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German Pages 280 [838] Year 2024
Our breathing is a fragile vessel that carries us from birth to death (DR. FREDERICK LEBOYER)
Prähospitales Atemwegsmanagement für Rettungsdienst und Notfallmedizin Peter Tendahl, Matthias Jahn, Martin von der Heyden (Hrsg.) Mit Beiträgen von: Thomas Demmer, Oldenburg; Christian Gernoth, Krefeld; Matthias Jahn, Delmenhorst; Sascha Kohn, Duderstadt; Ina Mungard, Leipzig; Tonio Nieszery, Rostock; Max Rhiem, Troisdorf; Franziska Schult, Hamburg; Mareike Soltau, Brahlstorf; Peter Tendahl, Ganderkeese; Martin von der Heyden, Steinhagen
Inhaltsverzeichnis Cover Titelblatt Copyrighta Danksagung Die Herausgeber Die Autorinnen und Autoren Links zu Videos Abkürzungen Abbildungsnachweis Kapitel 1: Warum dieses Buch? Kapitel 2: Anatomie und Physiologie 2.1. Grundlagen: Anatomie der Luftwege 2.2. Grundlagen: Physiologie der Atmung
Kapitel 3: Basic Airwaymanagement 3.1. Grundlagen: Vorgehen am Patienten, ABCDESchema, Beurteilung des Atemwegs, Basisfertigkeiten 3.2. Der verlegte Atemweg 3.3. Beutel-Masken-Ventilation 3.4. Supra- bzw. extraglottische Atemwegshilfen Kapitel 4: Advanced Airwaymanagement 4.1. Entscheidung zur endotrachealen Intubation 4.2. Lagerungstechniken zur Intubation 4.3. Direkte endotracheale Intubation und weitere Intubationstechniken 4.4. Videolaryngoskopie 4.5. Fiberoptische endoskopische Intubation 4.6. Weitere klinische Intubationsverfahren Kapitel 5: Der schwierige Atemweg 5.1. Möglichkeiten des alternativen Atemwegsmanagements 5.2. Chirurgische Atemwegssicherung
Kapitel 6: Nichtinvasive Ventilationsverfahren 6.1. Grundsätzliches zur nichtinvasiven Beatmung 6.2. Nichtinvasive Beatmung 6.3. High-Flow-Therapie (HFT/HFNC) Kapitel 7: Invasive Beatmung 7.1. Grundlagen der Atmung und Beatmung 7.2. Beatmungsformen 7.3. Beatmungsparameter 7.4. Monitoring von beatmeten Patienten 7.5. Komplikationen 7.6. Beatmungsgeräte Kapitel 8: Notfallnarkose 8.1. Indikation, Kontraindikation und Durchführung 8.2. Pharmakologie 8.3. Durchführung einer Notfallnarkose Kapitel 9: Der pädriatische Atemweg 9.1. Besondere Aspekte des kindlichen Atemwegsmanagements
9.2. Spezielle Atemwegstechniken bei Säuglingen und Kindern 9.3. Der schwierige pädiatrische Atemweg Kapitel 10: Besondere Umstände und Patientengruppen 10.1. Der instabile Patient 10.2. Der Traumapatient 10.3. Der Patient mit HWS-Trauma 10.4. Der Patient mit SHT 10.5. Der Patient mit Inhalationstrauma 10.6. Erhöhter Hirndruck und hypertensive Notfälle 10.7. Die schwangere Patientin 10.8. Der Patient mit Status epilepticus 10.9. Der geriatrische Patient 10.10. Der adipöse Patient 10.11. Fremdkörper im Atemweg des Erwachsenen 10.12. Der Patient mit angeborenen Fehlbildungen 10.13. Die sichere Extubation des Notfallpatienten
10.14. Beatmungs-WGs und Patienten mit Tracheostoma 10.15. Palliativpatienten 10.16. Atemwegsmanagement bei infektiologischen Patienten Kapitel 11: Beatmung im Intensivtransport und in der Luftrettung 11.1. Allgemeine Herausforderungen 11.2. Besonderheit Atemwegssicherung Kapitel 12: Patientensicherheit im Rahmen des Airwaymanagements 12.1. Einführung Human Factors 12.2. Crew Ressource Management Register
Copyright Elsevier GmbH, Bernhard-Wicki-Str. 5, 80636 München, Deutschland Wir freuen uns über Ihr Feedback und Ihre Anregungen an [email protected] ISBN 978-3-437-48291-5 eISBN 978-3-437-05465-5 Alle Rechte vorbehalten, auch für Text- und Data-Mining, KI-Training und ähnliche Technologien. Elsevier nimmt eine neutrale Position in Bezug auf territoriale Meinungsverschiedenheiten oder Zuständigkeitsansprüche in seinen veröffentlichten Inhalten ein, einschließlich Landkarten und institutionellen Zugehörigkeiten. 1. Auflage 2024 © Elsevier GmbH, Deutschland Wichtiger Hinweis Die medizinischen Wissenschaften unterliegen einem sehr schnellen Wissenszuwachs. Der stetige Wandel von Methoden, Wirkstoffen und Erkenntnissen ist allen an diesem Werk Beteiligten bewusst. Sowohl der Verlag als auch die Autorinnen und Autoren und alle, die
an der Entstehung dieses Werkes beteiligt waren, haben große Sorgfalt darauf verwandt, dass die Angaben zu Methoden, Anweisungen, Produkten, Anwendungen oder Konzepten dem aktuellen Wissensstand zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Werkes entsprechen. Der Verlag kann jedoch keine Gewähr für Angaben zu Dosierung und Applikationsformen übernehmen. Es sollte stets eine unabhängige und sorgfältige Überprüfung von Diagnosen und Arzneimitteldosierungen sowie möglicher Kontraindikationen erfolgen. Jede Dosierung oder Applikation liegt in der Verantwortung der Anwenderin oder des Anwenders. Die Elsevier GmbH, die Autorinnen und Autoren und alle, die an der Entstehung des Werkes mitgewirkt haben, können keinerlei Haftung in Bezug auf jegliche Verletzung und/oder Schäden an Personen oder Eigentum, im Rahmen von Produkthaftung, Fahrlässigkeit oder anderweitig übernehmen. Für die Vollständigkeit und Auswahl der aufgeführten Medikamente übernimmt der Verlag keine Gewähr. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden in der Regel besonders kenntlich gemacht (®). Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann jedoch nicht automatisch geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://www.dnb.de abrufbar.
24 25 26 27 28 5 4 3 2 1 Für Copyright in Bezug auf das verwendete Bildmaterial siehe Abbildungsnachweis Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. In ihren Veröffentlichungen verfolgt die Elsevier GmbH das Ziel, genderneutrale Formulierungen für Personengruppen zu verwenden. Um jedoch den Textfluss nicht zu stören sowie die gestalterische Freiheit nicht einzuschränken, wurden bisweilen Kompromisse eingegangen. Selbstverständlich sind immer alle Geschlechter gemeint. Planung: Katharina Frank, München Projektmanagement: Karin Kühnel Redaktion: Michaela Mohr/Michael Kraft, mimo-booxx|textwerk. – Büro für Verlagsdienstleistungen, Augsburg Bildredaktion und Rechteklärung: Lisa Neulinger, Ottobrunn Herstellung: Dietmar Radünz, Leipzig Satz: Thomson Digital, Noida/Indien Druck und Bindung: EGEDSA, Sabadell (Barcelona)/Spanien Umschlaggestaltung: SpieszDesign, Neu-Ulm Titelfotografie: Hauptbild © Tex vector - stock.adobe.com / Einklinker © Peter Tendahl, Bremen
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Danksagung Die Gefahr einer Danksagung liegt immer darin, manche Personen zu vergessen oder nicht in angemessener Weise zu würdigen. Wir haben uns deshalb dafür entschieden, gemeinsam und zusätzlich noch jeder für sich den Personen zu danken, die maßgeblichen Anteil am Zustandekommen dieses Buches hatten. Die Herausgeber möchten an dieser Stelle Karin Kühnel vom Elsevier Verlag für ihren unermüdlichen Einsatz und organisatorischen Beistand, Katharina Frank für die Planung sowie dem gesamten Elsevier Verlag für die große Flexibilität und Toleranz danken. Außerdem danken wir herzlich Michaela Mohr für ihr großes Engagement beim Lektorat und die gute Zusammenarbeit. Wir danken in besonderem Maße unseren CoAutoren Tonio Nieszery, Thomas Demmer, Max Rhiem, Christian Gernoth, Sascha Kohn, Mareike Soltau, Franziska Schult und Ina Mungard für die wertvollen Beiträge zu einzelnen Kapiteln. Ohne euer großartiges Engagement wäre dieses Buch niemals so gelungen. Ihr habt alle mit höchster Motivation und Disziplin eure Expertise in eure Kapitel einfließen und dieses Buch zu einem sehr wertvollen Gesamtgefüge werden lassen. Dafür sind wir drei euch unendlich dankbar. Im Namen der Herausgeber ebenso vielen Dank auch an Volker Berding und John Sebastian Etti für die Fotografien, Tim
Lachmund für ergänzende Sonografie-Abbildungen, Uyen My Phan, Sharleen Kother, Yannick Rasche, Tim Hößelbart, Stefan Röben, Isabelle-Catharine Scheunpflug, Claudia Wille und Timo Harms als mitwirkende Darsteller sowie allen Angehörigen, die mit großer Geduld zur Umsetzung dieses Buches beigetragen haben. Matthias Jahns Dank geht darüber hinaus noch an seine Frau und seine Tochter. Ohne eure Unterstützung und Geduld wäre auch dieses weitere Buchprojekt nicht möglich gewesen. Peter Tendahl möchte sich zunächst bei seinen beiden Mitherausgebern bedanken. Die Möglichkeit bekommen zu haben, gemeinsam mit euch ein neues Buch herausgeben zu dürfen, ist eine große Herausforderung und Ehre gewesen! Darüber hinaus möchte ich mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Rettungsdienstbereiche bedanken, für die ich tätig sein durfte. Über fast 20 Jahre habt ihr mich hart gefordert und inspiriert – das war von unschätzbarem Wert für mich. Nicht vergessen möchte ich meine Freunde Casi, Dennis, Sean, Jürgen, Jan, Mirko, Helge, Jan, Frank, Torsten, Philipp, Niklas, Thomas und Looschi für jahrelangen loyalen Support, entwaffnende Ehrlichkeit und unverzichtbare konstruktive Kritik. Ein besonderes Bedürfnis für mich ist es, der Sea Sheperd Conservation Society® meinen größten Respekt und höchste Anerkennung für ihre geleistete Arbeit und die dringend benötigten Kampagnen zu erweisen. Die Welt braucht mehr von eurem Geist, eurem Engagement und eurer Demut - For the Ocean! Mein allergrößter Dank gilt meiner Familie. Ohne euch, Lisa und Smilla, euer Verständnis und eure große Unterstützung bei meinen
Projekten (nicht nur diesem) und den wohltuenden Ausgleich, den ihr mir beschert, wäre ich nicht so glücklich und zufrieden, wie ich es bin. Martin von der Heyden bedankt sich bei seinen Mitherausgebern für die wirklich großartige Unterstützung in allen Lebenslagen. Des Weiteren bedankt er sich bei seiner Familie und seinen Freunden und Kollegen für die Unterstützung. Ein besonderer Dank geht an Katja, Henry, Max, Joshua, Felix und Thies, die zur Entstehung des Buches mit viel Geduld und Unterstützung beigetragen haben. Liebe Leser, wir hoffen, dass Sie mit diesem Buch viel Freude haben werden, freuen uns über Anregungen und konstruktive Kritik und wünschen viel Spaß beim Lesen der Lektüre. Delmenhorst, Stenum, Neegast im Januar 2024 Matthias Jahn, Peter Tendahl und Martin von der Heyden
Die Herausgeber
Matthias Jahn, Jahrgang 1978, ist Gesundheits-/und Krankenpfleger, Advanced Care Paramedic (CAN) und (Gemeinde-)Notfallsanitäter. Seit mehr als 25 Jahren arbeitet er in
der Notfallrettung und war nebenberuflich zehn Jahre lang in einem Herzkatheterlabor einer Schwerpunktklinik tätig. Als Instruktor ist er langjährig u.a. für die Kurssysteme AHA ACLS®, ITLS®, AMLS®, EPC® und 12-Leads-The Art of Interpretation® tätig gewesen. Seit 2015 ist er als (Gemeinde-)Notfallsanitäter für die Malteser Hilfsdienst gGmbH des Bezirkes Oldenburg beschäftigt.
Dr. med. Peter Tendahl, geboren 1974 in Niedersachsen, Studium der Humanmedizin an den Universitäten Lübeck und London (Ontario, Canada), ist Facharzt für Anästhesiologie mit den
Zusatzbezeichnungen spezielle anästhesiologische Intensivmedizin, Notfallmedizin, ärztliches Qualitätsmanagement, Palliativmedizin, Ernährungsmedizin und ABS-Experte. Seit 2018 ist er als Oberarzt an der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Notfallmedizin des Klinikums Bremen-Nord unter der Leitung von Klinikdirektor Dr. med. Frank Wolffgramm, DEAA, EDIC, beschäftigt. Von 2009 bis 2023 war er Ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes im Landkreis Oldenburg. Als Notarzt ist er seit 2005 an vielen unterschiedlichen Standorten in Norddeutschland tätig und engagiert sich darüber hinaus für die spezielle ambulante Palliativmedizin (SAPV) und Akupunktur. Er ist Mitglied des BDA, AGNN, der Dägfa und Gründungsmitglied der DGRN. Seine Schwerpunkte sind präklinisches und klinisches Traumamanagement, Antibiotic Stewardship und ärztliches Qualitätsmanagement.
Dr. med. Martin von der Heyden, geboren 1971 in NordrheinWestfalen, Studium der Humanmedizin an der Universität Rostock. Er ist Facharzt für Anästhesiologie und Notarzt. Bis Ende 2014 war
er Oberarzt der Universitätsmedizin Greifswald und dort als ärztlicher Leiter für das Luftrettungszentrum und die innerklinische Notfallmedizin sowie die studentische Lehre in den Bereichen Anästhesie und Notfallmedizin verantwortlich. Parallel dazu ist er bis zur Kreisgebietsreform in Mecklenburg -Vorpommern als Ärztlicher Leiter Rettungsdienst des Landkreises Uecker-Randow tätig gewesen. Zwischenzeitlich war er sechs Jahre als ärztlicher Leiter und Berater einer Rettungsdienstschule tätig. Parallel dazu absolvierte er erfolgreich ein Studium der Berufspädagogik im Gesundheitswesen und eine Ausbildung im Bereich Mediation und im systemischen Business Coaching. Als Instruktor und Kursdirektor engagiert er sich in verschiedenen Kurssystemen der AHA und ITLS®. Er ist zertifizierter CRM-Instruktor und ist auch dort für InPass im Einsatz. Er ist Mitglied der Ethikkommission der DGRe und Gründungsmitglied der Bildungsakademie Nord. Zurzeit arbeitet er als freiberuflicher Notarzt, Anästhesist und Honorardozent sowie als Mediator.
Die Autorinnen und Autoren Dr. med. Thomas Demmer, geboren 1974 in NordrheinWestfalen, Studium der Humanmedizin an den Universitäten Düsseldorf und Göttingen, ist Facharzt für Anästhesiologie mit den Zusatzbezeichnungen Notfallmedizin, Palliativmedizin und Ernährungsmedizin. Als Notarzt und leitender Notarzt ist er seit 2005 an unterschiedlichen Standorten in Norddeutschland tätig. Seit 2019 ist er als Oberarzt am Zentrum für Palliativmedizin, dem er seit 2023 als Leitender Arzt vorsteht. Er ist Mitglied des BDA, AGNN und DGP. Dr. med. Christian Gernoth D.E.S.A., M.A. (HCM), Jahrgang 1975, Studium der Humanmedizin in Heidelberg und Mannheim, Facharzt für Anästhesiologie, Zusatzbezeichnung Spezielle Intensivmedizin und Notfallmedizin, abgeschlossenes Masterstudium Health Care Management. Seit 2011 im Schwerpunkt Kinder- und Neugeborenenanästhesie sowie pädiatrischer Intensivmedizin klinisch tätig (Mannheim, Kassel, Duisburg). Als Medizinischer Kursleiter für Emergency Pediatric Care-Kurse und zertifizierter CRM-Simulations-Instruktor ist er neben der eigenen präklinischen Tätigkeit mit viel Herzblut als Trainer und Ausbilder insbesondere im Bereich der Kinderanästhesie und Kindernotfallmedizin aktiv.
Sascha Kohn, Jahrgang 1973, ist Notfallsanitäter, Gesundheitspädagoge B.A. und stud. M.Sc. für angewandte Psychologie. Er war 30 Jahre lang im bodengebundenen Rettungsdienst in verschiedenen Funktionsbereichen in leitender Funktion tätig. Als Instruktor engagiert er sich in den internationalen Kursformaten der AHA, PHTLS® und TTLS. Seit 2021 arbeitet er hauptberuflich beim Institut für Patientensicherheit und Teamtraining InPASS und begleitet seither mit seiner Expertise sämtliche angebotenen Lehr- und Trainingsformate. Er ist als aktiver Reservist am Ausbildungs- und Simulationszentrum der Bundeswehr in Berlin beordert und engagiert sich dort in der Ausbildung von ärztlichem und nicht ärztlichem Personal im Rahmen von militärisch-taktischen Lehrgangsformaten und Simulationen. Ina Mungard, geboren 1981 in Nordrhein-Westfalen, studierte Humanmedizin an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und ist Fachärztin für Anästhesiologie mit den Zusatzbezeichnungen Intensivmedizin und Notfallmedizin. Seit 2017 ist sie als Intensivmedizinerin an der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie der Uniklinik Leipzig unter der Leitung von Prof. Dr. med. Maximilian Stehr beschäftigt. Als Notärztin ist sie seit 2010 an verschiedenen Standorten tätig und engagiert sich darüber hinaus ehrenamtlich als Landesverbandsärztin des DRK Landesverbands Sachsen-Anhalt. Sie ist Dozentin an der Landesrettungsschule in Sachsen-Anhalt. Als medizinische Kursdirektorin engagiert sie sich für die Kurssysteme AMLS®, EPC® und PHTLS® und ist Instruktorin für den Kurs 12-Leads-The
Art of Interpretation®. Sie ist Mitglied der DGINA und Gründungsmitglied der DGRN. Dr. med. Mareike Soltau, geboren 1987, ist Fachärztin für Anästhesiologie und arbeitet als Oberärztin in der Klinik für Anästhesie, Rettungs-, Intensiv- und Schmerzmedizin am BG Klinikum Hamburg. Nach dem Studium der Mathematik an der Fernuniversität Hagen und der Humanmedizin an der Universität Hamburg arbeitete sie in der Klinik für Anästhesiologie des städtischen Klinikums Lüneburg, des BG Klinikums Hamburg und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Seit 2016 besitzt sie die Zusatzweiterbildung Notfallmedizin, seit 2021 die Zusatzweiterbildung Intensivmedizin. Sie ist seit mehreren Jahren in der präklinischen Notfallmedizin und im Intensivtransport am Boden und in der Luft tätig. Tonio Nieszery, geboren 1995, Notfallsanitäter und Berufspädagoge. Er war vier Jahre lang hauptamtlich als Lehrkraft an einer Rettungsdienstschule tätig und leitete dort den Fachbereich Rettungsdienst. Gegenwärtig arbeitet er in der Notfallrettung des Landkreises Rostock und engagiert sich als Instruktor für das ITLS®-Kurssystem. Maximilian Rhiem, Jahrgang 1983, ist Facharzt für Anästhesiologie mit den Zusatzbezeichnungen Intensivmedizin und Notfallmedizin. Aktuell ist er als Facharzt für Anästhesiologie und aktiver Notarzt am Helios Universitätsklinikum Wuppertal beschäftigt. Des Weiteren ist er über die Fa. Umlaut GmbH Part of Accenture als Telenotarzt tätig. Sein besonderes Interesse gilt der Aus-, Fort- und Weiterbildung des klinisch und präklinisch aktiven Personals. Er ist Kursdirektor und Instruktor diverser
internationaler Kurssysteme wie AHA, AMLS®, ERC und PHTLS® sowie der ärztliche Direktor des EPC®-Kurssystems. Franziska Schult, geboren 1995 in Niedersachsen, ist Notfallsanitäterin und M. Sc. Mechanical Engineering. Sie war fünf Jahre für die Malteser Hilfsdienst gGmbH in Oldenburg im Rettungsdienst tätig und ist als Instruktorin im Kurssystem AMLS® aktiv. Nach ihrem dualen Maschinenbaustudium in Hamburg und Lübeck in Kooperation mit der Firma Dräger arbeitet sie zurzeit dort in der Beatmungsgeräteentwicklung mit dem Schwerpunkt Pneumatik. Nebenberuflich ist sie weiterhin im Rettungsdienst aktiv.
Links zu Videos V ide o Liebe Leserinnen, liebe Leser, an einigen Stellen im Buch findet Ihr QR-Codes. Diese führen zu Videos oder Animationen, die mehr Infos zu den jeweiligen Themen bieten, z.B. Anwendungsvideos der Hersteller, Beiträge von Experten oder kleine Animationen von Elsevier. Einfach den QR-Code scannen und streamen!
