988 sogar einen kompletten Gesetzentwurf für eine Umgestaltung der Bundesbahn vor. 58 Dazu und zum Folgenden sehr ausführlich Reinke, Bahnstrukturreform, S. 35 ff. m.w.N.; Schwarz, Wiedervereinigung, S. 377 (391 ff.); vgl. auch Jülitz, Bestandsaufnahme, S. 41 ff.; Suckale, in: Hermes / Sellner, AEG, Einf C, S. 71 ff.
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mermann59. Im Juli wurde die Einberufung der Kommission schließlich gemäß der entsprechenden Kabinettsvorlage beschlossen. I. Zusammensetzung der Kommission Die Regierungskommission war als unabhängige Expertenkommission konzipiert, der Vertreter der Wissenschaft, der Wirtschaft, der Politik und der Arbeitnehmerseite angehörten. Insgesamt bestand sie neben dem Vorsitzenden, Günther Saßmannshausen, aus zehn weiteren Mitgliedern60. Um eine effektive Arbeitsweise des Gremiums zu gewährleisten, wurde sie mit einem eigenem Budget ausgestattet und erhielt einen bescheidenen Verwaltungsunterbau. Bis auf den Sekretär der Kommission, Axel Holst, griff man dabei nicht auf Personal der Bundesbahn oder des Bundesverkehrsministeriums zurück, sodass die Akteure vollkommen unabhängig und eigenständig arbeiten konnten. Und selbst Holst, Ministerialrat aus der Eisenbahnabteilung des Verkehrsministeriums, wurde für die Zeit der Arbeiten am Kommissionsbericht beurlaubt.61 II. Auftrag der Kommission Der unter Verkehrsminister Zimmermann ausgearbeitete Auftrag der Kommission sah vor, dass diese vor dem Hintergrund der sich verschlechternden finanziellen Situation der Bahn eine tragfähige Grundlage für eine positive Entwicklung der Bundesbahn erarbeiten sollte. Dabei war sowohl auf verkehrspolitische, raumordnungspolitische, umweltpolitische als auch auf ökonomische und fiskalische Gesichtspunkte einzugehen. Außerdem gehörte es zu den Aufgaben der Kommission zu untersuchen, in welchen Bereichen die Bahn in Zukunft bei kostendeckender Preisgestaltung wettbewerbsfähig sein könne und welche Leistungsbereiche aus gemeinwirtschaftlichen Gründen aufrechterhalten werden sollten.62 Der Auftrag des Gremiums war damit sehr umfassend und ergebnisoffen formuliert. Im Juli 1990 ergänzte das Bundeskabinett infolge der sich bereits anbahnenden Deutschen Wiedervereinigung die Aufgabenstellung der Kommission um die Klärung des Verhältnisses von DB und DR nach der politischen Öffnung des Ostens63.
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Vgl. Schwarz, Wiedervereinigung, S. 377 (393). Dabei handelte es sich um Gerd Aberle, Horst Albach, Theodor Althoff, Werner Dollinger, Ernst Haar, Alfred Krause, Gerd Lausen, Hans Matthöfer (bis Mai 1990), Hans Mayr (ab September 1990), Walther Leisler Kiep und Rolf W. Stuchtey, vgl. Regierungskommission Bundesbahn, Bericht, S. 6. 61 Schwarz, Wiedervereinigung, S. 377 (399). 62 Vgl. Regierungskommission Bundesbahn, Bericht, S. 4; Reinke, Bahnstrukturreform, S. 35. 63 Siehe R.R. Rossberg, Grenze über deutschen Schienen 1945 – 1990, S. 275, Anlage 7. 60
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B. Der Wechsel an der Unternehmensspitze Die Arbeit der Regierungskommission flankierte eine weitere bedeutende Entwicklung: Der langjährige Vorstandsvorsitzende des Bundesbahn, Reiner Gohlke, verließ im Juli 1990 das Unternehmen, um Präsident der Treuhandanstalt zu werden. Ab Januar 1991 trat Heinz Dürr dessen Nachfolge an. Dürr war ein erfahrener Manager64 und Verfechter der Umwandlung der Bundesbahn von einer Behörde in ein marktwirtschaftlich agierendes Unternehmen ohne gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen65. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger nahm Dürr in der Folge auch aktiv an dem sich bereits im Gang befindlichen Reform- und Diskussionsprozess zur Bahnreform teil. Er trug seine Reformvorstellungen in die Öffentlichkeit, stimmte sich mit dem Vorsitzenden der Regierungskommission, Saßmannshausen, ab und nahm als Gast an den Sitzungen der Kommission teil66. Im September 1991 übernahm Dürr auch den Vorstandsvorsitz der Deutschen Reichsbahn im Zuge deren Verschmelzung mit der Bundesbahn. Aufgrund seines umfangreichen Engagements wird Dürr heute als einer der „Väter“ der Bahnreform eingeschätzt.
C. Das Reformkonzept Einen ganz wesentlichen Anteil an der Entwicklung des Konzepts der Bahnreform von 1994 hatten die Vorschläge der Regierungskommission Bundesbahn, die diese in ihrem Abschlussbericht vom Dezember 1991 zusammengefasst hatte. In Anbetracht der Persönlichkeiten, die Einfluss auf die Kommissionsarbeit und auf den Reformprozess als Ganzen hatten, verwundert es kaum, dass sich die Idee der Privatisierung der Eisenbahn sowohl im Gremium als auch bei den politisch Verantwortlichen relativ zügig durchsetzte.67 Zwar hegte der frühere Verkehrsminister Werner Dollinger noch erhebliche Bedenken gegenüber einer Privatisierung und der damit möglicherweise verbundenen Grundgesetzänderung; der seit Januar 1991 amtierende Verkehrsminister Günther Krause als überzeugter Marktwirtschaftler hingegen war für dieses Konzept leicht zu gewinnen68. Der neue Vorstandsvorsitzende der Bundesbahn Dürr befürwortete sogar bereits bei Amtsantritt die Umwandlung der Bundesbahn in ein 64 Dürr hatte vor seiner Tätigkeit an der Spitze der Bundesbahn zunächst sehr erfolgreich das Dürrsche Familienunternehmen geleitet und war später Vorsitzender des Verbandes der Metallindustrie von Baden-Württemberg geworden. Es folgten Tätigkeiten als Vorstandsvorsitzender des AEG-Konzerns und als Vorstandsmitglied der Daimler-Benz AG. 65 Siehe z. B. Dürr, Bahnreform, S. 9 ff. 66 Vgl. zu Dürrs Aktivitäten Schwarz, Wiedervereinigung, S. 377 (399 f.); Reinke, Bahnstrukturreform, S. 41 ff. 67 Vgl. dazu Reinke, Bahnstrukturreform, S. 40; Schwarz, Wiedervereinigung, S. 377 (401 ff.). 68 Schwarz, Wiedervereinigung, S. 377 (402).
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Kap. 3: Die erste und die zweite Stufe der Bahnreform
marktwirtschaftliches Unternehmen69. Auch bei der Zusammensetzung der Regierungskommission fällt auf, dass ihre Mitglieder mehrheitlich marktwirtschaftlich orientiert waren. Der Vorsitzende Saßmannshausen war ein erfahrener Manager, daneben gehörten der Kommission unter anderem mit Horst Albach ein Professor für Betriebswirtschaftslehre und mit Theodor Althoff ein Vorstandsmitglied der Karstadt AG an. Grundsätzliche Kritik am Konzept des Gremiums übten eigentlich nur die Gewerkschafter Ernst Haar und Alfred Krause70. I. Privatisierung – Begriff und Erscheinungsformen Wenn sich bei den Überlegungen zu einer grundlegenden Umgestaltung der deutschen Eisenbahnen relativ deutlich ein Privatisierungskonzept abzuzeichnen begann, so muss zunächst geklärt werden, was unter „Privatisierung“ zu verstehen ist. Hinter dem Begriff Privatisierung verbergen sich vielgestaltige, im Detail mitunter sehr unterschiedliche Formen der Verlagerung von bisher durch die öffentliche Hand wahrgenommenen Angelegenheiten in den privaten Bereich71. Um die mannigfaltigen Varianten dieser Verlagerung zu systematisieren, unterscheidet man dabei verschiedene Arten der Privatisierung. Unter formeller oder Organisationsprivatisierung versteht man Konstellationen, in denen sich ein Verwaltungsträger einer öffentlichen Aufgabe72 zwar nicht entledigt, sie aber künftig in einer privatrechtlichen Organisationsform (also etwa einer AG oder GmbH) wahrnimmt73. In Bezug auf die weiteren Erscheinungsformen von Privatisierungen sind die Begrifflichkeiten hingegen ungesichert und werden zum Teil mit unterschiedlichem Sinngehalt verwendet74. Da der Ka69
Vgl. W. Gerdes, Die Bahnreform, S. 16; Reinke, Bahnstrukturreform, S. 42. Vgl. Reinke, Bahnstrukturreform, S. 40. 71 H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 (250 f.), der hinzufügt, dass dem Begriff keine rechtsdogmatische, sondern lediglich heuristische Funktion zukomme. Siehe auch U. Di Fabio, JZ 1999, 585 (585); F.-L. Knemeyer, WiVerw. 1978, 65 (67); Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler e.V. (Hrsg.), Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen, S. 9; F. Schoch, JURA 2008, 672 (675 f.); T. Schmidt, LKV 2008, 193 (193). 72 Zum Begriff der öffentlichen Aufgabe ausführlich A.v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 5 ff.; J. Homeister, Öffentliche Aufgabe, Organisationsform und Rechtsbindungen, S. 13 ff.; siehe ferner F.-L. Knemeyer, WiVerw. 1978, 65 (65); U. Di Fabio, JZ 1999, 585 (585 ff.); M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 41 ff.; mit Bezug zu Art. 87e GG Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 69 ff. 73 U. Di Fabio, JZ 1999, 585 (588); W. Durner, VerwArch 96 (2005), 18 (23); H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 (252 mit Fn. 41); G. Püttner, LKV 1994, 193 (195); C.J. Tams, NVwZ 2006, 1226 (1227); R. Ruge, Die Gewährleistungsverantwortung des Staates und der Regulatory State, S. 28, 135. 74 So existieren bereits in der Einteilung Unterschiede; H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 (250 f.) unterscheidet bspw. die Vermögens-, Organisations- und Aufgabenprivatisierung, während andere lediglich zwischen formeller und materieller Privatisierung (z. T. mit verschiedensten Untergruppen) differenzieren (so z. B. Hagemeister, Privatisierung, S. 43 ff.; L. Osterloh, VVDStRL 54 [1995], 204 [210]; H. Brede / G. Püttner, Die wichtigsten Privatisierungsformen und ihre Eignung, ein fortdauerndes öffentliches Interesse am Unternehmen zu 70
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tegorisierung aber keine dogmatische, sondern lediglich deskriptive Bedeutung zukommt75, soll an dieser Stelle auf eine umfassende Auseinandersetzung mit der Problematik verzichtet werden. Einer Klärung bedarf jedoch der im Gang der der Untersuchung häufig verwendete Begriff der materiellen Privatisierung76. Darunter soll hier – ohne damit eine darüber hinausgehende oder weiter reichende Bedeutung auszuschließen – jedenfalls die Konstellation zu verstehen sein, in der die öffentliche Hand Anteile an zuvor bereits formell privatisierten Unternehmen an Private veräußert77, womit nicht nur der Verlust von Vermögenswerten verbunden ist78, sondern zudem eine Verringerung der innergesellschaftlichen Einflussmöglichkeiten des Staates einhergeht79.
wahren, in: H. Brede [Hrsg.], Privatisierung und die Zukunft der öffentlichen Wirtschaft, S. 267 [269]; G. Püttner, LKV 1994, 193 [195]). Auch die Dreiteilung in formelle, funktionale und Aufgabenprivatisierung ist verbreitet, siehe C.J. Tams, NVwZ 2006, 1226 (1227); Ruge, Gewährleistungsverantwortung, S. 135; ähnlich W. Durner, VerwArch 96 (2005), 18 (23 f.). U. Di Fabio, JZ 1999, 585 (585 ff.), ergänzt diese Einteilung um die Kategorie der Verfahrensprivatisierung; W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 29 ff., fügt diesen vier Kategorien noch die Vermögensprivatisierung hinzu. F. Schoch, DVBl. 1994, 962 (962 f.) sowie JURA 2008, 672 (676), wiederum unterscheidet Organisations-, Vermögens-, materielle und funktionale Privatisierung. Vgl. zur Typologie auch J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 16 ff. 75 Vgl. H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 (251); Ruge, Gewährleistungsverantwortung, S. 134. 76 Zum Begriff der materiellen Privatisierung existieren verschiedenste Definitionen. Das Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler e.V., Privatisierung, S. 10 sowie im Anschluss daran Hagemeister, Privatisierung, S. 51 und ähnlich Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 62, verstehen darunter bspw. Konstellationen, in denen neben dem Merkmal der privatrechtlichen Organisationsform auch privattypische Organisations- und Verfahrensmerkmale eingeführt werden. L. Osterloh, VVDStRL 54 (1995), 204 (210) beschreibt den Begriff als Übertragung von Verfügungsgewalt über Vermögensgegenstände oder über Produkt- und Leistungserstellung und -angebot auf „echte“ Private. W. Durner, VerwArch 96 (2005), 18 (23) sowie F. Schoch, DVBl. 1994, 962 (962 f.), wiederum definieren die materielle Privatisierung als Aufgabenverlagerung in den privaten Sektor, während für ebendiese Verlagerung auch der Begriff der Aufgabenprivatisierung gebräuchlich ist, siehe D. Traumann, Die Organisationsgewalt im Bereich der bundeseigenen Verwaltung, S. 344 ff.; H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 (251 f. mit Fn. 41); U. Di Fabio, JZ 1999, 585 (588); C.J. Tams, NVwZ 2006, 1226 (1227). Z.T. werden die Begriffe „materielle“ und „Aufgabenprivatisierung“ auch synonym verwendet, bspw. bei Ruge, Gewährleistungsverantwortung, S. 135; M. Ibler, in: T. Maunz / G. Dürig, GG Kommentar, Band V, Art. 86 (2008), Rn. 110. 77 Ebenfalls als eine Variante der materiellen Privatisierung bezeichnen diese Konstellation Brede / Püttner, Privatisierungsformen, S. 267 (269); speziell für die Eisenbahnen des Bundes Homeister, Öffentliche Aufgabe, S. 79; H. Gersdorf, in: H.v. Mangoldt / F. Klein / C. Starck, GG Kommentar, Band III, Art. 87e, Rn. 58; Menges, Rechtsgrundlagen, S. 48. 78 Aufgrund der Veräußerung der Vermögenswerte bezeichnen H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 (251 mit Fn. 41, 252 mit Fn. 42) und F. Schoch, DVBl. 1994, 962 (962), diese Konstellation als Vermögensprivatisierung. 79 Siehe dazu ausführlich zum Beispiel der DB AG unten, § 13 C. II.
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II. Die Vorschläge der Regierungskommission Bundesbahn Die Vorschläge der Regierungskommission Bundesbahn liefen auf eine formelle Privatisierung der Bundesbahn hinaus. Wenn man eine solche ins Auge fasste, so war dafür zwangsläufig eine Grundgesetzänderung erforderlich. Die Umwandlung der Bahn in eine Kapitalgesellschaft wäre mit den organisationsrechtlichen Vorgaben des Art. 87 I 1 GG a.F. nach herrschender Lesart unvereinbar gewesen80. Dementsprechend sprach sich auch die Regierungskommission Bundesbahn in ihrem Abschlussbericht für eine umfangreiche Gesetzesänderung einschließlich einer Grundgesetzänderung aus81. Kernstück des Konzepts der Kommission war die Umwandlung der beiden Sondervermögen DB und DR in eine Aktiengesellschaft, die sich weitgehend selbst über den Markt finanziert. Damit sollte eine kaufmännische Führung des Unternehmens ohne politische Einflussnahme auf die wirtschaftlichen Entscheidungen des Vorstandes ermöglicht werden.82 Um der Bahn ein wirtschaftliches Agieren am Markt zu ermöglichen, sah es das Gremium als notwendig an, das zukünftige Unternehmen von seinen Altschulden zu befreien und es mit einem angemessenen Eigenkapital auszustatten83. Ein weiterer wichtiger Teil der angestrebten Bahnstrukturreform sollte die rechnerische und organisatorische Trennung von Fahrweg und Transport sein. Der Abschlussbericht sah dabei vor, den Fahrweg zunächst zusammen mit den Transportbereichen in die privatrechtliche Organisationsform der AG zu überführen, um ihn später in einem weiteren Schritt auch institutionell auszugliedern84. Diese Trennung von Netz und Transport erfüllte einerseits die Anforderungen der Richtlinie 91/440/EWG85 und sollte andererseits zwischen den Sparten Personen- und Güterverkehr wie auch Dritten eine wettbewerbsneutrale Verteilung der Fahrplantrassen über diskriminierungsfreie Preise gewährleisten86. Die ebenfalls diskutierte Variante, die Bahn in eine Fahrwegbehörde und ein kaufmännisches Transportunternehmen aufzuspalten, lehnte die Kommission dagegen eindeutig ab87. Was die Bahnbediensteten anging, schlug man vor, dass diese eine Personalüberleitungsinstitution übernehmen sollte, die sie dann entsprechend dem Bedarf der Bahn AG zuweisen würde. Die Personalüberleitungsinstitution wäre dann Dienstherr derjenigen Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes, die nicht freiwillig zur Bahn AG überwechseln.88 Auf diese Weise sollte die Bahn von nicht benötigtem 80 81 82 83 84 85 86 87 88
Vgl. dazu bereits oben, § 3 C. I. 2.; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 2 m.w.N. Regierungskommission Bundesbahn, Bericht, S. 16. Vgl. Regierungskommission Bundesbahn, Bericht, S. 62 ff. Regierungskommission Bundesbahn, Bericht, S. 16 ff. Regierungskommission Bundesbahn, Bericht, S. 24. Vgl. dazu bereits oben § 4 D. Regierungskommission Bundesbahn, Bericht, S. 24. Regierungskommission Bundesbahn, Bericht, S. 24. Regierungskommission Bundesbahn, Bericht, S. 20 f.
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Personal entlastet werden. Um den bis zur Bahnreform bestehenden Widerspruch zwischen kaufmännischer Führung des Unternehmens und gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen89 aufzulösen, hielt es die Kommission außerdem für notwendig, die Bahn selbst vom Gemeinwirtschaftlichkeitsprinzip zu befreien. Stattdessen sollte diese Aufgabe allein dem Staat obliegen, der sie durch das Bestellerprinzip erfüllen könnte90. Was das Problem des Schienenpersonennahverkehrs anging91, schlug man vor, die Verantwortung für diesen Bereich auf die regionalen Gebietskörperschaften zu übertragen. Der Bund sollte die Mittel, die er bisher für den Nahverkehr aufgebracht hatte, den Ländern im Rahmen des Bund-Länder-Finanzausgleichs zur Verfügung stellen, sodass sie in die Lage versetzt würden, dieser Aufgabe nachzukommen. Die Regierungskommission versprach sich davon, erhebliche Rationalisierungspotentiale zu erschließen.92 Als letzter Eckpunkt des Konzepts ist schließlich die diskriminierungsfreie Öffnung des Netzes für Dritte zu nennen93. Die Regierungskommission Bundesbahn war damit in ihrem Abschlussbericht dem Auftrag, eine Grundlage für eine positive Entwicklung der Bundesbahn zu erarbeiten, weitgehend gerecht geworden. Ihr Konzept enthielt ein Bündel weit reichender, aber hinreichend konkreter Vorschläge für eine Bahnstrukturreform, die sie als Gesamtkonzept verstanden wissen wollte94. Innerhalb der Kommission war ein breiter Konsens für das Konzept vorhanden gewesen, das Gutachten wurde mit nur einer Gegenstimme verabschiedet95. Es diente in der Folge als Ausgangspunkt für die weiteren Schritte, die für eine Bahnstrukturreform notwendig waren.
D. Der Gesetzgebungsprozess Fast unmittelbar im Anschluss an die Vorstellung des Abschlussberichts der Regierungskommission Bundesbahn, im Februar 1992, beauftragte das Bundeskabinett das Bundesministerium für Verkehr (BMV) mit der Umsetzung des vorgelegten Berichts96. Bereits fünf Monate später, im Juli 1992, beschloss die Bundesregierung eine grundlegende Bahnstrukturreform auf der Grundlage der Vorstellungen des BMV97, 89
Vgl. dazu bereits oben § 4 A. II. 1. Regierungskommission Bundesbahn, Bericht, S. 22 f. 91 Vgl. dazu bereits oben § 4 C. 92 Regierungskommission Bundesbahn, Bericht, S. 22 f. 93 Regierungskommission Bundesbahn, Bericht, S. 25, 27. 94 Regierungskommission Bundesbahn, Bericht, S. 64. 95 Vgl. Regierungskommission Bundesbahn, Bericht, S. 7. Gegen das Gutachten stimmte nur Alfred Krause, der Ehrenvorsitzende des Deutschen Beamtenbundes. 96 Bennemann, Bahnreform, S. 41. 97 Vgl. dazu ausführlich W. Loschelder, Strukturreform der Bundeseisenbahnen durch Privatisierung?, S. 1 ff.; zum Gesetzgebungsprozess Reinke, Bahnstrukturreform, S. 77 ff.; 90
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das daraufhin auch die entsprechenden Gesetzentwürfe einschließlich einer Grundgesetzänderung erarbeiten sollte. Einen ersten Entwurf legte das BMV im September 1992 vor – doch nachdem dieser im Dezember des Jahres den Ländern zugeleitet worden war, zeichnete sich bezüglich der geplanten Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs ein Konflikt zwischen Bund und Ländern ab. Letztere hatten zwar das Konzept der Bahnstrukturreform einschließlich der Regionalisierung im Vorfeld begrüßt – allerdings forderten sie vom Bund den vollen Ausgleich der damit auf sie zukommenden finanziellen Belastungen. Dieser Konflikt wurde schließlich in einem Gespräch bei Bundeskanzler Helmut Kohl im Januar 1993 dahingehend aufgelöst, dass man sich darauf einigte, die Bahnreform zum 01. Januar 1994 umzusetzen, auch wenn keine abschließende Lösung der Finanzierungsschwierigkeiten gefunden werde.98 Daraufhin beschloss die Bundesregierung im Februar den Gesetzentwurf des BMV, der von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP und der Bundesregierung Ende März textidentisch in den Bundestag eingebracht wurde. Es handelte sich dabei um den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes99 und den Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (Eisenbahnneuordnungsgesetz – ENeuOG)100. Das geplante Eisenbahnneuordnungsgesetz war im Grunde ein ganzes Gesetzespaket und enthielt mehrere Einzelgesetze, und zwar: - Gesetz zur Zusammenführung und Neugliederung der Bundeseisenbahnen - Gesetz über die Gründung einer Deutsche Bahn Aktiengesellschaft - Gesetz über die Eisenbahnverwaltung des Bundes - Gesetz über den Bau und die Finanzierung der Schienenwege bundeseigener Eisenbahnen - Allgemeines Eisenbahngesetz - Rechtsbereinigungsgesetz. Nachdem die Entwürfe im Bundestag in erster Lesung beraten und daraufhin an die Ausschüsse101 überwiesen worden waren, debattierte auch der Bundesrat im Mai die Regierungsvorlagen. Dabei traten erneut Meinungsverschiedenheiten zwischen Bund und Ländern zutage, insbesondere bezüglich der Punkte Finanzierung, Zugang zum Schienennetz und Infrastrukturverantwortung des Bundes102. Die Bundesregie-
M. Möstl, in: Maunz / Dürig, GG, Band V, Art. 87e (2006), Rn. 57 ff.; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 2; G. Fromm, DVBl. 1994, 187 (187 mit Fn. 2). 98 Reinke, Bahnstrukturreform, S. 74 ff.; vgl. auch Suckale, in: Hermes / Sellner, AEG, Einf C, S. 73. 99 Siehe BT-Drucks. 12/4610 und 12/5015. 100 Siehe BT-Drucks. 12/4609 und 12/5014. 101 Bezüglich des Entwurfes eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes war der Rechtsausschuss federführend, für den Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens hingegen der Verkehrsausschuss; vgl. Reinke, Bahnstrukturreform, S. 78. 102 BT-Drucks. 12/5015, S. 9.
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rung widersprach den abweichenden Vorschlägen des Bundesrates zwar zunächst103. Angesichts der erforderlichen Zweidrittelmehrheit und des ehrgeizigen Zeitplans der Bundesregierung, der eine Überweisung der Reform an den Vermittlungsausschuss nicht erlaubt hätte, fanden in der Folgezeit jedoch ausführliche Beratungen in den Ausschüssen sowie Gespräche zwischen den Bundesministerien für Finanzen und für Verkehr sowie Gewerkschaften, Verbänden, Ländern und Kommunen statt. Parallel arbeitete der Bund-Länder-Arbeitskreis „Bahnpolitik“ an der Auflösung der wesentlichen Dissenspunkte.104 Schließlich konnte sich der Rechtsausschuss auf eine Beschlussempfehlung105 einigen und der Bundestag beriet die geänderten Entwürfe Anfang Dezember 1993 in zweiter und dritter Lesung und nahm sie anschließend mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit an106. Der äußerst knappe Zeitplan – es war vorgesehen, dass die Bahnreform bereits zu Beginn des Jahres 1994 in Kraft trat107 – führte dazu, dass auch der Bundesrat bereits Mitte Dezember den Gesetzentwurf behandelte und ihn mit breiter Mehrheit verabschiedete108. Nachdem die Gesetze am 22. bzw. 30. Dezember 1993 auch im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden waren, konnte die Bahnstrukturreform wie geplant bereits am 01. Januar 1994 in Kraft treten109.
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Siehe BT-Drucks. 12/5014, S. 37 bzw. 12/5015, S. 14 ff. Vgl. im Einzelnen zum Prozess der Kompromissfindung Reinke, Bahnstrukturreform, S. 77 ff. 105 BT-Drucks. 12/6280. 106 Vgl. BT-Plenarprotokoll 12/196, S. 16957 ff. Von den 575 anwesenden Abgeordneten stimmten bei der Abstimmung über die Grundgesetzänderung 558 mit „Ja“, dreizehn mit „Nein“ (1 CDU/CSU, 2 SPD, 10 PDS/LL) und vier enthielten sich der Stimme (Bündnis 90 / Die Grünen); siehe BT-Plenarprotokoll 12/196, S. 16984 ff. Das Eisenbahnneuordnungsgesetz wurde bei zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung angenommen, siehe BT-Plenarprotokoll 12/196, S. 16986. 107 Dieser äußerst knappe Zeitplan war u. a. dem Umstand geschuldet, dass mit dem 31. Dezember 1993 die Übergangsregelung für die Reichsbahn aus dem Einigungsvertrag ablief und deren Mitarbeiter ohne Bahnreform ab 01. Januar 1994 in das Beamtenverhältnis hätten übernommen werden müssen, was man vermeiden wollte, vgl. F. Engbarth, Bahnreform und Regionalisierung, EisenbahnKurier Special 41, S. 98 (98 f.). 108 Über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes wurde durch Aufruf der einzelnen Länder abgestimmt. Gegen den Gesetzentwurf stimmte Hamburg; Sachsen enthielt sich der Stimme. Die übrigen Länder stimmten zu, vgl. BR-Plenarprotokoll 664/93, S. 622 f. Die Abstimmung über den Entwurf des ENeuOG erfolgte per Handzeichen, vgl. BRPlenarprotokoll 664/93, S. 623. 109 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 20. Dezember 1993, BGBl. 1993 I, S. 2089; Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (Eisenbahnneuordnungsgesetz – ENeuOG) vom 27. Dezember 1993, BGBl. 1993 I, S. 2378. 104
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§ 6 Die Verfassungsänderung im Zuge der Bahnstrukturreform Das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes, das im Zuge der Bahnstrukturreform verabschiedet wurde und am 01. Januar 1994 in Kraft trat, betraf eine Reihe von Verfassungsnormen. Das Herzstück der Neuordnung des Eisenbahnwesens bildet der neu eingefügte Art. 87e GG. Aus dem Katalog der Materien der bundeseigenen Verwaltung in Art. 87 I 1 GG wurden die Bundeseisenbahnen im Gegenzug gestrichen. Ebenfalls neu eingefügt wurde der Art. 106a GG, der die Ausgleichszahlungen des Bundes an die Länder für den Schienenpersonennahverkehr regelt. In Art. 73 I und 74 I GG wurden Modifikationen hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz und in Art. 80 II GG hinsichtlich zukünftiger Rechtsverordnungen für den Bereich der Eisenbahnen vorgenommen110. Mit Art. 143a GG wurde schließlich eine Übergangsregelung geschaffen.
A. Die Gesetzgebungskompetenzen I. Die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes in Art. 73 I Nr. 6a GG Die Gesetzgebungskompetenz bezüglich der Bundeseisenbahnen war bis zur Bahnreform in Art. 73 Nr. 6 GG (a.F.) geregelt gewesen. Die Neuregelung weicht davon insofern ab, als dass nun nicht mehr von „Bundeseisenbahnen“, sondern von „Eisenbahnen des Bundes“ die Rede ist. Die von der früheren Regelung abweichende Begriffswahl soll verdeutlichen, dass es sich bei den „Eisenbahnen des Bundes“ um in rechtlicher, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht andere Rechtssubjekte handelt als die bisherigen Bundeseisenbahnen111. Die nunmehr gewählte Begrifflichkeit enthält zum einen die technische Komponente der „Eisenbahn“ und zum anderen die rechtsnormative Komponente der Eigentumsverhältnisse112. Unter einer Eisenbahn versteht man ein durch das Rad/Schienen-System gekennzeichnetes Transportmittel, das einen festen Spurweg aufweist. Die Eisenbahn ist damit ein Unterfall der Schienenbahn.113 Um Eisenbahnen des Bundes handelt es sich laut der Legaldefinition des Art. 73 I Nr. 6a GG dann, wenn diese ganz oder mehr110
Siehe dazu U. Kramer, Das Recht der Eisenbahninfrastruktur, S. 60 f. BT-Drucks. 12/5015, S. 5. 112 E. Schmidt-Aßmann / H. Röhl, DÖV 1994, 577 (579); F. Brosius-Gersdorf, DÖV 2002, 275 (279); Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 32 ff. 113 Vgl. H.-J. Finger, DÖV 1985, 227 (227); M. Heintzen, in: H.v. Mangoldt / F. Klein / C. Starck, GG Kommentar, Band II, Art. 73, Rn. 55; Möstl, Art. 87e, Rn. 145; C. Degenhart, in M. Sachs (Hrsg.), GG Kommentar, Art. 73, Rn. 27; R. Stettner, in: H. Dreier (Hrsg.), GG Kommentar, Band II, Art. 73, Rn. 28; P. Kunig, in: I.v. Münch / P. Kunig (Hrsg.), GG Kommentar, Band III, Art. 73, Rn. 29. 111
§ 6 Die Verfassungsänderung im Zuge der Bahnstrukturreform
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heitlich im Eigentum des Bundes stehen. Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme zum ursprünglichen Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen Kritik an dieser Formulierung geübt. Zum einen befürwortete er eine Abgrenzung nach eisenbahnspezifischen oder verkehrsrelevanten Kriterien statt nach den Eigentumsverhältnissen. Zum anderen machte er zutreffend darauf aufmerksam, dass die Formulierung in Art. 73 I Nr. 6a GG terminologisch mangelhaft sei. Der neue Art. 87e III 1 GG bestimmte nämlich, dass die Eisenbahnen des Bundes künftig in privatrechtlicher Form geführt werden, sodass als unmittelbarer Eigentümer gar nicht der Bund, sondern nur eine Kapitalgesellschaft in Betracht komme. Der Bund könne einzig Eigentümer der Gesellschaftsanteile sein.114 Als problematisch stufte der Bundesrat die Anknüpfung an die Eigentumsverhältnisse auch deshalb ein, weil sich diese, infolge von Anteilsveräußerungen und -aufkäufen des Bundes verschieben können, sodass die Gesetzgebungskompetenz immer anhand der aktuellen eigentumsrechtlichen Situation bestimmt werden muss115. Ungeachtet der Begründetheit der Einwände des Bundesrates setzte sich die Formulierung des Regierungsentwurfes durch. Um eine Eisenbahn des Bundes im Sinne des Art. 73 I Nr. 6a GG handelt es sich also dann, wenn der Bund die Mehrheit der Anteile an der entsprechenden Eisenbahn-Gesellschaft hält116. Teilweise wird es auch als ausreichend angesehen, wenn dem Bund die Mehrheit der Stimmrechte in der Eisenbahngesellschaft zusteht117. Während der Art. 73 Nr. 6 GG a.F. dem Bund für den gesamten Bereich der Bundeseisenbahnen die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zuwies, ist Art. 73 I Nr. 6a GG präziser formuliert. Die Norm differenziert zwischen dem Verkehr der Eisenbahnen des Bundes sowie dem Bau, der Unterhaltung und dem Betreiben von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes. Außerdem umfasst sie die Erhebung von Entgelten für die Benutzung dieser Schienenwege. Durch die Formulierung wird deutlich, dass die Norm auf der neuen Konzeption eines vom Fahrweg getrennten Betriebs basiert, für dessen Benutzung ein Entgelt entrichtet werden muss118. 114
BT-Drucks. 12/5015, S. 9 f. BT-Drucks. 12/5015, S. 10. Zum Problemkreis vgl. auch Wilkens, Wettbewerbsprinzip, S. 184 ff.; C. Heinze, BayVBl. 1994, 266 (266); G. Fromm, DVBl. 1994, 187 (192); E. Schmidt-Aßmann / H. Röhl, DÖV 1994, 577 (579); Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 37 ff.; Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 54 f. Für unproblematisch hält die Regelung Gersdorf, Art. 87e, Rn. 17. 116 Menges, Rechtsgrundlagen, S. 46; Stettner, Art. 73, Rn. 28; Degenhart, Art. 73, Rn. 27; R. Sannwald, in: B. Schmidt-Bleibtreu / H. Hofmann / A. Hopfauf (Hrsg.), Kommentar zum GG, Art. 73, Rn. 71. 117 E. Schmidt-Aßmann / H. Röhl, DÖV 1994, 577 (579); Gersdorf, Art. 87e, Rn. 16; Kunig, Art. 73, Rn. 29; Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 35; Heintzen, Art. 73, Rn. 56. Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 55 f. mit Fn. 191, hält zwar nicht das direkte Mehrheitseigentum (etwa bei Schachtelbeteiligungen) für erforderlich, will andererseits aber die bloße Stimmrechtsmehrheit (z. B. aufgrund einer Stimmrechtsübertragung im Gesellschaftsvertrag) nicht genügen lassen. 118 Stettner, Art. 73, Rn. 28; Wilkens, Wettbewerbsprinzip, S. 35. 115
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II. Die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes in Art. 74 I Nr. 23 GG In Art. 74 I Nr. 23 GG findet sich die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind (mit Ausnahme der Bergbahnen). Damit nimmt die Regelung hinsichtlich des Begriffs „Eisenbahnen des Bundes“ Bezug auf Art. 73 I Nr. 6a GG, umfasst aber im Gegensatz zu dieser Norm auch alle übrigen Schienenbahnen, die nicht gleichzeitig Eisenbahnen sind (zum Beispiel Straßenbahnen und Untergrundbahnen119). Zwar trifft Art. 74 I Nr. 23 GG keine Unterscheidung zwischen Verkehrsbetrieb und Fahrweg, dennoch ist von der Deckungsgleichheit der Reichweite der Kompetenztitel auszugehen120. Würde der Bund also die Mehrheit der Anteile an einer Eisenbahngesellschaft durch Veräußerung verlieren, verbliebe ihm noch die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz. Im Rahmen der Föderalismusreform ist das Kriterium der Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung (Art. 72 II GG a.F.) für Art. 74 I Nr. 23 GG entfallen, sodass der Bund faktisch – ebenso wie im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnis – voraussetzungslos von seiner Kompetenz Gebrauch machen kann. Damit hat sich auch die Problematik der sich verschiebenden Gesetzgebungsbefugnisse im Falle der Änderung der Eigentumsverhältnisse an Eisenbahngesellschaften entschärft.
B. Die Organisation der Eisenbahnen: Art. 87e GG Die wesentlichen verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Organisation der Eisenbahnen enthält Art. 87e GG, der sich – trotz seines vielschichtigen Aussagegehaltes – im VIII. Abschnitt des Grundgesetzes unter der Überschrift „Die Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung“ befindet.
119
Heintzen, Art. 73, Rn. 55; Stettner, Art. 74, Rn. 108; Möstl, Art. 87e, Rn. 145; Sannwald, Art. 74, Rn. 303. 120 Wilkens, Wettbewerbsprinzip, S. 36 f.; B. Pieroth, in: H.D. Jarass / B. Pieroth, GG Kommentar, Art. 74, Rn. 59; Degenhart, Art. 74, Rn. 98. Vgl. auch Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 59; Suckale, in: Hermes / Sellner, AEG, Einf C, S. 82.
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I. Die Verwaltungskompetenzen gem. Art. 87e I und II GG 1. Bundeseigene Verwaltung bezüglich der Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes gem. Art. 87e I 1 GG a) Inhalt der Verwaltungskompetenz Gemäß Art. 87e I 1 GG ist die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes in bundeseigener Verwaltung zu führen. Damit knüpft auch diese Vorschrift an den Begriff der „Eisenbahnen des Bundes“ an, wobei strittig ist, ob die Legaldefinition des Art. 73 I Nr. 6a GG für die Interpretation des Art. 87e I 1 GG maßgeblich ist. Vereinzelt wird ein funktionales Verständnis des Begriffs befürwortet, das die objektive Verkehrsbedeutung zum maßgeblichen Abgrenzungskriterium erklärt121. Diese Ansicht verkennt jedoch, dass das Instrument der Legaldefinition, zu der der Gesetzgeber in Art. 73 I Nr. 6a GG gegriffen hat, nur dann sinnvoll und widerspruchsfrei ist, insofern die getroffene Begriffsbestimmung auch für die übrigen Verfassungsnormen Geltung beansprucht122. Dies gilt umso mehr, weil die betroffenen Artikel gemeinsam beraten und ins Grundgesetz aufgenommen worden sind123. Der Begriff „Eisenbahnen des Bundes“ kann folglich in Art. 87e GG nichts anderes bedeuten, als in Art. 73 I Nr. 6a GG und bestimmt sich demzufolge nach den Eigentumsverhältnissen124. Während Art. 87 I 1 GG a.F. noch für den gesamten Bereich der Bundeseisenbahnen die bundesunmittelbare Verwaltung statuierte, beschränkt Art. 87e I 1 GG letztere auf die Eisenbahnverkehrsverwaltung. Obwohl damit ausdrücklich nur vom Eisenbahnverkehr die Rede ist, umfasst der Begriff auch die Verwaltung mit Bezug auf die zur Durchführung des Transports erforderliche Infrastruktur125.
121 K. Grupp, DVBl. 1996, 591 (593); in diese Richtung auch R. Arnold, Das Sicherstellungsgebot des Art. 87e IV GG im Bereich des Schienenpersonenfernverkehrs, in: FS Hablitzel, S. 33 (46). 122 Vgl. Wilkens, Wettbewerbsprinzip, S. 185; vgl. auch Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 35. 123 Möstl, Art. 87e, Rn. 78. 124 So auch Schulz, Eisenbahnwesen, S. 84; Wilkens, Wettbewerbsprinzip, S. 38; Möstl, Art. 87e, Rn. 144; Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 63; J. Wieland, in: H. Dreier (Hrsg.), GG Kommentar, Band III, Art. 87e, Rn. 21; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 13; D. Hömig, in: D. Hömig (Hrsg.), GG Kommentar, Art. 87e, Rn. 2; F. Brosius-Gersdorf, DÖV 2002, 275 (279). Zu den praktischen Auswirkungen äußerst kritisch B.W. Wegener, DÖV 1996, 305 ff. Eine Zwischenposition nimmt T. Vesting, in: E. Denninger / W. Hoffmann-Riem / H.-P. Schneider / E. Stein (Hrsg.), GG Kommentar, Band 3, Art. 87e (2001), Rn. 36, ein, der zur Begriffsdefinition nicht an die formale Eigentümerstellung des Bundes, sondern an die Tradition des unitarischen Staatsbahnmodells anknüpfen will. 125 Vgl. BT-Drucks. 12/5015, S. 7; C. Heinze, BayVBl. 1994, 266 (267 f.); S. Studenroth, VerwArch 87 (1996), 97 (100); Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 64 f.; Möstl, Art. 87e, Rn. 148; Hermes, in: Hermes / Sellner, AEG, Einf D, S. 85.
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Ausweislich der Gesetzesmaterialien soll durch die neue Regelung die Verwaltungskompetenz des Bundes auf seine hoheitlichen Aufgaben reduziert werden und eine Pflicht zum Betrieb von Eisenbahnverkehr nicht mehr enthalten126. Der Bereich der Leistungserbringung fällt damit, gemäß dem Konzept der formellen Privatisierung, aus der Verwaltungskompetenz heraus und wird auf die gem. Art. 87e III GG zu gründenden privatwirtschaftlichen Unternehmen übertragen127. Damit verbleibt dem Bund nur die Verwaltung im „traditionellen Sinne“, also im Wesentlichen gefahrenabwehrende Aufsichtsbefugnisse im Rahmen des Gesetzesvollzugs128. Die Natur der damit verbundenen Aufsicht hat sich allerdings im Rahmen der Bahnstrukturreform ebenfalls gewandelt. Handelte es sich früher um eine interne Rechts- und Betriebsaufsicht129, so liegt jetzt eine externe Aufsicht über privatwirtschaftliche Rechtssubjekte vor.130 Das Bundesverfassungsgericht hat den Begriff der Eisenbahnverkehrsverwaltung dahingehend definiert, dass er „alle hoheitlichen Ordnungs- und Steuerungsaufgaben, die das Eisenbahnwesen einschließlich des Baus und des Betriebs der Eisenbahnen betreffen“131 umfasse. Kern der Eisenbahnverkehrsverwaltung ist damit die Gefahrenabwehr und die klassische Wirtschaftsüberwachung inklusive des gesamten Spektrums traditioneller präventiver und repressiver ordnungsbehördlicher Maßnahmen132. Neben dieser ordnungsrechtlichen umfasst die Eisenbahnverkehrsverwaltung auch eine infrastrukturelle Komponente133. Dazu gehört die gesamte administrative Tätigkeit, die der Bund im Rahmen seines Infrastruktursicherungsauftrages gem. Art. 87e IV GG134 wahrzunehmen verpflichtet ist. Dies ergibt sich aus der Überlegung, dass die Verpflichtung des Bundes zur Sicherstellung eines gewissen infrastrukturellen Minimums im Eisenbahnbereich die entsprechenden administrativen Befugnisse zur Erfüllung dieser Verpflichtung voraussetzt.135
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BT-Drucks. 12/5015, S. 6. Möstl, Art. 87e, Rn. 148. Dazu und zum Folgenden vgl. auch Gersdorf, Art. 87e, Rn. 19 ff.; K. Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87e, Rn. 16; R. Uerpmann, in: Münch / Kunig, GG, Band III, Art. 87e, Rn. 3; Wilkens, Wettbewerbsprinzip, S. 38 ff.; E. Schmidt-Aßmann / H. Röhl, DÖV 1994, 577 (583). 128 Vgl. BT-Drucks. 12/5015, S. 7. Vgl. dazu auch Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 144 f.; Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 65; K. Grupp, DVBl. 1996, 591 (592 f.). 129 Vgl. § 14 BbG. 130 Möstl, Art. 87e, Rn. 148; vgl. auch Homeister, Öffentliche Aufgabe, S. 189 f. 131 BVerfGE 97, 198 (222). 132 Möstl, Art. 87e, Rn. 149. Dies schließt den Rückgriff auf Privatrecht nicht aus, siehe P. Hommelhoff / E. Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 521 (526); Vesting, Art. 87e, Rn. 63. 133 Siehe Gersdorf, Art. 87e, Rn. 19; vgl. auch E. Schmidt-Aßmann / C. Röhl, DÖV 1994, 577 (583); F. Brosius-Gersdorf, DÖV 2002, 275 (278). 134 Siehe zum Infrastruktursicherungsauftrag unten, § 6 B. III. 135 Gersdorf, Art. 87e, Rn. 20; vgl. auch Möstl, Art. 87e, Rn. 149. 127
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Kehrseite der dargelegten Verwaltungskompetenz ist eine entsprechende Wahrnehmungspflicht des Bundes136. Dies mag bezüglich der infrastrukturellen Teilkomponente der Eisenbahnverkehrsverwaltung bereits aus Art. 87e IV GG folgen137, ohne dass dabei auf den ersten Absatz der Norm zurückgegriffen werden muss. Aber auch bezüglich sonstiger Aufgaben im Rahmen der Eisenbahnverkehrsverwaltung lässt sich ein aufgabenrechtliches Element des Art. 87e I 1 GG statuieren, das aus dem obligatorischen Charakter der Bundesverwaltung in Art. 87e I 1 GG folgt.138 Wenn die Verfassung die Länder von diesem Verwaltungsbereich ausschließt139, so muss der Bund auch zu einer entsprechenden Verwaltungstätigkeit verpflichtet sein. b) Art der Verwaltung Art. 87e I 1 GG legt bezüglich des beschriebenen Bereichs der Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes eine bundeseigene Verwaltung fest. Die Norm ist damit als lex specialis zur allgemeineren Regelung des Art. 83 GG zu qualifizieren, die den Gesetzesvollzug grundsätzlich zur Aufgabe der Länder erklärt. Mit bundeseigener Verwaltung ist eine bundesunmittelbare Verwaltung gemeint – die Begriffe sind insoweit gleichbedeutend140. Damit ist eine Verwaltung durch eine eigenständige juristische Person des öffentlichen Rechts ausgeschlossen141. Die Gegenansicht, die eine mittelbare Bundesverwaltung für zulässig hält, weil Art. 87e I 1 GG im Gegensatz zu Art. 87, 86 Satz 1 GG keine Organisationsformen bestimme142, verkennt, dass eine Verwaltung durch eine Anstalt oder Körperschaft des öffentlichen Rechts kaum als bundeseigen bezeichnet werden könnte. Zudem spricht dagegen die systematische Stellung des Art. 87e GG nach Art. 86 Satz 1 GG, der die Begriffe „bundeseigene Verwaltung“ und „Verwaltung durch bundesunmittelbare Körperschaften und Stiftungen des öffentlichen Rechts“ gegenüberstellt und Letztere somit nicht als Unterfall der bundeseigenen Verwaltung verstanden wissen will143. 136 So E. Schmidt-Aßmann / C. Röhl, DÖV 1994, 577 (583); G. Hermes / R. Schweinsberg, in: Hermes / Sellner, AEG Kommentar, § 5, Rn. 74; Windthorst, Art. 87e, Rn. 19; Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 145. A.A. Gersdorf, Art. 87e, Rn. 21. 137 So auch Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 145 f. 138 Windthorst, Art. 87e, Rn. 19. 139 Dieser Ausschluss erfolgt freilich nicht kategorisch, wie Art. 87e I 2 GG zeigt. 140 Gersdorf, Art. 87e, Rn. 27; F. Brosius-Gersdorf, DÖV 2002, 275 (279). Für das Parallelproblem bei Art. 87d GG C.J. Tams, NVwZ 2006, 1226 (1228); M. Droege, DÖV 2006, 861 (864). 141 Windthorst, Art. 87e, Rn. 22; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 27; F. Brosius-Gersdorf, DÖV 2002, 275 (279). 142 H.-G. Henneke / K. Ruge, in: B. Schmidt-Bleibtreu / F. Klein (Hrsg.), Kommentar zum GG, Art. 87e, Rn. 3; Uerpmann, Art. 87e, Rn. 5; Pieroth, Art. 87e, Rn. 1; D.C. Umbach, in: D.C. Umbach / T. Clemens (Hrsg.), GG Mitarbeiterkommentar, Band II, Art. 87e, Rn. 15. 143 Vgl. Windthorst, Art. 87e, Rn. 22. Zur Paralleldiskussion zu Art. 87 I 1 GG a.F. vgl. oben, § 3 C. I. 2.
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Wenn Art. 87e I 1 GG schon die Aufgabenübertragung auf juristische Personen des öffentlichen Rechts ausschließt, so gilt dies erst recht für Privatrechtssubjekte. Damit ist eine Organisationsprivatisierung nicht zulässig144 und eine Beleihung Privater nur in Ausnahmefällen und auf gesetzlicher Grundlage möglich145. 2. Fakultative Landesverwaltung gem. Art. 87e I 2 GG Gem. Art. 87e I 2 GG besteht die Möglichkeit, Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung durch Bundesgesetz den Ländern als eigene Angelegenheit zu übertragen. Es handelt sich in diesen Fällen um Landeseigenverwaltung i.S.d. Art. 83 GG. Geschaffen wurde die Regelung ausweislich der Gesetzesbegründung146 im Wesentlichen, um Aufgaben mit nur regionaler Bedeutung, wie zum Beispiel den Schienenpersonennahverkehr147, auf die Länder übertragen zu können. Problematisch ist im Rahmen des Art. 87e I 2 GG, inwiefern eine Begrenzung für entsprechende Aufgabenübertragungen besteht. Zwar fehlt es der Norm an einer ausdrücklichen Einschränkung, dennoch legt der Wortlaut es nahe, dass eine vollständige Übertragung der Verwaltungskompetenzen nicht ermöglicht werden soll („Aufgaben“ statt „die Aufgabe“)148. Auch die Regel-Ausnahme-Systematik des Art. 87e I 1 und 2 GG spricht für eine Begrenzung der Möglichkeit der Aufgabenübertragung auf einzelne Gegenstände149. Formell erfordert die Übertragung der Verwaltungskompetenzen ein Bundesgesetz, das gem. Art. 87e V 1 GG auch der Zustimmung des Bundesrates bedarf. 3. Fakultative Bundesverwaltung gem. Art. 87e II GG Die Regelung des Art. 87e II GG sieht die Möglichkeit vor, dem Bund über den Bereich der Eisenbahnen des Bundes hinausgehende Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung zu übertragen150. Aus den Gesetzesmaterialien wird dabei ersicht144
Gersdorf, Art. 87e, Rn. 27; Uerpmann, Art. 87e, Rn. 5; F. Brosius-Gersdorf, DÖV 2002, 275 (279); ähnlich Windthorst, Art. 87e, Rn. 21, der eine Organisationsprivatisierung in engen Grenzen für zulässig hält. 145 B. Nitz, Private und öffentliche Sicherheit, S. 440 ff.; Uerpmann, Art. 87e, Rn. 5. Vgl. auch Hermes / Schweinsberg, in: Hermes / Sellner, AEG, § 5, Rn. 73 ff.; Windthorst, Art. 87e, Rn. 21. Zur Beleihung allgemein bspw. H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 610 ff. 146 BT-Drucks. 12/5015, S. 7. 147 Vgl. dazu die Ausführungen von Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 180 f. 148 Gersdorf, Art. 87e, Rn. 28; Windthorst, Art. 87e, Rn. 26; Hermes, in: Hermes / Sellner, AEG, Einf D, S. 85; siehe auch Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 180. 149 Wieland, Art. 87e, Rn. 23; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 28; Windthorst, Art. 87e, Rn. 26. A.A. Uerpmann, Art. 87e, Rn. 7. 150 Beispiele, in denen von dieser Möglichkeit bereits Gebrauch gemacht wurde, nennt Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 181 f.
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lich151, dass sich das Wort „hinausgehen“ nicht auf den Umfang der Eisenbahnverkehrsverwaltung, sondern auf die „Eisenbahnen des Bundes“ bezieht152. Insbesondere für den Fall einer Veräußerung der Kapitalmehrheit an einem Eisenbahnunternehmen, des damit verbundenen Wegfalls des Merkmals „Eisenbahnen des Bundes“ und der dann bestehenden Verwaltungskompetenz der Länder gem. Art. 83 GG soll dem Bund mit Art. 87e II GG ermöglicht werden, die Verwaltungskompetenz an sich zu ziehen. Auf diese Weise können die Folgen der dynamischen Komponente des an die Eigentumsverhältnisse anknüpfenden Begriffs der Eisenbahnen des Bundes abgefedert werden153. Findet eine Kompetenzausweitung des Bundes statt, so sind die entsprechenden Verwaltungsaufgaben in bundeseigener Verwaltung zu führen. Dies ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang mit Art. 87e I GG.154 Erforderlich für die Aufgabenübertragung ist, wie bei Art. 87e I 2 GG, ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf (Art. 87e V 1 GG). II. Das Privatisierungsgebot gem. Art. 87e III GG 1. Formelle Privatisierung gem. Art. 87e III 1 GG Nach Maßgabe des Art. 87e III 1 GG sind die Eisenbahnen des Bundes als Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form zu führen. Die Norm postuliert damit eine verfassungsrechtliche Pflicht zur formellen Privatisierung der Eisenbahnen und markiert somit eine klare Abkehr von Art. 87 I 1 GG a.F., nach dem eine privatrechtliche Organisation der Eisenbahnen nicht nur nicht zwingend, sondern sogar unzulässig gewesen war155. Art. 87e III 1 GG gibt für die Eisenbahnunternehmen des Bundes eine Unternehmensform des Privatrechts vor, wodurch die festgelegte erwerbswirtschaftliche Ausrichtung der Eisenbahnen des Bundes organisatorisch abgesichert werden soll156. Aus diesem funktionalen Zusammenhang wird abgeleitet, dass es für die Qualifikation einer Unternehmensform als privatwirtschaftlich i.S.d. Art. 87e III 1 GG nicht allein auf die Bezeichnung, sondern auch auf den Gehalt der Form ankommt, die dem Un-
151
BT-Drucks. 12/5015, S. 7. Siehe auch Gersdorf, Art. 87e, Rn. 33; Windthorst, Art. 87e, Rn. 31. 153 Siehe Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung BT-Drucks. 12/5015, S. 7. So auch Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 182; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 32; Windthorst, Art. 87e, Rn. 32; Wieland, Art. 87e, Rn. 24; Uerpmann, Art. 87e, Rn. 8; Vesting, Art. 87e, Rn. 66. 154 Windthorst, Art. 87e, Rn. 34; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 35. A.A. Uerpmann, Art. 87e, Rn. 8; Schulz, Eisenbahnwesen, S. 93. 155 Vgl. oben § 3 C. I. 2. 156 Siehe BT-Drucks. 12/5015, S. 7. 152
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ternehmen ein unabhängiges Agieren ermöglichen muss157. Schmidt-Aßmann / Röhl folgern daraus, dass nur solche Privatrechtsformen in Frage kommen, die in einer für alle geltenden Rechtsordnung entwickelt sind und auch sonst Verwendung finden, wobei die Einräumung bestimmter Sonderrechte nicht ausgeschlossen sein soll, solange dadurch das privatrechtliche Modell nicht überwuchert wird158. Wenn man diese Prämissen berücksichtigt, legt die Verfassung damit aber noch nicht fest, welche Privatrechtsform zu wählen ist. Da aber feststand, dass der Bund – zumindest unmittelbar nach Inkrafttreten der Verfassungsänderung – zunächst Alleingesellschafter der von Art. 87e III 1 GG betroffenen Eisenbahnen des Bundes sein würde, schieden all jene Unternehmensformen aus, die mehr als einen Gesellschafter erfordern159. Die Stiftung kam ebenfalls nicht in Frage, da das Eisenbahnvermögen dem Bund dann weder rechtlich noch wirtschaftlich gehört hätte160 (vgl. §§ 80 ff. BGB). Von den übrig bleibenden möglichen Unternehmensformen (GmbH, GmbH & Co. KG, AG161), wurde die AG als dem Art. 87e III 1 GG am besten gerecht werdende Form eingeschätzt162, was sie allerdings nicht zur allein zulässigen macht. Während die Typenwahlfreiheit durch die Vorgaben der Verfassung also vergleichsweise gering eingeschränkt wurde, entzog Art. 87e III 1 GG dem Bund die negative Gründungsfreiheit bezüglich der Eisenbahnunternehmen gänzlich163 – er war nunmehr von Verfassungs wegen verpflichtet, die Sondervermögen Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn in eine durch ihn zu gründende privatwirtschaftliche Unternehmensform zu überführen. Ob das Eisenbahnverfassungsrecht eine Bestimmung bezüglich der Anzahl der zu gründenden Unternehmen beinhaltet, ist zweifelhaft. Ausdrücklich ist dazu in Art. 87e III GG nichts geregelt. Zwar gebraucht die Norm den Plural („… als Wirtschaftsunternehmen. Diese…“), was zu der Annahme führen könnte, der Bund sei verpflichtet, mindestens zwei Unternehmen zu gründen164. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass der Gebrauch von Singular und Plural in Art. 87e III GG ohne erkenn157
E. Schmidt-Aßmann / C. Röhl, DÖV 1994, 577 (580); P. Hommelhoff / E. Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 521 (538); Gersdorf, Art. 87e, Rn. 43; Windthorst, Art. 87e, Rn. 38 f. 158 E. Schmidt-Aßmann / C. Röhl, DÖV 1994, 577 (580). A.A. Vesting, Art. 87e, Rn. 43. 159 Also insbesondere die Personengesellschaften (GbR, oHG, KG) und die Genossenschaft, siehe S. Pommer, Bahnreform und Enteignung. Die Rückkehr der privatbegünstigenden Enteignung im Eisenbahnwesen, S. 94; P. Hommelhoff / E. Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 521 (537 f.); Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 68. 160 Pommer, Bahnreform und Enteignung, S. 94; P. Hommelhoff / E. Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 521 (538); Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 68. 161 So auch Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 67 mit Fn. 338. 162 E. Schmidt-Aßmann / C. Röhl, DÖV 1994, 577 (580); Windthorst, Art. 87e, Rn. 40; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 42; Pommer, Bahnreform und Enteignung, S. 94 f. 163 P. Hommelhoff / E. Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 521 (538 f.); Pommer, Bahnreform und Enteignung, S. 95; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 42. 164 So Pommer, Bahnreform und Enteignung, S. 95.
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bare Systematik erfolgt165 und es deswegen verfehlt wäre, daraus solch weit reichende Schlussfolgerungen zu ziehen166. Neben dem Postulat der Privatrechtsform besteht der wichtigste Aussagegehalt des Art. 87e III 1 GG darin, dass die Eisenbahnen des Bundes als Wirtschaftsunternehmen zu führen sind. Auch darin ist eine deutliche Veränderung zur alten Rechtslage zu erkennen. Bis zur Bahnstrukturreform hatte ja gerade der Widerspruch in der Unternehmensverfassung der Bundesbahn, die gem. § 28 BbG wie ein Wirtschaftsunternehmen, aber gleichzeitig mit gemeinwirtschaftlicher Zielsetzung zu führen gewesen war, zu der wirtschaftlichen Misere, in der sich die Bundesbahn zu Anfang der 1990er Jahre befunden hatte, beigetragen167. Die Formulierung, dass die Eisenbahnen des Bundes als Wirtschaftsunternehmen zu führen sind, legt die Zielsetzung dieser Unternehmen auf eine ausschließlich privatwirtschaftliche fest, ohne dass für einen Gemeinwirtschaftlichkeitsauftrag der Eisenbahnen noch Raum wäre168. Adressat dieser Verpflichtung ist vorrangig der Bund, der dafür zu sorgen hat, dass es dem Führungspersonal der Eisenbahnen des Bundes möglich ist, diese so „wie jedes andere Wirtschaftsunternehmen auch“169 zu führen. Im Einzelnen bedeutet dies, dass die Eisenbahnunternehmen am Wettbewerb teilnehmen und gewinnorientiert nach kaufmännischen Grundsätzen wirtschaften müssen170. Wirkt der Bund also im Rahmen seiner Eigentümerstellung auf die Unternehmensführung ein, so trifft ihn dabei die Verpflichtung, dies so weit wie möglich mit privatrechtskonformen Mitteln zu tun. Insofern gemeinwirtschaftliche Ziele ohne entsprechenden Ausgleich für die Eisenbahnen erfüllt werden sollen, so ist die Zulässigkeit einer solchen Maßnahme im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen und hängt davon ab, ob dem Grundsatz der praktischen Konkordanz zwischen dem Privatwirtschaftlichkeitsgebot und der Gemeinwohlklausel Rechnung getragen 165
E. Schmidt-Aßmann / C. Röhl, DÖV 1994, 577 (580); Wilkens, Wettbewerbsprinzip, S. 43 mit Fn. 47. 166 Ebenso Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 41 f.; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 44; Wieland, Art. 87e, Rn. 25; im Ergebnis auch Windthorst, Art. 87e, Rn. 40; Hömig, Art. 87e, Rn. 6; Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 68 f.; Kämmerer, Privatisierung, S. 311. G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 177 mit Fn. 92, geht zudem davon aus, dass auch nicht umgekehrt die Gründung auf ein Unternehmen beschränkt ist. 167 Vgl. bereits oben, § 4 A. II. 1. 168 E. Schmidt-Aßmann / C. Röhl, DÖV 1994, 577 (581); G. Fromm, DVBl. 1994, 187 (191); Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 66; Burmeister, Wettbewerb, S. 101; Wilkens, Wettbewerbsprinzip, S. 169; Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 70 f.; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 47; Uerpmann, Art. 87e, Rn. 10; vgl. auch Windthorst, Art. 87e, Rn. 42; M. Möstl, Grundweichenstellungen des deutschen Eisenbahnverfassungsrechts, in: FS Scholz, S. 833 (841) sowie die Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drucks. 12/5015, S. 5. M. Ronellenfitsch, DÖV 1996, 1028 (1032), spricht zwar auch von einem Entfallen der gemeinwirtschaftlichen Ziele, bezeichnet die Eisenbahnen des Bundes aber weiterhin als Träger der Daseinsvorsorge. 169 P. Hommelhoff / E. Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 521 (532). 170 P. Hommelhoff / E. Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 521 (533 ff.); E. Schmidt-Aßmann / C. Röhl, DÖV 1994, 577 (581); Windthorst, Art. 87e, Rn. 42; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 47.
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wurde171. Der Aussagegehalt des Ausdrucks „Wirtschaftunternehmen“ ergänzt damit die Festschreibung der Privatrechtsform in Art. 87e III 1 GG und geht über sie hinaus. 2. Grenzen der materiellen Privatisierung gem. Art. 87e III 2 – 4 GG a) Gesetzgebungsprozess und Entstehungsgeschichte Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Grundgesetzes sah eine, im Vergleich zur letztlich verabschiedeten Fassung, deutlich kürzere Variante des Art. 87e III GG vor, der nur die jetzigen Sätze 1 und 4 enthielt172. Im Entwurf war also keinerlei Beschränkung der materiellen Privatisierung der Eisenbahnen des Bundes vorgesehen, sodass der Bund sämtliche Anteile an diesen Unternehmen hätte veräußern können. Dementsprechend hieß es in der Begründung des Gesetzentwurfs zu dieser Frage auch lediglich, Art. 87e III GG beinhalte „keine institutionelle Garantie in dem Sinne, daß der Bund dauerhaft Eigentümer einer Eisenbahn sein und diese betreiben muß“173. Die Freiheit des Bundes, sämtliche Anteile an seinen Eisenbahnunternehmen, inklusive des Schienennetzes zu verkaufen, stieß jedoch bei den Ländern auf heftige Kritik. In der Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung sprachen sie sich dementsprechend dafür aus, den Bund im Grundgesetz als Eigentümer des Schienennetzes festzulegen, ohne dass diesem die Freiheit einer Veräußerung zustehen sollte174. Den Grund für diese politische Entscheidung sahen die Länder darin, dass das „Schienennetz der bisherigen Bundeseisenbahnen […] ein bundesweites Infrastruktursystem von erheblicher gesamtwirtschaftlicher Bedeutung“175 sei. Zudem befürchtete man, dass bei einer möglichen Übertragung des Eigentums am Netz auf ein privatrechtliches Wirtschaftsunternehmen nicht die Sicherheit bestehen würde, dass „dieses Schienennetz zumindest in seinen wesentlichen Bestandteilen erhalten und bedarfsgerecht ausgebaut wird, zumal die […] Wettbewerbssituation zwischen den Verkehrsträgern keine Kostendeckung bei Vorhaltung und Betrieb eines solchen Netzes ermöglicht“176. Zunächst konnte in dieser Hinsicht jedoch kein Kompromiss erzielt werden. Die Bundesregierung reagierte auf die Stellungnahme des Bundesrates mit einer Gegenäußerung, in der sie darauf hinwies, dass bei Verwirklichung des Vorschlags der Länder wesentliche Ziele der Bahnstrukturreform nicht erreicht würden und nur durch die 171
Siehe dazu ausführlich § 6 B. III. 4. Vgl. BT-Drucks. 12/5015, S. 4. Zur Entstehungsgeschichte Gersdorf, Art. 87e, Rn. 38 ff.; Möstl, Art. 87e, Rn. 57 ff.; Menges, Rechtsgrundlagen, S. 64 ff. 173 BT-Drucks. 12/5015, S. 7. 174 BT-Drucks. 12/5015, S. 11. 175 BT-Drucks. 12/5015, S. 11. 176 BT-Drucks. 12/5015, S. 11. 172
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Übertragung des Eigentums am Schienennetz auf das zu gründende privatwirtschaftliche Eisenbahnunternehmen der unternehmerische Handlungszwang erzeugt werden könne, die Kosten für die Unterhaltung und den Betrieb des Netzes zu reduzieren und zu erwirtschaften177. Der schließlich verabschiedete Text des Art. 87e III GG entspricht der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses178 und stellt einen Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Positionen von Bundesrat und Bundestag dar179. Art. 87e III 2 GG bestimmt nun, dass die Eisenbahnen des Bundes im Eigentum des Bundes stehen, soweit die Tätigkeit des Wirtschaftsunternehmens den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen umfasst. Gem. Art. 87e III 3 GG muss die Mehrheit der Anteile an solchen Unternehmen beim Bund verbleiben; zudem bedarf es zur Veräußerung von Anteilen eines Gesetzes. b) Zur Interpretation des Art. 87e III 2 – 4 GG Der kompromisshafte Charakter der Regelung und der Zeitdruck, unter dem die Bahnstrukturreform zustande kam, sind wohl für die sprachlichen Hürden180 des Art. 87e III 2 und 3 GG verantwortlich. Insbesondere bleibt der spezifische Aussagegehalt des Art. 87e III 2 GG unklar, der festlegt, dass bestimmte Eisenbahnen des Bundes im Eigentum des Bundes stehen. Aus der Legaldefinition des Art. 73 I Nr. 6a GG ergibt sich aber bereits zwingend, dass Eisenbahnen des Bundes zumindest im Mehrheitseigentum des Bundes stehen müssen181. Mehr als das Mehrheitseigentum des Bundes will aber auch Art. 87e III GG nicht festschreiben, wie sich aus Satz 3 ergibt. Ungeachtet dieser sprachlichen Ungenauigkeiten, lässt sich der Sinngehalt des Art. 87e III 2 – 4 GG aber aus dem Zusammenspiel der einzelnen Sätze durchaus bestimmen. Der Bund ist zunächst Eigentümer der Eisenbahnunternehmen, die sich mit dem Bau, der Unterhaltung und dem Betreiben von Schienenwegen beschäftigen. Er kann zwar Anteile an diesen Unternehmen veräußern, muss aber selbst Mehrheitseigentümer bleiben. Zudem erfordert ein Verkauf von Anteilen ein förmliches Bundes177
BT-Drucks. 12/5015, S. 16. BT-Drucks. 12/6280. 179 Vgl. auch die Begründung zur Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BTDrucks. 12/6280, S. 8, in der es zu Art. 87e III GG heißt, er stelle „einen Ausgleich zur Forderung des Bundesrates dar, das Eigentum an Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes beim Bund zu belassen“. 180 Ähnlich Gersdorf, Art. 87e, Rn. 37; Wilkens, Wettbewerbsprinzip, S. 43. Vgl. auch Möstl, Grundweichenstellungen, S. 833 (834), der von einer „kompliziert geratenen Norm“ spricht, die „eine Fülle von Auslegungsschwierigkeiten aufwirft“; Kämmerer, Privatisierung, S. 312, der die Formulierung für ein Redaktionsversehen hält; vgl. weiterhin M. Brenner, AöR 120, 248 ff., der die neuartige Technizität des Verfassungsrechts auch anhand des Art. 87e GG beleuchtet. 181 Vgl. dazu oben, § 6 A. I. 178
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gesetz mit Zustimmung des Bundesrates (vgl. Art. 87e V 1 GG). Die nähere Ausgestaltung der Organisation der Eisenbahnen des Bundes steht im Übrigen im Ermessen des einfachen Gesetzgebers. Die Verfassung unterscheidet folglich in Art. 87e III 2 und 3 GG zwei Arten von Eisenbahnunternehmen des Bundes: die sog. Eisenbahninfrastrukturunternehmen und die Eisenbahnverkehrsunternehmen182. Eisenbahninfrastrukturunternehmen sind solche, die sich mit dem Bau, der Unterhaltung und dem Betreiben von Schienenwegen befassen183. Dabei genügt es, wenn eine der drei aufgezählten Tätigkeiten zum Unternehmensgegenstand gehört, außerdem muss sich die Unternehmenstätigkeit nicht auf diese Bereiche beschränken. Ein Eisenbahnunternehmen, das sowohl Schienenwege betreibt als auch Eisenbahnverkehrsleistungen anbietet, unterfällt demzufolge dem Vorbehalt des Art. 87e III 3 GG.184 Die Beschränkungen, die Art. 87e III 3 GG für solche Unternehmen aufstellt, beziehen sich auf die Möglichkeiten einer materiellen Privatisierung (sog. Schienenwegevorbehalt). Der Gesetzesvorbehalt für mögliche Anteilsveräußerungen stellt dafür eine formelle Schranke dar. Die Formulierung „auf Grund eines Gesetzes“ ist dabei nicht in dem Sinne zu verstehen, dass eine Rechtsverordnung ausreichend wäre. Vielmehr soll dadurch nur ausgedrückt werden, dass Grundlage für den dann folgenden privatrechtlichen Vorgang der Anteilsveräußerung ein formelles Gesetz sein muss.185 Die entsprechende Gesetzgebungskompetenz folgt aus Art. 87e III 4 GG, der dem allgemeineren Art. 73 I Nr. 6a GG vorgeht186. Zweifelhaft ist in diesem Zusammenhang, ob der Gesetzesvorbehalt auch für eine Veränderung der Eigentumsverhältnisse durch Kapitalaufstockung gilt. Zum Teil wird diese Frage in Anbetracht des damit zusammenhängenden Autonomieverlustes für das entsprechende Unternehmen verneint.187 Sinn und Zweck des Gesetzesvorbehalts – nämlich die Entscheidung über den Umfang einer privaten Beteiligung an den Infrastrukturunternehmen dem Parlament vorzubehalten – sprechen aber wohl eher für eine Unzulässigkeit der Veränderung von Eigentumsverhältnissen durch Kapitalaufstockung ohne ein entsprechendes Gesetz.