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Abkürzungen A A. Arteria a.-p. anterior-posterior ABCDE Airway, Breathing, Circulation, Disability, Exposure/Environment ACE Airway Exchange Catheter Ach Acetylcholin AD Außendurchmesser AED automatisierter externer Defibrillator AF Atemfrequenz AHM Atemhilfsmuskulatur AHT arterielle Hypertonie AMI Acute Myocardial Infarction AMLS Advanced Medical Life Support AMV Atemminutenvolumen ANA antinukleäre Antikörper AP Angina pectoris APRV Airway Pressure Release Ventilation aPTT aktivierte partielle Thromboplastinzeit
ARDS Acute Respiratory Distress Syndrome ARI akute respiratorische Insuffizienz ASB Assisted Spontaneous Breathing ASAT Aspartat-Aminotransferase ASS Acetylsalicylsaure AV-Knoten Atrioventrikularknoten AVNRT atrioventrikuläre Knoten-Reentry-Tachykardie AVRT atrioventrikuläre Reentry-Tachykardie AVK arterielle Verschlusskrankheit AZ Allgemeinzustand AZV Atemzugvolumen
B BB Blutbild BE Base Excess BE-FAST Balance (Gangunsicherheit), Eyemovement (Sehstörungen), Face (Gesicht), Arms (Arme), Speech (Sprache), Time (Zeit) BGA Blutgasanalyse BiPAP Bilevel Positive Airway Pressure BIPAP Biphasic Positive Airway Pressure BMV Beutel-Masken-Ventilation BMI Body-Mass-Index BNP B-natriuretisches Peptid BSC Best Supportive Care
BWK Brustwirbelkörper BZ Blutzucker
C C Compliance Ca Kalzium CB Cannabinoid-Rezeptor (CB1- und CB2-Rezeptor) CBF zerebraler Blutfluss CCS Canadian Cardiovascular Society CCSV Chest Compression Synchronized Ventilation CCT kraniale Computertomografie CEB® Cardiac Electrical Biomarker CICO cannot intubate, cannot oxygenate CMV Continuous Mandatory Ventilation CNI chronische Niereninsuffizienz CO Kohlenmonoxid CO2 Kohlendioxid COHb Carboxyhämoglobin COPD chronisch obstruktive Lungenerkrankung (Chronic Obstructive Pulmonary Disease) CPAP Continuous Positive Airway Pressure CPP zerebraler Perfusionsdruck CPR kardiopulmonale Reanimation CRM Crew Resource Management CRP C-reaktives Protein
CSV Continuous Spontaneous Ventilation CT Computertomografie/-tomogramm CVCI cannot ventilate, cannot intubate CVI chronisch venöse Insuffizienz
D d Tag(e) D Double DCM dilatative Kardiomyopathie DD Differenzialdiagnose(n) ∆p Druckänderung ∆V Volumenänderung DMR depolarisierendes Muskelrelaxans DSA Delayed Sequence Induction DSI Delayed Sequence Intubation
E EF Ejektionsfraktion EDV enddiastolisches Volumen eFONA Emergency Front of Neck Access EGA extraglottische Atemwegssicherungen/Atemwegshilfen EGD Extraglottic Devices EILO Exercise-Inducible Laryngeal Obstruction EK Erythrozytenkonzentrat EKG Elektrokardiogramm
ELM External Laryngeal Manipulation ERC European Resuscitation Council ERV exspiratorisches Reservevolumen ET Eurotransplant etCO2 endtidales Kohlenstoffdioxid ETI endotracheale Intubation
F FAST Face (Gesicht), Arms (Arme), Speech (Sprache), Time (Zeit) EGA extraglottische Atemwegshilfen FiO2 inspiratorische Sauerstofffraktion FONA Front of Neck Access FPS First Pass Success FR First Responder FRC funktionelle Residualkapazität
G GABA γ-Aminobuttersäure GCS Glasgow Coma Scale GIT Gastrointestinaltrakt GÖR gastroösophagealer Reflux GOT Glutamat-Oxalacetat-Transaminase GPT Glutamat-Pyruvat-Transaminase GH Growth Hormon(e)
H Hb Hämoglobin HbO2 Oxyhämoglobin HCM hypertrophe Kardiomyopathie HDM Herzdruckmassage HF Herzfrequenz HFJV Hochfrequenzjetbeatmung (High Frequency Jet Ventilation) HFNC High Flow Nasal Cannula HFOT High-Flow-Sauerstofftherapie HFOV Hochfrequenzoszillationsbeatmung HFPPV Hochfrequenzüberdruckbeatmung (High Frequency Positive Pressure Ventilation) HFT High-Flow-Therapie HiB Haemophilus influenzae Typ B HIV humanes Immundefizienz-Virus HKU Herzkatheteruntersuchung HMV Herzminutenvolumen HNO Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde HNCM hypertrophe nichtobstruktive Kardiomyopathie HOCM hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie HRST Herzrhythmusstörung HRV Herzfrequenzvariabilität HTCL Head Tilt and Chin Lift HWS Halswirbelsäule
HZV Herzzeitvolumen
I i. a. intraarteriell IAP (UAP) instabile Angina pectoris (unstable Angina pectoris) IBW Ideal Body Weight IC Inspirationskapazität ICB intrakranielle Blutung ICD implantierbarer Kardioverter/Defibrillator ICP intrakranieller Druck IE internationale Einheit IIH idiopathische intrakranielle Hypertension IMV Intermittent Mandatory Ventilation INV invasive Beatmung IPSP inhibitorisches postsynaptisches Potenzial IRV inspiratorisches Reservevolumen ITH Intensivtransporthubschrauber ITLS International Trauma Life Support ITN Intubation i. v. intravenös
J J. Jahr/e JET junktionale ektope Tachykardie
K K Kalium KG Körpergewicht kg Kilogramm KHK koronare Herzkrankheit KI Konfidenzintervall KM Kontrastmittel KOBI Ketamin Only Breathing Induction KTW Krankentransportwagen
L LAE Lungenarterienembolie LAFB linksanteriorer Faszikelblock LAH linksanteriorer Hemiblock LBW Lean Body Weight LFNC Low-Flow Nasal Cannula Lig. Ligamentum LMA Laryngeal Mask Airway LPFB linksposteriorer Faszikelblock LSB Linksschenkelblock LSD Lysergsäurediethylamid LT Larynxtubus LV linker Ventrikel LZ Langzeit
M M. Musculus mA Milliampere MACE Major Adverse Cardiac Event MAD mittlerer arterieller Druck metHb Methämoglobin MJTM Modified-Jaw Thrust Maneuver min Minute(n) mmHg Millimeter Quecksilbersäule MMV mandatorische Minutenvolumen-Ventilation (Minimum Minute Volume) MRA Magnetresonanzangiografie MRT Magnetresonanztomografie/Kernspintomografie
N N. Nervus Na Natrium nACh nikotinerges Acetylcholin NaCl Natriumchlorid NDMA N-Methyl-D-Aspartat NDMR nichtdepolarisierendes Muskelrelaxans NEF Notarzteinsatzfahrzeug NERD nichterosive Refluxerkrankung (Non Erosive Reflux Disease) NIBP nichtinvasive Blutdruckmessung
NIV nichtinvasive Ventilation (Non invasive Ventilation) NMDA N-Methyl-D-Aspartat Nn. Nervi NO Stickstoffmonoxid NPT Nasopharyngealtubus NRI Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer NSAR nicht-steroidale Antirheumatika NSVT nichtanhaltende ventrikuläre Tachykardie NW Nebenwirkung(en)
O O2 Sauerstoff OELM optimale externe Larynx-Manipulation ÖGD Ösophagogastroduodenoskopie OGTT oraler Glukosetoleranz-Test OHCA Out-of-Hospital Cardiac Arrest OP Operation OPT Oropharyngealtubus OSAS obstruktives Schlafapnoesyndrom
P p.-a. posterior-anterior pa arterieller Druck PA intraalveolärer Druck paCO2 arterieller Kohlendioxidpartialdruck
Palv Alveolardruck paO2 arterieller Sauerstoffpartialdruck pAVK periphere arterielle Verschlusskrankheit PC Pressure Controlled PCI perkutane Koronarintervention pCO2 Kohlendioxidpartialdruck PDA persistierender Ductus arteriosus PDE Phosphodiesterase PEA pulslose elektrische Aktivität PEEP positiver endexspiratorischer Druck (Positive EndExspiratory Pressure) PIS interstitieller Druck POC Point of Care PONV postoperative Übelkeit (Postoperative Nausea and Vomiting) PpL Pleuraldruck PPCI primäre perkutane Koronarintervention PPV Positive Pressure Ventilation PRIS Propofol-Infusionssyndrom PS Pressure Support PSV Pressure Support Ventilation P pleu transpulmonaler Druckgradient PTCA perkutane transluminale Koronarangioplastie PTV perkutane transtracheale Ventilation Pv venöser Druck
PVF primäres Kammerflimmern pVT pulslose ventrikuläre Tachykardie
Q QTc-Zeit korrigierte (corrected) QT-Zeit
R RAAS Renin-Angiotensin-Aldosteron-System RDS Respiratory Distress Syndrome RGT Reaktionsgeschwindigkeits-Temperatur-Regel ROSC Return of Spontaneous Circulation (Spontankreislauf) RR Blutdruck nach Riva-Rocci RS Rettungssanitäter RSI Rapid Sequence Induction RTH Rettungshubschrauber RTW Rettungstransportwagen RV Residualvolumen RVH rechtsventrikuläre Hypertrophie
S s Sekunden S Single SA sinuatrial SAB Subarachnoidalblutung SAPV spezialisierte ambulante Palliativversorgung
SARS-CoV-2 Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus Type 2 SGA supraglottische Atemwegshilfen SHT Schädel-Hirn-Trauma S-ICD subkutan implantierter Kardioverter-Defibrillator SIMV Synchronized Intermittent Mandatory Ventilation s. l. sublingual SNDRI selektive Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahmehemmer SM Schrittmacher SaO2 arterielle Sauerstoffsättigung SpO2 partielle Sauerstoffsättigung SSRI selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer SSS Sick-Sinus-Syndrom Surfactant Surface Active Agent SV Schlagvolumen SVT supraventrikuläre Tachykardie
T TAA Tachyarrhythmia absoluta TACA Thyroid-Airline-Cricoid-Airline TBW Total Body Weight TC Totalkapazität TEE transösophageale Echokardiografie THC Tetrahydrocannabinol TMD tyreomentale Distanz
TTE transthorakale Echokardiografie TW QRS-ST-T-Wellenform
V V Ventrikel V Volt V. Vena V. a. Verdacht auf VAP beatmungsassoziierte Pneumonie (Ventilator-Associated Pneunomia) VAT ventilatorassoziierte Tracheobronchitis VC Verschlusskapazität/Vitalkapazität VHF Vorhofflimmern VF ventrikuläres Flimmern, Kammerflimmern VILI Ventilator-Induced Lung Injury VL Videolaryngoskopie VSD Ventrikelseptumdefekt VT ventrikuläre Tachykardie Vv. Venae VVI Ventrikel-Demand-Schrittmacher
W WASB Wach, Ansprache, Schmerz, Bewusstlos WCD Defibrillatorweste (Wearable Cardioverter Defibrillator) WOB Work of Breathing
WS Wirbelsäule
Z Z. n. Zustand nach ZNS zentrales Nervensystem ZVK zentraler Venenkatheter
Abbildungsnachweis Der Verweis auf die jeweilige Abbildungsquelle befindet sich bei allen Abbildungen im Werk am Ende des Legendentextes in eckigen Klammern. A400-157 S. Adler, Lübeck in Verbindung mit der Reihe Pflege konkret, Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag, München A300-190 G. Raichle, Ulm in Verbindung mit der Reihe Klinik- und Praxisleitfaden, Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag, München E369-002 Kevin T. Patton, Frank B. Bell, Terry Thompson, Peggie L. Williamson: The Human Body in Health & Disease, 8.A. Elsevier, 2023 E653-003 Flint PW, et al.: Cummings Otolaryngology: Head and Neck Surgery. Elsevier, 7. Aufl. 2021. E792-002 Cote S, Anderson B, Lerman J. A Practice of Anesthesia for Infants and Children. Elsevier, 6. Aufl. 2019. E909-002 Roberts J, Custalow C. Roberts and Hedges’ Clinical Procedures in Emergency Medicine and Acute Care. Elsevier, 7. Aufl. 2019 E909-003 Roberts J, Custalow C. Roberts and Hedges’ Clinical Procedures in Emergency Medicine and Acute Care. Elsevier, 6.
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L157 Susanne Adler, Lübeck L190 Gerda Raichle † L231 Stefan Dangl, München M445 Univ.-Prof. em. Dr. med. Wolfgang Keil, LMU München, Institut für Rechtsmedizin M582 Prof. Dr. med. Reinhard Larsen, Homburg M844 Thomas Semmel, Petersberg M1001 Matthias Jahn, Delmenhorst O888 Tim Lachmund, Großenkneten O1090 Hans-Martin Grusnick, Lübeck O1097 Volker Berding, Wildeshausen P433 Dr. Christian Gernoth, Kassel P1381 Dr. med. Peter Tendahl, Bremen P1382 Dr. med. Martin v.d. Heyden, Negast P1383 Dr. med. Marcus Rall, Reutlingen P1384 Mareike Soltau, Vellahn R482 Travell, Simons & Simons‘ Handbuch der Muskeltriggerpunkte, 3. Auflage S700 Sobotta-Archiv aus Paulsen/Waschke. Sobotta Atlas der Anatomie. 25. A. 2022 © Elsevier GmbH S700-L126 K. Dalkowski aus Paulsen/Waschke. Sobotta Atlas der Anatomie. 25. A. 2022 © Elsevier GmbH S702-L127 J. Mair aus Waschke/Böckers/Paulsen. Sobotta Anatomie: Das Lehrbuch. 2. A. 2019 © Elsevier GmbH
S700-L238 S. Klebe aus Paulsen/Waschke. Sobotta Atlas der Anatomie. 25. A. 2022 © Elsevier GmbH T374 M. Beutler, München V083 Weinmann Geräte für Medizin GmbH + Co. KG, Hamburg V088, U372 Fisher & Paykel Healthcare GmbH & Co. KG, Schorndorf; Maxtec, Utah V088-001 Courtesy Fisher & Paykel Healthcare, Irvine, CA. V090 Smiths Medical Deutschland GmbH, Kirchseeon V157 VYGON GmbH & Co. KG V162 Drägerwerk AG & Co. KGaA, Lübeck V326 Medicon eG Chirurgie- und Dentalinstrumente, Tuttlingen V346 LMA Deutschland GmbH, Bonn V348 VBM Medizintechnik GmbH, Sulz a. N. V592 i-gel, Intersurgical Ltd, Berkshire, United Kingdom V872 Ambu GmbH, Bad Nauheim V973 Intersurgical Beatmungsprodukte GmbH, Sankt Augustin V1033 AirLife, Michigan, USA V1038 Courtesy Timesco Healthcare Ltd., UK W933-001 Rall M, Glavin, RJ, Flin R. (September 2008). The ‘10seconds-for-10-minutes principle’. Why things go wrong and stopping them getting worse. Bulletin of The Royal College of Anaesthetists, 51, 2614-2616. Mit freundlicher Genehmigung des Royal College of Anaesthetists W961-002 Der Deutscher Rat für Wiederbelebung – German Resuscitation Council (GRC) e.V
Reanimation 2021 – Leitlinien kompakt, 1. Auflage 2021, ISBN: 978-3-00-068718-1 (https://www.grcorg.de/downloads/Leitlinien%20kompakt_final.pdf) W1075-003 Gottlieb J, et al.: S3k-Leitlinie 2021. Sauerstoff in der Akuttherapie beim Erwachsenen. 1.0; Juni 2021. AWMFRegisternummer: 020 – 021. Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (DGP) http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/020-021.html, Zugriff am: 21.6.2021
Kapitel 1: Warum dieses Buch? Matthias Jahn, Peter Tendahl, Martin von der Heyden
In der Präklinik ist das Atemwegsmanagement ein häufig diskutiertes Thema, besonders wenn es um die Entscheidung zur invasiven Atemwegssicherung geht. Für das Atemwegsmanagement existieren laut S1-Leitlinie „Prähospitales Atemwegsmanagement“ nahezu keine randomisierten Studien der Level 1 und 2. Es besteht insgesamt nur eine schwache Evidenz für Empfehlungen in der Vorgehensweise bei der Sicherung der Atemwege. Oft wird die Frage gestellt, ob eine invasive Atemwegssicherung z. B. mit einer endotrachealen Intubation (ETI) notwendig ist. Reichen hier oft auch einfache Basismaßnahmen aus oder benötigt der Patient wirklich einen „Tubus“? Die häufigste Indikation zur Sicherung der Atemwege ist sicherlich der HerzKreislauf-Stillstand. Die Entscheidung zur Sicherung des Atemweges in anderen Notfallsituationen ist häufig eine nicht so ganz einfache Entscheidung und eine Herausforderung, v. a. bei kritisch kranken Patienten. Oft wird seitens der Klinik ein erweitertes Atemwegsmanagement „erwartet“ oder man selbst hat „Angst“ davor, den Patienten ohne einen Tubus in der Notfallaufnahme zu
übergeben. Sind diese Überlegungen gerechtfertigt? Der „Mythos“, dass bei einer GCS ≤ 8 der Patient zwingend eine invasive Atemwegssicherung benötigt, ist immer noch weit verbreitet. Dass in diesem Fall aber auch eine gut geführte Narkose wichtig ist, wird hierbei nicht selten ausgeblendet. Oft reichen einfache Basismaßnahmen aus. In der S1-Leitlinie „Prähospitales Atemwegsmanagement“ wird klar empfohlen, die Indikation zur invasiven Atemwegssicherung kritisch zu überprüfen. In der Leitlinie wird eine Rate der unerkannten ösophagealen Intubation von bis zu 25 % mit einer Letalitätsrate von 70–90 % angegeben. Immer noch wird in einigen Rettungsdienstbereichen der Goldstandard CO2Messung zur Kontrolle der richtigen Tubuslage vernachlässigt. Eine ETI soll nur dann durchgeführt werden, wenn mindestens 100 ETI unter Anleitung dokumentiert und in der Wiederholung 10 ETI pro Jahr durchgeführt wurden. Die Rettungskräfte bewegen sich oft in einem Spannungsfeld zwischen der Erfahrung des Anwenders und der Entfernung bzw. Transportzeit zum nächstgelegenen geeigneten Krankenhaus. Das mittlerweile flächendeckend verfügbare Videolaryngoskop wird für den ungeübten Anwender die ETI sicherlich vereinfachen (First Pass Success, FPS). Aber auch hier gilt es, Fallstricke in der Anwendung zu beachten. Extraglottische Atemwegshilfen (EGA) stellen bei fehlender Erfolgsaussicht eine gute Alternative dar. Auf eine Anpassung der EGA und Ausrüstung mit Videolaryngoskopie wird gedrungen. In der S1-Leitlinie wird auch gefordert, dass alle Techniken der Atemwegssicherung am Patienten trainiert werden sollen. Übungen am Phantom allein reichen nicht aus. Was erwartet Sie in diesem Buch?
Grundlagen der Anatomie und Physiologie sind zunächst die Eckfeiler im Rahmen eines professionellen Atemwegsmanagements und werden im Kapitel „Anatomie und Physiologie“ ausführlich erläutert. Wichtige grundlegende und zentrale Fertigkeiten im Rahmen des Airwaymanagements zur Ventilation und Oxygenierung von Notfallpatienten sind die Techniken der Sauerstoffapplikation und die einfache Sicherung der Atemwege aber auch die suffiziente Beutel-Masken-Ventilation (BMV) zur ausreichenden Oxygenierung und Ventilation. Die BMV soll als primäre Technik bei der Beatmung von Kindern angewendet werden. Leider fehlt vielen Rettungskräften dafür die Routine im prähospitalen Setting. Spätestens im Rahmen der anästhesiologischen Hospitation wird dem einen oder anderen bewusst, dass diese Maßnahme doch nicht so ganz einfach durchzuführen ist. Das Kapitel „Basic Airwaymanagement“ soll daher verschiedene Techniken der einfachen Atemwegstechniken wie z. B. das Freihalten des Atemwegs, aber auch die BMV bis hin zum Umgang und Möglichkeiten bei der Verwendung von extraglottischen Atemwegshilfen beleuchten. Merke Ohne offenen Atemweg und adäquaten Gasaustausch sind alle weiteren Maßnahmen vergeblich. Einfache Basismaßnahmen sind hier oft ausreichend. Ein nicht erfolgreiches Atemwegsmanagement führt zu Hypoxie und daraus resultierend unmittelbar zu schweren Folgeschäden bis hin zum Tod.
Die Sicherung der Atemwege im prähospitalen Setting ist um ein Vielfaches schwieriger als unter elektiven Bedingungen. Im Kapitel „Advanced Airwaymanagement“ werden die Möglichkeiten der invasiven Atemwegssicherung ausführlich beschrieben. Besondere Techniken, aber auch unterschiedliche Tuben und Werkzeuge sollen hier als Horizonterweiterung Erwähnung finden und in manchen Situationen bei der Versorgung von Notfallpatienten Sicherheit geben. Das Worst-Case-Szenario ist sicherlich der „erschwerte Atemweg“ bzw. die „Cannot ventilate, cannot oxygenate“-Situation und wird im Kapitel „Der schwierige Atemweg“ mit Möglichkeiten der „chirurgischen“ Atemwegssicherung als letzte mögliche Eskalationsstufe eingehend erläutert. Weitere zentrale Bestandteile bei der Versorgung von Notfallpatienten sind richtige Techniken der Präoxygenierung zur Narkoseeinleitung und die nichtinvasive Ventilation (NIV). CPAP bzw. NIV sind sicherlich gebräuchliche Begriffe und mittlerweile in den Kompetenzen der Notfallsanitäter fest verankert, aber sie sollten auch beherrscht werden. Nicht jeder Patient mit z. B. einer hyperkapnischen akuten respiratorischen Insuffizienz (ARI) ist einfach zu steuern. Die Apnoeoxygenierung oder die sog. Delayed Sequence Intubation“ im Rahmen einer Narkoseeinleitung sind für den einen oder anderen neue Begrifflichkeiten. Die Möglichkeiten der nichtinvasiven Ventilation, der Narkoseeinleitung und Grundlagen der maschinellen Beatmung während der prähospitalen Versorgungsphase werden in den Kapiteln „Noninvasive Ventilationsverfahren“, „Invasive Beatmung“ und „Notfallnarkose“ beschrieben.