182 Dieser Differenzierung liegt die Unterscheidung der Dienstleistungsbereiche Netz und Verkehr zu Grunde, siehe K. Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Art. 87e, Rn. 5; Möstl, Grundweichenstellungen, S. 833 (846); Wilkens, Wettbewerbsprinzip, S. 35. 183 Zur Interpretation dieser Begrifflichkeiten siehe Gersdorf, Art. 87e, Rn. 55; Windthorst, Art. 87e, Rn. 51; Möstl, Art. 87e, Rn. 176; vgl. auch P. Hommelhoff / E. Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 521 (549 f.). Sehr ausführlich zu dieser Frage auch Pommer, Bahnreform und Enteignung, S. 102 ff. 184 Möstl, Art. 87e, Rn. 176. 185 Argumentum e Art. 87e III 4 GG, siehe Uerpmann, Art. 87e, Rn. 13; Möstl, Art. 87e, Rn. 177; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 56. 186 Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 58; Möstl, Art. 87e, Rn. 177; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 56; Windthorst, Art. 87e, Rn. 52. 187 So Gersdorf, Art. 87e, Rn. 56; ihm folgend Möstl, Art. 87e, Rn. 177.
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Neben dieser formellen Schranke für eine Kapitalprivatisierung von Eisenbahninfrastrukturunternehmen beinhaltet Art. 87e III 3 GG die materielle Beschränkung, dass der Bund Mehrheitseigentümer dieser Unternehmen bleiben muss. Er ist also verpflichtet, mehr als 50 % der Unternehmensanteile zu halten. Sinn dieser Regelung ist es, dem Bund einen beherrschenden Einfluss im Unternehmen zu gewährleisten188. Dafür spricht die Entstehungsgeschichte der Vorschrift und insbesondere die Tatsache, dass die Pflicht des Bundes, Mehrheitseigentümer zu bleiben, als Kompensation für die Forderung des Bundesrates, das Schienennetz ganz in Staatseigentum zu belassen, diente189. Einen beherrschenden Einfluss wird der Bund aber nur dann ausüben können, wenn er neben der Anteilsmehrheit auch über eine Stimmrechtsmehrheit im Unternehmen verfügt, sodass eine Anteilsmehrheit ohne gleichzeitige Stimmrechtsmehrheit als verfassungswidrig eingestuft werden müsste190. Ebenfalls über das Erfordernis eines beherrschenden Einflusses des Bundes ist die Frage zu beantworten, inwiefern Schachtelbeteiligungen die Voraussetzungen des Art. 87e III 3 GG erfüllen können. Eine über Schachtelbeteiligungen vermittelte Anteilsmehrheit ist deswegen nicht von vornherein verfassungswidrig191. Es muss in einem solchen Fall aber ein besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, dass trotz einer solchen Konstellation der beherrschende Einfluss des Bundes gewährleistet bleibt.192 Die Vorschrift des Art. 87e III 3 GG mit ihrer formellen und materiellen Beschränkung stellt ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB dar. Demzufolge sind privatrechtliche Rechtsgeschäfte, die gegen die Veräußerungsbeschränkungen ver-
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Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Booz Allen Hamilton – Privatisierungsvarianten der Deutschen Bahn AG „mit und ohne Netz“, S. 112, im Internet abrufbar unter (Stand: 10. Januar 2008); D. Ehlers, Die verfassungsmäßige Beurteilung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes, Rechtsgutachten, S. 27 f.; S. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 147; J. Masing, Rechtsgutachten zur Verfassungsmäßigkeit des Entwurfs des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung für ein Gesetz zur Neuordnung der Eisenbahnen des Bundes, S. 15; C. Möllers / C. Schäfer, Verfassungs- und bilanzrechtliche Prüfung des Gesetzentwurfs „Kapitalprivatisierung Deutsche Bahn AG“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Rechtsgutachten, S. 17. Siehe im Folgenden unten, § 13 C. I. 189 BT-Drucks. 12/6280, S. 8. 190 So F. Brosius-Gersdorf, DÖV 2002, 275 (279); Möstl, Art. 87e, Rn. 146; Uerpmann, Art. 87e, Rn. 14; Storr, Staat als Unternehmer, S. 147; Vesting, Art. 87e, Rn. 46; Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 35. 191 E. Schmidt-Aßmann / C. Röhl, DÖV 1994, 577 (582); Gersdorf, Art. 87e, Rn. 57; Windthorst, Art. 87e, Rn. 50; Uerpmann, Art. 87e, Rn. 14. 192 Vgl. Möstl, Art. 87e, Rn. 146; Windthorst, Art. 87e, Rn. 50; Masing, Rechtsgutachten, S. 18 ff.; Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 14 f.; Ehlers, Rechtsgutachten, S. 27 ff. Siehe im Folgenden unten, § 13 C. I.
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stoßen, nichtig. Für öffentlich-rechtliche Verträge gilt dies gem. § 134 BGB i.V.m. § 59 I VwVfG ebenfalls.193 Zur materiellen Privatisierung derjenigen Eisenbahnunternehmen, die nicht zu den Eisenbahninfrastrukturunternehmen gehören (die sog. Eisenbahnverkehrsunternehmen), trifft Art. 87e III GG keine explizite Aussage. Im Umkehrschluss kann allerdings gefolgert werden, dass es für Anteilsveräußerungen in diesem Fall weder eines förmlichen Gesetzes bedarf, noch eine quantitative Begrenzung der veräußerlichen Anteile besteht194. Umgekehrt enthält Art. 87e III GG aber auch keine Verpflichtung des Bundes zur Kapitalprivatisierung dieser Unternehmen195. III. Der Gewährleistungsauftrag gem. Art. 87e IV GG Gem. Art. 87e IV 1 GG muss der Bund gewährleisten, dass dem Wohl der Allgemeinheit und insbesondere den Verkehrsbedürfnissen beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten Rechnung getragen wird. Ausgenommen ist von dieser Verpflichtung lediglich der Schienenpersonennahverkehr. Dieser sog. Gewährleistungsauftrag wurde ebenfalls auf Bestreben des Bundesrates und unter Vermittlung des Rechtsausschusses in die Verfassung aufgenommen196. Während der ursprüngliche Entwurf der Bundesregierung keine vergleichbare Regelung enthielt, entspricht der heutige Art. 87e IV 1 GG im Wesentlichen der vom Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf vorgeschlagenen Formulierung197. Im Gegensatz zu der Frage des Bundeseigentums am Schienennetz konnte sich der Bundesrat in dieser Frage also fast vollständig durchsetzen. Aus den Materialien geht hervor, dass die Gewährleistungsklausel unter anderem die Funktion erfüllen sollte, während der Übergangszeit der Bahnreform staatlich sicherzustellen, dass eine gewisse Grundversorgung in jedem Falle gewährleistet bleibt. Man befürchtete vor allem sprunghafte Verkehrsverlagerungen auf andere
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Windthorst, Art. 87e, Rn. 56; Möstl, Art. 87e, Rn. 177. Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 68; Uerpmann, Art. 87e, Rn. 13; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 58; Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 75; Wieland, Art. 87e, Rn. 27. Möstl, Art. 87e, Rn. 105 ff. ist grundsätzlich ebenfalls dieser Ansicht, verlangt aber die Beachtung bestimmter Maßgaben bei einer Kapitalprivatisierung. 195 E. Schmidt-Aßmann / C. Röhl, DÖV 1994, 577 (582); Windthorst, Art. 87e, Rn. 55; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 60; Möstl, Art. 87e, Rn. 110; H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 (252 mit Fn. 42); Kämmerer, Privatisierung, S. 314 f.; Homeister, Öffentliche Aufgabe, S. 154 f. A.A. offenbar M. Ronellenfitsch, DVBl. 2008, 201 (207), der von einem Verfassungsauftrag zur Fortführung der Bahnreform, d. h. zur Anteilsveräußerung, ausgeht. 196 Vgl. BT-Drucks. 12/5015, S. 11; 12/6280, S. 8. 197 BT-Drucks. 12/5015, S. 11, dort als Entwurf für einen Art. 87e IV 2 GG. 194
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Verkehrsträger und dadurch einen weiteren Bedeutungsverlust der Eisenbahnen, der ja durch die Bahnreform gerade verhindert werden sollte.198 1. Rechtsnatur Wie Schmidt-Aßmann / Röhl in ihrer Untersuchung überzeugend feststellen, handelt es sich bei der Gewährleistungsklausel des Art. 87e IV 1 GG um eine verfassungssystematische Besonderheit199. Nur für sehr wenige Bereiche der Daseinsvorsorge finden sich nämlich ähnliche Gewährleistungspflichten des Bundes – vergleichbar ist im Grunde nur der in Art. 87 f I GG postulierte Auftrag für die Bereiche des Postwesens und der Telekommunikation200. Aus der Tatsache, dass die Verfassung eine solche Pflicht für das Eisenbahnwesen aufstellt, während für andere – zum Teil wichtigere – Bereiche der Daseinsvorsorge keine solche Aufgabe des Bundes besteht, kann aber weder gefolgert werden, dass Art. 87e IV 1 GG nur einen unverbindlichen Programmsatz darstellt201, noch dass seine zeitliche Geltungsdauer von vornherein begrenzt ist202. Für die rechtliche Bindungskraft der Norm spricht, neben der Entstehungsgeschichte203, die Vergleichbarkeit mit Art. 87 f I GG204, der unstrittig rechtliche Verbindlichkeit besitzt205. In Anbetracht dieser Überlegungen wird der Gewährleistungs-
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BT-Drucks. 12/5015, S. 11. E. Schmidt-Aßmann / C. Röhl, DÖV 1994, 577 (584). 200 Siehe dazu bspw. Pieroth, Art. 87 f, Rn. 4 f.; Hömig, Art. 87 f, Rn. 2 f.; Gersdorf, Art. 87 f, Rn. 7 ff.; P. Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Band V, Art. 87 f (1996), Rn. 71 ff.; Windthorst, Art. 87 f, Rn. 8 ff.; Menges, Rechtsgrundlagen, S. 69 f.; Wieland, Art. 87 f, Rn. 17 ff.; J. Teumer, Die Auswirkungen der Postreformen auf das materielle Strafrecht des StGB, S. 9 ff. Von der Existenz einer staatlichen Gewährleistungsverantwortung auch für den Bereich der Stromversorgung geht Ruge, Gewährleistungsverantwortung, S. 219 ff., aus. 201 So wohl aber G. Fromm, Internationales Verkehrswesen 46 (1994), 97 (101 f.). 202 In diese Richtung E. Schmidt-Aßmann / C. Röhl, DÖV 1994, 577 (584); B. Metzler, Die Privatisierung von Personenbahnhöfen, S. 123 f. Wie hier Wieland, Art. 87e, Rn. 33; R. Wolf, KJ 2003, 192 (203); Ruge, Art. 87e, Rn. 6; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 69; Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 128 ff.; Storr, Staat als Unternehmer, S. 147; Hömig, Art. 87e, Rn. 9; Umbach, Art. 87e, Rn. 25; Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 77; Windthorst, Art. 87e, Rn. 58; Schulz, Eisenbahnwesen, S. 98; L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung des ÖPNV, S. 46 f. 203 Siehe dazu § 6 B. II. 2. a). Das Anliegen des Bundesrates, eine wirksame Absicherung der Stellung der Eisenbahnen insbesondere während der Übergangsphase zu gewährleisten, hätte wohl kaum durch einen unverbindlichen Programmsatz verwirklicht werden können. 204 Die Art. 87e IV und 87 f I GG wurzeln laut P. Lerche, Infrastrukturelle Verfassungsaufträge (zu Nachrichtenverkehr, Eisenbahnen), in: FS Friauf, S. 251 (251 f.), „in einem gemeinsamen Verfassungsboden“. 205 Möstl, Art. 87e, Rn. 181 m.w.N. 199
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auftrag des Art. 87e IV 1 GG ganz überwiegend als Staatszielbestimmung eingeordnet, die zwar keine subjektiven Rechte begründet, aber objektiv verpflichtend ist206. 2. Normadressat Adressat der in Art. 87e IV 1 GG statuierten Verpflichtung ist dem Wortlaut entsprechend allein der Bund. Dies entspricht der in Art. 87e III 1 GG getroffenen Grundsatzentscheidung für eine formelle Privatisierung und eine Privatwirtschaftlichkeit der Eisenbahnunternehmen, der es zuwiderliefe, diese in eine Gemeinwohlverpflichtung einzubeziehen. Zu Rückwirkungen des Gewährleistungsauftrages auf die privatwirtschaftlichen Eisenbahnunternehmen kommt es aber dann, wenn der Bund im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung – mit welchen Mitteln auch immer – auf die Unternehmen einwirkt.207 Inwiefern er dabei aufgrund des Art. 87e III 1 GG Beschränkungen unterliegt, soll an späterer Stelle208 behandelt werden. 3. Gewährleistungsgegenstand und -umfang a) Bezugspunkte und inhaltliche Ausgestaltung Was den genauen Gegenstand und Umfang des Gewährleistungsauftrages des Bundes aus Art. 87e IV 1 GG angeht, ist zunächst festzustellen, dass dieser – ähnlich dem Absatz III – zwischen Schienennetz209 und Verkehrsangeboten unterscheidet. Der Bund soll gewährleisten, dass in diesen beiden Bereichen dem Wohl der Allgemeinheit210 und insbesondere den Verkehrsbedürfnissen Rechnung getragen wird. Weil die Verfassung kein konkretes Niveau einer Minimalversorgung vorgibt, wird es als Aufgabe des Gesetzgebers angesehen, den Umfang der erforderlichen Grundversorgung zu bestimmen. Dabei steht ihm grundsätzlich eine Einschätzungsprärogative zu.211 Justiziabel sind daher in erster Linie Abwägungsfehler212. In die Abwä206 Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 76 f.; Möstl, Art. 87e, Rn. 182; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 69; Windthorst, Art. 87e, Rn. 62. Vgl. auch Ruge, Art. 87e, Rn. 6; Uerpmann, Art. 87e, Rn. 16; Hermes, in: Hermes / Sellner, AEG, Einf D, S. 87. Wilkens, Wettbewerbsprinzip, S. 59 ff., hingegen ordnet die Norm als „Einrichtungsgarantie mit betont normativer Ausrichtung“ ein. Arnold, Sicherstellungsgebot, S. 33 (39 ff.), wiederum stuft Art. 87e IV GG weitergehend als konkrete verfassungsrechtliche Verpflichtung mit subjektiver Berechtigung der Länder ein. 207 Vgl. dazu Möstl, Art. 87e, Rn. 84. 208 Siehe dazu § 6 B. III. 4. c). 209 Zum Begriff „Schienennetz“, insbesondere in Abgrenzung zu „Schieneninfrastruktur“ siehe Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 102 ff. 210 Zum Begriff „Allgemeinwohl“ siehe Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 110 ff. m.w.N. 211 Möstl, Art. 87e, Rn. 182; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 70; Windthorst, Art. 87e, Rn. 64; E. Schmidt-Aßmann / C. Röhl, DÖV 1994, 577 (585); vgl. auch Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 137.
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gung hat der Bund das Wohl der Allgemeinheit und dabei insbesondere die Verkehrsbedürfnisse einzubeziehen. Die „Verkehrsbedürfnisse“ werden dabei zum Teil als nachweisbare Nachfrage nach Eisenbahndienstleistungen definiert213, wobei dieser Definition entgegenzuhalten ist, dass die Nachfrage nach diesen Dienstleistungen gerade auch maßgeblich davon abhängt, in welchem Umfang der Bund seinem Gewährleistungsumfang nachkommt und zum Beispiel durch die Bestellung einzelner Verkehrsangebote den Preis für bestimmte Leistungen beeinflusst214. Jedenfalls kann die Verpflichtung des Bundes aber nicht mehr so weit reichen wie der aufgabenrechtliche Gehalt des alten Art. 87 I 1 GG, denn durch die Bahnstrukturreform sollte ja gerade das privatwirtschaftliche Agieren im Wettbewerb gestärkt werden. In ein solches Konzept würde es aber nicht passen, die staatlichen Pflichten, die aus Art. 87 I 1 GG a.F. erwuchsen, einfach in die neue Gestalt des Art. 87e IV 1 GG zu kleiden und inhaltlich zu perpetuieren.215 Wenn in Art. 87e IV 1 GG davon die Rede ist, dass den Verkehrsbedürfnissen „Rechnung getragen“ werden soll, ist darunter so viel zu verstehen wie „berücksichtigen“216. Dabei wird die Pflicht des Bundes insofern reduziert, als dass er nicht ausschließlich auf die Verkehrsbedürfnisse Rücksicht nehmen soll, sondern in erster Linie auf das Wohl der Allgemeinheit, das auch den Verkehrsbedürfnissen diametral entgegengesetzte Belange beinhalten kann217. Dabei auftretende Zielkonflikte sind im Wege der praktischen Konkordanz auszugleichen, wobei den Verkehrsbedürfnissen aufgrund ihrer expliziten Erwähnung ein besonderes Gewicht zukommt218. Wie oben bereits angesprochen gilt der Gewährleistungsauftrag des Bundes aus Art. 87e IV 1 GG sowohl für die Verkehrsangebote als auch für die Eisenbahninfrastruktur. Während die Verkehrsangebote von Natur aus einer ständigen Veränderung unterliegen, ist dies beim Streckennetz nur begrenzt der Fall. Außerdem knüpft der
212
Vgl. Möstl, Art. 87e, Rn. 183. Windthorst, Art. 87e, Rn. 63; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 67. 214 Möstl, Art. 87e, Rn. 184. 215 Vgl. E. Schmidt-Aßmann / C. Röhl, DÖV 1994, 577 (584); Möstl, Art. 87e, Rn. 184; vgl. auch Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 134. A.A. S. Sommer, Staatliche Gewährleistung im Verkehrs-, Post- und Telekommunikationsbereich: zur Interpretation der Gewährleistungsnormen der Art. 87e IV und 87 f I GG im System verfassungsrechtlicher Leistungspflichten, S. 71; Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 79. Zum Begriff der Gewährleistungsverantwortung und insbesondere zum Übergang von der Erfüllungs- zur Gewährleistungsverantwortung siehe R. Ruge, AöR 131, 1 (11 f.). Zur Unterscheidung zwischen Gewährleistungsverantwortung und Daseinsvorsorge siehe Hermes, Infrastrukturverantwortung, S. 336 ff. 216 Pommer, Bahnreform und Enteignung, S. 133 f.; Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 121. A.A. Wilkens, Wettbewerbsprinzip, S. 59. 217 Gersdorf, Art. 87e, Rn. 67; Uerpmann, Art. 87e, Rn. 16a; Möstl, Art. 87e, Rn. 183; siehe auch Lerche, Verfassungsaufträge, S. 251 (257); Hermes, in: Hermes / Sellner, AEG, Einf D, S. 88 f. 218 Windthorst, Art. 87e, Rn. 63; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 67. 213
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Verfassungstext mit der Formulierung „Ausbau und Erhalt219 des Schienennetzes“ unmittelbar an die existierende Infrastruktur an und enthält damit für diesen Bereich eine konkretere Bestimmung als bezüglich der ebenfalls zu gewährleistenden Verkehrsangebote220. Wenn von „Erhalt“ des Schienennetzes die Rede ist, so kann damit allerdings nicht gemeint sein, dass jegliche Streckenstilllegungen unzulässig wären221. Dies zeigt Art. 87e V 2 GG und dagegen spricht insbesondere die Überlegung, dass es Teil des Reformkonzepts war, die Verantwortung für Unterhaltung und Instandsetzung des Streckennetzes in die Hände der privatwirtschaftlichen Eisenbahngesellschaften zu übertragen222. Andererseits schließt die Formulierung in Art. 87e IV 1 GG aber die Zulässigkeit einer massiven Verkleinerung des Schienennetzes aus und zielt eher auf Verbesserung und Vergrößerung des Netzes, wobei unter „Ausbau“ auch der Streckenneubau zu fassen ist223. Der Gewährleistungsauftrag des Art. 87e IV 1 GG ist damit für den Infrastrukturbereich umfassender und konkreter formuliert als für den Verkehrsbereich. b) Gewährleistungszeitraum Auffällig ist, dass sich die Gewährleistungsverantwortung dem Wortlaut der Norm nach nur auf die Eisenbahnen des Bundes bezieht – also jene, die im Mehrheitseigentum des Bundes stehen224. Wegen der Privatisierungsbeschränkung in Art. 87e III 3 GG hat diese Begrenzung für Eisenbahninfrastrukturunternehmen keine Bedeutung. Der Bund ist verpflichtet, das Mehrheitseigentum an diesen Unternehmen auf Dauer zu halten, sodass sie „Eisenbahnen des Bundes“ bleiben. Für die Eisenbahnverkehrsunternehmen besteht eine solche Privatisierungsbegrenzung hingegen nicht, sodass der Bund – jedenfalls aus Art. 87e III GG – nicht gehindert wäre, seine Anteilsmehrheit zu veräußern, mit der Folge, dass es sich dann nicht mehr um Eisenbahnen des Bundes handeln würde.225 Prekär ist aufgrund dieses Umstands, ob in einem solchen Falle mit dem Mehrheitseigentum auch die Gewährleistungsverantwortung des Bundes für die Verkehrsangebote gem. Art. 87e IV 1 GG entfallen würde.
219 Zur Auslegung dieser Begriffe ausführlich Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 107 ff. 220 Wilkens, Wettbewerbsprinzip, S. 54; vgl. auch Uerpmann, Art. 87e, Rn. 16b; Möstl, Art. 87e, Rn. 185. 221 W. Spoerr, DVBl. 1997, 1309 (1310); Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 108; Windthorst, Art. 87e, Rn. 64; Uerpmann, Art. 87e, Rn. 16b; Möstl, Art. 87e, Rn. 185; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 67; Lerche, Verfassungsaufträge, S. 251 (257). 222 Wilkens, Wettbewerbsprinzip, S. 54 f. 223 Uerpmann, Art. 87e, Rn. 16b; Wilkens, Wettbewerbsprinzip, S. 54; Möstl, Art. 87e, Rn. 185; vgl. auch Sommer, Staatliche Gewährleistung, S. 75 ff. 224 Zum Begriff vgl. § 6 A. I. 225 Vgl. dazu § 6 B. II. 2. b).
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Diese Frage wird in der Literatur zum Teil bejaht226, wenngleich auch unter Hinweis darauf, dass ein solches Ergebnis verfassungspolitisch nicht überzeugen kann, aber de constitutione lata nicht zu ändern sei227. Gegen diese Ansicht wird angeführt, dass eine solche Interpretation des Art. 87e IV 1 GG die fortbestehende Gewährleistungsverantwortung für die Eisenbahninfrastruktur aushöhlen würde228. Zum Teil wird auch angenommen, der Verfassungsgeber sei sich der Konsequenz des Wegfalls des Gewährleistungsauftrags bei Veräußerung der Anteilsmehrheit an Eisenbahnverkehrsunternehmen gar nicht bewusst und ein solcher Wegfall sei demzufolge nicht gewollt gewesen229. Bei aller Divergenz der Ansichten besteht jedenfalls Einigkeit darüber, dass Art. 87e IV 1 GG keine implizite Privatisierungsschranke in dem Sinn enthalten kann, dass der Bund aufgrund der dargestellten Problematik grundsätzlich gehindert wäre, das Mehrheitseigentum an Eisenbahnverkehrsunternehmen aufzugeben. In Anbetracht der ausdrücklichen Privatisierungsbegrenzung in Art. 87e III 3 GG, die explizit auf Infrastrukturunternehmen beschränkt ist, kann dem Verfassungsgeber nicht unterstellt werden, er habe durch Art. 87e IV 1 GG eine implizite Schranke auch für Eisenbahnverkehrsunternehmen normieren wollen.230 Wäre dies seine Absicht gewesen, so wäre eine entsprechende Regelung sicherlich in Art. 87e III GG erfolgt. Schmidt-Aßmann / Röhl wollen die Absätze III und IV des Art. 87e GG durch eine Interpretation harmonisieren, die den Gewährleistungsauftrag als Übergangsrecht für die Phase der Privatisierung einstuft. Daraus soll sich ergeben, dass der Bund vor der Veräußerung des Mehrheitseigentums zur Überprüfung verpflichtet sein soll, ob auch ohne seine Eigentümerstellung ein hinreichendes Verkehrsangebot gewährleistet bleiben wird. Führe die dementsprechende Analyse zu einem positiven Ergebnis, so solle Art. 87e IV GG einer Veräußerung nicht im Wege stehen und der Bund könne sich seiner Gewährleistungsverantwortung bezüglich des Verkehrsangebotes entziehen.231 Wie bereits erwähnt232, stellt Art. 87e IV 1 GG aber keineswegs ledig226 E. Schmidt-Aßmann / C. Röhl, DÖV 1994, 577 (584); Hermes, Infrastrukturverantwortung, S. 180; Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 81 f.; Möstl, Art. 87e, Rn. 188; F. Brosius-Gersdorf, DÖV 2002, 275 (281); Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 77 f.; Windthorst, Art. 87e, Rn. 61. 227 Gersdorf, Art. 87e, Rn. 65 f. 228 Uerpmann, Art. 87e, Rn. 17; Homeister, Öffentliche Aufgabe, S. 82. Gegen ein Entfallen der Gewährleistungsverantwortung bei Veräußerung der Mehrheit der Anteile an Eisenbahnverkehrsunternehmen auch Arnold, Sicherstellungsgebot, S. 33 (35 f.), der dies aber schlicht mit der eminenten Bedeutung und der Qualifizierung des Schienenpersonenverkehrs als essentielle Staatsaufgabe begründet. 229 Sommer, Staatliche Gewährleistung, S. 81. 230 Vgl. Pommer, Bahnreform und Enteignung, S. 101; Uerpmann, Art. 87e, Rn. 17; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 59; im Ergebnis ebenso Grohn, Leistungsfähigkeit, S. 119. 231 E. Schmidt-Aßmann / C. Röhl, DÖV 1994, 577 (582). Im Anschluss daran ebenso oder im Ergebnis ähnlich Wilkens, Wettbewerbsprinzip, S. 187; Möstl, Art. 87e, Rn. 108; Wieland, Art. 87e, Rn. 33; Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 136 f. 232 Siehe oben, § 6 B. III. 1. mit den entsprechenden Nachweisen.
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lich eine Übergangsvorschrift für die Zeit bis zur materiellen Privatisierung dar. Die Vorschrift sollte zwar insbesondere während des Übergangs Belange des Gemeinwohls wahren233, war aber nicht von vornherein darauf angelegt, später ihre Bedeutung zu verlieren, auch nicht bezüglich des Verkehrsbereichs. Vielmehr liegt der Sinn und Zweck der Gewährleistungsklausel darin, eine gewisse Grundversorgung der Bevölkerung mit Eisenbahninfrastruktur und -verkehrsangeboten sicherzustellen234. Dies kann aber nur erreicht werden, insofern die Verpflichtung des Art. 87e IV 1 GG auch dann gilt, wenn der Bund das Mehrheitseigentum an Eisenbahnverkehrsunternehmen veräußert hat. Weiterhin knüpfte zwar auch schon der ursprüngliche Formulierungsvorschlag des Bundesrates, der eine Gewährleistungsklausel überhaupt erst in die Diskussion brachte, an den Begriff „Eisenbahnen des Bundes“ an235. Es darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass der Bundesrat selbst dafür plädierte, nicht auf die Eigentumsverhältnisse als Definitionsmerkmal für diesen Begriff abzustellen236. Es kann deshalb jedenfalls nicht völlig ausgeschlossen werden, dass sich der Verfassungsgeber der Konsequenz des teilweisen Wegfalls der Gewährleistungsverpflichtung im Falle der Anteilsmehrheitsveräußerung nicht bewusst war und es sich insofern um ein Redaktionsversehen handelt237. Das entscheidende Argument ist aber vielmehr darin zu sehen, dass die Gewährleistungspflicht für die Infrastruktur, der sich der Bund aufgrund der Privatisierungssperre in Art. 87e III 3 GG nicht entziehen kann, ohne ein korrespondierendes Verkehrsangebot keinen Sinn ergibt. Das schönste Streckennetz nutzt nichts, wenn darauf nur einmal im Monat ein Zug verkehrt. Die Verpflichtung des Bundes bezüglich der Infrastruktur darf aber durch die Veräußerung der Eisenbahnverkehrsunternehmen nicht auf diese Weise ausgehöhlt werden238. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Gewährleistungsauftrag des Bundes hinsichtlich der Verkehrsangebote dauerhaft und auch dann gilt, wenn es sich nicht mehr um Eisenbahnen des Bundes i.S.d. Art. 73 I Nr. 6a GG handelt239. Wie er dieser Verpflichtung nachkommt – mittels Eisenbahnen des Bundes oder durch externe Einflussnahme auf materiell „fremde“ Bahnunternehmen – bleibt dabei ihm selbst überlassen240.
233
Siehe BT-Drucks. 12/5015, S. 11. C. Heinze, BayVBl. 1994, 266 (269); Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 76; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 67; Windthorst, Art. 87e, Rn. 58; Lerche, Verfassungsaufträge, S. 251 (257). 235 BT-Drucks. 12/5015, S. 11. 236 BT-Drucks. 12/5015, S. 9 f. 237 So Sommer, Staatliche Gewährleistung, S. 81. 238 Uerpmann, Art. 87e, Rn. 17; Homeister, Öffentliche Aufgabe, S. 82. 239 Im Ergebnis ebenso Wieland, Art. 87e, Rn. 33. Gegen eine zeitliche Begrenzung der Verpflichtungen aus Art. 87e IV GG in dieser Richtung auch Vesting, Art. 87e, Rn. 57; Arnold, Sicherstellungsgebot, S. 33 (35 f.). 240 Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 122 f.; Uerpmann, Art. 87e, Rn. 17. 234
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4. Mittel zur Umsetzung des Gewährleistungsauftrages, insbesondere die Beteiligungsverwaltung Nach dem Versuch der Bestimmung des Inhalts der Gewährleistungsverantwortung des Bundes stellt sich im Anschluss die Frage, welcher Mittel er sich zur Aufgabenerfüllung bedienen kann oder ggf. sogar muss. Das Privatisierungsgebot und die Grundentscheidung des Art. 87e III 1 GG, Eisenbahnunternehmen fortan einer kaufmännischen Entscheidungsrationalität zu unterwerfen241, verpflichten den Bund, seinen Gemeinwohlauftrag mit weitestgehend privatwirtschaftskonformen Mitteln zu erfüllen242. In Betracht kommen insofern vor allem hoheitliche Regulierungen des Eisenbahnbereichs sowie Planungs- und Finanzierungsmittel243. Weiterhin besteht die Möglichkeit einer Einwirkung des Bundes im Rahmen seiner Eigentümerstellung (sog. Beteiligungsverwaltung). Er könnte die ihm aufgrund seiner Kapitalanteile zustehenden Stimmrechte nutzen, um den Gemeinwohlauftrag des Art. 87e IV 1 GG zu erfüllen. Die Zulässigkeit einer solchen Einwirkungsmöglichkeit, ihre Herleitung und Grenzen sind höchst umstritten244. a) Im Allgemeinen: Das Institut der Einwirkungspflicht Das Institut der Einwirkungspflicht wurde ursprünglich vor allem für kommunale öffentliche Unternehmen entwickelt. Ihm liegt die Überlegung zugrunde, dass die Übertragung öffentlicher Aufgaben durch Hoheitsträger auf private Organisationsformen die Gefahr des Verlusts von Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten mit sich bringt. Rechtsstaats- und Demokratieprinzip stehen aber einer solchen „Flucht ins Privatrecht“ entgegen. Aus dem Demokratieprinzip wird weiterhin abgeleitet, dass die Verwaltungsspitze als demokratisch legitimiertes Organ über ausreichende Kontrollrechte über alle Bestandteile der Verwaltung, zu der auch die öffentlichen Unternehmen zählen, verfügen muss. Um diesen Grundsätzen auch im Bereich organisationsprivatisierter öffentlicher Unternehmen Geltung zu verschaffen, muss folglich auf diese im Rahmen der Eigentümerstellung so eingewirkt werden, dass die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen sichergestellt wird.245
241
Siehe dazu § 6 B. II. 1. P. Hommelhoff / E. Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 521 (552); Windthorst, Art. 87e, Rn. 66. 243 Vgl. dazu die Darstellung bei Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 83 ff., 139 f.; Möstl, Art. 87e, Rn. 83 ff. 244 Zum Streitstand Wilkens, Wettbewerbsprinzip, S. 120 ff. m.w.N. 245 G. Püttner, DVBl. 1975, 353 (353 ff.). Allgemein zum Institut der Einwirkungspflicht siehe weiterhin W. Spannowsky, ZGR 1996, 400 ff.; G. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen (1985), S. 235 ff.; H. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratie- und Wirtschaftlichkeitsprinzip, S. 223 ff. Vgl. auch Storr, Staat als Unternehmer, S. 67 f. 242
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b) Im Besonderen: Anwendbarkeit im Rahmen des Art. 87e GG? Es stellt sich also die Frage, inwiefern das Institut der Einwirkungspflicht, mit dem notwendigerweise ein korrespondierendes Einwirkungsrecht des Bundes einhergehen müsste, für die Eisenbahnunternehmen fruchtbar gemacht werden kann. Eines Rückgriffs auf diese Rechtsfigur bedürfte es aber dann nicht, wenn die Verfassung selbst für den Eisenbahnbereich in Art. 87e GG speziellere und dem allgemeineren Grundsatz der Einwirkungspflicht damit vorgehende Regeln für die Bestimmung der Rechte und Pflichten des Bundes als Eigentümer der Eisenbahnunternehmen enthalten würde246. Die Besonderheit des Art. 87e GG im Vergleich zur Masse der übrigen organisationsprivatisierten staatlichen Unternehmen ist schon darin zu erblicken, dass die privatrechtliche Rechtsform hier nicht lediglich zulässig, sondern von Verfassungs wegen zwingend vorgeschrieben ist. Die oben beschriebenen Risiken einer formellen Privatisierung ist hier also der Verfassungsgeber selbst eingegangen – und hat deswegen auch eigens in Art. 87e IV GG dafür Sorge getragen, dass sich der Bund seiner Verantwortung für das Gemeinwohl nicht vollends entziehen kann. Der Art. 87e GG mit seiner „differenzierten Systematik zwischen Distanz und Nähe“247 von Eisenbahnunternehmen und Staat ist deswegen als lex specialis gegenüber dem Institut der Einwirkungspflicht einzustufen248. Inwiefern der Bund berechtigt oder gar verpflichtet ist, dem Gemeinwohlauftrag auch im Rahmen seiner Einflussmöglichkeiten als Eigentümer Geltung zu verschaffen, ist demzufolge allein aus Art. 87e GG abzuleiten. c) Das Verhältnis von Art. 87e III und Art. 87e IV GG Explizit äußert sich die Verfassungsnorm zu dieser Frage nicht. Sie enthält vielmehr überhaupt keine ausdrückliche Stellungnahme dazu, welcher Mittel sich der Bund zur Aufgabenerfüllung bedienen darf, was eher für eine grundsätzliche Zulässigkeit der Beteiligungsverwaltung spricht249. Die Unzulässigkeit der innergesellschaftlichen Einwirkung des Bundes zur Erfüllung seines Gemeinwohlauftrags könnte sich aber daraus ergeben, dass in der Entscheidungsrationalität der Unternehmen durch die Festlegung, sie seien als Wirtschaftsunternehmen zu führen, gemeinwohlorientierte Aspekte nicht berücksichtigt werden dürfen250. Wenn daraus, wie oben be246
A.A. Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 71 f., der zur Begründung des Einwirkungsrechts des Bundes kumulativ auf die Rechtsfigur der Einwirkungspflicht und auf Art. 87e IV GG zurückgreift. 247 E. Schmidt-Aßmann / C. Röhl, DÖV 1994, 577 (585). 248 Im Ergebnis ebenso E. Schmidt-Aßmann / C. Röhl, DÖV 1994, 577 (585); Gersdorf, Art. 87e, Rn. 73 f.; Wilkens, Wettbewerbsprinzip, S. 164; Pommer, Bahnreform und Enteignung, S. 143. Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 71 f., zieht demgegenüber das Institut der Einwirkungspflicht und Art. 87e IV GG kumulativ zur Begründung entsprechender Rechte bzw. Pflichten des Bundes heran. 249 Windthorst, Art. 87e, Rn. 67. 250 So Gersdorf, Art. 87e, Rn. 74.
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reits dargestellt251, die Pflicht des Bundes zur Wahl möglichst privatrechtskonformer Mittel zur Erfüllung seines Gemeinwohlauftrages erwächst, so muss eine gemeinwohlorientierte Beteiligungsverwaltung aber jedenfalls dann zulässig sein, wenn sie als den finanziellen und wirtschaftlichen Interessen der Eisenbahnunternehmen nicht zuwiderlaufend eingestuft werden kann252. Eine solche Übereinstimmung gemeinwirtschaftlicher und privatwirtschaftlicher Interessen ist zum Beispiel dann gegeben, wenn eine Abgeltung der den Unternehmen auferlegten Nachteile durch den Bund erfolgt. Problematisch bleibt damit die Zulässigkeit einer Beteiligungsverwaltung, deren Einzelmaßnahmen den ökonomischen Interessen der Eisenbahnunternehmen widersprechen. Entscheidend für die Beantwortung dieser Frage ist die Bestimmung des Verhältnisses von Art. 87e III 1 und Art. 87e IV 1 GG. Sieht man das Privatwirtschaftlichkeitsgebot des Absatzes III als grundlegenden Unternehmenszweck an, der nicht zur Disposition des Eigentümers steht und durch das Gemeinwirtschaftlichkeitsgebot des Absatzes IV nicht modifiziert wird, so bleibt für eine Einwirkungsbefugnis des Bundes, die über privatwirtschaftskonforme Mittel hinausgeht, kein Raum253. Indessen vermag eine solche Argumentation nicht zu überzeugen: Für einen generellen Vorrang des Wirtschaftlichkeitsgebots vor der Gewährleistungsverantwortung gibt es keine Anhaltspunkte254 – vielmehr sind beide Ziele verfassungsrechtlich abgesichert255. Zwar war Art. 87e IV 1 GG im ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung256 nicht enthalten und wurde erst auf Drängen des Bundesrates in die Norm integriert257 – daraus kann allerdings seine untergeordnete Rolle gegenüber Absatz III schwerlich begründet werden. Der Umstand, dass der Bundesrat seine Vorstellungen in diesem Punkt nicht aufzugeben bereit war und fast vollständig durchsetzen konnte (während er zum Beispiel bei der Frage des Bundeseigentums am Fahrweg einen Kompromiss einging258), spricht vielmehr dafür, dass die Vorschrift als es251
Siehe dazu oben, § 6 B. II. 1. Gersdorf, Art. 87e, Rn. 74; Windthorst, Art. 87e, Rn. 67 ff.; Möstl, Art. 87e, Rn. 86, 89; Hermes, Infrastrukturverantwortung, S. 179 f.; Uerpmann, Art. 87e, Rn. 16; Möstl, Grundweichenstellungen, S. 833 (842 f.). 253 So Gersdorf, Art. 87e, Rn. 74 f. Als unzulässig schätzen solche Maßnahmen auch Pommer, Bahnreform und Enteignung, S. 91; P. Hommelhoff / E. Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 521 (534); M. Ronellenfitsch, DVBl. 2008, 201 (207), ein. 254 Arnold, Sicherstellungsgebot, S. 33 (46), geht demgegenüber sogar von einem Vorrang des Gemeinwohls aus. 255 Windthorst, Art. 87e, Rn. 67; vgl. auch Pommer, Bahnreform und Enteignung, S. 137; Wilkens, Wettbewerbsprinzip, S. 174 f.; Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 77 ff. Möstl, Art. 87e, Rn. 97, verweist zur Begründung insbesondere auf die Vergleichbarkeit mit Art. 87 f GG, zu dem das BVerfG festgestellt hat, das Ziel privatwirtschaftlicher Leistungserbringung stehe unter dem Vorbehalt des Gewährleistungsauftrags (BVerfGE 108, 370 [392 f.]). 256 BT-Drucks. 12/5015. 257 Siehe dazu § 6 B. III. 258 Siehe dazu § 6 B. II. 2. a). 252
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sentiell eingeschätzt wurde259. Die Absätze III und IV des Art. 87e GG stehen folglich gleichberechtigt nebeneinander und sind im Wege der praktischen Konkordanz weitestmöglich zu harmonisieren und zu optimaler Wirkung zu bringen260. Dies bedeutet konkret, dass zwar beide Strukturelemente des Art. 87e GG einer Einschränkung zugunsten des jeweils anderen zugänglich sind, allerdings nicht mehr als erforderlich zurückgedrängt werden dürfen und jeweils eine Mindestposition gewahrt bleiben muss261. Insofern sich der Bund im Rahmen einer Beteiligungsverwaltung an diesen Maßstäben messen lässt, sind folglich auch nicht privatwirtschaftlichkeitskonforme Maßnahmen als verfassungsrechtlich zulässig einzustufen.
d) Ableitung der Zulässigkeit der Beteiligungsverwaltung aus dem Schienenwegevorbehalt? Im Bereich der Eisenbahninfrastrukturunternehmen wird dieses Ergebnis noch durch eine weitere Überlegung gestützt: Wozu sollte in Art. 87e III 3 GG die Mehrheitsbeteiligungspflicht des Bundes festgeschrieben worden sein, wenn nicht (auch) dazu, um ihm innergesellschaftliche Einfluss- und Einwirkungsmöglichkeiten auf Dauer zu erhalten262 ? Die Materialien belegen, dass der Bundesrat den Bund durch die Gewährleistungsklausel gerade auch hinsichtlich der Art und Weise der Ausfüllung seiner Eigentümerstellung binden wollte263. Andererseits wird aus Art. 87e III 3 GG auch teilweise geschlussfolgert, die Zulässigkeit einer Beteiligungsverwaltung des Bundes beschränke sich auf die Eisenbahninfrastrukturunternehmen, da für die Verkehrsunternehmen die Option einer völligen Privatisierung bestehe und die Verfassung somit davon ausgehe, dass die Eigentümerstellung des Bundes zur Wahrnehmung seiner Aufgaben im Verkehrsbereich nicht erforderlich sei264. Eine solche Differenzierung zwischen Eisenbahninfrastruktur- und -verkehrsunternehmen vermag jedoch nicht zu überzeugen: Wie gezeigt, er259
Vgl. dazu auch Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 130. Möstl, Art. 87e, Rn. 95; Möstl, Grundweichenstellungen, S. 833 (844 f.). Vgl. auch M. Fehling, DÖV 2002, 793 (796 mit Fn. 32); Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 79 f. Siehe K. Stern, DVBl. 1997, 309 (315) in Bezug auf das Parallelproblem bei Art. 87 f GG. 261 Vgl. B. Pieroth, AöR 114, 422 (441 f.) allgemein zum Grundsatz der praktischen Konkordanz. 262 Vgl. E. Schmidt-Aßmann / C. Röhl, DÖV 1994, 577 (585); Windthorst, Art. 87e, Rn. 67; Menges, Rechtsgrundlagen, S. 58 ff.; Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 78 f.; Möstl, Grundweichenstellungen, S. 833 (848 ff.); Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 74. A.A. M. Ronellenfitsch, DVBl. 2008, 201 (207), der davon ausgeht, dass das festgeschriebene mehrheitliche Staatseigentum an den Eisenbahninfrastrukturunternehmen der Geltendmachung staatspolitischer Grundentscheidungen dient. 263 Siehe BT-Drucks. 12/5015, S. 11, wo es heißt: „Der in Absatz 4 enthaltene Sicherstellungsauftrag gibt dem Bund Vorgaben für die Ausfüllung seiner Eigentümerfunktion bei den Eisenbahnen des Bundes.“ 264 E. Schmidt-Aßmann / C. Röhl, DÖV 1994, 577 (585). Vgl. auch Hermes, Infrastrukturverantwortung, S. 180. 260
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gibt sich die Zulässigkeit der Beteiligungsverwaltung schon aus Art. 87e IV 1 GG. Der Schienenwegevorbehalt bekräftigt dieses Ergebnis für die Fahrwegunternehmen zwar – zwingend ist der argumentative Rückgriff auf dieses Institut zur Begründung der Zulässigkeit der Beteiligungsverwaltung jedoch keineswegs. Folglich kann sich daraus auch nicht die Beschränkung der gemeinwohlorientierten Eigentümereinwirkung auf die Infrastrukturunternehmen ergeben. Zudem gilt es zu bedenken, dass für den Bund im Bereich der Verkehrsunternehmen zwar die Option einer hundertprozentigen materiellen Privatisierung besteht, aber dass er zu einer solchen keineswegs verpflichtet ist265. Warum sollte er also, solange er (noch) die Möglichkeit dazu hat, seine Eigentümerbefugnisse nicht gemeinwohlorientiert einsetzen können? e) Grenzen der Beteiligungsverwaltung aa) Gesetzgebungsauftrag und Gesetzesvorbehalt Dem Bund sind also gemeinwohlorientierte Maßnahmen im Rahmen einer Beteiligungsverwaltung verfassungsrechtlich gestattet, solange er dabei das Privatwirtschaftlichkeitsgebot des Art. 87e III 1 GG hinreichend berücksichtigt und es im Wege der praktischen Konkordanz mit seiner Gemeinwohlverpflichtung zu einem angemessenen Ausgleich bringt. Abgesehen davon gilt es aber auch zu berücksichtigen, dass Art. 87e IV 2 GG einen Regelungsvorbehalt hinsichtlich der näheren Ausgestaltung des Gemeinwohlauftrags vorsieht. Dieser richtet sich zum einen an den Gesetzgeber und enthält gegenüber diesem einen Gesetzgebungsauftrag verbunden mit einer entsprechenden Gesetzgebungskompetenz266 zur Konkretisierung der Ausgestaltung des Gemeinwohlauftrages. Zum anderen kommt eine Qualifizierung der Norm als Gesetzesvorbehalt in Frage267. Dieser Streit kann an dieser Stelle offen bleiben, da zur Begründung der Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage für gemeinwohlorientierte Maßnahmen im Rahmen der Beteiligungsverwaltung auch anderweitige Überlegungen sprechen. Solche Maßnahmen dürften nämlich in der Regel einen Eingriff in das Privatwirtschaftlichkeitsgebot des Art. 87e III 1 GG darstellen. Da aber Gemeinwohlauftrag und Privatwirtschaftlichkeitsgebot gleichberechtigt nebeneinander stehen268 und das Grundgesetz keine verfassungsunmittelbaren Verpflichtun-
265 E. Schmidt-Aßmann / C. Röhl, DÖV 1994, 577 (582); Windthorst, Art. 87e, Rn. 55; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 60; Möstl, Art. 87e, Rn. 110; H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 (252 mit Fn. 42). 266 Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 101; Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 58; Windthorst, Art. 87e, Rn. 65; Möstl, Art. 87e, Rn. 190; I. Knecht, NVwZ 2003, 932 (935 f.); vgl. auch Arnold, Sicherstellungsgebot, S. 33 (50 f.); Gersdorf, Art. 87e, Rn. 76. 267 Zu dieser Problematik ausführlich unten, § 13 C. VII. 1. Bejahend G. Hermes, Schriftliche Stellungnahme zum Antrag BT-Drucks. 16/4413, siehe Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 56; Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 81; Ehlers, Rechtsgutachten, S. 113; Uerpmann, Art. 87e, Rn. 18; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 76. Ablehnend Möstl, Art. 87e, Rn. 190. 268 Siehe dazu bereits oben, § 6 B. III. 4. c).
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gen der privatwirtschaftlichen Eisenbahnunternehmen begründet269, erfordert bereits das in Art. 20 III GG verankerte Rechtsstaatsprinzip für solche Eingriffe eine gesetzliche Grundlage270. bb) Gesellschaftsrecht Bezüglich der Beteiligungsverwaltung ist diesem Gesetzesvorbehalt insbesondere dann Genüge getan, insofern sich der Bund der Mittel des bestehenden Gesellschaftsrechts bedient. Dabei hängt es vor allem von der Gesellschaftsform ab, inwieweit er dabei als Eigentümer auf unternehmensinterne Entscheidungen Einfluss nehmen kann. Wie es das Gutachten der Regierungskommission Bundesbahn bereits nahe gelegt hatte, sind Bundes- bzw. Reichsbahn in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden271. Bei einer solchen ist die Trennung zwischen dem oder den Gesellschaftern und dem Geschäftsführungsorgan (Vorstand) besonders stark ausgeprägt, insbesondere haben die Gesellschafter keine Möglichkeit, dem Vorstand in Fragen der Geschäftsführung Einzelweisungen zu erteilen272. Für alle anderen denkbaren Möglichkeiten der faktischen Einflussnahme des Bundes auf die Eisenbahnunternehmen gilt zudem die Beschränkung des § 311 AktG: Ein herrschendes Unternehmen darf ein abhängiges Unternehmen nicht zu nachteiligen Maßnahmen veranlassen, ohne einen entsprechenden Nachteilsausgleich zu gewähren. Dieser konzernrechtliche Grundsatz ist auch auf Unternehmen der öffentlichen Hand anwendbar273, daher ist der Bund (herrschendes Unternehmen) verpflichtet, diesen Grundsatz gegenüber der Deutschen Bahn AG (abhängiges Unternehmen) einzuhalten. Dadurch, dass der Unternehmenszweck der Eisenbahnunternehmen nach Art. 87e III 1 GG als privatwirtschaftlich definiert ist, muss aber jede gemeinwohlorientierte Einflussnahme des Bundes, die zu finanziellen Nachteilen bei den
269
Siehe dazu bereits oben, § 6 B. II. 1. Möstl, Art. 87e, Rn. 190. Im Ergebnis ebenso K. Grupp, DVBl. 1996, 591 (594); S. Studenroth, VerwArch 87 (1996), 97 (107 f.). Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage könnte sich zudem aus den Grundrechten ergeben (so Uerpmann, Art. 87e, Rn. 10). Auf dieses Argument kann aber nur dann zurückgegriffen werden, insofern man die Grundrechtsberechtigung der Eisenbahnen des Bundes bejaht (so bspw. Uerpmann, Art. 87e, Rn. 10; Vesting, Art. 87e, Rn. 40 f.; im Grundsatz auch Möstl, Art. 87e, Rn. 102 f.; a.A. Gersdorf, Art. 87e, Rn. 52; K. Grupp, DVBl. 1996, 591 [594]; G. Jochum, NVwZ 2005, 779 [781]; W. Frotscher / U. Kramer, NVwZ 2001, 24 [28]; Homeister, Öffentliche Aufgabe, S. 153; Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 69; Menges, Rechtsgrundlagen, S. 146). Zur Grundrechtsberechtigung juristischer Personen des Privatrechts mit Beteiligung der öffentlichen Hand allgemein statt vieler Püttner, Unternehmen (1985), S. 119 ff. 271 Vgl. § 1 DBGrG. 272 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 837 f.; U. Eckhardt, in: E. Geßler / W. Hefermehl / U. Eckardt / B. Kropff, AktG Kommentar, Band II, § 119, Rn. 12; U. Hüffer, Aktiengesetz, § 119, Rn. 11; Suckale, in: Hermes / Sellner, AEG, Einf C, S. 76 f. Dies gilt mit Ausnahme des Falles, dass der Vorstand eine Entscheidung der Hauptversammlung verlangt, § 119 II AktG. 273 BGHZ 69, 334. 270
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Unternehmen führt, als ausgleichspflichtiger Nachteil eingestuft werden274. Dies führt im Ergebnis dazu, dass zwar nicht das Verfassungsrecht, wohl aber das geltende Gesellschaftsrecht nicht privatrechtskonforme Maßnahmen der Beteiligungsverwaltung verbietet275. Eine Einwirkungsbefugnis des Bundes, die über die Möglichkeiten des Aktiengesetzes hinausginge, könnte man allerdings über die Figur des Verwaltungsgesellschaftsrechts konstruieren. Dieser liegt die Überlegung zugrunde, es sei von Verfassungs wegen geboten, dass der Staat, insofern er durch privatrechtliche Gesellschaften handelt, jede Einzelweisung durchsetzen können muss. Insofern das Gesellschaftsrecht dazu keine geeigneten Instrumentarien zur Verfügung stellt, müsse es demzufolge durch entsprechende Institute des öffentlichen Rechts ersetzt werden.276 In Bezug auf die Eisenbahnunternehmen ist jedoch festzuhalten, dass deren Privatwirtschaftlichkeit in Art. 87e III 1 GG verfassungsrechtlich zwingend festgeschrieben ist. Darin kommt zum Ausdruck, dass der Staat sich hier nur der Einwirkungsmittel bedienen soll, die ein normaler Eigentümer auch hat. Die Gefahr, dass verfassungsrechtliche Bindungen umgangen werden, kann jedenfalls in dem Falle, in dem die Verfassung selbst die Privatrechtsform vorgibt, nicht zur Begründung einer Modifizierung des Gesellschaftsrechts herangezogen werden.277 Daher können ungeachtet der Frage, ob man die Rechtsfigur des Verwaltungsgesellschaftsrechts grundsätzlich anerkennt oder nicht278, aus ihr jedenfalls für den Bereich der Eisenbahnunternehmen keine über das Gesellschaftsrecht hinausgehenden Einwirkungsbefugnisse des Bundes abgeleitet werden. Es bleibt damit bei dem Ergebnis, dass der Bund als Eigentümer der Eisenbahnunternehmen an das geltende Gesellschaftsrecht gebunden ist, was die Möglichkeiten von Maßnahmen im Rahmen einer Beteiligungsverwaltung stark einschränkt. cc) Europarecht Auch aus europarechtlicher Sicht ist eine unbeschränkte Beteiligungsverwaltung des Bundes problematisch. In Art. 4 der Richtlinie 91/440/EWG ist festgelegt, dass die Geschäftsführung der Eisenbahnen unabhängig von staatlichen Stellen erfolgen können soll279. Die Verordnung 1191/69280 in der Fassung der Verordnung 1893/91281 274
Möstl, Art. 87e, Rn. 92. Vgl. auch Wilkens, Wettbewerbsprinzip, S. 171. Gegen die Anwendbarkeit von § 311 AktG im Verkehrsbereich spricht sich demgegenüber Menges, Rechtsgrundlagen, S. 169, aus. 275 Vgl. auch G. Jochum, NVwZ 2005, 779 (781); Möstl, Art. 87e, Rn. 89 ff. 276 Vgl. T.v. Danwitz, AöR 120, 595 (610 ff.); W. Krebs, Die Verwaltung 29 (1996), 309 ff.; F. Ossenbühl, ZGR 1996, 504 (511 ff.). 277 Vgl. Menges, Rechtsgrundlagen, S. 129 f.; Möstl, Art. 87e, Rn. 94. 278 Ablehnend z. B. Püttner, Unternehmen (1985), S. 282 f.; M. Habersack, ZGR 1996, 544 (555); W. Spannowsky, ZGR 1996, 400 (422 f.); W. Schön, ZGR 1996, 429 (432 mit Fn. 15). 279 Vgl. dazu § 4 D. 280 ABl. Nr. L 156/1.
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zwingt überdies die Mitgliedsstaaten zur Aufhebung oder Abgeltung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen der Eisenbahnen (Art. 1, 9)282. Diese europarechtlichen Vorgaben schränken die Zulässigkeit gemeinwohlorientierter Beteiligungsverwaltung ebenfalls stark ein283, jedenfalls insofern diese mit nicht privatrechtskonformen Mitteln erfolgt. f) Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dem Bund von Verfassungs wegen die gemeinwohlorientierte Einwirkung auf die Eisenbahnunternehmen im Rahmen seiner Eigentümerstellung erlaubt ist, auch wenn dadurch ein Eingriff in das Privatwirtschaftlichkeitsgebot des Art. 87e III 1 GG erfolgt. Dies gilt sowohl für die Eisenbahnverkehrs- als auch für die Eisenbahninfrastrukturunternehmen. Allerdings sind dieser Möglichkeit durch das bestehende Europa- und Gesellschaftsrecht relativ enge Grenzen gesetzt. IV. Das Zustimmungserfordernis gem. Art. 87e V GG Der letzte Absatz des Art. 87e GG regelt die Mitwirkung der Länder im Eisenbahnbereich, indem er für verschiedene Gegenstände Zustimmungserfordernisse des Bundesrates statuiert. Zum einen unterwirft er in Satz 1 alle Gesetze aufgrund der Absätze I bis IV der Zustimmungspflicht. Für die Absätze I und II leuchtet dies unmittelbar ein – geht es dort doch um die Umverteilung von Verwaltungskompetenzen, die die Länder unmittelbar betreffen284. Außerdem hat der Bundesrat ein Mitspracherecht bei der Veräußerung von Unternehmensanteilen an den Eisenbahninfrastrukturunternehmen und bei der Ausgestaltung des Gemeinwohlauftrages. Auch dies überrascht kaum, weil sowohl der Schienenwegevorbehalt als auch die Gewährleistungsklausel auf Betreiben der Länder ins Grundgesetz aufgenommen wurden285. Außerdem ist zu bedenken, dass die Ausgestaltung des Gemeinwohlauftrages in der Regel Auswirkungen auf den Schienenpersonennahverkehr haben wird. Für diese Aufgabe sind seit der Bahnreform die Länder verantwortlich286, sodass insofern eine Koordination nahe liegt287.
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ABl. Nr. L 169/1. Siehe dazu Hermes, in: Hermes / Sellner, AEG, Einf B, S. 61 f. 283 Hermes, Infrastrukturverantwortung, S. 180 mit Fn. 108; Möstl, Art. 87e, Rn. 99; vgl. auch Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 81. 284 Möstl, Art. 87e, Rn. 191; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 77. 285 Vgl. dazu bereits oben, § 6 B. II. 2. a) und § 6 B. III. Die Zustimmungspflicht für Gesetze auf Grund des Art. 87e IV 2 GG trägt zudem den Bedenken der Länder Rechnung, dass die einfachgesetzlichen Regelungen zur Sicherung der Gewährleistungsverantwortung des Bundes später ohne ihre Zustimmung verändert werden könnten, siehe BT-Drucks. 12/6280, S. 8 und hierzu Möstl, Art. 87e, Rn. 191; Ruge, Art. 87e, Rn. 7. 286 Vgl. dazu § 6 C. und § 7 D. 282
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Zum anderen beinhaltet Art. 87e V 2 GG auch für weitere, gegenständlich beschriebene Bereiche ein Mitwirkungserfordernis der Länder. Dies betrifft namentlich Gesetze, die - die Auflösung, Verschmelzung und die Aufspaltung von Eisenbahnunternehmen des Bundes, - die Übertragung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes an Dritte, - die Stilllegung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes regeln oder - Auswirkungen auf den Schienenpersonennahverkehr haben. Auffällig ist bei Betrachtung der in Art. 87e V 2 GG aufgezählten Bereiche, dass sich die Zustimmungsbedürftigkeit zum Teil schon aus Art. 87e V 1 GG ergibt – dies gilt jedenfalls für Art. 87e V 2 Var. 2 und 3 GG288. Die Erwähnung dieser Gegenstände ist damit im Grunde ohne Bedeutung289 und hat wohl nur eine klarstellende Funktion. Es sollte damit ein Unterlaufen der Privatisierungssperre des Art. 87e III 3 GG verhindert werden290. Strittig ist im Rahmen des Art. 87e V 2 GG, ob für die aufgezählten Bereiche eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes gerade begründet werden soll291 oder aber, ob diese vorausgesetzt wird292. Dieser Streit ist aber rein theoretischer Natur und bedarf keiner Entscheidung, da sich für alle Gegenstände eine Gesetzgebungskompetenz aus anderen Normen ableiten lässt293. Obgleich der Anwendungsbereich des Art. 87e V 2 GG wohl eher als gering einzustufen ist, hat er insofern weiterreichende Bedeutung als er mit dem Zustimmungserfordernis des Bundesrates zugleich einen Gesetzesvorbehalt statuiert294. Wäre dies nicht der Fall und könnten die genannten Materien auch ohne Gesetz geregelt werden, so drohte das Zustimmungserfordernis leer zu laufen.295 Aus diesem Gesetzesvorbehalt ergibt sich auch, dass Eisenbahnen des Bundes nicht nach allgemeinen gesell-
287 Wieland, Art. 87e, Rn. 35; Möstl, Art. 87e, Rn. 191. Vgl. dazu auch H.-W. Arndt, Rechtsprobleme der gemeinschaftlichen Koordinierung und Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs durch Bund, Länder und Gemeinden. 288 Uerpmann, Art. 87e, Rn. 21; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 80 f. 289 Gersdorf, Art. 87e, Rn. 80 f.; Uerpmann, Art. 87e, Rn. 21. 290 Vgl. Windthorst, Art. 87e, Rn. 71; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 80. 291 So C. Heinze, BayVBl. 1994, 266 (267). 292 So Möstl, Art. 87e, Rn. 193; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 78; Uerpmann, Art. 87e, Rn. 20; Windthorst, Art. 87e, Rn. 71 mit Fn. 178; Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 59; Hermes, in: Hermes / Sellner, AEG, Einf D, S. 84. 293 Z.B. aus Art. 87e I-IV, Art. 73 I Nr. 6a oder Art. 74 I Nr. 23 GG, vgl. Möstl, Art. 87e, Rn. 193. 294 Möstl, Art. 87e, Rn. 195; wohl ebenso Uerpmann, Art. 87e, Rn. 20; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 79. A.A. Windthorst, Art. 87e, Rn. 71 mit Fn. 178. 295 Möstl, Art. 87e, Rn. 195; in diese Richtung auch C. Heinze, BayVBl. 1994, 266 (268).
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Kap. 3: Die erste und die zweite Stufe der Bahnreform
schaftsrechtlichen Regeln umgewandelt werden können, sondern dass es dazu eines speziellen Umwandlungsgesetzes bedarf296.
C. Die Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs: Art. 106a, 143a GG Neu ins Grundgesetz eingefügt wurde im Zuge der Bahnreform der Art. 106a GG, der die Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs regelt. Aufgrund der erwähnten fehlenden klaren Aufgabenabgrenzung zwischen Bund und Ländern in diesem Bereich und dem damit verbundenen Verlust an Entscheidungsrationalität297 entschied man, diese Frage für die Zukunft eindeutig zu regeln. Durch die verfassungsrechtliche Verankerung der Regionalisierung sind seit dem 01. Januar 1996 die Länder für den Schienenpersonennahverkehr verantwortlich (vgl. Art. 143a III 1 GG298, § 1 RegG)299. Für die damit einhergehende immense finanzielle Mehrbelastung war allerdings ein Ausgleich zu schaffen – die entsprechende Regelung findet sich in Art. 106a GG. Art. 106a GG stellt eine Durchbrechung des in Art. 104a GG verankerten Prinzips der Konnexität von Aufgaben- und Ausgabenverantwortung dar300 und räumt den Ländern den Anspruch auf einen Betrag für den öffentlichen Personennahverkehr gegenüber dem Bund ein301. Die Zahlungen sind aus den Steuereinnahmen des Bundes zu leisten. Die Höhe der Ausgleichszahlungen des Bundes und ihre Verteilung auf die Länder ist in der Verfassung selbst nicht festgeschrieben, sondern wurde entsprechend des Vorbehalts in Art. 106a Satz 2 GG einfachgesetzlich im Regionalisierungsgesetz302 (RegG) geregelt. Im Unterschied zum Großteil der gesetzlichen Änderungen, die im Zuge der Bahnreform beschlossen wurden, wurde die Regionalisierung erst zum 01. Januar 1996 296 Uerpmann, Art. 87e, Rn. 20; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 79; so wohl auch C. Heinze, BayVBl. 1994, 266 (268). 297 Siehe dazu § 4 C. 298 In Art. 143a III 1 GG ist geregelt, dass die Erfüllung der Aufgaben im Bereich des Schienenpersonennahverkehrs der bisherigen Bundeseisenbahnen bis zum 31. Dezember 1995 Sache des Bundes ist. Seit Ablaufen dieser Frist hat die Regelung keine praktische Bedeutung mehr, vgl. Gersdorf, Art. 143a, Rn. 13. 299 P.M. Huber, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG, Band III, Art. 106a, Rn. 2; H. Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 106a, Rn. 2; B. Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Art. 106a, Rn. 2; Wachinger / Wittemann, Regionalisierung, S. 72. 300 Vgl. H.-G. Henneke, ZG 14 (1999), 1 (7); J.W. Hidien, DVBl. 1997, 595 (597). Vgl. auch U. Häde, Finanzausgleich, S. 254. 301 Siekmann, Art. 106a, Rn. 7; H.-G. Henneke, ZG 14 (1999), 1 (7); J.W. Hidien, DVBl. 1997, 595 (598); Hermes, in: Hermes / Sellner, AEG, Einf D, S. 90; vgl. auch Wachinger / Wittemann, Regionalisierung, S. 50. 302 Art. 4 des Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens vom 27. Dezember 1993, BGBl. I, S. 2378 (2395) – Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs.
§ 7 Die einfachgesetzliche Ausformung der Bahnstrukturreform
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wirksam – solange musste der Bund den SPNV noch allein finanzieren und dementsprechend erhielten die Länder auch erst ab 1996 Ausgleichzahlungen für die auf sie übertragene Aufgabe (vgl. Art. 143a III 1 GG). Mit der Regelung in Art. 106a GG werden die Länder nunmehr finanziell in die Lage versetzt, für eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Schienenpersonennahverkehrsangeboten zu sorgen und selbstverantwortlich den gesamten öffentlichen Personennahverkehr zu organisieren und zu koordinieren. Den Ländern steht es dabei frei, die Mittel an die regionalen Gebietskörperschaften weiterzuleiten und sie mit dieser Aufgabe zu betrauen303.
§ 7 Die einfachgesetzliche Ausformung der Bahnstrukturreform Die beschriebene Verfassungsänderung war natürlich nur ein Teil der gesetzlichen Maßnahmen im Zuge der Bahnstrukturreform, die von Änderungen auf einfachgesetzlicher Ebene flankiert wurde304. Die entsprechenden Gesetzesänderungen wurden als Artikelgesetz mit der Bezeichnung „Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens“305 (ENeuOG) gestaltet. Dieses Gesetzespaket enthielt - das Gesetz zur Zusammenführung und Neugliederung der Bundeseisenbahnen (BEZNG)306, - das Gesetz über die Gründung einer Deutsche Bahn Aktiengesellschaft (DBGrG)307, - das Gesetz über die Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes (BEVVG)308, - das Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs (RegG)309, - das Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG)310 und - die Anpassung weiterer Rechtsvorschriften311. 303 Vgl. J.W. Hidien, DVBl. 1997, 595 (598); Huber, Art. 106a, Rn. 4; Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 52 f. In der Praxis wurden zur Erfüllung der Aufgaben des ÖPNV in den Ländern öffentlich-rechtliche Körperschaften gebildet, die den Verkehrsbedarf dezentral ermitteln und über die Bestellung der Verkehrsleistungen bei den regionalen Eisenbahnverkehrsunternehmen entscheiden, siehe R. Ruge, AöR 131, 1 (13). Zur diesbezüglichen Situation kurze Zeit nach Umsetzung der Regionalisierung siehe C. Herr / D. Lehmkuhl, Die Verwaltung 30 (1997), 396 (403 ff.). 304 Zu den einfachgesetzlichen Änderungen siehe auch die Ausführungen bei Menges, Rechtsgrundlagen, S. 71 ff.; Wilkens, Wettbewerbsprinzip, S. 80 ff.; Schulz, Eisenbahnwesen, S. 135 ff.; Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 90 ff.; Burmeister, Wettbewerb, S. 95 ff.; Bennemann, Bahnreform; S. 42 ff.; Gerdes, Bahnreform, S. 98 ff. 305 Vom 27. Dezember 1993, BGBl. I, S. 2378. 306 Art. 1 ENeuOG, BGBl. 1993 I, S. 2378. 307 Art. 2 ENeuOG, BGBl. 1993 I, S. 2386. 308 Art. 3 ENeuOG, BGBl. 1993 I, S. 2394. 309 Art. 4 ENeuOG, BGBl. 1993 I, S. 2395. 310 Art. 5 ENeuOG, BGBl. 1993 I, S. 2396. 311 Art. 6 ENeuOG, BGBl. 1993 I, S. 2405.
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Kap. 3: Die erste und die zweite Stufe der Bahnreform
A. Das Gesetz zur Zusammenführung und Neugliederung der Bundeseisenbahnen (BEZNG) Aufgrund des mit der Verfassungsänderung neu eingefügten Art. 87e III 1 GG war der Gesetzgeber verpflichtet, die als Behörde organisierte Deutsche Bundesbahn in ein privatrechtliches Unternehmen umzuwandeln. Die Gesetzgebungskompetenz für diese Aufgabe lag gem. Art. 143a I GG beim Bund, der sie durch Erlass des BEZNG312 erfüllte. Gem. § 1 BEZNG wurden zunächst die beiden nicht rechtsfähigen Sondervermögen Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn zu einem nicht rechtsfähigen Sondervermögen mit der Bezeichnung „Bundeseisenbahnvermögen“ (BEV) verschmolzen, dem alle Rechte und Verbindlichkeiten der zusammengeführten Eisenbahnen zugeordnet wurden313 (§ 2 BEZNG). Das neu geschaffene Bundeseisenbahnvermögen gliederte sich gem. § 3 I BEZNG in einen unternehmerischen und einen Verwaltungsbereich, wobei ersterer das Erbringen von Eisenbahnverkehrsleistungen sowie das Betreiben der Eisenbahninfrastruktur umfasste. Die Bundesrepublik wurde in § 20 I BEZNG verpflichtet, alle zur Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen und zum Betreiben der Eisenbahninfrastruktur notwendigen Vermögensrechte an die laut DBGrG zu gründende Deutsche Bahn AG zu übertragen314. Alle Vermögenswerte, die nicht in diesem Sinne „bahnnotwendig“315 waren, verblieben beim Bundeseisenbahnvermögen, das diese Mittel zur Tilgung der übernommenen Altschulden von DB und DR verwenden sollte316.