Auch die pädiatrische Patientengruppe und deren Versorgung in kritischen Situationen ist sicherlich eine Herausforderung und soll hier selbstverständlich im Kapitel „Der pädiatrische Atemweg“ ausführlich dargestellt werden. Vor allem im Rahmen des Advanced Airwaymanagements werden in diesem Kapitel unterschiedlichste Bereiche der pädiatrischen Atemwegssicherung erläutert, um Sicherheit im Umgang mit dieser besonderen Patientengruppe zu vermitteln. Im Kapitel „Besondere Umstände und Patientengruppen“ werden verschiedenste Probleme bei Patienten mit z. B. Mittelgesichts- und Halsverletzungen, Inhalationstrauma oder Schwangerschaft und ihren besonderen Herausforderungen im Rahmen des Atemwegsmanagements mit Lösungsstrategien während der prähospitalen Phase geschildert. Im Kapitel „Beatmung im Intensivtransport- und der Luftrettung“ wird die Patientenversorgung unter „besonderen“ Umständen besprochen und soll einen Einblick mit durchaus anderen Herausforderungen des Atemwegsmanagements geben. Im Kapitel „Patientensicherheit im Rahmen des Airwaymanagements“ wird der wichtige Bereich Crew Ressource Management (CRM) ausführlich beleuchtet. Das Buch soll die Angst vor den respiratorisch kompromittierten Patienten nehmen und richtet sich bezüglich des Inhalts und der Tiefe an alle präklinisch tätigen Berufsgruppen, vom Rettungssanitäter bis zum Notarzt. Am Notfallort gewinnt oder verliert man immer als Team. Uns ist deshalb wichtig, bei interventionellen Maßnahmen den Fokus besonders auf Teammaßnahmen zu legen und unsere
Erfahrungswerte mit den Leserinnen und Lesern zu teilen. In der Praxis hat sich gezeigt, dass nur im Team, durch ständiges Dazulernen, durch eine gute Fehlerkultur und Debriefings auf Augenhöhe der Patient am besten profitieren wird. Wir möchten erwähnen, dass die einzelnen Bedürfnisse der Leserinnen und Leser doch sehr divergieren. Wir hoffen, dass unsere Kapitel sowohl als schnelles Nachschlagewerk als auch als weiterführende Literatur einen guten Support bieten. Zusammengefasst beinhaltet dieses Buch verschiedene Kapitel – von der Anatomie und Physiologie bis hin zu Szenarien im Rahmen eines erschwerten Atemwegs. Aktuelles Fachwissen, der Umgang mit unterschiedlichen Möglichkeiten des Atemwegsmanagements und handlungsorientierte Vorgehensweisen sollen in diesem Buch veranschaulicht werden, um die Ihnen anvertrauten Patienten bestmöglich zu behandeln, um dann die weitere Versorgung des Patienten einleiten zu können.
Literatur AWMF-S1-Leitlinie „Prähospitales Atemwegsmanagement“, Version 1.0, 2019, AWMF-Registernummer: 001-040. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/001040
Kapitel 2: Anatomie und Physiologie Tonio Nieszery, Martin von der Heyden
2.1. Grundlagen: Anatomie der Luftwege Die Hauptaufgabe des Atemsystems ist der Gasaustausch und die Luftleitung. Hierbei wird Sauerstoff aus der Umgebungsluft in den Körper aufgenommen und Kohlendioxid aus dem Stoffwechsel ausgeatmet. Anatomisch teilen sich die Atemwege in die oberen und unteren auf. Funktionell lassen sich die Atemwege in luftleitende (konduktiv) und am Gasaustausch beteiligte Strukturen (respiratorisch) unterteilen.
2.1.1. Obere Atemwege Die oberen Atemwege werden durch die Stimmritze (Rima glottidis) begrenzt und dienen der Luftleitung in die unteren Atemwege. Sie bestehen aus Nase (Nasus), Rachen (Pharynx) und Teilen des Kehlkopfs (Larynx). Nase
Der physiologische Weg der Atemluft beginnt mit der Nase. Die einströmende Luft wird durch einen borstenartigen Haarbesatz (Vibrissae) von groben Partikeln gereinigt. Durch eine schleim- und sekretbildende Schleimhaut, die die Oberfläche der Nasenhöhle auskleidet, sowie durch die starke Vaskularisierung, wird die Luft in der Nase erwärmt und angefeuchtet. Im Nasensekret befindliche Immunzellen können ebenfalls Erreger binden und so verhindern, dass diese in die unteren Atemwege gelangen. Anatomisch gliedert sich die Nase in die äußere Nase (Nasus externus) und die Nasenhöhle (Cavitas nasi; ➤ Abb. 2.1).
Abb. 2.1 Anatomie der Nase [S700]
Äußere Nase Die äußere Nase besteht aus der knöchernen Nasenwurzel (Radix nasi) und einem knorpeligen Anteil. Die knöchernen Anteile der
Radix nasi setzen sich aus dem Nasenbein (Os nasale) und aus Anteilen des Oberkieferknochens (Processus frontalis maxillae) zusammen. Der knorpelige Anteil der äußeren Nase unterteilt sich in den Nasenrücken (Dorsum nasi) und die Nasenflügel (Alae nasi), in denen sich die Nasenlöcher (Nares) befinden. Nasenhöhle Die Nasenhöhle (Cavitas nasi) bildet einen Raum im Inneren des Schädels, dessen knöchernen Oberflächen mit einer Schleimhaut (s. o.) ausgekleidet sind. Medial wird die Nasenhöhle in sagittaler Richtung durch das knöcherne Nasenseptum (Septum nasi) getrennt. Den Übergang in den Rachenraum (Pharynx) bilden auf beiden Seiten die Choanae, zwischen dem dorsalen Ende des Gaumenbeins (Os palatinum) und der Ventralfläche des Keilbeins (Os sphenoidale). Innerhalb der Nasenhöhle befinden sich pro Seite drei knöcherne Nasenmuscheln (Conchae nasales superior, media und inferior), die mit einer schwellkörperartigen Schleimhaut überzogen sind. Sie bilden durch ihre Anordnung insgesamt drei Gänge, durch die z. B. die Luft in Richtung Choanae geleitet wird (Meatus nasi superior, medius und inferior). Nasennebenhöhlen In Verbindung mit der Nasenhöhle stehen die Nasennebenhöhlen (Sinus paranasales). Sie sind Aussackungen in die anliegenden lufthaltigen Knochen und kleiden sich im Laufe des Kindes- und Jugendalters mit Nasenschleimhaut aus. Es befinden sich Nasennebenhöhlen im Oberkieferknochen (Sinus maxillaris), dem
Stirnbein (Sinus frontalis), dem Keilbein (Sinus sphenoidalis) und dem Siebbein (Sinus ethmoidalis). Durch die Nasennebenhöhlen wird eine Gewichtsreduktion der Knochen als Ossa pneumatica erreicht. Darüber hinaus bilden sie Resonanzräume und sind so an der Lautbildung (Phonation) beteiligt (➤ Abb. 2.2).
Abb. 2.2 Nasennebenhöhlen [S700-L238]
Rachen Der Rachen (Pharynx) bildet den gemeinsamen Anfangsweg der Nahrung und der Atemluft nach kaudal (➤ Abb. 2.3). Der ca. 15 cm lange Muskelschlauch gliedert sich in drei Bereiche, die sich nach den angrenzenden Zugangswegen benennen: • Der Nasenrachenraum (Naso- oder Epipharynx) im Bereich zwischen den Choanae und dem Gaumensegel (Uvula
palatina). • Mundrachenraum (Oro- oder Mesopharynx) zwischen der Uvula palatina und dem Oberrand des Kehldeckels (Epiglottis). • Kehlkopfrachenraum (Laryngo- oder Hypopharynx) zwischen dem Oberrand der Epiglottis, dem Eingang des Kehlkopfs (Aditus larygis) und der oberen Speiseröhrenenge (Constrictio pharyngooesophagealis)
Abb. 2.3 Aufbau und Gliederung des Pharynx in Etagen [S700-L126] Die Muskulatur des Pharynx spielt beim Schluckakt eine besonders wichtige Rolle. Hierbei besteht eine muskuläre
Verbindung zwischen dem Hinterhauptbein (Os occipitale), dem Zungenbein (Os hyoideum) und den Knorpelstrukturen des Larynx. Auf diese Weise kann beim Schlucken ein Anheben des Larynx und den darunter befindlichen Strukturen bewirkt werden. Durch diesen Mechanismus erfolgt der essenzielle Verschluss der Luftwege beim Herunterschlucken von Nahrung und Flüssigkeiten. Kehlkopf Der Kehlkopf (Larynx) ist Teil des luftleitenden Systems und bildet den Übergang aus dem Pharynx in die Luftröhre (Trachea). Er erfüllt eine Schutzfunktion, indem er die Luftwege beim Schlucken verschließt. Außerdem ist der Larynx durch seine Strukturen an der Phonation beteiligt (➤ Abb. 2.4).
Abb. 2.4 Darstellung des Larynx (Sagittalschnitt) [E369-002] Das Grundgerüst (Larynxskelett) besteht aus vier großen Knorpeln: • Kehldeckel (Epiglottis) • Schildknorpel (Cartilago thyroidea)
• Ringknorpel (Cartilago cricoidea) • Stellknorpel (Cartilago arytaenoidea) Im Larynx finden sich zwei gelenkartige Verbindungen zwischen: • Ring- und Stellknorpel (Articulatio cricoarytenoidea) • Ring- und Schildknorpel (Articulatio cricothyroidea) Epiglottis Die Epiglottis steht vor dem Eingang des Larynx (Aditus laryngis) und verschließt diesen beim Schluckakt (➤ Abb. 2.5). Hierzu ist sie durch Bandstrukturen mit umliegenden Geweben verbunden. Die spitz zulaufende Basis der Epiglottis ist über das Ligamentum thyroepiglotticum mittig an der Innenfläche des Schildknorpels befestigt. Die Ventralfläche ist über das Ligamentum hyoepiglotticum mit dem Os hyoideum verbunden. Zwischen Zungenwurzel (Radix linguae) und Epiglottis befindet sich eine paarige Grube (Vallecula epiglottica), die funktionell als temporäres Speichelreservoir dient.
Abb. 2.5 Abbildung der Epiglottis [S700] a) Ansicht von dorsal b) Ansicht von links auf Lig. vocale und Stellknorpel, linke Schildknorpelplatte entfernt
Um einen Verschluss zu ermöglichen, befindet sich vor der Epiglottis ein Fettkörper, der beim Anheben des Larynx die Epiglottis über den Aditus drückt. Merke Die Vallecula epiglottica wird im Rahmen der endotrachealen Intubation als Orientierungspunkt genutzt. Schildknorpel Der Schildknorpel (Cartilago thyroidea) bildet den Oberrand des Larynx und besteht aus einer nach vorn gewölbten Knorpelplatte. Er ist über das Ligamentum thyrohyoideum mit dem Zungenbein verbunden. Dorsal setzt er sich pro Seite in zwei hornartige Spitzen fort (Cornu inferius und superius). Die Ventralseite weist als anatomische Landmarke den Adamsapfel (Prominentia laryngea) auf, die beim männlichen Geschlecht deutlich stärker ausgeprägt ist. Merke Die Prominentia laryngea dient bei chirurgischen Eingriffen wie z. B. der Notkoniotomie als wichtiger Orientierungspunkt. Ringknorpel Der Ringknorpel ist ein schmuckringförmiger Knorpel, der sich nach ventral in einen Bogen (Arcus cartilaginis cricoideae) verjüngt. Die Verbindung zwischen Arcus und Schildknorpel bildet das
Ligamentum cricothyroideum. Weiterhin bestehen Verbindungen über die Articulatio cricothyroidea und über die Cornus inferiores. Dem Unterrand des Ringknorpels schließt sich die Luftröhre (Trachea) an und ist über eine Bandstruktur (Ligamentum cricotracheale) verbunden. Merke Das Ligamentum cricothyroideum ist der angezeigte Inzisionsort für die Notfallkoniotomie. Stimmritze Die Stimmritze (Rima glottidis) bildet den funktionellen Übergang in die unteren Atemwege (➤ Abb. 2.6). Sie setzt sich aus den folgenden paarig angelegten Strukturen zusammen: • Taschenfalten (Plicae vestibulares) • Stimmfalten (Plicae vocales) • Stimmbänder (Ligamenta vocalia) • Stimmmuskeln (Musculi vocales)
Abb. 2.6 Abbildung der Stimmritze [E369-002]
Die Plicae vestibulares und vocales werden durch die den Larynx auskleidende Schleimhaut gebildet. Stimmbänder und Stimmmuskeln ziehen jeweils vom Cartilago arytenoidea zum Cartilago thyroidea und bilden die Stimmritze. Merke Eine Irritation der Stimmritzte durch Fremdkörper oder Flüssigkeiten kann zu einem reflektorischen Anspannen der Mm. vocales führen und damit einen Stimmritzenkrampf verursachen.
2.1.2. Untere Atemwege Die unteren Atemwege beginnen nach der funktionellen Einteilung unterhalb der Glottis und setzen sich aus folgenden Strukturen zusammen: • Luftröhre (Trachea) sowie die zwei abzweigenden Hauptbronchien (Bronchi principales) • Lunge (Pulmo) inklusive aller Verzweigungen des Bronchialsystems Luftröhre Die Trachea dient, zusammen mit den gleich aufgebauten Bronchi principales, der Luftleitung in die Lunge. Sie besteht als ca. 12–15 cm lange, weitestgehend starre Röhre aus hufeisenförmigen Knorpelspangen (Cartilagines tracheales), die über Bänder (Ligamenta anularia) miteinander verbunden sind. In der Öffnung der Spangen (Paries membranaceus) befindet sich der
Trachealmuskel (Musculus trachealis), der über eine Weitenregulation der Trachea den Atemwiderstand beeinflusst. Die Innenschicht der Trachea bildet eine Schleimhaut (Tunica mucosa), die als Flimmerepithel über bewegliche Kinozilien verfügt (➤ Abb. 2.7).
Abb. 2.7 a) Wandaufbau der Trachea, b) Die unvollständigen Trachealringe und die Elastizität der hinteren Trachealwand führen dazu, dass sich die Speiseröhre beim Schlucken ausdehnt. [G1214-002] Die am Aufbau der Trachea beteiligten Gewebearten gliedern sich in drei Schichten: • Innere Schicht (Tunica mucosa): mehrreihiges Flimmerepithel mit Becherzellen zur Schleimsekretion und zum Fremdkörperabtransport
• Mittlere Schicht (Tunica fibromusculocartilaginea): besteht aus Musculus trachealis, Cartilagines tracheales und Ligamenta anularia • Äußere Schicht (Tunica adventitia): lockeres Bindegewebe zur Fixierung der Trachea Beim Erwachsenen verläuft die Trachea bis ca. zum 4. Brustwirbelkörper und teilt sich dort in die beiden Hauptbronchien (Bifurcatio tracheae). Die Höhe der Bifurkation variiert je nach Alter. Sie befindet sich bei jungen Menschen weiter oben (Höhe BWK II) und bei älteren Menschen weiter unten (Höhe BWK VII). Der Winkel der Trachealbifurkation beträgt beim Erwachsenen ca. 55–65° (➤ Abb. 2.8).
Abb. 2.8 a) Untere Atemwege mit Kehlkopf, Larynx, Trachea und Bronchien (Ansicht von ventral) b) Trachea (Querschnitt, Lupenvergrößerung) [S700]
Merke Der rechte Hauptbronchius (Bronchus principalis dexter) geht steiler von der Trachealbifurkation ab. Lunge Die Lunge (Pulmo) ist das Hauptorgan der Atmung und liegt paarig angelegt in der Brusthöhle (➤ Abb. 2.9). Sie wiegt beim Erwachsenen ca. 800 g und besitzt, je nach Atemlage, ein Volumen von ca. 2–8 l. Die Basis (Basis pulmonis) liegt dem Zwerchfell (Diaphragma) auf, während die Spitze (Apex pulmonis) wenige Zentimeter über die obere Thoraxapertur (Apertura thoracis superior) hinausragt. Zwischen den beiden kegelförmigen Lungenflügeln (Pulmo dexter und sinister) liegt das Mediastinum (➤ Abb. 2.10).
Abb. 2.9 Abbildung beider Lungenflügel [L190]
Abb. 2.10 a) Lungenlappen b) Detaillierte Anatomie der rechten Lunge, die den horizontalen Spalt (der den oberen vom Mittellappen trennt) und den schrägen Spalt (der den Mittellappen vom Unterlappen trennt) zeigt. c) Linke Lunge mit Darstellung der Lingula an der Basis des Oberlappens [G1260] Innerhalb der Brusthöhle liegen der Lunge verschiedene Strukturen an, nach denen die folgenden Flächen benannt werden: • Facies costalis: Eine konvex geformte Fläche, die den Rippen (Costae) anliegt.
• Facies mediastinalis: Die innen liegende Fläche der Lunge. An dieser Stelle vereinigen sich in der sog. Lungenpforte (Hilum pulmonis) alle eingehenden Bahnen, wie z. B. die Hauptbronchien, Lungenarterien und -venen oder Lymphbahnen. • Facies diaphragmatica: Eine konkave Fläche, die dem Diaphragma direkt aufliegt. Pleura Die Lunge wird vom Lungenfell (Pleura visceralis) umgeben. Eine bindegewebige Haut, die am Hilum pulmonis in eine Pleura parietalis umschlägt (➤ Abb. 2.11). Sie kleidet die inneren Oberflächen der Thoraxwand aus und gliedert sich in drei Abschnitte: • Pars mediastinalis: an die Bindegewebsstrukturen des Mediastinums anliegend • Pars costalis: der inneren Thoraxwand anliegende Teil • Pars diaphragmatica: der dem Zwerchfell (Diaphragma) anliegende Teil der Pleura parietalis
Abb. 2.11 Darstellung der Pleura visceralis und parietalis [S702-L127] Zwischen der Pleura visceralis und parietalis befindet sich die Pleurahöhle (Cavitas pleuralis). Durch Zellen des Serosaepithels wird eine zähe Flüssigkeit in die Pleurahöhle sezerniert (ca. 5 ml), über die eine Anhaftung der beiden Blätter entsteht. Innerhalb der Pleurahöhle herrscht ein negativer intrapleuraler Druck (ca. –5 cmH2O), der durch die zwei gegenläufigen Kräfte der Thoraxexpansion und Lungenretraktion entsteht. Das viszerale und parietale Blatt der Pleura dienen bei der Atmung als Gleitlager und ermöglichen eine reibungsfreie Bewegung der Lunge.
Merke Die Anhaftung der Lunge an der Thoraxwand ist atemmechanisch von essenzieller Bedeutung. Ohne intakte Pleura kann ein Lungenflügel (teil-)kollabieren. Lungengewebe Makroskopisch lassen sich die Lungenlappen optisch voneinander unterscheiden. Sie sind durch bindegewebige Septen voneinander getrennt. Durch die linksseitige Lage des Herzens besitzen die Lungenflügel eine unterschiedliche Anzahl an Lungenlappen. So teilt sich die linke Lunge in nur zwei Lungenlappen (Lobus superior pulmonis sinistri und Lobus inferior pulmonis sinistri). Die rechte Lunge teilt sich in drei Lungenlappen, den rechten Oberlappen (Lobus superior pulmonis dextri), den rechten Mittellappen (Lobus medius pulmonis dextri) und den rechten Unterlappen (Lobus inferior pulmonis dextri). Die sich immer weiter verzweigenden Strukturen der Bronchien bilden das Lungengewebe und werden unter dem Begriff des Bronchialbaums (Arbor bronchialis) zusammengefasst. Nach Größe absteigend gliedert sich das Lungengewebe in (➤ Abb. 2.12): • Lungenlappen (Lobus pulmonalis) • Lungensegment (Segmentum bronchopulmonale) • Lungenläppchen (Lobulus pulmonalis) • Azinus
Abb. 2.12 Einteilung der Lunge in Lappen und Segmente [L126) a) Pulmo dexter – Ansicht von lateral b) Pulmo sinister – Ansicht von latera c) Pulmo dexter – Ansicht von medial d) Pulmo sinister – Ansicht von medial
Bronchialbaum Der Bronchialbaum teilt sich 23-mal in kleiner werdende Anteile (Generationen; ➤ Abb. 2.13). Diese Kleinteiligkeit ergibt das elastische und schwammartige Gewebe der Lunge.
Abb. 2.13 Abbildung der Teilung des Bronchialbaums in Generationen [G1214-002] A) Strukturen der Atemwege B) Veränderungen in der Bronchialwand mit fortschreitender Verzweigung C) Elektronenmikroskopische Aufnahme von den Alveolen: Der lange weiße Pfeil kennzeichnet Alveolarzellen vom Typ II; die kurze weiße Pfeilspitze identifiziert die Poren von Kohn; der rote Pfeil markiert die Alveolarkapillaren. D) Kunststoffabdruck der Lungenkapillaren bei starker Vergrößerung Jeder der Gewebeeinteilungen lässt sich ein Teilungsabschnitt des Bronchialbaums zuordnen (➤ Tab. 2.1). So mündet in jeden
Lungenlappen ein Lappenbronchus (Bronchus lobaris) und verzweigt sich in diesem weiter. In jedes Lungensegment mündet ein Segmentbronchus (Bronchus segmentalis). Ab der Strukturgröße des Lobulus pulmonalis werden die einmündenden und sich vielfach verzweigenden Strukturen des Bronchialbaums als Bronchioli bezeichnet. Die kleinsten Verzweigungen eines Bronchiolus, die Bronchioli terminales, bilden das Ende des konduktiven Abschnitts und reichen bis zur 16. Generation. Die Bronchioli respiratorii werden ab der 17. Generation ausgebildet und markieren den Beginn des respiratorischen Abschnitts. Sie verfügen an ihren Wänden bereits über Lungenbläschen (Alveola) und gehen in weiteren Teilungen, Ductuli alveolares, in eine Ansammlung von Alveolen (Sacculi alveolares) über. Tab. 2.1
Zuordnung der Lungengewebe zu den Abschnitten des
Bronchialbaums Lungenabschnitte
Bronchialbaum
Lobus pulmonalis
Bronchus pulmonalis
Segmentum bronchupulmonalis
Bronchus segmentalis
Lobulus pulmonalis
Bronchiolus
Azinus
Bronchiolus terminalis Bronchiolus respiratorius Ductus alveolaris Alveola
Info
Aus den Ansammlungen der Alveolen hinter den Bronchioli terminales ergibt sich die namensgebende, beerenartige Struktur des Azinus.
Wandbau Die Abschnitte des Bronchialbaums unterscheiden sich in ihrem Wandbau. Sie ähneln dem Wandaufbau der Trachea und verjüngen sich immer weiter. Im Rahmen der Verjüngung reduzieren sich auch die Gewebeanteile und ergeben so unterschiedliche Wandstrukturen. Ein unterschiedlicher Wandbau ermöglicht verschiedene Beteiligungen an den physiologischen Prozessen der Atmung. So verfügen die Lappen- und Segmentbronchien nicht mehr über Knorpelspangen, sondern über Knorpelplatten. Die Bronchioli verfügen weiterhin über eine kräftige Tunica muscularis, jedoch fehlt hier der Knorpel gänzlich, was eine starke Vergrößerung oder Verkleinerung (Bronchokonstriktion und -dilatation) des Lumens ermöglicht. Das für den Bronchialbaum typische Flimmerepithel mit Becherzellen fehlt der Strukturtiefe der Bronchioli terminales (➤ Tab. 2.2). Die dünner werdenden Wandschichten ermöglichen in den hintersten Abschnitten des Bronchialbaums den Gasaustausch.
Tab. 2.2
Wandbau des Bronchialbaums
Gewebe
Lappen- und Bronchioli Bronchioli Segmentbronchien terminalis
Flimmerepithel
Ja
Ja
Nein
Becherzellen
Ja
Ja
Nein
Knorpel
Knorpelplatten
Nein
Nein
Muskulatur
Stark ausgeprägt
Stark ausgeprägt
Dünnt sich aus
Alveolen Die Alveolen bilden den Endpunkt des Bronchialbaums und sind Ort des Gasaustausches. Hier findet eine O2-Diffusion aus der Luft in das Kapillarblut und eine Diffusion von CO2 in die Ausatemluft statt. Der dünnwandige Aufbau der Alveolen ermöglicht, zusammen mit der großen Oberfläche, sehr gute Bedingungen für die Diffusion von Gasen (➤ Abb. 2.14). Eine Alveole besitzt einen Durchmesser von etwa 250 μm und vergrößert die Oberfläche der Lunge auf ca. 120 m2. Das Alveolarepithel bildet die Blut-Luft-Schranke und besteht größtenteils aus Typ-I-Pneumozyten, die mit Tight Junctions verbunden sind. Sie verhindern einen intraalveolären onkotischen Druck und damit einhergehende Ödembildungen. Ein kleiner Teil wird von Nischenzellen (Typ-II-Pneumozyten) bedeckt, die keinen Teil der gasaustauschenden Membran bilden. Die Typ-IIPneumozyten produzieren antiinflammatorische Substanzen (Zytokine) und Surfactant (Surface Active Agent), eine oberflächenaktive Substanz aus Lipiden und Proteinen, die die
Oberflächenspannung des Flüssigkeitsfilms innerhalb der Alveole beeinflusst.
Abb. 2.14 Aufbau der Alveolen [L190]
Info Surfactant wird pränatal erst ab der 24. SSW ausgebildet. Der Prozess wird durch Glukokortikoide beeinflusst, da durch die Exprimierung eines Glukokortikoidrezeptors in der fetalen Lunge die Synthese von Surfanctantproteinen und -lipiden verstärkt wird. Durch einen Surfactantmangel kann bei Frühgeborenen das RDS (Respiratory Distress Syndrome) auftreten.
2.2. Grundlagen: Physiologie der Atmung 2.2.1. Atemmechanik Um einen suffizienten Gasaustausch zu ermöglichen, muss ein ständiger alveolärer Luftstrom erfolgen. Hierbei strömt die Luft über die konduktiven Abschnitte in den respiratorischen Anteil des Bronchialbaums. Die Grundlage der Atemmechanik bildet eine Änderung des Thoraxvolumens, die über die Atemmuskeln vermittelt wird (➤ Abb. 2.15). Die ruhige Atmung erfolgt über die Kontraktion der obligatorischen Atemmuskeln, insbesondere des Zwerchfells (➤ Tab. 2.3). Im Rahmen einer zusätzlichen Atemtätigkeit bei z. B. körperlicher Belastung (forcierte Atmung), kommen auch die auxiliären Atemmuskeln zum Einsatz, die die Druckänderungen im Thorax verstärken, wodurch die Atemvolumina vergrößert werden können (➤ Tab. 2.4).
Abb. 2.15 Abbildung der Atemmuskulatur a) Schematische Darstellung der Atemmuskulatur [L157] b)
Auxiliäre Atemmuskeln [R482]
Tab. 2.3
Obligatorische Atemmuskeln
Inspiration
Exspiration
Diaphragma
Mm. intercostales interni
Mm. intercostales externi
Mm. subcostales
Tab. 2.4
Auxiliäre Atemmuskeln
Inspiration
Exspiration
M. pectoralis major und minor
M. rectus abdominis
M. serratus anterior
M. transversus abdominis
M. serratus posterior superior
M. obliquus externus abdominis
M. sternocleidomastoideus
M. latissimus dorsi
Merke Bei einer Atemwegsobstruktion kann die Aktivität der auxiliären Atemmuskulatur stark erhöht sein. Dies zeigt sich u. a. durch Einziehungen (Retraktionen) der Haut zwischen den Rippen, oberhalb der Klavikula und des Sternums und unterhalb des Rippenbogens. Inspiration
Durch eine Kontraktion der inspiratorischen Atemmuskeln wird das Thoraxvolumen vergrößert. Die Ausdehnung des Thorax wirkt der Retraktionskraft des elastischen Lungengewebes und dem Atemwegswiderstand entgegen. Die Lunge folgt dieser Ausdehnung durch die pleurale Anhaftung, wodurch in der Lunge ein Unterdruck entsteht, durch den Luft in die Atemwege strömt und sich in der Lunge verteilt. Je nach Atemtiefe dehnt sich die Lunge unterschiedlich weit aus, was zu unterschiedlichen Atemzugvolumina führt. Bei diesen Prozessen sinkt der intrapleurale Druck auf bis zu –8 cmH2O. Exspiration Die Ausatmung (Exspiration) ist weitestgehend ein passiver Prozess. Durch das Erschlaffen der inspiratorischen Atemmuskeln zieht sich das Lungengewebe aufgrund der Retraktionskräfte zusammen und verkleinert so das Thoraxvolumen wieder, wodurch die eingeatmete Luft aus der Lunge strömt (➤ Abb. 2.16).
Abb. 2.16 Darstellung und Vergleich der Inspirationsund Exspirationsstellung [L143]
Lungenvolumina Die meisten Volumina der Lunge, die sich im Zuge der Atemtätigkeit verändern, können mithilfe spirometrischer Diagnostik gemessen werden. Assoziierbare Volumina werden zu Kapazitäten zusammengefasst (➤ Tab. 2.5).
Tab. 2.5
Atemvolumina und Kapazitäten
Volumen/Kapazität Erläuterung/Berechnung
Wert
Atemzugvolumen (AZV)
Volumen der normalen Inspiration und Exspiration 7 ml/kg KG
ca. 500 ml
Inspiratorisches Reservevolumen (IRV)
Das Volumen, das zusätzlich zur normalen Inspiration eingeatmet werden kann.
ca. 3000 ml
Exspiratorisches Reservevolumen (ERV)
Das Volumen, das zusätzlich zur normalen Exspiration ausgeatmet werden kann.
ca. 1100 ml
Residualvolumen (RV)
Das Volumen, das nach maximaler Exspiration in der Lunge verbleibt.
ca. 1200 ml
Funktionelle Residualkapazität (FRC)
RV + ERV
ca. 2300 ml
Inspirationskapazität (IC)
AZV + IRV
ca. 3500 ml
Vitalkapazität (VC)
IRV + AZV + ERV
ca. 5000 ml
Volumen/Kapazität Erläuterung/Berechnung
Wert
Totalkapazität (TC)
ca. 6000 ml
RV + IRV + AZV + ERV
Totraum Der konduktive Abschnitt der Atemwege wird auch als der Totraum bezeichnet. Grund für diese Bezeichnung ist, dass innerhalb der luftleitenden Systeme kein Gasaustausch stattfindet. Der Totraum muss also gänzlich überwunden werden, um eine suffiziente Respiration sicherzustellen. Der Totraum beträgt beim Erwachsenen ca. 150 ml und errechnet sich aus 2 ml/kg KG. Merke Der Totraum wird durch manuelle oder besonders maschinelle Beatmung vergrößert. Atemminutenvolumen Das Atemminutenvolumen (AMV) errechnet sich aus der Atemfrequenz und dem AZV, bzw. dem Tidalvolumen (VT) und ist die wichtigste Größe, um eine suffiziente Atmung zu erreichen. Bei normaler Atemfrequenz (f) bei 12–15 Atemzügen pro Minute ergibt sich:
Praxistipp • Das Atemminutenvolumen kann in der Notfallmedizin schwer genau bestimmt werden, da ein Messen des AZV kaum möglich ist. Ein Hinweis auf ein ausreichendes AZV ist ein suffizientes und synchrones Heben und Senken des Thorax. Zusammen mit der ausgezählten AF kann eine Einschätzung des AMV erfolgen. • Es gilt der Leitsatz: „Tief genug und oft genug!“
2.2.2. Compliance Der Begriff Compliance (C) beschreibt eine Volumenänderung (∆V) eines Systems in Abhängigkeit des vorherrschenden Drucks. In Bezug auf die Ventilation ergibt sich die Compliance aus den Retraktionskräften der Lunge (pulmonale Compliance) und der Thoraxwand (thorakale Compliance). Diese wirken sich durch die pleurale Anhaftung entgegen. Stehen die pulmonalen und thorakalen Retraktionskräfte endexspiratorisch im Equilibrium, stellt sich die Atemruhelage ein, die das Volumen der FRC definiert. Im Rahmen der Atembewegungen verändern sich die Druckverhältnisse innerhalb des Thorax. Aus der Differenz des Alveolardrucks (Palv) und des Pleuraldrucks (Ppleu) ergibt sich der transpulmonale Druckgradient (Ptp), der die vorherrschende Retraktionskraft der Lunge je nach Ventilationsstellung angibt.
Die pulmonale Compliance nimmt mit zunehmender Ausdehnung der Lunge und damit steigendem Lungenvolumen immer weiter ab. Je weniger elastisch das Lungengewebe wird, desto mehr Muskelarbeit ist nötig, um die Lunge zu belüften. Weiterhin wird die pulmonale Compliance durch verschiedene Faktoren, abseits des Lungenvolumens, beeinflusst. Pulmonale Compliance Die Retraktionskraft der Lunge beruht hauptsächlich auf den Eigenschaften des elastischen Lungengewebes und auf der Oberflächenspannung innerhalb der Alveolen und beträgt im Normalfall 150 ml/cmH2O. Physikalisch ergibt sich, dass der Gasdruck innerhalb einer Blase, die eine große Wasser-Luft-Kontaktfläche aufweist, größer als der Umgebungsdruck ist, da die Oberfläche der Blase unter Spannung steht. Dieser Effekt kann, unter der Annahme einer konstanten Oberflächenspannung (σ), in Abhängigkeit vom Radius (r), mit der Laplace-Gleichung berechnet werden.
Hieraus ergibt sich, dass der Druck innerhalb einer Blase ansteigt, wenn sich der Radius verkleinert. Dieses Phänomen findet in der Lunge nicht statt. Denn auf die Alveolen übertragen würde dies bedeuten, dass die Luft aus kleinen Alveolen in große Alveolen strömt und die Oberflächenspannung und damit die Retraktionskraft mit sich verkleinerndem Lungenvolumen zunimmt. Eine Beobachtung der Vorgänge in der Lunge ergibt das genaue Gegenteil.
Die Oberflächenspannung der Alveole nimmt mit kleiner werdendem Volumen ab. Der alveoläre Flüssigkeitsfilm besitzt durch den enthaltenen Surfactant eine deutlich geringere Oberflächenspannung als Wasser. Durch die speziellen Eigenschaften des Surfactant wird dieser Effekt in Abhängigkeit von der Flächenausdehnung beeinflusst. Je kleiner die Fläche, desto mehr verdichten sich die Moleküle des Surfactant. Durch die kleinere räumliche Nähe wird die Oberflächenspannung weiter herabgesetzt. Durch den sinkenden intraalveolären Druck bei sich verkleinerndem Volumen der Alveole ergibt sich, dass die Luft aus den größeren Alveolen in die kleineren strömt. Hierdurch kann eine stabile Luftdistribution in der Lunge ermöglicht werden. Die Retraktionskräfte der Lunge sinken bei abnehmendem Volumen und ermöglichen so normale atemphysiologische Vorgänge. Hysterese Betrachtet man die Druck-Volumen-Kurve der Lunge im Prozess der Inflation und Deflation, fällt auf, dass während der Volumenzunahme stärkere Retraktionskräfte als bei der Volumenabnahme wirken. Dieses Phänomen wird als Hysterese bezeichnet und beschreibt ein verzögertes Aufbauen der elastischen Rückstellkräfte nach stattgefundener Inspiration. Grund hierfür kann eine Veränderung der Surfactant-Aktivität sein, bei der eine Neuausrichtung der Moleküle für die Verzögerung sorgt. Ein weiterer Grund für dieses Phänomen ist die Spannungsrelaxation der elastischen Teile des Thorax und des Lungengewebes. Bei länger anhaltender Ausdehnung der elastischen Bestandteile sinkt die Spannung ab und damit werden auch die Retraktionskräfte
herabgesetzt, besonders bei gehaltener maximaler Inspirationsstellung. Info • Bei einer Lungenfibrose werden die elastischen Fasern des Lungengewebes durch kollagene Fasern ersetzt. Die auf diese Weise herabgesetzte pulmonale Compliance bedeutet einen dauerhaften Anstieg der Atemanstrengung. • Bei einer chronischen Atemwegsobstruktion (COPD, Lungenemphysem) erhöht sich das alveoläre Residualvolumen. Durch diesen Prozess wird die Retraktionskraft der Lunge herabgesetzt und die Atemtätigkeit findet in einem kleineren „Ausdehnungsbereich“ statt. Durch diese Verkleinerung des Atemvolumens sinkt die pulmonale Compliance.
Thorakale Compliance Die Compliance des Thorax beschreibt das elastische Rückstellvermögen der Thoraxwand und des Zwerchfells, wenn diese nicht kontrahieren. Im Normalfall tritt kein vollständiger Verlust des Muskeltonus auf, was eine regelhafte Messung selten macht. Die Elastizität des Thorax steht unter ständiger Beeinflussung. Ein maßgeblicher Einflussfaktor der thorakalen Compliance ist die Lage des Körpers. Eine sitzende Körperhaltung kann die thorakale Compliance um bis zu 30 % gegenüber der Rückenlage erhöhen. Auf
dem Bauch liegend verringert sich die Compliance im Verhältnis zur Rückenlage durch die starke Bewegungseinschränkung der Thoraxwand um 60 %. Eine zunehmende Ossifikation der sternokostalen Knorpel im Alter beeinflusst ebenfalls die Elastizität des Thorax.
2.2.3. Resistance Atemwegswiderstände ergeben sich aus verschiedenen Faktoren und beeinflussen die Rate, mit der ein Gas durch ein System strömt. Man unterscheidet die elastische Resistance, die sich aus den Widerständen des Lungengewebes und der Oberflächenspannung ergibt, und die nicht elastische Resistance, die durch Reibungs- und Strömungswiderstände entsteht. Mit welchem Widerstand Gase durch die Atemwege strömen, ist v. a. durch die Art des Gasstroms bestimmt. Hierbei werden laminare und turbulente Strömung voneinander unterschieden. Laminare Strömung Die laminare Strömung ist eine Art des Gasstroms und bezeichnet einen gleichmäßigen Strom ohne auftretende Verwirbelungen. Physikalisch ist dies in einem ununterbrochenen Rohr mit gleichbleibendem Durchmesser zu beobachten. Strömt ein Gas laminar, füllt es nicht das gesamte Volumen einer Röhre aus, da die zentrale der parallelen Strömungsschichten eine höhere Strömungsgeschwindigkeit erreicht. Auf diese Weise muss nicht das gesamte Rohr gefüllt sein, um das Ende zu erreichen. In Bezug auf die Ventilation der Lunge kann über kleinere Atemzugvolumina durch laminare Strömung eine ausreichende Ventilation der Alveolen erfolgen, ohne dass der gesamte konduktive Anteil mit Luft
gefüllt wird. Laminare Strömung kommt besonders in den unteren Abschnitten der konduktiven Atemwege vor. Die Flussrate (V) eines laminar strömenden Gases ergibt sich aus dem steigenden Druckgradienten (∆P), der vom Radius (r) des Rohrs sowie der Länge (l) und der Viskosität (η) des Gases abhängt. Dieser Wert lässt sich über das Hagen-Poiseuille-Gesetz ermitteln.
Da die Flussrate direkt proportional zum Druckgradienten über die Länge des Rohres ist (∆P = V × R), lässt sich aus der Formel die Berechnung des Widerstands herleiten.
Die Berechnung des Widerstands verdeutlicht, dass der Radius und die Länge des Rohres, in dem ein Gas laminar strömt, von entscheidender Bedeutung ist. Im Falle einer Verlängerung der Atemwege oder einer Verkleinerung des Radius, kann sich die Resistance signifikant erhöhen. Turbulente Strömung Kommt es durch sehr schnelle Fließgeschwindigkeiten, ein Hindernis, eine Formänderung des Rohres oder eine Unterbrechung zu einem Abriss der laminaren Strömung, entstehen Verwirbelungen. Dieses Phänomen wird als turbulente Strömung bezeichnet. Ein großer Unterschied zur laminaren Strömung besteht darin, dass turbulente Strömungen aufgrund der unregelmäßigen Bewegungen das gesamte Lumen eines Rohres ausfüllen müssen, um
das Ende zu erreichen. Schlussfolgernd ist bei gleichen Grundparametern ein größeres Gasvolumen nötig, um dieselbe Flussrate einer laminaren Strömung zu erreichen. Durch die entstehenden Verwirbelungen entstehen deutlich mehr Reibungskräfte zwischen dem Gas und der Rohrwand und dies führt zu erhöhten Strömungswiderständen. Merke Vereinfacht dargestellt ergibt sich die Resistance bei turbulenter Strömung aus der 5. Potenz des Radius (r5), was die erhöhten Atemwegswiderstände im Vergleich zur laminaren Strömung erklärt. Einflussfaktoren der Resistance Die Atemwegswiderstände werden maßgeblich durch folgende Faktoren beeinflusst: • Thorakale und pulmonale Compliance • Oberflächenspannung innerhalb der Alveolen • Reibungswiderstände zwischen Gasen und Bronchialwand • Massenträgheit der Gase • Eng- und Weitstellung der Atemwege • Lungenvolumen Physiologisch wird der Atemwegswiderstand in der Lunge maßgeblich durch eine Bronchokonstriktion und -dilatation der unteren Atemwege, hauptsächlich der Bronchioli, reguliert. Diese Lumenveränderungen beeinflussen direkt den Strömungswiderstand
der laminaren Gasströme der unteren Atemwege. Es wird vermutet, dass sich durch eine Bronchokonstriktion die elastischen Eigenschaften des Lungengewebes verändern und sich auf diese Weise der Widerstand erhöht. Bei einer Reduktion des Lungenvolumens nehmen die Volumina der Atemwege hierzu proportional ab. Dieser Mechanismus dient in erster Linie einer Konstanthaltung der Atemwegswiderstände und ist zum Teil durch das vegetative Nervensystem vermittelt. In den abhängigen Atemwegen kann es bei einer Abnahme des Lungenvolumens zu einem Kollaps der Atemwege kommen. Den Gravitationseinflüssen wirkt das Lungenvolumen entgegen. Das erforderliche Lungenvolumen, um einen Verschluss der abhängigen Atemwege zu verhindern, wird als Verschlussvolumen bezeichnet. Aus dem Verschlussvolumen und dem RV errechnet sich die Verschlusskapazität (VC), die mit zunehmendem Alter und Körpergewicht immer weiter abnimmt. Unterschreitet die FRC die VC, kommt es zu einem Verschluss der abhängigen Atemwege und zu einer Erhöhung des Atemwegswiderstands. Info Die dorsobasalen Abschnitte der Lunge werden als die abhängigen Atemwege bezeichnet. Durch die Einflüsse der Schwerkraft kommt es in diesen Bereichen zu einer verstärken Perfusion und zu einem erhöhten Gewebedruck (extraluminaler Druck), was zu einer Verkleinerung der Atemwegsdurchmesser führt. Endexspiratorisch ist eine ausreichende FRC nötig, um ein Kollabieren der abhängigen Atemwege zu verhindern. Die FRC gleicht in einer aufrechten Position ab ca. 70 Jahren der VC und ist damit ein
Grund, warum die arterielle Sauerstoffsättigung im Alter abnimmt. In der Rückenlage kann dieses Phänomen bereits ab 44 Jahren auftreten.
Einflüsse des vegetativen Nervensystems Den größten Einfluss auf die Bronchialmuskulatur bringt der parasympathische Teil des vegetativen Nervensystems mit sich. Efferente Bahnen des Nervus vagus ziehen direkt in die Bronchialmuskulatur und vermitteln über den muskarinergen M3Rezeptor durch Acetylcholin (Ach) eine Kontraktion der glatten Muskulatur. Aufgrund einer sehr geringen Ausprägung sympathischer Nervenfasern im Bronchialbaum wird vermutet, dass der Einfluss des Sympathikus auf die Bronchomotorik zu vernachlässigen ist. Die Einflüsse des sympathischen Nervensystems erfolgen auf indirektem Weg über das Blut (humoral) durch Aktivierung der adrenergen β2-Rezeptoren. β2-Rezeptor Der adrenerge β2-Rezeptor ist in der Bronchialwand zahlreich vertreten. Durch das binden des Liganden Adrenalin wird über eine Erhöhung des cAMP Spiegels eine Relaxation der glatten Bronchialmuskulatur bewirkt. Merke β2-Sympathomimetika werden im Rahmen der Therapie von Asthma bronchiale und chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen (COPD)
eingesetzt. Sie kommen auch als Notfallmedikamente zum Einsatz und werden meist inhalativ verabreicht.