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Zum Inhalt des BEZNG siehe auch Wachinger / Wittemann, Regionalisierung, S. 27 f. Nach C. Heinze, NVwZ 1994, 748 (748) handelte es sich dabei nicht um eine Rechtsnachfolge, sondern um die Änderung einer Bezeichnung und um Ersetzung der Organe von Bundes- und Reichsbahn durch die Bereiche des Bundeseisenbahnvermögens desselben Rechtsträgers. Zu Stellung und Aufgaben des Bundeseisenbahnvermögens siehe Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 147 f. 314 Es handelte sich dabei allerdings nicht um eine Gesamtrechtsnachfolge der DB AG nach der Bundesrepublik als Trägerin des Bundeseisenbahnvermögens, ausführlich dazu C. Heinze, NVwZ 1994, 748 (749). Vgl. auch Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 90 mit Fn. 358 m.w.N. 315 Zum Begriff der „Bahnnotwendigkeit“ siehe Schulz, Eisenbahnwesen, S. 137 f. Zur Problematik des späteren Wegfalls der Bahnnotwendigkeit Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 90 mit Fn. 358. 316 Vgl. § 16 I BEZNG; BT-Drucks. 12/4609, S. 71. Zu den verbliebenen Aufgaben des BEV siehe Schulz, Eisenbahnwesen, S. 140 f. Ein weiterer Regelungsgegenstand des BEZNG war die Fortführung der betrieblichen Sozial- und Selbsthilfeeinrichtungen der beiden Eisenbahnen (vgl. §§ 7 ff. BEZNG). 313
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B. Das Gesetz über die Gründung einer Deutsche Bahn Aktiengesellschaft (DBGrG) Das DBGrG317 regelt zum einen die rechtliche Gründung einer Aktiengesellschaft mit der Firma „Deutsche Bahn AG“ nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 1, 5 DBGrG)318. Gegenstand des Unternehmens soll gem. § 3 I DBGrG das Erbringen von Eisenbahnverkehrsdienstleistungen, das Betreiben der Eisenbahninfrastruktur und Geschäftstätigkeiten in dem Eisenbahnverkehr verwandten Bereichen sein. Die Ausgliederung des unternehmerischen Bereiches des Bundeseisenbahnvermögens sollte gegen Gewährung von Aktien der DB AG erfolgen (§ 4 II Nr. 1 DBGrG)319. Des Weiteren regelte das Gesetz in § 25 die interne Gliederung der neuen Aktiengesellschaft. Es sah vor, dass mindestens die Bereiche „Personennahverkehr“, „Personenfernverkehr“, „Güterverkehr“ und „Fahrweg“ organisatorisch und rechnerisch voneinander zu trennen waren.320 Als späteren Schritt regelte § 2 I DBGrG, dass diese Bereiche frühestens drei und spätestens fünf Jahre nach der Eintragung der DB AG im Handelsregister auf neu gegründete Aktiengesellschaften auszugliedern seien321. Schließlich fanden sich im DBGrG Vorschriften zur Überleitung des Personals der beiden ehemaligen Staatsbahnen322. Die Rechtsstellung derjenigen Beamten, die nicht beurlaubt wurden oder aus dem Beamtenverhältnis ausschieden, wurde gewahrt. Sie wurden aber gem. § 12 II DBGrG – wenn sie nicht beim Bundeseisenbahnvermögen Aufgaben übernahmen – der DB AG ab dem Zeitpunkt ihrer Eintragung ins Handelsregister zugewiesen. Diese wurde auch zur Ausübung des Weisungsrechts be-
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Siehe dazu auch Hömig, Art. 87e, Rn. 8. Eine Abweichung vom allgemeinen Aktienrecht sah jedoch § 5 II DBGrG vor – die Norm ermächtigte den Bundesminister für Verkehr den ersten Aufsichtsrat, den ersten Vorstand und den ersten Abschlussprüfer zu bestellen. Zur Gebotenheit der Gründung der DB AG durch Gesetz Menges, Rechtsgrundlagen, S. 72. 319 Damit wurde die Bundesrepublik Deutschland mit Eintragung der DB AG im Handelsregister alleinige Kapitaleigentümerin der Gesellschaft, vgl. Schulz, Eisenbahnwesen, S. 137; Suckale, in: Hermes / Sellner, AEG, Einf C, S. 76. 320 Sog. Erste Stufe der Bahnreform, vgl. dazu Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 42. Diese Trennung erfüllte die in § 9 I 1 des neuen AEG (jetzt § 9 Ia AEG) und gleichzeitig in Art. 6 I 1 der RL 91/440/EWG enthaltene Vorgabe, nach der alle öffentlichen Eisenbahnen, die sowohl Eisenbahnverkehrsleistungen als auch eine Eisenbahninfrastruktur betreiben, in ihrer Rechnungsführung beide Bereiche zu trennen haben. Zu den Änderungen des AEG im Zuge der Bahnstrukturreform siehe unten, § 7 E. 321 Diese Vorgabe wurde schließlich zum 01. Januar 1999 umgesetzt (sog. Zweite Stufe der Bahnreform). Es existierten danach unter dem Dach der DB AG Holding fünf AGs, nämlich DB Cargo, DB Regio, DB Netz, DB Reise und Touristik und DB Station & Service. Siehe dazu unten, § 9 B. I. 322 Zu arbeitsrechtlichen Problemen im Rahmen der Bahnreform siehe C. Meyer, RdA 2001, 157 ff.; G. Engels / C. Müller / Y. Mauß, Der Betrieb 1994, 473 ff.; T. Blanke / D. Sterzel, ArbuR 1993, 265 ff. 318
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Kap. 3: Die erste und die zweite Stufe der Bahnreform
fugt, soweit die Dienstausübung in ihrem Betrieb es erforderte (§ 12 IV 2 DBGrG)323. Die verfassungsrechtliche Grundlage dieser Personalüberleitung bildet Art. 143a I 3 GG, wonach Beamte der Bundeseisenbahnen durch Gesetz unter Wahrung ihrer Rechtsstellung und der Verantwortung des Dienstherrn einer privatrechtlich organisierten Eisenbahn des Bundes zur Dienstleistung zugewiesen werden können. Ihre Bezüge erhalten die Beamten auch weiterhin vom Bundeseisenbahnvermögen324. Die DB AG erstattet aber dem BEV die fiktiven Kosten, die für vergleichbare neu eingestellte Arbeitnehmer (einschließlich der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung sowie der betrieblichen Altersversorgung) entstehen würden (§ 21 DBGrG). In einigen Fällen erfolgte auch eine Beurlaubung der Beamten oder gar die Auflösung des Beamtenverhältnisses in Verbindung mit dem Abschluss eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses mit der DB AG.325 Die Angestellten hingegen wurden von der DB AG übernommen (§ 14 II DBGrG) – es handelte sich insofern um einen Betriebsübergang i.S.d. § 613a BGB326.
C. Das Gesetz über die Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes (BEVVG) Im Zuge der Bahnreform und der damit verbundenen Gründung einer privatrechtlichen Bahngesellschaft oblag dem Gesetzgeber auch die Neugestaltung der Zuständigkeit der hoheitlichen Aufgaben, für die früher die Bundesbahn verantwortlich gewesen war. Das BEVVG sieht für Erledigung der Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes (Art. 87e I 1 GG) das neu zu errichtende Eisenbahn-Bundesamt (EBA) vor, das dem Bundesministerium für Verkehr unterstehen sollte und eine selbständige Bundesoberbehörde darstellt (§ 2 I BEVVG). Das EBA ist gem. § 3 I BEVVG Aufsichts- und Genehmigungsbehörde für Eisenbahnen des Bundes und Eisenbahnverkehrsunternehmen mit Sitz im Ausland für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland327. Ihm obliegen die folgenden Aufgaben328 (§ 3 II BEVVG): 323 Kritisch zur verfassungsrechtlichen Problematik dieser Konstruktion H. Benz, DÖV 1995, 679 ff. Siehe zum Problemkreis der Personalüberleitung der Beamten bei der Privatisierung von Staatsunternehmen auch T. Blanke / D. Sterzel, ArbuR 1993, 265 (269 ff.); R. Uerpmann, Jura 1996, 79 ff.; Kämmerer, Privatisierung, S. 331 ff. Vgl. auch G. Engels / C. Müller / Y. Mauß, Der Betrieb 1994, 473 (473 f.). 324 Siehe zu den damit verbundenen Kosten G. Aberle / A. Brenner, Bahnstrukturreform in Deutschland, S. 34 ff. 325 C. Meyer, RdA 2001, 157 (159). 326 G. Engels / C. Müller / Y. Mauß, Der Betrieb 1994, 473 (474). 327 Zudem haben einige Bundesländer von der in § 5 II 2, 3 AEG i.V.m. § 3 III BEVVG vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, das EBA mit der Wahrnehmung der Landesaufgaben im Bereich der Eisenbahnverkehrsverwaltung zu beauftragen, vgl. dazu Homeister, Öffentliche Aufgabe, S. 52 mit Fn. 73.
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- die Planfeststellung für die Schienenwege von Eisenbahnen des Bundes, - die Ausübung der Eisenbahnaufsicht, einschließlich der technischen Aufsicht sowie der Bauaufsicht für Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes, - Erteilung und Widerruf einer Betriebsgenehmigung, - die Ausübung hoheitlicher Befugnisse sowie von Aufsichts- und Mitwirkungsrechten nach Maßgabe anderer Gesetze und Verordnungen, - die Vorbereitung und Durchführung von Vereinbarungen gem. § 9 des Bundesschienenwegeausbaugesetzes329, - Aufgaben nach § 4 II AEG330 und - die fachliche Untersuchung von Störungen im Eisenbahnbetrieb. Personell wurde das EBA mit den Mitarbeitern der Bundesbahn und der Reichsbahn ausgestattet, die zum Zeitpunkt seiner Errichtung Aufgaben wahrnahmen, die nach der Bahnreform zu den Aufgaben des Eisenbahn-Bundesamtes zählten. Diese Beamten und Angestellten wurden zu Mitarbeitern des EBA (§ 2 IV BEVVG).331
328 Zu den Aufgaben und Befugnissen des EBA siehe S. Studenroth, VerwArch 87 (1996), 97 ff.; H. Stuchly, Bahnreform und Eisenbahnaufsicht, in: Förderkreis des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen / Verband der Bahnindustrie in Deutschland (Hrsg.), Zehn Jahre Bahnreform in Deutschland, S. 126 ff.; Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 239 ff.; Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 149 ff.; R. Freise / K.-D. Wittenberg, GewArch 1996, 353 (354 ff.), die auch auf Auswirkungen der Bahnstrukturreform auf das Wirtschaftsverwaltungsrecht insgesamt eingehen. 329 § 9 Satz 1 Bundesschienenwegeausbaugesetz lautet: „Die Durchführung der in den Bedarfsplan aufgenommenen Baumaßnahmen sowie deren Finanzierung bedürfen einer Vereinbarung zwischen den Eisenbahnen des Bundes, deren Schienenwege gebaut oder ausgebaut werden sollen, und denjenigen Gebietskörperschaften oder Dritten, die den Bau oder Ausbau ganz oder teilweise finanzieren.“ 330 § 4 II AEG lautet: „Baufreigaben, Abnahmen, Prüfungen, Zulassungen, Genehmigungen und Überwachungen für Errichtung, Änderung, Unterhaltung und Betrieb der Betriebsanlagen und für Schienenfahrzeuge von Eisenbahnen des Bundes auf Grund anderer Gesetze und Verordnungen obliegen ausschließlich dem Eisenbahn-Bundesamt. § 5 Abs. 5 AEG bleibt unberührt.“ Zur Frage, inwiefern das EBA als Bundesbehörde dabei Landesrecht anwenden kann, siehe Homeister, Öffentliche Aufgabe, S. 178 ff.; B. Stüer / F. Berka, DVBl. 2005, 1365 (1365) m.w.N. 331 Bis Ende des Jahres 1994 wurden übergangsweise zudem Mitarbeiter der DB AG als Verwaltungshelfer eingesetzt, siehe Stuchly, Bahnreform, S. 126 (127).
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Kap. 3: Die erste und die zweite Stufe der Bahnreform
D. Das Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs (RegG) Das Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs332 konkretisiert die bereits durch die Verfassungsänderung angelegte Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs333. Geregelt wird aber nicht nur der SPNV, sondern der gesamte Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Als zentrale Aussage erklärt das RegG diesen zu einer Aufgabe der Daseinsvorsorge, die von den durch Landesrecht zu bestimmenden Stellen wahrgenommen werden soll (§ 1 RegG). Zugleich definiert das Gesetz in § 2, was unter ÖPNV zu verstehen ist, nämlich die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Verkehrsmitteln im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorortund Regionalverkehr zu befriedigen. Dies sei im Zweifel der Fall, so das Gesetz weiter, wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Verkehrsmittels die gesamte Reiseweite 50 km oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt.334 Außerdem regeln die §§ 5, 6 RegG, in welcher Höhe den Ländern nach Übernahme der Aufgabe des ÖPNV inklusive des SPNV ein Finanzanspruch gegenüber dem Bund zusteht335 (vgl. Art. 106a GG) und wie dieser Betrag zwischen den Ländern aufzuteilen ist (§ 8 RegG)336. Erwähnenswert ist außerdem, dass § 4 RegG eine Regelung über gemeinwirtschaftliche Leistungen enthält: Diese können gemäß der Verordnung 1191/69/ EWG, in der Fassung der Verordnung 1893/91/EWG337, mit Verkehrsunternehmen vertraglich vereinbart338 oder ihnen auferlegt werden. Nach der gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe sind wirtschaftliche Nachteile, die den Verkehrsunternehmen aus der 332
Siehe dazu Barth, Nahverkehr, passim; Aberle / Brenner, Bahnstrukturreform, S. 17 ff.; Wachinger / Wittemann, Regionalisierung, S. 72 ff. 333 Siehe dazu § 6 C. 334 Zu den Begriffen ÖPNV und SPNV Barth, Nahverkehr, S. 29 ff. Zum Begriff des ÖPNV gem. § 2 RegG siehe Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 53 ff. Zum Begriff SPNV nach dem AEG siehe Suckale, in: Hermes / Sellner, AEG, § 2, Rn. 61 ff. 335 Gem. § 5 I RegG stand den Ländern im Jahr 1996 ein Betrag in Höhe von 8,7 Mrd. DM und ab dem Jahr 1997 jährlich ein Betrag in Höhe von 12 Mrd. DM zu. Nach § 5 II RegG stieg diese Summe in den Folgejahren gekoppelt an das Wachstum der Steuern vom Umsatz und war der Betrag im Jahr 2001 durch Gesetz mit Wirkung ab dem Jahr 2002 neu festzulegen. Die daraufhin erlassene Fassung des RegG (BGBl. 2002 I, S. 2264) sah für das Jahr 2002 eine Zahlungspflicht des Bundes in Höhe von 6,745 Mrd. Euro vor, die ab 2003 jährlich um 1,5 % anstieg. Die letzte Fassung des § 5 RegG (BGBl. 2007 I, S. 2871) hat den Betrag für das Jahr 2008 auf 6,675 Mrd. Euro festgesetzt, wobei dieser ab 2009 wiederum jährlich um 1,5 % steigt. Die nächste Neufestsetzung erfolgt gem. § 5 V RegG für den Zeitraum ab 2015. 336 Zu den diesbezüglichen Einzelheiten F. Engbarth, Eisenbahn-Kurier Special 81, S. 8 (11). 337 Siehe dazu § 4 D. 338 Zur Rechtsnatur einer solchen Vereinbarung Barth, Nahverkehr, S. 144 f.
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Auferlegung gemeinwirtschaftlicher Aufgaben entstehen, nach den gemeinsamen Ausgleichsmethoden (Art. 10 ff. der Verordnung) auszugleichen339. Insofern zwischen staatlichen Stellen und Transportunternehmen die Erbringung solcher Leistungen vertraglich vereinbart wird, ist der dafür zu zahlende Preis im Vertrag festzuhalten340 [Art. 14 II b)]. Das RegG beinhaltet damit die zur Regionalisierung des ÖPNVerforderlichen einfachrechtlichen Koordinaten. Außerdem wird auch hier im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Änderungen noch einmal klargestellt, dass gemeinwirtschaftliche Leistungen von keinem Verkehrsunternehmen, auch nicht von der Bahn, ohne finanziellen Ausgleich gefordert werden können.
E. Das Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG) Im Gegensatz zu den Artikeln eins bis vier des ENeuOG wurde das AEG nicht im Zuge der Bahnreform neu geschaffen; es existierte bereits seit 1951 und bildete die grundlegende Bestimmung für jegliche Eisenbahnen (mit Ausnahme der Untergrundbahnen, Straßenbahnen, Magnetschwebebahnen u. ä.) auf einfachgesetzlicher Ebene341. Die Änderungen des AEG waren allerdings so umfangreich, dass das gesamte Gesetz neu gefasst wurde342. Das überarbeitete AEG, dessen Anwendungsbereich ähnlich der alten Fassung Eisenbahnen mit Ausnahme von Straßen-, Magnetschwebe- und sonstigen Bahnen besonderer Bauart umfasst (§ 1 I AEG), enthält zunächst eine Reihe von Begriffsbestimmungen. Unter „Eisenbahnen“ will das Gesetz sowohl die Eisenbahnverkehrsunternehmen als auch die Eisenbahninfrastrukturunternehmen verstanden wissen (§ 2 I AEG). Dem „öffentlichen Verkehr“ dient ein Eisenbahnunternehmen gem. § 3 I AEG dann, wenn es geschäfts- oder gewerbsmäßig343 betrieben wird und es von jedermann nach seiner Zweckbestimmung zur Personen- oder Güterbeförderung bzw. dessen Schienenwege von anderen Eisenbahnen genutzt werden können. Die Entscheidung der Frage, ob eine Eisenbahn dem öffentlichen Verkehr dient, ist für die Genehmigungsbedürftigkeit ihres Betreibens von Bedeutung344. Dienen sie 339 Zur Auferlegung von Verkehrsleistungen nach der Verordnung 1191/69/EWG Barth, Nahverkehr, S. 141 f. 340 Zur vertraglichen Vereinbarung von Verkehrsleistungen nach der Verordnung 1191/69/ EWG Barth, Nahverkehr, S. 143 ff. 341 Siehe dazu § 3 C. II. 2. 342 Zum Inhalt des neuen AEG siehe auch Wachinger / Wittemann, Regionalisierung, S. 52 ff.; W. Frotscher / U. Kramer, NVwZ 2001, 24 ff. 343 Zum Unterschied zwischen „gewerbsmäßigen“ und „geschäftsmäßigen“ Betreiben siehe W. Frotscher / U. Kramer, NVwZ 2001, 24 (25); Hermes, in: Hermes / Sellner, AEG, § 3, Rn. 5. 344 Zur Genehmigung von Verkehrsleistungen siehe Barth, Nahverkehr, S. 230 f. Zu den Genehmigungsvoraussetzungen nach § 6 AEG W. Frotscher / U. Kramer, NVwZ 2001, 24
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Kap. 3: Die erste und die zweite Stufe der Bahnreform
dem öffentlichen Verkehr, so dürfen Eisenbahnen nur mit einer entsprechenden Genehmigung betrieben werden (§ 6 I 1 AEG). Im anderen Fall richtet sich die Genehmigungsbedürftigkeit gem. § 6 I 2 AEG nach Landesrecht. Das AEG unterstellt die nicht-bundeseigenen Bahnen der Landesaufsicht (§ 5 I 1 AEG). Konzessionen mit Monopolcharakter, wie es die alte Fassung des Gesetzes vorgesehen hatte, existieren nicht mehr. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass dadurch zwar eine Marktöffnung erfolgte, die neu gegründete Deutsche Bahn AG als Nachfolgerin der Bundesbahn allerdings naturgemäß eine marktbeherrschende Stellung einnimmt und dieser Sachverhalt im AEG jedenfalls nicht ausdrücklich Berücksichtigung findet345. Des Weiteren trifft das AEG Regelungen zum Verhältnis der öffentlichen Eisenbahnen zu staatlichen Stellen: Leitung, Geschäftsführung, Verwaltung, wirtschaftliche Kontrolle und interne Rechnungsführung der Eisenbahnen müssen von staatlichen und kommunalen Gebietskörperschaften unabhängig sein. Damit steht das Gesetz im Einklang mit der Richtlinie 91/440/EWG346. Auch dem Anliegen einer Trennung von Netz und Betrieb kommt das AEG entgegen. Öffentliche Eisenbahnen, die sowohl Eisenbahnverkehrsleistungen erbringen als auch eine Eisenbahninfrastruktur betreiben, haben in ihrer Rechnungsführung beide Bereiche zu trennen; Quersubventionierungen sind unzulässig (§ 9 I AEG). Außerdem finden sich Regelungen, die den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur anderer Unternehmen betreffen347. Gem. § 14 I 1 AEG haben Eisenbahnverkehrsunternehmen mit Sitz in der Bundesrepublik das Recht auf diskriminierungsfreie Benutzung348 der Eisenbahninfrastruktur von Eisenbahnen, die dem öffentlichen Verkehr dienen. Machen Eisenbahnen, die nicht dem öffentlichen Verkehr dienen und die sowohl Eisenbahnverkehrs- als auch Eisenbahninfrastrukturunternehmen sind, von diesem Recht Gebrauch, so müssen sie ihrerseits den öffentlichen Eisenbahnen ihre Infrastruktur zu vergleichbaren Konditionen überlassen (§ 14 II AEG). Ohne dieses Zugangsrecht wäre eines der Hauptanliegen der Bahnreform, nämlich die Sanierung der Eisenbahnen im und durch Wettbewerb, von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen – das Streckennetz befindet sich fast vollständig im Eigentum der DB AG, die naturgemäß zuerst ihre eigenen Interessen im Blick hat und als marktwirtschaftlich agierendes Unternehmen „gezwungen“ werden muss, ihren potentiellen Wettbewerbern die Möglichkeit der Trassennutzung einzuräumen. Der Umstand, dass sich fast (27); Suckale, in: Hermes / Sellner, AEG, § 6, Rn. 25 ff.; Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 179 ff. 345 Vgl. dazu auch Aberle / Brenner, Bahnstrukturreform, S. 12 f. 346 Siehe dazu § 4 D. 347 Vgl. zu den Mitbenutzungsrechten G. Fromm, DVBl. 1994, 187 (193); M. Fehling, AöR 121, 59 (62 f.) sowie ausführlich R. Ruge, AöR 131, 1 ff.; Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 205 ff. 348 Zum Begriff der Diskriminierung und zu dessen unterschiedlichen Formen ausführlich G. Aberle / A. Hedderich, Internationales Verkehrswesen 1993, 15 (16 ff.). Zum diskriminierungsfreien Zugang nach § 14 AEG siehe S. Gerstner, in: Hermes / Sellner, AEG Kommentar, § 14, Rn. 78 f.
§ 7 Die einfachgesetzliche Ausformung der Bahnstrukturreform
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das gesamte Schienennetz in der Hand eines Unternehmens befindet, das gleichzeitig Eisenbahnverkehrsleistungen anbietet, birgt ein erhebliches Diskriminierungspotential349, dessen Verwirklichung nur durch erhebliches regulatorisches Eingreifen von Seiten des Staates verhindert werden kann. Schließlich finden sich im neuen Allgemeinen Eisenbahngesetz unter anderem Regelungen zur Beförderungspflicht (§ 10), zur Stilllegung von Strecken (§ 11)350 und zur Auferlegung bzw. Vereinbarung gemeinwirtschaftlicher Leistungen (§ 15)351. Für letztere wird – ähnlich wie im RegG – auf die europarechtlichen Vorgaben der VO 1191/69/EWG verwiesen. Das AEG bleibt damit auch nach der Bahnstrukturreform die wichtigste Kodifikation im Eisenbahnrecht auf einfachgesetzlicher Ebene, die für alle Eisenbahnen geltende verbindliche Grundregeln aufstellt.
F. Die Anpassung weiterer Rechtsvorschriften In Art. 6 ENeuOG erfolgt die notwendige Anpassung sonstiger, von der Bahnreform betroffener Rechtsvorschriften. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Änderung des erst kurz vor der Bahnreform erlassenen Schienenwegeausbaugesetzes (SchwAbG)352. Es regelt die Aufstellung eines Bedarfsplans für den Ausbau des Schienennetzes, der gem. § 1 I SchwAbG als Gesetz verabschiedet und dem SchwAbG als Anlage beigefügt wird. Im Zuge der Bahnstrukturreform wurde das SchwAbG um die §§ 8 bis 12 ergänzt353. Darin verpflichtet sich der Bund zu Investitionen in die Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes, die Bau, Ausbau und Ersatzinvestitionen im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel umfassen sollen (§ 8 I SchwAbG). Die Eisenbahnen des Bundes selbst sollen hingegen für die Unterhaltung und Instandsetzung ihrer Schienenwege aufkommen (§ 8 IV SchwAbG) und sich an durch den Bund zu finanzierenden Maßnahmen beteiligen, insofern diese Maßnahmen auf Antrag oder im Interesse einer solchen Eisenbahn in den Bedarfsplan aufgenommen wurden (§ 10 I SchwAbG). Der Bund kommt mit dieser erheblichen finanziellen Beteiligung an den durch das Schienennetz anfallenden Kosten – jedenfalls für den Inf-
349
Vgl. dazu F. Berschin, DVBl. 2002, 1079 (1080); Barth, Nahverkehr, S. 228 f.; Preuß, Bahn im Umbruch, S. 87 ff. 350 Siehe dazu ausführlich W. Spoerr, DVBl. 1997, 1309 ff.; Barth, Nahverkehr, S. 224 ff.; R. Dietrich, DVBl. 2007, 657 (659 f.); W. Frotscher / U. Kramer, NVwZ 2001, 24 (30 ff.); Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 250 ff. 351 Siehe dazu Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 177. 352 Gesetz vom 15. November 1993, BGBl. I, S. 1874. Siehe dazu Hermes, in: Hermes / Sellner, AEG, Einf D, S. 93 ff. 353 Art. 6 Ziffer 135 ENeuOG, BGBl. I, S. 2423.
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Kap. 3: Die erste und die zweite Stufe der Bahnreform
rastrukturbereich – seiner Gewährleistungspflicht aus Art. 87e IV GG nach354. Andere durch Art. 6 ENeuOG geänderte Rechtsvorschriften sind unter anderem das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWG)355, das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG)356 und das Personenbeförderungsgesetz (PBefG)357.
§ 8 Eckpunkte der Entwicklung zur formellen Privatisierung Mit der Bahnstrukturreform von 1994 und der damit verbundenen Überführung der beiden deutschen Staatsbahnen in ein privatwirtschaftliches, im Wettbewerb agierendes Unternehmen hat sich ein in der Geschichte der deutschen Eisenbahnen tiefgreifender Wandel vollzogen. Während man zu Beginn der Geschichte des Transportmittels Eisenbahn politisch eine Verstaatlichung anstrebte, um die Vorteile der neuen Entwicklung zu sozialisieren und nicht dem freien Spiel der Marktkräfte zu überlassen, verkehrte sich diese Entscheidung im letzten Jahrzehnt in ihr Gegenteil: Die vermeintliche mangelnde Konkurrenzfähigkeit einer Staatsbahn im Wettbewerb mit den modernen Verkehrsträgern, insbesondere dem Kraftwagen, sowie eine über Jahrzehnte verfehlte Verkehrspolitik führten zu wirtschaftlichen Ergebnissen, die haushaltspolitisch nicht mehr tragbar waren. Es setzte sich deshalb die Auffassung durch, dass nur eine privatisierte, im marktwirtschaftlichen Wettbewerb agierende Eisenbahn überlebensfähig sei. Der Staat entledigte sich seiner Aufgabe der Daseinsvorsorge in diesem Bereich fast vollständig und reduzierte seine Pflichten auf eine Art Grundversorgung im Infrastruktur- und Verkehrsbereich. Auf diese Weise entfiel zwar ein Teil des wirtschaftlichen Risikos für das Gemeinwesen. Die Kehrseite der Medaille besteht jedoch darin, dass der Bund auch erhebliche Einflussmöglichkeiten in diesem gesamtgesellschaftlich wichtigen Bereich eingebüßt hat, obwohl er den Bahnbereich noch immer mit bedeutenden Summen subventioniert358. Mit der Bahnstrukturreform haben Bund und Länder die notwendigen Voraussetzungen für die Umwandlung der Staatsbahn in ein privatwirtschaftliches Unternehmen auf verfassungs- und einfachrechtlicher Ebene geschaffen. Durch die Aufnahme des Schienenwegevorbehalts und die Gewährleistungsklausel in Art. 87e GG wird 354 Siehe Menges, Rechtsgrundlagen, S. 88; Möstl, Art. 87e, Rn. 187; Hermes, in: Hermes / Sellner, AEG, Einf D, S. 94. Für den Personenfernverkehrsbereich fehlt indes ein Ausführungsgesetz gem. Art. 87e IV 2 GG, kritisch dazu I. Knecht, NVwZ 2003, 932 (935 f.). 355 Art. 6 Ziffer 64 ENeuOG, BGBl. I, S. 2412. 356 Art. 6 Ziffer 107 ENeuOG, BGBl. I, S. 2417. 357 Art. 6 Ziffer 116 ENeuOG, BGBl. I, S. 2418. 358 Der Bund wendet jährlich ca. 18 Mrd. Euro für den Bahnsektor auf. Davon entfallen etwa 8 Mrd. Euro auf das Bundeseisenbahnvermögen und etwa 10 Mrd. Euro auf die DB AG und die Bundesländer im Rahmen des Ausgleichs für den SPNV, vgl. H. Gersdorf, ZHR 168 (2004), 576 (577).
§ 9 Die weitere Entwicklung der Gesetzgebung im Eisenbahnsektor
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aber auch deutlich, für wie wichtig die politischen Entscheidungsträger die Eisenbahn im Gefüge der Verkehrsträger hielten. Die erfolgte Privatisierung ist damit weder absolut noch bedingungslos. Im Grunde hat die Bahn auch weiterhin, wie schon bis zur Strukturreform, eine Sonderstellung inne. Der Schwerpunkt hat sich jedoch markant von der Gemeinwohl- auf die Privatwirtschaftlichkeitsdirektive verlagert. Die Bahnreform kennzeichnet sich aber auch durch zahlreiche, die Grundsatzentscheidung für eine Privatbahn flankierende Maßnahmen. Das Gefüge der abgeschichteten Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Ländern wurde neu justiert. Außerdem musste der politisch gewollte Wettbewerb im Bahnsektor durch eine Trennung von Netz und Betrieb überhaupt erst ermöglicht werden. Schließlich wurden die zuvor von der Bundesbahn wahrgenommenen hoheitlichen Aufgaben auf verschiedene Behörden übertragen.
§ 9 Die weitere Entwicklung der Gesetzgebung im Eisenbahnsektor Die gesetzgeberische Tätigkeit im Eisenbahnsektor ist seit der Bahnreform nicht zum Erliegen gekommen – zwar kam es nicht zu solch umwälzenden Änderungen wie im Jahre 1994, doch gab es zahlreiche Gesetzesänderungen auf europäischer und einfachrechtlicher Ebene. Die wichtigsten sollen im Folgenden dargestellt werden.
A. Europarecht Auf europarechtlicher Ebene359 kam es bereits im Jahre 1995 zum Erlass zweier neuer Richtlinien für den Eisenbahnsektor. Es handelt sich dabei um die Richtlinien 95/18/EG360 und 95/19/EG361 vom 19. Juni 1995, die hauptsächlich dazu dienten, die Richtlinie 91/440/EWG zu konkretisieren. Die Richtlinie 95/18/EG regelt Fragen der Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen, während die Richtlinie 95/19/EG Grundsätze über die Zuweisung von Fahrwegkapazitäten an Eisenbahnunternehmen und die Berechnung von Wegeentgelten aufstellt.
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Zu europäischen Regulierungsvorgaben für das Eisenbahnwesen siehe auch A. Bartosch / K. Jaros, WuW 2005, 15 (16 ff.). 360 ABl. Nr. L 143/70. 361 ABl. Nr. L 143/75.
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Kap. 3: Die erste und die zweite Stufe der Bahnreform
I. Das „erste Eisenbahninfrastrukturpaket“ Diese beiden gemeinschaftsrechtlichen Rechtsakte wurden allerdings schon im Jahre 2001 durch das sog. Eisenbahninfrastrukturpaket362 erneut geändert. Dieses enthielt die Richtlinien 2001/12/EG363 zur Änderung der Richtlinie 91/440/EWG, 2001/ 13/EG364 zur Änderung der Richtlinie 95/18/EG und 2001/14/EG365 (Neufassung der Richtlinie 95/19/EG) vom 26. Februar 2001. 1. Trennung von Netz und Betrieb Die Richtlinie 91/440/EWG, i. d. F. der Richtlinie 2001/12/EG, intensiviert die Anforderungen an die Mitgliedstaaten hinsichtlich der Trennung von Netz und Betrieb366 bei den nationalen Eisenbahnen, wodurch das Ziel eines gerechten und diskriminierungsfreien Zugangs zur Eisenbahninfrastruktur angestrebt wird. Insbesondere soll dies durch die Trennung bestimmter wesentlicher Funktionen und/oder die Einrichtung einer Eisenbahn-Regulierungsstelle sowie getrennte Gewinn- und Verlustrechnungen und Bilanzen erreicht werden367. Zwar fordert die Richtlinie keine organisatorische Trennung der Erbringung von Eisenbahnverkehrs- und Infrastrukturdienstleistungen, jedoch sieht sie in Art. 6 III vor: „Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Funktionen nach Anhang II, die für einen gerechten und nichtdiskriminierenden Zugang zur Infrastruktur ausschlaggebend sind, an Stellen oder Unternehmen übertragen werden, die selbst keine Eisenbahnverkehrsleistungen erbringen. Ungeachtet der Organisationsstrukturen ist der Nachweis zu erbringen, dass dieses Ziel erreicht worden ist. Die Mitgliedstaaten können jedoch Eisenbahnunternehmen oder jeder anderen Stelle die Erhebung von Entgelten und die Verantwortung für die Verwaltung der Eisenbahninfrastruktur übertragen, wozu Investitionen, Wartung und Finanzierung gehören.“ Zu den Funktionen gemäß Anhang II der Richtlinie gehören unter anderem die Beurteilung der Verfügbarkeit und die Zuweisung der Zugtrassen sowie die Entscheidung über Wegeentgelte. Durch die Wendung „ungeachtet der Organisationsstrukturen“ wird deutlich, dass die Richtlinie keineswegs organisationsrechtliche Vorgaben 362 Siehe dazu M. Maier / J.H. Dopheide, EuZW 2003, 456 ff.; R. Wolf, KJ 2003, 192 (206 ff.); M. Ronellenfitsch, DVBl. 2002, 657 (657 f.); Möstl, Art. 87e, Rn. 45; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 8; Hermes, in: Hermes / Sellner, AEG, Einf B, S. 44; insbesondere hinsichtlich des Netzzugangs, auch R. Ruge, AöR 131, 1 (8). 363 ABl. Nr. L 75/1. 364 ABl. Nr. L 75/26. 365 ABl. Nr. L 75/29. 366 Zur Problematik der Trennung von Netz und Betrieb der Eisenbahnen, insbesondere auch hinsichtlich europarechtlicher Vorgaben siehe F. Berschin, DVBl. 2002, 1079 ff.; Hermes, in: Hermes / Sellner, AEG, Einf B, S. 46 ff. 367 Siehe Erwägungsgrund 2 der RL 2001/12/EG.
§ 9 Die weitere Entwicklung der Gesetzgebung im Eisenbahnsektor
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für die Ausgestaltung des Verhältnisses von Eisenbahninfrastrukturunternehmen und Eisenbahnverkehrsunternehmen machen will368. Es geht lediglich darum, dass diejenigen Aufgaben, die als für einen diskriminierungsfreien Zugang wesentlich angesehen werden, von einer unabhängigen Stelle ausgeübt werden – insofern also ein Infrastrukturunternehmen diese Unabhängigkeit nicht gewährleisten kann, müssen die entsprechenden Funktionen auf eine andere Stelle übertragen werden. Ist der Schienenbetreiber jedoch von Eisenbahnverkehrsunternehmen unabhängig, kann er die genannten Aufgaben selbst wahrnehmen. 2. Netzzugang und Einrichtung einer Regulierungsstelle Ein weiterer wichtiger Regelungsgegenstand der Richtlinie 2001/12/EG besteht darin, dass allen Eisenbahnunternehmen, die Verkehrsleistungen im grenzüberschreitenden Frachtverkehr erbringen, ein Zugangsrecht zum Streckennetz des „transeuropäischen Schienengüternetzes“ gewährt wurde369. Das transeuropäische Schienengüternetz wurde im Anhang I zu Art. 10a dargestellt und enthielt zunächst nur die Hauptverbindungsstrecken mit ca. 50 000 Streckenkilometern370. Was die Richtlinie 2001/14/EG betrifft, so ist insbesondere erwähnenswert, dass sie Grundsätze für die Bemessung der Netznutzungsentgelte enthält, die Eisenbahnverkehrsunternehmen an Eisenbahninfrastrukturunternehmen für die Nutzung ihres Schienennetzes zahlen müssen (Art. 7 – 12). Außerdem sieht sie die Errichtung einer staatlichen Regulierungsstelle371 vor, die kontrollieren soll, dass die aufgestellten Grundsätze zur Entgeltberechnung eingehalten werden. Daneben soll sie eine Art Schlichterfunktion übernehmen, wenn sich Verkehrs- und Infrastrukturunternehmen nicht über die Einzelheiten des Zugangs einigen können (Art. 30 III). Die einzurichtende Regulierungsstelle muss, um diese Aufgaben erfüllen zu können, gem. Art. 30 I der RL 2001/14/EG rechtlich, organisatorisch, bei ihren Finanzierungsbeschlüssen und in ihrer Entscheidungsfindung von Betreibern der Infrastruktur, entgelterhebenden Stellen, Zuweisungsstellen und Antragstellern unabhängig sein. Die drei Richtlinien des sog. Eisenbahnpakets waren bis zum 15. März 2003 in nationales Recht umzusetzen.
368 So auch H. Gersdorf, ZHR 168 (2004), 576 (587); vgl. auch M. Maier / J.H. Dopheide, EuZW 2003, 456 (460); Hermes, in: Hermes / Sellner, AEG, Einf B, S. 46 f.; abweichend F. Berschin, DVBl. 2002, 1079 (1081). 369 Vgl. dazu auch H. Gersdorf, ZHR 168 (2004), 576 (580 f.); Hermes, in: Hermes / Sellner, AEG, Einf B, S. 63 ff. 370 Seit dem 01. Januar 2006 besteht ein Zugangsrecht für das gesamte Streckennetz, siehe Art. 1 der Richtlinie 2004/51/EG vom 29. April 2004 zur Änderung der Richtlinie 91/440/ EWG, berichtigte Fassung, ABl. Nr. L 220/58. 371 Siehe dazu Hermes, in: Hermes / Sellner, AEG, Einf B, S. 50.
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Kap. 3: Die erste und die zweite Stufe der Bahnreform
II. Das „Zweite Eisenbahnpaket“ Einen vorläufigen Abschluss fand die gesetzgeberische Tätigkeit im Eisenbahnsektor mit dem sog. zweiten Eisenbahnpaket372. Es enthält unter anderem einige Veränderungen der Richtlinien des ersten Eisenbahnpakets373 sowie eine Verordnung zur Errichtung einer europäischen Eisenbahnagentur374. Grundlegend wurde die Rechtslage durch dieses Maßnahmenpaket jedoch nicht umgestaltet.
B. Nationales Recht Auch im nationalen Recht kam es in den auf die Bahnreform folgenden Jahren zu verschiedenen Gesetzesänderungen, die zum einen der Umsetzung der neuen europarechtlichen Vorgaben dienen und zum anderen diejenigen gesetzgeberischen Mängel der Bahnreform beheben sollten, die sich erst in der praktischen Anwendung der im Rahmen der Strukturreform erlassenen Normen gezeigt hatten. I. Die Zweite Stufe der Bahnreform Neben den gesetzgeberischen Maßnahmen, die seit 1994 erfolgt sind, ist die sog. Zweite Stufe der Bahnreform erwähnenswert. In § 2 I i.V.m. § 25 DBGrG war bereits festgelegt worden, dass frühestens drei und spätestens fünf Jahre nach der Eintragung der DB AG im Handelsregister die Bereiche Personennahverkehr, Personenfernverkehr, Güterverkehr und Fahrweg auf neu zu gründende Aktiengesellschaften auszugliedern seien375. Dementsprechend erfolgte zum 01. Januar 1999 (also zum letztmöglichen Zeitpunkt) die Ausgliederung der DB Reise & Touristik AG, der DB Regio AG, der DB Cargo AG, der DB Netz AG sowie der DB Station & Service AG. Die Ausgliederung der letztgenannten Gesellschaft war gesetzlich nicht vorgeschrieben, jedoch ebenso wenig untersagt und basierte auf einer rein unternehmerischen Entscheidung376. Seitdem ist die Deutsche Bahn als mehrstufiger Konzern unter Führung der DB AG als Holding gestaltet377. Die Auflösung der Holding bedürfte 372 Siehe dazu R. Ruge, AöR 131, 1 (8 f.); A. Bartosch / K. Jaros, WuW 2005, 15 (18 f.); Möstl, Art. 87e, Rn. 45. 373 So zum Beispiel eine weitere Verbesserung des Rechts auf den Netzzugang für überregional tätige Eisenbahnverkehrsunternehmen, siehe dazu H. Gersdorf, ZHR 168 (2004), 576 (580). 374 VO 881/2004/EG vom 29. April 2004, berichtigte Fassung, ABl. Nr. L 220/3. Zu den Zielen der europäischen Eisenbahnagentur knapp T. Oppermann, Europarecht, S. 489, Rn. 28 (Interoperabilität, Wettbewerbsfähigkeit, Sicherheit des europäischen Eisenbahnsystems). 375 Zu Fragen des Ausgliederungsverfahrens siehe Suckale, in: Hermes / Sellner, AEG, Einf C, S. 77 ff. 376 M. Suckale, Kompendium Eisenbahn-Gesetze, S. 9. 377 Siehe dazu näher Homeister, Öffentliche Aufgabe, S. 52 f.
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gem. § 2 II DBGrG eines formellen Gesetzes und steht insofern im Ermessen des Gesetzgebers. Bis heute ist kein dementsprechendes Gesetz erlassen worden. II. Das Dritte Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften Was die Umsetzung der europarechtlichen Forderungen angeht, so sollte diesem Anliegen insbesondere das Dritte Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 27. April 2005378 dienen, durch welches das AEG379, das BEVVG und das BSchwAbG geändert wurden. 1. Netzzugang Um den erweiterten Anforderungen bezüglich des Netzzugangs für Eisenbahnverkehrsunternehmen gem. Art. 10 III der RL 91/440/EWG i. d. F. der RL 2001/12/EG gerecht zu werden, wurde die Regulierung dieses Bereichs ausgebaut380. Man verschärfte381 die Verpflichtungen der Netzbetreiber hinsichtlich der Schaffung eines diskriminierungsfreien Zugangsrechts382 (§ 14 I AEG), stellte Regelungen für die Bemessung der Entgelte für die Nutzung der Infrastruktur auf (§ 14 IV, V AEG383) und erweiterte die Eingriffsbefugnisse der Regulierungsbehörde (§ 14c – 14 f AEG)384. Zentrale Bedeutung für den Bereich des Netzzugangs kommt auch der aufgrund § 26 I Nr. 6 und 7 AEG erlassenen Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung385 (EIBV) zu. Sie konkretisiert die Regelung des § 14 AEG, indem sie beispielsweise in § 9 I EIBV festlegt, dass ein Betreiber von Schienenwegen nicht ohne sachlich gerechtfertigten Grund über Anträge auf Zuweisung von Zugtrassen unterschied378
BGBl. I, S. 1138. Zu den Änderungen des AEG siehe B. Stüer / F. Berka, DVBl. 2005, 1365 (1367); U. Kramer, NVwZ 2006, 26 (27 ff.). Zu den Neuerungen von AEG und EisenbahninfrastrukturBenutzungsverordnung (dazu sogleich) siehe R. Ruge, DVBl. 2005, 1405 (1408 ff.). Einen kurzen Überblick über die wesentlichen Veränderungen durch das Dritte Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften bietet auch K.-A. Sellmann, NVwZ 2006, 888 (888 f.). Noch zum 1. Arbeitsentwurf des Dritten Gesetzes zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 12. Juni 2001 M. Ronellenfitsch, DVBl. 2002, 657 (658 f.). 380 Zu den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben sowie der nationalen Umsetzung der Bestimmungen zum Netzzugang siehe H. Gersdorf, ZHR 168 (2004), 576 (595 ff.). 381 Detailliert zu den einzelnen Vorgaben U. Kramer, NVwZ 2006, 26 (31); J. Kühling / A. Ernert, NVwZ 2006, 33 (34 f.). 382 Zur Rechtsnatur des Zugangsanspruchs siehe R. Ruge, DVBl. 2005, 1405 (1406 f.). 383 Zu Auslegungsschwierigkeiten des § 14 IV, V AEG siehe B. Stüer / F. Berka, DVBl. 2006, 1360 (1363). 384 Ein Überblick über die einzelnen Erweiterungen der Befugnisse findet sich bei J. Kühling / A. Ernert, NVwZ 2006, 33 (36 ff.). 385 Vom 03. Juni 2005, BGBl. I, S. 1566. Zur ersten Variante der EIBV nach der Bahnstrukturreform siehe Aberle / Brenner, Bahnstrukturreform, S. 14. 379
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Kap. 3: Die erste und die zweite Stufe der Bahnreform
lich entscheiden darf. Des Weiteren werden die Schienenwegebetreiber verpflichtet, Schienennetz-Benutzungsbedingungen zu erstellen, die auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Benutzung der Zugtrassen enthalten müssen (§ 4 I, II EIBV)386. 2. Trennung von Netz und Betrieb Auch die Vorgaben bezüglich der Trennung von Netz und Betrieb waren europarechtlich verschärft worden387. Dementsprechend schreibt § 9 Ia AEG eine getrennte Gewinn- und Verlustrechnung für integrierte Eisenbahnunternehmen vor (vgl. Art. 6 I der RL 91/440/EWG i. d. F. der RL 2001/12/EG). Zudem war dem Erfordernis des Art. 6 III der RL 91/440/EWG i. d. F. der RL 2001/12/EG Rechnung zu tragen: Nach dieser Vorschrift dürfen bestimmte Funktionen (wie zum Beispiel die Zuweisung von Zugtrassen und die Entscheidung über Wegeentgelte) nur dann durch das Eisenbahninfrastrukturunternehmen selbst wahrgenommen werden, soweit es von Eisenbahnverkehrsunternehmen rechtlich und organisatorisch unabhängig ist. Dementsprechend wurde die Regelung des § 9a I 1 AEG388 geschaffen, nach der öffentliche Betreiber der Schienenwege rechtlich, organisatorisch und in ihren Entscheidungen von Eisenbahnverkehrsunternehmen unabhängig sein müssen, soweit Entscheidungen über die Zuweisung von Zugtrassen und über die Wegeentgelte betroffen sind. Die rechtliche Unabhängigkeit soll dadurch erreicht werden, dass gem. § 9a I 2 Nr. 1 AEG bei integrierten Unternehmen die Bereiche Verkehr und Schiene auf gesonderte Gesellschaften auszugliedern sind. Zur Umsetzung der organisatorischen Unabhängigkeit sieht § 9a I 2 Nr. 2 AEG vor, dass Verträge des Schienenwegebetreibers mit Dritten die Selbständigkeit des Betreibers nicht beeinträchtigen dürfen. Diese Regelung hat insbesondere die bis zur gesetzlichen Regelung bestehenden Beherrschungsverträge, die die DB AG mit ihren Töchterunternehmen abgeschlossen hatte, im Blick389. Durch solche Beherrschungsverträge entstehen Konzerne (§ 18 I 2 AktG), bei denen die abhängigen Unternehmen den Anweisungen der herrschenden Unternehmen Folge leisten müssen (§ 308 AktG). Ziel ist dabei die Ergebnisoptimierung für den Gesamtkonzern390. Liegt ein Beherrschungsvertrag vor, so kann demzufolge nicht davon ausgegangen werden, dass die DB Netz AG von ihren Verkehrsdienstleistungen anbietenden Schwesterunternehmen organisatorisch 386 Siehe dazu auch R. Ruge, DVBl. 2005, 1405 (1409 f.); Gerstner, in: Hermes / Sellner, AEG, § 14, Rn. 102 ff. 387 Zu den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben sowie der nationalen Umsetzung der Bestimmungen zur Trennung von Netz und Betrieb siehe H. Gersdorf, ZHR 168 (2004), 576 (583 ff.). 388 Vgl. zu dieser Norm und zu § 9a II AEG B. Stüer / F. Berka, DVBl. 2006, 1360 (1361 f.); R. Ruge, DVBl. 2005, 1405 (1414); U. Kramer, NVwZ 2006, 26 (29 f.). 389 H. Gersdorf, ZHR 168 (2004), 576 (592). 390 Vgl. dazu H. Altmeppen, in: B. Kropff / J. Semler (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, Band 8, § 308, Rn. 101 ff.; Hüffer, Aktiengesetz, § 308, Rn. 1.
§ 9 Die weitere Entwicklung der Gesetzgebung im Eisenbahnsektor
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unabhängig ist, da sie sich dem Konzerninteresse unterzuordnen hat391. Die bestehenden Beherrschungsverträge mussten deshalb in einer Weise angepasst werden, die die organisatorische Unabhängigkeit der DB Netz AG wahrt392 oder ansonsten gekündigt oder durch die zuständige Aufsichtsbehörde verboten werden (§ 9a II AEG). Die § 9a I 2 Nr. 3 bis 5 AEG betreffen die Entscheidungsunabhängigkeit des Infrastrukturbetreibers393. Darin wird unter anderem geregelt, dass Entscheidungen über den Netzfahrplan, die Zuweisung von Zugtrassen und die Entscheidung über Wegeentgelte nur von Personal des Schienenwegebetreibers zu treffen sind, das keine Funktionen in Eisenbahnverkehrsunternehmen oder mit ihnen verbundenen Unternehmen ausübt; außerdem sind Weisungen Dritter hinsichtlich dieser Entscheidungen unzulässig. In integrierten Unternehmen müssen darüber hinaus Regelungen geschaffen werden, welche die Einflussnahme Dritter außerhalb des Infrastrukturbetreibers bezüglich der Entscheidung über Netzfahrplan, Trassenvergabe etc. verhindern. Mit diesen Neuregelungen wollte der Gesetzgeber den europarechtlichen Anforderungen an die Unabhängigkeit des Schienenwegebetreibers entsprechen, sodass die „wesentlichen Funktionen“ i.S.d. Art. 6 III der RL 91/440/EWG i. d. F. der RL 2001/12/EG weiterhin durch die DB Netz AG selbst wahrgenommen werden konnten und nicht auf eine andere, unabhängige Stelle übertragen werden mussten. 3. Erweiterung der Kompetenzen der Bundesnetzagentur Neben den dargestellten Änderungen des AEG wurde auch das BEVVG an einer wichtigen Stelle reformiert: Die Aufgabe, die Einhaltung der Rechtsvorschriften über den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur zu überwachen, wurde vom Eisenbahn-Bundesamt mit Wirkung ab dem 01. Januar 2006 auf die Bundesnetzagentur übertragen394 (§ 4 I BEVVG). Der Verweis auf die Zugangsregulierung meint im System des Allgemeinen Eisenbahngesetzes die §§ 14 ff. AEG einschließlich der Entgeltregulierung395. Die Bundesnetzagentur ist damit insbesondere mit Kontrollaufgaben hinsichtlich der Entscheidung über die Zuweisung von Zugtrassen, der Erstellung des Netzfahrplans, des Zugangs zu Serviceeinrichtungen, der Entgeltgrundsätze
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F. Berschin, DVBl. 2002, 1079 (1082). Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften, BTDrucks. 15/2743, S. 14. 393 Siehe dazu H. Gersdorf, ZHR 168 (2004), 576 (592 ff.). 394 Zu den Unterschieden der Aufgaben der Bundesnatzagentur im Bereich der Eisenbahnen im Vergleich zu Energie, Telekommunikation und Post, siehe B. Stüer / F. Berka, DVBl. 2006, 1360 (1363). Zu Aufgabenbereich, Organisationsstruktur und Rechtsstellung der Bundesnetzagentur C. Schmidt, NVwZ 2006, 907 (907 ff.); zum organisationsrechtlichen Rahmen der Agentur C. Schmidt, DÖV 2005, 1025 ff. 395 J. Kühling / A. Ernert, NVwZ 2006, 33 (38). 392
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Kap. 3: Die erste und die zweite Stufe der Bahnreform
und der Entgelthöhen betraut396. Die Dienst- und Fachaufsicht für den Eisenbahnbereich bei der Bundesnetzagentur liegt gem. § 4 I BEVVG beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen (jetzt Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung)397.
§ 10 Fünfzehn Jahre nach der Bahnreform – eine Zwischenbilanz Die formelle Privatisierung der Deutschen Eisenbahnen ist vor nunmehr fast fünfzehn Jahren erfolgt – Zeit genug also, um eine Zwischenbilanz zu ziehen und die bisherigen Ergebnisse der Reform zu bewerten.
A. Die wirtschaftliche Entwicklung Der schwerwiegendste Grund für eine umfassende Bahnstrukturreform war zweifellos die miserable wirtschaftliche Situation der beiden Staatsbahnen zu Beginn der 1990er Jahre und die damit verbundene enorme Belastung des Haushalts gewesen398. Die mit der Privatisierung verbundene Hoffnung, die finanzielle Leistungsfähigkeit der Bahn deutlich zu erhöhen, erfüllte sich aber nur teilweise. Zwar konnte die DB AG im Jahr 2007 einen Gewinn in Höhe von 1,716 Mrd. Euro ausweisen399. Bei der Interpretation dieses Ergebnisses ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Bund im gleichen Jahr ca. 8,5 Mrd. Euro Finanzmittel für die Eisenbahnen des Bundes bereitstellte400 und die Länder 6,7 Mrd. Euro vom Bund für die Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs erhielten401. Damit konnten sie 396 Zur Reichweite der Kontrollkompetenz der Bundesnetzagentur siehe H. Gersdorf, Entgeltregulierung im Eisenbahnsektor, S. 58 ff.; C. Schmidt, NVwZ 2006, 907 (907 f.). 397 J. Kühling / A. Ernert, NVwZ 2006, 33 (38 f.) erblicken darin ein Diskriminierungspotential und die Gefahr wettbewerbsverzerrender Eingriffe des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, da die Verwaltung der Bundesanteile an der DB AG beim Bundeseisenbahnvermögen und damit letztlich als übergeordneter Dienststelle ebenfalls beim Bundesverkehrsministerium liegt. Vgl. zum Problemkreis auch C. Schmidt, DÖV 2005, 1025 (1028 ff.). 398 Vgl. dazu § 4 A. I. Siehe auch BT-Drucks. 12/4609, S. 53; Aberle / Brenner, Bahnstrukturreform, S. 22 ff. 399 Deutsche Bahn AG (Hrsg.), Daten & Fakten 2007, S. 13, im Internet abrufbar unter (Stand: 19. Mai 2009). 400 Siehe Bundeshaushalt 2007, Anlage zur BT-Drucks. 16/2300, Einzelplan 12, Titel 12 22. 401 Siehe § 5 RegG, zuletzt geändert durch Art. 13 des Haushaltbegleitgesetzes 2006 vom 29. Juni 2006, BGBl. I, S. 1402 (1406).
§ 10 Fünfzehn Jahre nach der Bahnreform – eine Zwischenbilanz
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Leistungen im SPNV bei der Bahn bestellen – diese Aufträge machten im Jahr 2007 rund 65 % des Umsatzes der DB Regio AG aus402. Allein die Investitionszuschüsse des Bundes in das Schienennetz beliefen sich in den Jahren 1994 bis 2006 kumuliert auf ca. 48 Mrd. Euro403. Der Bund hat an der Finanzierung der DB AG also einen ganz erheblichen Anteil. Dies entspricht seiner Infrastrukturverantwortung, die er gem. Art. 87e IV GG wahrzunehmen hat. Während der Planungen zur Bahnstrukturreform war man von einer weiteren finanziellen Belastung des Bundes auch durch eine privatisierte Bahn ausgegangen404 – jedoch sollte diese im Vergleich zur Situation ohne Privatisierung erheblich geringer ausfallen. Prognostiziert hatte man einen Gesamtfinanzbedarf des Bundes für den Eisenbahnbereich – nach erfolgter Bahnstrukturreform – in den Jahren 1991 bis 2000 von 257 Mrd. DM405. Diese Prognose wurde vom Bundesverkehrsministerium später für den Zeitraum 1994 bis 2002 fortgeschrieben und dabei eine kumulierte Haushaltsbelastung von 180 Mrd. Euro errechnet406. Die DB AG brüstete sich im Jahr 2003 mit der Darstellung, die Bahnreform sei ein durchschlagender haushaltspolitischer Erfolg407, da der Bundeshaushalt tatsächlich nur mit 165 Mrd. Euro belastet worden sei408. Bei formaler Betrachtungsweise ist diese Zahl zwar korrekt, was einer Ersparnis von 15 Mrd. Euro im Vergleich zur Modellrechnung entspricht409. Bei diesem Ergebnis bleiben allerdings wesentliche Faktoren unberücksichtigt. So legte das Bundesverkehrsministerium bei seiner Berechnung beispielsweise deutlich höhere Kosten zur Finanzierung des Personalüberhangs von DB und DR zu Grunde als später tatsächlich entstanden. Dies war im Wesentlichen dadurch begründet, dass der Personalabbau rascher und drastischer erfolgte als ursprünglich geplant.410 Auch die Kosten, die im Zusammenhang mit den Finanzaltlasten der ehemaligen Behörden402 Vgl. Deutsche Bahn Regio AG (Hrsg.), Geschäftsbericht 2007, S. 1, im Internet abrufbar unter (Stand: 19. Mai 2009). 403 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.), Die Bahnreform, im Internet abrufbar unter (Stand: 03. Januar 2008). 404 Vgl. bspw. Regierungskommission Bundesbahn, Bericht, S. 60; G. Aberle / O. Zeike, Die Bahnstrukturreform 1994 – Erfolg oder Misserfolg?, S. 8. 405 Regierungskommission Bundesbahn, Bericht, S. 59. 406 Bundesministerium für Verkehr, Modellrechnung Bundeshaushalt vom 15. Februar 1993. 407 Deutsche Bahn AG (Hrsg.), Was kostet die Bahn den Steuerzahler?, S. 9. 408 Deutsche Bahn AG, Was kostet die Bahn, S. 8. 409 M. Henke, Bilanz und Perspektiven der Bahnreform fordern weiter heraus, in: Förderkreis des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen / Verband der Bahnindustrie in Deutschland, Zehn Jahre Bahnreform, S. 8 (8), geht sogar von einer Ersparnis von 40 Mrd. Euro aus. 410 Vgl. dazu ausführlich G. Ilgmann, Supplement zu Bahn-Report 02/04, S. 1 (3); siehe auch W. Pällmann, Internationales Verkehrswesen 2004, 127 (128); Preuß, Bahn im Umbruch, S. 18 f.
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Kap. 3: Die erste und die zweite Stufe der Bahnreform
bahnen entstanden, waren in der Prognose höher veranschlagt worden als sie tatsächlich zählbar zu Buche schlugen, was aber rein finanzwirtschaftliche Gründe hatte und keinesfalls als Erfolg der Reform gewertet werden darf411. Ein letzter Punkt, der zur vermeintlich positiven Zehn-Jahres-Bilanz der DB AG angemerkt werden muss, ist die im Vergleich zur Planung um 10 Mrd. Euro geringere Investition in das Schienennetz der DB AG, die in Zukunft Mindereinnahmen nach sich ziehen wird und daher nicht als Ersparnis für den Bundeshaushalt deklariert werden kann.412 Bei einer – stark vereinfachten – Parallelberechnung, die die angesprochenen Punkte berücksichtigt, gelangt man beim Vergleich mit der Prognose statt zu einer Ersparnis von 15 Mrd. Euro zu einer Mehrbelastung des Staates von 17 Mrd. Euro413 – womit die finanzwirtschaftliche Bilanz der Strukturreform dann doch eher ernüchternd ausfällt.414 Sehr kritisch kann man auch das Faktum bewerten, dass der Bundeshaushalt durch die Bahn heute etwa in der gleichen Größenordnung belastet wird, wie vor der Bahnreform und dass die Schulden der Bahn bereits im Jahre 2004 wieder auf ca. 25 Mrd. Euro angewachsen waren415. Bei solchen Betrachtungen ist zwar zuzugeben, dass die Prognosen vor der Bahnreform weitaus zuversichtlicher waren416. Allerdings sollte man nicht vernachlässigen, dass die finanziellen Belastungen des Bundes ohne Bahnstrukturreform und unter Beibehaltung des status quo einer Staatsbahn wahrscheinlich deutlich höher ausgefallen wären417. Was die Entwicklung der wirtschaftlichen Situation der Bahn und die Haushaltsbelastung des Bundes angeht, lässt sich die vorläufige Bilanz der Bahnstrukturreform auf die Schlussfolgerung verdichten: Die Erwartungen wurden verfehlt, aber die Befürchtungen haben sich ebenso wenig realisiert.418
B. Die Rolle des Verkehrsträgers Eisenbahn Ein weiteres Anliegen der Bahnprivatisierung war es gewesen, den Verkehrsträger Eisenbahn zu stärken und insbesondere im Vergleich zu Kraftfahrzeugen wieder wett411 G. Ilgmann, Supplement zu Bahn-Report 02/04, S. 1 (3). Vgl. dazu auch AG Verkehr der FDP Bundestagsfraktion, Fakten zur Bahnreform, S. 5, das Dokument ist im Internet abrufbar unter (Stand: 25. März 2009). 412 Siehe G. Ilgmann, Supplement zu Bahn-Report 02/04, S. 1 (4). 413 So G. Ilgmann, Supplement zu Bahn-Report 02/04, S. 1 (4). 414 Zahlenmaterial zu den finanziellen Auswirkungen der Strukturreform für die Jahre 1994 bis 1999 liefern auch Aberle / Zeike, Bahnstrukturreform 1994, S. 32. 415 So H. Gersdorf, ZHR 168 (2004), 576 (577). 416 Vgl. beispielsweise die Gegenüberstellungen von AG Verkehr der FDP-Bundestagsfraktion, Fakten zur Bahnreform, S. 5 f. 417 Vgl. dazu statt vieler Aberle / Zeike, Die Bahnstrukurreform 1994, S. 8, 42. 418 Eine ernüchternde Bilanz der Strukturreform – nicht nur in finanzwirtschaftlicher Hinsicht – zieht auch T. Engartner, Die Privatisierung der Deutschen Bahn, S. 18 ff. Auch M. Fehling, DÖV 2002, 793 (793) bewertet das Reformziel der Haushaltsentlastung als teilweise verfehlt.
§ 10 Fünfzehn Jahre nach der Bahnreform – eine Zwischenbilanz
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bewerbsfähig zu machen419, nachdem die Bahn bis zu Beginn der 1990er Jahre permanent Marktanteile eingebüßt hatte420. Im Güterverkehr war in den ersten Jahren nach der Bahnreform zunächst ein Rückgang des Marktanteils (Modal Split) der Eisenbahn zu verzeichnen gewesen421. Dieser fiel bis 1998 auf 15,7 %422. Inzwischen hat sich allerdings eine Trendwende vollzogen – im Jahr 2006 stieg der Anteil der Eisenbahn, gemessen an der Verkehrsleistung, auf 17,8 %423 und liegt damit ganz leicht über dem Wert des Jahres 1993. Da aber das Verkehrsaufkommen insgesamt in den letzten fünfzehn Jahren angestiegen ist, entspricht diese leichte Steigerung des Marktanteils einem Anstieg der Güterverkehrsleistung der Eisenbahn auf 105,5 Mrd. Tkm424. Im Personenverkehr wuchs der Modal Split der Bahn seit der Strukturreform kontinuierlich leicht an und lag im Jahr 2006 bei 7,6 %425, entsprechend steigerte sich die Verkehrsleistung in diesem Bereich auf 77 Mrd. Pkm426. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich dieser Anstieg zum Teil dadurch erklärt, dass die Länder nach der Regionalisierung des SPNV die Bestellung von Zugkilometerleistungen deutlich ausgeweitet haben427. Die dargestellten statistischen Werte belegen, dass der Negativtrend hinsichtlich der Stellung des Verkehrsträgers Eisenbahn zwar gestoppt werden konnte. Eine deutliche Verbesserung der Position des Schienenverkehrs am Markt ist allerdings nicht zu verzeichnen. Die Bedeutung der Eisenbahn im Vergleich zum Kraftfahrzeug ist immer noch zu gering, letzteres hat mit einem Marktanteil am Güterverkehr von 68,8 %428 und sogar 84,3 % am Personenverkehr429 einen eklatanten Vorsprung, der sich wohl auch in den nächsten Jahren nicht spürbar verringern wird. Bei der Interpretation dieser Zahlen muss zudem berücksichtigt werden, dass die DB AG in erheblichem Umfang Streckenrückbau betrieben hat und das gesamtdeutsche Schie-
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Siehe BT-Drucks. 12/4609, S. 53. Vgl. § 4 A. I. 421 Entsprechend pessimistisch fallen noch die Einschätzungen M. Fehlings, DÖV 2002, 793 (794) und W. Pällmanns, Internationales Verkehrswesen 2004, 127 (128) hinsichtlich der Umsetzung dieses Reformziels aus. 422 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen (Hrsg.), Verkehr in Zahlen 1999, S. 231. 423 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.), Gleitende Mittelfristprognose für den Güter- und Personenverkehr, Mittelfristprognose Winter 2006/2007, S. 20, im Internet abrufbar unter (Stand: 06. Januar 2008). 424 BMVBS, Gleitende Mittelfristprognose, S. 16. 425 BMVBS, Gleitende Mittelfristprognose, S. 47. 426 BMVBS, Gleitende Mittelfristprognose, S. 45. 427 Vgl. Aberle / Zeike, Die Bahnstrukturreform 1994, S. 9. 428 BMVBS, Gleitende Mittelfristprognose, S. 20. 429 BMVBS, Gleitende Mittelfristprognose, S. 47. 420
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Kap. 3: Die erste und die zweite Stufe der Bahnreform
nennetz inzwischen nur noch die Länge der westdeutschen Bahntrassen von 1952 aufweist430. Die Bilanz der Bahnstrukturreform bezogen auf das Ziel, die Stellung des Verkehrsträgers Eisenbahn zu verbessern, fällt damit ähnlich aus, wie hinsichtlich der wirtschaftlichen Lage der Bahn: Es ist zumindest gelungen, eine weitere Verschlechterung der Situation zu verhindern; die Erwartungen, die mit der Reform verknüpft waren, haben sich jedoch nicht erfüllt431.
C. Die Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahnsektor Die beiden vorgenannten Ziele der Strukturreform der deutschen Eisenbahnen sollten unter anderem mit Hilfe einer Marktöffnung des vormals monopolistisch organisierten Sektors erreicht werden. Vom durch die Trennung von Netz und Betrieb ermöglichten Wettbewerb verschiedener privater Eisenbahnunternehmen untereinander in Kombination mit ihrer Unabhängigkeit von staatlichen Stellen versprach man sich eine effizientere Leistungserstellung432. Die Anzahl konzernexterner Kunden der DB Netz AG liegt inzwischen bei über 400. Besonders im Schienenpersonennahverkehr nehmen nichtbundeseigene Eisenbahnunternehmen bereits heute eine bedeutende Rolle ein. Sie konnten ihren Marktanteil, gemessen an der Betriebsleistung in Zugkilometern, von 3 % in den Jahren 1993/1994 auf 15,2 % im Jahr 2006 steigern433. Der Anteil der Verkehrsleistung in Pkm beläuft sich allerdings nur auf ca. 6,7 %. Im Güterverkehr ist ebenfalls ein Erstarken der nichtbundeseigenen Eisenbahnen zu verzeichnen. Im Jahre 2006 erbrachten sie eine Verkehrsleistung von 17,5 Mrd. Tkm, was einem Marktanteil von 16,4 % entspricht. Im Personenfernverkehr hat demgegenüber bisher eine solch positive Entwicklung nicht stattgefunden, nennenswerter Wettbewerb existiert nicht und die DB AG ist alleiniger Marktführer434. Was die Wettbewerbssituation angeht, scheint die Strukturreform, gemessen an den dargestellten Werten, also weitgehend erfolgreich gewesen zu sein435. Es darf 430
T. Engartner, spw 2008, 21 (24). Ähnlich fällt auch die Einschätzung von Henke, Bilanz, S. 8 (10, 15 f.) aus, der dies hauptsächlich auf die finanzielle Benachteiligung der Schiene im Vergleich zum Wettbewerber Straße zurückführt. 432 Siehe BT-Drucks. 12/4609, S. 53. 433 Diese und alle folgenden statistischen Werte sind entnommen aus BMVBS, Die Bahnreform. 434 Siehe W. Pällmann, Internationales Verkehrswesen 2004, 127 (129). 435 Siehe auch R. Ruge, AöR 131, 1 (4 ff.); zurückhaltender M. Fehling, DÖV 2002, 793 (794). Zur Reaktion des Marktes auf die Liberalisierung des Eisenbahnsektors siehe G. Len431
§ 10 Fünfzehn Jahre nach der Bahnreform – eine Zwischenbilanz
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bei einer entsprechenden Bewertung jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass der DB AG als mit Abstand größtem Eisenbahnunternehmen, das zudem Eisenbahninfrastrukturunternehmen und Eisenbahnverkehrsunternehmen unter einem gemeinsamen Konzerndach vereint, gegenüber ihren Wettbewerbern erhebliche Diskriminierungspotentiale436 zur Verfügung stehen, die sie in der Vergangenheit auch nicht ungenutzt gelassen hat437. Das Dritte Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften hat die Regulierung des Eisenbahnsektors weiter verbessert. Setzt man sich den Wettbewerb in diesem Bereich zum Ziel, so muss jedoch auch in Zukunft ein verstärktes Augenmerk darauf gerichtet werden, dass die DB AG als Nachfolgerin der Bundes- und Reichsbahn ihre marktbeherrschende Stellung und ihre strukturellen Vorteile nicht dazu nutzt, um ihre Wettbewerber zu benachteiligen und auf diese Weise den Wettbewerb insgesamt hemmt.