Info Der durch β2-Sympathomimetika hervorgerufene bronchodilatative Effekt kann durch Medikamente verlängert werden, die das cAMP-abbauende Enzym, die Phosphodiesterase (PDE), hemmen. Unspezifische PDE-Hemmer (z. B. Theopyllin) werden auch in der Akuttherapie eingesetzt, sind aber aufgrund der vielen Nebenwirkungen umstritten.
2.2.4. Atemantrieb Das Atemmuster, also die regelmäßige Abfolge von Inspiration und Exspiration, ist von außerordentlicher Bedeutung für das Zustandekommen einer ausreichenden Ventilation. Um dies zu gewährleisten, wird der Atemanreiz zentralnervös reguliert. Die anatomischen Strukturen, die als „Taktgeber“ fungieren, werden im verlängerten Rückenmark (Medulla oblongata) lokalisiert. Die medullären Zentren regulieren die Inspiration und Exspiration über spezielle Neurone (➤ Abb. 2.17). Die willkürlichen Atembewegungen werden zusätzlich durch Areale des Kortex reguliert. Man unterscheidet in der Medulla oblongata inspiratorische und exspiratorische Neurone, die entsprechende Atembewegungen induzieren. Hierbei gliedert sich die Atmung in drei Phasen. Die erste Phase wird als die inspiratorische Phase
bezeichnet und vermittelt die Aktivität der Einatemmuskulatur. Die Exspiration bildet über die postinspiratorischen Neurone die passive Exspiration. Durch verstärkende exspiratorische Neurone kann eine zusätzliche Kontraktion der exspiratorischen Muskulatur vermittelt werden. Die dritte Phase bildet somit die verstärkte Exspiration (Exspiration II).
Abb. 2.17 Schematische Abbildung der atemregulatorischen Neurone der Medulla oblongata [L143]
Neurotransmitter Die Neurotransmitter der Atemphasen regulieren in der Medulla oblongata den Aktivitätszustand der inspiratorischen und exspiratorischen Neurone. Die Exspiration wird stets über
exzitorisch wirkendes Glutamat vermittelt. Glutamat erzeugt in den exspiratorischen Neuronen ein exzitatorisches postsynaptisches Potenzial und damit eine Depolarisation der efferenten Bahnen. Als inhibitorische Neurotransmitter regulieren γ-Aminobuttersäure (GABA) und Glycin die Aktivität der Neurone der Atemareale und hemmen, über ein inhibitorisches postsynaptisches Potenzial (IPSP) vermittelt, die Aktivität der inspiratorischen Neurone. Zusätzlich bewirken exspiratorische Neurone bei Aktivierung eine zusätzliche Muskelkontraktion in der exspiratorischen Muskulatur. Merke Der Zwerchfellnerv (Nervus phrenicus) innerviert das Zwerchfell als den wichtigsten Atemmuskel und entspringt der Halswirbelsäule an den Wirbelkörpern C3, C4 und C5. Bei Verletzungen der HWS kann eine Läsion des Nervus phrenicus lebensbedrohliche Atemlähmungen auslösen (➤ Abb. 2.18). Daher rührt der englische Merksatz: „C3, 4, 5 keeps the diaphragm alive.“
Abb. 2.18 Nervus phrenicus [L143]
Atemregulation Die Atemantriebe bewirken ein rhythmisches Verhältnis von Inspiration und Exspiration. Dies ist erforderlich, um lebensnotwendige Gaspartialdrücke zu erhalten und den pH-Wert zu regulieren. Die wichtigsten Einflussfaktoren der Atemregulation sind die chemischen Atemantriebe, die durch periphere und zentrale Chemorezeptoren vermittelt werden. Periphere Chemorezeptoren befinden sich an der Gabelung der A. carotis communis (Glomus caroticum) und am Aortenbogen (Arcus aortae). Atemregulatorisch sind der CO2-Partialdruck (pCO2), der O2-Partialdruck (pO2) und der pH-Wert die wichtigsten chemischen Parameter. pCO2
Die pCO2-Antwortkurve zeigt eine sehr große Empfindlichkeit der Chemorezeptoren. Der pCO2 beeinflusst viele wichtige Körperfunktionen, wobei der zerebrale Blutfluss (CBF) und die Regulation des pH-Werts die wichtigsten sind. Im Rahmen der physiologischen Konzentrationen bewirkt eine Steigerung des pCO2 ein schnelles Ansteigen des Atemminutenvolumens (AMV). Steigt der pCO2 über 70 mmHg, fällt die Antwortreaktion wieder ab. Dies erklärt den Effekt der „CO2-Narkose“. pO2 Der Kurvenverlauf des pO2 ist deutlich flacher als der des pCO2 und hat damit direkt einen deutlich kleineren Einfluss auf die Atemregulation. Werden Werte von unter 60 mmHg erreicht, die sich außerhalb der physiologischen Grenzen befinden, steigt der Kurvenverlauf stark an. Durch eine Modulation der pCO2-Antwort hat der pO2, im Rahmen physiologischer Drücke, aber dennoch großen Einfluss auf den Atemantrieb. Je höher der pO2, desto steiler ist der Kurvenverlauf der pCO2-Antwortkurve durch eine Erhöhung der Sensitivität der Chemorezeptoren. pH-Wert Die pH-Antwortkurve verläuft linearer als die O2-Kurve, hat jedoch in physiologischen Höhen ebenfalls einen kleineren Einfluss auf den Atemantrieb als der pCO2 und dient vorrangig der Erhaltung der Homöstase des Säure-Basen-Haushalts (➤ Abb. 2.19).
Abb. 2.19 Atemregulatorische Antwortkurven auf den pCO2 (a), den pO2 (b) und den pH-Wert (c) [L143]
Info Patholgische Atemmuster sind Störungen des Atemantriebs und können Hinweis auf eine Hirnschädigung im Bereich des Hirnstamms, Herz-Kreislauf-Störungen oder pH-Entgleisungen sein.
2.2.5. Perfusion Blutgefäße Die Blutgefäße der Lunge werden, je nach Versorgungsgebiet, in zwei Arten unterschieden. Gefäße, die Teil des Lungenkreislaufs sind, werden als Vasa publica bezeichnet. Sie versorgen nicht das Gewebe der Lunge, sondern dienen dem Bluttransport für den Gasaustausch. Aus dem Truncus pulmonalis entspringen die Pulmonalarterien (Aa.
pulmonales dextra und sinistra), die sich im weiteren Verlauf in Lappenarterien (Aa. lobares) und Segmentarterien (Aa. segmentales) aufteilen (➤ Abb. 2.20). Der venöse Rücktransport erfolgt über großflächig verteilte Begleitvenen (Vv. comitantes), die in die Pulmonalvenen (Vv. pulmonales) einmünden.
Abb. 2.20 Pulmonale Blutgefäße (Lungenazinus, Acinus pulmonis, mit Blutversorgung) [S700-L238]
Um die Strukturen des Lungengewebes zu versorgen, verfügt die Lunge zusätzlich über sog. Vasa privata. Die arterielle Versorgung mit sauerstoffreichem Blut erfolgt über Gefäßbögen (Rami bronchiales/Aa. bronchiales), deren Ursprungsort variieren kann. Sie entspringen meist der thorakalen Aorta (Aorta thoracica) oder den hinteren Zwischenrippenarterien (Aa. intercostales posteriores) Pulmonale Arterien und Arteriolen Der Gefäßwiderstand und der arterielle Druck in den Aa. pulmonales ist im Normalfall sechsfach niedriger als im Körperkreislauf, was auf die deutlich geringer ausgebildete Tunica media zurückzuführen ist. Die Muskelschicht der pulmonalen Arteriolen ist nicht sehr ausgeprägt, wodurch sie strukturell kaum von pulmonalen Venolen unterschieden werden können. Die insgesamt gering ausgeprägte Gefäßmuskulatur der arteriellen Gefäße macht eine Regulation der Perfusion stark von externen Druckfaktoren abhängig. Info Durch die starke Ähnlichkeit der Lungenarteriolen und -venolen ist in der Theorie eine „Rückwärtsperfusion“ möglich. Dieses Experiment wurde an Katzenlungen durchgeführt und hat gezeigt, dass der Lungenkreislauf auch in entgegengesetzter Richtung einen Gasaustausch ermöglichen kann.
4-Zonen-Modell In Ruhe sind ca. 75 % der Lungenkapillare durchblutet, wobei sich ein größerer Anteil des Blutvolumens in den abhängigen Atemwegen
befindet. Als größter Einflussfaktor wirkt sich die Schwerkraft auf die Lungenperfusion aus, wodurch sich ein Druckgradient von 1 cmH2O pro cm Lungenhöhe ergibt. Eine unterschiedliche Blutdistribution innerhalb der Lunge erzeugt, unter verschiedenen Voraussetzungen, 4 Zonen von apikal nach basal. Innerhalb dieser Zonen beeinflussen der arterielle Druck (Pa), der venöse Druck (Pv) und der intraalveoläre Druck (PA) die Perfusion (➤ Abb. 2.21).
Abb. 2.21 Schematische Darstellung der West-Zonen [E1278]
Zone 1 In der 1. Zone übersteigt der intraalveoläre Druck sowohl den arteriellen als auch den venösen Blutdruck, wodurch kein Blutfluss möglich ist und ein alveolärer Totraum entsteht.
Diese Zone ist bei normalem Blutdruck und normaler Ventilation kaum bis gar nicht vorhanden. Lediglich bei einer Überdruckbeatmung kann eine Ausdehnung dieser Zone erfolgen, da der PA der Lunge erhöht wird. Zone 2 Durch die herznahe Lokalisation und die stärkeren Einflüsse der Schwerkraft übersteigt in dieser Zone der arterielle Druck den intraalveolären und venösen Druck.
Da der intraalveoläre Druck größer ist als der venöse Druck, findet die Perfusion dieser Zone nur in Abhängigkeit des arteriellen Drucks statt und ist daher stark vom systemischen Blutdruck und intraalveolären Druck abhängig. Zone 3 Ein Großteil der Lunge wird der 3. Zone zugeordnet. In dieser Zone übersteigen sowohl der arterielle als auch der venöse Druck den intraalveolären Druck.
Dadurch ist eine Perfusion dieses Gebiets bei normalem systemischem Blutdruck und Blutvolumen unabhängig vom intraalveolären Druck. Zone 4 Die 4. Zone wird in den basalsten Abschnitten der Lunge vermutet. In dieser Zone übersteigt der interstitielle Druck (Pis) den arteriellen Druck und beeinflusst auf diese Weise den Blutfluss.
Innerhalb dieser Zone kommt es durch den hohen Einfluss der Schwerkraft zu sehr hohen extraluminalen und hydrostatischen Drücken, wodurch Atelektasen und Ödeme entstehen können. Die 4. Zone gewinnt v. a. bei Veränderungen des pulmonalen Blutflusses an Bedeutung. Regulation des pulmonalen Gefäßwiderstands Veränderungen des pulmonalen Gefäßwiderstands werden durch passive und aktive Prozesse vermittelt. Hierbei kommt es zu Anpassungen an das Herzminutenvolumen (HMV) und das Lungenvolumen. Bei einer gesteigerten pulmonalen Durchblutung kann durch eine passive Ausdehnung der Gefäße und die einsetzende Durchblutung von wenig perfundierten Kapillaren (kapillares Recruitment), z. B. in den druckarmen Gebieten der Zone 1, der pulmonale Gefäßwiderstand gesenkt werden.
Durch eine Veränderung des Lungenvolumens wird ebenfalls der Gefäßwiderstand moduliert. Bei einer Zunahme des Lungenvolumens kommt es zu einer Kompression der Kapillaren zwischen den Alveolen, was den Gefäßwiderstand erhöht. Eine Abnahme des Lungenvolumens hat zur Folge, dass durch das Absinken des intraalveolären Drucks größere Blutgefäße komprimiert werden und dadurch ebenfalls der Gefäßwiderstand steigt. Diese Effekte treten außerhalb der FRC auf. Die Regulation des pulmonalen Gefäßwiderstands erfolgt größtenteils über die Modulation der vasomotorischen Vorgänge durch das vegetative Nervensystem. Eine Vasodilatation wird in vielen Fällen über die Synthese von Stickstoffmonoxid (NO) vermittelt. Ein bedeutsamer Mechanismus für die Regulation der pulmonalen Perfusion ist die hypoxische Vasokonstriktion (HPV). Merke Eine Verminderung der Dehnbarkeit der pulmonalen Gefäße kann den Widerstand stark erhöhen und eine pulmonale Hypertonie zur Folge haben. Dies kann z. B. durch Umbauprozesse der Gefäßmuskelschicht verursacht werden. Euler-Liljestrand-Mechanismus Fällt der Sauerstoffpartialdruck besonders in Alveolen, kommt es in den hypoxischen Gebieten zu einer Vasokonstriktion, um die Durchblutung der besser oxygenierten Bereiche zu erhöhen. Der Euler-Liljestrand-Mechanismus wird lokal gesteuert und nicht über das vegetative Nervensystem beeinflusst. Ein Hauptteil der HPV
wird vermutlich über O2-bedingte Hemmung spannungsgesteuerter K+-Kanäle in der glatten Gefäßmuskulatur der arteriellen Gefäße induziert. Bei einem absinkenden pO2 schließen die K+-Kanäle und erhöhen die intrazelluläre Ca2+-Konzentration, wodurch die Zellen der glatten Gefäßmuskulatur depolarisieren und der Muskeltonus erhöht wird. Info • Kommt es in einem Lungenflügel zu einer Hypoxie, wird innerhalb weniger Minuten die Perfusion dieses Gebiets um die Hälfte reduziert. • Der Euler-Liljestrand-Mechanismus spielt z. B. bei Aufenthalten in großer Höhe eine Rolle, da dort der O2Partialdruck in der Umgebungsluft niedriger ist. Die Intensität der HPV ist jedoch individuell und kann nicht in einer linearen Kurve beschrieben werden. • Eine Hemmung dieses Mechanismus kann eine Ursache für eine Hypoxämie sein.
2.2.6. Gasaustausch Physik der Gase Ein Gas ist ein Aggregatzustand, in dem sich die Anordnung der Moleküle ständig ändert, da diese frei beweglich sind. Gase, die an den physiologischen Prozessen der Atmung beteiligt sind, verhalten sich als sog. ideale Gase. Der Zustand eines idealen Gases bedeutet,
dass keine intermolekularen Wechselwirkungen existieren und die Moleküle den klassischen Regeln der Physik folgen. Der Druck (P) eines idealen Gases ergibt sich demnach aus dem Volumen (V), der Stoffmenge (n), der Temperatur (T) und der allgemeinen Gaskonstante. Diese Konstante gibt die Proportionalität an, die zwischen den Produkten von Druck und Volumen sowie Stoffmenge und Temperatur idealer Gase existiert:
Bei idealen Gasgemischen ergibt sich nach dem Dalton-Gesetz aus den Partialdrücken (pi) der Gesamtdruck:
„
Die Gesamtstoffmenge (nges) ergibt sich bei idealen Gasen aus der Teilstoffmenge (ni):
„
Diffusion Die Diffusion beschreibt einen Prozess des Konzentrations- oder Druckausgleichs durch passiven Stofftransport, dessen treibende Kraft die Brown-Teilchenbewegung ist. Der Transport der Diffusion erfolgt vom Ort der hohen Konzentration zum Ort der niedrigen Konzentration. Unter der Voraussetzung, dass beide Orte von gleicher Eigenschaft sind, geschieht ein Stofftransport, bis eine gleiche Konzentration erreicht ist (➤ Abb. 2.22).
Abb. 2.22 Darstellung einer Diffusion a) Diffusion von Atemgasen (O2, CO2) zwischen den Kapillaren und den Alveolen [G1261] b) Diffusion hier mit Würfelzucker dargestellt: Der Würfelzucker löst sich auf und verteilt sich nach einiger Zeit gleichmäßig in der Flüssigkeit. [E369002]
Bezugnehmend auf Gase, ist die diffundierte Stoffmenge von der Partialdruckdifferenz (∆p) abhängig. Henry-Dalton-Gesetz Betrachtet man die Diffusion eines Gases in ein Lösungsmittel, beeinflusst das spezifische Löslichkeitsvermögen, der als Absorptionskoeffizient (A) angegeben wird, die Konzentration. Die Molatilität (mi) beschreibt, wie hoch die diffundierte Stoffmenge des Gases in dem Lösungsmittel ist. Das Henry-Dalton-Gesetz besagt, dass bei konstanter Temperatur die Löslichkeit eines Gases in einem Lösungsmittel proportional zum Partialdruck (pi) des Gases oberhalb der Flüssigkeit ist.
Fick-Diffusionsgesetz Die diffundierte Stoffmenge (VGas) ist besonders unter den Bedingungen in der Lunge von mehreren Faktoren abhängig. Das Fick-Diffusionsgesetz bezieht hierbei, zusätzlich zu ∆p (p1 – p2), die Diffusionsfläche (A), die Diffusionsstrecke (d) und den spezifischen Diffusionskoeffizienten (D) des Gases mit ein. Der Diffusionskoeffizient beschreibt die Diffusivität unter Einbeziehung von u. a. der molaren Masse und der Temperatur.
Aus der Gleichung erschließt sich, dass die diffundierte Stoffmenge am größten ist, wenn die Diffusionsstrecke möglichst klein und die
Diffusionsfläche möglichst groß ist. Speziell für die Diffusion innerhalb der Lunge können Diffusionskoeffizient, Diffusionsfläche und Diffusionstrecke als die Diffusionskapazität (DL) der Lunge zusammengefasst werden.
Info Lungenerkrankungen wirken sich negativ auf die Diffusionskapazität der Lunge aus. Die Diffusionsstrecke wird z. B. durch ein Lungenemphysem verkleinert, was die DL senkt. Ein Lungenödem verlängert die Diffusionsstrecke, was sich ebenfalls negativ auf die DL auswirkt.
Partialdrücke Die atmosphärische Luft ist ein Gasgemisch und besteht hauptsächlich aus Stickstoff (N) und Sauerstoff (O2). Die Gesamtheit der Atmosphäre besitzt eine Masse und macht auf Höhe des Meeresspiegels den atmosphärischen Druck aus, der bei etwa 760 mmHg oder 1 bar liegt. Aus den Partialdrücken der Luft ergeben sich die Volumenanteile der unterschiedlichen Gase (➤ Tab. 2.6).
Tab. 2.6
Partialdrücke der Umgebungsluft
Gas
Volumenanteil in % Partialdruck in mmHg
Stickstoff
78,090
593,45
Sauerstoff
20,950
159,21
Argon
0,927
7,04
Kohlendioxid
0,033
0,25
Im Zuge der Ventilation durchläuft die Luft verschiedene Abschnitte der Lunge. Die Partialdrücke der Atemgase O2 und CO2 sind hierbei von entscheidender Bedeutung und variieren je nach Lokalisation (➤ Tab. 2.7). Tab. 2.7
Partialdrücke in der Lunge
Lokalisation
pO2
pCO2
Umgebungsluft
158,8 mmHg
0,3 mmHg
Obere Atemwege
149 mmHg
0,3 mmHg
Alveolen
100 mmHg
40 mmHg
Aa. pulmonales, Kapillaren
40 mmHg
46 mmHg
Vv. pulmonales
90 mmHg
40 mmHg
Info Arteriovenöse Anastomosen zwischen den Rr. bronchiales und Vv. pulmonales erklären den geringeren pO2 der Vv. pulmonales gegenüber den Alveolen. Sie dienen der Regulation der
Bronchialdurchblutung und werden auch als „Rechts-links-Shunt“ bezeichnet.
Gasaustausch an der Alveole Die Lungenkapillaren stehen in enger räumlicher Beziehung zu den Alveolen. Zusammen bilden diese beiden Strukturen die Kontaktstrecke. Eine Kapillare bildet im Schnitt für ca. drei Alveolen die Kontaktstrecke. Treibende Kraft für die Diffusion von O2 und CO2 entlang der Diffusionsstrecke ist je der ∆p (➤ Abb. 2.23).
Abb. 2.23 Abbildung der Kontaktstrecke zwischen einer Alveole und einer Lungenkapillare [L143]
Kontaktzeit Die maximale Stoffmenge der Diffusion ist durch die Partialdrücke und die Diffusionskapazität determiniert. Die Diffusionsrate kann nur über die Kontaktzeit beeinflusst werden. Die Kontaktzeit beschreibt, wie schnell das Blut durch die Kontaktstrecke passiert. In dieser Zeit kann die Diffusion stattfinden, sie dauert im Normalfall ca. 0,75 Sekunden. Eine Verkürzung oder Verlängerung dieser Zeit kann die diffundierte Stoffmenge pro Zeiteinheit beeinflussen. Die Kontaktzeit wird über das Herzzeitvolumen (HZV) bestimmt (➤ Abb. 2.24).
Abb. 2.24 Auswirkungen des HZV auf die Kontaktzeit und den pO2 [L143]
Info Über kapillares Recruitment kann auch ein mehr als dreifach gesteigertes HZV noch eine suffiziente O2-Diffusion ermöglichen. Durch die gesteigerte Durchblutung werden weniger versorgte Gebiete perfundiert, was die Diffusion insgesamt verbessert.
2.2.7. Sauerstoffbindung im Blut Die Sauerstoffbindung ist von vielen Faktoren abhängig. Eine hohe Aufnahmerate in das Blut ist in der Lunge entscheidend, während eine schnelle Abgabe in stoffwechselaktive Gewebe nötig ist. Physikalisch löst sich Sauerstoff im Blut mit einem Löslichkeitskoeffizienten von 0,003 ml/mmHg/dl. Aus dem durchschnittlichen Sauerstoffbedarf von 250 ml pro Minute ergibt sich, dass der Hauptteil des stoffwechselrelevanten Sauerstoffs auf andere Weise im Blut binden muss, um eine ausreichende Sauerstoffversorgung sicherzustellen. Die Sauerstoffbindung erfolgt unter physiologischen Bedingungen chemisch an das Hämoglobin der Erythrozyten. Die Hüfner-Zahl beschreibt die Sauerstoffmenge in Milliliter, die an 1 g Hämoglobin gebunden werden kann; sie beträgt unter normalen Bedingungen 1,34 ml/g. Hämoglobin Die Hauptaufgabe des Hämoglobins besteht in der Fähigkeit der reversiblen Bindung von Sauerstoff. Eine Bindung kann durch den besonderen Aufbau des Hämoglobins entstehen. Das Hämoglobin ist ein Tetramer und besteht aus vier Hämgruppen und vier
Globinuntereinheiten. Jede Hämgruppe verfügt über ein Eisenatom (Fe2+), das je eine Bindungsstelle für Sauerstoff darstellt. Bindet sich Sauerstoff an eine Hämgruppe, kommt es nicht zu einer oxidativen Reaktion, sondern lediglich zu einer Anlagerung von Sauerstoff (Oxygenierung). Das Globin beeinflusst das Oxygenierungsvermögen und die räumliche Anordnung der Hämgruppen innerhalb des Hämoglobins (➤ Abb. 2.25, ➤ Abb. 2.26).
Abb. 2.25 Darstellung von Hämoglobin in der T-Form und in der R-Form [L143]
Abb. 2.26 Kurvenverlauf der Sauerstoffsättigung der TForm und der R-Form [L143]
Globin Globin ist ein Protein, das mit je vier Untereinheiten wichtige Aufgaben innerhalb des Hämoglobins erfüllt. Es beeinflusst durch die räumliche Anordnung der Hämgruppen das Oxygenierungsvermögen, wodurch sich der charakteristische Kurvenverlauf der Sauerstoffbindungskurve ergibt.
Durch die Einbettung einer Hämgruppe in ein Globin, kann die irreversible Bindung zweier Hämgruppen durch eine Sauerstoffbrücke (Autoxidation) verhindert werden. Verbinden sich zwei Hämgruppen innerhalb des Hämoglobins über eine Autoxidation, entsteht sog. Methämoglobin, das keine Fähigkeit zur reversiblen Sauerstoffbindung mehr besitzt. Methämoglobin wird durch das Enzym Methämoglobinreduktase abgebaut. Physiologisch liegt immer ein geringer Teil des Hämoglobins als Methämoglobin vor. Durch eine Intoxikation mit Nitraten kann z. B. deutlich mehr Methämoglobin entstehen, was eine schlechtere Oxygenierung des Blutes zur Folge hat. Info Das toxische Gas Kohlenmonoxid (CO) hat eine deutliche höhere Affinität zu Häm als Sauerstoff (25.000-fach), was eine Bildung von Carboxyhämoglobin (COHb) bedeutet. Durch die räumlichen Interaktionen von den Globinuntereinheiten und der Hämgruppen wird die Affinität des Hämoglobins zu CO gesenkt (300-fach).
Sauerstoffbindungskurve Die Sauerstoffbindungskurve stellt in einem grafischen Verlauf dar, welche Sauerstoffsättigung des Blutes bei bestimmten pO2 erreicht werden kann. Sie verläuft physiologisch in einer sigmoidalen Form, bei der im Mittel eine Sauerstoffsättigung von 50 % bei einem pO2 von ca. 27 mmHg erreicht wird (➤ Abb. 2.27.
Abb. 2.27 Sauerstoffbindungskurve [L108] Die Struktur des Hämoglobins variiert zwischen zwei Formen. Man unterscheidet eine „gespannte“ Form („tense“, T-Form) mit einer niedrigen Affinität zu Sauerstoff und eine „entspannte“ Form („relaxed“, R-Form) mit einer hohen Sauerstoffaffinität. Die veränderten Affinitäten kommen durch eine globinvermittelte Verschiebung der Fe2+-Atome innerhalb der Hämgruppen zustande. In der R-Form sind die Fe2+-Bindungsstellen besser verfügbar,
während die T-Form die Reaktivität der Bindungsstellen reduziert, um Sauerstoff abgeben zu können. Bei einer singulären Oxygenierung einer Hämgruppe innerhalb des Hämoglobins kommt es zu einer Strukturänderung des Globins in die R-Form, was die Sauerstoffaffinität der restlichen drei Hämgruppen erhöht. Dieser kooperative Effekt wird als PerutzMechanismus bezeichnet und erklärt den charakteristischen, nicht linearen Verlauf der Sauerstoffbindungskurve, da sich das Sauerstoffbindungsvermögen bei steigendem pO2 erhöht. Einflüsse auf die Sauerstoffbindungskurve Beeinflussungen der Formen des Hämoglobins durch äußere Faktoren (allosterische Modulation) haben zur Folge, dass die Rund T-Formen in unterschiedlichen Mengen vorhanden sind. Veränderungen der Affinität bewirken einen unterschiedlichen Kurvenverlauf. Wird die Affinität für Sauerstoff herabgesetzt, verläuft die Kurve flacher und befindet sich dadurch rechts von der Mittelwertskurve, man spricht von einer Rechtsverschiebung. Bei einer Steigerung des Oxygenierungsvermögens kommt es zu einem steileren Verlauf der Kurve, dies wird als Linksverschiebung bezeichnet (➤ Abb. 2.28).
Abb. 2.28 Verschiebungen der Sauerstoffbindungskurve nach rechts (rote Kurve) und links (blaue Kurve) [L143] Diese Änderungen der Hämoglobinformen werden durch verschiedene Faktoren hervorgerufen (➤ Tab. 2.8). Tab. 2.8
Modulation der Sauerstoffbindungskurve
Rechtsverschiebung
Linksverschiebung
pH-Wert ↓
pH-Wert ↑
pCO2 ↑
pCO2 ↓
Temperatur ↑
Temperatur ↓
2,3-Bisphosphoglycerat ↑
2,3-Bisphosphoglycerat ↓
Info 2,3-Bisohosphoglycerat entsteht in den Erythrozyten bei der Glykolyse und bindet sich an die Hämgruppen und verstärkt die TForm. Durch die Bindung wird eine Rechtsverschiebung der Sauerstoffbindungskurve bewirkt. Diese Bindung ist wichtig, da sonst eine Desoxygenierung und damit eine Sauerstoffabgabe in das Gewebe kaum möglich wäre.
Bohr Effekt Der Bohr-Effekt beschreibt die lokale Veränderung der Hämoglobinkonformation in metabolisch aktiven Geweben durch ein Absinken des pH-Werts. Der pCO2 steigt in Gewebearealen mit einer erhöhten Stoffwechselaktivität, was eine gesteigerte Produktion von H+-Ionen zu Folge hat. Weiterhin kann eine Senkung des pHWerts über eine anaerobe Glykolyse des Gewebes und einer dadurch gesteigerten Laktatproduktion entstehen. Ein lokaler Abfall des pHWerts in metabolisch aktiven Geweben senkt die Affinität des Hämoglobins zu Sauerstoff und begünstigt die Desoxygenierung in diesen Arealen.
2.2.8. Sauerstoffmessung Um die Sauerstoffversorgung des Körpers zu bestimmen, kommen verschiedene O2-spezifische Messungen zum Einsatz (➤ Tab. 2.9). Präklinisch ist die Messung einer Sauerstoffsättigung über ein Pulsoxymeter am weitesten verbreitet. Eine Sauerstoffsättigung (SO2) gibt in prozentualen Zahlen an, wie hoch der Anteil des mit O2 gebundenen Gesamthämoglobins ist. Das Gesamthämoglobin setzt
sich aus Oxyhämoglobin (HbO2), Desoxyhämoglobin (Hb), Methämoglobin (metHb) und Carboxyhämoglobin (COHb) zusammen. Je nach Ort der Messung werden verschiedene Sauerstoffsättigungen unterschieden. Die zugrunde liegende Errechnung der Sauerstoffsättigung ergibt sich aus einem Vergleich des HbO2 mit dem Gesamthämoglobin (HbO2 + Hb). Tab. 2.9
O2-spezifische Messwerte im Blut
Messwert Bedeutung SaO2
Arterielle Sauerstoffsättigung
SpO2
Sauerstoffsättigung über eine Pulsoxymetrie gemessen
SvO2
Venöse Sauerstoffsättigung
SzvO2
Zentralvenöse Sauerstoffsättigung
CaO2
Sauerstoffgehalt des arteriellen Blutes in ml/dl
CvO2
Sauerstoffgehalt des venösen Blutes in ml/dl
SaO2 Die arterielle Sauerstoffsättigung (SaO2) beziffert den prozentualen Anteil des arteriellen Hämoglobins, an das Sauerstoff gebunden ist. Der SaO2 ist direkt von dem Sauerstoffpartialdruck des arteriellen Blutes (paO2) abhängig (➤ Tab. 2.10). Im Schnitt beträgt die Sauerstoffsättigung im arteriellen Blut 97 %, bei einem paO2 von ca.
100 mmHg. Eine maximale Sättigung wird theoretisch bei einem paO2 von 150 mmHg erreicht. Tab. 2.10
Verhältnis von paO2 und SaO2
paO2 in mmHg
SaO2 in mmHg
20
35
30
57
40
75
50
83
60
89
70
93
80
94
90
96
> 100
97
Info Eine maximale Sättigung des gesamten Hämoglobins mit Sauerstoff kann, technisch gesehen, nie stattfinden, da stets Teile des Hämoglobins als Methämoglobin oder Carboxyhämoglobin (besonders bei Rauchern) vorkommen.
CaO2
Der arterielle Sauerstoffgehalt (CaO2) errechnet sich aus dem arteriellen Sauerstoffpartialdruck (paO2), der mit dem Löslichkeitskoeffizienten faktorisiert wird und dem Produkt aus dem Hamöglobingehalt (Hb-Wert), der arteriellen Sauerstoffsättigung (SaO2) und der Hüfner-Zahl.
Auf diese Weise wird, unter Berücksichtigung aller relevanter Faktoren, die tatsächliche Sauerstoffmenge des arteriellen Blutes angegeben. Merke Der CaO2 ist, unter Berücksichtigung des HZV, der wichtigste Parameter, um das Sauerstoffangebot zu ermitteln. Oxymetrie Lichtabsorption Der Lichtabsorption liegen lichtspektrometrische Unterschiede des beladenen und unbeladenen Hämoglobins zugrunde (➤ Abb. 2.29). Durch eine Bindung von Sauerstoff kommt es im Hämoglobin zu Konformationsänderungen der Proteinstrukturen, was die Eigenschaften der Lichtabsorption verändert. Oxyhämoglobin absorbiert durch die Konformationsänderungen weniger Wellenlängen im roten Lichtspektrum (660 nm) und reflektiert diese, was die markante hellrote Färbung des stark oxygenierten Blutes erklärt. Wellenlängen des infraroten Bereichs (940 nm)
werden durch Desoxyhämoglobin stärker reflektiert, während das rote Licht vermehrt absorbiert wird. Desoxygeniertes Blut besitzt hierdurch eine dunkelrote Färbung.
Abb. 2.29 Schematische Darstellung und Funktionsprinzip einer Pulsoxymetrie [L190]
Info Oberflächliche Venen wirken bläulich, weil die Haut Teile der roten Wellenlängen des Lichts absorbiert, das von den Venen reflektiert wird. Hierdurch erreichen vermehrt die blauen Anteile das Auge.
Messverfahren
Das Messverfahren der Oxymetrie basiert physikalisch auf dem Lambert-Beer-Gesetz. Danach sind die Lichtabsorption (Extinktion, E), die Anzahl der gelösten Teilchen (c) und die durchstrahlte Schichtdicke (d) in Abhängigkeit von einem spezifischen Extinktionskoeffizienten (ɛ) proportional zueinander. Die Lichtintensität nimmt durch die zunehmende Schichtdicke einer homogenen Lösung immer weiter ab.
Auf die Oxymetrie bezogen, wird die Lichtabschwächung durch Absorption im Blut gemessen. Hierfür besteht ein Oxymeter grundlegend aus einem Lichttransmitter, der Lichtstrahlen in den Wellenlängenbereichen von 660 und 940 nm aussendet, und einem Lichtdetektor zur Bestimmung der Lichtdurchlässigkeit. Durch die unterschiedlichen Lichtabsorptionsspektren von Oxyhämoglobin und Desoxyhämoglobin, kann über eine Messung der absorbierten Wellenlängen der HbO2-Wert errechnet werden. Man unterscheidet je nach Position der Bauteile zwei Messverfahren. Bei der reflektiven Messung befinden sich Transmitter und Detektor auf derselben Oberfläche und es wird die Lichtstärke des aus dem Gewebe reflektierenden Lichts gemessen. Die transmissive Sauerstoffsättigung misst die Lichtdurchdringung der Lichtstrahlen, bei der sich Transmitter und Detektor gegenüberstehen (➤ Abb. 2.30).
Abb. 2.30 Reflektive und transmissive Oxymetrie [L143]
Pulsoxymetrie Die reine Oxymetrie war eine eher ungenaue Messmethode, da die Absorption der ausgesendeten Lichtstrahlen von Geweben und venösem Blut beeinflusst wurden und so keinen genauen Rückschluss auf die arterielle Sauerstoffsättigung zuließen. Durch eine Modifikation des Lichtdetektors, sodass dieser nur Lichtimpulse verstärkt, die in wechselnder Intensität auftreten (➤ Abb. 2.31), werden Messungenauigkeiten aus nicht pulsierenden Strukturen wesentlich unwahrscheinlicher. Auf diese Weise werden nur Lichtabsorptionen aus pulsierenden Arterien gemessen, was einen sehr genauen Rückschluss auf die SaO2 zulässt. Unter normalen
Bedingungen besteht bei der Pulsoxymetrie eine maximale Abweichung von 2 % zwischen SaO2 und SpO2.
Abb. 2.31 Funktionsweise der Pulsoxymetrie [J747]
Limitationen der SpO2 Trotz der hohen Messgenauigkeit lässt eine Messung des SpO2 nicht immer einen sicheren Rückschluss auf die SaO2 und damit auf den CaO2 zu. Kohlenstoffmonoxid Bei einer CO-Intoxikation kann, durch das gleiche Lichtabsorptionsspektrum von Oxyhämoglobin und
Carboxyhämoglobin bei 660 nm Lichtwellenlänge, keine Unterscheidung durch die Pulsoxymetrie dargestellt werden. Auf diese Weise wird ein falsch hoher Wert angezeigt, der nicht die tatsächliche SaO2 darstellt. Info Durch die gleichen Lichtabsorptionseigenschaften von COHb und HbO2, stellen sich Patienten mit einer CO-Intoxikation rosig dar (➤ Abb. 2.32). Auch entstehende Totenflecken sind hellrot.
Abb. 2.32 [M445] a) Patient mit Totenflecken (Livores mortis) b) Patient mit einer CO-Intoxikation
Hypovolämie und Anämie Bei einem hohen Volumenverlust sinkt das Herzminutenvolumen und folglich auch der Blutdruck. Bei einem sehr niedrigen systemischen Blutdruck und einer ausgeprägten kompensatorischen Zentralisation, kann die Pulsoxymetrie nicht mehr zuverlässig verwendet werden, da schwache oder ausbleibende periphere Pulse das Messverfahren verfälschen können. Durch einen Volumenverlust sinkt zudem der Hb-Wert, was die O2-Aufnahmekapazität des Blutes senkt. Der niedrige CaO2 ist durch eine Angabe der prozentualen Sättigung nicht mehr abschätzbar. Merke Die SpO2 lässt im Falle einer Hypovolämie keinen sicheren Rückschluss auf den CaO2 zu.
Praxistipp Die meisten Pulsoxymeter messen die Ausdehnung der pulsatilen Strukturen des Fingers und stellen diese als prozentual angegebenen Perfusionsindex (PI) oder grafisch als Kurvenverlauf (Plethysmografie, Pleth) dar. Über eine Beobachtung dieser Darstellungen kann die periphere Durchblutungssituation besser eingeschätzt werden.
2.2.9. Sauerstoffgabe Eine Sauerstoffgabe ist ein gutes Mittel zur Vorbeugung oder der Therapie einer zellulären Hypoxie. Grundlage der Wirkung ist eine Steigerung des Sauerstoffanteils der eingeatmeten Luft (FiO2). Es vergrößert sich in erster Linie der ∆pO2 zwischen Alveole und Kapillaren der Lunge, wodurch eine Erhöhung der diffundierten Gasmenge erreicht wird und der paO2 sowie die SaO2 ansteigen. Die Sauerstoffinhalation erhöht ebenfalls den Anteil von gelöstem O2 im Blut. Info Der FiO2 beziffert den Sauerstoffanteil in der eingeatmeten Luft. Unter normalen Bedingungen liegt dieser bei 21 % der atmosphärischen Luft, was einen FiO2 von 0,21 bedeutet. Der Maximalwert liegt bei 1,0.
Indikation Die Indikation für eine therapeutische Sauerstoffinhalation sollte stets vom CaO2 und weiteren Hinweisen einer (drohenden) zellulären Hypoxie abhängig gemacht werden, da Sauerstoff in hohen Dosierungen eine toxische Wirkung besitzt. Da präklinisch die Messung des CaO2 nicht möglich ist, kann dieser nur auf Basis der SpO2 angenommen werden. Dieser Rückschluss ist unter der Annahme eines normalen Hb-Werts und unter dem Ausschluss einer Carboxyhämoglobinämie sowie einer Methämoglobinämie zulässig. Sollte wegen der zugrunde liegenden Erkrankung oder Verletzung
die Gefahr einer zellulären Hypoxie bestehen, kann eine präventive hoch dosierte Sauerstoffgabe schwere Folgeschäden verhindern. Merke Die Indikation einer Sauerstofftherapie sollte nicht ausschließlich von einer SpO2-Messung abhängig gemacht werden. Eine drohende bzw. stattfindende zelluläre Hypoxie kann nicht immer sicher durch die Pulsoxymetrie erkannt werden. Hyperoxie Die Ventilation eines Patienten mit einem FiO2 von 1,0 wird als Hyperoxie bezeichnet und sorgt in vielen Fällen für eine Verbesserung einer zellulären Hypoxie. Unter normalen Bedingungen befinden sich etwa 235 ml O2 in der Lunge als alveolärer Sauerstoffspeicher. Bei einer eintretenden Apnoe kann also, einen durchschnittlichen O2-Verbrauch von 250 ml/min vorausgesetzt, eine Kompensation für etwa eine Minute erfolgen. Eine Hyperoxie vergrößert diesen Sauerstoffspeicher auf ca. 2250 ml, was die Kompensation eines Atemstillstands für etwa 10 Minuten möglich macht. Als Folge einer Apnoe kommt es zu einer ausgeprägten Hyperkapnie mit paCO2 von über 250 mmHg. Die hieraus resultierende respiratorische Azidose verursacht eine starke Rechtsverschiebung der Sauerstoffbindungskurve, was nur durch einen hohen paO2 während einer Hyperoxie ausgeglichen werden kann. Durch eine Hypoxie wird systemisch eine Vasodilatation verursacht, was besonders bei einer Hypovolämie eine deutliche
Zustandsverschlechterung bewirken kann. Eine Hyperoxie vermittelt eine dezente Vasokonstriktion, was den systemischen Gefäßwiderstand stabilisiert. Eine durch die Vasokonstriktion verursachte Minderperfusion von Organen und Geweben ist hierbei durch die Hyperoxie nicht anzunehmen. Kommt es zu einem akuten Hämoglobinmangel, z. B. durch eine Hypovolämie, kann der Anteil an physikalisch gelöstem O2 im Blut durch eine Hyperoxie signifikant angehoben werden. Auf diese Weise kann ein Absinken des CaO2 kurzfristig kompensiert werden. Merke Die Kompensation einer Anämie durch eine Hyperoxie entspricht etwa der Wirkung einer Transfusion von zwei Erythrozytenkonzentraten und ist deswegen besonders in der Präklinik von großer Bedeutung.
2.2.10. Kapnometrie Die Kapnometrie bezeichnet das Messen des CO2-Gehalts der Ausatemluft. Der Wert, der am Ende der Exspiration (endtidaler pCO2, etCO2) gemessen wird, lässt im Regelfall Rückschlüsse auf den pCO2 des arteriellen Blutes zu. Der Normwert des etCO2-Gehalts in der Ausatemluft beträgt bei Normoventilation 35–45 mmHg. Die Bestimmung des etCO2 bei der Atemwegssicherung ist gerade bei der endotrachealen Intubation der Goldstandard, um die korrekte Lage des Tubus zu verifizieren. Grundlegend sollte auch die Ventilationsfrequenz immer von der etCO2 abhängig gemacht
werden, was die Messung zu einem unverzichtbaren Teil des präklinischen und innerklinischen Atemwegsmanagements macht. CO2 Die Regulation des pCO2 durch die Atmung ist von entscheidender physiologischer Bedeutung. Der pCO2 dient im Körper als regulatorische Größe und beeinflusst z. B. den zerebralen Blutfluss (CBF) über CO2-sensitive Arterien und den pH-Wert als Edukt der Kohlensäure. CO2 reagiert mit Wasser (H2O) zu Kohlensäure (H2CO3). Diese Reaktion ist teils enzymatisch durch die Carboanhydrase vermittelt. Die Kohlensäure dissoziiert zu Wasserstoffionen (H+) und Bikarbonat (HCO3-), was den pH-Wert senkt. Eine Regulation des pH-Werts ist also direkt an den pCO2 gekoppelt und kann durch die Atmung reguliert werden.
Eine Hyperkapnie bezeichnet einen Anstieg des pCO2 auf über 45 mmHg. Hierdurch entsteht vermehrt Kohlensäure, was zu einem Abfall des pH-Wertes führen kann. Ein solcher Abfall und die daraus resultierende Entgleisung des pH-Wertes wird als respiratorische Azidose bezeichnet. Eine Hyperkapnie kann sich bei permanenten Lungenschädigungen als chronischer Zustand etablieren. Messverfahren Der etCO2 wird meist durch zwei verschiedene Messverfahren bestimmt. Man unterscheidet eine kolorimetrische Messung und eine lichtspektrometrische Messung.