D. Weitere Aspekte Zwei weitere Beweggründe für eine Bahnstrukturreform waren die fehlende Regionalisierung im Bereich des SPNV438 und die Unvereinbarkeit der nationalen Gesetzgebung mit Vorgaben auf europäischer Ebene439 gewesen. Die Verantwortlichkeit für den Schienenpersonennahverkehr ist inzwischen eindeutig den Ländern440 zugeordnet. Diese erhalten zur Bewältigung der damit verbundenen finanziellen Belastungen Ausgleichszahlungen vom Bund. Dadurch befinden sie sich in der Lage, selbständig Leistungen von Bahnunternehmen zu bestellen, die sie für infrastrukturpolitisch notwendig und sinnvoll erachten. Insgesamt hat sich die Situation bezüglich des Schienenpersonennahverkehrs seit der Bahnreform damit deutlich gebessert441. narz, 10 Jahre Liberalisierung auf der Schiene – Wie hat der Markt darauf reagiert?, in: Förderkreis des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen / Verband der Bahnindustrie, Zehn Jahre Bahnreform, S. 58 ff. 436 Siehe dazu Aberle / Brenner, Bahnstrukturreform, S. 37 ff. 437 Vgl. dazu die zahlreichen Beispiele bei F. Berschin, DVBl. 2002, 1079 (1080); siehe auch R. Wolf, KJ 2003, 192 (205 f.). W. Pällmann, Internationales Verkehrswesen 2004, 127 (130) geht sogar davon aus, dass schon allein das Vorhandensein eines Diskriminierungspotentials Wettbewerber abschreckt, unabhängig davon, ob im Einzelfall tatsächlich diskriminiert wird. 438 Siehe BT-Drucks. 12/4609, S. 53; vgl. auch § 4 C. 439 Siehe BT-Drucks. 12/4609, S. 53; vgl. auch § 4 D. 440 Zur Situation des SPNV und den Verkehrsangeboten in den einzelnen Ländern siehe R. Hertwig, Eisenbahn-Kurier Special 81, S. 16 ff. Die Organisation des SPNV stellen R. Hertwig / F. Engbarth, Eisenbahn-Kurier Special 81, S. 83 ff. beispielhaft für einige Länder dar. 441 Dies hatte auch positive Auswirkungen auf das tatsächliche Verkehrsangebot, vgl. M. Fehling, DÖV 2002, 793 (795); Henke, Bilanz, S. 8 (9); siehe auch F. Engbarth, EisenbahnKurier Special 81, S. 8 (13). Positiv bewertet die Bahnreform hinsichtlich der Regionalisierung auch A. Schmidt, Für eine konsequente Fortführung der Bahnreform, in: Förderkreis des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen / Verband der Bahnindustrie, Zehn Jahre Bahnreform,
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Kap. 3: Die erste und die zweite Stufe der Bahnreform
Die europarechtlichen Vorgaben hinsichtlich der nationalen rechtlichen Ausgestaltung des Eisenbahnsektors wurden im Rahmen der Strukturreform berücksichtigt und auch die weiteren Verschärfungen der diesbezüglichen Richtlinien versuchte man in den Jahren nach der Reform in nationales Recht umzusetzen. Die Europäische Kommission war mit der Art und Weise der Umsetzung insbesondere des Ersten Eisenbahnpakets jedoch unzufrieden. So stellte sie im Jahre 2006 fest, dass die Mitgliedstaaten zwar die jeweils erforderlichen Rechtsvorschriften erlassen hätten, jedoch einige Länder noch weitere Anstrengungen zur Schaffung eines wirksamen Rechtsrahmens unternehmen und dafür sorgen müssten, dass die Schienenverkehrsmärkte reibungslos funktionierten442. Im Zuge der folgenden Überprüfung der Kommission hinsichtlich der Umsetzung des Ersten Eisenbahnpaktes443 übermittelte sie schließlich im Juni des Jahres 2008 insgesamt 24 Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, Aufforderungsschreiben. Nach Ansicht der Kommission haben es diese Länder versäumt, die Rechtsakte des Ersten Eisenbahnpaktes ordnungsgemäß umzusetzen.444 Es muss daher davon ausgegangen werden, dass die Bundesrepublik die Vorgaben des Eisenbahninfrastrukturpaketes nicht vollumfänglich in nationales Recht umgesetzt hat. Die Vereinbarkeit der aktuellen Rechtslage mit Europarecht ist daher auch zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls zweifelhaft445.
S. 28 (28). W. Pällmann, Internationales Verkehrswesen 2004, 127 (129) geht davon aus, dass die Regionalisierung zwar als Erfolg gewertet werden kann, allerdings teuer erkauft wurde. Zu erfolgten Strecken-Reaktivierungen nach der Regionalisierung siehe F. Engbarth, EisenbahnKurier Special 81, S. 92 f. 442 Siehe KOM(2006) 189 endg. vom 03. Mai 2006. 443 Vgl. dazu auch BT-Drucks. 16/8479. 444 Siehe „Kommission mahnt korrekte Umsetzung des ersten Eisenbahnpakets an“, undatiert, im Internet abrufbar unter (Stand: 27. November 2008). 445 Ausdrücklich geht W. Stertkamp, Internationales Verkehrswesen 2000, 196 (197) von der Europarechtswidrigkeit der aktuellen Gestaltung in Deutschland aus; vgl. zu dieser Problematik auch F. Berschin, DVBl. 2002, 1079 ff.
Kapitel 4
Die dritte Stufe der Bahnreform – Materielle Privatisierung § 11 Die Entscheidung für eine materielle Privatisierung A. Die Entwicklung in den ersten zehn Jahren nach der Bahnreform Seit der formellen Privatisierung der Bahn und ihrer Umwandlung in eine privatwirtschaftliche Aktiengesellschaft ist der Bund 100 %iger Eigentümer des Unternehmens. Das Grundgesetz lässt jedoch eine Anteilsveräußerung – wenn auch geknüpft an bestimmte Bedingungen – grundsätzlich zu1. Dass man bereits bei den Vorbereitungen der Strukturreform von 1994 die Möglichkeit einer späteren materiellen Teilprivatisierung ins Auge fasste2, belegt der Gesetzentwurf für die entsprechende Grundgesetzänderung, in dem es zu Art. 87e GG heißt: „Absatz 3 beinhaltet keine institutionelle Garantie in dem Sinne, daß der Bund dauerhaft Eigentümer einer Eisenbahn sein und diese betreiben muß.“3 Als Hartmut Mehdorn im Dezember 1999 Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG wurde, setzte er sich den Börsengang des Unternehmens ausdrücklich zum Ziel4. Im Januar 2004 sprach sich auch der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder für eine Veräußerung von Unternehmensanteilen an der Börse aus, setzte dafür aber als Bedingung, dass die Bahn in diesem Jahr ein positives Ergebnis erziele5. Im Mai desselben Jahres legte die Investmentbank Morgan / Stanley ein vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und vom Bundes1
Siehe dazu oben § 6 B. II. 2. sowie unten § 13 A. So auch die Einschätzung der ehemaligen Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Wohnungswesen, A. Mertens, vgl. BT-Plenarprotokoll 15/114, S. 10437. 3 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes, BT-Drucks. 12/4610, S. 7. 4 Vgl. M. Wacket, Mehdorn, die Bahn und die Börse, S. 11 ff., insbesondere S. 31. 5 So G. Schröder in einer unveröffentlichten Rede anlässlich des 10jährigen Jubiläums der Bahnreform am 14. Januar 2004, vgl. o.V., Schröder für Börsengang der Bahn, Artikel vom 14. Januar 2004, im Internet abrufbar unter (Stand: 08. Januar 2008). 2
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Kap. 4: Die dritte Stufe der Bahnreform – Materielle Privatisierung
ministerium der Finanzen (BMF) gemeinsam bestelltes Gutachten zur Bewertung der Kapitalmarktfähigkeit der Deutschen Bahn AG vor. Darin schätzte sie ein, dass ein Börsengang bei verschärfter Sanierung des Unternehmens bereits im Jahr 2006 möglich sei6. Der Bundeskanzler, das Bundesverkehrsministerium sowie der Vorstand der Deutschen Bahn AG favorisierten bereits zu diesem Zeitpunkt die Variante eines Börsengangs „inclusive Netz“, also die Beibehaltung des integrierten Konzerns aus Fahrwegs- und Verkehrsgesellschaften und den Verkauf von dessen Anteilen7, wobei insbesondere mit den damit verbundenen vorteilhaften Synergieeffekten argumentiert wurde. Diese Vorentscheidung zeigte sich auch darin, dass das Gutachten zur Kapitalmarktfähigkeit der DB AG von Morgan / Stanley ausschließlich auf der Annahme eines integrierten Unternehmens basiert. Gegen diese Ausgestaltung des Börsengangs gab es aber von verschiedenen Seiten erheblichen Widerstand8, sodass der Verkehrsausschuss im Juni 2004 die Ausschreibung eines zweiten Gutachtens zur Bahnprivatisierung durchsetzte9. Ziel sollte es sein, vor der Grundsatzentscheidung über eine mögliche Teilprivatisierung die verkehrs-, finanz- und haushaltspolitischen Chancen und Risiken der in Frage kommenden Privatisierungsmodelle unter Einbeziehung externen Sachverstandes umfassend und ergebnisoffen zu prüfen10. Die Untersuchung sollte also zeigen, ob die „integrierte Lösung“ wirklich die beste Variante der Privatisierung darstellte oder eher eine andere Gestaltungsmöglichkeit vorzuziehen sei. Durch die Entscheidung des Parlaments für ein weiteres Gutachten, dessen Vergabe, Erstellung und Auswertung natürlich geraume Zeit in Anspruch zu nehmen versprach, war bereits Mitte 2004 klar, dass das anvisierte zeitliche Ziel eines Börsenganges im Jahre 2006 faktisch nicht mehr erreicht werden konnte. Das Gutachten wurde schließlich vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und vom Bundesministerium der Finanzen im April 2005 bei der Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton in Auftrag gegeben und wurde unter der Bezeichnung „PRIMON-Gutachten“ (Privatsierungsvarianten der Deutschen Bahn AG mit und ohne Netz) bekannt.
6 Bundesministerium der Finanzen und Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.), Morgan Stanley – Kurzfassung Ergebnisse / Kapitalmarktfähigkeit der Deutsche Bahn AG, S. 8. 7 Vgl. die Äußerungen des Abgeordneten E. Lintner, BT-Plenarprotokoll 15/114, S. 10442. 8 Vgl. z. B. die Redebeiträge in der Plenarsitzung des Bundestages vom 17. Juni 2004, BTPlenarprotokoll 15/114, S. 10437 ff.; Protokoll der Sachverständigenanhörung vom 29. März 2004 vor dem Ausschuss für Verkehr, Bau und Wohnungswesen mit dreizehn anwesenden Sachverständigen, siehe Ausschuss für Verkehr, Bau und Wohnungswesen, Protokoll 15/39; Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, BT-Drucks. 15/2156; Antrag der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen, BT-Drucks. 15/2658. 9 Siehe BT-Plenarprotokoll 15/114, S. 10443; vgl. auch die entsprechende Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Wohnungswesen, BT-Drucks. 15/3268. 10 Siehe BT-Drucks. 15/3268, S. 3.
§ 11 Die Entscheidung für eine materielle Privatisierung
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B. Das sog. PRIMON-Gutachten Das schließlich gegen Ende des Jahres 2005 vorgelegte Gutachten will (nach eigener Aussage) die Frage beantworten, welche Konsequenzen die unterschiedlichen Privatisierungsvarianten der Deutschen Bahn haben und welche Auswirkungen sich insbesondere ergeben, wenn die Bahn mit oder ohne Infrastruktur privatisiert wird11. Dazu untersuchten die Sachverständigen insgesamt fünf Strukturmodellvarianten einer Kapitalprivatisierung der DB AG. Diese sollen im Folgenden kurz dargestellt werden. I. Die verschiedenen Privatisierungsmodelle 1. Das Trennungsmodell Das Trennungsmodell12 geht grundsätzlich davon aus, dass Netz und Betrieb bei der Deutschen Bahn voneinander in der Form getrennt werden, dass der Staat 100 %iger Eigentümer des Eisenbahninfrastrukturunternehmens (also der DB Netz AG) bleibt und dieses aus der Holding DB AG herausgelöst wird. Der Bund bewirtschaftet das Netz also durch ein eigenes Unternehmen. Die übrigen Tochtergesellschaften der DB AG werden weiterhin unter dem Dach der Holding geführt. Anteile an dieser werden veräußert. 2. Das Eigentumsmodell Das Eigentumsmodell13 sieht, wie das Trennungsmodell, vor, dass die Infrastruktur zu 100 % in staatlichem Eigentum bleibt. Im Unterschied zum vorgenannten Modell bleibt aber weiterhin eine Tochtergesellschaft der Holding DB AG über einen Geschäftsbesorgungsvertrag damit betraut, das Netz zu betreiben und zu bewirtschaften. Das Eisenbahninfrastrukturunternehmen, das Eigentümer des Netzes ist, nimmt also keine operativen Aufgaben wahr. 3. Das Eigentumsmodell – Gestaltungsvariante Das Eigentumsmodell ist auch in einer Ausgestaltung14 denkbar, in der neben dem Schienennetz auch ein Teil des Betriebs der Infrastruktur auf ein nur vom Bund gehaltenes Unternehmen übergeht. Dabei würde es sich aber nur um wesentliche Steu11 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Booz Allen Hamilton – Privatisierungsvarianten der Deutschen Bahn AG „mit und ohne Netz“, S. 9, im Internet abrufbar unter (Stand: 10. Januar 2008). 12 Siehe dazu BMVBS, Privatisierungsgutachten, S. 399 ff. Eine kurze Darstellung des Trennungsmodells findet sich auch bei I. Kordts, NordÖR 2006, 429 (435 f.). 13 Siehe dazu BMVBS, Privatisierungsgutachten, S. 300 ff. 14 Siehe dazu BMVBS, Privatisierungsgutachten, S. 338 ff.
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Kap. 4: Die dritte Stufe der Bahnreform – Materielle Privatisierung
erungsfunktionen handeln, während die übrigen operativen Aufgaben wiederum beim DB Konzern eingekauft werden müssten. Es wäre dann auch möglich, in der Zukunft diese Leistungen von anderen Eisenbahndienstleistern erbringen zu lassen. 4. Das integrierte Modell Beim integrierten Modell15 bleibt es bei der heutigen Verteilung von Aufgaben und Eigentum im DB Konzern, die Holding wird erhalten und teilprivatisiert. Die DB Netz AG bleibt Eigentümerin des Schienennetzes. Der Bund wäre also (wie auch jetzt) nur mittelbar – über die Holding – Eigentümer der Infrastruktur. Für die Umsetzung dieses Modells wären die wenigsten Veränderungen zum status quo erforderlich. 5. Das Finanzholding-Modell Das Finanzholding-Modell16 will ebenfalls die DB AG als Holding erhalten. Im Gegensatz zum integrierten Modell soll dies aber nicht als Management-Holding mittels Beherrschungsverträgen mit den Tochtergesellschaften geschehen, sondern mittels einer Finanzholding, die lediglich als Aktionär der verbundenen Unternehmen agiert. II. Vergleichende Betrachtung der Privatisierungsmodelle Das PRIMON-Gutachten hatte die verschiedenen Privatisierungsvarianten hauptsächlich anhand von vier Bewertungskriterien eingeschätzt, nämlich: - Wettbewerb und Kundeninteressen - Unternehmenseffizienz und Kapitalmarktfähigkeit - Haushaltsauswirkungen - institutionelle Rahmenbedingungen17. Gemessen an diesen Faktoren ergibt sich im Gutachten ein differenziertes Bild18. Das Trennungsmodell bietet den Vorteil, dass die institutionellen Rahmenbedingungen und dabei vor allem die europarechtlichen Vorgaben in geradezu vorbildlicher
15 Siehe dazu BMVBS, Privatisierungsgutachten, S. 261 ff. Eine kurze Darstellung des integrierten Modells findet sich auch bei I. Kordts, NordÖR 2006, 429 (435). 16 Siehe dazu BMVBS, Privatisierungsgutachten, S. 369 ff. 17 BMVBS, Privatisierungsgutachten, S. 247. 18 Eigene – im Ergebnis stark voneinander abweichende – Bewertungen der verschiedenen Privatisierungsmodelle liefern T. Engartner, Die Privatisierung der Deutschen Bahn, S. 202 ff. sowie der BahnBeirat, in: H. Albach (Hrsg.), Fortführung der Bahnreform, S. 10 ff. Eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse des PRIMON-Gutachtens findet sich bei I. Kordts, NordÖR 2006, 429 (436).
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Weise erfüllt werden19. Dies geht mit der Erwartung einher, dass sich der intramodale Wettbewerb stark belebt und im Schienengüterverkehr sogar Marktanteile im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern gewonnen werden können20. Diesen Vorzügen steht als Nachteil wegen des hohen Umsetzungsaufwands der Trennungslösung ein gewisser Zeitverlust gegenüber. Schätzungen zufolge wäre nämlich ein Börsengang erst ab 2010 und damit im Vergleich zum integrierten Modell um einiges später realisierbar.21 Auch die Haushaltsentlastung fällt mit zu erwartenden 7,8 bis 13,9 Mrd. Euro (bei einer Anteilsveräußerung von 100 %) bzw. 10,2 bis 17,3 Mrd. Euro (bei einem Anteilsverkauf von 49 %) vergleichsweise gering aus22. Das Eigentumsmodell hingegen schneidet gerade in puncto Haushaltsentlastung mit geschätzten 14,1 bis 23,1 Mrd. Euro sehr gut ab23. Der Anpassungsaufwand läge bei der Umsetzung dieser Lösung im mittleren Bereich24, dafür verbliebe dem Bund aber auch für die Zukunft ein erheblicher Gestaltungsspielraum – so könnte zum Beispiel zunächst das Eigentumsmodell realisiert werden, um in einem späteren Schritt die Gestaltungsvariante des Eigentumsmodells umzusetzen25. Ein Börsengang erscheint bei einer Entscheidung für das Eigentumsmodell ab 2009 möglich, die intramodale Wettbewerbsbelebung wäre dabei aber nur als leicht einzuschätzen und der Modal Split des Schienenverkehrs insgesamt bliebe unbefriedigend26. Bei der Gestaltungsvariante des Eigentumsmodells wäre der rechtliche Anpassungsaufwand deutlich höher als beim Grundmodell, dafür könnten aber die europarechtlichen Vorgaben besser erfüllt werden27. Ein weiterer Vorteil dieser Lösung ist darin zu sehen, dass sich der intramodale Wettbewerb stärker als beim Integrationsund Eigentumsmodell beleben würde und – ebenso wie beim getrennten Modell – eine Erhöhung des Marktanteils des Schienengüterverkehrs im intermodalen Wettbewerb zu erwarten wäre. Die Kapitalmarktfähigkeit der Lösung ist grundsätzlich gegeben, allerdings wäre ein Börsengang aufgrund des erhöhten Umsetzungsaufwandes wahrscheinlich erst 2010 möglich.28 Die Haushaltsentlastung würde sich auf 10,3 bis
19 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.), Booz Allen Hamilton – Kurzfassung des Gutachtens: Privatisierungsvarianten der Deutschen Bahn AG „mit und ohne Netz“, S. 5, im Internet abrufbar unter (Stand: 15. Januar 2008). 20 BMVBS, Kurzfassung Privatisierungsgutachten, S. 3. 21 BMVBS, Kurzfassung Privatisierungsgutachten, S. 6. 22 BMVBS, Kurzfassung Privatisierungsgutachten, S. 4. 23 BMVBS, Kurzfassung Privatisierungsgutachten, S. 4. 24 BMVBS, Kurzfassung Privatisierungsgutachten, S. 6. 25 BMVBS, Kurzfassung Privatisierungsgutachten, S. 5. 26 BMVBS, Kurzfassung Privatisierungsgutachten, S. 6. 27 BMVBS, Kurzfassung Privatisierungsgutachten, S. 6. 28 BMVBS, Kurzfassung Privatisierungsgutachten, S. 6.
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Kap. 4: Die dritte Stufe der Bahnreform – Materielle Privatisierung
17,6 Mrd. Euro (bei 100 %iger Anteilsveräußerung) bzw. 13,0 bis 21,2 Mrd. Euro (beim Verkauf von lediglich 49 %) belaufen29. Die Vorteile einer integrierten Lösung sehen die Gutachter vor allem darin, dass ein vergleichsweise geringer Anpassungsaufwand besteht und deshalb die Kapitalmarktfähigkeit schneller erreicht werden kann30. Außerdem wird die Haushaltsentlastung bei diesem Modell mit 14,2 bis 23,3 Mrd. Euro als am höchsten eingeschätzt31. Allerdings lässt ein integrierter Börsengang wenig Wettbewerbsbelebung erwarten und erfüllt hinsichtlich der institutionellen Rahmenbedingungen, vor allem was die europarechtlichen Vorgaben angeht, nur die Minimalanforderungen32. Hinsichtlich der Erfüllung der institutionellen Rahmenbedingungen gilt das gleiche bei einer Privatisierungsentscheidung zugunsten der Ausgestaltung der DB AG als Finanzholding. Hinzu kommt, dass hier ein größerer Anpassungsaufwand als beim integrierten Modell bestünde. Die Haushaltsentlastung läge mit erwarteten 9,1 bis 15,5 Mrd. Euro (für eine 100 %ige Privatisierung) bzw. 11,4 bis 18,9 Mrd. Euro (für eine 49 %ige Privatisierung) im mittleren Bereich. Positiv schlägt bei dieser Lösung zu Buche, dass sich eine moderate Wettbewerbsbelebung ergäbe und der Schienengüterverkehr, ähnlich wie in einigen anderen Modellen, Marktanteile hinzugewinnen könnte. Ein Börsengang käme bei einer Umwandlung der DB AG in eine Finanzholding allerdings frühestens im Jahre 2010 in Betracht. In Anbetracht dieser Ergebnisse hinsichtlich der einzelnen Modell erscheint es sachgerecht, wenn die Gutachter zu dem Ergebnis kommen, dass keines der überprüften Modelle – gemessen an den o.g. Kriterien – einen klaren Vorsprung gegenüber den übrigen erreichen kann. Wörtlich heißt es in einer Kurzfassung des Gutachtens dazu: „Die Frage, welche Privatisierungsvariante gewählt wird, hat zwar Auswirkungen auf alle Bewertungsdimensionen, insbesondere auf Wettbewerbsentwicklung und Haushaltsentlastung. Diese Auswirkungen sind jedoch deutlich geringer, als aufgrund der Intensität und Kontinuität, mit der die öffentliche Debatte zu diesem Thema geführt wird, zu erwarten war. Alle Strukturmodelle weisen in den einzelnen Bewertungsdimensionen Vorzüge gegenüber ihren Alternativen auf, diese sind insgesamt jedoch nicht dominierend.“33
C. Die Entscheidung für das sog. Eigentumssicherungsmodell Bereits vor Bekanntwerden der ersten Ergebnisse des PRIMON-Gutachtens war es im September 2005 zu Neuwahlen zum Bundestag gekommen, in deren Anschluss 29 30 31 32 33
BMVBS, Kurzfassung Privatisierungsgutachten, S. 4. BMVBS, Kurzfassung Privatisierungsgutachten, S. 3. BMVBS, Kurzfassung Privatisierungsgutachten, S. 4. BMVBS, Kurzfassung Privatisierungsgutachten, S. 6. BMVBS, Kurzfassung Privatisierungsgutachten, S. 5.
§ 11 Die Entscheidung für eine materielle Privatisierung
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sich eine Große Koalition aus den Fraktionen der CDU/CSU und SPD formierte. Das Ziel eines Börsenganges der Bahn nahmen die Verhandlungspartner ausdrücklich in den gemeinsamen Koalitionsvertrag auf34. Man verständigte sich darauf, die weiteren Schritte unter Auswertung der Ergebnisse des PRIMON-Gutachtens und unter Beteiligung der zuständigen Parlamentsausschüsse zu entscheiden. Damit war zwar der politische Grundkonsens bezüglich einer (zumindest teilweisen) Kapitalprivatisierung erzielt, eine Entscheidung hinsichtlich der Ausgestaltung einer solchen Privatisierung war aber wiederum verschoben worden. Als die Ergebnisse des PRIMON-Gutachtens schließlich Anfang 2006 bekannt wurden, fühlten sich die Gegner eines integrierten Börsengangs bestätigt. In der Folge fanden vor dem Bundestagsausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung mehrere Sachverständigenanhörungen statt, die das Gutachten und die Aspekte betrafen, welche bei der Entscheidung zugunsten einer Privatisierungsvariante von Bedeutung sein sollten35. Im Rahmen dieser Anhörungen warnten die Experten mehrheitlich vor einer Kapitalprivatisierung der DB AG im Wege des integrierten Modells36. Infolge dieser Entwicklung gingen auch die Meinungen in der Regierung über das Wie einer materiellen Privatisierung der Deutschen Bahn auseinander. Während der Finanzminister Peer Steinbrück eher die integrierte Lösung befürwortete, favorisierte man im Wirtschaftsministerium eine Variante des Eigentumsmodells. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee hingegen legte sogar einen eigenen Kompromissvorschlag vor: Das sog. Eigentumssicherungsmodell.37 Dieses sah vor, dass das Schienennetz zwar formal vollständig im Eigentum des Bundes verbleiben sollte. Die DB AG sollte jedoch die Möglichkeit erhalten, die Infrastruktur wie ein wirtschaftlicher Eigentümer zu verwerten und auch zu bilanzieren. Im November 2006 einigte sich die zuständige Arbeitsgruppe von Bundesregierung und Koalitionsfraktion unter der Leitung des Bundesverkehrsministers auf eine Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG38. In einem entsprechenden Entschließungsantrag39 formulierten die Regierungsfraktionen die Eckpunkte des Vorhabens – als eine zentrale Vorentscheidung kann dabei die Aussage gewertet werden, 34 O.V., Gemeinsam für Deutschland. Mit Mut und Menschlichkeit. Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD, S. 58, im Internet abrufbar unter (Stand: 08. Januar 2008). 35 Siehe Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/14; Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/18. Zusammenfassend dazu I. Kordts, NordÖR 2006, 429 (437). 36 Siehe Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/14 mit den Stellungnahmen von J. Basedow, S. 9 f.; N. Hauser, S. 16 f.; G. Hermes, S. 18 f.; sowie Protokoll 16/18 mit den Stellungnahmen von K. Schmidt, S. 11 ff.; A. Ortmeyer, S. 15 f. 37 Vgl. zu den Positionen der einzelnen Regierungsmitglieder F. Fuß, GWP 2007, 99 (106 f.). 38 Vgl. BT-Drucks. 16/3895, S. 1. 39 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, BT-Drucks. 16/3493.
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dass die steuerfinanzierte Infrastruktur im Eigentum des Bundes stehen sollte40. Die Bundesregierung wurde aufgefordert, den Entwurf eines Privatisierungsgesetzes zu erarbeiten, der folgende Eckpunkte erfüllt: - An der DB AG werden noch in der 16. Wahlperiode private Investoren beteiligt. - Die nach einer Teilprivatisierung der DB AG weiter bestehende Infrastrukturverantwortung des Bundes aus Art. 87e IV GG muss umfassend gesichert werden. Hierzu sind in umfassenden vertraglichen Regelungen Qualitätsziele für die Infrastruktur vorzugeben und bei Vertragsverletzungen mit Sanktionen zu versehen. - Private Investoren werden nicht an den Infrastrukturunternehmen, die die Eisenbahninfrastruktur halten, beteiligt. Die Infrastrukturgesellschaften werden vor der Kapitalprivatisierung ins Eigentum des Bundes überführt. Juristische Risiken für die eigentümerrechtliche Position des Bundes müssen ausgeschlossen werden. - Die DB AG betreibt für einen vertraglich zu vereinbarenden Zeitraum diese Infrastruktur unter der Bedingung, dass sie die vertraglich bzw. gesetzlich neu geregelten Aufgaben zur Pflege des Netzes strikt einhält. Der Bund verpflichtet sich, rechtzeitig vor Auslaufen des Vertrages über eine Verlängerung zu entscheiden. - Die DB AG erhält die Möglichkeit, Schienenverkehr und Infrastruktur als wirtschaftliche Einheit zu betreiben und zu bilanzieren. - Zusätzliche Schulden und Risiken für den Bundeshaushalt werden ausgeschlossen. - Es wird sichergestellt, dass der konzerninterne Arbeitsmarkt der DB AG und das Beschäftigungsbündnis fortgeführt werden können. - Die EU-Kompatibilität hinsichtlich Wettbewerbs-, Vergabe- und Beihilferecht wird sichergestellt. - Durch die Endschaftsregelung ist die Reversibilität der Entscheidung sicherzustellen. Dies gilt insbesondere für etwaige Entschädigungsleistungen an die DB AG. Verfahren und Kriterien zur Wertermittlung sind verbindlich zu regeln. - Zur Sicherung des diskriminierungsfreien Netzzugangs und eines fairen Wettbewerbs auf der Schiene werden die Regulierungsinstrumente der Bundesnetzagentur entsprechend den vorliegenden Erfahrungen fortentwickelt.41 Darüber hinaus sollten folgende Gesichtspunkte zu beachten sein: - Das Privatisierungsgesetz wir durch eine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) zur Erfüllung des grundgesetzlichen Infrastrukturauftrages ergänzt. - Der von der DB AG erstellte Netzzustandsbericht ist unter Beteiligung externer Sachverständiger zu evaluieren. Er dient als Grundlage für die LuFV.
40 41
BT-Drucks. 16/3493, S. 2. BT-Drucks. 16/3493, S. 2.
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- In der LuFV wird festgelegt, dass der Bund einen jährlichen Infrastrukturbeitrag für das Bestandsnetz in Höhe von bis zu 2,5 Mrd. Euro zu erbringen hat. Dafür hat die DB AG eine vertraglich definierte Infrastrukturqualität zu gewährleisten. Die Kontrolle der Einhaltung der Standards erfolgt durch den Bund. - Für Neubaumaßnahmen sind ein verlässliches und transparentes Monitoring sowie verbindliche Durchsetzungsmechanismen einzurichten. - Vor der Teilprivatisierung der DB AG ist die Kapitalmarktreife dem Deutschen Bundestag durch die Bundesregierung darzulegen.42 Die im Entschließungsantrag beinhalteten Vorgaben entsprachen den Eckpunkten des sog. Eigentumssicherungsmodells, das Bundesverkehrsminister Tiefensee in die Diskussion eingebracht hatte. Der Deutsche Bundestag beriet den Antrag der Regierungskoalition schließlich am 24. November 2006 und nahm ihn mit den Stimmen der Mehrzahl der Abgeordneten der Fraktionen der CDU/CSU und SPD an43. Nun lag die Aufgabe, einen ressortabgestimmten, den Vorgaben des Entschließungsantrags entsprechenden Referentenentwurf eines Privatisierungsgesetzes zu erarbeiten, beim Bundesverkehrsminister und seinem Ministerium. Dies sollte bis zum 31. März 2007 geschehen.44
§ 12 Der Entwurf eines Gesetzes zur Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes A. Vom Referentenentwurf bis zum Kabinettsbeschluss Noch vor dem im Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen angegebenen Zeitpunkt legte Bundesverkehrsminister Tiefensee am 11. Januar 2007 schließlich einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Eisenbahnen des Bundes vor45. Eine überarbeitete Fassung des Entwurfs wurde schließlich am 19. April offiziell den Ländern übergeben46. Die Vorlage war als Artikelgesetz konzipiert, 42
BT-Drucks. 16/3493, S. 2 f. Abgegebene Stimmen: 553, davon Ja-Stimmen: 390, Nein-Stimmen: 155, Enthaltungen: 8. Die Oppositionsfraktionen stimmten geschlossen gegen den Antrag, daneben einige Abgeordnete der SPD-Fraktion. Die Enthaltungen gehen auf einzelne Abgeordnete der Regierungskoalition zurück, siehe BT-Plenarprotokoll 16/68, S. 6834 ff. 44 BT-Drucks. 16/3493, S. 3. 45 Vgl. D. Ehlers, Die verfassungsmäßige Beurteilung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes, Rechtsgutachten, S. 15. 46 Siehe Verkehrsministerkonferenz (Hrsg.), Beschluss der Sonder-Verkehrsministerkonferenz am 02. 08. 2007 in Berlin, TOP 2, S. 3. Das Dokument ist im Internet abrufbar unter (Stand: 17. Januar 2008). 43
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mit dem verschiedene bestehende Gesetze geändert bzw. neue Gesetze geschaffen werden sollten. Bereits nach der Annahme des Entschließungsantrags war das von der Bundesregierung favorisierte Privatisierungsmodell heftig kritisiert worden47. Die kritischen Reaktionen nahmen nach Bekanntwerden des Referentenentwurfs sogar noch zu. Insbesondere Bilanz- und Verfassungsrechtler bezweifelten die Realisierbarkeit der Vorgaben des Antrags und dessen Vereinbarkeit mit geltendem Europa- und Verfassungsrecht48. Die Fraktion der FDP brachte ihre rechtlichen Bedenken schließlich in einem Antrag, den sie im Bundestag einbrachte, zum Ausdruck49. Das Parlament überwies den Antrag an den Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, den Rechtsausschuss und den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, wobei der Verkehrsausschuss federführend sein sollte50. Dieser führte schließlich im Mai 2007 erneut eine Sachverständigenanhörung durch, in der die geladenen Experten mehrheitlich die Unvereinbarkeit des Referentenentwurfs mit der Verfassung konstatierten51. Auch die bilanzrechtlichen Vorgaben des Gesetzes wurden als problematisch eingeschätzt52. Eine andere Seite, von der aus der Referentenentwurf unter Beschuss geriet, war die der Länder. Sicher war, dass ein Privatisierungsgesetz nur mit Zustimmung des Bundesrats hätte zustande kommen können (vgl. Art. 87e III 3 i.V.m. Art. 87e V 1 GG), und die Vertreter der Bundesländer ließen es sich natürlich nicht nehmen, ihre Standpunkte zur geplanten Kapitalprivatisierung in die Debatte einzubringen. Bei der Frühjahrstagung der Verkehrsministerkonferenz der Länder am 18./ 19. April 2007 stellten die Teilnehmer durch einstimmigen Beschluss fest, dass der Referentenentwurf die Länderinteressen nicht ausreichend berücksichtigte53. Deswegen entschied man sich dafür, eine Arbeitsgruppe zu gründen, die den Prozess der Bahnprivatisierung begleiten sollte und plante eine Sonder-Verkehrsministerkonferenz, die im Vorfeld der Bundesratsbefassung eine verkehrspolitische Bewertung
Vgl. bspw. die Äußerungen von K. Küting, zitiert bei F. Fuß, GWP 2007, 99 (107). Siehe C. Möllers / C. Schäfer, Verfassungs- und bilanzrechtliche Prüfung des Gesetzentwurfs „Kapitalprivatisierung Deutsche Bahn AG“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Rechtsgutachten. 49 BT-Drucks. 16/4413. 50 Siehe BT-Plenarprotokoll 16/82, S. 8247. 51 Siehe Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40 mit den mündlichen Stellungnahmen von R. Uerpmann-Wittzack, S. 7 f; F. Kirchhof, S. 9 ff.; G. Hermes, S. 12 f.; M. Fehling, S. 15 f. Der Sachverständige H. Gersdorf, S. 13 ff., schätzte den Entwurf im Gegensatz dazu als einziger der Verfassungsrechtler als verfassungskonform ein. 52 So D. Kleindiek, Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 8 f. Zu einem abweichenden Ergebnis kam R. Hüttemann, Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 11 f. 53 Verkehrsministerkonferenz, Beschluss (2007), S. 2. 47 48
§ 12 Gesetz zur Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes
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des Gesetzentwurfs aus Sicht der Länder abgeben sollte54. Die Ländervertreter befürchteten bei einem Einstieg privater Investoren bei der Bahn, dass sich das Unternehmen auf lange Sicht allein auf den rentablen Fernverkehr konzentriere und den Regional- und Nahverkehr vernachlässige. Zudem kritisierte man, dass der Staat durch die Privatisierung jeglicher Einflussmöglichkeiten auf Investitionen in die Infrastruktur verlustig ginge, obwohl er diesen durch öffentliche Mittel subventionierte55. Auch das Justiz-, Innen- und Wirtschaftsministerium meldeten gegen den vorgelegten Referentenentwurf Bedenken an. Diese bezogen sich allerdings hauptsächlich auf die Vereinbarkeit des geplanten Gesetzesprojekts mit geltendem Verfassungsrecht56. Das Justizministerium bezweifelte insbesondere, dass der Entwurf dem Schienenwegevorbehalt des Art. 87e III 2 und 3 GG gerecht werde57. Das Wirtschaftsministerium teilte mit, dass es die Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des Entwurfs mit Art. 87e GG teile58. Nach der Ansicht des Finanzministeriums bestand ein Spannungsverhältnis zwischen den Anforderungen des Art. 87e III GG und den nationalen bzw. internationalen Bilanzregeln, weshalb man vorschlug, die Verfassungsmäßigkeit des Entwurfs vor Einleitung des förmlichen Gesetzgebungsverfahrens innerhalb der Bundesregierung zu klären59. Die von verschiedenen Seiten auf Verkehrsminister Tiefensees Projekt einstürmende Kritik führte schließlich dazu, dass am Referentenentwurf noch einige Nachbesserungen vorgenommen wurden, um die verfassungsrechtlichen Bedenken zu zerstreuen. Den aktualisierten Entwurf, der zwischen den verschiedenen beteiligten Ressorts abgestimmt war und nun als Entwurf eines Gesetzes zur Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes60 (EBNeuOG-E) bezeichnet wurde, beschloss das Bundeskabinett, ungeachtet der nicht verstummenden Kritik am Gesamtprojekt, schließlich am 24. Juli 200761.
54
Verkehrsministerkonferenz, Beschluss (2007), S. 2. Siehe Die Welt vom 25. Juli 2007, „Länder drohen mit Widerstand bei Bahnprivatisierung“, S. 1; vgl. auch Süddeutsche Zeitung vom 25. Juli 2007, „Länder wehren sich gegen Bahn-Privatisierung“, S. 1. 56 Vgl. Die Welt vom 25. Juli 2007, „Jetzt muss die Bahn die Länder vom Börsengang überzeugen“, S. 10. 57 Stellungnahme vom 03. Mai 2007, AZ III B 6 – 7410/20 – 35110/2007, S. 3 ff. 58 Siehe Stellungnahme des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom 04. Mai 2007, AZ 852 080/9, S. 4. 59 Siehe Stellungnahme des Bundesministeriums der Finanzen vom 08. Mai 2007, AZ 2007/0184564, S. 2. 60 BT-Drucks. 16/6383. 61 Vgl. Verkehrsministerkonferenz, Beschluss (2007), S. 2. 55
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B. Der Gesetzesinhalt – Das Eigentumssicherungsmodell in der praktischen Ausformung Doch welche genauen Regelungen enthielt der vom Kabinett beschlossene Entwurf eines Gesetzes zur Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes im Detail? Die Vorlage war als Artikelgesetz geplant und sollte in insgesamt zehn Artikeln neue Gesetze schaffen bzw. bestehende Vorschriften ändern: - Entwurf eines Gesetzes über die teilweise Kapitalprivatisierung der Deutsche Bahn Aktiengesellschaft (DBPrivG-E – Art. 1 EBNeuOG-E) - Entwurf eines Gesetzes über die Struktur der Eisenbahnen des Bundes (BESG-E – Art. 2 EBNeuOG-E) - Entwurf eines Gesetzes über die Erhaltung und den Ausbau der Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes (BSEAG-E – Art. 3 EBNeuOG-E) - Entwurf einer Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG-E – Art. 4 EBNeuOG-E) - Entwurf einer Änderung des Bundeseisenbahnverkehrsverwaltungsgesetzes (BEVVG-E – Art. 5 EBNeuOG-E) - Entwurf einer Änderung des Deutsche Bahn Gründungsgesetzes (DBGrG-E – Art. 6 EBNeuOG-E) - Entwurf einer Änderung der Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung (EIBV-E – Art. 7 EBNeuOG-E) - Aufhebung des Bundesschienenwegeausbaugesetzes (SchwAbG – Art. 8 EBNeuOG-E) - Entwurf einer Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO-E – Art. 9 EBNeuOG-E) Der letzte Artikel des Gesetzentwurfs enthielt eine Regelung zum Inkrafttreten des geplanten Gesetzes. I. Der Entwurf des Gesetzes über die teilweise Kapitalprivatisierung der Deutsche Bahn Aktiengesellschaft (DBPrivG-E) Das DBPrivG-E62 enthält in seinem § 1 I zunächst die Grundsatzentscheidung, dass sich an der DB AG neben dem Bund dritte Investoren beteiligen dürfen. Die Mehrheit der Anteile muss allerdings beim Bund verbleiben. Weiter enthält die Vorschrift Vorgaben bezüglich der Gestaltung der Satzung der DB AG. Darin ist vorzusehen, dass die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern, Beschlüsse über bestimmte Satzungsänderungen und Maßnahmen der Kapitalbeschaffung – soweit dies aktienrechtlich zulässig ist – der einfachen Stimmenmehrheit und der einfachen Mehr62
BT-Drucks. 16/6383, S. 6.
§ 12 Gesetz zur Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes
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heit des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals bedürfen (§ 1 II DBPrivG-E)63. Eine weitere Bestimmung, die im Referentenentwurf noch nicht vorgesehen gewesen war, beinhaltet die Unwirksamkeit von Vereinbarungen, in denen sich der Bund gegenüber Dritten verpflichtet, bei der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern sein Stimmrecht nicht oder nur in einer bestimmten Weise zu nutzen (§ 1 III 1 DBPrivG-E)64. Schließlich darf gem. § 1 III 2 DBPrivG-E ein satzungsmäßiges Recht, Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden65, nur solchen Aktionären eingeräumt werden, denen jederzeit eine Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern aufgrund einer eigenen Stimmenmehrheit in der Hauptversammlung möglich ist. In § 2 DBPrivG-E wird festgelegt, dass das Bundesfinanzministerium im Einverneh63 Die Befugnis zu einer entsprechenden Satzungsänderung liegt gem. § 179 I 1 AktG bei der Hauptversammlung und damit – vor der vorgesehenen Beteiligung privater Investoren – beim Bund als alleinigem Anteilsinhaber. Die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern ist nach den gesetzlichen Regelungen (§ 103 I 2 AktG) durch einen Beschluss der Hauptversammlung möglich, der mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen umfasst. § 1 II DBPrivG-E macht demgegenüber von der Möglichkeit des § 103 I 3 AktG Gebrauch, wonach die Satzung auch eine andere Mehrheit vorsehen kann. Dabei darf aber zwischen den Aufsichtsratsmitgliedern kein Unterschied gemacht werden, siehe BGHZ 99, 211; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 833; M. Schiedermair / F.-J. Kolb, § 7. Der Aufsichtsrat, in: W. Müller / T. Rödder (Hrsg.), Becksches Handbuch der AG, S. 605. Das Erfordernis der einfachen Stimmenmehrheit zur Satzungsänderung ergibt sich bereits aus § 133 I AktG (vgl. U. Hüffer, Aktiengesetz, § 179, Rn. 14; J. Reichert, § 5. Die Hauptversammlung, in: W. Müller / T. Rödder [Hrsg.], Becksches Handbuch der AG, S. 363), die gesetzlich vorgesehene Kapitalmehrheit beträgt aber gem. § 179 II 1 AktG drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals. Gem. § 179 II 2 HS 1 AktG kann jedoch durch Satzung eine andere Kapitalmehrheit bestimmt werden, worauf § 1 II DBPrivG-E erkennbar abzielt. Da § 179 II 2 HS 2 AktG jedoch für die Änderung des Unternehmensgegenstandes nur eine größere Kapitalmehrheit durch Satzung zulässt, ist diese von der Regelung des § 1 II DBPrivG-E ausgenommen. Bei den verschiedenen Maßnahmen der Kapitalbeschaffung können z. T. ebenfalls die gesetzlich geforderten höheren Kapitalmehrheiten durch Satzung auf die einfache Kapitalmehrheit abgesenkt werden (z. B. bei einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen, siehe §§ 182 I 1, 182 I 2 HS 1 AktG). Davon existieren jedoch für einige Fälle Ausnahmen (z. B. kann im Rahmen des § 182 AktG für die Ausgabe von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht nur eine höhere als die in § 182 I 1 AktG vorgesehene Dreiviertelmehrheit des Kapitals bestimmt werden, siehe § 182 I 2 HS 2 AktG). Aufgrund dieser Ausnahmen sieht § 1 II DBPrivG-E die Herabsetzung der Kapitalmehrheit für Maßnahmen der Kapitalbeschaffung nur im Rahmen des aktienrechtlich Zulässigen vor. Zu den Einzelheiten des § 181 I AktG siehe bspw. U. Hüffer, Aktiengesetz, § 181, Rn. 6 ff.; J.E. Gotthardt, § 9. Kapitalmaßnahmen, in: W. Müller / T. Rödder (Hrsg.), Becksches Handbuch der AG, S. 688 ff. 64 Nach der Gesetzesbegründung sollen entsprechende Stimmbindungsverträge nichtig sein, siehe BT-Drucks. 16/6383, S. 20. 65 Siehe § 101 II 1 AktG. Da der Bund gem. § 1 I DBPrivG-E Mehrheitseigentümer der DB AG bleiben muss und ihm damit auf Dauer die Mehrheit der Stimmrechte in der Hauptversammlung zusteht (vgl. § 134 I 1 AktG), kommt also kein privater Investor für ein solches Entsenderecht in Betracht. Zum Entsenderecht gem. § 101 II 1 AktG siehe Schiedermair / Kolb, in: Müller / Rödder, Handbuch, S. 601; Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 832 f.
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men mit dem Bundesverkehrsministerium Umfang und Zeitfolge der Privatisierung bestimmt. II. Der Entwurf des Gesetzes über die Struktur der Eisenbahnen des Bundes (BESG-E) In den Vorschriften des BESG-E66 tritt die Struktur des Eigentumssicherungsmodells deutlich zutage. Das Gesetz sieht vor, dass zunächst sämtliche Anteile der DB AG an den Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) auf den Bund übergehen. Dies betrifft namentlich die DB Netz AG, die DB Station&Service AG und die DB Energie GmbH. Dieser Übergang soll allerdings nur eine Sicherungsübertragung67 darstellen und Ansprüche des Bundes gegenüber der DB AG sichern (§ 1 BESGE). „Wirtschaftlicher Eigentümer“ der Eisenbahninfrastrukturunternehmen soll also weiterhin die DB AG bleiben. Demgemäß sind Beherrschungs- und Ergebnisabführungsverträge zwischen der DB AG und den EIU gem. § 2 III BESG-E ausdrücklich gestattet. Die Zuordnung der Eisenbahninfrastrukturunternehmen zur DB AG im wirtschaftlichen Sinne äußert sich auch darin, dass der Bund gem. § 2 I BESG-E der Deutschen Bahn AG eine Stimmrechtsvollmacht für die Hauptversammlungen und Gesellschafterversammlungen der EIU erteilt68. Die Ausübung dieser Stimmrechtsvollmacht bedarf nur in bestimmten, im Gesetz in § 2 II BESG-E explizit aufgeführten Fällen der Zustimmung des Bundesverkehrsministeriums. Betroffen davon sind solch grundsätzliche Fragen wie beispielsweise Satzungsänderungen (§ 2 II 1 Nr. 1 BESG-E), Auflösung (§ 2 II 1 Nr. 4 BESG-E) oder Umwandlung (§ 2 II 1 Nr. 5 BESG-E) eines Unternehmens sowie Wahl und Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern (§ 2 II 1 Nr. 6 BESG-E)69. Neben der Stimmrechtsvollmachtbeschränkung versucht sich der Bund durch ein weiteres Zustimmungserfordernis seinen Einfluss auf die EIU zu sichern. So sind bestimmte Maßnahmen und Rechtsgeschäfte der DB AG, wie zum Beispiel die Verfügung über wesentliche Vermögensgegenstände der EIU ohne die vorherige Zustimmung des Bundesverkehrsministeriums im Einvernehmen mit dem Bundesfinanzministerium unwirksam (§ 3 II i.V.m. § 3 I Nr. 1 BESG-E). Außerdem ist die Bundes-
66
BT-Drucks. 16/6383, S. 6 ff. Zur Einordnung dieser Konstruktion als Sicherungsübereignung siehe unten, § 13 C. IV. 1. 68 Eine solche Bevollmächtigung einer anderen Person durch den Aktionär ist grundsätzlich zulässig, vgl. § 134 III AktG. Dies erklärt sich daraus, dass das Stimmrecht kein höchstpersönliches Recht des Aktionärs ist, siehe J. Reichert / S. Harbarth, AG 2001, 447 (447). 69 Nach der Gesetzesbegründung dient dieser Zustimmungsvorbehalt dem Interesse des Bundes als Sicherungsnehmer an der Erhaltung der ihm zur Sicherheit übertragenen Anteile. Sie sollen dagegen nicht der Einflussnahme auf das operative Geschäft der Eisenbahninfrastrukturunternehmen dienen, siehe BT-Drucks. 16/6383, S. 21. 67
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regierung gem. § 4 BESG-E berechtigt, in den Aufsichtsrat der Eisenbahninfrastrukturunternehmen eine bestimmte Anzahl an Mitgliedern zu entsenden70. Die „Sicherungsübertragung“ wird in § 5 BESG-E zudem zeitlich begrenzt71. Dort ist vorgesehen, dass die Bundesregierung dem Bundestag vor Ablauf von fünfzehn Jahren beginnend mit dem Inkrafttreten des Gesetzes einen Gesetzentwurf zuleitet. Dieser soll die Entscheidung enthalten, - ob die Unternehmensanteile der EIU beim Bund unter Wegfall des Sicherungszwecks verbleiben sollen oder - ob und wie lange die Sicherungsübertragung und damit die gegebene Situation weiter fortdauern soll oder - ob die Sicherungsübertragung enden und die zuvor auf den Bund übertragenen Anteile an den EIU auf die DB AG übergehen sollen. Wird keine solche Entscheidung durch Gesetz getroffen, so verbleiben die Anteile an den EIU gem. § 5 II 1 BESG-E unter Wegfall des Sicherungszwecks beim Bund72. Der Sicherungszweck besteht darin, den möglichen Anspruch des Bundes auf die wirtschaftliche Übernahme der Unternehmensanteile zu sichern73. Die Sicherungsübertragung kann aber auch dadurch enden, dass der Bund die mit der DB AG abzuschließende Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung aus wichtigem Grund kündigt (§ 6 I Nr. 1 BESG-E) oder eine wiederholte Pflichtverletzung nach § 10 BSEAG-E rechtskräftig festgestellt wurde74 (§ 6 I Nr. 2 BESG-E). In diesen Fällen verbleiben die Anteile an den EIU ebenfalls unter Wegfall des Sicherungszwecks beim Bund, der damit wieder „wirtschaftlicher Eigentümer“ würde. 70
Vgl. § 101 II AktG. Ein solches Entsenderecht entspricht nach Ansicht des Gesetzgebers namentlich bei gemischtwirtschaftlichen Unternehmen einem praktischen Bedürfnis (Begründung Regierungsentwurf, in: B. Kropff [Hrsg.], Aktiengesetz, S. 138), es soll der öffentlichen Hand in solchen Unternehmen eine Einfluss- und Kontrollmöglichkeit gesichert werden, auch wenn die Entsendung keine Weisungsgebundenheit der entsprechenden Aufsichtsratsmitglieder nach sich zieht (BGHZ 36, 296 [306]; Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 832 f.; Hüffer, Aktiengesetz, § 101, Rn. 10). Die Begründung des Gesetzentwurfs des EBNeuOG spricht dagegen lediglich davon, dass der Bund auf Grund des Sicherungszweckes ein Interesse daran habe, die Geschäftsführung der Eisenbahninfrastrukturunternehmen zu überwachen, siehe BTDrucks. 16/6383, S. 22. Da das intendierte Entsenderecht gem. § 101 II 1 AktG nur durch Satzung begründet werden kann, bedarf es zusätzlich zur gesetzlichen Regelung einer entsprechenden Satzungsgestaltung, die der Bund aber ohne weiteres vornehmen kann (siehe dazu Fn. 63). 71 Eine ähnliche „Rückhol-Option“ war in § 10 II des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Flugsicherung (BR-Drucks. 622/05) für potentiell veräußerte Anteile des Bundes an der Deutschen Flugsicherung GmbH vorgesehen, vgl. dazu K. Baumann, DVBl. 2006, 332 (336). 72 Die Sicherungsübertragung endet in diesem Fall allerdings erst drei Jahre später, d. h. achtzehn Jahre nach Inkrafttreten des BESG-E, vgl. § 5 II 2 BESG-E. 73 So die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 16/6383, S. 20. 74 Siehe dazu § 12 B. III.
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Kap. 4: Die dritte Stufe der Bahnreform – Materielle Privatisierung
Eine wichtige Regelung enthält schließlich § 7 BESG-E: Falls es dazu kommt, dass der Bund die EIU-Anteile wirtschaftlich übernimmt, ist dafür ein Wertausgleich an die DB AG zu zahlen. Dieser erfasst den vollen Wert der Infrastrukturunternehmen und bemisst sich nach dem bilanziellen Eigenkapital zum Zeitpunkt der Beendigung der Sicherungsübertragung (§ 7 I 2 BESG-E). Der Bund müsste in diesen Fällen also seine eigenen Anteile, deren Eigentümer er zur Zeit vermittelt über die DB AG Holding ist und deren unmittelbarer Eigentümer er nach Inkrafttreten des EBNeuOG-E würde, faktisch von der DB AG zurückkaufen. III. Der Entwurf des Gesetzes über die Erhaltung und den Ausbau der Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes (BSEAG-E) Der BSEAG-E75 dient dem Ziel, die Schienenwege der EIU in einem betriebsbereiten Zustand zu halten. Es besteht neben einem allgemeinen Teil (§§ 1 bis 2), der verschiedene Begriffsbestimmungen enthält, aus einem Abschnitt über den Erhalt der Schienenwege (§§ 3 bis 11), einem Abschnitt über den Ausbau der Schienenwege (§§ 12 bis 20) und einigen Schlussbestimmungen (§§ 21 bis 23). Der BSEAG-E stellt klar, dass die Schienenwege durch die EIU erhalten werden müssen (§ 3 I 1 BSEAG-E – „betriebsbereiter Zustand“)76. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung, deren Kosten die EIU grundsätzlich selbst tragen müssen, werden ihnen allerdings vom Bund bis zu 2,5 Mrd. Euro jährlich zugeschossen (§ 3 II BSEAG-E). Um aber festzulegen, welche Qualitätsmerkmale der „betriebsbereite Zustand“ der Infrastruktur im Einzelnen aufweisen muss und wie hoch der Bundeszuschuss für die einzelnen Jahre sein wird, sollen das Bundesverkehrsministerium und das Bundesfinanzministerium einerseits und die EIU andererseits gem. § 4 I 1 BSEAG-E eine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) abschließen. Dies soll in Form eines öffentlich-rechtlichen Vertrages77 geschehen, der gem. § 5 I BSEAG-E fünfzehn Jahre gelten78 und neben den bereits genannten Punkten noch folgende Aspekte regeln soll (§ 4 I 2 BSEAG-E):
75
BT-Drucks. 16/6383, S. 8 ff. Bereits ohne das EBNeuOG sind die Eisenbahnen gem. § 4 I 1 AEG verpflichtet, ihre Infrastruktur in betriebssicherem Zustand zu halten, wobei die Begriffe abweichen können, wie der Gesetzestext durch § 3 I 2 BSEAG-E selbst verdeutlicht, in dem er bestimmt, dass § 4 I AEG unberührt bleibt. Zum Begriff des betriebssicheren Zustands nach § 4 I 1 AEG siehe G. Hermes / R. Schweinsberg, in: G. Hermes / D. Sellner (Hrsg.), Beckscher AEG Kommentar, § 4, Rn. 19, 35 ff.; vgl. auch BVerwGE 129, 381 ff. 77 Allgemein zum öffentlich-rechtlichen Vertrag siehe bspw. E. Gurlit, 4. Teil. Verwaltungsrechtlicher Vertrag und andere verwaltungsrechtliche Sonderverbindungen, in: H.U. Erichsen / D. Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 685 ff.; W. Höfling / G. Krings, JuS 2000, 625 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 359 ff. m.w.N. 78 Damit soll laut Gesetzesbegründung eine Parallelität zu § 5 BESG-E hergestellt werden, wonach die Sicherungsübertragung zwischen Bund und DB AG im Hinblick auf die Gesell76
§ 12 Gesetz zur Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes
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- die Festlegung eines jährlichen Mindestinstandhaltungsbeitrages der EIU des Bundes - die Festlegung des nachzuweisenden jährlichen Mindestersatzinvestitionsvolumens - die Festlegung der einzelnen buchungstechnischen Anforderungen, um Ersatzinvestitionen und Instandhaltungsausgaben der EIU von den übrigen Ausgaben abgrenzen zu können - die Festlegung der näheren Einzelheiten zum Inhalt des Infrastrukturzustands- und -entwicklungsberichts. Den Fall, dass eine solche Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung nicht spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes zustande kommt bzw. vor Ablauf einer LuFV keine neue vereinbart wird, regelt § 4 III BSEAG-E. Dann ist das Bundesverkehrsministerium ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesfinanzministerium und nach Anhörung von Sachverständigen und der Deutschen Bahn AG79 durch Verwaltungsakt die erforderlichen Anordnungen zu treffen, um den betriebsbereiten Zustand der Infrastruktur zu bestimmen und diesen aufrecht zu erhalten. Um die Erreichung der Ziele des BSEAG-E überprüfen zu können, sind verschiedene Kontrollmechanismen vorgesehen. So sind die EIU gem. § 6 I BSEAG-E verpflichtet, jährlich einen Infrastrukturzustands- und -entwicklungsbericht vorzulegen, in dem sie nachweisen, ihre Verpflichtungen aus dem BSEAG-E erfüllt zu haben. Zudem wird das Eisenbahn-Bundesamt in § 7 I BSEAG-E damit beauftragt, die LuFV oder den sie ersetzenden Verwaltungsakt vorzubereiten und zu prüfen, ob die darin determinierten Ziele erreicht worden sind80. Wenn diese Kontroll- und Überprüfungsmechanismen zum Ergebnis führen, dass die EIU ihre Verpflichtungen nicht eingehalten haben, sieht § 8 I BSEAG-E vor, den Bundeszuschuss ganz oder zum Teil zurückzufordern81. Wird eine solche Pflichtverletzung wiederholt begangen und dies durch Urteil rechtskräftig festgestellt, so endet die LuFV bzw. der sie ersetzende Verwaltungsakt. In diesem Fall hat der Bund außerdem gem. § 11 BSEAG-E einen Anspruch auf Schadensersatz. Dieser umfasst den schafteranteile an den EIU des Bundes ebenfalls auf fünfzehn Jahre befristet sein soll, siehe BTDrucks. 16/6383, S. 26 f. 79 Die Anhörung der DB AG vor Erlass eines entsprechenden Verwaltungsaktes ist laut Gesetzesbegründung geboten, da die EIU des Bundes im Konzernverbund der DB AG stehen und der Gesamtkonzern deshalb eine Mitverantwortung für die Pflichterfüllung der EIU des Bundes trägt, siehe BT-Drucks. 16/6383, S. 26. 80 Trotzdem ist es nicht Aufgabe des Eisenbahn-Bundesamtes, den EIU des Bundes Fehler bei der Erfüllung der LuFV nachzuweisen, sondern haben im Gegensatz die EIU des Bundes durch den Infrastrukturzustands- und Entwicklungsbericht zu belegen, dass sie ihren Verpflichtungen nachgekommen sind, BT-Drucks. 16/6383, S. 27. 81 Wird dagegen nur eine Berichtspflicht (§ 6 BSEAG-E) verletzt, müssen die EIU max. 2 % der Bundesmittel zurückerstatten, vgl. § 9 I BSEAG-E.
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Kap. 4: Die dritte Stufe der Bahnreform – Materielle Privatisierung
Betrag, der notwendig ist, um die Infrastrukturanlagen in den durch die LuFV oder den Verwaltungsakt festgelegten Zustand zu bringen. Was den nötigen Ausbau der Schienenwege82 angeht, so soll dieser entsprechend einem dem Gesetz beigefügten Bedarfsplan erfolgen (§ 12 I BSEAG-E). Spätestens fünf Jahre nach Aufstellung des Plans überprüft das Bundesverkehrsministerium die Erforderlichkeit einer Anpassung oder Veränderung des Bedarfsplans, die im Folgenden durch Gesetz beschlossen werden müssen (§ 15 BSEAG-E). Im Schlussteil des Gesetzes findet sich schließlich unter anderem die Regelung, dass 20 % der vom Bund für Ausbau und Erhalt der Schienenwege bereitgestellten Mittel für Infrastruktureinrichtungen zu verwenden sind, die dem Schienenpersonennahverkehr dienen (§ 21 I 1 BSEAG-E)83. IV. Der Entwurf einer Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG-E) und des Bundeseisenbahnverkehrsverwaltungsgesetzes (BEVVG-E) Umfangreiche Änderungen sieht das EBNeuOG-E auch für das AEG vor84. Dabei dienen die Änderungen einerseits der Behebung aufgetretener Zuständigkeits- und Auslegungsprobleme85, zum anderen werden verschiedene Aufgaben auf die Regulierungsbehörde übertragen86. Außerdem finden sich neue bzw. überarbeitete Regelungen zur Verhinderung der Diskriminierung von Eisenbahnverkehrsunternehmen, die Infrastruktureinrichtungen nutzen wollen, die sich nicht in ihrer eigenen bzw. der Hand eines verbundenen Unternehmens befinden87. Auch das BEVVG sollte in einigen Punkten geändert werden88. Die Änderungen betreffen, sofern sie nicht redaktioneller Art sind, im Wesentlichen den Ablauf des Verfahrens vor der Regulierungsbehörde89.
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Die diesbezüglichen Normen entsprechen zum Teil den Regelungen des SchwAbG, das durch den EBNeuOG-E aufgehoben werden sollte, vgl. BT-Drucks. 16/6383, S. 30. 83 Die Regelung greift § 8 II SchwAbG auf. 84 BT-Drucks. 16/6383, S. 13 f. 85 So z. B. die Änderung des § 2 IIIc Nr. 4 AEG-E und § 9 Ie 1 AEG-E, vgl. BT-Drucks. 16/ 6383, S. 32. 86 Siehe § 9a I Nr. 5 AEG-E und § 9a V AEG-E, vgl. BT-Drucks. 16/6383, S. 32. 87 Vgl. z. B. die Änderung des § 14 I 1 AEG-E (BT-Drucks. 16/6383, S. 13; Begründung auf S. 32 f.) und die Einfügung des § 9a I Nr. 7 AEG-E (BT-Drucks. 16/6383, S. 13; Begründung auf S. 32.). 88 BT-Drucks. 16/6383, S. 14 f. 89 So z. B. die Ergänzung des Gesetzes um § 5 (BT-Drucks. 16/6383, S. 14 f.).
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§ 13 Die Verfassungsmäßigkeit des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes Weder die grundsätzliche Entscheidung für eine (teilweise) Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn AG noch der dazu vom Bundesverkehrsministerium erstellte Gesetzentwurf waren – wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben – politisch und rechtlich unumstritten. Der EBNeuOG-E muss – ungeachtet der zugrunde liegenden politischen Entscheidungen – jedenfalls mit dem Grundgesetz vereinbar sein, um dauerhaft Bestand haben zu können. Bei der Untersuchung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfs wird namentlich dem Art. 87e GG als zentraler Norm des geltenden Eisenbahnverfassungsrechts besondere Bedeutung zukommen.
A. Grundsätzliche Zulässigkeit der Privatisierung von Verwaltungsaufgaben Das Grundgesetz als wirtschaftspolitisch neutrale Verfassung90 enthält kein allgemeingültiges Privatisierungsge- oder verbot für die Erbringung von Verwaltungsaufgaben91. Das Ob und Wie der Zulässigkeit einer bestimmten Privatisierungsvariante muss vielmehr den betroffenen einzelnen Verfassungsbestimmungen, insbesondere den Art. 83 ff. GG92 entnommen werden. Demzufolge richtet sich auch die Verfassungsmäßigkeit des EBNeuOG-E vorrangig nach dem Aussagegehalt des Art. 87e GG und evtl. weiterer betroffener Normen.
B. Formelle Verfassungsmäßigkeit Um den formellen Anforderungen des Grundgesetzes zu entsprechen, muss ein Gesetz von den zuständigen Organen, in einem ordnungsgemäßen Verfahren und in der entsprechenden Form erlassen worden sein. Da es sich beim EBNeuOG-E le90
BVerfGE 4, 7 (18); 50, 290; BVerwGE 71, 183 (195). So die ganz einhellige Meinung, vgl. bspw. G. Püttner, LKV 1994, 193 (194); F. Schoch, DVBl. 1994, 962 (969); S.v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 28 f.; A. Dittmann, Die Bundesverwaltung, S. 87; J. Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen der Privatisierung kommunaler Aufgaben, S. 92 ff.; U. Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 251 ff.; R. Hofmann, VBlBW 1994, 121 (123); R. Stober, NJW 1984, 449 (452 f.); J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 175 ff.; B. Burger, Zuständigkeit und Aufgaben des Bundes für den öffentlichen Personenverkehr nach Art. 87e GG, S. 60. Vgl. auch E. Menges, Die Rechtsgrundlagen für die Strukturreform der Deutschen Bahnen, S. 99 ff. 92 So bspw. dem Art. 87d GG für die Privatisierung der Flugsicherung (vgl. dazu bspw. C.J. Tams, NVwZ 2006, 1226 ff.; M. Droege, DÖV 2006, 861 ff.) oder dem Art. 87b GG für Privatisierungen im Bereich der Bundeswehrverwaltung (vgl. dazu W. Durner, VerwArch 96 [2005], 18 ff.). 91
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Kap. 4: Die dritte Stufe der Bahnreform – Materielle Privatisierung
diglich um einen Gesetzentwurf handelt, können an dieser Stelle nur die Zuständigkeit der handelnden Organe und der Gang des tatsächlich durchlaufenen Verfahrens untersucht werden. I. Zuständigkeit Der EBNeuOG-E sollte als Bundesgesetz verabschiedet werden. Er fasst neue und zu ändernde Gesetze in einem Artikelgesetz zusammen. Bezüglich der Gesetzgebungszuständigkeit muss demzufolge unterschieden werden: 1. Art. 1 EBNeuOG-E – DBPrivG-E Der DBPrivG-E ermöglicht die Veräußerung von Anteilen an der DB AG, die sich (noch) in 100 %igem Bundeseigentum befindet. Es handelt sich mithin um eine Eisenbahn des Bundes i.S.d. Legaldefinition des Art. 73 I Nr. 6a GG93, welcher die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis des Bundes begründet. Zwar stellt Art. 87e III 4 GG für die Kapitalprivatisierung von EIU durch Gesetz die speziellere Kompetenznorm dar94. Diese ist jedoch nicht einschlägig, da durch den BESG-E (Art. 2 des EBNeuOG-E) die EIU aus der DB AG ausgegliedert und direkt auf den Bund übertragen werden, weshalb die Infrastrukturunternehmen von der Privatisierung nicht betroffen sind. 2. Art. 2 EBNeuOG-E – BESG-E Der BESG-E regelt die zukünftige Struktur der DB AG und ihr Verhältnis zum Bund. Da nur die DB AG als Eisenbahn des Bundes vom Gesetz betroffen ist, ergibt sich die ausschließliche Zuständigkeit des Bundes wiederum aus Art. 73 I Nr. 6a GG. Eine Besonderheit besteht darin, dass für bestimmte Fälle die Rückübertragung der EIU-Anteile auf die Deutsche Bahn AG im BESG-E vorgesehen ist95. Tritt eine solche Situation ein, werden private Investoren mittelbar auch an den EIU beteiligt. Trotzdem ist nicht der Kompetenztitel aus Art. 87e III 4 GG einschlägig, weil für die vorgesehene Rückübertragung der EIU-Anteile auf die DB AG gem. § 5 I BESG-E ein weiteres Gesetz erforderlich ist. Erst dieses in der Zukunft zu verabschiedende Gesetz würde also die Kapitalprivatisierung von Infrastrukturunternehmen ermöglichen und damit Art. 87e III 4 GG betreffen. Es bleibt daher bei der ausschließlichen Bundeskompetenz für den BESG-E aus Art. 73 I Nr. 6a GG. 3. Art. 3 EBNeuOG-E – BSEAG-E Der BSEAG-E regelt Erhaltung und Ausbau der Schienenwege sowie die damit verbundenen Pflichten der EIU und des Bundes. Außerdem werden die Rahmenbe93 94 95
Vgl. dazu bereits oben, § 6 A. I. Siehe § 6 B. II. 2. b). Siehe dazu näher § 13 C. IV. 2. b).
§ 13 Verfassungsmäßigkeit
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dingungen für die abzuschließenden Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen festgelegt. Da das Gesetz der Konkretisierung des Gewährleistungsauftrages des Bundes aus Art. 87e IV GG dient96, ergibt sich das Gesetzgebungsrecht aus Art. 87e IV 2 GG97, sodass auch hier eine ausschließliche Bundeskompetenz vorliegt. 4. Art. 4 und 5 EBNeuOG-E – AEG-E und BEVVG-E Für den Erlass des AEG-E, der allgemeine Regelungen für alle Eisenbahnen aufstellt, unabhängig davon, in wessen Eigentum sich diese befinden, besteht eine konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes aus Art. 74 I Nr. 23 GG98. Gem. Art. 72 II GG unterfällt diese Kompetenz nicht der Erforderlichkeitsklausel, wodurch sich eine entsprechende Prüfung erübrigt. Auch durch den BEVVG-E sind nicht bundeseigene Eisenbahnen betroffen, sodass sich die Gesetzgebungskompetenz auch hier – soweit nicht schon aus Art. 73 I Nr. 6a GG – aus Art. 74 I Nr. 23 GG ergibt.99 5. Art. 6 – 9 EBNeuOG-E – DBGrG-E, EIBV-E, SchwAbG, VwGO-E Die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes zum Erlass des DBGrG ergab sich aus der Übergangsvorschrift des Art. 143a I 1 GG100, gleiches gilt für eine Änderung dieses Gesetzes101. Die EIBV hat als Rechtsverordnung nicht den Rang eines formellen Gesetzes. Verordnungsgeber ist gem. § 26 I Nr. 6, 7 AEG das Bundesverkehrsministerium. Verordnungsänderungen durch Gesetz sind verfassungsrechtlich möglich, weil der Gesetzgeber durch die Schaffung einer Verordnungsermächtigung nicht das Zugriffsrecht auf den betreffenden Gegenstand verliert und deshalb eine zunächst dem Verordnungsgeber überlassene Regelungsbefugnis wieder selbst in Anspruch nehmen kann102. Die Bundeskompetenz für die Än96
Vgl. auch BT-Drucks. 16/6383, S. 25. Anderer Ansicht ist jedoch offenbar der Gesetzgeber selbst, der nur auf die Art. 73 I Nr. 6a GG und Art. 73 I Nr. 24 GG als einschlägige Kompetenznormen abstellt, siehe BTDrucks. 16/6383, S. 18. 98 Zu Art. 74 I Nr. 24 GG siehe bereits oben, § 6 A. II. 99 Vgl. auch BT-Drucks. 16/6383, S. 18. 100 Vgl. U. Battis, in: M. Sachs (Hrsg.), GG Kommentar, Art. 143a, Rn. 6; H. Gersdorf, in: H.v. Mangoldt / F. Klein / C. Starck, GG Kommentar, Band III, Art. 143a, Rn. 3. 101 Vgl. dazu R. Uerpmann, in: I.v. Münch / P. Kunig (Hrsg.), GG Kommentar, Band III, Art. 143a, Rn. 2; C. Heinze, BayVBl. 1994, 266 (267). Aus diesem Grund ist auch der Ansicht von J. Wieland, in: H. Dreier (Hrsg.), GG Kommentar, Band III, Art. 143a, Rn. 5, der Art. 143a GG sei bereits wenige Jahre nach seinem Inkrafttreten weithin obsolet, zu widersprechen. Der Gesetzgeber stellt in der Gesetzesbegründung jedoch ausschließlich auf die Art. 73 I Nr. 6a GG und Art. 73 I Nr. 24 GG als Kompetenznormen zum Erlass des EBNeuOGE ab, siehe BT-Drucks. 16/6383, S. 18. 102 BVerfGE 22, 330 (346); A. Uhle, DÖV 2001, 241 (242 f.); ferner H. Bauer, Parlamentsverordnungen, in: H. Bauer / D. Czybulka / W. Kahl / A. Vosskuhle (Hrsg.), Wirtschaft im 97
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derung der EIBV, die nicht nur für Eisenbahnen des Bundes, sondern auch für sonstige Eisenbahnunternehmen gilt, ergibt sich demzufolge aus Art. 74 I Nr. 23 GG. Die Kompetenz für die Aufhebung des SchwAbG, dessen Regelungen in den BSEAG-E integriert wurden, ergibt sich aus Art. 87e IV 2 GG103. Die Änderungen der VwGO unterfallen schließlich der konkurrierenden Bundeskompetenz aus Art. 74 I Nr. 1 Var. 4 GG. Eine Prüfung der Erforderlichkeitsklausel erübrigt sich laut Art. 72 II GG. II. Verfahren 1. Gesetzesinitiative Gem. Art. 76 I GG können die Bundesregierung, die Mitte des Bundestages und der Bundesrat Gesetzesvorlagen in den Bundestag einbringen. Stammt eine Vorlage aus der Mitte des Bundestages, so muss sie gem. § 76 GOBT von einer Fraktion oder von fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages unterzeichnet werden. Den Gesetzentwurf für ein EBNeuOG legten die Regierungsfraktionen der CDU/CSU und SPD am 21. September 2007 im Bundestag vor104. Damit sind die Voraussetzungen des Art. 76 I GG und des § 76 GOBT erfüllt. 2. Zuleitung an den Bundesrat Der Entwurf für ein EBNeuOG war von der Bundesregierung beschlossen worden und stammte ursprünglich aus dem Verkehrsministerium und damit aus dem Bundeskabinett. Dementsprechend wurde die Vorlage zunächst als Gesetzentwurf der Bundesregierung bezeichnet und als solche gem. Art. 76 II 1 GG am 10. August 2007 dem Bundesrat zugeleitet105. Die Bundesregierung stufte den Gesetzentwurf dabei als besonders eilbedürftig ein106, sodass grundsätzlich eine Befassung des Bundestages nach Ablauf von drei Wochen zulässig gewesen wäre (vgl. Art. 76 II 4 Var. 1 GG). Der Bundesrat beantragte am 21. September 2007 eine Fristverlängerung zur Stellungnahme gem. Art. 76 II 3 GG107. Die Frage, ob dieser Antrag, der erst nach Ablauf von sechs Wochen erfolgte, noch bewirken konnte, dass der Bundestag erst sechs Wochen nach Zuleitung an den Bundesrat befasst werden durfte (vgl. Art. 76 II 4 Var. 2 GG), kann aus zwei Gründen offen bleiben: Zum einen behandelte der Bundestag die offenen Verfassungsstaat, S. 237 (242), dort auch zur Frage, ob die vom Gesetzgeber geänderte Passage dann die Rechtsnatur der Verordnung teilt oder vielmehr ein formelles Gesetz darstellt (S. 242 ff. m.w.N.). Mit kritischen Anmerkungen zur Praxis, RVOen durch Gesetz zu ändern T. Mann, in: Sachs, GG, Art. 80, Rn. 9, ebenfalls m.w.N. 103 Anders offenbar der Gesetzgeber, der nur auf die Art. 73 I Nr. 6a GG und Art. 73 I Nr. 24 GG als einschlägige Kompetenznormen abstellt, siehe BT-Drucks. 16/6383, S. 18. 104 Siehe BT-Plenarprotokoll 16/116, S. 11997. 105 Siehe BT-Drucks. 16/6294 bzw. BR-Drucks. 555/07. 106 Siehe BR-Drucks. 555/07, Vorblatt. 107 Vgl. BR-Drucks. zu555/07 bzw. BR-Plenarprotokoll 836/07, S. 260 und 306.
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Vorlage erstmals am 21. September 2007 und damit nach Ablauf der Sechs-WochenFrist. Zum anderen waren es schließlich die Regierungsfraktionen und nicht die Bundesregierung, die den Entwurf im Bundestag einbrachten. Stammt eine Gesetzesinitiative aber aus der Mitte des Bundestages, so muss die Vorlage nicht an den Bundesrat weitergeleitet und somit auch nicht dessen Stellungnahme abgewartet werden108. Jedenfalls führte der Antrag des Bundesrates auf Fristverlängerung dazu, dass diesem statt sechs nun neun Wochen Zeit für eine Stellungnahme verblieben. Die Stellungnahme der Ländervertretung erfolgte schließlich am 12. Oktober 2007109 und damit innerhalb der Neun-Wochen-Frist. Diese war gem. Art. 76 II 4 letzter Halbsatz (HS) GG unverzüglich dem Bundestag zuzuleiten. Der Bundesrat äußerte darin, dass der Entwurf den Interessen der Länder nicht gerecht werde110. 3. Gesetzesberatungen im Bundestag Im Bundestag wird über Gesetzesvorlagen grundsätzlich in drei Lesungen beraten (vgl. §§ 78 ff. GOBT). Die erste Lesung des EBNeuOG-E fand am 21. September 2007 im Bundestag statt111. Anschließend wurde die Vorlage an die zuständigen Ausschüsse112 überwiesen113. 4. Beteiligung des Bundesrates Das Grundgesetz unterscheidet zwischen sog. Einspruchs- und Zustimmungsgesetzen. Während erstere schon dann zustande kommen, wenn der Bundesrat dem Vorhaben nicht widerspricht, muss der Bundesrat bei Zustimmungsgesetzen den Entwurf mit der Mehrheit seiner Stimmen verabschieden (Art. 77, 78 GG i.V.m. Art. 52 III 1 GG). Zustimmungsgesetze sind nach der Systematik des Grundgesetzes die Ausnahme114 – der Zustimmung des Bundesrates bedarf es immer nur dann, wenn das Grundgesetz dies ausdrücklich vorsieht115. Der EBNeuOG-E enthält Regelungen, die den 108
Zur Frage, ob eine bewusste Vermeidung der Fristen des Art. 76 II GG durch Einbringung einer Regierungsvorlage durch die Regierungsfraktion(en) eine verfassungsrechtlich unzulässige Umgehung des Art. 76 II GG darstellt, statt vieler Mann, Art. 76, Rn. 24 ff.; D. Wyduckel, DÖV 1989, 181 (185); M. Schürmann, AöR 115, 45 ff. m.w.N. 109 BR-Drucks. 555/07 (B). 110 BR-Drucks. 555/07 (B), S. 1. 111 Vgl. BT-Plenarprotokoll 16/116, S. 11997 ff. 112 Es fand eine Überweisung an folgende Ausschüsse statt: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (federführend), Ausschuss für Tourismus, Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, Finanzausschuss, Haushaltsausschuss, Innenausschuss, Rechtsausschuss. 113 Siehe BT-Plenarprotokoll 16/116, S. 12015. 114 D. Wyduckel, DÖV 1989, 181 (186). 115 Sog. Enumerationsprinzip, BVerfGE 1, 76 (79); 37, 363 (381). Vgl. dazu bspw. N. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 362; R. Schmidt, JuS 1999, 861 (862); T. Hebeler, JA 2003, 522 (524).
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Gewährleistungsauftrag des Bundes aus Art. 87e IV GG betreffen116. Solche Gesetze sind gem. Art. 87e V 1 GG zustimmungspflichtig. Demzufolge muss der Bundesrat, nachdem der Bundestag den Gesetzentwurf verabschiedet hat, noch zustimmen117. III. Zwischenergebnis Der Bund besitzt die Kompetenz zum Erlass des EBNeuOG-E und das bisherige Verfahren zum Erlass des Gesetzes entspricht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Die formelle Verfassungsmäßigkeit, insoweit sie derzeit beurteilt werden kann, ist mithin gegeben.
C. Materielle Verfassungsmäßigkeit Im Folgenden soll untersucht werden, ob der EBNeuOG-E materiell mit der Verfassung im Einklang steht. Die zentrale Norm, an der sich das Gesetz messen lassen muss, ist Art. 87e GG, der die Grundlagen der Eisenbahnverfassung enthält. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob die Konstruktion des BESG-E, die formal-juristisch das Eigentum an den EIU zwar dem Bund zuordnet, sie „wirtschaftlich“ aber in den Händen der dann teilprivatisierten DB AG wissen möchte118, mit den Vorgaben des Art. 87e III 3 HS 2 GG vereinbar ist119. Dieser sieht ausdrücklich vor, dass der Bund Mehrheitseigentümer der Infrastrukturunternehmen bleiben muss. Außerdem ist in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob dem Gesetzesvorbehalt des Art. 87e III 3 HS 1 GG durch den EBNeuOG-E genüge getan wird120. Ferner kommt ein Verstoß gegen den Gewährleistungsauftrag aus Art. 87e IV 1 GG121 und die diesen flankierende Vorschrift des Art. 87e IV 2 GG122 in Betracht.
116 Siehe BT-Drucks. 16/6383, S. 25. Dabei genügt eine zustimmungspflichtige Regelung, um das gesamte Vorhaben zustimmungsbedürftig zu machen, siehe BVerfGE 8, 274 (294 f.) und stetige Rspr.; ferner z. B. D. Wyduckel, DÖV 1989, 181 (186); B.-O. Bryde, in: Münch / Kunig, GG, Band III, Art. 77, Rn. 21; K. Stern, Staatsrecht II, S. 145 m.w.N. Kritisch bspw. H. Maurer, Staatsrecht, S. 548; Mann, Art. 77, Rn. 16 m.w.N. zur Gegenansicht. 117 Siehe auch BT-Drucks. 16/6383, S. 6. 118 Siehe auch BT-Drucks. 16/6383, S. 17 – „Die DB AG erhält für zunächst 15 Jahre die Möglichkeit, Schienenverkehr und Infrastruktur in einer wirtschaftlichen Einheit zu betreiben und zu bilanzieren.“ 119 Siehe dazu § 13 C. I. bis § 13 C. IV. 120 Siehe dazu § 13 C. V. 121 Siehe dazu § 13 C. VI. 122 Siehe dazu § 13 C. VII.
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I. Verfassungsrechtlich geforderte Einwirkungsrechte des Bundes auf die EIU (Art. 87e III 3 HS 2 GG) Gem. Art. 87e III 3 HS 2 GG muss die Mehrheit der Anteile an den Infrastrukturunternehmen beim Bund verbleiben, eine Privatisierung und die damit einhergehende Veräußerung von der Hälfte oder mehr Anteilen an private Dritte ist verfassungsrechtlich ausgeschlossen123. Der BESG-E sieht in § 1 vor, dass sämtliche Anteile der jetzt noch dem DB-Konzern zugehörigen Infrastrukturunternehmen auf den Bund übergehen. Dadurch scheint das Erfordernis des Art. 87e III 3 HS 2 GG auf den ersten Blick erfüllt zu sein. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich aber, dass wesentliche Elemente der Eigentümerstellung des Bundes diesem dadurch entzogen werden, dass die EIUAnteile wirtschaftlich der DB AG zugeordnet werden, damit diese das Schienennetz in ihre Bilanz einstellen und auf diese Weise ihre Kapitalmarktattraktivität wesentlich steigern kann124. Insbesondere die Stimmrechtsvollmacht für die Gesellschafter- bzw. Hauptversammlungen der Infrastrukturgesellschaften (§ 2 I BESG-E) und der bei Beendigung der Sicherungsübertragung an die DB AG zu zahlende Wertausgleich gem. § 7 I 1 BESG-E sind in diesem Zusammenhang als problematisch einzustufen. Es ist deshalb zweifelhaft, ob diese Art der Eigentümerstellung des Bundes dem Art. 87e III 3 HS 2 GG entspricht. Zunächst muss daher untersucht werden, welche Anforderungen die Norm an die gebotene Anteilsmehrheit stellt. 1. Auslegung des Art. 87e III 3 HS 2 GG Um eine in sich und innerhalb des Normgefüges stimmige Interpretation des Merkmals der Anteilsmehrheit in Art. 87e III 3 HS 2 GG zu erhalten, sollen zunächst Wortlaut, Geschichte, Systematik und telos der Norm untersucht werden125. a) Auslegung nach dem Wortlaut Die Wortlautauslegung (oder grammatische Auslegung) knüpft an die genaue Formulierung der entsprechenden Norm an und versucht diese für eine Interpretation fruchtbar zu machen. Dabei ist zu ermitteln, welcher Sinn nach dem Sprachgebrauch der Sprachgemeinschaft und der Sprachregelung des Gesetzgebers den Gesetzeswor-
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Siehe dazu auch bereits § 6 B. II. 2. Vgl. BT-Drucks. 16/6383, S. 17. 125 Sog. „klassische“ Auslegungselemente in Anschluss an F.C.v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band I, S. 213, 220. Zu den gängigen Auslegungsmethoden siehe K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 320 ff.; K. Larenz / C.-W. Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 141 ff.; F. Müller / R. Christensen, Juristische Methodik, Band I, S. 244 ff.; J. Schapp, Hauptprobleme der juristischen Methodenlehre, S. 86 ff.; H.P. Schwintowski, Juristische Methodenlehre, S. 65 ff.; R. Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 42 ff.; H.-M. Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, S. 172 ff.; E.A. Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 47 ff. 124
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ten zukommen kann126. Wörtlich heißt es im Art. 87e III 3 HS 2 GG „die Mehrheit der Anteile an diesen Unternehmen verbleibt beim Bund“, wobei mit „diesen Unternehmen“ die Eisenbahninfrastrukturunternehmen gemeint sind. aa) Quantitative Anforderungen Durch den Wortlaut des Art. 87e III 3 HS 2 GG wird zunächst deutlich, dass die Verfassung von der Möglichkeit der Zerlegung der EIU in zählbare und unterschiedlich große Teile ausgeht127, wie es bei Kapitalgesellschaften (also insbesondere GmbH128 und AG129) unproblematisch möglich ist. Wenn der Bund die Mehrheit dieser Teile halten muss, so entspricht dies einem Anteil von 50 % + x der Anteile, wobei x größer Null sein muss. Ist die Größe eines Anteils genau festgelegt130, lässt sich demzufolge die Höhe der staatlichen Mindestbeteiligung auch mit 50 % plus einen Anteil definieren. Die quantitative Bemessung des verfassungsrechtlich geforderten Bundesanteils bereitet danach keine interpretatorische Hürde. bb) Qualitative Anforderungen Wie aus Art. 87e III 3 HS 2 i.V.m. Art. 87e III 2 GG aber darüber hinaus ersichtlich ist, fordert das Grundgesetz das Eigentum des Bundes an der Mehrheit dieser Anteile. Wenn der Verfassungsgeber den Begriff „Eigentum“ verwendet, so verbinden sich damit bestimmte qualitative Merkmale hinsichtlich der Stellung des Bundes und seiner Beziehung zu den EIU-Anteilen. Die rein äußerliche Bezeichnung des Bundes als Eigentümer der Infrastrukturunternehmen ohne eine damit einhergehende, in ihren Ausmaßen noch zu bestimmende innere Gewalt über diese kann jedenfalls nicht den eisenbahnverfassungsrechtlichen Anforderungen genügen131. 126 Zippelius, Methodenlehre, S. 42 f.; Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 141; Schwintowski, Methodenlehre, S. 65 f.; vgl. auch Kramer, Methodenlehre, S. 51. 127 Vgl. auch Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 13, die in diesem Zusammenhang von der Vorstellung eines „privatisierten Anteilspools“ des Grundgesetzes sprechen. 128 Siehe § 5 GmbHG. 129 Siehe § 8 AktG. 130 Mit „Größe“ ist hier der Nennbetrag gemeint. Bei einer AG muss zwischen Nennbetragsaktien und Stückaktien unterschieden werden. Handelt es sich um Nennbetragsaktien, so können die einzelnen Aktien zu unterschiedlichen Nennbeträgen ausgegeben werden (K. Heider, in: W. Goette / M. Habersack [Hrsg.], Münchner Kommentar AktG, Band 1, § 8, Rn. 48; Hüffer, Aktiengesetz, § 8, Rn. 5). Bei der Ausgabe von Stückaktien hingegen wird das Grundkapital entsprechend der Aktienanzahl zerlegt, was dazu führt, dass alle Anteile den gleichen Umfang haben (Hüffer, Aktiengesetz, § 8, Rn. 2). Bei einer GmbH können die Nennbeträge der Geschäftsanteile unterschiedlich bestimmt werden, § 5 III 1 GmbHG. 131 Vgl. M. Möstl, Grundweichenstellungen des deutschen Eisenbahnverfassungsrechts, in: FS Scholz, S. 833 (854); Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 14; J. Masing, Rechtsgutachten zur Verfassungsmäßigkeit des Entwurfs des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung für ein Gesetz zur Neuordnung der Eisenbahnen des Bundes, S. 13 f.; siehe auch Wieland, Art. 87e, Rn. 29. In diese Richtung tendiert aber wohl R. Scholz, Rechtsgutachten zur
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Einen Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des Aussagegehalts des Eigentumsbegriffs in Art. 87e III GG liefert das Grundgesetz mit dem in Art. 14 I 1 GG garantierten Grundrecht auf Eigentum zunächst einmal selbst132. Unter den Schutz des Art. 14 I 1 GG fallen einerseits alle privatrechtlichen vermögenswerten Rechte, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, dass er die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben kann133. Als normgeprägtes Grundrecht spielt für die Eigentumsfreiheit die einfachgesetzliche Definition des Eigentums eine bedeutende Rolle, wobei der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums die Grenzen dieser Definition überschreitet134. Andererseits unterfallen auch im Bereich des öffentlichen Rechts vermögenswerte Rechtspositionen dem Eigentumsschutz nach Art. 14 I 1 GG, wenn sie nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet sind, auf nicht unerheblichen Eigenleistungen beruhen und seiner Existenzsicherung dienen135. Was den Umfang des Eigentumsschutzes angeht, so umfasst das Grundrecht auf Eigentum sowohl dessen Bestand als auch dessen Nutzung136. Der Inhaber kann daher über sein Eigentum verfügen, es veräußern, belasten oder es auch überhaupt nicht nutzen.
Verfassungsmäßigkeit des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Eisenbahnen des Bundes (EBNeuOG) – Zur Privatisierung der Deutschen Bahn AG, S. 34, wenn er davon ausgeht, dass der Bund seine Stimmrechte, die ihm aus der Mehrheitsgesellschafterstellung der EIU zustehen, vollumfänglich an Dritte übertragen kann, ohne dass darin ein Verstoß gegen Art. 87e III 3 GG zu sehen wäre. 132 Anknüpfend an Art. 14 GG auch Ehlers, Rechtsgutachten, S. 28 f. Bezüge zum verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff stellen auch Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 14, her. 133 BVerfGE 83, 201 (209); 89, 1 (6); 91, 294 (307); 95, 267 (300). Siehe auch R. Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14, Rn. 22; J. Wieland, in: H. Dreier (Hrsg.), GG Kommentar, Band I, Art. 14, Rn. 46; K. Stern, Staatsrecht IV/1, S. 2178 ff.; H.D. Jarass, in: H.D. Jarass / B. Pieroth, GG Kommentar, Art. 14, Rn. 8. 134 Vgl. B. Pieroth / B. Schlink, Grundrechte – Staatsrecht II, S. 231 f., Rn. 903; B.O. Bryde, in: I.v. Münch / P. Kunig (Hrsg.), GG Kommentar, Band I, Art. 14, Rn. 11; W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR VI, § 149, Rn. 72 f. 135 BVerfGE 97, 271 (284). Vgl. auch H. Hofmann, in: B. Schmidt-Bleibtreu / H. Hofmann / A. Hopfauf (Hrsg.), Kommentar zum GG, Art. 14, Rn. 22; Jarass, Art. 14, Rn. 11; M. Appel, DVBl. 2005, 340 (342). Kritisch dazu O. Depenheuer, in: H.v. Mangoldt / F. Klein / C. Starck, GG Kommentar, Band I, Art. 14, Rn. 71 ff.; Wieland, Art. 14, Rn. 63; J. MeyerAbich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 50 ff. Ablehnend zum Kriterium der „eigenen Leistung“ R. Schmidt-De Caluwe, JA 1992, 129 (133 ff.); G. Wannagat, Die umstrittene verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie für die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung, in: FS Peters, S. 171 (176). Zum Streitstand siehe Bryde, Art. 14, Rn. 25 ff. 136 BVerfGE 88, 366 (377); 98, 17 (35); 101, 54 (75). Siehe auch Wendt, Art. 14, Rn. 41; Jarass, Art. 14, Rn. 18.
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Auch Anteile an Kapitalgesellschaften werden von Art. 14 I 1 GG geschützt137, da sie die Merkmale der Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis des Inhabers erfüllen138. Bei Kapitalgesellschaften äußert sich dies dadurch, dass dem Anteilseigner im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften durch seine Stellung bestimmte Entscheidungsbefugnisse innerhalb der Gesellschaft zustehen. Darüber hinaus verfügt er über vermögensrechtliche Ansprüche.139 Sowohl die Entscheidungs- und Herrschaftsrechte als auch die vermögensrechtlichen Ansprüche sind bei einer Anteilseignerschaft an Kapitalgesellschaften im Vergleich zu anderen Eigentumspositionen abgeschwächt; sie werden durch die Stellung der Gesellschaft als juristische Person mit eigenen Rechten, die von den dahinterstehenden Gesellschaftern zu unterscheiden ist, zu mittelbaren Positionen140. Dies trifft zwar auch auf die GmbH zu, ist aber bei der Rechtsform der Aktiengesellschaft besonders augenfällig. Die Anteilseigner üben ihre Rechte dort in der Hauptversammlung aus – diese entscheidet unmittelbar aber nur über Grundsatzfragen (vgl. § 119 AktG), während die eigentliche Leitung der Gesellschaft und Geschäftsführung dem Vorstand obliegt (vgl. §§ 76 I, 77 I AktG). Zu Weisungen ist die Hauptversammlung gegenüber dem Vorstand gem. § 119 II AktG nur dann berechtigt, wenn Letzterer dies verlangt. Dieser Einflussverlust wird dadurch kompensiert, dass die Gesellschafter in der Hauptversammlung die Mitglieder des Aufsichtsrats bestellen (§ 119 I Nr. 1 AktG), welche dann wiederum gem. § 84 I 1 AktG den Vorstand berufen.141 Als wesentliche Strukturmerkmale des Eigentumsbegriffs in Art. 14 I 1 GG können also die Privatnützigkeit und die Verfügungsbefugnis bestimmt werden. Dies gilt ebenso, wenn es sich um Eigentum an Kapitalgesellschaften handelt, die durch Anteile vermittelt werden. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass die Anteilseigner keine unmittelbaren Entscheidungsrechte innehaben, sondern insofern auf die Ausübung ihrer Stimmrechte in den Haupt- bzw. Gesellschafterversammlungen beschränkt sind. Problematisch ist nun, ob und ggf. inwiefern die dargestellten Wesens137 BVerfGE 100, 289 (301 f.); 102, 197 (211). Siehe dazu auch H.-J. Papier, VVDStRL 35 (1977), 55 (59 ff.); Meyer-Abich, Schutzzweck, S. 97 ff.; Wieland, Art. 14, Rn. 49; Bryde, Art. 14, Rn. 22. 138 Vgl. BVerfGE 14, 263 (276 f.); 25, 371 (407); 50, 290 (339); 100, 289 (301). 139 BVerfGE 100, 289 (301 f.). 140 Dieses Phänomen wird auch als Auseinanderfallen von Eigentum und Verfügungsmacht bezeichnet, siehe Meyer-Abich, Schutzzweck, S. 98 m.w.N. H.-J. Papier, VVDStRL 35 (1977), 55 (59) stellt dazu fest: „Je größer der Kreis der Miteigner, desto eher verwandelt sich das Anteilsrecht de facto von einem Mitgliedschafts- oder Herrschaftsrecht in eine vermögensrechtliche Obligation.“ Dies ändert allerdings nichts am grundrechtlichen Schutz der Unternehmensanteile, siehe J. Chlosta, Der Wesensgehalt der Eigentumsgewährleistung, S. 173 f.; O. Kimminich, in: R. Dolzer / C. Waldhoff / K. Graßhof (Hrsg.), Bonner Kommentar Grundgesetz, Band III, Art. 14 (1992), Rn. 38; H.-J. Papier, in: T. Maunz / G. Dürig, GG Kommentar, Band II, Art. 14 (2002), Rn. 195 sowie die Nachweise in Fn. 137. 141 Vgl. zur Stellung des Aktionärs nach dem AktG in Bezug auf die Problematik des Art. 14 GG auch Meyer-Abich, Schutzzweck, S. 98 f. Zu Rechten und Stellung des Mehrheitsaktionärs in der AG siehe unten, § 13 C. I. 2. a).
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merkmale des Eigentumsbegriffs aus Art. 14 I 1 GG auch für Art. 87e III 3 HS 2 GG Wirkung entfalten. Die Eigentumsfreiheit gehört zu den Grundrechten und hat damit in erster Linie die Funktion eines Abwehrrechts Privater gegen den Staat142. Im Rahmen des Art. 87e III 3 HS 2 GG geht es im Gegensatz dazu um den Schutz der Wahrung von Einflussrechten des Staates143, was dazu führt, dass die für Art. 14 I 1 GG gefundende Interpretation des Eigentumsbegriffs jedenfalls nicht unreflektiert übernommen werden darf. Zudem schützt Art. 14 I 1 GG nicht jegliches Eigentum, sondern nur jenes, das auch Privaten zugeordnet ist144; das Eigentum des Bundes an den EIU ist also gerade nicht grundrechtsgeschützt145. Dies ist für die vorliegende Frage allerdings auch nicht notwendig; vielmehr geht es lediglich darum, inwiefern die Strukturmerkmale des Eigentumsbegriffs aus Art. 14 I 1 GG ebenso für das grundrechtlich geforderte Mehrheitseigentum des Staates an den EIU gelten. In diesem Zusammenhang besteht jedenfalls auch kein Anlass für die Annahme, dass der für die Eigentumsfreiheit dargestellte Befund für die Eisenbahnverfassung nicht fruchtbar gemacht werden könnte146 – wenn die Verfassung einen Begriff mehrfach verwendet, so besteht zunächst einmal eine Grundvermutung dafür, dass sie diesen Begriff auch gleich verstanden wissen will. Diese Vermutung muss im vorliegenden Fall aber – wenigstens zum Teil – insofern entkräftet werden, als es um das Eigentumsmerkmal „Privatnützigkeit“ geht. Dabei kommt die Unterschiedlichkeit der Funktion des Eigentums für Private auf der einen und öffentliche Stellen auf der anderen Seite zum Tragen. Die Privatnützigkeit von Staatseigentum ist denknotwendig ausgeschlossen, an ihre Stelle muss in der Eigentumsdefinition die Nützlichkeit für die öffentliche Hand und damit die Gemeinnüt-
142 Vgl. BVerfGE 7, 198 (204). Zu den Grundrechtsfunktionen ausführlich H.D. Jarass, Funktionen und Dimensionen der Grundrechte, in: D. Merten / H.-J. Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Band II, § 38; K. Stern, Staatsrecht III/2, S. 1678 ff.; H. Dreier, in: Dreier, GG, Band I, Vorb. vor Art. 1, Rn. 82 ff.; C. Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Band I, Art. 1, Rn. 182 ff.; M. Sachs, in: Sachs, GG, vor Art. 1, Rn. 27 ff.; Pieroth / Schlink, Grundrechte, S. 16 ff. Speziell zu Grundrechten als Abwehrrechten R. Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte; J. Isensee, Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HStR V, § 111; M. Sachs, Abwehrrechte, in: D. Merten / H.J. Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Band II, § 39. 143 M. Ronellenfitsch, DVBl. 2008, 201 (207). Siehe dazu auch bereits oben, § 6 B. III. 4. d). 144 BVerfGE 61, 82 (108 f.). 145 Speziell für das Eigentum an Eisenbahngesellschaften M. Ronellenfitsch, DVBl. 2008, 201 (207); allgemein bezüglich des Eigentums der öffentlichen Hand J. Burmeister, Verfassungsrechtliche Grundfragen der kommunalen Wirtschaftsbetätigung, in: FS v. Unruh, S. 623 (655 ff.). 146 So – mit Einschränkung – auch Ehlers, Rechtsgutachten, S. 28 f.
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zigkeit treten147. Diese Interpretation muss nicht zwangsläufig mit dem Gebot der Privatwirtschaftlichkeit in Art. 87e III 1 GG im Widerspruch stehen148. Unterdessen ist nicht ersichtlich, warum das Merkmal „Verfügungsbefugnis“ nicht auch für den Eigentumsbegriff des Art. 87e III 3 HS 2 GG maßgeblich sein sollte149. Anderenfalls verlöre der Eigentumsbegriff, wie er im Rahmen der Eisenbahnverfassung verwendet wird, jegliches charakteristisches Merkmal. Dies ist um so unwahrscheinlicher, als dass die Norm selbst keinen ausdrücklichen Hinweis darauf enthält, wie der Eigentumsbegriff stattdessen zu verstehen sein sollte. Bei einem Verzicht auf das Erfordernis der Verfügungsbefugnis verlöre der Terminus des Eigentums in Art. 87e III GG seine begriffsspezifische Eigenart – wäre dies im Sinne des Verfassungsgebers gewesen, hätte er diesen Begriff, dessen Auslegung im Rahmen des Art. 14 GG hinlänglich bekannt war, sicherlich durch einen anderen ersetzt. Demzufolge ergibt die Wortlautinterpretation des Art. 87e III 3 GG, dass die Stellung des Bundes als dauerhafter Eigentümer der Mehrheit der Anteile an den EIU mit einer entsprechenden Verfügungsbefugnis einhergehen muss, die der Staat gemeinwohlorientiert einzusetzen hat. Wenn diese Verfügungsbefugnis gerade nicht mit der Möglichkeit der Veräußerung sämtlicher Anteile einhergeht, die die Verfassung ja ausdrücklich ausschließt, so muss sie ihm doch Einflussrechte im Unternehmen sichern150. Offen ist damit noch die Frage, welchen Umfang und welche Qualität diese Einflussrechte im Einzelnen haben müssen. Zunächst einmal unterliegen alle Rechte, die mit der Gesellschafterstellung in einem Unternehmen einhergehen, von vornherein bestimmten Beschränkungen. Gerade bei einer Aktiengesellschaft sind die Rechte der Aktionäre, wie oben bereits gezeigt, vor allem was die Geschäftsführung angeht, stark begrenzt. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass solche Begrenzungen zu einem Verstoß gegen Art. 87e III 3 HS 2 GG führen sollten. Sie sind vielmehr als von außen auf die Gesellschafterstellung des Bundes einwirkende Beschränkungen hinzunehmen151. Dafür spricht insbesondere, dass dem Verfassungsgeber bei Schaffung 147 So – speziell für das Eigentum der öffentlichen Hand an Eisenbahngesellschaften – auch Ehlers, Rechtsgutachten, S. 28; siehe dazu auch F. Kirchhof, Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 10; Wieland, Art. 87e, Rn. 31. Vgl. allgemein zu diesem Problemkreis auch Burmeister, Grundfragen, S. 623 (657); G. Püttner, Öffentliche Unternehmen (1985), S. 128 ff. 148 Vgl. dazu § 6 B. III. 4. c). 149 Vgl. auch F. Kirchhof, Schriftliche Stellungnahme zum Antrag BT-Drucks. 16/4413, siehe Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 61; F. Kirchhof, Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 10. 150 Im Ergebnis ebenso Uerpmann, Art. 87e, Rn. 14 („Herrschaft“); Wieland, Art. 87e, Rn. 29 („Herrschaftsmacht“); K. Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, Art. 87e, Rn. 5 („Beherrschung“); Ehlers, Rechtsgutachten, S. 27 f.; Masing, Rechtsgutachten, S. 15; Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 17. 151 Vgl. P. Hommelhoff / E. Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 521 (550); Menges, Rechtsgrundlagen, S. 175 f.
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des Art. 87e GG bereits die Gründung einer AG für den Bahnbereich vorschwebte152 und die damit verbundene Abschwächung der Rechte des Bundes als Gesellschafter bekannt war. b) Historische Auslegung Die historische Auslegungsmethode stellt einen Bezug zur Entstehungsgeschichte der fraglichen Norm her, um auf diese Weise ggf. Erkenntnisse zu gewinnen, die ohne ein Verständnis der konkreten Situation und Veranlassung zum Erlass der Bestimmung im Dunkeln blieben. Dabei kommt insbesondere dem Willen des historischen Gesetzgebers Bedeutung zu153. Die historische Auslegung des Art. 87e III 3 HS 2 GG ist insbesondere deshalb innerhalb der vorliegenden Untersuchung von nicht unerheblicher Bedeutung, weil die Fassung des Art. 87e III GG im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses stark umstritten war154. Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Bundesregierung enthielt lediglich die Bestimmung, dass die Eisenbahnen des Bundes als Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form geführt werden. Eine Beschränkung hinsichtlich einer möglichen Veräußerung von Eisenbahnunternehmen fand sich in dieser Vorlage überhaupt nicht.155 Demgegenüber forderte der Bundesrat in seiner Stellungnahme, dass das Bundeseigentum an den Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes in Art. 87e IV 1 GG dauerhaft festgeschrieben werden sollte156. Als Grund dafür führte der Bundesrat aus, dass das Schienennetz der Bundeseisenbahnen ein bundesweites Infrastruktursystem von erheblicher gesamtwirtschaftlicher Bedeutung sei, weswegen es im Eigentum des Bundes belassen werden sollte. Bei einer Übertragung des Eigentums auf ein privatwirtschaftliches Unternehmen bestehe dagegen keine ausreichende Sicherheit, dass das Netz in seinen wesentlichen Bestandteilen erhalten und bedarfsgerecht ausgebaut werde, zumal bei der damaligen Wettbewerbssituation zwischen den Verkehrsträgern die Schieneninfrastruktur nicht kostendeckend betrieben werden könne.157 Mit dieser Forderung konnte sich der Bundesrat nicht durchsetzen, jedoch stellte die schließlich verabschiedete Fassung des Art. 87e III GG mit der Festschreibung des Mehrheitseigentums des Bundes an den EIU einen Kompromiss zwischen den Positionen von Bundestag und Bundesrat dar, wie es in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses ausdrücklich heißt158. Der heute geltende Art. 87e III 3 HS 2 GG ist also zumindest zum Teil Ausdruck des Bestrebens, das Schienennetz und damit die EIU nicht dem freien Spiel der Grundsätze des Marktes auszuliefern. 152
Vgl. BT-Drucks. 12/4610, S. 7. Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 149; vgl. auch Schwintowski, Methodenlehre, S. 70 f.; Kramer, Methodenlehre, S. 104 ff. 154 Vgl. dazu bereits oben, § 6 B. II. 2. a). 155 Siehe BT-Drucks. 12/5015, S. 4. 156 Siehe BT-Drucks. 12/5015, S. 11. 157 Siehe BT-Drucks. 12/5015, S. 11. 158 Siehe BT-Drucks. 12/6280, S. 8. 153
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Dem Staat sollte durch sein Mehrheitseigentum eine Art Letztentscheidungsrecht hinsichtlich der Schieneninfrastruktur zustehen, um zu verhindern, dass diese aufgrund mangelnder Rentabilität zu stark vernachlässigt wird. Genau dies befürchtete der Bundesrat nämlich für den Fall einer gänzlichen Privatisierung des Netzes. Klar wird durch die Gesetzgebungsmaterialien auch, dass eine allzu privatisierungsfreundliche Auslegung, die das Erfordernis des Mehrheitseigentums nicht mit einer entsprechenden Beherrschungsmöglichkeit des Bundes korrespondieren lässt, aus dem Grund nicht überzeugen kann, dass die Festschreibung dieser Voraussetzung als Kompensation für die Forderung des Bundesrates diente, das Schienennetz ganz im Staatseigentum zu belassen. Zu weitergehenden Zugeständnissen war der Bundesrat aber gerade nicht bereit.159 Wenn der Bund aber eine wirksame Kontrolle über die Schieneninfrastruktur ausüben können soll, so bedeutet dies, dass ihm dafür auch die entsprechenden Befugnisse zustehen müssen. Wenn seine Einflussrechte durch die Möglichkeit, beinahe die Hälfte der Anteile an den EIU zu veräußern, schon begrenzt werden160, so spricht dies dafür, eine staatliche Verpflichtung anzunehmen, zumindest seine verbleibenden Rechte als Mehrheitseigentümer auch vollumfänglich wahrzunehmen. c) Systematische Auslegung Die systematische Auslegungsmethode untersucht die Stellung der fraglichen Bestimmung im Normgefüge und stellt einen Bezug zu anderen relevanten Regelungen her161. Bei einer systematischen Auslegung des Art. 87e III 3 HS 2 GG muss vor allem die Gewährleistungsklausel des Art. 87e IV GG ins Blickfeld rücken162. So könnte man beispielsweise argumentieren, der Schienenwegevorbehalt diene dazu sicherzustellen, dass die EIU auf Dauer Eisenbahnen des Bundes im Sinne des Art. 73 I Nr. 6a GG bleiben. Auf diese Weise hätte der Gesetzgeber klargestellt, dass sich der Bund seinem Gewährleistungsauftrag, der nach dem Wortlaut nur für Eisenbahnen des Bundes gilt, zumindest für den Bereich der EIU nicht entziehen kann. Im Falle einer solchen Argumentation bedürfte es aus Sicht der Verfassung keiner internen wirkungsvollen Einflussrechte des Bundes auf die EIU.163 159
Vgl. BT-Drucks. 12/6280, S. 8; Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 16. So erfordern bestimmte Entscheidungen eine Dreiviertelmehrheit in der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung, vgl. z. B. § 179 II 1 AktG oder § 182 I 1 AktG sowie § 53 II 1 GmbHG und § 60 I Nr. 2 GmbHG. Um eine solche – i. d. R. für die Gesellschaft wesentliche – Entscheidung herbeizuführen, könnte der Bund bei einer materiellen Teilprivatisierung auf die Stimmen privater Aktionäre bzw. Gesellschafter angewiesen sein. Vgl. auch E. Schmidt-Aßmann / H. Röhl, DÖV 1994, 577 (585). 161 Vgl. Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 145 f.; Kramer, Methodenlehre, S. 76 ff.; Zippelius, Methodenlehre, S. 43. 162 Zum Verhältnis von Art. 87e III und IV GG siehe auch bereits § 6 B. III. 4. c). 163 In diese Richtung H. Gersdorf, Schriftliche Stellungnahme zum Antrag BT-Drucks. 16/ 4413, siehe Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 52. 160
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Eine solche Auslegung kann indes nicht überzeugen. Das gleiche Ergebnis wäre sachgerechter dadurch erzielt worden, den Gemeinwohlauftrag nicht auf die Eisenbahnen des Bundes zu beschränken, sondern diesen auf die gesamte Schieneninfrastruktur zu beziehen. Einer materiellen Privatisierungsschranke für die EIU hätte es dazu hingegen nicht bedurft.164 Wie sich anhand der Gesetzesmaterialien belegen lässt, erfüllt der Gemeinwohlauftrag – jedenfalls auch – den Zweck, dem Bund gewisse Vorgaben hinsichtlich der Ausfüllung seiner Eigentümerstellung bei den Eisenbahnen des Bundes zu machen165, sodass man von einer Verknüpfung der beiden Absätze im Sinne einer Zweck-Mittel-Relation sprechen kann166. Wenn aber durch das verfassungsrechtlich festgeschriebene Mehrheitseigentum des Bundes an den EIU sichergestellt werden soll, dass dieser den Gewährleistungsauftrag erfüllen kann, und der Bund im Umkehrschluss dazu verpflichtet ist, sich bei der Ausfüllung seiner Eigentümerrechte an Art. 87e IV GG zu orientieren, so muss der Bund in der Praxis auch materiell dazu in der Lage sein. Daraus folgt, dass eine Stellung des Bundes als lediglich formaler Eigentümer ohne die damit üblicherweise verknüpften Beherrschungs- und Einflussrechte aus systematischer Sicht nicht mit Art. 87e III 3 HS 2 i.V.m. Art. 87e IV GG vereinbar sein kann. Es ist im Ergebnis vielmehr zu fordern, dass der Bund die EIU beherrschen und sich im Zweifel gegen die ggf. bestehenden rein erwerbswirtschaftlichen Interessen privater Investoren durchsetzen können muss. Der Umstand, dass die EIU aufgrund der Veräußerungsschranke in Art. 87e III 3 HS 2 GG ihren Status als Eisenbahnen des Bundes, an den der Gewährleistungsauftrag des Art. 87e IV GG anknüpft, nicht verlieren können und dem Bund zudem für den Infrastrukturbereich mit den gesellschaftsrechtlichen Einwirkungsbefugnissen ausdrücklich ein Mittel an die Hand gegeben wird, wie er seinen Auftrag erfüllen kann, ist Ausdruck der besonderen Bedeutung die der Verfassungsgeber dem Schienennetz beimisst167. d) Teleologische Auslegung Die teleologische Auslegungsmethode untersucht den Sinn und Zweck einer Regelung, um auf diese Weise eine Interpretation zu ermöglichen, die der Funktion der Bestimmung gerecht wird168. Die bisher erfolgte Auslegung nach Wortlaut, Ge164
Wegweisend G. Hermes, Schriftliche Stellungnahme zum Antrag BT-Drucks. 16/4413, siehe Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 54 f.; daran anknüpfend Ehlers, Rechtsgutachten, S. 32. 165 BT-Drucks. 12/5015, S. 11. 166 So ausdrücklich Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 16 f. Vgl. dazu auch P. Hommelhoff / E. Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 521 (554 ff.); Gersdorf, Art. 87e, Rn. 75; K. Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87e, Rn. 67; Wieland, Art. 87e, Rn. 31; Ruge, Art. 87e, Rn. 6; Ehlers, Rechtsgutachten, S. 32; Masing, Rechtsgutachten, S. 13 ff. 167 Vgl. dazu nochmals BT-Drucks. 12/5015, S. 11. 168 Dabei geht es bei der teleologischen Auslegung – im Gegensatz zur historischen Auslegung – um objektive Kriterien, deren Bedeutung sich der Gesetzgeber für die von ihm ge-
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schichte und Systematik hat bereits wesentliche Anhaltspunkte im Hinblick auf den telos des Art. 87e III 3 HS 2 GG geliefert. Diese lassen sich wie folgt zusammenfassen: - Das Erfordernis eines staatlichen Mehrheitseigentums soll verhindern, dass das Schienennetz als Infrastruktureinheit von besonderer Bedeutung lediglich in der Hand von privaten Investoren liegt, deren Entscheidungsrationalität vorrangig von Gewinninteressen und erwerbswirtschaftlichen Zielsetzungen bestimmt wird. - Das in Art. 87e III 3 HS 2 GG festgeschriebene Mehrheitseigentum soll dem Bund als Mittel zur Erfüllung des Gewährleistungsauftrags aus Art. 87e IV 1 GG dienen. Insgesamt ist die Regelung des Art. 87e III 3 HS 2 GG also als Schutz vor befürchteten negativen Auswirkungen der durch den Art. 87e GG grundsätzlich gefällten Entscheidung für eine Privatisierung des Eisenbahnsektors zu verstehen169. Der Staat, der die Eisenbahn jahrzehntelang als Behördenbahn selbst betrieben hat, begibt sich seiner Verantwortung in diesem Bereich nicht vollständig. Für das Schienennetz als natürliches Monopol behält er sich vielmehr eine Art Letztentscheidungsrecht vor, um es nicht den bloßen Marktmechanismen zu unterwerfen. Es geht in Art. 87e III 3 HS 2 GG also um die Sicherung effektiver Einflussmöglichkeiten, die über eine externe Kontrolle durch Regulierung möglicherweise nicht erreicht werden können170. Effektive Einflussmöglichkeiten müssen also zwingend mit dem Mehrheitseigentum des Bundes an den EIU einhergehen; eine leere Eigentumshülle würde den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht. Wie der Bund diese Einflussmöglichkeiten sicherstellt, gibt die Verfassung nicht vor; sie überlässt diese Entscheidung vielmehr dem Gesetzgeber. Dessen Einfluss darf aber jedenfalls nicht soweit reduziert werden, dass grundlegende Entscheidungen nicht mehr in Bundeshand liegen171. Andererseits würde aber auch die bloße Möglichkeit der Unternehmenssteuerung, ohne eine korrespondierende Stellung als wirtschaftlicher Träger der EIU, der Forderung des Mehrheitseigentums aus Art. 87e III 3 HS 2 GG nicht entsprechen172.
schaffene Regelung nicht bewusst gewesen sein muss, siehe Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 153 f.; vgl. zur teleologischen Auslegung auch Schwintowski, Methodenlehre, S. 76 ff. 169 Ruge, Art. 87e, Rn. 5; M. Möstl, in: T. Maunz / G. Dürig, GG Kommentar, Band V, Art. 87e (2006), Rn. 124 sieht den Sinn des Schienenwegevorbehalts hingegen vorrangig darin, auf dem Schienennetz als natürlichem Monopol chancengleichen Wettbewerb zu ermöglichen. 170 Vgl. auch Hermes, Stellungnahme, Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 55. 171 So auch Ehlers, Rechtsgutachten, S. 33. Vgl. auch Wieland, Art. 87e, Rn. 29, der verlangt, dass der Bund die Herrschaftsmacht besitzen müsse, die Geschäftspolitik der Eisenbahninfrastrukturunternehmen zu bestimmen. 172 Ehlers, Rechtsgutachten, S. 65.
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2. Materielle Anforderungen an die Qualität der Einwirkungsrechte des Bundes Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass dem Bund effektive Einflussmöglichkeiten auf die Unternehmenssteuerung der EIU zustehen müssen. Damit ist aber noch nicht geklärt, wie stark diese Beherrschungsrechte im Einzelnen ausgeprägt sein müssen, um den Anforderungen der Verfassung gerecht zu werden. Um diese Frage zu beantworten, bedienen sich die meisten Autoren eines Vergleichsmaßstabs. Im Folgenden soll deswegen dargestellt werden, welche Vergleichsmaßstäbe zur Diskussion stehen. a) Vergleichsmaßstab: Mehrheitsaktionär Teilweise wird argumentiert, dem Bund müssten wenigstens die Rechte zustehen, die ein Mehrheitsaktionär an einer AG nach geltendem Gesellschaftsrecht inne hat173, wobei die Ansichten im Detail durchaus Unterschiede aufweisen174. Zur Begründung führen die Vertreter dieser Ansicht aus, dass die Verfassung keine Vorgaben enthalte, wie die geforderten Einflussrechte realisiert werden, sondern lediglich auf eine nähere Ausgestaltung dieser Frage durch Gesetz und auf die vorhandenen gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten verweise175. Eine verfassungsrechtliche Verpflichtung, neue privatrechtliche Unternehmensformen zu schaffen, enthalte Art. 87e III 3 HS 2 GG demgegenüber nicht176. Von den für die Eisenbahnunternehmen in Betracht kommenden Gesellschaftsformen177 weise die AG die geringstmöglichen Einwirkungsmöglichkeiten für die Anteilseigner auf, sodass die Rechte, die mit der Stellung eines Mehrheitsaktionärs verknüpft sind178, die Untergrenze des vom Bund 173
Vgl. Ehlers, Rechtsgutachten, S. 45 f.; Masing, Rechtsgutachten, S. 18; M. Fehling, Schriftliche Stellungnahme zum Antrag BT-Drucks. 16/4413, siehe Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 45; R. Uerpmann-Wittzack, Schriftliche Stellungnahme zum Antrag BT-Drucks. 16/4413, siehe Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 72. 174 Vgl. bspw. die Meinungsverschiedenheit bezüglich der Frage, ob der Bund verpflichtet ist, mittels seiner Mehrheit in der Hauptversammlung alle (von der Arbeitgeberseite zu bestimmenden) Sitze im Aufsichtsrat zu besetzen Fehling, Stellungnahme, Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 45 einerseits und Uerpmann-Wittzack, Stellungnahme, Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 72; Ehlers, Rechtsgutachten, S. 46; Masing, Rechtsgutachten, S. 24 andererseits. 175 Masing, Rechtsgutachten, S. 16. 176 Ehlers, Rechtsgutachten, S. 38. 177 Dabei handelt es sich um die GmbH, die GmbH & Co. KG und die AG (vgl. oben, § 6 B. II. 1.), wobei die GmbH & Co. KG in den vorhandenen Abhandlungen i. d. R. vernachlässigt wird. 178 Vgl. dazu auch Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 72 ff., der nachweist, dass dem Bund nach der bisherigen Rechtslage und unter der Prämisse des Mehrheitseigentums an den Infrastrukturunternehmen jedenfalls ein solches Einflusspotential zusteht, dass er die Grundlinien der Unternehmenspolitik steuern kann.
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zu wahrenden Einflusspotentials darstellten. Dies ergebe sich auch daraus, dass dem Verfassungsgeber bei Einführung des Art. 87e III 3 HS 2 GG die Aktiengesellschaft als Organisationsform für die Eisenbahnunternehmen vor Augen stand.179 Legt man den dargestellten Maßstab an, so bedarf es einer Untersuchung, welche Rechte und Einflussmöglichkeiten einem Mehrheitsaktionär gesellschaftsrechtlich zustehen. In einer Aktiengesellschaft sind Unternehmensleitung und Mitgliedschaft an der AG grundsätzlich getrennt180. Die Aktionäre üben ihre Rechte durch die Hauptversammlung aus (§ 118 I AktG). Die Anzahl der Stimmen der einzelnen Aktionäre ergibt sich gem. § 134 I 1 AktG aus den Aktiennennbeträgen und bei Stückaktien aus deren Anzahl. Dies bedeutet, dass ein Aktionär, der die Mehrheit der Anteile an einer Gesellschaft hält, i. d. R. auch eine Mehrheit in der Hauptversammlung für sich beanspruchen kann181. Neben der Hauptversammlung besitzt eine AG mindestens zwei weitere Organe: den Vorstand und den Aufsichtsrat. Die eigentliche Leitung des Unternehmens obliegt dem Vorstand (§ 76 I AktG), der Aufsichtsrat fungiert als eine Art Kontrollorgan (§ 111 I AktG). Die Hauptversammlung ist für Beschlüsse nur dann zuständig, wenn dies im Gesetz oder in der Satzung ausdrücklich vorgesehen ist (§ 119 I AktG). Die wesentlichen Befugnisse ergeben sich dabei aus § 119 I AktG, nämlich - die Bestellung der Mitglieder des Aufsichtsrats, soweit sie nicht in den Aufsichtsrat zu entsenden oder als Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nach dem Mitbestimmungsgesetz, dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz, dem Drittbeteiligungsgesetz oder dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung zu wählen sind - die Verwendung des Bilanzgewinns - die Entlastung der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats - die Bestellung des Abschlussprüfers - Satzungsänderungen - Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und der Kapitalherabsetzung - die Bestellung von Prüfern zur Prüfung von Vorgängen bei der Gründung oder der Geschäftsführung - die Auflösung der Gesellschaft.
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Masing, Rechtsgutachten, S. 16 f.; Ehlers, Rechtsgutachten, S. 45 f. Statt vieler Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 770. 181 R. Scholz / J. Aulehner, Archiv für Post und Telekommunikation 1993, 221 (244); vgl. auch H. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratie- und Wirtschaftlichkeitsprinzip, S. 277. Zum Verhältnis der öffentlichen Hand zu ihren in die Hauptversammlung entsandten Vertretern siehe H.-U. Erichsen, Die Vertretung der Kommunen in den Mitgliederorganen von juristischen Personen des Privatrechts, S. 33 ff. 180
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Außerdem kann jeder Aktionär gem. § 131 I 1 AktG in der Hauptversammlung vom Vorstand Auskunft verlangen. Es steht der Hauptversammlung auch zu, dem Vorstand das Vertrauen zu entziehen (§ 84 III 2 AktG) oder Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegenüber Vorstand und Aufsichtsrat geltend zu machen (§§ 117 II, 147 I AktG). Über Einzelheiten der Geschäftsführung kann sie dagegen grundsätzlich nicht entscheiden (§ 119 II AktG)182. Die diesbezüglichen Beschlüsse der Hauptversammlung bedürfen gem. § 133 I AktG der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen, soweit nicht Gesetz oder Satzung eine größere Mehrheit erfordern. So ist für elementare Entscheidungen gesetzlich eine Dreiviertelmehrheit vorgesehen. Dies betrifft namentlich die Herabsetzung des Grundkapitals (§ 222 I AktG), Kapitalerhöhungen (§ 182 I 1 AktG), die Auflösung der Gesellschaft (§ 262 I Nr. 2 AktG) und Satzungsänderungen (§ 179 II AktG). Weitere Kompetenzen, die der Hauptversammlung zustehen und einer Dreiviertelmehrheit bedürfen, stellen Umwandlungsentscheidungen (§ 233 II UmwG) und die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern dar (§ 103 I AktG). In den Fällen, in denen für eine Entscheidung der Hauptversammlung die einfache Mehrheit ausreicht, könnte ein Mehrheitsaktionär also immer seinen Willen durchsetzen, ohne auf die Stimmen der übrigen Anteilseigner angewiesen zu sein183. Anders verhält es sich nur dann, wenn eine Dreiviertelmehrheit erforderlich ist. In diesen Fällen kommt dem Mehrheitsaktionär aber jedenfalls eine Sperrminorität zu, d. h. diesbezügliche Entscheidungen können zumindest nicht gegen seinen Willen durchgesetzt werden. Abgesehen von den genannten Unternehmensgegenständen, über die die Hauptversammlung direkt entscheiden kann, verfügt der Mehrheitsaktionär zudem über indirekte Einflussnahmemöglichkeiten über den Aufsichtsrat (§ 101 I AktG). Für die Wahl der Mitglieder des Aufsichtsrates gilt das Erfordernis einer einfachen Mehrheit der Stimmen, sodass ein Aktionär, der die Mehrheit der Stimmen der Hauptversammlung auf sich vereinigen kann, faktisch alle Aufsichtsratssitze durch von ihm ausgewählte Personen besetzen kann. Ein Minderheitenschutz in der Form, dass auch die-
182 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht gem. § 119 II AktG nur dann, wenn der Vorstand eine Beschlussfassung der Hauptversammlung verlangt. Eine weitergehende Vorlagepflicht kann aufgrund der Sperre des § 23 V AktG auch nicht in der Satzung vorgesehen werden. Eine ungeschriebene Vorlagepflicht hat die Rechtsprechung dagegen anerkannt, wenn die betreffende Angelegenheit bei ihrer Realisierung einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechte der Aktionäre darstellen würde, BGHZ 83, 122 ff. Vgl. dazu auch F. Engellandt, Die Einflußnahme der Kommunen auf ihre Kapitalgesellschaften über das Anteilseignerorgan, S. 138; mit Streitstand der Literatur zur Rechtsprechung Hüffer, Aktiengesetz, § 119, Rn. 17. 183 Dementsprechend geht Menges, Rechtsgrundlagen, S. 154 mit Fn. 6 davon aus, dass der Verlust von weniger als der Hälfte der Anteile an der DB AG keine qualitative Verschlechterung der Position des Bundes darstelle. A.A. E. Schmidt-Aßmann / C. Röhl, DÖV 1994, 577 (585). In Anlehnung an diese Stellung knüpft § 17 II AktG an die Mehrheitsbeteiligung auch eine Abhängigkeitsvermutung, siehe dazu W. Bayer, in: Goette / Habersack, AktG, Band 1, § 17, Rn. 25 ff., 91 ff.
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jenigen Anteilseigner, die einem Mehrheitsaktionär gegenüberstehen, wenigstens einen Teil der Aufsichtsratssitze vergeben können, existiert nicht184. Zu beachten ist jedoch, dass für alle Unternehmen mit mehr als 2000 Arbeitnehmern das Mitbestimmungsgesetz (MBG) gilt185. Kommt dieses zur Anwendung, so ist der Aufsichtsrat gem. § 7 MBG je zur Hälfte mit Vertretern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer zu besetzen. Auf die Wahl der Vertreter der Arbeitnehmer haben die Aktionäre keinen Einfluss, sodass auch ein Mehrheitsaktionär in diesem Fall nur die Hälfte der Aufsichtsratssitze „für sich“ beanspruchen könnte. Die Beschlussfassung im Aufsichtsrat erfolgt gem. § 29 I MBG grundsätzlich mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Bei Stimmengleichheit wird erneut abgestimmt. Ergibt sich wiederum eine Patt-Situation, hat der Aufsichtsratsvorsitzende zwei Stimmen. Damit hängt die Beantwortung der Frage, ob ein Mehrheitsaktionär auch bei Geltung des MBG seinen Willen im Aufsichtsrat durchsetzen kann, davon ab, ob er den Vorsitzenden des Kontrollgremiums stellen kann. Dieser wird gem. § 27 I MBG mit einer Zweidrittelmehrheit aus der Mitte des Aufsichtsrats gewählt. Kann der Mehrheitsaktionär „seinen“ Kandidaten im ersten Wahlgang aufgrund des Vetos der Arbeitnehmerseite nicht durchsetzen, so steht der Arbeitgeberseite in einem zweiten Wahlgang das Recht zu, den Aufsichtsratsvorsitzenden zu bestimmen, während die Arbeitnehmerseite den Stellvertreter wählt (§ 27 II MBG). Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Mehrheitsaktionär – ein geschlossenes Abstimmungsverhalten seiner Interessenvertreter vorausgesetzt – immer die von ihm gewünschten Entscheidungen im Aufsichtsrat durchsetzen kann186. Die wichtigste Kompetenz des Aufsichtsrats besteht unterdessen darin, den Vorstand zu bestellen (§ 84 I AktG). Im Falle der Anwendung des MBG bedarf diese Wahl allerdings einer Zweidrittelmehrheit (§ 31 II MBG). Kommt diese Mehrheit aufgrund einer Interessenkollision zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern nicht zustande, wird gem. § 31 III MBG ein Vermittlungsausschuss gebildet, der einen Wahlvorschlag macht, über den der Aufsichtsrat sodann mit einfacher
184 Vgl. BGH BB 1962, 816. Siehe auch Begründung Regierungsentwurf, in: Kropff, Aktiengesetz, S. 138; W. Timm, NJW 1987, 977 (986); Bayer, in: Goette / Habersack, AktG, Band 1, § 17, Rn. 26; Hüffer, Aktiengesetz, § 101, Rn. 4 m.w.N. 185 Im Übrigen kommt noch eine Mitbestimmung nach dem Montanmitbestimmungsgesetz für Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie sowie nach dem Betriebsverfassungsgesetz für Unternehmen mit weniger als 2000 Arbeitnehmern in Betracht. Vgl. dazu Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 483 f. 186 Aus diesem Grund wird die Parität nach dem MBG auch „hinkende Parität“ genannt, siehe Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 484. Vgl. dazu auch K.-P. Martens, ZGR 1979, 493 (511 ff.); P. Ulmer, BB 1979, 398 (400). Speziell im Zusammenhang mit öffentlichen Unternehmen Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 291. Auch das BVerfG hat die Mitbestimmung nach dem MBG als unterparitätisch eingestuft und in dieser Auslegung als mit dem Grundgesetz vereinbar gewertet, siehe BVerfGE 50, 290 ff.
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Mehrheit entscheidet187. Der Vermittlungsausschuss besteht aus dem Aufsichtsratsvorsitzenden, seinem Stellvertreter und je einem Vertreter der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite (§ 27 III MBG)188. Im zweiten Wahlgang wird zwar mit einfacher Mehrheit entschieden, dem Aufsichtsratsvorsitzenden kommt aber in dieser Situation kein Zweitstimmrecht zu189. Dieses gewährt ihm § 31 IV 1 MBG erst im dritten Wahlgang, wo wiederum eine einfache Mehrheit ausreichend ist (§ 31 IV 1 letzter HS MBG). Damit wird auch bezüglich der Bestellung des Vorstands des Unternehmens sichergestellt, dass sich die Anteilseignerseite und damit die Vertreter des Mehrheitsaktionärs im Zweifel durchsetzen. Insgesamt ergibt sich damit folgendes Bild: Zwar ist die Aktiengesellschaft eine Rechtsform, bei der Anteilseignerschaft und Unternehmensleitung grundsätzlich voneinander getrennt sind und die Aktionäre somit keinen Einfluss auf die Geschäftsleitung haben. Wenn jedoch ein einzelner Aktionär mehr als die Hälfte der Unternehmensanteile hält, ist diese Aussage nur bedingt richtig. Durch seine Mehrheit in der Hauptversammlung kann er alle Entscheidungen, die mit einfacher Mehrheit erfolgen, faktisch allein treffen. Weiterhin ist er in der Lage, alle – bei Geltung des MBG jedenfalls alle arbeitgeberseitigen – Aufsichtsratssitze zu besetzen. Selbst bei Geltung des MBG können damit die vom Mehrheitsaktionär bestimmten Aufsichtsräte in diesem Gremium ihren Willen durchsetzen. Dies gilt auch bezüglich der Bestellung des Vorstands, dem die Leitung der Gesellschaft obliegt. Auch hier kann der Mehrheitsaktionär seine Wunschkandidaten durchsetzen. Damit besteht für den Mehrheitsaktionär im Ergebnis – wenn auch nur indirekt – doch eine Möglichkeit, auf die Unternehmensleitung und Geschäftsführung ganz erheblichen Einfluss zu nehmen. Auch wenn die Zulässigkeit von Einzelweisungen an Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder i. d. R. nicht besteht190, ergibt sich der Einfluss auf diese Organe aus der Personalentscheidungsgewalt des Mehrheitsaktionärs. Diese führt dazu, dass sich Vorstand und Aufsichtsrat mit hoher Wahrscheinlichkeit dem Willen des Eigners unterordnen, weil ansonsten das Risiko besteht, nicht wiederge-
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Dabei ist der Aufsichtsrat im zweiten Wahlgang jedoch nicht an den Vorschlag des Vermittlungsausschusses gebunden, es kann vielmehr auch über andere Kandidaten abgestimmt werden, vgl. § 31 III 1 letzter HS MBG. 188 Der Stellvertreter des Aufsichtsratsvorsitzenden wird aufgrund der Vorschrift des § 27 II 2 MBG in der Regel durch die Arbeitnehmerseite gestellt. Da der Aufsichtsratsvorsitzende im Vermittlungsausschuss kein Zweitstimmrecht besitzt (B. Gach, in: W. Goette / M. Habersack [Hrsg.], Münchner Kommentar AktG, Band 2, § 31 MBG, Rn. 13; H. Oetker, in: K.J. Hopt / H. Wiedemann [Hrsg.], AktG Großkommentar, Band 5, § 31 MBG, Rn. 7) handelt es sich um einen paritätisch besetzten Ausschuss. 189 Gach, in: Goette / Habersack, AktG, Band 2, § 31 MBG, Rn. 16; Oetker, in: Hopt / Wiedemann, AktG, Band 5, § 31 MBG, Rn. 10. 190 Vgl. dazu bereits oben, Fn. 182. Nicht abschließend geklärt ist dagegen die Frage, ob ein vom Mehrheitsgesellschafter eingesetzter Vorstand oder Aufsichtsrat Weisungen von diesem befolgen darf insofern sie dem Gesellschaftsinteresse zuwiderlaufen, vgl. dazu D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 135 ff.; W. Leisner, WiVerw. 1983, 212 (216 ff.) m.w.N.
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wählt oder gar vorzeitig abberufen191 zu werden.192 Faktisch kontrolliert der Mehrheitseigentümer auf diese Weise alle Organe der AG und kann die Gesellschaft – jedenfalls hinsichtlich grundlegender Fragen – nach seinen Wünschen steuern193. b) Vergleichsmaßstab: Die typischen Rechte eines Mehrheitsanteilseigners Im Gegensatz zu dem oben dargestellten Ansatz orientieren sich Möllers / Schäfer nicht an den Einflussnahmemöglichkeiten, die einem Mehrheitsaktionär nach geltendem Gesellschaftsrecht zustehen. Sie gehen vielmehr davon aus, dass Art. 87e III 3 HS 2 GG dem Bund eine solche Beherrschungsmacht über die EIU verschaffen will, wie sie typischerweise mit der Inhaberschaft an einer Anteilsmehrheit verbunden ist.194 Um die entsprechenden Merkmale zu bestimmen, müssen die in Betracht kommenden Gesellschaftsformen für die EIU untersucht werden. Dabei wird das Augenmerk insbesondere darauf zu richten sein, welche Rechte ein Mehrheitsgesellschafter, unabhängig von der konkreten Gesellschaftsform, für sich beanspruchen kann. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, kommen für die Organisation der EIU im Grunde nur die Gesellschaftsformen der GmbH, der GmbH & Co. KG und der AG in Betracht195. Die GmbH & Co. KG ist eine Kommanditgesellschaft, die die Besonderheit aufweist, dass die Rolle des Komplementärs von einer GmbH eingenommen wird. Aus diesem Grunde sind auch für eine solche Gesellschaft die Bestimmungen des GmbH-Rechts essentiell. Da die Stellung eines Mehrheitsaktionärs bei einer AG bereits Gegenstand der Darstellung war, soll im Folgenden die innere Unternehmensordnung der GmbH erläutert werden. In einer GmbH sind Anteilseignerschaft und Unternehmensleitung nicht so streng voneinander getrennt wie in einer AG196. Die Gesellschafter üben ihre Rechte in der Gesellschafterversammlung aus, wobei sich die Anzahl ihrer Stimmen nach der Höhe ihres Anteils richtet (§ 47 I, II GmbHG). Daraus ergibt sich auch bei der GmbH die 191
Die Kompetenz zur Abberufung des Vorstandes ergibt sich aus § 31 V MBG, nach dem für den Widerruf der Bestellung das gleiche Verfahren wie für die Bestellung anzuwenden ist. 192 Zu diesem faktischen Einfluss des Mehrheitsaktionärs G. Krieger, Vorwirkende Abhängigkeit?, in: FS Semler, S. 503 (504 f.); S. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 65 f.; Hüffer, Aktiengesetz, § 17, Rn. 5; Bayer, in: Goette / Habersack, AktG, Band 1, § 17, Rn. 27 m.w.N. Siehe auch Ehlers, Verwaltung, S. 136. 193 Deswegen ist es missverständlich, wenn Scholz, Rechtsgutachten, S. 34, davon spricht, der Bund habe selbst als Alleingesellschafter keinerlei eigentumsrechtliches Durchgriffsinstrument. Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 77, zieht aus der dargestellten Steuerungskette zumindest den Schluss, dass der Mehrheitseigentümer „die Grundlinien der Unternehmenspolitik“ beeinflussen kann. 194 Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 18. 195 Siehe § 6 B. II. 1. 196 Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 985, spricht in diesem Zusammenhang auch von personalistischen Zügen der GmbH.