Kolorimetrische Messung Die kolorimetrische Messung basiert auf der Kohlensäurereaktion. Zwischen Tubuskonnektor und Beatmungsschlauch befindet sich ein pH-sensitives Filterpapier im Messgerät, das durch eine Benetzung mit einer reaktiven Substanz die chemische Reaktion von CO2 und Wasser zu Kohlensäure katalysiert. Der sich auf diese Weise verändernde pH-Wert färbt den Indikator auf dem Filterpapier von violett auf braun. Eine Farbänderung gibt an, dass sich mehr als 0,5 % CO2 in der Ausatemluft befinden. Die kolorimetrische Messung dient nicht der genauen Bestimmung des etCO2, sondern der Überprüfung der Tubuslage nach der endotrachealen Intubation. Lichtspektrometrische Messung Analog zu der Oxymetrie, basiert die Funktionsweise der lichtspektrometrischen Kapnometrie ebenfalls auf der Messung der Lichtabsorption des CO2, gemessen durch einen Lichttransmitter und einen Lichtdetektor. CO2 absorbiert infrarote Wellenlängen mit einer Wellenlänge von 4300 nm. In Bezug auf die Lokalisation des Messgerätes unterscheidet man eine Hauptstrommessung, die direkt im Beatmungssystem montiert wird und den Totraum vergrößert, und eine Nebenstrommessung, die über eine zusätzliche Leitung Teile der Ausatemluft in ein extern gelegenes Messgerät speist. Kapnografie Die grafische Darstellung des CO2-Partialdrucks der Ausatemluft wird als Kapnografie bezeichnet. Durch die atemphysiologischen Besonderheiten ergibt sich ein charakteristischer Kurvenverlauf. In der Inspirationsphase kann unter normalen Bedingungen kein CO2
gemessen werden, wodurch kein Anstieg der Kurve zu verzeichnen ist. Zu Beginn der Exspiration steigt die Kurve ebenfalls nicht an, da hier die Luft aus dem anatomischen Totraum der Lunge ausgeatmet wird, die keinem Gasaustausch unterlag. Im weiteren Verlauf der Exspiration kommt es zu einem, erst kurzzeitig flachen und dann starken Anstieg der Kurve, mit anschließendem Plateau, wobei der letzte Abschnitt des Plateaus dem etCO2 entspricht. Das Ende der Exspiration und damit der Beginn der nächsten Inspiration ist durch einen steilen Abfall der Kapnografiekurve gekennzeichnet. Physiologisch verläuft die Kapnografie in einem annähernd rechteckigen Verlauf (➤ Abb. 2.33).
Abb. 2.33 Kurvenverlauf einer Kapnografie: I = Totraum: kein Anstieg der CO2-Konzentration; II = Mischluft: zunehmende Entleerung der Alveolen, steiler Anstieg; III = langsam ansteigendes (alveoläres) Plateau, Entleerung von Gas aus Alveolen; IV = Inspiration: rascher Abfall auf Nulllinie [A400-157]
Pathologische Kapnografiekurven Die Form der Kapnografiekurve kann Aufschluss über pathologische Vorgänge in der Lunge oder Beatmungsfehler geben. Ein Einbruch des Plateaus in einem sonst unauffälligen Kurvenverlauf kann z. B. durch einen spontanen Atemzug des Patienten auftreten (➤ Abb. 2.34). Fällt die Kurve hingegen stetig ab, kann eine zunehmende Diffusionsproblematik durch z. B. einen Herz-Kreislauf-Stillstand oder eine Hypovolämie die Ursache sein
(➤ Abb. 2.35). Durch eine Dislokation des Tubus oder einem vollständigen Verlegen der Atemwege, kann ein abrupter Abfall der Kurve auf null beobachtet werden (➤ Abb. 2.36). Bei Asthma bronchiale oder COPD verläuft der Anstieg auf das Plateau eher flach (➤ Abb. 2.37). Dieser sog. obstruktive Kurvenverlauf ist Ausdruck der exspiratorischen Problematik einer Atemwegsobstruktion, da die Luft aus den hinteren Abschnitten der Lunge nur deutlich langsamer ausgeatmet werden kann.
Abb. 2.34 Einbruch des Plateaus durch spontanen Atemzug des Patienten (siehe*) [L143]
Abb. 2.35 Stetiger Abfall der Kapnografiekurve durch eine zunehmende Diffusionsproblematik bei Hypovolämie oder Herz-Kreislauf-Stillstand [L143]
Abb. 2.36 Abfall der Kurve auf null [L143]
Abb. 2.37 Obstruktiver Kurvenverlauf [L143]
Hyperventilation Die Hyperventilation beschreibt eine erhöhte alveoläre Ventilation, die ein stetiges Sinken des pCO2 bewirkt. Physiologisch ist es immer möglich, CO2 abzuatmen, dies ist nicht zuletzt durch den sehr hohen ∆pCO2 zwischen Lungenkapillare und Umgebungsluft begründet. Im Körper kann der sinkende pCO2 eine respiratorische Alkalose, durch eine verminderte Kohlensäurereaktion, verursachen. Dieser Abfall der H+-Konzentration wird anfangs durch die Freisetzung von H+ aus den Blutproteinen kompensiert. An die freigewordenen Bindungsstellen der Proteine bindet Ca2+, was eine relative Hypokalziämie zu Folge hat. Dieser Umstand erklärt die Parästhesien und die Hyperventilationstetanie. Eine weitere Folge ist ein Absenken des CBF durch hypokapniebedingte Vasokontriktion der zerebralen Gefäße. Die daraus resultierende zerebrale Minderperfusion kann ultimativ in einer zellulären Hypoxie enden. Im nicht beatmeten Zustand korrigiert sich dieser Zustand meist selbst, da in der Phase der folgenden Bewusstlosigkeit der pCO2 wieder ansteigt. Beim beatmeten Patienten besteht folglich ein sehr hohes Risiko, sollte der etCO2 nicht im Normbereich gehalten werden. Merke Eine akzidentielle Hyperventilation kann durch ein kontinuierliches Monitoring des etCO2 und der Kapnografie vermieden werden.
Literatur
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Kapitel 3: Basic Airwaymanagement Matthias Jahn
Das Basic Airwaymanagement wird häufig als ein kleiner Bestandteil der Atemwegssicherung angesehen. Gerade medizinisches Fachpersonal, das über eine höhere Qualifikation und damit über mehr Möglichkeiten verfügt, neigt dazu, Schritte zu überspringen. Generell gilt es, bei der Sicherung der Atemwege eines Patienten Folgendes zu beachten: Eskalationsstufe und Risiko steigen direkt exponentiell. Das übergeordnete Ziel der Atemwegssicherung ist das Verhindern einer zerebralen Hypoxie und Vermeidung einer Hypoxämie. Die nötigen Mittel, um diesen Umstand zu vermeiden, sind meist sehr einfache. Zeit spielt hierbei eine prioritäre Rolle; jede Art von erweitertem Atemwegsmanagement sollte mit Basismaßnahmen überbrückt werden. Im folgenden Kapitel werden die Sauerstoffgabe und Therapie mit unterschiedlichen Möglichkeiten der Applikation in der notfallmedizinischen Versorgung, Strategien der Sauerstoffgabe, die Beurteilung des Atemwegs und grundlegende Basisfertigkeiten des Atemwegsmanagement erläutert. Fall s ze nario Das Rettungsteam – bestehend aus RTW und NEF – wird zu einem HerzKreislauf-Stillstand alarmiert. Ein First Responder (FR) ist ebenfalls auf dem Weg. Am Einsatzort liegt ein männlicher Patient im Garten. Der FR hat bereits mit Thoraxkompressionen begonnen. Die erste Rückmeldung durch den FR: schwierige Reanimationssituation, der Patient sei massiv übergewichtig, eine Beutel-Masken-Ventilation (BMV) sei aufgrund des Vollbarts nicht möglich, er
habe sich auf die Thoraxkompressionen beschränkt, in der ersten AEDAnalyse sei kein Schock empfohlen worden. Der Teamleiter weist den Rettungssanitäter (RS) an, die Thoraxkompressionen zu übernehmen, während er den Monitor anschließt und die Defibrillationselektroden austauscht. Die nächste Rhythmusanalyse zeigt eine Asystolie. Der FR soll einen Larynxtubus der Größe 4 vorbereiten und der Teamleiter versucht inzwischen erneut eine BMV. Diese gestaltet sich tatsächlich schwierig, da sich die Maske aufgrund der anatomischen Strukturen und des Vollbarts nicht abdichten lässt. In der Zwischenzeit ist der Larynxtubus durch den FR vorbereitet und der Teamleiter versucht diesen einzulegen. Mehrfache Versuche der Einlage mit unterschiedlichen Größen (3, 5) misslingen. Eine adäquate Blockung ist jeweils frustran. Eine klassische Larynxmaske oder igel®-Maske werden als supraglottische Atemwegshilfen nicht vorgehalten. Der Teamleiter wechselt zurück auf die BMV und führt einen Doppel-C-Griff durch, der FR komprimiert dabei den Beatmungsbeutel. Auch mit dieser Methode lässt sich die Maske nicht ausreichend abdichten. Der FR soll nach der nächsten Rhythmusanalyse die Thoraxkompressionen übernehmen. Mittlerweile ist noch ein Krankentransportwagen (KTW) zur Unterstützung eingetroffen und kann bei der HDM und weiteren Maßnahmen unterstützen. Das Rettungsteam kann sich jetzt mehr auf den erschwerten Atemweg konzentrieren und bei der Grifftechnik zum sog. Thenar-Eminence-Griff wechseln. Auch diese modifizierte Technik der BMV ist aufgrund des Vollbarts enorm erschwert. Der RS macht den Vorschlag, den Bart mit viel Gleitgel anzufeuchten. Aufgrund des jetzt einigermaßen glatten Barthaares ist die BMV möglich und eine adäquate Oxygenierung während der CPR bis hin zur definitiven Atemwegssicherung, die bei diesem Patienten sicherlich erschwert sein wird, kann jetzt sichergestellt werden. Dieses Szenario soll zeigen, dass Basisfertigkeiten mit Eskalationsstufen im Basic Airwaymanagement wichtig sind und Fertigkeiten trainiert werden müssen. Nicht selten kommt es aufgrund unterschiedlicher Patienten zu erschwerten Verhältnissen, die z. B. eine BMV schwierig machen. Wie am Fall deutlich wird, kann z. B. eine BMV als Basisfertigkeit schneller notwendig sein,
als man denkt. Es ist daher essenziell, Basisfertigkeiten zu beherrschen und darauf vorbereitet zu sein, um eine garantierte Oxygenierung des Patienten zu gewährleisten. Vor allem besondere Patientengruppen wie z. B. Übergewichtige, Zahnlose oder Bartträger können schnell zu einer Herausforderung werden. Im folgenden Kapitel werden Grundlagen und verschiedene Möglichkeiten der Atemwegssicherung im Rahmen des Basic Airwaymanagements erläutert.
3.1. Grundlagen: Vorgehen am Patienten, ABCDE-Schema, Beurteilung des Atemwegs, Basisfertigkeiten Matthias Jahn Das ABCDE-Schema dient zur schnellen Ersteinschätzung sowie der strukturierten Patientenbeurteilung und stellt ein wertvolles Werkzeug im Notfallmanagement dar. Die fünf Buchstaben geben eine prioritätenorientierte Struktur zur Untersuchung vor und dienen als sicherer roter Faden für die Patientenversorgung. Dieser Schritt wird als Primary Assesment oder Initial Assessment bezeichnet und bedeutet so viel wie vorrangige Untersuchung. Insgesamt verfolgt das ABCDE-Schema zwei Ziele: • Schnelle Patienteneinschätzung • Gleichzeitige Behandlung (wenn erforderlich) Dabei lautet die Devise: „Treat first what kills first.” Zunächst gilt es, im Rahmen der ABCDE-Untersuchung und des Basic Airwaymanagements einen freien Atemweg zu sichern. Unbehandelte Atemwegsobstruktionen führen zu Hypoxie mit dem Risiko von Schäden an lebenswichtigen Organen wie dem Gehirn! Ist der Atemweg bedroht, wird erst durch einfache Hilfsmittel wie z. B. dem Esmarch-Handgriff, einer Absaugung oder das Einlegen eines Wendl- oder Guedel-Tubus ein freier Atemweg hergestellt. Die Inspektion des Mund-Rachen-Raums ist ebenfalls eine wichtige Maßnahme in der ABCDE-Untersuchung, die nicht vergessen werden darf. Hier
können z. B. Fremdkörper zu einem A-Problem führen. Beim Schritt „B“, folgt die Beurteilung der Atmungstätigkeit. Bei den Untersuchungsschritten muss auf Zyanose, Schwitzen, paradoxe Atmung, Einsatz der Atemhilfsmuskulatur, Brustwanddeformitäten, Prellmarken, Hämatome, ein Hautemphysem, gestaute Halsvenen sowie das Erfassen von Atemfrequenz und -rhythmus geachtet werden. Sofern die Spontanatmung des Patienten unzureichend ist (zu langsam oder zu schnell mit unzureichendem Atemzugvolumen) oder ganz fehlt, muss diese assistiert bzw. kontrolliert übernommen werden.
3.1.1. Supportive Sauerstoffgabe Sauerstoff als hoch konzentrierte Zubereitung mit mehr als 93 % wird für die medizinische Anwendung hergestellt und unterliegt als Medikament dem Arzneimittelgesetz. Zur Vermeidung einer Hypoxämie und Hypoxie kann zur Akuttherapie über verschiedene Systeme Sauerstoff per Inhalation verabreicht werden. Bei validen Messwerten (O2-Sättigung [SpO2,], BGA) soll die Sauerstoffgabe zur Vermeidung einer Hyperoxämie an Zielwerte angepasst werden. Die Zielwerte hängen von der jeweiligen Situation ab. Bei spontan atmenden Patienten ohne Hyperkapnierisiko liegt der Zielwert laut S3-Leitlinie zur Therapie mit Sauerstoff bei Patienten bei 92–96 %. Diese Zielwerte gelten auch für beatmete Patienten (gilt auch für Heimbeatmete) unabhängig vom Hyperkapnierisiko. Bei Patienten mit Hyperkapnierisiko liegt der Zielwert bei 88–92 % (➤ Abb. 3.1). Zu beachten ist, dass die Behandlung mit Sauerstoff in der Akutmedizin abzugrenzen ist von einer Langzeittherapie. Die Steuerung der Sauerstoffgabe soll durch Messung einer validen Sauerstoffsättigung (Pulsoxymetrie) erfolgen. Bei kritischen Patienten mit Atemnot und nicht validem Pulsoxymetrie-Signal (z. B. schlechte Ableitungsqualität der photoplethysmografischen Pulskurve) soll Sauerstoff hoch dosiert gegeben werden. Bei nicht kritischen Patienten während der Akutversorgung soll laut Leitlinie unter Beachtung der Indikation eine zielgerichtete Sauerstofftherapie erfolgen. Bei Patienten mit Atemnot sollen zusätzlich folgende wichtige Parameter beurteilt und in die Einschätzung von Patienten mit Atemnot einbezogen werden:
• Atemfrequenz, Atemtätigkeit, Atemanstrengung (z. B. Einziehungen) • Wenn System vorhanden: Kapnografie/-metrie bei spontan atmenden Patienten (➤ Abb. 3.2) • Pulsfrequenz • Temperatur • Vigilanz anhand WASB- bzw. AVPU-Schema oder GCS-Bestimmung • Blutdruck (cave: kein valider Wert)
Abb. 3.1 Zielwerte SpO2 für unkritische Patienten, orientiert am Hyperkapnierisiko laut Leitlinie [W1075-003]
Abb. 3.2 Kapnografie bei spontan atmenden Patienten [O1090] Die Sauerstoffgabe erfolgt nicht aufgrund der Atemnot als Symptom, sondern wird nur verabreicht, um einer Hypoxämie entgegenzuwirken. Besonders wichtig ist es, schnellstmöglich die Ursache der Hypoxämie zu identifizieren und zu behandeln. Die O2-Applikationssysteme werden je nach Krankheitsbild, Patientenzustand, Patientensicherheit und auch Komfort ausgesucht. Merke • Hypoxämie ist das Absinken der Sauerstoffsättigung im Blut (Beladung der Erythrozyten mit Sauerstoff). • Hypoxämie ist nicht gleichzusetzen mit Hypoxie. Bei abgesunkener Sauerstoffsättigung kann die periphere
Gewebeversorgung durchaus noch ausreichend sein (Herzzeitvolumen und Erhöhung Hämoglobin).
Achtung • Die Beurteilung der Atemfrequenz ist immer noch ein unterschätzter Parameter. Kontinuierlich erhöhte Atemfrequenzen > 25/min gehen mit erhöhter Sterblichkeit einher. • Dreifach erhöhte Sterblichkeit im Zusammenhang mit Hypoxämie bei bereits einmalig abgesunkenen SpO2-Werten unter 92 %!
Nasenbrille Zur Applikation von Sauerstoff in Niedrig-Flussraten (Low-Flow Nasal Cannula, LFNC) ist die Sauerstoffbrille geeignet. Über eine schmale Sauerstoffleitung und nasale Stege wird der Sauerstoff verabreicht. Nasale Sauerstoffkanülen bilden ein hohes Sauerstoffreservoir im nasalen Anteil und posterioren Nasopharynx, das dann mit Raumluft während der Inspiration gemischt wird. Geeignet ist die Sauerstoffbrille für Patienten mit moderater Dyspnoe ohne kritische Sättigungsabfälle. Sauerstoffbrillen können nur mit Flussraten bis 6 l/min eingesetzt werden und erreichen nur eine marginale Erhöhung der FiO2. Bei einer Flussrate von 2–4 l/min werden Werte von ungefähr 30–35 % erzielt. In der Literatur werden für eine Flussrate bei bis zu 6 l/min Werte im Bereich von 35–45 % angegeben. Zur Erinnerung: Die FiO2 bei Raumluft beträgt 21 %. Aufgrund des offenen Systems der Sauerstoffbrille kommt es zu Leckagen rund um die nasalen Ausflussstege, womit die Flussrate limitiert ist. Der positive Effekt der Sauerstoffgabe über die Nase kann bei Mundatmern oder einer nasalen Obstruktion negativ beeinflusst werden. Bei höheren Flussraten als 6 l/min kann es zu Schleimhautirritationen (hier v. a. bei nicht angefeuchtetem Sauerstoff) durch Austrocknen mit Blutungsgefahr kommen. Sauerstoffbrillen haben den höchsten Patientenkomfort.
Sauerstoffmasken Um hohe inspiratorische FiO2-Werte zu erreichen, eignen sich Sauerstoffmasken mit oder ohne Reservoirbeutel (➤ Abb. 3.3). Bei Masken mit Reservoirbeutel füllt sich dieser bei einer kontinuierlichen Zuführung von Sauerstoff. Das ungefähre Füllvolumen beträgt 100–150 ml. Während der Inspiration zieht sich der Patient dann den Sauerstoff aus dem Beutel und atmet über ein Ventil wieder aus (Nichtrückatemventil). Die Ausatemluft gelangt nicht wieder in den Beutel. Die inspiratorische Sauerstoffkonzentration ist bei den Masken auch abhängig von einem guten Maskensitz. Hier sind Masken zur besseren Abdichtung mit weichem Material erhältlich. Für fest eingestellte Sauerstoffkonzentrationen sind auch Venturi-Masken (➤ Abb. 3.3) erhältlich, die für eine vorab festgelegte und eingestellte Sauerstoffkonzentration das sog. Bernoulli-Prinzip nutzen. Hier sind über spezielle sich verjüngende Düsenadapter und eine Luft-Sauerstoff-Gemisch-Verwirbelung in der Maske feste Sauerstoffkonzentrationen von 24–60 % einstellbar. Venturi-Masken werden eher im innerklinischen Bereich eingesetzt (➤ Tab. 3.1).
Abb. 3.3 Sauerstoffmasken a) High-Flow-Sauerstoffmaske [J747] b) Venturi-Maske [V592]
Tab. 3.1
Maximal erreichbare Sauerstoffkonzentrationen (FiO2)
System
FiO2 in %
Beatmungsbeutel mit Demandventil
100 %
Sauerstoffmaske mit Reservoirbeutel
70–95 %
Einfache Sauerstoffmaske
45 %
Nasenbrille
35–45 %
3.2. Der verlegte Atemweg Die normale Atmung findet nahezu geräuschlos statt. Atemnebengeräusche wie Gurgeln (Hinweis auf Flüssigkeiten wie z. B. Blut, Speichel, Sekrete), schnarchende Atemgeräusche (teilweise verlegter Atemweg), ein inspiratorischer Stridor (Schwellung der oberen Atemwege) oder ein expiratorischer Stridor (Obstruktion der unteren Luftwege) sind Hinweise auf eine partielle Obstruktion der Atemwege. Bei kompletter Atemwegsobstruktion (z. B. Fremdkörper) kann starkes und angestrengtes Husten sowie eine rasch einsetzende Zyanose ein Hinweis auf eine komplette Atemwegsverlegung sein. Bei wachen und noch selbstständig atmenden Patienten kann auch eine gegenläufige Brust- und Bauchbewegung (inverse Atmung) beobachtet werden. Eine zentrale Rolle in der Notfallmedizin nehmen freie Atemwege und eine suffiziente Belüftung der Lungen ein. Das Freimachen und Freihalten der Atemwege mithilfe einfacher und unterschiedlicher Techniken sollte jeder in der Notfallmedizin Tätige beherrschen. Atemwegsproblematiken sollten mithilfe des ABCDE-Schemas früh erkannt und als oberste Priorität behandelt werden. Eine Hypoxie und hierdurch verursachte Hirn- und Organschäden müssen durch verschiedene Techniken und Hilfsmittel verhindert werden. Fehlende Schutzreflexe bei Patienten z. B. bei Bewusstlosigkeit stellen eine große Gefahr dar. Das Zurücksinken der Zunge und das Kollabieren der Pharyngealmuskulatur sind der häufigste Grund für die Verlegung der oberen Atemwege. Einfache manuelle Atemwegsmanöver wie z. B. der EsmarchHandgriff reichen in der Regel aus, um einen verlegten Atemweg frei zu halten.
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3.2.1. Manuelle Atemwegsmanöver Kreuzgriff Das Öffnen der oberen Atemwege stellt eine wichtige Maßnahme dar, um Patienten Atemwegshilfen einzulegen oder Fremdkörper zu entfernen. Der Kreuzgriff (➤ Abb. 3.4) ermöglicht das einhändige Öffnen des Mundes. Er wird meist mit der rechten Hand durchgeführt, da er auch verwendet werden kann, um z. B. ein Laryngoskop zur Intubation einzuführen, das normalerweise mit der linken Hand geführt wird. Der Daumen der rechten Hand wird auf die untere Zahnreihe (Unterkiefer) des Patienten gelegt. Zeigefinger und Mittelfinger befinden sich an der oberen Zahnreihe (Oberkiefer). Um den Mund zu öffnen, wird der Unterkiefer nach kaudal gedrückt, dabei überkreuzen sich Daumen und Mittelfinger, was dem Handgriff den Namen „Kreuzgriff“ einbringt. Wichtig ist, dass der Griff möglichst weit rechts im Mund angesetzt wird, um sich eine möglichst große „Arbeitsfläche“ zu schaffen.