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Folge, dass ein Mehrheitsgesellschafter über eine Mehrheit der Stimmen in der Gesellschafterversammlung verfügt197. Die Gesellschafter entscheiden in diesem Gremium über bestimmte Angelegenheiten der Gesellschaft selbst, während die eigentliche Unternehmensleitung wiederum in den Händen eines anderen Organs, nämlich des Geschäftsführers (vgl. § 35 I GmbHG), liegt. Insofern nicht durch Satzung eine abweichende Bestimmung getroffen wurde, ist die Gesellschafterversammlung zur Entscheidung unter anderem über folgende Sachbereiche befugt (§ 46 GmbHG): - die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Ergebnisses - die Einforderung von Einzahlungen auf die Stammeinlagen - die Rückzahlung von Nachschüssen - die Teilung sowie die Einzahlung von Geschäftsanteilen - die Bestellung und die Abberufung von Geschäftsführern sowie die Entlastung derselben - die Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung - die Bestellung von Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten zum gesamten Geschäftsbetrieb - die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, welche der Gesellschaft aus der Gründung oder Geschäftsführung gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter zustehen, sowie die Vertretung der Gesellschaft in Prozessen, welche sie gegen die Geschäftsführer zu führen hat. Über die angegebenen Gegenstände entscheidet die Gesellschafterversammlung gem. § 47 I GmbHG mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Folglich kann ein Gesellschafter, der über die Mehrheit der Stimmen in der Versammlung verfügt, über alle o.g. Angelegenheiten faktisch allein entscheiden. Eine weitere Kompetenz, die der Gesellschafterversammlung zusteht, ist die Änderung des Gesellschaftsvertrages (§ 53 I GmbHG). Dazu bedarf es gem. § 53 II GmbHG allerdings mindestens dreier Vierteile der abgegebenen Stimmen. Hier steht dem Mehrheitsgesellschafter also keine Alleinentscheidungskompetenz zu, allerdings kann eine Satzungsänderung auch nicht gegen seinen Willen durchgesetzt werden. Eine wichtige Kompetenz der Gesellschaftsversammlung besteht – ähnlich wie bei der AG – wiederum darin, dass sie die Geschäftsführung zwar nicht selbst wahrnimmt, aber auf diese durch die Auswahl der zu bestellenden Geschäftsführer doch 197 Dabei ist jedoch zu beachten, dass gem. § 47 II GmbHG jede fünfzig Euro eines Geschäftsanteils eine Stimme gewähren, sodass der Mehrheitsgesellschafter nur dann in jedem Fall über eine Mehrheit in der Gesellschafterversammlung verfügt, wenn sein Anteil in einem dementsprechenden Maße – je nach vorhandenem Gesellschaftskapital – die Hälfte der Gesellschaftsanteile übersteigt.
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mittelbar Einfluss nehmen kann. Da zur Bestellung der Geschäftsführer eine einfache Mehrheit der Gesellschafter ausreicht, kann der Mehrheitsanteilseigner diese faktisch allein bestimmen (vgl. § 46 i.V.m. § 47 I GmbHG). Daneben besteht auch die Möglichkeit der Gesellschafter, sich unmittelbar in die Unternehmensleitung einzumischen. Dazu können sie den Geschäftsführern gem. § 37 GmbHG Weisungen erteilen.198 Auch bei einer GmbH können sich jedoch wesentliche Änderungen der Kompetenzverteilung daraus ergeben, dass sie dem Geltungsbereich des MBG unterliegt. Die Bildung eines Aufsichtsrates ist bei einer GmbH grundsätzlich nicht zwingend (§ 52 GmbHG). Beschäftigt die Gesellschaft jedoch regelmäßig mehr als 2000 Arbeitnehmer, muss sie einen paritätisch besetzten Aufsichtsrat bilden (§ 1 I i.V.m. § 6 I MBG). Die arbeitgeberseitigen Mitglieder dieses Gremiums wählen gem. § 52 I GmbHG i.V.m. § 101 I 1 AktG die Gesellschafter mit einfacher Mehrheit. Die wesentlichen Kompetenzen des Aufsichtsrates bestehen in dem Recht zur Bestellung der Geschäftsführer (§ 31 II MBG) und zur Überwachung der Geschäftsführung (§ 25 I Nr. 2 MBG i.V.m. § 111 AktG). Bezüglich der inneren Ordnung und Beschlussfassung des Aufsichtsrates gelten die gleichen Regelungen wie bei einer mitbestimmten AG (vgl. §§ 27 bis 29 MBG)199. Insgesamt ergibt sich damit bei einer mitbestimmten GmbH ein ähnliches Bild wie bei einer entsprechenden AG. Über bestimmte Sachfragen entscheiden die Gesellschafter selbst. Dabei gilt in der Regel das Erfordernis der einfachen Mehrheit, sodass dem Mehrheitsgesellschafter ein Alleinentscheidungsrecht zukommt. Die Unternehmensleitung liegt zwar in den Händen der Geschäftsführung. Auf diese kann der Mehrheitsanteilseigner jedoch dadurch Einfluss nehmen, dass er zunächst alle arbeitgeberseitigen Aufsichtsratsmitglieder bestimmt, die sich dann wiederum bezüglich der Bestellung der Geschäftsführer durchsetzen können. Ein Unterschied zur AG besteht darin, dass den Gesellschaftern in einer GmbH auch bei Geltung des MBG gegenüber den Geschäftsführern ein direktes Weisungsrecht zusteht200. Zudem ist das GmbH-Recht zu großen Teilen dispositiv, d. h. von den gesetzlichen Regelungen kann in größerem Umfang als bei einer AG durch eine entsprechende Satzungsbestimmung abgewichen werden201. 198 Nach Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 995, gibt die Weisungsgebundenheit das Management in die Hände des Mehrheitsgesellschafters. Siehe dazu auch M. Axhausen, § 5 Der Geschäftsführer, in: W. Müller / N. Winkeljohann (Hrsg.), Becksches Handbuch der GmbH, S. 274 ff. 199 Siehe dazu bereits oben, § 13 C. I. 2. a). 200 Siehe auch U. Eisenhardt, Gesellschaftsrecht, S. 394; Axhausen, in: Müller / Winkeljohann, Handbuch, S. 276. 201 Bei der AG ist dies aufgrund der Regelung in § 23 V 1 AktG nur dann möglich, wenn das Gesetz es ausdrücklich vorsieht. Bei der GmbH unterliegt dagegen insbesondere die Ausgestaltung der Funktionsverteilung zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführung weitgehend der Gesellschafterautonomie, siehe K.-H. Schmiegelt / O. Gerber, § 3 Der Gesellschafter, in: Müller / Winkeljohann, Handbuch, S. 122 f.
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Vergleicht man nun die Einflussrechte, über die ein Mehrheitsgesellschafter in einer AG und in einer GmbH verfügt, so ist eine bedeutende Schnittmenge an Kompetenzen zu verzeichnen. Zunächst einmal steht einem Mehrheitsgesellschafter bezüglich wichtiger, die Gesellschaft betreffender Fragen eine unmittelbare Sachentscheidungskompetenz zu. Dabei kann er in der Regel, aufgrund seiner Stimmrechtsmehrheit, seinen Willen unabhängig von der Meinung anderer Gesellschafter durchsetzen. Anders verhält es sich nur, wenn es sich um Entscheidungen handelt, die den Bestand der Gesellschaft betreffen, weil für diese eine einfache Mehrheit nicht ausreichend ist. Des Weiteren stehen einem Mehrheitsgesellschafter wichtige personelle Kompetenzen zu. Er kann entweder direkt oder über den „Umweg“ über den Aufsichtsrat die geschäftsführenden Organe besetzen. Auf diese Weise nimmt er zumindest indirekt auf die operative Unternehmensleitung Einfluss.
c) Stellungnahme Durch die vorangegangenen Darstellungen ist deutlich geworden, dass sich keine wesentlichen Unterschiede ergeben, wenn man entweder die Rechte eines Mehrheitsaktionärs oder die Rechte, die einem Mehrheitsgesellschafter ganz allgemein typischerweise zustehen, als Vergleichsmaßstab heranzieht202. Die Forderung, dem Bund müssten wenigstens diejenigen Einwirkungsrechte zustehen, über die ein Mehrheitsaktionär nach geltendem Aktienrecht verfügt, führt jedoch zu einigen inneren Widersprüchen. Zum einen stellt sich bei diesem Ausgangspunkt die Frage, was geschieht, wenn der Gesetzgeber das Aktienrecht ändert. Ändern sich dann auch die Mindestanforderungen an die Einflussrechte des Bundes auf die EIU? Dies würde aber dazu führen, dass durch eine Gesetzesänderung auf einfachrechtlicher Ebene faktisch eine Verfassungsänderung bewirkt werden würde. Eine solche ist aber gem. Art. 79 I 1 GG nur dann zulässig, wenn das verfassungsändernde Gesetz das Grundgesetz ausdrücklich ändert oder ergänzt. Zudem ist dafür eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat erforderlich (Art. 79 II GG). Im Ergebnis würde diese Ansicht also dazu führen, dass der Gesetzgeber gehindert wäre, das Aktienrecht in einer Weise zu ändern, die die Einwirkungsrechte eines Mehrheitsaktionärs beeinflussen ohne dabei die Voraussetzungen zu erfüllen, die für eine Verfassungsänderung erforderlich sind. Diesen Widerspruch könnte man dadurch auflösen, dass man bezüglich der Mindesteinwirkungsrechte des Bundes auf die EIU auf die Rechte abstellt, die einem 202 Dies wird auch dadurch deutlich, dass sowohl die Vertreter der einen wie auch der anderen Meinung im Ergebnis zum übereinstimmenden Schluss kommen, dass das Konzept des Eigentumssicherungsmodells in seiner konkreten Ausgestaltung verfassungswidrig ist. Siehe zum einen Masing, Rechtsgutachten, S. 33 und Ehlers, Rechtsgutachten, S. 100 sowie zum anderen Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 28. Zu beachten ist jedoch, dass sich die Gutachten von Masing und Möllers / Schäfer noch auf einen Vorentwurf beziehen, der sich vom schließlich in den Bundestag eingebrachten Entwurf an einigen Stellen unterscheidet.
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Mehrheitsaktionär zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Art. 87e GG nach dem deutschen Gesellschaftsrecht zustanden203. In diesem Falle hätte eine spätere Änderung des Aktienrechts keine Auswirkungen auf die Verfassungsinterpretation mit den oben dargestellten Schwierigkeiten. Problematisch bleibt dabei allerdings, was geschähe, wenn der Bund zunächst Mehrheitsaktionär der EIU mit allen dazugehörigen Einwirkungsrechten wäre und später eine Änderung des Aktiengesetzes erfolgt, die den Einfluss des Bundes als Gesellschafter auf die EIU im Vergleich zur früheren Rechtslage schmälern würde. Dann hätte der Gesetzgeber nach der dargestellten Ansicht durch eine grundsätzlich zulässige Gesetzesänderung in Bezug auf die Eisenbahnen eine verfassungswidrige Situation hergestellt. Andererseits ist es ihm aufgrund des Art. 87e III 1 GG aber auch verwehrt, eine Art „Sondergesellschaftsrecht“ für die Eisenbahnunternehmen einzuführen. Es stünde ihm zwar frei, diesen einzelne Sonderrechte zu gewähren, allerdings nur soweit das privatrechtliche Grundmodell dadurch nicht „überwuchert“ wird.204 Gegen die Ansicht, die für die Konkretisierung der nach Art. 87e III 3 HS 2 GG geforderten Einwirkungsrechte des Bundes auf die EIU darauf abstellt, welche konkreten Rechte einem Mehrheitsaktionär nach dem Aktienrecht zustehen, spricht allerdings noch eine weitere Überlegung. Zwar ist es richtig, dass dem Gesetzgeber bei der Reformierung der Eisenbahnverfassung die Gesellschaftsform der Aktiengesellschaft für die Eisenbahnunternehmen vor Augen stand205. Daraus folgt jedoch nicht automatisch, dass er für den Bund zwingend einen Einfluss auf die EIU verankern wollte, der dem eines Mehrheitsaktionärs eins zu eins entspricht. So ist beispielsweise nicht davon auszugehen, dass seine Entscheidung anders ausgefallen wäre, wenn die Rechte eines Mehrheitsaktionärs im Zeitpunkt der Verfassungsänderung an einer eher unbedeutenden Stelle geringer gewesen wären. Es ging ihm nicht um die exakte und detaillierte Festschreibung eines Einflusspotentials, sondern darum, dass sich der Bund im Zweifel gegen die anderen Gesellschafter durchzusetzen vermag und insofern eine beherrschende Rolle einnimmt. Dies aber ist eine Stellung, die der eines Mehrheitsgesellschafters typischerweise entspricht, ganz gleich ob es sich bei dem Unternehmen um eine GmbH, eine AG oder eine andere Kapitalgesellschaftsform handelt. Daher ist als Maßstab für die von Art. 87e III 3 HS 2 GG geforderten Einwirkungsrechte des Bundes auf das Einflusspotential abzustellen, das einem Mehrheitsgesellschafter typischerweise zukommt.
203 So Hermes, Stellungnahme, Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 55. 204 Siehe § 6 B. II. 1.; E. Schmidt-Aßmann / C. Röhl, DÖV 1994, 577 (580). A.A. T. Vesting, in: E. Denninger / W. Hoffmann-Riem / H.-P. Schneider / E. Stein (Hrsg.), GG Kommentar, Band 3, Art. 87e (2001), Rn. 43. 205 Vgl. BT-Drucks. 12/4610, S. 7.
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II. Die Einwirkungsrechte des Bundes nach dem BESG-E Es bleibt damit zu klären, ob die Einschränkungen, die der BESG-E dem Bund in seiner Rolle als Mehrheitsgesellschafter der EIU auferlegt, – gemessen am dargestellten Vergleichsmaßstab – den Anforderungen des Art. 87e III 3 HS 2 GG widersprechen. 1. Einschränkungen der „normalen“ Einwirkungsrechte eines Mehrheitsgesellschafters Dreh- und Angelpunkt des Konzepts des BESG-E ist die Stimmrechtsvollmacht, die der Bund der DB AG für die Haupt- bzw. Gesellschafterversammlungen der EIU erteilt (§ 2 I BESG-E)206. Damit gibt der Bund wesentliche Sachentscheidungskompetenzen aus seiner Hand und kann auf diese keinen Einfluss mehr ausüben. Es handelt sich dabei zum Beispiel um die Entscheidungsrechte über die Verwendung des Gewinns und die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegenüber den geschäftsführenden Organen. Eine weitere Folge der Regelung des § 2 I BESG-E besteht darin, dass der Bund aufgrund der Stimmrechtsvollmacht zugunsten der DB AG auch seine Kompetenz bezüglich der Besetzung des Aufsichtsrates verliert, die durch die Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung ausgeübt wird (vgl. § 101 I AktG, § 52 I GmbHG i.V.m. § 101 I AktG, ggf. jeweils i.V.m. § 8 I MBG). Der Aufsichtsrat entscheidet über die Bestellung des Vorstandes bzw. der Geschäftsführer (§ 84 I 1 AktG, § 31 II MBG). Wenn der Bund also keinen Einfluss mehr auf die Besetzung des Aufsichtsrates hat, verliert er auch jegliches Mitspracherecht bezüglich der Besetzung des Vorstandes bzw. der Geschäftsführerposten, also derjenigen Organe, denen die operative Unternehmensleitung obliegt. Findet das MBG keine Anwendung, so entscheidet in einer GmbH zwar die Gesellschafterversammlung über die Bestellung der Geschäftsführer (§ 46 Nr. 5 GmbHG) – da für diese jedoch ebenfalls die Stimmrechtsvollmacht an die DB AG erteilt wird, ist der Bund faktisch jeglicher personeller Einflussrechte beraubt. Wie oben bereits dargestellt, ist die Stimmrechtsmehrheit ein wesentliches Merkmal der Stellung als Mehrheitsgesellschafter, aus der sich faktisch alle innergesellschaftlichen Einwirkungsrechte ableiten. Dementsprechend geht die herrschende Meinung davon aus, dass Art. 87e III 3 HS 2 GG nur dann Genüge getan ist, insofern mit der Mehrheit der Gesellschaftsanteile eine Stimmrechtsmehrheit des Bundes einhergeht207. Diesem Erfordernis widerspricht § 2 I BESG-E. 206 Eine solche Stimmrechtsvollmacht ist nach Aktienrecht grds. zulässig, vgl. § 134 III AktG. Dies erklärt sich daraus, dass das Stimmrecht kein höchstpersönliches Recht des Aktionärs ist, siehe J. Reichert / S. Harbarth, AG 2001, 447 (447). 207 Uerpmann, Art. 87e, Rn. 14; Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 35; F. BrosiusGersdorf, DÖV 2002, 275 (279); Vesting, Art. 87e, Rn. 46; Möstl, Art. 87e, Rn. 146, 177; im Anschluss daran Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 15; a.A. Scholz, Rechtsgutachten, S. 34.
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2. Kompensationsmöglichkeiten für die Beschränkung der Einwirkungsrechte Ob sich aus den dargestellten Beschränkungen der Einwirkungsrechte des Bundes im Vergleich zu einem „normalen“ Mehrheitsgesellschafter die Verfassungswidrigkeit des BESG-E ergibt, ist damit allerdings noch nicht endgültig geklärt. Um diese Frage zu beantworten, wird noch zu prüfen sein, ob der beschriebene Verlust an Einwirkungsmöglichkeiten durch anderweitige Regelungen kompensiert werden kann208. a) Zustimmungsvorbehalt bezüglich bestimmter Entscheidungen der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung Der Bund erteilt der DB AG zwar in § 2 I BESG-E eine Stimmrechtsvollmacht für die Haupt- bzw. Gesellschafterversammlungen der EIU. Für einzelne Fragen steht die Ausübung dieser Vollmacht aber unter dem Zustimmungsvorbehalt des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und des Bundesministeriums der Finanzen (§ 2 II 1 BESG-E). Betroffen davon sind folgende Entscheidungen: - Änderungen der Satzung oder des Gesellschaftsvertrags - Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und der Kapitalherabsetzung - Abschluss, Änderung und Beendigung von Beherrschungs- und Ergebnisabführungsverträgen - Auflösung eines Eisenbahninfrastrukturunternehmens - Umwandlungen nach dem Umwandlungsgesetz - Wahl und Abberufung von Mitgliedern des Aufsichtsrates. Die Aufzählung macht deutlich, dass es sich bei den unter Zustimmungsvorbehalt stehenden Fragen ausnahmslos um solche handelt, die für das jeweilige Unternehmen gesteigerte Bedeutung haben. Dadurch relativiert sich zwar das Gewicht, das der Stimmrechtsvollmacht zugunsten der DB AG zukommt. Trotzdem behält der Bund das Letztentscheidungsrecht nicht hinsichtlich aller Gegenstände, für die ihm dieses als Mehrheitsgesellschafter eigentlich zustünde, da die Aufzählung in § 2 II 1 BESGE nicht alle Rechte der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung umfasst. Anders ausgedrückt: Der Bund nähert sich durch den Zustimmungsvorbehalt zwar seiner Stellung als „normaler“ Mehrheitsanteilseigner wieder ein Stück an, kann diese aber doch nicht ganz erreichen. Zu beachten ist außerdem, dass im BESG-E keinerlei Regelungen zu finden sind, wie im Falle eines Meinungskonfliktes zwischen Bundesverkehrsbzw. Bundesfinanzministerium und der DB AG zu verfahren ist. In § 2 II 2 BESG-E ist lediglich vorgesehen, dass eine Stimmrechtsabgabe durch die DB AG, die ohne die Zustimmung der zuständigen Ministerien erfolgt, unwirksam sein soll. Wenn also 208 Vgl. zur Grundidee der Kompensation A. Voßkuhle, Das Kompensationsprinzip, S. 16 ff., 21 ff.
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keine Einigung zwischen dem Bund und der bevollmächtigten DB AG zustande kommt, droht eine Blockade des Unternehmens. Da private Investoren nach der Konzeption des BESG-E an den EIU nicht beteiligt werden sollen (vgl. § 1 Satz 1 BESGE), würde also über eine streitige Frage gar keine Entscheidung zustande kommen, wenn keine Einigung erzielt werden kann. Im Ergebnis stärkt der Zustimmungsvorbehalt zur Ausübung der Stimmrechtsvollmacht die Stellung des Bundes zwar, er verschafft ihm allerdings nicht einmal hinsichtlich der in § 2 II 1 BESG-E genannten Gegenstände ein Initiativ- oder Letztentscheidungsrecht, sondern nur eine Art Vetorecht209. Dies gilt insbesondere auch für die Wahl der Mitglieder des Aufsichtsrates. Durch sein diesbezügliches Vetorecht kann der Bund zwar verhindern, dass das Kontrollgremium lediglich mit Personen besetzt wird, die sich der DB AG verpflichtet fühlen. Für die Praxis kann man daher damit rechnen, dass die Sitze im Aufsichtsrat zwischen DB AG und Bund „aufgeteilt“ werden und jede Partei eine bestimmte Anzahl der Plätze bestimmen kann. Fallen die EIU jedoch in den Geltungsbereich des MBG, was auf die Mehrzahl dieser Unternehmen zutrifft, wird die Hälfte der Aufsichtsratsmitglieder durch die Arbeitnehmer bestimmt (vgl. § 7 I MBG). In diesem Fall kann sich die Arbeitgeberseite aufgrund der durch das MBG statuierten inneren Ordnung des Aufsichtsrates nur dann durchsetzen, insofern sie geschlossen auftritt und einheitlich abstimmt210. Dies gilt sowohl hinsichtlich der dem Aufsichtsrat zustehenden Sachkompetenzen, wie auch hinsichtlich der ihm obliegenden Bestellung des Vorstandes bzw. der Geschäftsführer. Wenn die DB AG im Zuge des Inkrafttretens des EBNeuOG-E allerdings teilprivatisiert werden soll, verliert der Bund in Bezug auf diese Gesellschaft die Möglichkeit der alleinigen Steuerung und Kontrolle, sodass die Interessen der von der DB AG einerseits und vom Bund andererseits bestimmten Mitglieder des Aufsichtsrates sich nicht notwendigerweise decken müssen. Dies führt dazu, dass dem Bundesverkehrs- und -finanzministerium zwar ein nicht zu unterschätzendes Mitspracherecht hinsichtlich der Besetzung des Aufsichtsrates zukommt. Es ist aber nicht damit zu rechnen, dass der Bund seinen Willen im Aufsichtsrat durchzusetzen vermag. Ist dies nicht der Fall, so entgeht ihm auch die Möglichkeit, den Vorstand mit von ihm ausgesuchten Personen zu besetzen. Dadurch wiederum bleibt es beim durch die Stimmrechtsvollmacht bewirkten Verlust des Einflusses auf die Geschäftsleitung. Der Zustimmungsvorbehalt ändert daran im Ergebnis nichts. Aufgrund der dargestellten Problematik ist die Konstruktion eines Zustimmungsvorbehalts bezüglich der Ausübung der Stimmrechtsvollmacht in den genannten Fällen nicht geeignet, eine ausreichende Kompensation für die mit der Stimm-
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So auch Ehlers, Rechtsgutachten, S. 77. Siehe oben, § 13 C. I. 2. a) und b). Zum Erfordernis des geschlossenen Abstimmens im Aufsichtsrat eines dem MBG unterfallenden Unternehmens, um die Interessen des Kapitaleigners durchzusetzen siehe auch Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 292. 210
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rechtsvollmacht einhergehende starke Einschränkung der Einwirkungsrechte des Bundes zu schaffen.211 b) Zustimmungspflichtige Maßnahmen Neben dem Zustimmungserfordernis zur Ausübung der Stimmrechtsvollmacht sieht der BESG-E noch ein weiteres Mittel vor, durch das der Einfluss des Bundes auf die EIU gestärkt werden soll. Gem. § 3 I BESG-E sollen bestimmte Maßnahmen und Rechtsgeschäfte der vorherigen Zustimmung des Verkehrsministeriums im Einvernehmen mit dem Finanzministerium bedürfen. Dabei handelt es sich namentlich um: - die Verfügung über wesentliche Vermögensgegenstände der EIU - eine wesentliche Schuldenaufnahme, die zu einer wesentlichen Veränderung des Verhältnisses zwischen Eigen- und Fremdkapital bei einem EIU führt - Maßnahmen, durch die sich die Anzahl der Arbeitnehmer eines EIU oder die Anzahl der einem EIU zugewiesenen Beamten wesentlich erhöht und die wesentliche negative Auswirkungen auf die Finanz- und Ertragslage des EIU haben. Werden solche Maßnahmen oder Rechtsgeschäfte ohne die erforderliche Zustimmung durchgeführt, so sind sie gem. § 3 II BESG-E unwirksam. Die Aufzählung der betroffenen Gegenstände in § 3 I BESG-E macht deutlich, dass es sich dabei sämtlich um Maßnahmen handelt, die in den Verantwortungsbereich des Vorstandes bzw. der Geschäftsführung fallen212. Ein „normaler“ Mehrheitsgesellschafter kann nur dadurch einen solchen Einfluss realisieren, dass er durch seine Mehrheit in der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung (ggf. über den Zwischenschritt des Aufsichtsrates) über die Besetzung des geschäftsführenden Organs entscheidet. Bei einer GmbH besteht zudem die Möglichkeit von Weisungen213. Das durch den Zustimmungsvorbehalt bewirkte faktische Vetorecht des Bundes ist damit zunächst einmal – zumindest im Vergleich zur AG214 – ein „Mehr“ an Rechten, weil es ein direktes Mitspracherecht bewirkt und der Vorstand in den betroffenen Fragen nicht unabhängig entscheiden kann. Andererseits ist aber zu berücksichtigen, dass sich dieses Vetorecht offensichtlich nur auf Ausnahmefälle beschränken soll. Dies wird dadurch deutlich, dass jede der im Gesetz genannten zustimmungspflichtigen Maßnahmen eine wesentliche Veränderung bewirken muss. In einem Vorentwurf zum EBNeuOG-E wurde dieses Erfordernis durch die Umschreibung präzisiert, dass 211 So auch Masing, Rechtsgutachten, S. 27; Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 21; Ehlers, Rechtsgutachten, S. 77 f. 212 Vgl. Ehlers, Rechtsgutachten, S. 80 f. 213 Siehe dazu bereits oben, § 13 C. I. 2. b). 214 Dort besteht ein generelles Weisungsrecht der Hauptversammlung gegenüber dem Vorstand gerade nicht; etwas anderes gilt nur im Falle des § 119 II AktG. Siehe dazu oben, § 13 C. I. 2. a) mit Fn. 182.
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das Sicherungsinteresse des Bundes nachhaltig gefährdet sein musste215. Neben der Tatsache, dass sich das Mitspracherecht des Bundes folglich auf einige wenige Fragen beschränken wird, sind Streitigkeiten über dieses Ausnahmerecht schon jetzt durch die Verwendung der wenig konkreten Begrifflichkeit der „Wesentlichkeit“ faktisch vorprogrammiert216. Selbst wenn man also die Möglichkeit einer direkten Einflussnahme aufgrund der entsprechenden Rechtslage bei einer AG nicht als ein einem Mehrheitsgesellschafter typischerweise zustehendes Recht definiert, kann die Regelung des § 3 I BESG-E nicht den Verlust an Einflussrechten des Bundes kompensieren, der durch die Stimmrechtsvollmacht erfolgt ist. Dafür ist der Zustimmungsvorbehalt auf zu wenige Maßnahmen begrenzt217 und der Einfluss des Bundes im Vorstand durch dessen personelle Besetzung fehlt zu großen Teilen oder gar vollständig. c) Entsenderechte des Bundes Als Kompensation für den Einflussverlust des Bundes durch die Stimmrechtsvollmacht zugunsten der DB AG kommt außerdem das ihm zustehende Entsenderecht in Betracht218. In § 4 BESG-E wird der Bundesregierung das Recht eingeräumt, eine bestimmte Anzahl der Mitglieder der Aufsichtsräte der EIU direkt zu bestimmen. Das Aktienrecht sieht jedoch in § 101 II 4 AktG eine Begrenzung der Anzahl der entsandten Mitglieder des Aufsichtsrats auf ein Drittel der aktionärsseitig zu besetzenden Sitze vor219. Daran orientiert sich die in § 4 BESG-E festgelegte Zahl der von der Bundesregierung zu besetzenden Aufsichtsratsposten. Sie beläuft sich auf drei der insgesamt zwanzig220 Mitglieder für die DB Netz AG, zwei der insgesamt zwölf221 Mitglie215
Siehe Ehlers, Rechtsgutachten, S. 81. Kritisch zu der im Vorentwurf gewählten Formulierung auch Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 21 f. 217 Damit korreliert die Aussage des Gesetzgebers in der Gesetzesbegründung, mit den Zustimmungsrechten sei kein Einfluss auf das operative Geschäft der EIU verbunden, siehe BTDrucks. 16/6383, S. 21. 218 Vgl. § 101 II 1 AktG. Der Gesetzgeber hatte bei der Schaffung des § 101 II 1 AktG, der Entsenderechte für einzelne Aktionäre ausdrücklich für zulässig erklärt, gerade gemischtwirtschaftliche Unternehmen im Blick, bei denen im Sinne eines verstärkten Einflusses der öffentlichen Hand ein praktisches Interesse für diese Sonderrechte besteht, vgl. Begründung Regierungsentwurf, in: Kropff, Aktiengesetz, S. 138. Laut Gesetzesbegründung dienen die Entsenderechte des BESG-E aber lediglich dazu, dem Sicherungsinteresse des Bundes dadurch gerecht zu werden, dass er die Geschäftsführung der EIU überwachen kann, vgl. BTDrucks. 16/6383, S. 22. 219 Diese Begrenzung soll verhindern, dass Aktionäre ohne entsprechenden Aktienbesitz den Aufsichtsrat dominieren, siehe Hüffer, Aktiengesetz, § 101, Rn. 9; S. Breuer / C. Fraune, in: T. Heidel (Hrsg.), Aktienrecht, § 101 AktG, Rn. 13; M. Habersack, in: Goette / Habersack (Hrsg.), AktG, § 101, Rn. 53. 220 Vgl. DB Netz AG (Hrsg.), Geschäftsbericht 2008, S. 52 f. 221 Vgl. DB Station & Service AG (Hrsg.), Geschäftsbericht 2008, S. 40 f. 216
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der für die DB Station & Service AG und eins der insgesamt sieben222 Mitglieder für die DB Energie GmbH. Bei der DB Netz AG und der DB Station & Service AG, die dem Anwendungsbereich des MBG unterliegen, wird jeweils die Hälfte der Aufsichtsratsmandate durch die Arbeitnehmerseite besetzt. Als Mehrheitsaktionär könnte der Bund eigentlich die andere Hälfte der Sitze allein besetzen223. Durch die Regelungen des BESG ergibt sich jedoch folgende Situation: In der DB Netz AG entscheidet der Bund über die Besetzung von drei der zehn arbeitgeberseitigen Aufsichtsratsmandate selbst, bezüglich der restlichen sieben entscheidet die DB AG mithilfe ihrer Stimmrechtsvollmacht in der Hauptversammlung, bedarf jedoch zur Ausübung ihres Stimmrechts gem. § 2 II 1 Nr. 6 BESG-E der vorherigen Zustimmung des Verkehrsministeriums im Einvernehmen mit dem Finanzministerium. In der DB Station & Service AG entsendet die Bundesregierung zwei der sechs arbeitgeberseitigen Aufsichtsratsmitglieder. Über die anderen vier entscheidet wiederum die DB AG mit Zustimmung des Verkehrs- bzw. Finanzministeriums. Statt also die Hälfte des Aufsichtsrats zu besetzen, wie es einem Mehrheitsgesellschafter eigentlich zusteht, besetzt der Bund weniger als ein Fünftel der Plätze selbst und hat bezüglich der übrigen arbeitgeberseitig zu bestimmenden Plätze lediglich ein Vetorecht. Bei der DB Energie GmbH, die nicht dem Anwendungsbereich des MBG unterliegt224 und deren Aufsichtsrat folglich fakultativ gebildet wurde, ergibt sich ein noch größeres Missverhältnis. Das Gremium setzt sich aus zwei Arbeitnehmer- und fünf Arbeitgebervertretern zusammen225. Der Bund könnte also als Mehrheitsgesellschafter mehr als zwei Drittel der Sitze besetzen. Durch die im BESG-E vorgesehenen Regelungen bestimmt er stattdessen lediglich ein Mitglied (also ca. 14 % der Sitze) direkt, bezüglich weiterer 57 % steht ihm nur ein Vetorecht zu. Damit bleibt es auch bei der bereits oben angesprochenen Problematik226, dass die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat – jedenfalls bei der DB Netz AG und der DB Station & Service AG – die Arbeitgeberseite ggf. majorisieren können, weil Letztere zum Teil durch den Bund und zum Teil durch die dann teilprivatisierte DB AG besetzt wird und infolgedessen unter Umständen nicht homogen abstimmen. Zudem bleibt es ebenfalls dabei, dass der Bund keine eigene Mehrheit im Aufsichtsrat hat und demzufolge nicht allein über die Besetzung der Geschäftsleitung entscheiden kann.
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Vgl. Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 23. Vgl. oben, § 13 C. I. 2. a). 224 Dem Anwendungsbereich des MBG unterliegen nur solche Unternehmen, die in der Regel mehr als 2000 Arbeitnehmer beschäftigen (§ 1 I Nr. 2 MBG). Die DB Energie GmbH beschäftigt jedoch zur Zeit lediglich ca. 1700 Mitarbeiter (siehe Homepage der DB Energie GmbH, , Stand: 01. April 2008). 225 Vgl. Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 23. 226 Siehe § 13 C. II. 2. a). 223
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Die dargestellten Verhältnisse belegen, dass die der Bundesregierung in § 4 BESG-E zugestandenen Entsenderechte in die Aufsichtsräte der EIU weder dazu führen, dass die Stellung des Bundes der eines Mehrheitsgesellschafters entspricht, noch dass er über einen beherrschenden Einfluss auf die EIU verfügt. Deswegen sind auch die dem Bund eingeräumten Entsenderechte nicht dazu geeignet, seinen durch die Stimmrechtsvollmacht zugunsten der DB AG verursachten Einflussverlust zu kompensieren227. d) Mehrheitseigentum an der DB AG Schließlich ist daran zu denken, dass sich die DB AG, der der Bund gem. § 2 I BESG-E die Vollmacht zur Ausübung der Stimmrechte in den Haupt- bzw. Gesellschafterversammlungen der EIU erteilt, selbst zur Zeit noch in hundertprozentigem Staatseigentum befindet. Nach Inkrafttreten des EBNeuOG-E sollen zwar Anteile an diesem Unternehmen an private Investoren veräußert werden228. Der DBPrivG-E sieht jedoch in § 1 I vor, dass die Mehrheit der Anteile beim Bund verbleibt. Deswegen bedarf es der Untersuchung, ob dem Bund durch sein Mehrheitseigentum an der DB AG solche Einflussmöglichkeiten auf die EIU vermittelt werden, die den typischen Rechten eines Mehrheitsgesellschafters entsprechen und auf diese Weise sein Einflussverlust kompensiert werden kann. aa) Vorhandenes Einflusspotential Man könnte argumentieren, dass die Stimmrechtsvollmacht in den Haupt- und Gesellschafterversammlungen der EIU zugunsten eines Unternehmens, das sich im mehrheitlichen Bundeseigentum befindet, praktisch der Situation gleichkommt, in der die EIU selbst teilprivatisiert sind. Da nun letzteres mit den Vorgaben des Art. 87e III 3 HS 2 GG vereinbar ist (insofern der Bund Mehrheitseigentümer der EIU bleibt), könnte daraus der Schluss gezogen werden, dass auch die Konstruktion des EBNeuOG-E schon per se verfassungsmäßig sein muss. Eine solche Argumentation verkennt jedoch, dass es sehr wohl einen Unterschied macht, ob der Bund die Mehrheitsanteile an den EIU und die damit verbundenen Einflussrechte direkt hält oder ihm die entsprechenden Rechte nur über ein weiteres zwischengeschaltetes Unternehmen vermittelt werden.229 Solche „Schachtelkonstruktionen“ können u. U. und je nach der konkreten Ausgestaltung zu erheblichen Einflussverlusten führen. Aus diesem Grund muss jeweils eine individuelle Prüfung durchgeführt werden, um die Verfassungsmäßigkeit der entsprechenden Regelung bejahen zu können.230 227 So auch Masing, Rechtsgutachten, S. 27; Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 23. Vgl. auch Ehlers, Rechtsgutachten, S. 79. 228 Siehe § 1 I BESG-E. 229 Gegen diese Argumentation vgl. auch Ehlers, Rechtsgutachten, S. 89 ff.; Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 23 f.; Masing, Rechtsgutachten, S. 27 f. 230 Vgl. Möstl, Art. 87e, Rn. 146; Windthorst, Art. 87e, Rn. 50 sowie die Nachweise in Fn. 229. Vgl. auch oben, § 6 B. II. 2. b).
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Wie groß ist also der Einfluss, den der Bund mittels seiner Anteilsmehrheit an der DB AG auf die EIU nehmen kann? Um diese Frage zu beantworten, sind zunächst die Rechte, die dem Bund in Bezug auf die DB AG zukommen, näher zu untersuchen. Zunächst einmal stehen dem Bund jene Rechte zu, die sich aus dem allgemeinen Aktienrecht ergeben231. Mittels der Mehrheit in der Hauptversammlung, die ihm aufgrund seiner Anteilsmehrheit zusteht, kann er sich in allen Sachfragen, die der Kompetenz der Hauptversammlung unterliegen und eine einfache Mehrheit erfordern, durchsetzen. Auf diese Weise ist er auch in der Lage, die arbeitgeberseitig zu besetzenden Aufsichtsratsposten zu vergeben. Zwar besteht für den Bund keine Möglichkeit, das Abstimmungsverhalten im Aufsichtsrat zu beeinflussen232, immerhin können die von ihm gewählten Aufsichtsratsmitglieder jedoch selbst bei Geltung des MBG – eine geschlossene Abstimmung vorausgesetzt – über die Besetzung des Vorstandes entscheiden. Der Vorstand wiederum übt die der DB AG in § 2 I BESG-E eingeräumte Stimmrechtsvollmacht in den Haupt- und Gesellschafterversammlungen der EIU aus. Damit ergibt sich eine Konstellation, in der der Bund zwar nicht unmittelbar über seine Einflussrechte in Bezug auf die EIU verfügen kann. Das Gremium, das diese ausübt, lässt sich jedoch zumindest in einer Legitimationskette auf den Bund zurückführen233. bb) Einflussverlust durch Beteiligung der privaten Aktionäre? Gegen die oben dargestellte Argumentation wurde in der Vergangenheit vorgebracht, dass bei einer materiellen Teilprivatisierung der DB AG damit zu rechnen sei, dass potentiellen Großaktionären eine Vertretung im Aufsichtsrat (zum Beispiel durch in der Satzung zu regelnde Entsenderechte, vgl. § 101 II AktG) zugestanden wird. Die Möglichkeit des Bundes über den Aufsichtsrat die Besetzung des Vorstandes zu steuern, besteht aber nur, wenn sämtliche Aufsichtsräte der Arbeitgeberbank geschlossen abstimmen234, sodass schon ein arbeitgeberseitiger Aufsichtsrat mit divergierendem Interesse die Mehrheit des Bundes in diesem Gremium majorisieren könnte. In einem solchen Fall reduzierte sich der Einfluss des Bundes auf die Besetzung des Vorstandes faktisch auf Null. Da letzterer aber die Stimmrechtsvollmacht in den Haupt- und Gesellschafterversammlungen der EIU ausübt, seien dann auch die dem Bund durch seine Anteilsmehrheit an der DB AG vermittelten Rechte bei Null angelangt. Der Fall, dass die Arbeitgeberbank im Aufsichtsrat nicht geschlossen abstimmt, sei bei Einräumung eines Sitzes an einen Vertreter der privaten Minderheitsaktionäre zudem äußerst wahrscheinlich, da der Bund und private Investoren diver231
Siehe dazu auch oben, § 13 C. I. 2. a). Zu den begrenzten Möglichkeiten von Weisungen gegenüber Beamten, die Aufsichtsratsposten öffentlicher Unternehmen besetzen, vgl. G. Püttner, DVBl. 1975, 353 (356); P. Ulmer, NJW 1980, 1603 (1606); W. Leisner, WiVerw. 1983, 212 (216 f.); Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 306 ff.; Menges, Rechtsgrundlagen, S. 171 ff. m.w.N. 233 Vgl. dazu auch die Nachweise in Fn. 192 zur faktischen Herrschaftsmacht aufgrund der Personalentscheidungsgewalt. 234 Vgl. oben, § 13 C. I. 2. a). 232
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gierende Interessen verfolgten. Zwar seien die Eisenbahnunternehmen sämtlich als Wirtschaftsunternehmen zu führen. Während jedoch Privataktionäre einzig das Ziel der Gewinnmaximierung verfolgten, sei der Bund auch an den Gemeinwohlauftrag aus Art. 87e IV GG gebunden. Damit seien Interessenkonflikte faktisch vorprogrammiert.235 Diese Argumentation basierte zum Teil noch auf Vorentwürfen zum EBNeuOG-E, die von der schließlich in den Bundestag eingebrachten Vorlage abwichen. Eine bedeutsame Regelung, die der EBNeuOG-E im Gegensatz zu früheren Entwürfen vorsieht, ist beispielsweise die des § 1 III DBPrivG-E. Darin werden Vereinbarungen, nach denen sich der Bund gegenüber Dritten dazu verpflichtet, bei der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der DB AG das Stimmrecht nicht oder in einem bestimmten Sinne auszuüben, für unwirksam erklärt. Zudem ist geregelt, dass ein satzungsmäßiges Recht, Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden, nur für solche Aktionäre zulässig ist, denen jederzeit eine Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern aufgrund einer eigenen Stimmenmehrheit in der Hauptversammlung möglich ist. Im Ergebnis darf also weder einem privaten Minderheitsaktionär ein Entsenderecht i.S.v. § 101 II 1 AktG eingeräumt werden, noch darf sich der Bund gegenüber anderen Aktionären verpflichten, diesen durch ein bestimmtes Abstimmungsverhalten einen Aufsichtsratssitz zu verschaffen. Diese Regelungen dienen dem Zweck oben beschriebenes Szenario zu verhindern und eine eigene Mehrheit des Bundes im Aufsichtsrat der DB AG sicherzustellen236. Aus dieser Regelung könnte sich jedoch der Gegenschluss ergeben, dass es den Aktionären – und damit auch dem Bund – bei Beachtung der Vorgaben des § 1 III DBPrivG-E im Übrigen frei steht, wen sie in den Aufsichtsrat bestellen237. Der Bund könnte dann also allein durch sein Abstimmungsverhalten in der Hauptversammlung der DB AG den privaten Aktionären einen Aufsichtsratssitz verschaffen. Daraus zieht Ehlers den Schluss, dass eine eigene Mehrheit des Bundes im Aufsichtsrat der DB AG durch die Regelungen des EBNeuOG-E nicht sichergestellt sei. Würde man dem DBPrivG-E hingegen nicht den Schluss entnehmen, dass der Bund bei der Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder lediglich an die Vorgaben des § 1 III DBPrivG-E gebunden ist und ansonsten frei entscheiden kann, ergebe sich nichts anderes. Art. 87e III 3 HS 2 GG verlange, dass der Bund von seinem Recht, alle arbeitgeberseitigen Aufsichtsratsmitglieder zu bestellen, Gebrauch mache. Sei aber ein dem Art. 87e III 3 HS 2 GG widersprechendes Verhalten des Bundes bei Fehlen einer gesetzlichen Regelung überaus wahrscheinlich, so müsse der Gesetzgeber dafür Sorge tragen, dass dieser Fall nicht eintrete.238 235 Siehe Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 25 f. und Masing, Rechtsgutachten, S. 29 ff. Vgl. zu dieser Problematik auch Ehlers, Rechtsgutachten, S. 87 f. 236 Vgl. auch die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 16/6383, S. 20, die jedoch pauschal auf den Zweck der Wahrung der Infrastrukturverantwortung des Bundes nach Art. 87e IV GG verweist. 237 So Ehlers, Rechtsgutachten, S. 88. 238 Ehlers, Rechtsgutachten, S. 88.
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Dieser Argumentationskette kann jedoch nicht vollumfänglich gefolgt werden. Zum einen ist bereits die Interpretation des DBPrivG-E, nach dem der Bund bei Beachtung der Vorgaben des § 1 III DBPrivG-E im Übrigen freie Hand bei der Besetzung des Aufsichtsrates hat, prekär. Vielmehr lässt die Gestaltung des EBNeuOGE insgesamt erkennen, dass der Gesetzgeber alle Möglichkeiten, die Mehrheit des Bundes im Aufsichtsrat der DB AG sicherzustellen, ausgeschöpft hat. Wie hätte er auch über die bestehenden Regelungen hinaus gesetzgeberisch Sorge tragen sollen, dass der Bund privaten Aktionären keinen Aufsichtsratssitz einräumt? Denkbar wäre allein eine Regelung, nach der der Bund ausdrücklich verpflichtet wird, alle Aufsichtsräte mit seiner Mehrheit in der Hauptversammlung zu bestellen. Eine Umgehung des Sinns und Zwecks dieser Regelung wäre aber ein Leichtes gewesen, indem der Bund einen Aufsichtsrat wählt, der die Interessen der privaten Anteilseigner vertritt. Wie aber sollte ein solches Verhalten nachgewiesen werden? Die Mitglieder des Aufsichtsrats sind weisungsunabhängig239 und selbst bei einem Vertreter der Interessen des Bundes kann kein bestimmtes Abstimmungsverhalten verlangt werden. Wie sollte man also feststellen oder gar gerichtlich überprüfen, wer vom Bund als Vertreter der eigenen und wer als Vertreter der Interessen der privaten Aktionäre gewählt worden ist? An diesem Punkt stoßen die Möglichkeiten des Gesetzgebers schlicht an ihre Grenzen240. Aus diesem Grund ist auch nicht ersichtlich, dass dem Bund bei der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder freie Hand gelassen werden sollte. Überzeugender ist vielmehr eine Auslegung, nach der es an einer entsprechenden Regelung im EBNeuOG-E fehlt, weil eine solche nicht sinnvoll hätte gestaltet werden können. Dann kann dies aber auch nicht vom Gesetzgeber verlangt werden. Weiterhin gilt es zu bedenken, dass bei einer – nach Art. 87e III 3 GG möglichen – materiellen Teilprivatisierung der EIU auch nicht vollständig hätte sichergestellt werden können, dass der Bund von seinen ihm zustehenden Rechten als Mehrheitsgesellschafter in jedem Fall vollumfänglich Gebrauch macht. Es bestünde ebenso die Gefahr, dass der Bund einen Aufsichtsrat wählt, der die Interessen der privaten Aktionäre vertritt, um diesen gewisse Mitspracherechte einzuräumen. Dann ginge seine Mehrheit in diesem Gremium bei Geltung des MBG genauso verloren und er hätte keinen Einfluss auf die Besetzung des Vorstandes. Art. 87e III 3 HS 2 GG verlangt, dass der Bund durch sein Mehrheitseigentum einen beherrschenden Einfluss auf die EIU ausüben kann. Die einfachgesetzlichen Regelungen müssen in den Grenzen des Möglichen darauf hinwirken, dass er diesen Einfluss auch realisiert. Hundertprozentig sicherstellen lässt sich dies indessen nicht. Im Hinblick auf die Konstruktion des EBNeuOG-E lässt sich festhalten, dass § 1 III DBPrivG-E jedenfalls der Gefahr begegnet, dass der Bund durch Versprechungen hinsichtlich der Einräumung von Aufsichtsratssitzen versucht, potentielle private Großaktionäre zu einem Einstieg in die DB AG zu bewegen. Solche Abreden wären 239
Vgl. bereits oben, § 13 C. II. 2. d) aa) sowie die Nachweise in Fn. 232. Vgl. zur Verfassungswidrigkeit von Gesetzen aufgrund Verwaltungshandelns – allerdings am Beispiel des Steuerrechts – M. Streck, NJW 2004, 1580. 240
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gem. § 1 III DBPrivG-E unwirksam. Wenn die Aktionäre aber einmal investiert haben, ist auch kein Grund mehr ersichtlich, warum der Bund nicht alle arbeitgeberseitigen Aufsichtsratssitze mit ihm gewogenen Personen besetzen sollte. Zusammenfassend ergibt sich damit folgender Befund: Der EBNeuOG-E enthält die erforderlichen und im Rahmen des gesetzgeberisch Möglichen liegenden Bestimmungen, um zu verhindern, dass der Bund auf das Recht, alle arbeitgeberseitigen Aufsichtsräte der DB AG zu bestellen, willkürlich verzichtet. Wenn der Bund von diesem Recht also Gebrauch macht, hat er mittelbar über den Aufsichtsrat auch Einfluss auf die Besetzung des Vorstandes. Dieser wiederum übt die Stimmrechtsvollmacht in den Haupt- bzw. Gesellschafterversammlungen der EIU aus. Über diese Konstruktion sichert sich der Bund also mittelbar genau die Einflussmöglichkeiten, die er ansonsten als Mehrheitsgesellschafter direkt geltend machen könnte. cc) Einflussverlust durch fehlende Unmittelbarkeit der Einwirkungsrechte? Zuzugeben bleibt, dass die dargestellten Einwirkungsrechte auf die EIU über den Umweg über die DB AG schwerfälliger sind und aufgrund der Vielzahl der zwischengeschalteten Gremien Reibungsverluste drohen241. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese Einflussverluste auch bei der aktuellen Rechtslage eintreten. Die jetzige Holding-Struktur der DB AG führt ebenso zu einer Situation, in der dem Bund eine direkte Steuerung der EIU versagt bleibt und er auf diese nur mittelbar über die DB AG einzuwirken vermag. Bislang sind jedoch keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der geltenden Rechtslage aufgekommen242. Dies wird hauptsächlich damit begründet, dass der Bund aktuell Alleineigentümer der DB AG sei und diese wiederum Alleineigentümerin der EIU. Damit hätte der Bund alle Einflussmöglichkeiten, die nach Aktienrecht überhaupt gegeben sein könnten, wie zum Beispiel die jederzeitige Abberufung des Aufsichtsrates gem. § 103 I AktG oder Satzungsänderungen. Dabei sei er aufgrund seines Alleineigentums an keinerlei Quoren gebunden. Dadurch werde der Einflussverlust durch den Umweg über die Holding kompensiert.243 dd) Stärkung des Einflusspotentials durch gesetzliche Sonderregelungen Vergleicht man die geltende Rechtslage mit den geplanten Regelungen des EBNeuOG-E, so ist festzustellen, dass der Umfang der dem Bund als Mehrheitsaktionär der DB AG zustehenden Rechte nicht exakt demjenigen entspricht, den er als Alleineigentümer für sich in Anspruch nehmen kann. Er kann allerdings weiterhin alle Entscheidungen, die einer einfachen Mehrheit in der Hauptversammlung bedürfen, allein treffen.244 Hinzu kommt, dass § 1 II DBPrivG-E eine Regelung enthält, 241 So auch Masing, Rechtsgutachten, S. 29; Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 25; Ehlers, Rechtsgutachten, S. 89 f. 242 Vgl. z. B. Möstl, Art. 87e, Rn. 132; Masing, Rechtsgutachten, S. 28 f. 243 So bspw. die Argumentation Masings, Rechtsgutachten, S. 28 f. 244 Deshalb geht auch Menges, Rechtsgrundlagen, S. 154 mit Fn. 6 davon aus, dass die Stellung als Mehrheitsgesellschafter im Vergleich zur Stellung als Alleingesellschafter keine
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nach der in der Satzung der DB AG zu bestimmen ist, dass die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern, die von der Hauptversammlung gewählt worden sind, Beschlüsse über Satzungsänderungen mit Ausnahme der Änderung des Unternehmensgegenstandes sowie, im Rahmen des aktienrechtlich Zulässigen, Maßnahmen der Kapitalbeschaffung der einfachen Stimmenmehrheit und der einfachen Mehrheit des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals bedürfen245. Beschlüsse über die genannten Gegenstände bedürfen eigentlich einer Dreiviertelmehrheit in der Hauptversammlung einer AG (vgl. §§ 103 I 2; 179 II 1; 182 I 1 AktG). Dadurch, dass die Satzung der DB AG abweichend vom gesetzlichen Regelfall dafür nun aber nur eine einfache Mehrheit vorsehen soll, wird die Entscheidung über die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern, Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und Satzungsänderungen faktisch wieder allein in die Hand des Bundes gelegt, der ja über eine entsprechende Mehrheit verfügt. Besonders bedeutsam ist in diesem Zusammenhang die daraus erwachsende Kompetenz des Bundes zur Abberufung des Aufsichtsrats. Diese gibt ihm ein wichtiges Druckmittel beispielsweise für den Fall an die Hand, dass der Vorstand der DB AG mit Hilfe seiner Stimmrechtsvollmacht in einem EIU eine Geschäftspolitik verfolgt, die den Interessen des Bundes zuwiderläuft. Könnte er nämlich nicht erreichen, dass der von ihm zur Hälfte besetzte Aufsichtsrat die fragliche Geschäftspolitik als zuständiges Kontrollorgan beanstandet, läge es in seiner Entscheidungsmacht, den Aufsichtsrat schlicht abzuberufen und neue Vertreter zu bestellen.246 ee) Zusammenfassung und Ergebnis Die Entscheidungskompetenzen, die der Bund als Alleingesellschafter der DB AG in der aktuellen Rechtslage noch hat und an denen es ihm nach Inkrafttreten des EBNeuOG-E mangeln würde, beschränken sich demzufolge auf jene, die nach dem AktG einer Dreiviertelmehrheit in der Hauptversammlung bedürfen und nicht von § 1 II DBPrivG-E erfasst sind. Dies betrifft namentlich die Herabsetzung des Grundkapitals (vgl. § 222 I AktG), die Auflösung der Gesellschaft (vgl. § 262 I Nr. 2 AktG) sowie Umwandlungsentscheidungen (vgl. § 233 II UmwG). Der Unterschied zur geltenden Rechtslage ist damit als eher gering einzuschätzen. Insgesamt lässt sich damit feststellen, dass dem Bund durch seine Einwirkungsrechte auf die DB AG auch verqualitative Verschlechterung der Position des Bundes darstelle. A.A. E. Schmidt-Aßmann / C. Röhl, DÖV 1994, 577 (585), die die Stellung des einfachen Mehrheitsgesellschafters als deutlich schwächer im Vergleich zum Alleingesellschafter bewerten. 245 Nach Ehlers, Rechtsgutachten, S. 86 f., bestehen an der Gültigkeit dieser Regelung keinerlei Bedenken, da das Aktienrecht solche Satzungsregelungen zulässt, der Gesetzgeber Einzelfall- oder Maßnahmegesetze erlassen darf und Art. 87e III 4 GG eine nähere Regelung durch Bundesgesetz ausdrücklich erlaubt. 246 Masing, Rechtsgutachten, S. 30 f., nutzt dieses Beispiel noch, um die mangelnden Einflussmöglichkeiten des Bundes über eine Einwirkung auf die DB AG zu verdeutlichen. Sein Gutachten bezog sich unterdessen auf einen Vorentwurf des EBNeuOG-E, in dem eine dem § 1 II DBPrivG-E entsprechende Regelung noch fehlte.
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gleichsweise bedeutende und effektive Einflussnahmemöglichkeiten auf die EIU gegeben sind. Der Unterschied zu der Situation, in der der Bund direkt Mehrheitsgesellschafter der EIU wäre und seine Stimmen in den Haupt- bzw. Gesellschafterversammlungen selbst ausüben würde, besteht also darin, dass sein Einfluss über eine Kette von Organen vermittelt wird und aus diesem Grund weniger wirksam durchgesetzt werden kann. Schon nach der geltenden Rechtslage aber werden die Einflussrechte des Bundes durch die Schachtelkonstruktion über die DB AG erheblich gemindert. Auch wenn dies als noch verfassungsmäßig einzuschätzen ist, muss jede weitere Minderung seiner diesbezüglichen Rechte, und sei sie auch gering, jedenfalls als verfassungsrechtlich problematisch angesehen werden. Die Einwirkungsrechte des Bundes auf die EIU über eine Einflussnahme auf die DB AG können deshalb jedenfalls nicht für sich allein den Verlust an Einwirkungsrechten kompensieren, der durch die Stimmrechtsvollmacht zugunsten der DB AG entsteht247. e) Gesetzliche und vertragliche Vorgaben Schließlich wäre noch an eine Kompensation des Verlusts an Einwirkungsbefugnissen durch gesetzliche und vertragliche Vorgaben zu denken. Durch das Bundesschienenwegegesetz werden die EIU des Bundes verpflichtet, ihre Schienenwege in einem betriebsbereiten Zustand zu halten (§ 3 I 1 BSEAG-E). Zur Bestimmung des betriebsbereiten Zustands sollen das Verkehrs- und das Finanzministerium mit den EIU eine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung in Form eines öffentlichrechtlichen Vertrages abschließen. Ein wesentlicher Zweck des Infrastrukturvorbehalts in Art. 87e III 3 HS 2 GG besteht darin, dem Bund ein Mittel zur Erfüllung seines Gewährleistungsauftrags aus Art. 87e IV GG zur Verfügung zu stellen248. Anknüpfend daran könnte man nun den Standpunkt vertreten, die fehlenden Einwirkungsbefugnisse des Bundes auf die EIU könnten durch gesetzliche und vertragliche Vorgaben, die die Erfüllung der Gewährleistungsverpflichtung hinreichend sicherstellen, kompensiert werden249. 247
So auch Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 26; Masing, Rechtsgutachten, S. 31 f. Siehe oben, § 6 B. III. 4. d). 249 In diese Richtung Fehling, Stellungnahme, Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 45; Gersdorf, Stellungnahme, Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 51, 53, die davon ausgehen, dass auch eine „externe“ Regulierung der EIU (bspw. durch die LuFV) geeignet ist, der Bestimmung des Art. 87e III 3 HS 2 GG gerecht zu werden, insofern das Niveau des Bundeseinflusses dem eines Mehrheitsgesellschafters entspricht bzw. wenn dadurch der Gewährleistungsauftrag erfüllt wird. Das Prinzip der vertraglichen Absicherung von Einflussmöglichkeiten zur Kompensation des Verlusts von internen bzw. direkten Steuerungsmöglichkeiten ist v. a. bei Privatisierungskonstellationen von Bedeutung, in denen zwar die Verwaltungsaufgabe dem Verwaltungsträger zugeordnet bleibt, bei der Aufgabenerledigung aber ein Privater herangezogen wird. Dies geschieht namentlich im kommunalen Bereich, wenn Pflichtaufgaben von Körperschaften des öffentlichen Rechts betroffen sind, derer sich die Verwaltungsträger nicht vollständig entledigen können. Im Unterschied zur rechtlichen Ausgestaltung der Beziehung des Bundes zu den EIU fehlt in diesen Fällen jedoch eine dem Art. 87e III 3 HS 2 GG vergleichbare Regelung, 248
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Eine solche Sichtweise vermag jedoch nicht zu überzeugen. Unabhängig davon, welches Ziel der Schienenwegevorbehalt und die damit verbundenen organisationsrechtlichen Bindungen des Bundes verfolgen, sind dessen ausdrückliche Vorgaben geltendes Verfassungsrecht. Wenn also auch die Ziele des Art. 87e III 3 HS 2 GG auf andere Art und Weise erreicht werden können, als vom Grundgesetz vorgesehen, so ändert dies nichts daran, dass der Bund Mehrheitseigentümer der EIU mit entsprechenden Einwirkungsbefugnissen bleiben muss. Ansonsten wäre die Regelung des Art. 87e III 3 HS 2 GG von vornherein überflüssig.250 Zudem ist es als selbstverständlich anzusehen, dass die allgemeine Bindung an Recht und Gesetz auch für die EIU gilt251. Demzufolge sind die gesetzlichen und vertraglichen Bindungen, denen die EIU aufgrund des BSEAG-E und der abzuschließenden Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung unterliegen, nicht geeignet, den Einflussverlust des Bundes auf die EIU durch die Stimmrechtsvollmacht zugunsten der DB AG auszugleichen. 3. Gesamtbilanz der vorhandenen Einwirkungsrechte und Ergebnis Die Untersuchung der Intensität der Einwirkungsrechte des Bundes auf die EIU hat gezeigt, dass der Bund durch die Stimmrechtsvollmacht zugunsten der DB AG essentielle Entscheidungskompetenzen aus der Hand gegeben hat, die seine notwendigen Einflussrechte über Gebühr einschränken. Im Gegenzug werden ihm im DBPrivG-E und im BESG-E Rechte eingeräumt, die diesen Einflussverlust kompensieren sollen. Wie gesehen, ist allerdings keines der eingeräumten Sonderrechte für sich allein betrachtet geeignet, diese Kompensation zu bewerkstelligen. Zu untersuchen bleibt damit, ob diese Rechte in ihrer Gesamtheit zu einer Einwirkungsmöglichkeit des Bundes auf die EIU führen, die dem Einflusspotential eines Mehrheitsgesellschafters gleichkommt. Die wohl intensivsten Befugnisse des Bundes zur Beherrschung der EIU leiten sich daraus ab, dass er nicht nur Eigentümer der EIU ist, sondern zugleich auch Mehrheitsaktionär der die Stimmrechtsvollmacht ausübenden DB AG. Die Einwirkungsrechte, die dem Bund über seine Mehrheitsbeteiligung an der DB AG zustehen, unweswegen es in der erwähnten Situation lediglich um die zuverlässige vertragliche Absicherung der Aufgabenerfüllung geht. Siehe dazu bspw. H. Bauer, Die negative und positive Funktion des Verwaltungsvertragsrechts, in: FS Knöpfle, S. 11 (22 ff.); H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 (275 ff.); C. Brüning, NWVBl. 1997, 286 (291 f.); A. Emmerich-Fritsche, BayVBl. 2007, 1 (7 f.); R. Kühne, LKV 2006, 489 (490 f.). Ebenfalls gewisse Ähnlichkeiten zur vorliegenden Frage weist die Problematik der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe auf. Dort ging es um die Anforderungen an eine vertragliche Gestaltung zur Sicherung interner Beherrschungsmöglichkeiten. Siehe VerfGH Berlin, DVBl. 2000, 51 ff. und dazu J. Hecker, VerwArch 92 (2001), 261 ff. Im Falle der EIU geht es hingegen um die vertragliche Absicherung externer Einflussmöglichkeiten zur Kompensation ggf. mangelnder interner Beherrschung. 250 So auch Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 26 f. 251 Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 26.
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terscheiden sich von denen eines „normalen“ Mehrheitsgesellschafters der EIU, der seine Stimmen in der Hauptversammlung selbst ausübt, nur insofern, als dass aufgrund der verschiedenen zwischengeschalteten unabhängigen Gremien ein gewisser Beherrschungsverlust zu befürchten ist. Insofern wird die Durchsetzungsmöglichkeit beispielsweise einer bestimmten Unternehmensstrategie langwieriger und schwerfälliger. Addiert man zu dieser Art der potentiellen Einflussnahme nun jedoch die dem Bund darüber hinaus zustehenden Rechte hinzu, wird dieser Verlust direkter und unmittelbarer Entscheidungsmöglichkeit ausreichend kompensiert. Bedeutend ist in diesem Zusammenhang insbesondere die in § 3 I BESG-E geregelte Zustimmungspflicht des Bundes zu bestimmten Fragen der Unternehmensführung, die grundsätzlich in die Kompetenz des Vorstandes fallen252. Zwar betrifft die Zustimmungspflicht nur für das Unternehmen wesentliche Fragen, entscheidend ist jedoch, dass das Aktienrecht eine solche Einmischung der Aktionäre in die Vorstandsangelegenheiten nicht vorsieht. Deswegen gehört dies auch nicht zu den typischen Rechten eines Mehrheitsgesellschafters253, sondern stellt im Vergleich zu diesen ein „Mehr“ an Einflusspotential dar. Bezieht man nun noch den Zustimmungsvorbehalt bezüglich bestimmter Entscheidungen in der Hauptversammlung (§ 2 II BESG-E) und die Entsenderechte des Bundes (§ 4 BESG-E) in die Gesamtbilanz mit ein, so wird deutlich, dass dem Bund ausreichende Einwirkungsrechte auf die EIU zur Verfügung stehen. Zwar entspricht die Art der Einwirkungsrechte des Bundes nicht eins zu eins denjenigen Rechten eines typischen Mehrheitsgesellschafters. Dies ist indes auch gar nicht nötig.254 Wesentlich ist vielmehr, dass die Intensität des Beherrschungspotentials vergleichbar ist. Dafür, dass dies der Fall ist, spricht noch eine weitere Überlegung: Die aktuelle Rechtslage, nach der die EIU Bestandteil einer Holding sind, die von der DB AG geführt wird, ist nach einhelliger Meinung255 mit den Vorgaben des Art. 87e III 3 HS 2 GG vereinbar. In dieser Situation hat der Bund aber ebenfalls keine unmittelbaren Möglichkeiten der Einflussnahme auf die EIU, sondern kann nur über die DB AG, deren Alleineigentümer er zur Zeit noch ist, indirekt einwirken. Wie gesehen, verringern sich die Beherrschungsmöglichkeiten über den Umweg der DB AG nach Inkrafttreten des EBNeuOG-E jedoch lediglich in geringem Maße256. Diese Verringerung geht einher mit einer Einräumung anderer Einwirkungsrechte 252
Siehe oben, § 13 C. II. 2. b). Zwar haben die Gesellschafter einer GmbH das Recht, den Geschäftsführern Weisungen zu erteilen. Wie oben [§ 13 C. I. 2. c)] dargestellt, müssen die Einwirkungsrechte des Bundes gem. Art. 87e III 3 HS 2 GG aber „nur“ den typischen Rechten eines Mehrheitsgesellschafters entsprechen. Wenn das GmbH-Recht eine Weisungsmöglichkeit vorsieht, das Aktienrecht jedoch nicht, so gehört das Weisungsrecht aber gerade nicht zu diesen typischen Rechten. 254 Vgl. auch M. Fehling, Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/ 40, S. 15. 255 Vgl. z. B. Möstl, Art. 87e, Rn. 132; Masing, Rechtsgutachten, S. 28 f. 256 Vgl. auch Gersdorf, Stellungnahme, Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 52. 253
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an den Bund durch den BESG-E. Insgesamt gleichen sich Einflussminderung und -stärkung damit aus. Die für den Bund im EBNeuOG-E vorgesehenen Einwirkungsrechte auf die EIU entsprechen dem Niveau des Einflusspotentials eines typischen Mehrheitsgesellschafters. Damit ist das Erfordernis einer Beherrschungsmöglichkeit der EIU (Art. 87e III 3 HS 2 GG) gegeben. In dieser Hinsicht liegt damit kein Verfassungsverstoß vor257. III. Die verfassungsrechtlich geforderte vermögensrechtliche Beziehung des Bundes zu den EIU Bereits Gegenstand der Darstellung war die Frage, welche Anforderungen Art. 87e III 3 HS 2 GG an Qualität und Umfang der Einwirkungsrechte stellt, die dem Bund in Bezug auf die EIU zustehen. Durch die Eigentümerposition, die der Schienenwegevorbehalt in gewissen Grenzen vorschreibt, werden jedoch nicht nur Einflussnahmemöglichkeiten abgesichert. Eigentum vermittelt neben Nutzungsund Einwirkungsrechten auch eine vermögensrechtliche Position258. So verhält es sich auch im Rahmen der Stellung des Bundes zu den EIU – Art. 87e III 3 HS 2 GG verlangt eine vollwertige Eigentümerqualität des Bundes und nicht lediglich eine Art leere Hülle mit einer entsprechenden Bezeichnung259. Die Position des Bundes muss also auch hinsichtlich ihrer vermögensrechtlichen Seite der eines Eigentümers entsprechen. IV. Die vermögensrechtliche Beziehung des Bundes zu den EIU nach dem BESG-E 1. Die Konstruktion des BESG-E Der Entwurf des BESG sieht eine Konstruktion vor, in der dem Bund die Anteile an den EIU von der DB AG übertragen werden. Die Gesetzesvorlage selbst verwendet für diesen Vorgang den Terminus „Sicherungsübertragung“. Die Sicherungsübertragung (oder -übereignung) ist eigentlich ein Instrument zur Kreditsicherung. Dabei wird ein beweglicher Gegenstand zur Sicherung einer offenen Forderung an den Gläubiger übereignet. Die Übereignung erfolgt in der Regel gem. §§ 929 Satz 1, 257 Im Ergebnis ebenso, aber mit abweichender Argumentation Scholz, Rechtsgutachten, S. 38; Gersdorf, Stellungnahme, Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 51 ff. A.A. Wieland, Art. 87e, Rn. 30; Ehlers, Rechtsgutachten, S. 99. Vgl. auch Masing, Rechtsgutachten, S. 33; Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 27 f.; Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40 mit den schriftlichen Stellungnahmen von R. Uerpmann-Wittzack, S. 71 f; F. Kirchhof, S. 60 ff.; G. Hermes, S. 54 ff.; M. Fehling, S. 45 ff. 258 Siehe schon oben, § 13 C. I. 1. a). Vgl. dazu auch M. Wolf, Sachenrecht, S. 3 ff. 259 So auch Masing, Rechtsgutachten, S. 34; Ehlers, Rechtsgutachten, S. 65. Vgl. auch Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 19 ff.; Uerpmann-Wittzack, Stellungnahme, Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 71.
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930 BGB. Das heißt, dass der Sicherungsgeber im Besitz der Sache bleibt und diese weiter nutzen kann. Die ansonsten für eine Übereignung notwendige Übergabe wird durch die Vereinbarung eines sog. Besitzkonstitutes ersetzt. Dies ist gem. § 930 BGB ein Rechtsverhältnis, vermöge dessen der Erwerber den mittelbaren Besitz erlangt. Bei einer Sicherungsübereignung wird das Besitzkonstitut durch die sog. Sicherungsabrede begründet. Darin wird der Sicherungsnehmer auch verpflichtet, vom Eigentum nur zu Sicherungszwecken und nur dann Gebrauch zu machen, wenn die gesicherte Forderung nicht vereinbarungsgemäß erfüllt wird. Wird der gesamte Anspruch des Gläubigers beglichen, so findet eine Rückübertragung des Eigentums am Sicherungsgegenstand auf den Sicherungsgeber statt. Diese erfolgt entweder automatisch – insofern die Übereignung auflösend bedingt war – oder muss aufgrund einer entsprechenden schuldrechtlichen Verpflichtung des Sicherungsnehmers noch gesondert vorgenommen werden.260 Im Ergebnis wird damit ein Zustand erreicht, in dem Nutzungs- und Gebrauchsbefugnisse einerseits und der Vermögenswert einer Sache andererseits auseinander fallen. Der Grund für den Versuch der Konstruktion einer Sicherungsübereignung der EIU-Anteile von der DB AG an den Bund liegt in der damit verbundenen Möglichkeit, trotz der formalen Eigentümer-Stellung des Bundes, die Unternehmensanteile bei der DB AG zu bilanzieren (§ 246 I 2 HGB)261. Untersucht man nun aber die Konstruktion des BESG-E genauer, so gelangt man zur Feststellung, dass bezüglich der Anteile an den EIU keine Sicherungsübertragung im klassischen Sinne vorliegt. Zum einen mangelt es dafür schon an einer eigenständigen zu sichernden Forderung des Bundes, für die dieser als Ausgleich die Unternehmensanteile erhält. In § 1 Satz 2 BESG-E heißt es: „Die Übertragung dient der Sicherung der wirtschaftlichen Übernahme dieser Beteiligungen durch den Bund unter den Voraussetzungen der §§ 5 und 6 und dient damit der Erfüllung der Vorgaben des Bundesschienenwegegesetzes durch die Eisenbahninfrastrukturunternehmen (Sicherungsübertragung).“ Zwar werden den EIU im BSEAG-E eine Vielzahl von Verpflichtungen auferlegt262 ; die Bindung an Recht und Gesetz gilt aber immer und für alle Rechtssubjekte – eine darüber hinausgehende eigenständige Forderung des Bundes gegenüber den EIU besteht hingegen nicht. Damit läge der ungewöhnliche Fall vor, dass es sich bei der zu sichernden Forderung um eine sowieso bestehende gesetzliche Verpflichtung handelt263.
260 Vgl. zur Konstruktion der Rechtsfigur der Sicherungsübereignung H.J. Wieling, Sachenrecht, Band 1, S. 826 ff.; J.F. Baur / R. Stürner, Sachenrecht, S. 784 ff.; H.P. Westermann, BGB – Sachenrecht, S. 74 ff.; Wolf, Sachenrecht, S. 200 ff. 261 Siehe BT-Drucks. 16/6383, S. 17 und 20 f.; Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 37. 262 Dadurch, dass die Übereignung von der DB AG auf den Bund erfolgt, die Verpflichtungen aber die EIU treffen, wird eine Verbindlichkeit eines Dritten gesichert. Dies ist im Rahmen einer Sicherungsübertragung grundsätzlich möglich, vgl. R. Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Band II, S. 49 ff. 263 Vgl. dazu auch Masing, Rechtsgutachten, S. 35 f.; Ehlers, Rechtsgutachten, S. 56.
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Ein weiteres Argument, warum es sich bei der im BESG-E gewählten Konstruktion nicht um eine klassische Sicherungsübereignung handeln kann, ist folgendes: Eine Sicherungsübertragung ist ihrer Natur nach auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt und endet grundsätzlich mit Wegfall des Sicherungszweckes (also in der Regel mit der Erfüllung der gesicherten Forderung)264. Dies ist nur dann anders, insofern der Sicherungsfall eintritt und der Sicherungsnehmer den Sicherungsgegenstand verwertet. Nach den Regelungen des BESG-E ist die zeitliche Beschränkung der Übertragung der EIU-Anteile auf den Bund jedoch nicht uneingeschränkt gewährleistet265. Gemäß § 5 I Nr. 3 BESG-E fällt das Eigentum an den EIU nur dann an die DB AG zurück, wenn der Bund fünfzehn Jahre nach Inkrafttreten des BESG-E ein Gesetz erlässt, in dem eine entsprechende Regelung enthalten ist. Alternativ dazu kann er jedoch auch das Verbleiben der Anteile beim Bund unter Wegfall des Sicherungszweckes (§ 5 I Nr. 1 BESG-E) bzw. die Verlängerung der „Sicherungsübertragung“ (§ 5 I Nr. 2 BESG-E) beschließen. Auch für den Fall einer vorzeitigen Beendigung der Sicherungsübertragung gem. § 6 BESG-E ist vorgesehen, dass die Unternehmensanteile beim Bund verbleiben. Dies ist einerseits darauf zurückzuführen, dass eine spätere Rückübertragung der Anteile auf die dann höchstwahrscheinlich teilprivatisierte DB AG im Hinblick auf Art. 87e III 3 HS 2 GG problematisch wäre. Andererseits trägt es auch dem Umstand Rechnung, dass der Sicherungszweck der Übertragung faktisch nie erreicht werden kann, da die aus dem BSEAG-E erwachsenden Verpflichtungen zum Ausbau und Erhalt des Schienennetzes auf Dauer bestehen und sich dadurch faktisch immer wieder „erneuern“.266 Unvereinbar mit der zivilrechtlichen Konstruktion einer klassischen Sicherungsübereignung sind auch die Bestimmungen des BESG-E über den vom Bund an die DB AG zu zahlenden Wertausgleich. Ein solcher ist für all diejenigen Fälle vorgesehen, in denen es am Ende der Sicherungsübertragung dazu kommt, dass die EIU-Anteile unter Wegfall des Sicherungszwecks beim Bund verbleiben (§ 7 I 1 i.V.m. §§ 5 I Nr. 1, II 1, 6 I, II BESG-E). Besonders deutlich wird der Unterschied zum zivilrechtlichen Leitbild der Sicherungsübereignung im Falle einer Pflichtverletzung der DB AG – also faktisch im „Sicherungsfall“. Eigentlich müsste dem Bund dann ein Verwertungsrecht zustehen, welches aber aufgrund der Vorgaben des Art. 87e III 3 HS 2 GG ausgeschlossen ist. Selbst im Falle einer Verwertung würde aber die Forderung des Bundes nicht erfüllt werden, weil es sich bei dieser nicht um eine Geldzahlungspflicht handelt. Abgesehen davon soll der Bund bei Beendigung der Sicherungsübertragung im „Sicherungsfall“ der DB AG weiterhin noch 264
Baur / Stürner, Sachenrecht, S. 785. So auch D. Kleindiek, Schriftliche Stellungnahme zum Antrag BT-Drucks. 16/4413, siehe Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 66; R. Hüttemann, Schriftliche Stellungnahme zum Antrag BT-Drucks. 16/4413, siehe Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 57. 266 Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 41 f. Siehe auch Ehlers, Rechtsgutachten, S. 59; Hüttemann, Stellungnahme, Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/ 40, S. 57. 265
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zur Zahlung eines Wertausgleiches verpflichtet sein (§ 6 I, II i.V.m. § 7 I 1 BESGE).267 Damit wird der Zweck einer klassischen zivilrechtlichen Sicherungsübereignung ad absurdum geführt. Festhalten lässt sich damit insgesamt, dass es sich bei der im BESG-E gewählten Konstruktion jedenfalls nicht um eine Sicherungsübereignung im klassischen Sinne handelt268. Dies hat indessen nicht zwangsläufig die Unzulässigkeit der Regelungen zur Folge. Diese müssen sich vielmehr unabhängig von der rechtlichen Einordnung der Konstruktion269 an den Vorgaben des Art. 87e III 3 HS 2 GG messen lassen. 2. Vereinbarkeit der Konstruktion des BESG-E mit Art. 87e III 3 HS 2 GG a) Dauerhafte Weggabe des wirtschaftlichen Eigentums? Mit der Verpflichtung des Bundes aus Art. 87e III 3 HS 2 GG, das Mehrheitseigentum an den EIU dauerhaft zu halten, geht das Gebot einher, dass mit dieser Eigentümerposition auch entsprechende Vermögensrechte an den EIU verbunden sein müssen. Jedenfalls die endgültige oder aber langfristige Aufgabe des wirtschaftlichen Eigentums wäre nicht mit Art. 87e III 3 HS 2 GG zu vereinbaren270. Die Überlassung des wirtschaftlichen Eigentums an die DB AG und der nach dem BESG-E zu zahlende Wertausgleich im Falle der Wiedervereinigung von wirtschaftlichem und juristischem Eigentum beim Bund scheinen diesen Grundsätzen zu widersprechen271. Verfassungsrechtlich problematisch wäre die Konstruktion des EBNeuOG-E jedenfalls dann, wenn die Sicherungsübertragung von vornherein dazu diente, auch den im Eigentum liegenden Vermögenswert der Infrastrukturunternehmen auf die DB AG zu übertragen und das Eigentum des Bundes wirtschaftlich zu entleeren. Dies könnte man daraus schließen, dass der Bund zum Wertausgleich verpflichtet ist und das Sicherungsverhältnis deshalb den vermögensrechtlichen Wert des Unternehmens verbraucht, ohne dass darüber hinaus das Sicherungsinteresse des Bundes erfüllt ist oder ein entsprechender Wert in das Eigentum des Bundes gelangt ist.272 267 Siehe dazu auch Kleindiek, Stellungnahme, Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 66; Ehlers, Rechtsgutachten, S. 59; Masing, Rechtsgutachten, S. 36; Hüttemann, Stellungnahme, Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 57. 268 So auch Masing, Rechtsgutachten, S. 35; Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 43; Ehlers, Rechtsgutachten, S. 58; Kleindiek, Stellungnahme, Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 66; Hüttemann, Stellungnahme, Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 57. 269 Zu dieser Frage ausführlich Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 43 ff., die zum Ergebnis gelangen, dass es sich wohl um ein atypisches (Verwaltungs-)Treuhandverhältnis mit starker Annäherung an den Nießbrauch handelt. 270 Ehlers, Rechtsgutachten, S. 65. 271 So Masing, Rechtsgutachten, S. 35 ff. 272 So Masing, Rechtsgutachten, S. 36.
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Dem ist entgegenzuhalten, dass dem Bund sehr wohl ein Gegenwert zugeflossen ist – durch § 1 BESG-E wird der Bund nämlich überhaupt erst einmal direkter Eigentümer der EIU. Mittelbar sind die EIU dem Bund zwar auch ohne die Konstruktion des BESG-E über das Eigentum an der Holding DB AG zugeordnet. Trotzdem ist die Stellung des Bundes als direkter Eigentümer der Infrastrukturgesellschaften grundsätzlich stärker273. Zugegebenermaßen wird dieser Vorteil zunächst durch die Stimmrechtsvollmacht zugunsten der DB AG wieder nivelliert – verbleiben aber die EIU-Anteile nach Ende der Sicherungsübertragung unter Wegfall des Sicherungszwecks beim Bund, so hätte er dann im Vergleich zur jetzigen Situation eine einflussreichere Stellung und die von ihm gegründete Holding wäre der EIU beraubt. Hält man sich diese Situation vor Augen, wird klar, dass der Wertausgleich durch den Bund nicht vollkommen ohne Gegenleistung zu erbringen wäre. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass gem. § 1 I DBPrivG-E auch nach der dann zwischenzeitlich erfolgenden Teilprivatisierung die Mehrheit der Anteile an der DB AG beim Bund verbleiben müssen. Dementsprechend flösse über die Hälfte des vom Bund zu erbringenden Wertausgleiches faktisch wieder an diesen zurück274. Ebenso könnte er auf diese Weise an den durch die EIU möglicherweise erzielten Gewinnen partizipieren275. Und auch wenn der Bund bereits heute als 100 %iger Eigentümer der DB AG mittelbar von den Gewinnen der EIU profitiert, so kommt ihm durch die Konstruktion des BESG-E, nach der das wirtschaftliche Eigentum zunächst bei der DB AG verbleibt, ein höherer Veräußerungserlös bei der geplanten Teilprivatisierung derselben zu Gute276. Insgesamt ist daher nicht zu erkennen, dass der Bund den in den EIU liegenden Vermögenswert langfristig aus der Hand gibt und sein Eigentum damit wirtschaftlich entleert. Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass Art. 87e III 3 HS 2 GG eine Teilprivatisierung der EIU selbst nicht ausschließt277.
273 So auch die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 16/6383, S. 20. Dementsprechend ist auch die Einschätzung Ehlers, Rechtsgutachten, S. 65, unzutreffend, wonach der Bund das wirtschaftliche Eigentum an die DB AG abgebe, ohne von dieser eine Gegenleistung zu erhalten und es später zurückkaufen müsse. Vielmehr verhält es sich so, dass die DB AG das juristische Eigentum zunächst ohne Gegenleistung an den Bund abgibt und dafür erst und nur dann einen Ausgleich erhält, wenn der Bund auch das wirtschaftliche Eigentum an sich zieht. 274 Dies erkennen auch Masing, Rechtsgutachten, S. 37 und Ehlers, Rechtsgutachten, S. 65, an. 275 Laut der Gesetzesbegründung sollen bestehende Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge der EIU mit der DB AG bestehen bleiben. Neue Verträge dieser Art sollen darüber hinaus ebenfalls möglich sein (BT-Drucks. 16/6383, S. 22), weswegen die Regelung des § 2 III BESG-E aufgenommen wurde. 276 Vgl. Ehlers, Rechtsgutachten, S. 65. 277 Dies erkennt auch Ehlers, Rechtsgutachten, S. 66, an, wenn auch unter der Einschränkung, dass das BESG-E diesen Weg gerade nicht beschreite.
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b) Faktischer Ausschluss der Zusammenführung des juristischen und wirtschaftlichen Eigentums (sog. Rückholoption)? Problematisch ist darüber hinaus, ob die Regelungen des BESG-E zu einem faktischen Ausschluss der Vereinigung des juristischen und ökonomischen Eigentums führen. Wäre dies der Fall, ergäbe sich im Anschluss die Frage, ob dies mit dem Schienenwegevorbehalt vereinbar ist. Wie bereits dargestellt, sieht der BESG-E nach Beendigung der sog. Sicherungsübertragung der EIU-Anteile verschiedene Möglichkeiten vor, wie mit diesen weiter verfahren werden soll. Die Entscheidungsmacht liegt dabei beim Bund. Er kann durch ein Gesetz bestimmen, dass - die Anteile an den EIU unter Wegfall des Sicherungszweckes beim Bund verbleiben (§ 5 I Nr. 1 BESG-E), - die Sicherungsübertragung für einen bestimmten Zeitraum fortgesetzt wird (§ 5 I Nr. 2 BESG-E) oder - die Sicherungsübetragung endet und die EIU-Anteile an die DB AG fallen (§ 5 I Nr. 3 BESG-E). Für den Fall, dass der Bund keine Entscheidung trifft, verbleiben die Anteile ebenfalls unter Wegfall des Sicherungszweckes beim Bund (§ 5 II 1 BESG-E). Das gleiche gilt, wenn die Sicherungsübertragung aus besonderem Anlass vorzeitig endet (§ 6 II 1 i.V.m. § 6 I BESG-E). Aus den Regelungen wird deutlich, dass das wirtschaftliche Eigentum an den EIU nur dann nicht an den Bund zurückfällt, wenn er bewusst eine andere Entscheidung durch Gesetz trifft (also in den Fällen des § 5 I Nr. 2 und 3 BESG-E). Die rechtliche Möglichkeit zur Zusammenführung von wirtschaftlichem und juristischem Eigentum ist damit zweifellos gegeben278. Die rein rechtliche Option zur Zusammenführung von wirtschaftlichem und juristischem Eigentum reicht jedoch nicht aus, wenn sie in der Praxis von so erheblichen Schwierigkeiten und Hemmnissen begleitet wird, dass ihre Umsetzung faktisch erheblich erschwert oder gar unmöglich gemacht wird279. Für eine solche faktische Unmöglichkeit spricht der Umstand, dass im Falle einer Rückübertragung des wirtschaftlichen Eigentums der EIU auf den Bund dieser aller Voraussicht nach aufgrund der Wertausgleichspflicht280 Milliarden-Beträge aufwenden müsste und eine solche Entscheidung womöglich den Einbruch des Börsenkurses der DB AG sowie juristische Auseinandersetzungen zur Folge hätte281. 278
So auch Ehlers, Rechtsgutachten, S. 66 mit Fn. 199. Ehlers, Rechtsgutachten, S. 66 f. Ähnlich auch Masing, Rechtsgutachten, S. 36 f. und Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 20 f. 280 Siehe § 7 I BESG-E. Zur Frage, ob die Verankerung eines Wertausgleichs im Falle der Übertragung des „wirtschaftlichen Eigentums“ auf den Bund aus verfassungsrechtlicher Sicht sogar geboten war, BT-Drucks. 16/6383, S. 23 sowie R. Uerpmann-Wittzack, Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 19 f. 281 Ehlers, Rechtsgutachten, S. 71 f. Ähnlich argumentiert auch Masing, Rechtsgutachten, S. 36 f. 279
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Zwar ist richtig, dass der Bund in allen Fällen, in denen die EIU-Anteile unter Wegfall des Sicherungszweckes bei ihm verbleiben, zu einem Wertausgleich gegenüber der DB AG verpflichtet ist. Dieser kann sich unter Umständen auf mehrere Milliarden Euro belaufen282. Dabei ist allerdings ausgeschlossen, dass der Bund für in der Vergangenheit gewährte Zuschüsse doppelt zahlt, da diese bei der Berechnung des Wertausgleiches nicht berücksichtigt werden283. Bei einem Bundeshaushalt im Umfang von über 283 Milliarden Euro, von denen immerhin über 24 Milliarden Euro auf das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung entfallen, ist jedoch nicht davon auszugehen, dass der Wertausgleich i.S.d. § 7 I BESG-E vom Bund schlicht nicht gezahlt werden kann. Hinzu kommt, dass zur Ermittlung der Höhe des Wertausgleiches das Verkehrsministerium im Einvernehmen mit dem Finanzministerium zuständig ist284 (§ 7 II 1 BESG-E). Aus diesem Grund müsste der Bund im Falle einer Entscheidung für die Ausübung der Rückholoption jedenfalls nicht mit einer „bösen Überraschung“ hinsichtlich der Höhe des zu zahlenden Wertausgleiches rechnen. Es ist nicht auszuschließen, dass es im Falle einer Entscheidung des Bundes zur Beendigung der Sicherungsübertragung und Verbleib der EIU-Anteile in seiner Hand unter Wegfall des Sicherungszweckes zu einem Einbruch des Börsenkurses der DB AG kommt. Diese könnte die Gesellschaftsanteile dann schließlich nicht mehr in ihre Bilanz aufnehmen. Außerdem verlöre sie ihren Einfluss in den Unternehmen, weil die Stimmrechte in der Hauptversammlung dann nicht mehr durch den Vorstand der DB AG, sondern von Vertretern des Bundes ausgeübt würden. Die Transportgesellschaften der DB AG stünden den Infrastrukturgesellschaften dann wie ein beliebiges anderes privates Eisenbahnunternehmen gegenüber. Auch liegt es durchaus im Bereich des Möglichen, dass es zu den erwähnten juristischen Auseinandersetzungen kommt. So könnte zum Beispiel gerade der vom Verkehrs- und Finanzministerium festzusetzende Wertausgleich an die DB AG zu Streitigkeiten Anlass bieten. Die genannten negativen Auswirkungen einer Ausübung der Rückholoption durch den Bund sind indes – gerade auch mit Blick auf den bis dahin u. U. noch verstreichenden Zeitraum – keineswegs zwingend. Und selbst wenn es zu den vorausgesagten Folgen kommen sollte, wäre die Entscheidung des Bundesgesetzgebers für eine Wiedervereinigung von juristischem und wirtschaftlichem Eigentum in seiner Hand dadurch nicht von vornherein ausgeschlossen. Es mag sein, dass aus jetziger Sicht die politische Entscheidung für eine Ausübung der Rückholoption unwahrscheinlich ist. Um einen Verstoß gegen den Schienenwegevorbehalt des Art. 87e III 3 HS 2 GG zu begründen, bedarf es allerdings der faktischen Unmöglichkeit einer solchen Entscheidung. Gerade diese ist aber im vorliegen282 So die Einschätzung der Bundesregierung in der Antwort auf eine kleine Anfrage der Abgeordneten H. Friedrich, J. Mücke, P. Döring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP (BT-Drucks. 16/6061), BT-Drucks. 16/6168, S. 3. 283 Siehe BT-Drucks. 16/6383, S. 24. 284 Dabei sind vor der Entscheidung die DB AG sowie Sachverständige anzuhören, § 7 II 1 BESG-E.
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den Falle nicht gegeben. Die Regelungen des BESG-E, insbesondere bezüglich des vom Bund zu zahlenden Wertausgleiches für die EIU-Anteile bei Zusammenführung des wirtschaftlichen und juristischen Eigentums in seiner Hand, führen deshalb im Ergebnis nicht zu einem faktischen Ausschluss einer solchen Entscheidung und verstoßen daher auch nicht gegen Art. 87e III 3 HS 2 GG285. V. Verstoß gegen den Gesetzesvorbehalt des Art. 87e III 3 HS 1 GG? Die bisherigen Ausführungen haben ergeben, dass dem Bund genügend Einwirkungsrechte auf die EIU verbleiben und auch seine vermögensrechtliche Stellung in Bezug auf diese stark genug ist, um dem Grundsatz zu genügen, dass die Mehrheit der Anteile an den genannten Unternehmen beim Bund verbleiben muss. Noch nicht geklärt ist indes die Frage, ob ein Verstoß gegen den Gesetzesvorbehalt aus Art. 87e III 3 HS 1 GG vorliegt. Ein solcher könnte sich daraus ergeben, dass der Bund die EIU durch die Regelungen des EBNeuOG-E faktisch materiell privatisiert, ohne dies gesetzlich ausdrücklich anzuordnen. Zu einem solchen Ergebnis gelangt man insbesondere dann, wenn man davon ausgeht, dass durch die Konstruktion des BESG-E beim Bund nur die formale Hülle des Eigentums an den EIU verbleibt und diese im wirtschaftlichen Sinne und damit ihrer Substanz nach teilprivatisiert werden286. Bei einer solchen Betrachtungsweise würde das BESG-E, ungeachtet seiner Eigenschaft als förmliches Gesetz, dem Gesetzesvorbehalt des Art. 87e III 3 HS 1 GG nicht genügen, da es die Entscheidung über das Ob und Wie einer Privatisierung der DB AG und damit auch der EIU nicht selbst trifft, sondern diese vielmehr in die Hände des Verkehrs- und Finanzministeriums legt (§§ 1 I, 2 DBPrivG-E)287. Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass eine Privatisierungsmöglichkeit ausdrücklich nur für die DB AG vorgesehen ist288, aus der die EIU zuvor durch die Übertragung auf den Bund ausgegliedert werden. In Bezug auf die Eisenbahnverkehrsunternehmen ist die Entscheidung der Exekutive über Ob und Wie der Anteilsveräußerung auch unproblematisch, weil der Gesetzesvorbehalt des Art. 87e III 3 HS 1 GG diese gerade nicht betrifft289. Eine faktische Teilprivatisierung der EIU hingegen findet weder in Bezug auf die Einwirkungsrechte des Bundes290 noch in Bezug auf des285 A.A. Ehlers, Rechtsgutachten, S. 71 f.; Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 20 f. Ähnlich auch Masing, Rechtsgutachten, S. 35 f. 286 So Masing, Rechtsgutachten, S. 40. 287 Masing, Rechtsgutachten, S. 40 f. 288 § 1 I DBPrivG-E. 289 Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 68; Uerpmann, Art. 87e, Rn. 13; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 58; U. Kramer, Das Recht der Eisenbahninfrastruktur, S. 75; Wieland, Art. 87e, Rn. 27. Siehe dazu bereits oben, § 6 B. II. 2. b). 290 Siehe oben, § 13 C. II. 3.
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sen vermögensrechtliche Stellung291 statt. Vielmehr hat der Bund in beiderlei Hinsicht nicht nur eine formale, sondern auch materielle Eigentümerstellung inne. Zuzugeben ist allerdings, dass der Bund nach der Konstruktion des BESG-E einige derjenigen Rechte abgibt, die mit seiner Eigentümerrolle verknüpft sind292. Dies ist jedoch zum einen nicht mit einer Anteilsveräußerung an den EIU gleichzusetzen, sodass der Gesetzesvorbehalt des Art. 87e III 3 HS 1 GG schon von vornherein nicht betroffen ist. Zum anderen erfolgt diese Abschwächung der Eigentümerstellung des Bundes ja sogar durch ein förmliches Gesetz. Der EBNeuOG-E verstößt daher nicht gegen den Gesetzesvorbehalt des Art. 87e III 3 HS 1 GG293. VI. Verstoß gegen den Gewährleistungsauftrag aus Art. 87e IV 1 GG? Art. 87e IV 1 GG enthält eine Verpflichtung des Bundes zu gewährleisten, dass dem Wohl der Allgemeinheit und insbesondere den Verkehrsbedürfnissen beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz Rechnung getragen wird. Ausgeschlossen ist dabei allein der Schienenpersonennahverkehr294. Der Erfüllung dieser Verpflichtung soll nach dem Konzept des EBNeuOG-E in erster Linie eine zwischen dem Bund und den EIU abzuschließende sog. Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung und damit ein öffentlich-rechtlicher Vertrag dienen295. Die entsprechenden Regelungen dazu finden sich im BSEAG-E296. 1. Verstoß durch Rechtsformenwahl? Zunächst stellt sich die Frage, ob die Rechtsformenwahl eines öffentlich-rechtlichen Vertrages zur Erfüllung der Gewährleistungsverpflichtung legitim ist, oder ob es zur Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben nicht vielmehr des Rückgriffs auf die Rechtsform des Verwaltungsaktes bedarf. Dafür sprächen jedenfalls die bei einem Verwaltungsakt bestehenden, aus staatlicher Sicht günstigeren Vollzugs- bzw. Vollstreckungsmöglichkeiten297. Auf der anderen Seite ist es jedoch möglich, dass bei 291
Siehe oben, § 13 C. IV. 2. So bspw. das Recht zur Ausübung seiner Stimmrechte in den Haupt- und Gesellschafterversammlungen der EIU, § 2 I BESG-E. 293 So im Ergebnis auch Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 34. 294 Zu Rechtsnatur, Inhalt und Umfang der Gewährleistungsverpflichtung siehe bereits oben, § 6 B. III. 295 Vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 16/6383, S. 73. 296 Zum Inhalt des BSEAG-E vgl. auch oben, § 12 B. III. 297 So auch Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 32. Während ein Verwaltungsakt bei Nichtbefolgung unmittelbar mit staatlicher Gewalt durchgesetzt werden kann, weil er zugleich Vollstreckungstitel ist, muss der Staat zur Durchsetzung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages zunächst einen Titel erwirken, bevor er seine Ansprüche mit Zwang durchsetzen kann. Vgl. 292
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einer auf Kooperation und Konsens beruhenden Zusammenarbeit von Bund und EIU insgesamt eine bessere Versorgung der Bevölkerung mit Schieneninfrastruktur und -verkehrsangeboten erreicht wird298. Dies gilt umso mehr, als dass es dem Bund aufgrund der Rechtsnatur der Gewährleistungsverpflichtung aus Art. 87e IV 1 GG als Staatszielbestimmung299 freigestellt ist, wie er diese erfüllt. Geboten ist nur, dass er sie erfüllt300. Was die bei einem Verwaltungsakt günstigeren Vollstreckungsmöglichkeiten angeht, so können diese ebenso bei einem Verwaltungsvertrag erreicht werden, wenn die EIU sich gem. § 61 I 1 VwVfG der sofortigen Vollstreckung unterwerfen301. Dies hat in weiten Teilen die Anwendbarkeit des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes zur Folge (§ 61 II 1 VwVfG). Hinzu kommt, dass der Bund bei Nichtzustandekommen einer konsensualen Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung gem. § 4 III BSEAG-E die zur Aufrechterhaltung des betriebsbereiten Zustands erforderlichen Anordnungen treffen kann, sodass er jedenfalls nicht zwingend auf die Mitarbeit der EIU angewiesen ist, um überhaupt eine Regelung herbeizuführen. Bei dieser Sachlage kann in der Wahl der Rechtsform eines öffentlich-rechtlichen Vertrages zur Konkretisierung des BSEAG-E kein Verstoß gegen Art. 87e IV 1 GG liegen302. 2. Verstoß durch fehlende Kündigungs- und Anpassungsrechte? In Kritik geraten sind jedoch die gesetzlich vorgesehene fünfzehnjährige Laufzeit der LuFV303 und angebliche fehlende Kündigungs- und Anpassungsrechte der Verauch Maurer, Verwaltungsrecht, S. 405; Gurlit, in: Erichsen / Ehlers, Verwaltungsrecht, S. 732 ff. 298 So auch Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 33. 299 Möstl, Art. 87e, Rn. 182; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 69; Windthorst, Art. 87e, Rn. 62. Vgl. auch Ruge, Art. 87e, Rn. 6; Uerpmann, Art. 87e, Rn. 16. S. Wilkens, Wettbewerbsprinzip und Gemeinwohlorientierung bei der Erbringung von Eisenbahndienstleistungen, S. 59 ff., hingegen ordnet die Norm als „Einrichtungsgarantie mit betont normativer Ausrichtung“ ein. Siehe auch bereits oben, § 6 B. III. 1. 300 Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 32, sprechen in diesem Zusammenhang von einem großen Spielraum der Instrumentenwahl. Vgl. auch oben, § 6 B. III. 4. 301 Eine solche Unterwerfung unter die sofortige Vollstreckung ist nur bei sog. subordinationsrechtlichen Verwaltungsverträgen i.S.d. § 54 Satz 2 VwVfG möglich, d. h. immer dann, wenn die Behörde statt des Abschlusses eines öffentlich-rechtlichen Vertrages auch einen Verwaltungsakt erlassen könnte. Durch die Vorschrift des § 4 III BSEAG, wonach der Bund die erforderlichen Anordnungen im Falle des Nichtzustandekommens einer LuFV per Verwaltungsakt treffen kann, herrscht insofern Klarheit über die Natur der LuFV als subordinationsrechtlichen Vertrag. Zu den Vollstreckungsmöglichkeiten bei der Unterwerfung unter die sofortige Vollstreckung siehe Maurer, Verwaltungsrecht, S. 405 f. 302 So auch Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 32. 303 § 5 I BSEAG-E. Hermes, Stellungnahme, Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 56, sieht in der gesetzlich angeordneten Laufzeit der LuFV einen Verstoß gegen Art. 87e IV 1 GG.
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einbarung304. Als problematisch wurde insbesondere angesehen, dass dem Bund dadurch eine aktualisierbare Einflussmöglichkeit auf die Infrastrukturgestaltung der Eisenbahnen verloren geht und es nicht mit Art. 87e IV GG zu vereinbaren sei, wenn er seine diesbezügliche Verantwortung unwiderruflich für fünfzehn Jahre von sich schiebe305. Die Auffassung, dass es für die LuFVan Anpassungs- und Kündigungsrechten seitens des Bundes fehle, ist indes nicht zwingend. Ein Blick auf die Regelungen des BSEAG-E zeigt, dass dort sehr wohl eine Klausel über eine ggf. notwendige Änderung der LuFV enthalten ist. In § 4 II 1 BSEAG-E wird bestimmt, dass die erste zwischen den Vertragsparteien zustande gekommene Vereinbarung nach einem Jahr Laufzeit von diesen innerhalb eines sechsmonatigen Zeitraumes zu überprüfen ist, um festzustellen, ob mit der getroffenen Übereinkunft die Erlangung und Aufrechterhaltung des betriebsbereiten Zustands der Schienenwege erreicht werden kann. Für den Fall, dass dabei ein Änderungsbedarf festgestellt wird, sieht § 4 II 2 BSEAG-E eine Verpflichtung der Vertragspartner zur unverzüglichen entsprechenden Anpassung der LuFV vor. Problematisch ist bei dieser Regelung jedoch, dass nicht geklärt wird, wie vorzugehen ist, wenn Bund und EIU bei ihren Überprüfungen der LuFV zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. Ebenso gut vorstellbar ist eine Situation, in der zwar beide Vertragspartner übereinstimmend einen Änderungsbedarf feststellen, sich aber nicht über konkrete Maßnahmen einigen können. Der Begründung des Gesetzentwurfes ist jedenfalls zu entnehmen, dass § 4 II 2 BSEAG-E grundsätzlich auf eine einvernehmliche Lösung zielt306. Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass der Bund im Falle einer Verweigerungshaltung der EIU gar keine Möglichkeit zur Anpassung der LuFV hat307. Dagegen sprechen indes zwei Überlegungen: Zum einen setzt § 4 II 2 BSEAG-E schon seinem Wortlaut nach nicht zwingend voraus, dass ein Änderungsbedarf von beiden Vertragsparteien festgestellt werden muss („Wird ein Änderungsbedarf festgestellt…“). Zum zweiten knüpft die Norm an die Feststellung eines Anpassungsbedarfs zwingend die Rechtsfolge einer Änderung der LuFV. Damit ist die Regelung einer Auslegung zugänglich, nach der der Bund, wenn er selbst einen Änderungsbedarf konstatiert, von den EIU die Anpassung der LuFV verlangen und ggf. auch gerichtlich durchsetzen kann. Bei einer solchen Auslegung des BSEAG-E kann allerdings schwerlich davon gesprochen werden, dass sich der Bund seiner Verantwortung für die Schieneninfrastruktur für fünfzehn Jahre entledige. Er wäre vielmehr in der Lage, unvorhergesehenen Entwicklungen und veränderten Verhältnissen Rechnung zu tragen, sodass jedenfalls nicht wegen fehlender Anpassungsmöglichkeiten ein Verstoß gegen Art. 87e IV GG vorläge. Zugegebenermaßen ist eine solche Interpretation des § 4 II BSEAG-E ebenso wenig zwingend wie die Auslegung, nach der dem Bund keine Anpassungsmöglichkeiten 304
Masing, Rechtsgutachten, S. 46; Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 33; Ehlers, Rechtsgutachten, S. 104 ff. 305 So Masing, Rechtsgutachten, S. 46. 306 BT-Drucks. 16/6383, S. 26. 307 So Ehlers, Rechtsgutachten, S. 104 f.
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zustehen. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass die hier vorgeschlagene Deutung dem Gewährleistungsvorbehalt des Art. 87e IV GG am ehesten gerecht würde und aus diesem Grund das Gebot der verfassungskonformen Interpretation zum Tragen kommt308. Folglich verdient die Auslegung, nach der der Bund bei einem durch ihn festgestellten Anpassungsbedarf der LuFV von den EIU eine entsprechende Veränderung der Vereinbarung verlangen kann, den Vorzug. Darüber hinaus bestehen noch weitere Möglichkeiten für den Bund, sich trotz der langen Geltungsdauer der LuFV sein Einflusspotential zu sichern: Zum einen können im Vertrag selbst entsprechende Anpassungsvorbehalte vereinbart werden. Dies bedürfte zwar der Zustimmung der EIU, allerdings hat der Bund eine starke Verhandlungsposition, da er im Falle des Nichtzustandekommens einer Vereinbarung diese durch einen Verwaltungsakt ersetzen kann (vgl. § 4 III 1 BSEAG-E). Zum anderen kann die LuFV jederzeit im Einvernehmen der Vertragspartner abgeändert werden. Dem Bund stehen folglich genügend Instrumente zur Verfügung, um die LuFV im Bedarfsfall anzupassen. Zu untersuchen ist nun noch, ob die im EBNeuOG-E normierten Kündigungsmöglichkeiten für die LuFV ausreichen, um dem Bund so viel Einflusspotential auf die Eisenbahninfrastruktur zu verschaffen, wie Art. 87e IV GG es verlangt. Im BSEAG-E findet sich kein ausdrückliches Kündigungsrecht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die LuFV überhaupt nicht einseitig beendet werden kann. In § 5 II BSEAG-E ist vorgesehen, dass sie unabhängig von ihrer vereinbarten Geltungsdauer dann endet, wenn auch die Sicherungsübertragung der EIU-Anteile auf den Bund ein Ende findet. Dies ist nach den Regelungen des BESG dann vorfristig der Fall, wenn - der Bund die außerordentliche Kündigung der LuFVaus wichtigem Grund erklärt (§ 6 I Nr. 1 BESG-E) oder - die wiederholte Pflichtverletzung nach § 10 BSEAG-E rechtskräftig festgestellt ist (§ 6 I Nr. 2 BESG-E). Korrespondierend zu dieser Vorschrift ist in § 10 BSEAG-E normiert, dass der Bund Feststellungsklage erheben kann, wenn die EIU die in § 8 IV BSEAG-E genannten Ziele309 wiederholt nicht erreichen und dies zu vertreten haben; nach Rechtskraft des Urteils endet die bestehende LuFV. Aus dem Zusammenspiel der Vorschriften ergibt sich insgesamt, dass das in § 6 I Nr. 1 BESG-E erwähnte Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund nicht lediglich in der Norm vorausgesetzt, sondern viel308 Ehlers, Rechtsgutachten, S. 104 f., selbst zieht aus seiner Deutung des § 4 II BSEAG-E den Schluss, dass die Regelung nicht mit Art. 87e IV GG zu vereinbaren ist, sodass der hier vertretenen Auslegung der Norm der Vorrang einzuräumen wäre. Zum Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung siehe Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 159 ff.; Schwintowski, Methodenlehre, S. 71 ff. 309 Es handelt sich dabei um die in der LuFV festzulegenden Parameter hinsichtlich des theoretischen Fahrzeitverlusts, der Qualitätskennzahlen für die Netzqualität, des festgelegten Mindestinstandhaltungsbeitrages der EIU des Bundes und des zu erbringenden Mindestersatzinvestitionsumfanges.
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mehr begründet wird310. Es ergäbe schlichtweg keinen Sinn, wenn im BESG-E, das Bestandteil des Gesetzespaktes des EBNeuOG-E ist, eine Regelung für den Fall einer Kündigung der LuFVaus wichtigem Grund enthalten wäre, ein solches Kündigungsrecht aber gleichzeitig im gesamten Gesetzespaket fehlte. Damit besteht nicht nur für den Fall der Vertragsverletzung durch die EIU die Möglichkeit einer Beendigung der Sicherungsübertragung und der LuFV, sondern dem Bund steht darüber hinaus ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund zu. Dadurch wird er in die Lage versetzt, auf unerwartete Entwicklungen zu reagieren und ggf. notwendige Maßnahmen zu ergreifen, um seiner Infrastrukturverantwortung gerecht zu werden, ohne an die langfristige Abrede mit den EIU gebunden zu sein. Aus diesem Grund sind die im BSEAG-E und BESG-E enthaltenen Kündigungsmöglichkeiten für die LuFV ausreichend, um der Gewährleistungsverantwortung des Bundes aus Art. 87e IV GG gerecht zu werden. Schließlich gilt es zu bedenken, dass die Regelung des § 5 I BSEAG-E, die die Laufzeit der ersten LuFV auf fünfzehn Jahre festlegt, eine Soll-Vorschrift darstellt. Dies bedeutet, dass vom vorgeschriebenen Fünfzehnjahreszeitraum abgewichen werden darf, wenn dies durch besondere Umstände geboten ist. Selbst wenn man die im EBNeuOG-E für die LuFV vorgesehenen Kündigungs- und Anpassungsrechte des Bundes als nicht ausreichend und die Laufzeit der LuFV als zu lang erachtet, besteht die Möglichkeit, die Norm des § 5 I BSEAG-E verfassungskonform nicht als Soll-, sondern als Kann-Vorschrift auszulegen311. Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass der Bund, trotz der im BSEAG-E vorgeschriebenen fünfzehnjährigen Laufzeit der LuFV, aufgrund der bestehenden Anpassungs- und Kündigungsmöglichkeiten über ein aktualisierbares Einflusspotential auf die Eisenbahninfrastruktur verfügt. Demzufolge liegt kein Verstoß gegen den Gewährleistungsauftrag aus Art. 87e IV GG vor312.
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So auch Ehlers, Rechtsgutachten, S. 106. Ähnlich wird z. B. bei § 14 II SächsGemO verfahren. Darin heißt es, dass bei einem gemeindlichen Anschluss- und Benutzungszwang Ausnahmen vorgesehen werden können. Nach herrschender Meinung muss die entsprechende Satzung allerdings Ausnahmeregelungen für Fälle, in denen die Zumutbarkeitsgrenze überschritten ist, enthalten, da sie anderenfalls enteignende Wirkung hat (vgl. dazu A. Gern, Sächsisches Kommunalrecht, S. 266, Rn. 677 m.w.N.). Hier wird also auch eine Kann-Vorschrift verfassungskonform als MussVorschrift ausgelegt. 312 So im Ergebnis auch Gersdorf, Stellungnahme, Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 50 f. 311
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VII. Verstoß gegen den Gesetzesvorbehalt des Art. 87e IV 2 GG? 1. Auslegung des Art. 87e IV 2 GG als Gesetzesvorbehalt Um die Frage der Verfassungsmäßigkeit des EBNeuOG-E abschließend zu beurteilen, ist zuletzt noch zu untersuchen, ob ein Verstoß gegen Art. 87e IV 2 GG vorliegt. Die Vorschrift ordnet an, dass die nähere Ausgestaltung des Gewährleistungsauftrags durch ein Bundesgesetz zu regeln ist. Dabei enthält die Norm einen Regelungsauftrag, der sich an den Bund richtet313. Ob darüber hinaus auch ein Gesetzesvorbehalt statuiert werden sollte, nach dem der Bund alle wesentlichen Fragen, die die Ausgestaltung des Gewährleistungsauftrags betreffen, selbst zu regeln hat, ist zweifelhaft314. Möstl argumentiert dagegen, dass es der Konstruktion eines Gesetzesvorbehalts in dieser Form aus Art. 87e IV 2 GG nicht bedürfe. Das ergebe sich daraus, dass für einen Teil der im Zusammenhang mit der Gewährleistungspflicht des Bundes wesentlichen Fragen bereits aus Art. 87e V 2 GG ein Gesetzesvorbehalt folge (nämlich für Fragen der Veräußerung und Stilllegung von Schienenwegen). Darüber hinaus hält er es für bedenklich, die Tendenz des Art. 87e GG, Handlungen, die die Exekutive normalerweise aus eigener Kraft vornehmen kann, an einen Gesetzesvorbehalt zu binden, über das sich aus Art. 87e GG ergebende zwingende Maß hinaus auszudehnen. Auch zum Schutz der privatrechtlich organisierten Eisenbahnunternehmen bedürfe es keines ausdrücklich normierten Gesetzesvorbehalts, denn soweit es um externe Eingriffe gegen diese Unternehmen geht, ergebe sich das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage bereits aus den Grundrechten, dem Rechtsstaatsprinzip oder der in Art. 87e III 1 GG ausgesprochenen Garantie der Privatwirtschaftlichkeit.315 Dem ist entgegenzuhalten, dass die Interpretation des Art. 87e IV 2 GG als Gesetzesvorbehalt auch dazu dient, das Zustimmungserfordernis des Bundesrates (Art. 87e V 1 GG) zur Geltung zu bringen316. Geht man davon aus, dass der Bund die den Gewährleistungsauftrag betreffenden Fragen prinzipiell ohne gesetzliche Grundlage regeln darf, so minimiert sich der Einfluss, den die Länder in diesem Bereich geltend machen können. Der Bund könnte die Länder dann gar bewusst von der Mitausgestaltung der Umsetzung der Gemeinwohlverantwortung ausschließen. Zudem spricht gerade die erwähnte Tendenz des Art. 87e GG, Verwaltungshandeln in weitem Maße an gesetz313 Windthorst, Art. 87e, Rn. 65; Uerpmann, Art. 87e, Rn. 18; Möstl, Art. 87e, Rn. 190; ähnlich Gersdorf, Art. 87e, Rn. 76. 314 Bejahend Hermes, Stellungnahme, Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 56; Ehlers, Rechtsgutachten, S. 113; Uerpmann, Art. 87e, Rn. 18; Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 81; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 76; ablehnend Möstl, Art. 87e, Rn. 190. 315 Möstl, Art. 87e, Rn. 190. 316 Ähnlich, aber missverständlich K. Windthorst, in: M. Sachs (Hrsg.), GG Kommentar, 4. Auflage, Art. 87e, Rn. 65 mit Fn. 155, der davon auszugehen scheint, dass Art. 87e V 2 GG keinen Gesetzesvorbehalt statuiere und deswegen die Interpretation des Art. 87e IV 2 GG als Gesetzesvorbehalt nötig ist, um den Zustimmungsvorbehalt des Art. 87e V 2 GG nicht leer laufen zu lassen; vgl. dazu auch W. Spoerr, DVBl. 1997, 1309 (1310) mit Fn. 12. Siehe auch I. Knecht, NVwZ 2003, 932 (935 f.).
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liche Grundlagen zu binden, dafür, dass dies auch durch Art. 87e IV 2 GG beabsichtigt ist. Und für den Fall, dass sich der Gesetzesvorbehalt für externe Eingriffe in den Bereich der Eisenbahnunternehmen schon aus allgemeinen Grundsätzen ergibt, schadet es jedenfalls nicht, wenn Art. 87e IV 2 GG insoweit klarstellende Funktion hat. Demzufolge statuiert die Norm einen Gesetzesvorbehalt in dem Sinne, dass der Bund bezüglich aller wesentlichen Fragen zur Umsetzung des Gewährleistungsauftrags einer gesetzlichen Grundlage bedarf317. 2. Verstoß gegen den Gesetzesvorbehalt durch den BSEAG-E? Dies bedeutet hingegen nicht, dass der Gesetzgeber alle Sachverhalte, die in irgendeinem Zusammenhang mit Art. 87e IV 1 GG stehen, selbst entscheiden muss. Dies wäre auch in der Praxis kaum möglich. Er kann vielmehr auch weniger wesentliche Fragen der Entscheidung durch die Exekutive überlassen. Die entscheidende Fragestellung liegt darin, was genau als wesentlich eingestuft werden muss und daher einer gesetzlichen Regelung bedarf und welche Entscheidungen nicht dem Wesentlichkeitsvorbehalt318 unterfallen und aus diesem Grund an die Exekutive delegiert werden können319. Problematisch ist im vorliegenden Fall insbesondere, ob der BSEAG-E diesem Wesentlichkeitskriterium gerecht wird oder vielmehr Fragen, die der Gesetzgeber selbst hätte regeln müssen der Konkretisierung durch die Exekutive überlassen werden320. Um diesen Sachverhalt zu klären, ist es indes nicht notwendig, eine allgemeingültige Formel zur Präzisierung des Wesentlichkeitskriteriums aufzustellen321. Ein geeigneter Weg besteht auch darin, diejenigen Regelungen des BSEAG-E, deren Vereinbarkeit mit Art. 87e IV 2 GG problematisch ist, zu untersuchen und im Einzelfall festzustellen, ob ein Verstoß gegen das Wesentlichkeitskriterium vorliegt oder nicht. Zwei inhaltliche Punkte des BSEAG-E erscheinen in diesem Zusammenhang hinsichtlich ihrer Verfassungsmäßigkeit problematisch: Die in § 21 BSEAG-E vorgese-
317
Siehe die Nachweise in Fn. 314. Zum Kriterium der „Wesentlichkeit“ im Rahmen des Vorbehalts des Gesetzes siehe BVerfGE 40, 237 (249); 49, 89 (127); 58, 257 (278); 76, 1 (75 f.); 77, 170 (230 f.); 83, 130 (152); D. Hömig, Grundlagen und Ausgestaltung der Wesentlichkeitslehre, in: FG 50 Jahre BVerwG, S. 273 ff.; A.v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, S. 183 ff.; K. Stern, Staatsrecht I, S. 812 ff. 319 Ehlers, Rechtsgutachten, S. 113 f. 320 So die Einschätzung Hermes, Stellungnahme, Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 56. 321 Ungeachtet dessen ist hier aber jedenfalls nicht die nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG anzuwendende Formel, wonach vor allem auf die Wesentlichkeit für die Verwirklichung der Grundrechte abzustellen ist (BVerfGE 47, 46 [79]; 83, 130 [142]; 98, 218 [251]), anwendbar. Dies resultiert daraus, dass schon die Grundrechtsberechtigung der Eisenbahnen des Bundes, die sich in 100 %igem Bundeseigentum befinden, überwiegend abgelehnt wird. Siehe dazu die Nachweise in § 6 B. III. 4. e) aa), Fn. 270 (Kapitel 3). 318
§ 13 Verfassungsmäßigkeit
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hene Regelung des Nahverkehrs322 und das Fehlen einer Norm bezüglich der Verwendung der Erlöse aus dem Verkauf nicht betriebsnotwendiger Immobilien. In § 21 I BSEAG-E findet sich folgende Regelung: „Von den Mitteln, die der Bund nach den vorstehenden Regeln für die Unterhaltung sowie den Ausbau der Schienenwege der Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes zur Verfügung stellt, sind zwanzig vom Hundert für Maßnahmen in Schienenwege der Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes, die dem Schienenpersonennahverkehr dienen, zu verwenden. Die Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes stimmen diese Maßnahmen mit dem jeweiligen Land ab.“
Die Regelung muss insofern auf Kritik stoßen, als dass ein großer Teil der Eisenbahnstrecken sowohl für den Fern- als auch für den Nahverkehr genutzt werden und aus diesem Grunde die Gefahr besteht, dass die in die DB AG eingegliederten EIU die vorgesehenen Mittel nur für solche Strecken einsetzen, die gleichzeitig dem Fernverkehr dienen, da die DB AG vor allem Letzteren betreibt. Daraus könnte die Vernachlässigung derjenigen Streckenteile resultieren, die allein dem Nahverkehr dienen.323 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass gerade Investitionen in solche Strecken, die sowohl für den Fern- als auch für den Nahverkehr genutzt werden, besonders nützlich erscheinen. Die Regelung des § 21 I BSEAG-E soll lediglich sicherstellen, dass ein bestimmter Anteil der Bundesmittel definitiv dem Nahverkehr zugute kommt324 – und genau dies erreicht die Norm auch325. Der Gefahr, dass diejenigen Strecken, die lediglich dem Nahverkehr dienen, vernachlässigt werden, wird schon dadurch begegnet, dass in der LuFV Parameter für einen betriebsbereiten Zustand der Schienenwege vereinbart werden und diese durch die EIU einzuhalten sind. Erfüllen sie ihre diesbezüglichen Verpflichtungen nicht, steht es dem Bund frei, seine Mittel zu kürzen, die LuFV anzupassen oder gar zu kündigen. Im Übrigen ist zu bedenken, dass dem Gesetzgeber bei der Umsetzung des Gewährleistungsauftrages aufgrund seiner Einschätzungsprärogative ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht326. Verlangt wird auch nicht eine flächendeckende und bestmögliche Schienennetzinfrastruktur, sondern lediglich eine gewisse Grundversorgung der Bevölkerung327. Deswegen kann jedenfalls nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass die Regelung des § 21 I BSEAG-E zu unbestimmt ist und insofern gegen den Gesetzesvorbehalt aus 322 Hinsichtlich dieser beiden Punkte geht Ehlers, Rechtsgutachten, S. 107 f., 109 ff., 114 von einem Verstoß gegen den Gesetzesvorbehalt aus Art. 87e IV 2 GG aus. 323 So Ehlers, Rechtsgutachten, S. 109. 324 BT-Drucks. 16/6383, S. 31. 325 Gegen einen Verstoß des § 21 BSEAG-E gegen Art. 87e IV 2 GG spricht zudem, dass die Norm die Regelung des § 8 II SchwAbG inhaltlich aufgreift und insofern keine Neuregelung darstellt. Laut BT-Drucks. 16/6383, S. 31, kommen unter der aktuellen Rechtslage nach allgemeiner Erfahrung ca. 15 % der bereitgestellten Mittel jedenfalls auch dem Nahverkehr zugute, während ein Anteil von ca. 5 % ausschließlich für den Nahverkehr eingesetzt wird. 326 Windthorst, Art. 87e, Rn. 64; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 70; Uerpmann, Art. 87e, Rn. 16a; E. Schmidt-Aßmann / H. Röhl, DÖV 1994, 577 (585). 327 Windthorst, Art. 87e, Rn. 64. Vgl. auch Gersdorf, Art. 87e, Rn. 70 ff.
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Art. 87e IV 2 GG verstößt, als dass sie nicht regelt, wie viele Mittel allein dem Schienenpersonennahverkehr zugute kommen müssen. Insofern nämlich zu erwarten ist, dass eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Schieneninfrastruktur und Verkehrsangeboten auch ohne gesetzliche Regelung zu erwarten ist, bedarf es keiner entsprechenden Normierung328. Dem EBNeuOG-E mangelt es zudem an einer Vorschrift, die die Verwendung des Erlöses aus der Veräußerung nicht betriebsnotwendiger Immobilien der EIU regelt. Der hohe Grundstückswert des Schienennetzes der EIU des Bundes, der im dreistelligen Milliardenbereich liegt, spricht für eine Normierung der Frage, wem diese Erlöse zustehen sollen und wie ggf. damit zu verfahren ist.329 Sicherlich wäre es rechtspolitisch wünschenswert gewesen, wenn der Gesetzgeber eine entsprechende Regelung in den EBNeuOG-E aufgenommen hätte. Damit ist unterdessen noch keine Aussage darüber getroffen, ob dies auch verfassungsrechtlich notwendig ist. Zum einen spricht dagegen, dass sich der Gesetzesvorbehalt in Art. 87e IV 2 GG auf diejenigen wesentlichen Gegenstände beschränkt, die mit dem Gewährleistungsvorbehalt eng verknüpft sind. Wenn es dabei vor allem um die Grundversorgung mit Eisenbahninfrastruktur- und Eisenbahnverkehrsangeboten geht, so leuchtet nicht ein, warum der Vorbehalt gerade die Veräußerung nicht betriebsnotwendiger Immobilien betreffen sollte. Deren Kategorisierung als solche definiert sie ja gerade als für eine Grundversorgung nicht essentiell. Zum anderen mag das gesamte Immobilienvermögen der EIU des Bundes zwar einen dreistelligen Milliardenbetrag wert sein. Der Anteil der nicht betriebsnotwendigen Liegenschaften an diesem Wert dürfte jedoch nur einen Bruchteil ausmachen. Dazu kommt, dass sich der Verkehrswert bei einer Veräußerung auch sicher nicht immer erzielen lässt. Im Übrigen ist auch nicht erkennbar, warum der Wert dieser Immobilien darüber entscheiden sollte, ob diese vom Gesetzesvorbehalt des Art. 87e IV 2 GG betroffen sind. Eine solche Argumentation würde nur dann gelingen, wenn die Erlöse für die Aufrechterhaltung der Grundversorgung der Bevölkerung mit Schieneninfrastruktur und -verkehrsangeboten unbedingt notwendig wären. Dies ist indes nicht zu erkennen. Ansonsten führt der hohe Wert der Liegenschaften allenfalls dazu, den Regelungsgegenstand als wesentlich einzuordnen. Wenn er aber schon dem Grunde nach dem Gesetzesvorbehalt nicht unterfällt, ist dies nicht mehr entscheidend. Folglich ist auch darin, dass der EBNeuOGE keine Regelung über die Verwendung der Erlöse aus der Veräußerung nicht betriebsnotwendiger Immobilien vorsieht, kein Verstoß gegen Art. 87e IV 2 GG zu sehen. Weitere Regelungsdefizite, die einen Verstoß gegen den Gesetzesvorbehalt be-
328 Vgl. Gersdorf, Art. 87e, Rn. 69. So sieht Möstl, Art. 87e, Rn. 187, es auch nicht als Verstoß gegen Art. 87e IV 2 GG an, dass es bislang kein Gewährleistungsgesetz für den Bereich des Fernverkehrs gibt, da der Bund darauf vertrauen dürfe, dass auch ohne planmäßige Organisation gemeinwirtschaftlicher Leistungen durch den Gesetzgeber lukrative Fernverkehrsangebote erbracht werden. 329 Ehlers, Rechtsgutachten, S. 107 f.
§ 14 Die materielle Privatisierung im politischen Diskurs
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gründen könnten, sind nicht ersichtlich. Daher liegt insgesamt kein Verstoß gegen Art. 87e IV 2 GG vor330. VIII. Zwischenergebnis Betrachtet man nun das Ergebnis der Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit des EBNeuOG-E, so ist kein Verfassungsverstoß festzustellen. In Art. 87e III 3 HS 2 GG wird festgeschrieben, dass der Bund Eigentümer der Mehrheit der Anteile an den EIU bleiben muss. Sowohl die Einwirkungsrechte, die dem Bund in Bezug auf die EIU zustehen als auch die zwischen ihnen bestehenden vermögensrechtliche Beziehungen genügen diesen Anforderungen. Zudem liegt kein Verstoß gegen den Gewährleistungsauftrag des Bundes aus Art. 87e IV 1 GG und gegen die Gesetzesvorbehalte in Art. 87e III 3 HS 1 und Art. 87e IV 2 GG vor. Der EBNeuOG-E ist damit insgesamt materiell verfassungsgemäß.
D. Ergebnis Der EBNeuOG-E steht damit sowohl formell – soweit dies schon beurteilt werden kann – als auch materiell mit der Verfassung in Einklang.
§ 14 Die materielle Privatisierung im politischen Diskurs – Volksaktien- und Holdingmodell A. Widerstand gegen das Eigentumssicherungsmodell Der Gesetzentwurf für ein EBNeuOG wurde zwar von den Regierungsfraktionen der CDU/CSU und SPD in den Bundestag eingebracht und durchlief dort am 21. September 2007 die erste Lesung331. Schon bald wurde jedoch deutlich, dass verschiedene Seiten dem in der Vorlage verwirklichten Privatisierungsmodell erheblichen Widerstand leisten würden. Kritik kam dabei, neben den Oppositionsparteien, auch von den Ländern und der SPD-Basis. Die Opposition war sich zwar einig in der Ablehnung des vorgelegten Konzepts, nicht aber in der Begründung dieser Ablehnung. Vertreter der FDP forderten weiterhin ein Privatisierungsmodell, bei dem Netz und Betrieb klar voneinander getrennt werden332. Die Fraktion Die Linke lehnte einen Börsengang der DB AG hingegen vollkommen ab und favorisierte es, den Konzern in Staatseigentum zu belassen333. 330
So im Ergebnis auch Möllers / Schäfer, Rechtsgutachten, S. 34. BT-Plenarprotokoll 16/116, S. 11997 ff. 332 Vgl. die Rede des Abgeordneten der FDP-Fraktion H. Friedrich, BT-Plenarprotokoll 16/ 116, S. 11999 ff. 333 Vgl. die entsprechenden Anträge der Fraktion Die Linke, BT-Drucks. 16/3801 und 16/ 4110 sowie die Rede des Abgeordneten O. Lafontaine, BT-Plenarprotokoll 16/116, S. 12003 ff. 331
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Einen so rigiden Standpunkt nahm die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen nicht ein; an der Umsetzung der Privatisierung kritisierten sie jedoch unter anderem die mangelnde Stärkung des Wettbewerbs334. Auch aus den Bundesländern kam energischer Widerstand, was um so überraschender war, als dass die Regierungsparteien auch im Bundesrat über eine deutliche Mehrheit verfügten. Bereits auf der Verkehrsministerkonferenz vom 22./23. November 2006 brachten die Ländervertreter zum Ausdruck, dass sie sich nicht ausreichend in den Entscheidungsprozess hinsichtlich einer Bahnprivatisierung einbezogen fühlten335. Als der Gesetzentwurf für ein EBNeuOG schließlich vorlag, urteilten die Verkehrsminister, dass die Vorlage den Interessen der Länder nicht entspreche. Darüber hinaus waren sie der Meinung, dass bei Verabschiedung der Vorlage die Umsetzung der im Rahmen der Bahnreform von 1994 vereinbarten verkehrspolitischen Ziele stark behindert würde und zudem erhebliche Haushaltsrisiken für Bund und Länder bestünden.336 Damit war deutlich geworden, dass eine Mehrheit für den EBNeuOG-E im Bundesrat äußerst unsicher war. Das Ländergremium hätte dem Vorhaben aber gem. Art. 87e IV 2 i.V.m. 87e V 1 GG zustimmen müssen. Obwohl der Gesetzentwurf aus dem Verkehrsministerium, und damit aus einem SPD-geführten Haus stammte, wuchs auch der Widerstand in den Reihen der SPD-Mitglieder gegen das Eigentumssicherungsmodell. Kurz vor dem Bundesparteitag in Hamburg vom 26. bis 28. Oktober 2007 sprach sich bereits der Parteivorstand für das sog. Volksaktienmodell aus, nachdem zunächst 25,1 % stimmrechtsloser Vorzugsaktien ausgegeben werden sollten337. Auf dem Bundesparteitag selbst nahm die Parteibasis schließlich einen entsprechenden Initiativantrag an, der dem ursprünglichen Gesetzentwurf des EBNeuOG in mehreren Punkten zuwiderlief338. Die bedeutendste beabsichtigte Änderung bestand darin, dass man privaten Investoren keinerlei Einfluss auf die Unternehmenspolitik zugestehen wollte. Dieses Vorhaben sollte, wie durch den Parteivorstand beschlossen, durch die Ausgabe stimmrechtsloser Vorzugsaktien verwirklicht werden.339 Für die Vertreter des ursprünglichen Eigentumssicherungsmodells war diese Entscheidung nicht nur der Sache nach eine Niederlage, weil 334
Vgl. die Rede des Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen W. Hermann, BTPlenarprotokoll 16/116, S. 12005 ff. 335 Siehe Verkehrsministerkonferenz (Hrsg.), Beschluss-Sammlung Verkehrsministerkonferenz am 22./23.11.2006 in Berlin, TOP 3.2, S. 1. Das Dokument ist im Internet abrufbar unter
(Stand: 15. Dezember 2008). 336 Siehe Verkehrsministerkonferenz, Beschluss (2007), S. 1. 337 Vgl. o.V., SPD-Vorstand stimmt für Volksaktienmodell, Artikel vom 22. Oktober 2007, im Internet abrufbar unter (Stand: 29. Mai 2008). 338 Dementsprechend heißt es im Antrag auch, dass eine Änderung des vorliegenden Gesetzentwurfes notwendig sei, siehe Vorstand der SPD (Hrsg.), Parteitag der SPD in Hamburg, 26. bis 28. Oktober 2007 – Beschlüsse, Initiativantrag 6, S. 215. 339 Siehe Parteitags-Beschlussbuch, Initiativantrag 6, S. 215.
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das von ihnen favorisierte Modell Ablehnung erfuhr. Sie waren durch den Parteitagsbeschluss auch für die Zukunft gebunden. Der Antrag sah nämlich weiterhin für den Fall, dass sich das Modell der stimmrechtslosen Vorzugsaktien nicht durchsetzen ließe, vor, jede weitere Entscheidung über eine Privatisierung der DB AG wiederum dem Parteitag zu übertragen340. Durch diese Entscheidung war der EBNeuOG-E und das darin konzipierte Eigentumssicherungsmodell, der bereits durch die Kritik der Länder erheblich ins Wanken geraten war, politisch faktisch obsolet. Jedenfalls aber hätte der Gesetzentwurf in einigen wesentlichen Punkten überarbeitet werden müssen.
B. Das sog. Volksaktienmodell Wäre der Gesetzentwurf für ein EBNeuOG in der vom SPD-Bundesparteitag beschlossenen Weise geändert worden, so hätten statt normaler Aktien zunächst nur Vorzugsaktien ohne Stimmrecht i.S.v. §§ 12 I 2, 139 I AktG ausgegeben werden dürfen. Solche Aktien gewähren dem Inhaber die jedem Aktionär aus der Aktie zustehenden Rechte mit Ausnahme des Stimmrechts (§ 140 I AktG), sind dafür aber mit einer Vorzugsdividende ausgestattet341. Dies hätte die internen Einflussrechte des Bundes auf die EIU wesentlich gestärkt. Er hätte dann weiterhin die volle Kontrolle über die DB AG behalten und auf diese Weise faktisch alle Entscheidungen bezüglich der EIU treffen können, auch wenn die Stimmrechte in deren Haupt- bzw. Gesellschaftsversammlungen vom Vorstand der DB AG wahrgenommen werden. Damit hätte sich, jedenfalls was die Einflussrechte des Bundes auf die EIU angeht, faktisch keine Veränderung zur Situation vor der materiellen Privatisierung ergeben342, sodass in dieser Hinsicht auch keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes bestanden hätten. Bezüglich der Vermögensrechte des Bundes an den EIU hätten sich indes keine Änderungen zum ursprünglichen Entwurf ergeben. Da aber auch dieser bereits als verfassungsgemäß bewertet werden muss343, kann auch bezüglich eines überarbeiteten Entwurfs, der lediglich die Ausgabe stimmrechtsloser Vorzugsaktien vorgesehen hätte, nichts anderes gelten344.
340
Siehe Parteitags-Beschlussbuch, Initiativantrag 6, S. 215 f. Ausführlich zu stimmrechtslosen Vorzugsaktien T. Bezzenberger, Vorzugsaktien ohne Stimmrecht; B. Pellens / F. Hillebrandt, AG 2001, 57 ff.; U.R. Siebel, ZHR 161 (1997), 628 ff.; G. Reckinger, AG 1983, 216 ff. 342 So auch die Einschätzung Ehlers, Rechtsgutachten, S. 115. 343 Siehe oben, § 13 D. 344 Ehlers, Rechtsgutachten, S. 115, stuft die Situation auch bei Ausgabe stimmrechtsloser Vorzugsaktien als verfassungswidrig ein. 341
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C. Das sog. Holdingmodell I. Der Entwurf des Holdingmodells Nach den Beschlüssen des SPD-Vorstands und des Bundesparteitags, die eine Umsetzung des sog. Volksaktienmodells befürworteten, kam es in den Unionsfraktionen zu ablehnenden Reaktionen. Man kritisierte insbesondere, dass bei der Ausgabe stimmrechtsloser Vorzugsaktien der Veräußerungserlös deutlich geschmälert würde345 und das Modell für Anleger unattraktiv sei. Der CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla drohte sogar mit einem völligen Scheitern der Privatisierungspläne, sollte die SPD am Volksaktienmodell festhalten.346 Anfang November 2007 fand schließlich ein Spitzentreffen im Kanzleramt unter Leitung des Kanzleramtsministers Thomas de Maizire statt, an dem neben dem Vorstandsvorsitzenden der DB AG, Hartmut Mehdorn, der Finanzminister Peer Steinbrück sowie der Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee teilnahmen. Dabei wurde die Idee des sog. Holding-Modells entwickelt. Dies hatte nichts mehr mit dem bereits im PRIMON-Gutachten untersuchten sog. Finanzholding-Modell347 zu tun, sondern stellte vielmehr eine völlig neue Gestaltungsvariante einer Privatisierung dar. Danach war vorgesehen, dass über den Bereichen Personennahverkehr, Personenfernverkehr, Güterverkehr und Logistik eine Finanzholding gegründet wird, die dann bis zu einem Anteil von 49 % privatisiert werden sollte. Der Verkehrsminister erhielt daraufhin den Auftrag, dem Koalitionsausschuss einen Bericht vorzulegen, in dem sowohl das Volksaktienmodell als auch das neu entwickelte Holding-Modell bewertet werden sollten.348 II. Die Reaktion der Opposition Die Oppositionsparteien fürchteten, eine Umsetzung des Holding-Modells könne ohne Gesetz und auch ohne einen entsprechenden Parlamentsbeschluss erfolgen. Da der Gesetzesvorbehalt für eine Privatisierung gem. Art. 87e III 3 HS 1 GG nur für die EIU gilt und in der Finanzholding ja gerade die Eisenbahnverkehrsunternehmen zusammengefasst werden sollten, erschien dies als grundsätzlich möglich349. Die Frak-
345 Vgl. auch B. Pellens / F. Hillebrandt, AG 2001, 57 (57), die darauf verweisen, dass Unternehmen, die mit zwei Aktiengattungen am Markt sind, häufig erhebliche Kursabschläge der Vorzugs- gegenüber den Stammaktien hinnehmen müssen. 346 Vgl. o.V., Mehdorn verliert Glauben an Bahn-Privatisierung, Artikel vom 29. Oktober 2007, im Internet abrufbar unter (Stand: 29. Mai 2008). 347 Vgl. dazu bereits oben, § 11 B. I. 5. 348 Siehe BT-Drucks. 16/8046, S. 2. 349 So auch die Einschätzung von L. Neuhoff, FDP-Referent für Verkehrs- und Infrastrukturpolitik, in einem Schreiben an die FDP-Mitglieder des Verkehrsausschusses und des Haushaltsausschusses, S. 1, im Internet abrufbar unter (Stand: 09. Juni 2009).
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tion Bündnis 90 / Die Grünen brachte schließlich im Februar einen Antrag in den Bundestag ein, in dem sie die Bundesregierung aufforderte: - keine Umorganisation der DB AG zum Zwecke der Teilprivatisierung ohne gesetzliche Basis vorzunehmen - dem Deutschen Bundestag unverzüglich einen Bericht über den Stand und ihre Pläne zur Teilprivatisierung der DB AG durch den Verkehrsminister vorzulegen - den von der Bundesregierung in den Aufsichtsrat der DB AG entsandten Mitgliedern und den Mitgliedern der Hauptversammlung kein Mandat für eine weitreichende Neuorganisation der DB AG zu erteilen - durch eine Beteiligung der Bundesländer im gesetzgeberischen Verfahren sicherzustellen, dass deren Belange bei einer angestrebten Teilprivatisierung angemessen berücksichtigt werden - dem Deutschen Bundestag Alternativen zur Kapitalprivatisierung der DB AG nach dem Holding-Modell vorzulegen350. Der Antrag wurde zunächst ohne Aussprache an die entsprechenden Ausschüsse überwiesen351. Auch die FDP-Fraktion richtete sich im April 2008 in einem Antrag gegen eine Bahnprivatisierung ohne gesetzliche Grundlage, wie sie durch das Holding-Modell ggf. möglich geworden wäre. Darin forderte sie die Bundesregierung auf, dem Bundestag unverzüglich einen neuen Gesetzentwurf zur Privatisierung der Verkehrs-, Transport- und Logistiksparten der DB AG vorzulegen sowie weiterhin in diesem Gesetzentwurf auch die notwendigen Begleitregelungen im Bundesschienenwegeausbaugesetz, im Allgemeinen Eisenbahngesetz und im Bundeseisenbahnverkehrsverwaltungsgesetz zu treffen352. III. Die Befassung des Bundestages Die Bundesregierung ließ sich durch diese Forderungen der Opposition jedoch nicht beeindrucken. Am 08. Mai 2008 brachten die Regierungsfraktionen schließlich einen eigenen Antrag353 in den Bundestag ein. Darin verwies man auf die angeblichen Erfolge der Bahnreform von 1994 und stellte gleichzeitig klar, dass die Bahn aufgrund der weiter steigenden Güterverkehrsströme vor neuen Herausforderungen stünde. Diese könnten aber nur mit einem Innovations- und Investitionsschub gemeistert werden, wofür die Bahn zusätzliche Mittel Dritter benötige.354 Im Folgenden wurde die 350
Siehe BT-Drucks. 16/8046, S. 3. Siehe BT-Plenarprotokoll 16/142, S. 14937. Zuständig waren folgende Ausschüsse: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (federführend), Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, Haushaltsausschuss sowie Rechtsausschuss. 352 Siehe BT-Drucks. 16/8774, S. 3. 353 BT-Drucks. 16/9070. 354 BT-Drucks. 16/9070, S. 1 f. 351
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Struktur des Holdingmodells skizziert und festgestellt, dass es zu dessen Umsetzung keiner gesetzlichen Änderung bedürfe. Schließlich enthielt der Antrag den Vorschlag, die Bundesregierung zur Umsetzung dieser Organisationsstruktur aufzufordern und dabei insbesondere folgende Punkte zu gewährleisten: - Der integrierte Konzern der DB AG bleibt erhalten und wird gesichert. Private Investoren erhalten keinen bestimmenden Einfluss auf den Kernbereich der Unternehmenspolitik der DB AG. - Privates Kapital wird mit 24,9 % an den Bereichen Verkehr und Logistik der DB AG beteiligt. Dafür werden der Güter-, Fern- und Regionalverkehr sowie dazugehörende geeignete Dienstleistungen der DB AG zu einer Gesellschaft zusammengefasst. Die DB AG bleibt zu 100 % im Bundeseigentum und behält die Aktienmehrheit an dieser Gesellschaft. - Die EIU bleiben dauerhaft und vollständig bei der DB AG und damit zu 100 % beim Bund. - In einem Beteiligungsvertrag des Bundes mit der DB AG wird die oben beschriebene Struktur einschließlich der Beteiligung Dritter geregelt. Hierbei soll Bezug genommen werden auf die im Grundgesetz festgelegte Infrastruktur- und Angebotsverantwortung. Hierzu gehört, dass der Bund dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz – als Ausdruck der Daseinsvorsorge für die Bürger – Rechnung trägt. Soweit die Verkehrsangebote auf dem Schienennetz den Schienenpersonennahverkehr betreffen, obliegen die Verpflichtungen zur Daseinsvorsorge nach geltendem Recht den Bundesländern. Der Bund wird die Länder weiterhin bei der Erfüllung dieser Verpflichtungen mit Finanzmitteln unterstützen, wie sie derzeit im Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs vorgesehen sind. An der Dynamisierung wird festgehalten; eine Revision ist für 2014 vorgesehen. Entsprechend den gesetzlichen Aufgaben der Länder (Bestellorganisationen, Verkehrsverbünde) sollen eine Vernetzung und Vertaktung von Nah- und Fernverkehrsangeboten erfolgen. Vor Abschluss ist der Beteiligungsvertrag dem Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages vorzulegen. - Der konzerninterne Arbeitsmarkt muss auch nach der Anteilsveräußerung langfristig gesichert bleiben. - Der Veräußerungserlös wird zu etwa gleichen Teilen verwandt für ein Innovationsund Investitionsprogramm für den Schienenverkehr, für eine Aufstockung des Eigenkapitals der DB AG und für den Bundeshaushalt. Der Bund erwartet, dass die der Bahn zur Verfügung gestellten Mittel für nationale Innovationen und Investitionen verwandt werden. Mit dem Programm werden insbesondere Lärm mindernde, Energieeffizienz steigernde und Netz verbessernde Maßnahmen sowie Investitionen in Bahnhöfe finanziert.
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- Aus wettbewerbs- wie europarechtlichen Gründen wird sichergestellt, dass der Bereich Verkehr und Logistik keine diskriminierenden Einflüsse auf die Infrastrukturunternehmen ausüben kann. - In einer Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) sollen die Regelungen zu Qualitätsparametern und zu Berichtspflichten an das Parlament vertraglich vereinbart werden. Dazu ist vorher die Zustimmung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages einzuholen sowie das Benehmen mit den Ländern herzustellen. Der Abschluss der LuFV soll auf der Basis einer haushaltsgesetzlichen Ermächtigung stattfinden. Die Bundesregierung wird künftig jährlich dem Deutschen Bundestag über die Entwicklung und den Zustand der Infrastruktur sowie über die Umsetzung der LuFV berichten. - Die Gesetzgebungskompetenz des Deutschen Bundestages für die wesentlichen eisenbahnpolitischen Steuerungsinstrumente bleibt unberührt (zum Beispiel Allgemeines Eisenbahngesetz, Bundesschienenwegeausbaugesetz, Regionalisierungsgesetz).355 Der Antrag der Regierungsfraktionen wurde schließlich zusammen mit dem Antrag der Fraktion der FDP356 und einem weiteren Antrag der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen357 im Parlament beraten358. In diesem neuen Antrag reagierten Letztere bereits auf den Antrag der Regierungsfraktionen und lehnten das Holdingmodell aufgrund einer fehlenden klaren Trennung von Netz und Verkehr nochmals kategorisch ab359. Die Plenardebatte selbst hielt, was die Haltung von Oppositions- und Regierungsparteien zur Umsetzung der Privatisierung der Bahn mittels des Holdingmodells betrifft, keine Überraschungen bereit, sondern verlief so, wie nach den Anträgen der verschiedenen Parteien zu erwarten gewesen war. Die Redner aus den Reihen von SPD und CDU/CSU verteidigten ihre Privatisierungspläne und verwiesen auf die bisherigen Erfolge der ersten beiden Stufen der Bahnreform360. Von den Vertretern der Oppositionsparteien hagelte es hingegen durchgängig Kritik. Zum einen, weil das Holdingmodell inhaltlich abgelehnt wurde361, zum anderen aber auch, weil man mit der 355
BT-Drucks. 16/9070, S. 2 f. BT-Drucks. 16/8774. 357 BT-Drucks. 16/9071. 358 BT-Plenarprotokoll 16/160, S. 16860 ff. 359 BT-Drucks. 16/9071, S. 1. 360 Siehe dazu im BT-Plenarprotokoll 16/160 die Redebeiträge der Abgeordneten K. Hübner (SPD), S. 16861 f.; H.-P. Friedrich (CDU/CSU), S. 16864 ff.; W. Tiefensee (SPD), S. 16871 ff.; D. Fischer (CDU/CSU), S. 16876 ff.; U. Beckmeyer (SPD), S. 16878 ff.; E. Ferlemann (CDU/CSU), S. 16880 f. 361 Siehe dazu im BT-Plenarprotokoll 16/160 die Redebeiträge der Abgeordneten H. Friedrich (FDP), S. 16862 ff.; G. Gysi (Die Linke), S. 16867 ff.; W. Hermann (Bündnis 90 / Die Grünen), S. 16869 ff. 356
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Art und Weise und der Geschwindigkeit der parlamentarischen Befassung mit den Privatisierungsplänen nicht einverstanden war. So kritisierte der Abgeordnete Horst Friedrich beispielsweise, dass die Oppositionsparteien den zu beratenden Antrag der Regierungsfraktionen erst am Vortag der Bundestagsdebatte erhalten hätten und sprach in diesem Zusammenhang von einer „Lösung im Schweinsgalopp“362. Ebenfalls Ablehnung rief die Reihenfolge der Redebeiträge hervor. Weil der Verkehrsminister nicht am Anfang der Debatte gesprochen hatte und nach ihm bloß noch Vertreter der Regierungsfraktionen das Wort hatten, bestand für die Opposition – abgesehen von Zwischenfragen – keine Möglichkeit mehr, auf die Rede des Ministers einzugehen.363 Der Redner von der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen äußerte zudem Bedenken, weil bereits abzusehen war, dass zum Zeitpunkt der Abstimmung über den Antrag von CDU/CSU und SPD weder ein Netzzustandsbericht, noch die geplante Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung oder der beabsichtigte Beteiligungsvertrag vorliegen würden364. Schließlich rief der Umstand Kritik hervor, dass die Privatisierung durch einen einfachen Bundestagsbeschluss und ohne eine entsprechende gesetzliche Grundlage erfolgen sollte365. Die beratenen Anträge wurden am Ende der Debatte zunächst an die zuständigen Ausschüsse verwiesen366. Im federführenden Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung fand daraufhin am 26. Mai 2008 eine öffentliche Anhörung mit Sachverständigen aus verschiedenen Bereichen statt367.
362
BT-Plenarprotokoll 16/160, S. 16862 f. Vgl. dazu im BT-Plenarprotokoll 16/160 den Zwischenruf des Abgeordneten V. Schneider (Die Linke), S. 16871 sowie die Zwischenfrage des Abgeordneten J. Koppelin (FDP), S. 16872. 364 BT-Plenarprotokoll 16/160, S. 16870 f. 365 Siehe dazu im BT-Plenarprotokoll 16/160 die Redebeiträge der Abgeordneten H. Friedrich (FDP), S. 16864; W. Hermann (Bündnis 90 / Die Grünen), S. 16870 sowie G. Gysi (Die Linke), S. 16868, der darin eine Verletzung des Art. 87e GG erblickte und aufgrund der Entscheidung für das Holding-Modell auch einen Bruch des Beschlusses des Bundesparteitages der SPD. 366 Siehe BT-Plenarprotokoll 16/160, S. 16881. Es handelte sich dabei um folgende Ausschüsse: Für den Antrag BT-Drucks. 16/9071 – Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Innenausschuss, Rechtsausschuss, Finanzausschuss, Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, Ausschuss für Tourismus, Haushaltsausschuss; für den Antrag BT-Drucks. 16/ 8774 – Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Ausschuss für Tourismus; für den Antrag BT-Drucks. 16/9071 – Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (vgl. BT-Plenarprotokoll 16/160, S. 16860). 367 Siehe Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/63. Als Sachverständige waren anwesend: C. Böttger (Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin), G. Elste (Präsident des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen), M. Holzhey (KCW GmbH), L. Krauß (Vorsitzender der Gewerkschaft TRANSNET), K. Mitusch (TU Berlin), C. Schäfer (Institut für Unternehmensrecht der Universität Mannheim), C. Weselsky (Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer). 363
§ 14 Die materielle Privatisierung im politischen Diskurs
223
IV. Die Reaktion des Bundesrates Parallel zu diesen Vorgängen reagierten auch die Länder auf die jüngsten Entwicklungen. Das Land Sachsen-Anhalt brachte am 07. Mai 2008 einen eigenen Gesetzentwurf in den Bundesrat ein368. Er war als „Entwurf eines Gesetzes zur Sicherstellung von Eisenbahninfrastrukturqualität und Fernverkehrsangebot“ bezeichnet und als Artikelgesetz konzipiert, das folgende Einzelgesetze zusammenfasste: - Entwurf eines Gesetzes über die Erhaltung und den Ausbau der Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes (BSEAG-E2) - Entwurf eines Gesetzes zur Gewährleistung des Schienenpersonenfernverkehrs (BSPFVG-E) Darüber hinaus beinhaltete es die Aufhebung des Bundesschienenwegeausbaugesetzes. In der Begründung des Gesetzentwurfes hieß es, dass die Privatisierung einer Zwischenholding für Verkehr und Logistik eine Reihe von Risiken für den Schienenverkehr und die Qualität der Infrastruktur berge, deren Beherrschung nur auf Grundlage eines Gesetzes möglich sei. Zudem leisteten die Länder einen erheblichen Beitrag zur Finanzierung der Infrastruktur der Eisenbahnen des Bundes und müssten daher auch an Neuregelungen in diesem Bereich beteiligt werden, sodass eine LuFVeiner gesetzlichen Grundlage bedürfe. Dies gelte um so mehr, als dass ohnehin eine Anpassung des Bundesschienenwegeausbaugesetzes erforderlich sei, da sich die geplante LuFV nicht mit den Regelungen zur Finanzierung durch zinslose Darlehen und Baukostenzuschüsse in Einklang bringen lasse.369 Der Gesetzesentwurf des Landes Sachsen-Anhalt war mit dem Antrag verbunden, die Vorlage gem. Art. 76 I GG im Deutschen Bundestag einzubringen. Diesem Antrag traten zunächst die Länder Bayern, Hessen und das Saarland bei370. Nach einer kurzen Aussprache im Bundesrat am 23. Mai 2008, bei der auch der Bundesverkehrsminister anwesend war und sogar einen Redebeitrag beisteuerte, nahm die Länderkammer den Antrag Sachsen-Anhalts an371. 1. Der Entwurf des Gesetzes über die Erhaltung und den Ausbau der Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes (BSEAG-E2) Der Entwurf für ein BSEAG basiert ganz offensichtlich auf der im EBNeuOG-E enthaltenen entsprechenden Vorlage. So ist nicht nur die Struktur der Entwürfe sowie ihre Gliederung fast identisch, sondern viele Vorschriften sind darüber hinaus wortgleich. Dennoch enthält der sachsen-anhaltinische Entwurf einige Besonderheiten, die ganz überwiegend der stärkeren Einbeziehung der Länderinteressen dienen. Be368 369 370 371
Siehe BR-Drucks. 315/08. Siehe BR-Drucks. 315/08, S. 24. Vgl. BR-Plenarprotokoll 844/08, S. 150. Siehe BR-Plenarprotokoll 844/08, S. 153.
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Kap. 4: Die dritte Stufe der Bahnreform – Materielle Privatisierung
sonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Vorschrift des § 3 II 2 BSEAG-E2, in dem die finanzielle Unterstützung der EIU durch den Bund auf mindestens 2,5 Mrd. Euro festgeschrieben wird – im BSEAG-E war noch von bis zu 2,5 Mrd. Euro die Rede gewesen. Zudem enthält die Gesetzesvorlage des Bundesrates eine veränderte Regelung zum Nahverkehr. Während sich im BSEAG-E lediglich die Vorschrift fand, dass mindestens 20 % der den EIU vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel in Strecken investiert werden müssen, die dem Schienenpersonennahverkehr dienen372, geht die entsprechende Regelung des Länderentwurfs deutlich darüber hinaus. Zwar sind danach ebenfalls 20 % der Bundesmittel für Nahverkehrsstrecken zu verwenden; allerdings wird dies insoweit präzisiert, dass es sich dabei um Strecken handeln muss, die überwiegend dem Nahverkehr dienen (§ 3 III 1 BSEAG-E2). Dies ist insofern von Belang, als dass der größte Teil der Schieneninfrastruktur sowohl dem Nah- als auch dem Fernverkehr dient und deshalb bei der im BSEAG-E vorgeschlagenen Regelung die Gefahr bestanden hätte, dass Streckenteile, die lediglich dem Nahverkehr dienen, vernachlässigt werden373. Diese Gefahr kann durch die Regelung in § 3 III 1 BSEAG-E2 sicher reduziert werden. Zudem sieht der Ländervorschlag vor, dass auch von den Mitteln, die die EIU des Bundes als in der LuFV festgelegten jährlichen Mindestinstandhaltungsbeitrag aufbringen müssen, ein Fünftel den überwiegenden Nahverkehrsstrecken dienen muss. Eine vergleichbare Regelung hatte der BSEAG-E nicht enthalten. Eine weitere zusätzliche Norm, die den Schutz der Länderinteressen bezwecken soll, ist § 4 Ia BSEAG-E2, der die LuFV als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Länder definieren will und diesen ein eigenes Klagerecht zugesteht. Auffällig ist außerdem, dass der BSEAG-E2 einige Verbesserungen im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf enthält, die wohl als Reaktion auf das Rechtsgutachten von Ehlers eingefügt worden sind. Dieses war im Auftrag der Verkehrsministerkonferenz der Bundesländer erstattet worden, sodass ein solches Vorgehen nur natürlich erscheint. So hatte Ehlers kritisiert, dass die Laufzeit der LuFV zu lang sei374 – dementsprechend ist im neuen Entwurf eine erste Laufzeit von nur fünf statt fünfzehn Jahren vorgesehen (vgl. § 5 BSEAG-E2)375. Weiterhin hatte der BSEAG-E eine Regelung enthalten, nach der die LuFV nach einem Jahr Laufzeit von den Vertragsparteien innerhalb von sechs Monaten unter dem Aspekt zu püfen sei, ob mit dem Vertragswerk die Erlangung und Aufrechterhaltung des betriebsbereiten Zustands der Schienenwege wirklich erreicht werden kann. Ehlers hatte es als problematisch angesehen, dass bei Feststellen eines Anpassungsbedarfs entsprechende Änderungen nur einvernehmlich zwischen den Vertragsparteien erfolgen können sollten. Er forderte im Gegensatz dazu, dass der Bund in der Lage sein sollte, auch einseitig eine Anpassung zu 372
Siehe § 21 I 1 BSEAG-E. Vgl. dazu die von Ehlers, Rechtsgutachten, S. 109 f., geäußerten Bedenken. Siehe außerdem oben, § 13 C. VII. 2. 374 Ehlers, Rechtsgutachten, S. 67. 375 Dieser Paragraph des Entwurfs war durch die BR-Drucks. zu315/08 nochmals entsprechend verändert worden. 373
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verlangen.376 Demgemäß enthält der neue Entwurf in § 4 II 2 BSEAG-E2 eine Regelung, die den Bund zu einseitigen Vertragsänderungen berechtigt. Schließlich war Ehlers der Ansicht gewesen, dass das im BSEAG-E konkludent enthaltene Kündigungsrecht für die LuFV nicht ausreichend gewesen sei und z. B. auch ein Teilkündigungsrecht hätte vorgesehen werden müssen377. Der Entwurf Sachsen-Anhalts sieht nun ein Kündigungsrecht des Bundes nicht nur ausdrücklich vor, sondern verwirklicht zudem zusätzlich genau ein solches Teilkündigungsrecht (vgl. § 10 I 1, II BSEAG-E2). Zuletzt berücksichtigt der neue Entwurf schließlich auch das Vorbringen, dass es einer Regelung bezüglich der Übertragung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes an Dritte bedürfe378 (vgl. auch Art. 87e V 2 GG). Eine solche ist nun in § 5a BSEAG-E2 enthalten. Neben vielen weiteren Abweichungen des Entwurfs des Bundesrates, auf die hier nicht im Detail eingegangen werden kann, ist vor allem eine Norm auffällig: § 10 I BSEAG-E2. Sie sieht vor, dass im Falle der Kündigung der LuFV durch den Bund diese nicht nur endet, sondern darüber hinaus die Anteile an den EIU von der DB AG auf den Bund übergehen. Ein Wertausgleich soll dafür offensichtlich nicht erfolgen. 2. Der Entwurf des Gesetzes zur Gewährleistung des Schienenpersonenfernverkehrs (BSPFVG-E) Der zweite Artikel des Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherstellung von Eisenbahninfrastrukturqualität und Fernverkehrsangebot beinhaltet den Entwurf des Gesetzes zur Gewährleistung des Schienenpersonenfernverkehrs (BSPFVG-E). Ein vergleichbares Gesetz hatte der EBNeuOG-E nicht enthalten. Laut Gesetzesbegründung soll der BSPFVG-E den Gewährleistungsauftrag des Bundes aus Art. 87e IV GG für den Schienenpersonenfernverkehr konkretisieren379, indem es ihm die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Verfahren zur Verfügung stellt. Eine gesetzliche Neuregelung sei notwendig geworden, weil die DB Reise & Touristik AG ihr Fernverkehrsangebot insbesondere in den Randlagen Deutschlands in den letzten Jahren deutlich reduziert hat und bei einer anstehenden Teilprivatisierung der DB AG die Fortsetzung dieser Entwicklung verstärkt zu befürchten sei. Dann aber wäre eine ausreichende Versorgung mit Verkehrsleistungen im Schienenpersonenfernverkehr nicht mehr gewährleistet. Dies könnte außerdem dazu führen, dass die Länder gezwungen sind, dieser Entwicklung durch zusätzliche Bestellungen im Nahverkehr entgegenzuwirken. Dies würde aber eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Verantwortungsverlagerung vom Bund auf die Länder bedeuten.380 376
Ehlers, Rechtsgutachten, S. 104 f. Ehlers, Rechtsgutachten, S. 107. 378 Ehlers, Rechtsgutachten, S. 110 f. 379 Für die Notwendigkeit eines solchen Gesetzes bereits I. Knecht, NVwZ 2003, 932 (935 f.); R. Arnold, Das Sicherstellungsgebot des Art. 87e IV GG im Bereich des Schienenpersonenfernverkehrs, in: FS Hablitzel, S. 33 (50 ff.). 380 BR-Drucks. 315/08, S. 53 f. 377
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Kap. 4: Die dritte Stufe der Bahnreform – Materielle Privatisierung
Um den genannten Gefahren zu begegnen, verpflichtet der BSPFVG-E den Bund dazu, erforderliche und anderweitig nicht erbrachte Verkehrsangebote im Schienenpersonenfernverkehr durch den Abschluss von Verkehrsdurchführungsverträgen mit Eisenbahnverkehrsunternehmen sicherzustellen (§ 1 II BSPFVG-E). Dabei wird in § 3 I 1 BSPFVG-E der Mindestumfang des zu gewährleistenden Fernverkehrsangebots auf die Zugkilometerleistung im Linienfernverkehr des Jahres 2007 festgelegt. Zudem sind gem. § 3 I 2 BSPFVG-E alle Oberzentren mit Schienenanschluss und Städte mit besonderer Verknüpfungsfunktion im Regionalverkehr durch mindestens sechs Fernzugpaare des Linienverkehrs pro Tag im überregionalen Fernverkehrsnetz anzubinden. Die diesbezüglichen Verpflichtungen und die Entwicklung des Schienenpersonenfernverkehrs muss die Bundesregierung mit Zustimmung von Bundestag und Bundesrat in einem Schienenpersonenfernverkehrsplan darstellen (§ 4 I 1 BSPFVG-E). Schließlich bestimmt § 5 BSPFVG-E, dass der Abschluss der zur Umsetzung der Gewährleistungsverpflichtung vorgesehenen Verkehrsdurchführungsverträge eine Aufgabe der Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes ist und deren Finanzierung durch den Bundeshaushalt erfolgen muss. V. Die Umstrukturierung der DB AG Auch die DB AG selbst reagierte auf die letzten Entwicklungen in Sachen Privatisierung und schuf unternehmensintern die Voraussetzungen für die Umsetzung des Holding-Modells. Zunächst einmal wurde zu diesem Zweck die „DB Mobility Logistics AG“ (DB ML AG) gegründet – jene Gesellschaft, die später als Subholding teilprivatisiert werden sollte. Sie wurde bereits am 06. Februar 2008 ins Handelsregister eingetragen381. Mitte Mai kam schließlich der Aufsichtsrat der DB AG zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen und beschloss, bestimmte Beteiligungen und Konzernfunktionen von der Muttergesellschaft auf das neu gegründete Tochterunternehmen zu übertragen382. Unter dem Dach der DB ML AG sind seitdem folgende Gesellschaften zusammengefasst: - DB Fernverkehr AG - DB Regio AG - DB Stadtverkehr GmbH - DB Vertrieb GmbH - DB Dienstleistungen GmbH - DB (UK) Logistics Holdings Limited Vgl. C. Brönstrup, Die Bahn schafft Fakten, im Internet abrufbar unter (Stand: 09. Juni 2009). 382 Deutsche Bahn AG (Hrsg.), DB-Aufsichtsrat beschließt Neuordnung der Konzernstruktur, im Internet abrufbar unter (Stand: 09. Juni 2009). 381
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- DB Automotive Rail (Spain) SL - DB Gastronomie GmbH - DB Magnetbahn GmbH. Damit setzte der DB Konzern einen wesentlichen Punkt des Antrags der Regierungsfraktionen383 um – nämlich die Zusammenfassung von Personenfern- und Nahverkehrs- sowie weiteren Dienstleistungsgesellschaften unter dem Dach einer Subholding, für die später die Möglichkeit einer Teilprivatisierung offenstand. Einzig der Güterverkehr wurde nicht in die DB ML AG integriert, obwohl dies im Antrag der Regierungsfraktionen so vorgesehen war384. Der Vorstand der DB ML AG wurde zum Teil mit Personen besetzt, die auch im Vorstand der DB AG Posten bekleideten. So wurde Hartmut Mehdorn Vorstandsvorsitzender beider Gesellschaften und auch Diethelm Sack führte sowohl die Holding als auch die Subholding als Vorstand für Finanzen in Personalunion385. VI. Der Bundestagsbeschluss Nachdem der Antrag der Regierungsfraktionen zur Umsetzung des Holdingmodells Anfang Mai im Bundestag erstmals beraten worden war386, erfolgte am 26. Mai 2008 eine Sachverständigenanhörung387 und kurz darauf die Beratung im Verkehrsausschuss388. Schon für den 30. Mai 2008 war die abschließende Lesung des Antrags im Bundestag mit namentlicher Abstimmung angesetzt389. Die beabsichtigte hohe Geschwindigkeit der politischen Umsetzung der Bahnprivatisierung mittels des Holding-Modells stieß bei der Opposition auf scharfe Kritik. Die Fraktionen Die Linke sowie Bündnis 90 / Die Grünen stellten einen Geschäftsordnungsantrag auf Absetzung des Gegenstandes von der Tagesordnung390, der allerdings mit den Stimmen der Regierungsfraktionen abgelehnt wurde391. Im Rahmen der anschließenden Aussprache hatte zuerst der Bundesverkehrsminister Tiefensee das Wort. Er verteidigte erwartungsgemäß das vorgelegte Privatisierungskonzept und wies die Kritik der Opposition zurück.392 Der Redner für die Fraktion der FDP, Friedrich, drückte die Ablehnung seiner Fraktion gegenüber dem An383
Siehe BT-Drucks. 16/9070, S. 2. Siehe BT-Drucks. 16/9070, S. 2. 385 Vgl. Deutsche Bahn AG, DB-Aufsichtsrat. 386 Siehe BT-Plenarprotokoll 16/160, S. 16860 ff. 387 Siehe Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/63. 388 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, BT-Drucks. 16/9362. 389 Vgl. BT-Plenarprotokoll 16/164, S. 17333 ff. 390 Siehe BT-Plenarprotokoll 16/164, S. 17333 ff. 391 BT-Plenarprotokoll 16/164, S. 17337. 392 BT-Plenarprotokoll 16/164, S. 17338 f. 384
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Kap. 4: Die dritte Stufe der Bahnreform – Materielle Privatisierung
trag aus und kritisierte insbesondere das Fehlen eines förmlichen Privatisierungsgesetzes sowie die mangelnde Einbeziehung der Länder in den Entscheidungsprozess. Außerdem erinnerte er daran, dass der geplante Beteiligungsvertrag mit der DB AG nicht vorlag und der Entwurf für eine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung lückenhaft war.393 Diese beiden Punkte führten auch zu Kritik seitens des Redners der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen, Fritz Kuhn.394 Der Vertreter der Fraktion Die Linke, Gregor Gysi, betonte die Gewinninteressen möglicher Investoren395 und sprach von einer bewussten Umgehung des Bundesrates396. An der anschließenden namentlichen Abstimmung des Bundestages nahmen 516 Abgeordnete teil. Mit „Ja“ stimmten 355 und mit „Nein“ 158 Abgeordnete bei drei Enthaltungen. Die Oppositionsparteien lehnten den Antrag der Regierungsfraktionen geschlossen ab. Aber auch 27 Angehörige der SPD-Fraktion stimmten mit Nein. Die Enthaltungen stammten aus den Reihen von SPD und CDU/CSU.397 Damit sprach sich die Mehrheit des Bundestages für den Antrag aus und nahm diesen im Ergebnis an. VII. Die Verfassungsmäßigkeit einer Teilprivatisierung nach dem Bundestagsbeschluss Im Folgenden soll untersucht werden, ob die Veräußerung von Unternehmensanteilen der DB ML AG gemäß dem Bundestagsbeschluss mit der Verfassung und insbesondere mit Art. 87e GG vereinbar wäre. Da kein förmliches Gesetz erlassen wurde, ist insbesondere an eine Prüfung der in Art. 87e GG enthaltenen Gesetzesvorbehalte zu denken. 1. Verstoß gegen den Gesetzesvorbehalt aus Art. 87e III 3 HS 2 GG? Der Gesetzesvorbehalt in Art. 87e III 3 HS 2 GG betrifft ausdrücklich nur die materielle Privatisierung von Eisenbahninfrastrukturunternehmen. In der DB ML AG sind aber ausschließlich Eisenbahnverkehrsunternehmen sowie Logistik- und Servicegesellschaften zusammengefasst, während die EIU gerade nicht einbezogen wurden, sondern weiterhin eigenständige Tochterunternehmen der DB AG darstellen. Aus diesem Grund liegt keine Verletzung des Art. 87e III 3 HS 2 GG vor.
393 394 395 396 397
BT-Plenarprotokoll 16/164, S. 17339 ff., insbesondere S. 17340. BT-Plenarprotokoll 16/164, S. 17347. BT-Plenarprotokoll 16/164, S. 17344. BT-Plenarprotokoll 16/164, S. 17343. BT-Plenarprotokoll 16/164, S. 17362 ff.
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2. Verstoß gegen den Gesetzesvorbehalt aus Art. 87e IV 2 GG? In Art. 87e IV 2 GG heißt es, die nähere Ausgestaltung des Gewährleistungsauftrags aus Art. 87e IV 1 GG werde durch Bundesgesetz geregelt. Die Vorschrift enthält sowohl einen an den Bund gerichteten Regelungsauftrag als auch einen Gesetzesvorbehalt398. Gegen diesen Gesetzesvorbehalt könnte einerseits die Entscheidung für eine materielle Teilprivatisierung des Tochterunternehmens der DB AG an sich, aber auch bestimmte begleitende Maßnahmen verstoßen, die ohne förmliches Gesetz beschlossen wurden. a) Verstoß durch Privatisierungsentscheidung? Zunächst stellt sich die Frage, ob die Entscheidung für eine materielle Teilprivatisierung eines Eisenbahnverkehrsunternehmens für den Gewährleistungsauftrag eine so wesentliche Bedeutung hat, dass sie nicht ohne förmliches Gesetz ergehen kann. Für eine solche Auffassung kann angeführt werden, dass sich der Gewährleistungsauftrag des Bundes auch auf das Verkehrsangebot erstreckt und dieses reduziert zu werden droht, wenn private Investoren an einem Eisenbahnverkehrsunternehmen beteiligt werden. Zwar wird der Bund selbst bei einer Mehrheitsveräußerung an den Eisenbahnverkehrsunternehmen, durch welche diese ihren Status als Eisenbahnen des Bundes verlieren (vgl. Art. 73 I Nr. 6a GG), nicht von seiner Verantwortlichkeit für die Verkehrsangebote im Schienenverkehr entbunden399. Dennoch muss berücksichtigt werden, dass durch eine Teilprivatisierung die Eisenbahnverkehrsunternehmen der Mitentscheidung privater Investoren unterliegen. Diese weisen aber im Vergleich zum Bund, den trotz privatrechtlicher Organisationsform die Verpflichtung aus Art. 87e IV 1 GG trifft, eine andere Interessenausrichtung auf. Für private Investoren steht naturgemäß die Gewinnmaximierung im Vordergrund; Gemeinwohlbelange rücken demgegenüber stark in den Hintergrund – wenn sie überhaupt berücksichtigt werden. Aus diesem Grund könnte man die Wesentlichkeit der Privatisierungsentscheidung für den Gewährleistungsauftrag bejahen und demgemäß dafür aufgrund des Art. 87e IV 2 GG ein förmliches Gesetz verlangen400. Eine solche Auffassung stünde indes im klaren Widerspruch zum Willen des Verfassungsgebers. In Art. 87e III 3 HS 1 GG wird ausdrücklich nur für die Veräußerung von Eisenbahninfrastrukturunternehmen ein förmliches Gesetz gefordert. Im Um398 Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 81; Hermes, Stellungnahme, Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Protokoll 16/40, S. 56; Uerpmann, Art. 87e, Rn. 18; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 76; Ehlers, Rechtsgutachten, S. 113. A.A. Möstl, Art. 87e, Rn. 190. Siehe dazu bereits oben, § 13 C. VII. 1. 399 Siehe oben, § 6 B. III. 3. b); ebenso Wieland, Art. 87e, Rn. 33. 400 In diese Richtung Windthorst, Art. 87e, Rn. 53, der die Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage für die Veräußerung der Anteile an der DB ML AG aus Art. 87e IV 2 GG i.V.m. der Privatisierungsfolgenverantwortung des Bundes ableitet.
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kehrschluss daraus ergibt sich folglich, dass die materielle Privatisierung von Eisenbahnverkehrsunternehmen gerade ohne ein solches förmliches Gesetz möglich sein soll. Dieses Ergebnis kann dann aber auch nicht durch einen Rückgriff auf den Gesetzesvorbehalt des Art. 87e IV 2 GG unterlaufen werden. Die Anteilsveräußerung an Eisenbahnverkehrsunternehmen ist daher grundsätzlich ohne ein formelles Gesetz möglich401. Demzufolge läge in einer Teilprivatisierung der DB ML AG, die lediglich auf Grundlage eines einfachen Bundestagsbeschlusses erfolgt, kein Verstoß gegen Art. 87e IV 2 GG. b) Verstoß durch Begleitmaßnahmen? Auch wenn die reine Privatisierungsentscheidung bezüglich der DB ML AG keines formellen Gesetzes bedarf, so könnten doch bestimmte diese Entscheidung begleitende Maßnahmen dem Gesetzesvorbehalt des Art. 87e IV 2 GG unterfallen. Zu denken ist hierbei in erster Linie an die geplante Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zwischen den Eisenbahninfrastrukturunternehmen und dem Bund. Nach den ursprünglichen Privatisierungsplänen und dem inzwischen obsolet gewordenen EBNeuOG-E hätte dieser öffentlich-rechtliche Vertrag seine gesetzliche Grundlage im BSEAG-E gefunden. Auch der durch den Bundesrat im Bundestag eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Sicherstellung von Eisenbahninfrastrukturqualität und Fernverkehrsangebot beinhaltet mit dem BSEAG-E2 ein Gesetz, in dem wesentliche Regelungen bezüglich der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung enthalten sind. Bis zuletzt war aber der Börsengang der DB ML AG ohne ein entsprechendes Begleitgesetz geplant gewesen. Der Beschluss des Bundestages über die Teilprivatisierung der DB ML AG enthält auch die Vorgabe, dass in einer Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung Regelungen zu Qualitätsparametern und Berichtspflichten an das Parlament vertraglich zu vereinbaren sind. Der Abschluss der LuFV soll dabei auf Grundlage einer haushaltsgesetzlichen Ermächtigung stattfinden402. Dies bedeutet, dass die Parlamentsbeteiligung darauf reduziert wird, im Haushaltsgesetz die Bundesregierung zum Abschluss der LuFV zu ermächtigen und den Eisenbahninfrastrukturunternehmen eine bestimmte Zuschusssumme zu zahlen. Zuvor soll aber zusätzlich die Zustimmung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie des Haushaltsausschusses eingeholt werden und das „Benehmen mit den Ländern“ hergestellt werden403.
401 Uerpmann, Art. 87e, Rn. 13; Gersdorf, Art. 87e, Rn. 58; Wieland, Art. 87e, Rn. 27; Windthorst, Art. 87e, Rn. 53. Siehe auch Burger, Zuständigkeit und Aufgaben, S. 68 f., der zutreffend darauf hinweist, dass sich aus den gleichen Gründen auch aus dem ungeschriebenen institutionellen Gesetzesvorbehalt für grundlegende Organisationsentscheidungen kein Erfordernis eines formellen Gesetzes für Anteilsveräußerungen an den Eisenbahnverkehrsunternehmen ergibt. 402 BT-Drucks. 16/9070, S. 3. 403 BT-Drucks. 16/9070, S. 3.
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Zunächst ist zu untersuchen, ob der Abschluss der LuFV eine so wesentliche404 Entscheidung für die Gewährleistungsverantwortung des Bundes darstellt, dass gem. Art. 87e IV 2 GG ein formelles Gesetz notwendig ist. Wenn dies der Fall ist, stellt sich im Anschluss die Frage, ob das vorgesehene Verfahren geeignet ist, dem Gesetzesvorbehalt zu entsprechen. Legt man die Gesetzentwürfe zugrunde, die bisher als Basis für den Abschluss der LuFV dienen sollten, ist davon auszugehen, dass in diesem öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen Bund und Eisenbahninfrastrukturunternehmen zum einen die jährliche Zuschusssumme von Seiten des Staates festgeschrieben werden soll405. Zum anderen werden bestimmte Qualitätsanforderungen vereinbart, die die Eisenbahninfrastrukturunternehmen im Gegenzug zu erfüllen haben. Ferner werden aller Wahrscheinlichkeit nach Sanktionen für den Fall der Pflichtverletzung durch die EIU enthalten sein. Damit wird die LuFV zum zentralen Instrument, durch welches der Bund seiner Gewährleistungsverantwortung aus Art. 87e IV 1 GG nachkommt. Das Konzept des Bundesschienenwegeausbaugesetzes, das bisher diese Funktion erfüllt hat, wird dadurch grundlegend verändert – in diesem war nämlich die Finanzierung durch zinslose Darlehen und Baukostenzuschüsse vorgesehen, während die EIU im Zuge der LuFV den Bundeszuschuss zu weitgehend freier Verfügung haben, solange sie die Qualitätsparameter erfüllen und selbst bestimmte Investitionssummen erbringen. Diese grundlegende Bedeutung der LuFV spricht dafür, dass zumindest deren wesentliche Züge gesetzlich festgeschrieben werden. Ansonsten droht beispielsweise die Gefahr, dass die Bundesregierung eine Vereinbarung mit einer zu langen Laufzeit trifft und dadurch im Falle einer situativen Veränderung nicht mehr flexibel reagieren kann und deswegen ihrem Auftrag aus Art. 87e IV 1 GG nicht mehr gerecht wird. Zudem ist zu bedenken, dass der Gesetzesvorbehalt in Art. 87e IV 2 GG in Verbindung mit Art. 87e V 1 GG auch dazu dient, eine angemessene Beteiligung der Bundesländer sicherzustellen406. Zwar ist im Bundestagsbeschluss vorgesehen, dass vor Abschluss der LuFV das Benehmen mit den Ländern hergestellt werden soll407. Dies bietet aber keine rechtliche Gewähr dafür, dass dies in der Praxis später auch tatsächlich geschieht. Die Länder leisten aber auch einen erheblichen Beitrag zur Finanzie404
Zum Wesentlichkeitskriterium siehe die Nachweise in Fn. 318. Dies wird im Antrag der Regierungsfraktionen, BT-Drucks. 16/9070, S. 3, zwar nicht ausdrücklich erwähnt. Es ergibt sich aber insofern aus dem Kontext, als dass die Bezeichnung „Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung“ gewählt wurde und zudem eine haushaltsgesetzliche Ermächtigung zum Abschluss der LuFV erfolgen soll. Enthielte die Vereinbarung keine Regelung zu Zuschüssen des Bundes an die EIU, müsste ein Verstoß gegen das sog. Bepackungsverbot aus Art. 110 IV 1 GG angenommen werden, wonach in das Haushaltsgesetz nur solche Vorschriften aufgenommen werden dürfen, die sich auf die Einnahmen und Ausgaben des Bundes beziehen. Dieser Bezug der LuFV wäre allerdings bei Fehlen einer Bestimmung über Bundeszuschüsse nicht hergestellt. Zum Bepackungsverbot siehe M. Frenzel, DÖV 2006, 158 ff.; A.v. Portatius, Das haushaltsrechtliche Bepackungsverbot; W. Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 265 ff. 406 Vgl. die Nachweise in Fn. 316. 407 BT-Drucks. 16/9070, S. 3. 405
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Kap. 4: Die dritte Stufe der Bahnreform – Materielle Privatisierung
rung der Infrastruktur und müssen daher an der Neuregelung dieses Bereichs angemessen beteiligt werden408. Dies kann aber nur dadurch sichergestellt werden, dass für die LuFV eine gesetzliche Grundlage geschaffen wird. Demnach stellt der Abschluss der LuFV im Kontext des Gewährleistungsauftrages eine so wesentliche Entscheidung dar, dass gem. Art. 87e IV 2 GG eine gesetzliche Kodifikation zu fordern ist. Gemäß der Entscheidung des Bundestages409 soll sich die gesetzliche Grundlage für den Abschluss der LuFV auf eine entsprechende Ermächtigung im Haushaltsgesetz beschränken410. Zwar stellt das Haushaltsgesetz ein formelles Gesetz dar411; als problematisch ist es aber einzustufen, dass dort – bis auf die Höhe der Bundeszuschüsse – keinerlei Vorgaben über Inhalte der LuFV enthalten sein werden, sondern die Bundesregierung quasi pauschal zu deren Abschluss ermächtigt wird412. Aus diesem Grund könnte sie in der Folge vollkommen frei über Laufzeiten, zu erbringende Qualitätsstandards und sonstige Inhalte der LuFV entscheiden. Ein gewisser Entscheidungsspielraum würde der Bundesregierung beim Aushandeln der LuFV zwar immer zustehen – so beispielsweise auch, wenn der geplante EBNeuOG-E und damit der BSEAG-E in Kraft getreten wäre. Dies ergibt sich schon aus der Rechtsnatur der LuFV als öffentlich-rechtlicher Vertrag, der ja nie durch das Parlament selbst vereinbart und abgeschlossen wird. Der Unterschied hätte aber darin bestanden, dass dem Bund in diesem Falle ein Rahmen vorgegeben gewesen wäre, und sich sein Entscheidungsspielraum dadurch auf die Ausfüllung dieses Rahmens beschränkt hätte. Eine Beteiligung des Parlaments und damit eine Beschränkung des Entscheidungsspielraums der Regierung wäre auch in der Form eines schlichten Bundestagsbeschlusses als notwendige Zustimmung zur ausgehandelten LuFV denkbar. Eine sol408
BR-Drucks. 315/08, S. 24. BT-Drucks. 16/9070, S. 3. 410 Hinsichtlich des in Art. 110 IV 1 GG statuierten sachlichen „Bepackungsverbots“ (vgl. schon oben, Fn. 405), ergeben sich hier keine verfassungsrechtlichen Bedenken, da – insofern die LuFV eine Regelung zum Bundeszuschuss an die EIU enthält, wovon hier auszugehen ist – ein Bezug zu den Ausgaben des Bundes vorhanden ist. Hinsichtlich des zeitlichen Bepackungsverbots, wonach sich die in das Haushaltsgesetz aufgenommenen Vorschriften nur auf den Zeitraum beziehen dürfen, für den das Haushaltsgesetz beschlossen wird, kommt es für die Beurteilung des Vorliegens eines Verstoßes auf die Formulierung der konkreten Ermächtigung an. Ein Verstoß käme bspw. dann in Betracht, wenn eine Ermächtigung erfolgt, die zum Abschluss einer LuFV mit mehrjähriger Laufzeit und jährlich wiederkehrenden Bundeszuschüssen berechtigen soll. Zum zeitlichen Bepackungsverbot siehe C. Hillgruber, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Band III, Art. 110, Rn. 112; v. Portatius, Bepackungsverbot, S. 15, 78. 411 Siehe z. B. M. Heintzen, in: v. Münch / Kunig, GG, Band III, Art. 110, Rn. 31. Stern, Staatsrecht II, S. 1203, bezeichnet das Haushaltsgesetz als Organgesetz. 412 Eine abschließende Bewertung der Problematik, ob die haushaltsgesetzliche Ermächtigung zum Abschluss der LuFV dem Gesetzesvorbehalt aus Art. 87e IV 2 GG gerecht wird, kann hier aufgrund des Nichtvorliegens eines entsprechenden Haushaltsgesetzes nicht erfolgen. Insofern kann für die Untersuchung lediglich der – wahrscheinliche – Fall angenommen werden, dass die Ermächtigung knapp formuliert würde und inhaltliche Bindungen für die Ausgestaltung der LuFV nicht enthielte. 409
§ 14 Die materielle Privatisierung im politischen Diskurs
233
che Beschränkung ist indes bei einer haushaltsgesetzlichen Ermächtigung nicht zu erwarten. Wenn der Bundesregierung aber keinerlei inhaltliche Vorgaben oder Beschränkungen auferlegt werden, beläuft sich die Mitwirkung des Gesetzgebers in der Sache auf Null; seine Rolle besteht dann lediglich in einem „Abnicken“ der Aktivitäten der Exekutive. Er entscheidet dann nicht selbst über wesentliche Fragen. Hinzu kommt, dass das Haushaltsgesetz nicht der Zustimmungspflicht durch den Bundesrat unterliegt413. Gesetze, die die Konkretisierung und Ausgestaltung der Gewährleistungsverpflichtung aus Art. 87e IV 1 GG betreffen, bedürfen aber der Zustimmung der Länderkammer (Art. 87e IV 2 i.V.m. Art. 87e V 1 GG). Bei einem Vorgehen, wie es der aktuelle Bundestagsbeschluss414 vorsieht, würde folglich diese Zustimmungspflicht des Bundesrates umgangen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass vorgesehen ist, „das Benehmen mit den Ländern“415 vor Abschluss einer LuFV herzustellen. Dies ist dadurch begründet, dass ein bloßer Bundestagsbeschluss nicht bindend ist und der Bundesrat daher keinerlei rechtliche Ansprüche daraus ableiten könnte, wenn dieser Vorgabe nicht entsprochen werden würde. Zudem ist vollkommen unklar, was unter dem „Benehmen mit den Ländern“ zu verstehen ist und ob dafür ein Bundesratsbeschluss notwendig sein soll. Selbst wenn sich also der Bund darum bemüht, die Länder in den Prozess der Aushandlung der LuFVeinzubeziehen, kann darin keine Kompensation für die vorgeschriebene Mitwirkung an einem entsprechenden Gesetz gesehen werden. Im Ergebnis ist daher der geplante Abschluss einer LuFV durch die Bundesregierung, der seine gesetzliche Grundlage lediglich in einer haushaltsgesetzlichen Ermächtigung findet, in Bezug auf den Gesetzesvorbehalt aus Art. 87e IV 2 GG problematisch416. Das gleiche gilt hinsichtlich der Zustimmungspflicht des Bundesrates aus Art. 87e IV 2 i.V.m. Art. 87e V 1 GG. 413 Zum Verhältnis des Bepackungsverbots und der Zustimmungspflicht des Bundesrates siehe Heun, Staatshaushalt, S. 266 f.; v. Portatius, Bepackungsverbot, S. 63 ff.; Hillgruber, Art. 110, Rn. 111. 414 BT-Drucks. 16/9070, S. 3. 415 BT-Drucks. 16/9070, S. 3. 416 Von der Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage für die Privatisierung nach dem Holding-Modell geht auch Windthorst, Art. 87e, Rn. 53, aus. Zur Begründung zieht er aber nicht den Abschluss der LuFV heran, sondern verweist pauschal auf Art. 87e IV 2 GG i.V.m. der Privatisierungsfolgenverantwortung. Ein anderes Ergebnis lässt sich auch nicht mit der Rechtsprechung des BVerfG begründen, nach der für die Gewährung von Subventionen kein materielles Gesetz erforderlich ist, sondern vielmehr irgendeine parlamentarische Willensbetätigung, wie z. B. die Bereitstellung der erforderlichen Mittel im Haushaltsplan, ausreicht (z. B. BVerwGE 6, 282 [287 f.]). Der entscheidende Unterschied zur allgemeinen Gewährung von Subventionen besteht darin, dass für solche eine dem Art. 87e IV 2 GG vergleichbare Regelung fehlt. Das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage für die LuFV folgt aber gerade nicht aus dem allgemeinen, aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Vorbehalt des Gesetzes, sondern aus der konkreten Regelung des Art. 87e IV 2 GG. Dies erfordert eine eigenständige Bewertung, welche Entscheidungen in diesem Bereich als „wesentlich“ einzustufen sind. Vgl. auch Maurer, Verwaltungsrecht, S. 121, der ebenfalls davon ausgeht, dass die Wesentlichkeitslehre allenfalls ergänzend gilt, wenn sich
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Kap. 4: Die dritte Stufe der Bahnreform – Materielle Privatisierung
3. Ergebnis Zwar steht die grundsätzliche Entscheidung für eine Teilprivatisierung der DB ML AG im Einklang mit der Verfassung. Wenn jedoch der im Zuge dieser Privatisierungsentscheidung mitbeschlossene Abschluss einer lediglich auf einer haushaltsgesetzlichen Ermächtigung basierenden LuFV tatsächlich umgesetzt wird, ist dies als verfassungsrechtlich prekär einzustufen.
§ 15 Das (vorläufige) Scheitern der materiellen Privatisierung Nachdem trotz aller Widerstände die Weichen für eine materielle Teilprivatisierung der DB AG auf der Grundlage des Holding-Modells gestellt waren, sollten am 27. Oktober 2008 die Aktien der DB ML AG an der Börse emittiert werden. Als der Termin jedoch näher rückte, fürchtete man um die Erlöse aus diesem Verkauf, denn die Situation an den Finanzmärkten hatte sich im Herbst 2008 dramatisch verschlechtert. So verschob man den Termin zunächst, ohne sich aber auf ein neues Datum festzulegen. Bei einer Kabinettssitzung am 05. November 2008 schlug der Finanzminister Steinbrück schließlich vor, den Börsengang für die laufende Legislaturperiode ganz abzusagen417. Damit ist eine materielle Privatisierung faktisch nicht vor dem Jahr 2010 möglich. Zu den Motiven des Beschlusses sagte der Verkehrsminister: „Die Teilprivatisierung der Bahn ist kein Selbstzweck. Sie muss der Stärkung des Unternehmens und einer Verbesserung des Angebots für die Bahnkunden dienen. Im derzeitigen Marktumfeld ist ein entsprechender Erlös offensichtlich nicht zu erzielen. Ein Verschleudern von Aktien unter Wert wird es nicht geben. Es ist deshalb unumgänglich, den Börsengang der Bahn zu verschieben.“418 Durch den Entschluss, den Börsengang der Bahn auf die nächste Legislaturperiode zu verschieben, steht auch die Entscheidung für das Holding-Modell wieder auf der Kippe. Es obliegt nun der neuen Bundesregierung, sich für oder gegen einen Börsengang und ggf. für ein bestimmtes Privatisierungsmodell zu entscheiden.
das Erfordernis der gesetzlichen Regelung im konkreten Fall bereits aus dem Grundgesetz selbst ergibt. 417 Vgl. o.V., Bahn-Börsengang erst nach der Bundestagswahl?, Artikel vom 05. Dezember 2008, im Internet abrufbar unter (Stand: 28. November 2008). 418 Erklärung des Bundesministers zur Verschiebung des Börsenganges der DB ML AG, veröffentlicht auf der Homepage des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, abrufbar unter: (Stand: 28. November 2008).
Kapitel 5
Resümee und Zusammenfassung § 16 Resümee Die Eisenbahnverfassung eines Staates war schon immer Spiegelbild seiner wirtschaftlichen, politischen und historischen Gegebenheiten und damit auch Ausdruck eines bestimmten Weltbildes. Gerade deshalb wird die Diskussion um eine materielle Privatisierung der Deutschen Bahn AG wohl so kontrovers geführt. Dabei darf nicht aus dem Blick geraten, dass die wesentlichen Entscheidungen hinsichtlich der deutschen Eisenbahnverfassung bereits mit der Bahnreform aus dem Jahre 1994 getroffen wurden. Das Grundgesetz enthält zwar wenige, dafür aber bedeutende Vorgaben zur Frage der materiellen Privatisierung. Die Umwandlung der ehemaligen Bundesbahn in ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das frei von einem Gemeinwohlauftrag agieren kann, bedeutete für die Eisenbahnen eine klare Neuorientierung in Richtung Marktwirtschaft und Wettbewerb. Dem Bund hingegen obliegt gem. Art. 87e IV GG noch immer eine Verantwortung für das Schieneninfrastruktur- und -verkehrsangebot. Zudem ist er durch den Schienenwegevorbehalt in Art. 87e III 3 GG – jedenfalls was das Netz angeht – hinsichtlich der Möglichkeit einer materiellen Privatisierung in begrenztem Umfang gebunden. Die Entscheidung des Verfassungsgebers für eine solche Schranke ist durchaus Ernst zu nehmen und wirkt sich auch praktisch aus, wie die Diskussionen um die Verfassungsmäßigkeit des EBNeuOG-E gezeigt haben. Wenn der Bund Mehrheitseigentümer der Schieneninfrastruktur bleiben muss, so bedeutet dies auch, dass mit dieser Stellung ein korrespondierendes Einwirkungsrecht einhergehen muss. Nur wenn das Einwirkungspotential des Bundes in seiner Gesamtschau dem eines typischen Mehrheitsgesellschafters gleichkommt, ist der Schienenwegevorbehalt gewahrt. Beim Eigentumssicherungsmodell war dies aufgrund der Stimmrechtsvollmacht in den Gesellschafterversammlungen der Infrastrukturunternehmen zugunsten der DB AG fraglich. Auch die zum Ausgleich eingeräumten Mitbestimmungsrechte bezüglich wesentlicher Unternehmens- und Personalfragen können die durch die Stimmrechtsvollmacht verlorene Einflussmöglichkeit nicht kompensieren. Allein die Summierung dieser Sonderrechte mit dem Einwirkungspotential, das dem Bund aufgrund des Umstandes zusteht, dass er selbst Mehrheitsaktionär der die Stimmrechtsvollmacht ausübenden DB AG bleibt, reicht aus, um dem Schienenwegevorbehalt gerecht zu werden.
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Kap. 5: Resümee und Zusammenfassung
Die hohe Anzahl an Gesetzesvorbehalten, die in Art. 87e GG enthalten sind, verdeutlicht noch einmal die große Bedeutung, die dem Verkehrsträger Eisenbahn durch die Verfassung eingeräumt wird. Privatisierung bedeutet immer einen Verlust an demokratischen Einflussrechten, denn durch die Veräußerung von Unternehmen der öffentlichen Hand begibt sich der Staat einer Steuerungsmöglichkeit. Gerade deshalb ist es richtig, wenn die Veräußerung der Schieneninfrastruktur einem Gesetzesvorbehalt unterliegt. Doch damit nicht genug: Auch der Gemeinwohlauftrag des Bundes aus Art. 87e IV GG verlangt vom Staat eine Ausgestaltung durch Gesetz. Das bedeutet aber auch, dass Entscheidungen, die diesen Gemeinwohlauftrag wesentlich betreffen, nicht ohne ein entsprechendes Gesetz ergehen dürfen. Dies gilt um so mehr, als dass allein durch einen solchen Gesetzesvorbehalt die Mitwirkungsrechte der Länder effektiv zur Geltung gebracht werden können. Aus diesem Grund wäre eine Veräußerung von Anteilen der DB ML AG mit den geplanten flankierenden Maßnahmen (beispielhaft genannt sei hier lediglich die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung) ohne ein entsprechendes Gesetz als verfassungsrechtlich problematisch einzustufen. Aus diesem und etlichen anderen Gründen kommt die Finanzkrise und die damit zusammenhängende Verschiebung des Börsenganges der Deutschen Bahn vielen Menschen durchaus gelegen. Der neuen Bundesregierung obliegt es nun, eine verantwortungsvolle Entscheidung in der Frage nach der materiellen Privatisierung der Bahn zu treffen. Es bleibt zu hoffen, dass diese sowohl den Vorgaben der Verfassung als auch den Belangen der Umwelt und natürlich nicht zuletzt den Bedürfnissen der Bürger gerecht wird.
§ 17 Zusammenfassung in Thesen 1. Die Organisationsform der Eisenbahnen hat sich in Deutschland seit der Erfindung dieses Transportmittels wiederholt infolge politischer und wirtschaftlicher Gegebenheiten verändert.1 2. Während ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Verstaatlichung und Vereinheitlichung mit dem Ziel der Sozialisierung des gewaltigen militärischen, ökonomischen und sozialen Nutzens der Eisenbahnen vorangetrieben wurde2, verkehrte sich diese Entwicklung ein Jahrhundert später in ihr Gegenteil. Die Bedeutung des schienengebundenen Transportmittels war in allen Bereichen gesunken und der Staat sollte von der immensen finanziellen Belastung, die mit dem Betreiben der Bahn verbunden war, befreit werden3.
1 2 3
Siehe dazu § 1 B. II.; § 2 B.; § 2 C.; § 3 C. Siehe dazu § 1 B. II. Siehe dazu § 4 A. und B.
§ 17 Zusammenfassung in Thesen
237
3. Das Ziel einer weitergehenden Autonomie der Eisenbahn mit ökonomischem Hintergrund war – ebenso wie bei der Bahnreform von 1994 – auch nach dem Zweiten Weltkrieg durch Schaffung der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft verfolgt worden4. 4. Zu Beginn der 1990er Jahre vollzog sich aufgrund entsprechender politischer Mehrheitsverhältnisse und der wirtschaftlich desolaten Situation von Bundes- und Reichsbahn eine grundlegende Reform der Eisenbahnverfassung in Deutschland5. Die als Behörde organisierten Eisenbahnen werden seitdem in privatwirtschaftlicher Organisationsform geführt. Dafür war eine Änderung der Verfassung notwendig.6 5. Der in diesem Zusammenhang neu geschaffene Art. 87e GG ist seiner Formulierung nach in mancherlei Hinsicht nicht widerspruchsfrei. Dies ist hauptsächlich dadurch begründet, dass Bundestag und Bundesrat im Gesetzgebungsprozess unterschiedliche Regelungskonzepte verfolgten und die schließlich verabschiedete Verfassungsänderung einen Kompromiss zwischen den verschiedenen Positionen darstellt.7 Unter Heranziehung der klassischen Auslegungsmethoden kann jedoch eine insgesamt stimmige Interpretation gelingen.8 6. Trotz der grundsätzlichen Entscheidung für eine privatrechtlich organisierte Eisenbahn ist der Bund nicht vollkommen von seiner diesbezüglichen Verpflichtung zur Daseinsvorsorge befreit. Dies zeigen Art. 87e III 3 HS 2 und Art. 87e IV GG. Diese beiden Teile der Norm stehen in einem funktionalen Verhältnis zueinander.9 7. Die jetzige Verfassungslage ermöglicht grundsätzlich auch eine materielle Privatisierung der Eisenbahnunternehmen. Dabei sind jedoch die Prämissen des Art. 87e III 3 GG und Art. 87e IV GG zu beachten.10 8. Der sog. Schienenwegevorbehalt in Art. 87e III 3 GG trägt der besonderen Bedeutung des Schienennetzes für einen funktionierenden Eisenbahnverkehr Rechnung. Er verlangt neben dem formellen Mehrheitseigentum des Bundes an den Eisenbahninfrastrukturunternehmen auch einen korrespondierenden beherrschenden Einfluss des Bundes auf diese Gesellschaften. Dazu muss er sich der entsprechenden Mittel des Aktien- und Gesellschaftsrechts bedienen.11 9. Das vom Verkehrsministerium für eine materielle Privatisierung zunächst favorisierte Eigentumssicherungsmodell12, das durch den EBNeuOG-E13 realisiert wer4
Siehe dazu § 2 B. II. 1. Siehe dazu § 5. 6 Siehe dazu § 5 C. und D. 7 Siehe dazu § 6 B. II. 2. a) und § 6 B. III. 8 Siehe dazu § 6 B. 9 Siehe dazu § 6 B. III. 4. d). 10 Siehe dazu § 6 B. II. 2. und § 6 B. III. 11 Siehe dazu § 13 C. I. 12 Siehe dazu § 11 C. 13 Siehe dazu § 12. 5
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Kap. 5: Resümee und Zusammenfassung
den sollte, führte aufgrund seiner Konstruktion dazu, dass der Einfluss des Bundes auf die Eisenbahninfrastrukturunternehmen im Vergleich zur vorherigen Lage eingeschränkt worden wäre. Nur die Summe aus internen Einflussmöglichkeiten über die DB AG und externe Beherrschungsvarianten über zusätzliche Aufsichtsratsmandate u. ä. führte zu einem Einflusspotential, das den Anforderungen des Art. 87e III 3 HS 2 GG gerecht wurde.14 10. Durch die Konstruktion des EBNeuOG-E fallen wirtschaftliches und juristisches Eigentum an den Eisenbahninfrastrukturunternehmen zunächst auseinander. Die Vorgaben des Gesetzentwurfs schließen aber die Zusammenführung von juristischem und wirtschaftlichem Eigentum weder rechtlich noch faktisch aus, sodass auch die vermögensrechtliche Stellung des Bundes in Bezug auf die Eisenbahninfrastrukturunternehmen den Vorgaben des Art. 87e III 3 HS 2 GG entspricht.15 11. Der EBNeuOG-E verstößt zudem weder gegen die Gesetzesvorbehalte der Art. 87e III 3 HS 116 und Art. 87e IV 2 GG17 noch gegen den Gewährleistungsauftrag aus Art. 87e IV 1 GG18. 12. Das Eigentumssicherungsmodell und seine Ausgestaltung durch den EBNeuOG-E war politisch nicht durchzusetzen19. Man einigte sich stattdessen auf das sog. Holding-Modell, zu dessen Umsetzung die politisch Verantwortlichen kein formelles Gesetz für notwendig hielten. Die DB AG wurde so umstrukturiert, dass bei klarer Trennung von Eisenbahnverkehrs- und -infrastrukturunternehmen ein Verkauf von Aktien an ersteren ermöglicht werden soll. Weil dadurch der Schienenwegevorbehalt des Art. 87e III 3 GG nicht berührt wird, soll dies lediglich aufgrund eines Kabinetts- und Bundestagsbeschlusses erfolgen.20 13. Bei dieser Einschätzung wurde allerdings außer Acht gelassen, dass dem Art. 87e IV 2 GG entgegenstehen könnte. Dieser enthält einen Gesetzesvorbehalt und verlangt, dass Entscheidungen, die wesentliche Auswirkungen auf die Ausgestaltung des Gewährleistungsauftrages haben, auf gesetzlicher Grundlage erfolgen21. 14. Jedenfalls die Ausgestaltung der geplanten Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zwischen den Eisenbahninfrastrukturunternehmen und dem Bund berührt die Gewährleistungsverantwortung des Bundes aus Art. 87e IV GG in wesentlichen Punkten. Wird dieser öffentlich-rechtliche Vertrag im Zuge der Umsetzung des Holding-Modells – wie beabsichtigt – ohne formelles Gesetz verwirklicht, kommt ein Verstoß gegen Art. 87e IV 2 GG in Betracht. Dafür spricht auch die Tatsache, dass 14 15 16 17 18 19 20 21
Siehe dazu § 13 C. I. und II. Siehe dazu § 13 C. III. und IV. Siehe dazu § 13 C. V. Siehe dazu § 13 C. VII. Siehe dazu § 13 C. VI. Siehe dazu § 14 A. Siehe dazu § 14 C. I. bis VI. Siehe dazu § 13 C. VII. 1.
§ 17 Zusammenfassung in Thesen
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bei einem solchen Vorgehen den Bundesländern keine rechtlich abgesicherte Entscheidungsmacht zustünde und der Gesetzesvorbehalt auch dazu dient, den Einfluss der Länder in diesem Bereich zu sichern.22 15. Der Entwurf des Landes Sachsen-Anhalt für ein Gesetz zur Sicherstellung von Eisenbahninfrastrukturqualität und Fernverkehrsangebot, der unter anderem eine rechtliche Grundlage für den Abschluss der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung enthält23, wäre deshalb eine empfehlenswerte Möglichkeit, die politisch angestrebten Ziele in einer mit der Verfassung im Einklang stehenden Lösung zu erreichen.
22 23
Siehe dazu § 14 C. VII. 2. b). Siehe dazu § 14 C. IV. 1.
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Sachwortverzeichnis Anteilsmehrheit 97, 103 ff., 163 ff. Bedarfsplan 123, 156 Beteiligungsvertrag 220 ff., 228 Beteiligungsverwaltung 105 ff. Betriebsvereinigung der Südwestdeutschen Eisenbahnen 46, 51 Brand-Gutachten 62 Bundeseisenbahnvermögen 116 ff. Bundesnetzagentur 131 f., 146 Bund-Länder-Finanzausgleich 81 Daseinsvorsorge 72, 99, 120, 124, 220, 237 Dawes-Gutachten 37 f. Deutsche Bahn AG – Gründung 117 f. – Struktur 117, 128 f., 226 f. – Wettbewerb 136 f. – Wirtschaftliche Situation 132 ff. Deutsche Bundesbahn – Rechtsgrundlagen 51 ff. – Reformbestrebungen 60 ff. – Tatsächliche Situation 63 f. Deutsche Reichsbahn – Im Nationalsozialismus 42 ff. – In der DDR 47 ff. – In der Nachkriegszeit 45 f. – In der Weimarer Republik 37 f. Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft 38 ff. Diskriminierungspotential 122 f., 136 f. Eigentumsfreiheit 165 ff. Eigentumsmodell 141, 143 Eigentumsmodell-Gestaltungsvariante 142 f., 143 f. Eigentumssicherungsmodell 144 ff., 150 ff., 157 ff., 215 ff. Einigungsvertrag 64, 70 Einwirkungspflicht 105 f. Einwirkungsrechte 163 ff., 183 ff. Eisenbahn-Bundesamt 118 f., 131, 155
Eisenbahnkommissar 39 ff. Entsenderechte 187 ff., 190, 197 Erster Weltkrieg 36 f. Finanzholding-Modell 142, 144 Finanzmarktkrise 27 f., 234 Gemeinwirtschaftlichkeit 36, 62, 68, 76 f., 81, 93, 107, 112, 120 f., 123 Gemeinwohlklausel siehe Gewährleistungsauftrag Gemeinwohlverantwortung siehe Gewährleistungsauftrag Gesetzesvorbehalt 96, 109 f., 113 f., 205 f., 211 ff., 229 ff. Gewährleistungsauftrag 93, 98 ff., 124, 170 f., 206 ff., 211, 225, 229 ff. Gewährleistungsklausel siehe Gewährleistungsauftrag Gründungsfreiheit 92 Grundversorgung 98, 100, 104, 124, 213 f. Holdingmodell 218 ff. Integriertes Modell 140, 142, 144 Kapitalaufstockung 96, 174 f. Kleine Verkehrsreform 62 Konnexitätsprinzip 71 f., 114 Länderbahnsystem 51 Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung 146 f., 153 ff., 159, 195 ff., 206 ff., 221 ff., 230 ff. Mehrheitsaktionär 173 ff., 181 f., 188, 193, 196 Mehrheitsgesellschafter 178 ff. Minderheitenschutz 175 f. Mischfinanzierung 71 f.
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Sachwortverzeichnis
Monopol 32, 36, 63, 122, 136, 172 Motorisierung 69
Trennungsmodell 141 ff. Typenwahlfreiheit 92
Nachteilsausgleich 110 f.
Verkehrsbedürfnis 98, 100 ff., 206, 220 Verkehrsministerkonferenz 148 f., 216, 224 Verkehrsprojekt Deutsche Einheit 64 Vermittlungsausschuss 55, 83, 176 f. Verschuldung 61, 66 ff., 116, 134 Verstaatlichung 34 ff. Verwaltung – bundeseigene 51 ff., 84, 87 ff. – bundesunmittelbare 52, 87 ff. – Eisenbahnverkehrs~ 87 ff., 118 f., 156, 226 – Landes~ 90 Verwaltungsgesellschaftsrecht 111 Verwaltungsrat 39 ff., 56 f., 62, 68 Verwaltungsrat für Verkehr 45 f. Verwaltungsvermögen 47 Vetorecht 185 f., 188 Volksaktienmodell 217 f. Vorzugsaktien 216 ff.
Personalentscheidungsgewalt 177 f. Personalüberleitung 80 f., 117 f. PRIMON-Gutachten 141 ff. Privatisierung – Begriff 78 f. – Zulässigkeit 157 Privatisierungsgebot 91 ff., 105 Quersubventionen 50, 74, 122 Rechtsstaatsprinzip 110, 211 Regierungskommission Bundesbahn 75 ff., 80 f., 110 Regionalisierung 71 f., 82, 114 f., 120 f., 137, 220 Reichsbahngericht 41 Reparationszahlungen 33, 38, 40 ff. Rückholoption 203 ff. Schachtelbeteiligung 97, 189 ff. Schienenpersonenfernverkehr 223, 225 f. Schienenpersonennahverkehr 71 f., 81 f., 90, 98, 112 ff., 120 f., 132 f., 137, 156, 212 ff., 224 Schienenwegevorbehalt 96 ff., 108 f., 149, 163 ff., 170 f., 198 ff., 204 Sicherungsübertragung 198 ff. Stimmrechtsvollmacht 152, 183 ff. Teilrechtsfähigkeit 47, 56 Trennung von Netz und Betrieb 63, 122 f., 126 f., 130 f., 136
Weimarer Republik 37 ff. Weisungsrecht 110, 117 f., 166, 177, 180, 186 Wertausgleich 154, 200 ff., 225 Wesentlichkeitsvorbehalt 212 Wettbewerb 66, 69, 73, 93 f., 101, 122 ff., 136 f., 142 ff., 216, 221 Zugangsrecht 74, 82, 122, 126 f., 129 f. Zustimmungserfordernis 112 ff., 211 f. Zustimmungspflichtige Maßnahmen 186 f. Zustimmungsvorbehalt 184 ff., 197 Zweiter Weltkrieg 44 f.