Abb. 3.4 Kreuzgriff [O1097] a) Von oben b) Seitliche Ansicht
Head Tilt and Chin Lift (HTCL) Eine Maßnahme, die schon lange Einzug in die Erste Hilfe genommen hat, ist das sog. Head-Tilt-and-Chin-Lift-Manöver (Triple Airway Maneuver).
Hierbei handelt es sich um eine Reklination des Kopfes, die besonders dann vorteilhaft ist, wenn der Patient über einen nicht ausreichend pharyngalen Muskeltonus verfügt und so der Zungengrund eine Atemwegsobstruktion verursacht (➤ Abb. 3.5).
Abb. 3.5 Head Tilt and Chin Lift (Triple Airway Maneuver) [G860003] A) In der Abbildung sind drei verschiedene mögliche Manöver dargestellt. Der Head Tilt and Chin Lift beinhaltet jeweils die Kopfneigung (Head Tilt), den Kieferschub (Jaw Thrust) und die Mundöffnung. B) Das seitliche Xerogramm (Kopf bis Hals) zeigt die gestreckte Position mit Kiefervorsprung. Zu beachten ist, dass die Schneidezähne des Unterkiefers über die Schneidezähne des Oberkiefers hinausragen. Die Gelenke (Kondylen) des Unterkiefers sind hierbei vom Kiefergelenk nach vorn subluxiert. Der Vorteil bei dieser Technik liegt darin, dass die Atemwege sehr einfach frei gehalten werden können. Zur Durchführung sind keine weiteren Hilfsmittel
erforderlich, sodass auch Laien diesen Handgriff in der Ersten Hilfe sehr leicht erlernen können. Nachteile des HTCL-Manövers sind: • Kein Aspirationsschutz • Nicht geeignet für Patienten mit Traumata an der Halswirbelsäule (HWS) • Permanente Bindung der Hände am Patienten Durchführung Um bei Patienten das HTCL-Manöver durchzuführen, werden im Idealfall beide Hände verwendet. Eine Hand wird auf die Stirn des Patienten gelegt, die andere fasst sanft mit zwei Fingern unter das Kinn des Patienten. Im Anschluss wird das Kinn nach oben angehoben und der Kopf über die Stirn nach dorsal gekippt (Überstrecken des Kopfes). Die vorderen Anteile des Halses werden hierbei gestreckt. Durch diesen Handgriff werden Zunge und Epiglottis aufwärts und nach vorn gezogen. Dadurch wird die Glottisöffnung frei und der Atemweg sicher geöffnet. Achtung Im Vorfeld immer eine Inspektion des Atemwegs durchführen (Suche nach Fremdkörpern etc.)!
Esmarch-Handgriff (Jaw Thrust Maneuver) Eine weitere Möglichkeit, um die Atemwege eines Patienten frei zu machen, ist der Esmarch-Handgriff (➤ Abb. 3.6) – benannt nach dem deutschen Arzt Friedrich von Esmarch. Hierbei soll, ähnlich wie bei der Reklination des Kopfes, der Zungengrund von der Rachenhinterwand (Vergrößerung des Hypopharynxraums) durch Vorschieben des Unterkiefers angehoben werden. Der Vorteil bei dieser Technik ist, dass eine Überstreckung des Kopfes nicht zwingend erforderlich ist.
Abb. 3.6 Der Esmarch-Handgriff – beide Daumen liegen am Kinn, die übrigen Finger greifen den Unterkiefer. Der Unterkiefer wird nach vorn geklappt und vorgeschoben (untere Zahnreihe soll vor der oberen liegen). [L190] Eine Durchführung des Esmarch-Handgriffs ist indiziert bei Patienten mit: • Atemwegsobstruktion durch Glossoptose (Zurücksinken der Zunge) • Schwierigkeiten bei der Beutel-Masken-Ventilation • Vigilanzminderung/Bewusstlosigkeit mit fehlenden Schutzreflexen Praxistipp Der Esmarch-Handgriff führt bei der Beutel-Masken-Ventilation im Gegensatz zum klassischen CE-Griff zu wesentlich besseren Tidalvolumina und kann daher effektiver sein.
Durchführung Grundsätzlich setzt sich die Durchführung des Esmarch-Handgriffs aus zwei Teilen zusammen:
• Leichte Reklination des Kopfes • Öffnen des Mundes und Vorschieben der Mandibula durch Druck auf den Kieferwinkel nach vorn mit Verlagerung des Unterkiefers nach vorn Nachdem der Kopf leicht überstreckt wurde, wird der Unterkiefer beidhändig umfasst. Hierbei liegen jeweils die vier Finger auf den Unterkieferästen und am Kieferwinkel. Die beiden Daumen üben Druck auf die Fläche des Kinns aus. Jetzt wird der Mund durch Druck auf die Kinnfläche geöffnet und der gesamte Unterkiefer nach ventral geschoben. Durch ein Anheben des Unterkiefers hebt sich der Zungengrund an und es entsteht ein Abstand zur Rachenhinterwand. Es sollte stets darauf geachtet werden, dass der Kopf des Patienten nur leicht überstreckt ist. Sollte sich durch zu starkes Überstrecken ein Zug in kraniodorsale Richtung ergeben, kann sich der Abstand zwischen Zungengrund und Rachenhinterwand wieder verkleinern. Hierbei kann das ursprüngliche Problem der Atemwegsobstruktion verschlimmert werden. Weiterhin kann auf diesem Weg die Belastung für die Halswirbelsäule zunehmen und ein unnötiges Risiko von Gefäßbeteiligungen entstehen. Achtung Ein zu starkes Überstrecken des Kopfes kann einen gegenteiligen Effekt haben und die Atemwegsobstruktion verschlimmern.
Modifizierter Esmarch-Handgriff, Modified-Jaw Thrust Maneuver (MJTM) Der modifizierte Esmarch-Handgriff (Modified-Jaw Thrust Maneuver, MJTM) soll ein Überstrecken des Kopfes gänzlich vermeiden (Protektion HWS). Der modifizierte Esmarch-Handgriff führt wie beim klassischen Esmarch-Handgriff zum Freilegen der Atemwege. Besonders der Zungengrund wird hierbei angehoben (➤ Abb. 3.7).
Abb. 3.7 Modifizierter Esmarch-Handgriff – Kinnladenschub mit gleichzeitiger Bewegungseinschränkung der HWS [M844] Die Durchführung unterscheidet sich also nur insofern, dass der Kopf nicht rekliniert wird. In einer kleinen Fallstudie (Kumar 2022) zeigte der modifizierte EsmarchHandgriff beim ersten Versuch der Platzierung einer I-gel®-Larynxmaske (modifizierte Jaw-Thrust-I-gel®-Einführtechnik) eine 100-prozentige Einführrate, bei einem vernachlässigbaren Einführwiderstand und einer kurzen Einführzeit. Merke Beim modifizierten Esmarch-Handgriff wird auf die Reklination des Kopfes verzichtet (Schutz der HWS bei vermutetem Trauma). V ide o Nas ale s A b s au ge n https://else4.de/s0w
3.2.2. Oropharyngealtuben, Nasopharyngealtuben
Oropharyngealtuben und Nasopharyngealtuben eigenen sich bei bewusstlosen bzw. bewusstseinseingetrübten Patienten sehr gut als einfache Hilfsmittel um eine Obstruktion des weichen Gaumens und/oder der Epiglottis (Verlegung oberer Atemweg) zu verhindern. Zusätzliche Griffe zum frei halten der Atemwege können dadurch entfallen und die Hände sind für weitere Maßnahmen wie z. B. die BMV frei. Oropharyngealtubus (OPT) Oropharyngealtuben imitieren die Wirkung des Esmarch-Handgriffs und werden in der Notfallmedizin zum Freihalten der Atemwege verwendet. Die Zunge wird hierbei von der Rachenhinterwand ferngehalten. Der wohl häufigste Vertreter der OPT ist der Guedel-Tubus (➤ Abb. 3.8). Der Guedel-Tubus wurde im Jahr 1933 vom US-amerikanischen Anästhesisten Arthur Ernest Guedel entwickelt. Er besteht aus einem abgeflachten Kunststofftubus, der mit einer ovalen „Platte“ beginnt, die auch als „Schild“ bezeichnet wird. Nach dem Schild verläuft der Kunststofftubus zunächst ca. 2–3 cm gerade, bis er sich halbkreisförmig, ungefähr 1–2 cm unter die Mittellinie des geraden Abschnitts wölbt. Im oralen Ende des Tubus ist festes Material eingearbeitet, das zwischen den Zahnreihen zum Liegen kommt und auch als Beißschutz dient. Der Kunststofftubus in seiner Form ist dem anatomischen Verlauf der Zunge nachempfunden und lässt sich daher zwischen der Zunge und dem harten Gaumen (Zungengrund bis Hypopharynx) platzieren und hält somit den Atemweg effektiv frei.
Abb. 3.8 Guedel-Tuben in unterschiedlichen Größen [O1097]
Größenauswahl und Abmessung der richtigen Tubuslänge Die Größenauswahl ist ein wichtiger Schritt bei der Verwendung und richtigen Platzierung (➤ Abb. 3.9). Das Vorhaben, eine Luftbrücke zwischen dem Zungengrund und der Rachenhinterwand zu schaffen, ist fest an die Auswahl der richtigen Tubusgröße gekoppelt. Ein OTP in der richtigen Länge endet kurz vor dem Larynx. Hier befindet sich das Ende des Tubus in der Nähe von sehr empfindlichen Strukturen wie der Glottis oder der Epiglottis. Eine nicht korrekt gewählte Größe hat keinen Effekt (zu kleine Größe) oder kann die Atemwegsverlegung (zu groß) verschlechtern. Bei zu groß gewählten Tuben kann es sein, dass die Positionierung in der Vallecula epiglottica erfolgt und durch Druck auf die Epiglottis den Atemweg weiter verlegt. Auch kann bei zu groß ausgewählten Tuben ein Laryngospasmus provoziert werden. Bei zu klein gewählten Tuben kann durch Druck auf die Zunge der Atemweg verlegt werden. Dies zeigt die Wichtigkeit einer korrekten Wahl der Größe und richtiger Einführtechnik.
Abb. 3.9 Korrekte Größenbestimmung (Länge) eines Guedel-Tubus [O1097] Als Lagekontrolle bietet sich Folgendes an: • Überprüfung der Spontanatmung des Patienten • Keine Erhöhung des Widerstands bei BMV nach Einlage des OPT • Atemnebengeräusche (Schnarchen etc.) sistieren Die unterschiedlichen Längen der Guedel-Tuben sind für gewöhnlich farbcodiert (➤ Tab. 3.2).
Tab. 3.2
Größenunterschiede von Guedel-Tuben
Farbe
Länge in mm
Größennummer
Rosa
40
000
Dunkelblau
50
00
Schwarz
60
0
Weiß
70
1
Grün
80
2
Gelb
90
3
Rot
100
4
Himmelblau
110
5
Orange
120
6
Merke • Die richtige Größe eines Oropharyngealtubus ist entscheidend für den Erfolg der Maßnahme. • Oropharyngealtuben sollten nur bei tief bewusstlosen Patienten ohne Schutzreflexe zum Einsatz kommen, da sonst ein Würgereflex mit Erbrechen ausgelöst werden kann.
Einlagetechnik Die Einlage eines Guedel-Tubus wird nur von Patienten toleriert, die tief bewusstlos sind und über keine Schutzreflexe mehr verfügen. Das Risiko, das mit jeder Einlage einhergeht, ist das Auslösen eines Würgereflexes mit der Gefahr einer Aspiration von Mageninhalt. Die Einlage eines Guedel-Tubus kann auf unterschiedliche Weise erfolgen, wichtig ist hierbei jedoch immer, dass die
korrekte Größe ausgewählt wurde. Zu Anfang muss der Patient in der richtigen Position liegen: Er befindet er sich in Rückenlage und der Kopf liegt in Neutralposition oder ist leicht rekliniert. Einlage des Tubus (➤ Abb. 3.10): • Mund öffnen (z. B. mit dem Kreuzgriff) • Tubus einführen entgegen seiner anatomischen Form mit der Öffnung zum harten Gaumen zeigend • Tubus vorschieben bis ca. ⅔ der Mundhöhle (vor Erreichen der Uvula) • Tubus um 180° drehen; das Ende des Tubus zeigt nun nach kaudal Richtung Hypopharynx (Aufladen der Zunge) • Tubus vorschieben, bis der Schild auf den Lippen anliegt, ein Zungenspatel kann hierbei als zusätzliche Hilfe die Zunge weghalten • Durchführen eines Esmarch-Handgriffs zur sicheren Positionierung
Abb. 3.10 Klassische Einlagetechnik des Guedel-Tubus: a) Tubus einführen entgegen seiner anatomischen Form bis ca. 2/3 der Mundhöhle b) Drehung Tubus um 180° c) Modifizierte Einlagetechnik (kaudal) mit Holzspatel [O1097] Das Drehen des Tubus hat den Vorteil, dass das Ende des Tubus am Gaumen entlang geführt wird und so die Zunge nicht verschoben werden kann. Ziel ist es, das Ende des Tubus „hinter die Zunge“ zu drehen. Weiterhin ist es möglich, den Guedel-Tubus mit der Öffnung nach kaudal einzuführen. Hier wird darauf verzichtet, ihn zu drehen. Diese Art der Einlage verlangt allerdings mehr Übung und ist je nach Patienten unterschiedlich schwer durchzuführen. Ein Holzmundspatel kann hierbei hilfreich sein (➤ Abb. 3.11).
Abb. 3.11 Korrekt platzierter Guedel-Tubus [O1097]
V ide o V e rwe ndu ng d e s Gu e d e l- Tu b u s https://else4.de/cys Nasopharyngealtuben (NPT) Nasopharyngealtuben, sog. Nasen-Rachen-Tuben, sind eine weitere Möglichkeit, den Atemweg v. a. bei Patienten mit vorhandenen Schutzreflexen frei zu halten. Bei dieser Art der Tuben handelt es sich um Atemwegshilfen mit flexiblem Material und leicht gebogener Form mit abgeschrägter Tubusspitze, die über die Nase eingelegt werden. Sie eignen sich besonders gut, um die Spontanatmung von Notfallpatienten mit einer Verlegung der oberen Atemwege durch Glossoptose zu vereinfachen. Sie ermöglichen, wie auch die OPT, eine feste Luftbrücke zwischen Zungengrund und Rachenhinterwand. Der klassische Wendel-Tubus wurde erstmals 1958 von Hans Karl Wendl vorgestellt und ist seitdem fester Bestandteil des Atemwegsmanagement der Medizin und
Notfallmedizin. Der Wendl-Tubus ist wohl der am häufigsten verwendete NTP (➤ Abb. 3.12). Die Spitze des Tubus kommt zwischen Zunge und Rachenhinterwand zum Liegen und verhindert somit eine Glossoptose. Die Funktionsweise ähnelt der eines OPT. Die Einlage löst in der Regel deutlich weniger Würgreflexe aus und wird von Patienten besser toleriert als der GuedelTubus. Somit kann auch bei deutlich vigilanteren Patienten ein NTP eingesetzt werden. Hierbei ist aber darauf zu achten, dass die Einlage nicht selten als unangenehm bis schmerzhaft empfunden wird. Auch können bei der Platzierung leichter Schleimhautblutungen in der Nasenhöhle ausgelöst werden. Wie beim Guedel-Tubus besteht bei zu tiefem Einführen (falsche Länge) die Gefahr eines Laryngospasmus.
Abb. 3.12 Klassischer Wendl-Tubus [E1262]
Größenauswahl Der Wendl-Tubus ist in unterschiedlichen Größen erhältlich. Der Außendurchmesser wird in der Einheit Charrière (Ch) oder im englischen Sprachraum mit der Einheit French (Fr) angegeben. Merke 1 Charrière entspricht ⅓ Millimeter.
Die üblichen Außendurchmesser von Wendl-Tuben bewegen sich zwischen 16 und 36 Ch. Zusätzlich zum Außendurchmesser werden die Längen der Tuben unterschieden. Diese liegen meist zwischen 9 und 17 cm. Bei der Auswahl der korrekten Größe müssen zwingend die anatomischen Gegebenheiten des Patienten berücksichtigt werden. Die Wahl des richtigen Durchmessers richtet sich nach der Größe des unteren Nasenganges. Es sollte hierbei immer der größtmögliche Durchmesser des Tubus gewählt werden. Ein Vorschieben gegen starken Widerstand zeigt hier an, dass ein kleinerer Durchmesser gewählt werden muss. Grundsätzlich kommt es bei der Auswahl des Tubus auf die Länge an und nicht auf den Durchmesser (➤ Tab. 3.3). Tab. 3.3
Größenbestimmung Wendl-Tubus (hier Portex™ und Rüsch®)
Geschlecht
Portex™ Rüsch® Wirupren (Tubuslänge 15 cm)
Einführlänge
Durchschnittsfrau (163 cm)
Größe 6
CH 26
13 cm
Große Frau
Größe 7
CH 30
15 cm
Durchschnittsmann (178 cm)
Größe 7
CH 28
15 cm
Großer Mann
Größe 8
CH 34
15 cm
Die Angaben der Größen können individuell unterschiedlich sein (z. B. kleine Frauen/Männer)! Portex™-Tuben-Größenbestimmung nach Roberts et al. (2005), Rüsch®-Tuben-Größenbestimmung adaptiert nach Herstellerangaben. Die Länge des Wendl-Tubus ermittelt man durch das Messen der Distanz zwischen der Nasenspitze und dem Ohrläppchen (➤ Abb. 3.13).
Abb. 3.13 Bestimmung der Länge eines Wendl-Tubus [O1097]
Einlagetechnik Unter idealen Bedingungen wird die Nase vor Einlage eines NPT frei gemacht. Hierzu können abschwellende Nasentropfen verwendet werden. Da diese in der Notfallmedizin aber so gut wie keine Verwendung finden, wird dieser Schritt meist übersprungen. Der Vorteil ist, dass durch ein Abschwellen der Nasenschleimhaut ein größerer Raum geschaffen wird, über den ein größerer Tubus gelegt werden kann. Auch ist die Gefahr von Schleimhautverletzungen und Blutungen reduziert. Vor der Einlage muss der Tubus gleitfähig gemacht werden. Hierzu werden zumeist kommerzielle Gleitmittel mit oder ohne Lokalanästhetika-Zusatz verwendet. Die korrekte Einlage setzt sich aus folgenden Schritten zusammen (➤ Abb. 3.14):
• Nasenspitze leicht nach kranial anheben, um eine bessere Sicht auf den unteren Nasengang zu erhalten (kann bei schlechter Sicht auch ertastet werden). • Tubus senkrecht zum Gesicht in das größere Nasenloch einführen, parallel zum Gaumen durch den unteren Nasengrund (Palatum durum). Nicht entlang des Siebbeins einlegen. Hierbei auf korrekte Platzierung achten! Die abgeschrägte Seite zeigt zum Nasenseptum oder -bogen. • Tubus unter leichten Drehbewegungen vorschieben. • Bei Widerstand abbrechen und eine Einlage im anderen Nasenloch versuchen. • Wenn vorhanden, Sicherung durch bewegliche Scheibe oder Sicherheitsnadel, um ein verrutschen nach vorn zu verhindern.
Abb. 3.14 Einführtechnik und korrekte Lage eines Wendl-Tubus in situ [[O1097]
Info Mythos Kontraindikation zur Einlage eines Wendl-Tubus bei SHT aufgrund Gefahr einer intrazerebralen Platzierung: Es existieren immer noch Aussagen bzw. kontroverse Diskussionen darüber, dass die Einlage eines Wendl-Tubus bei Schädel-Hirn-Trauma, hier v. a. mit begleitenden Gesichtsschädelverletzungen oder Schädelbasisbeteiligung, grundsätzlich kontraindiziert sei. Diese Aussage ist falsch! Die Einlage ist
selbstverständlich auch hier erlaubt, wenn andere Maßnahmen der einfachen Atemwegssicherung (Einlage Guedel-Tubus bei eingeschränkter Mundöffnung etc.) nicht möglich sind. Hier ist eher auf eine korrekte und vorsichtige Einlage zu achten! Definitives Atemwegsmanagement hat oberste Priorität. In Studien der letzten Jahrzehnte über intrazerebral platzierte Wendl-Tuben wird nur über eine verschwindend geringe Fallzahl berichtet (Roberts et al. 2005; Swanson et al. 2016; Ellis et al. 2006; Martin et al. 2004).
Praxistipp • Einlagetechnik: Für die Platzierung im unteren Nasengang bei der Einlage des Wendl-Tubus die Nasenspitze nach kranial ziehen. Bei größeren Widerständen während des Einlageversuchs weiteres „gewaltsames“ Vorschieben unterbrechen. Hier das andere Nasenloch zur Einlage wählen. • Auch nach Einlage eines Wendl-Tubus kann das zusätzliche Freihalten der Atemwege mit z. B. dem Esmarch-Handgriff notwendig sein!
Unterschiedliche Arten von Nasopharyngealtuben Es existieren verschiedene Arten und Formen von Nasopharyngealtuben, die zwar wenig Anwendung in der Notfallmedizin finden bzw. nicht so bekannt sind, aber dennoch genannt werden sollten. Ein Nasopharyngealtubus, der an dieser Stelle besonders erwähnt werden muss, ist ein NPT mit der Möglichkeit einer Sauerstoffapplikation über den Tubus. Besonders nützlich ist diese Option, wenn die Öffnung des Tubus sehr weit aus der Nase herausragt und z. B. zu einem Abknicken des Tubus durch Aufsatz einer O2-Maske führt. Bei entsprechenden Nasopharyngealtuben mit passendem Konnektor bzw. passendem Aufsatz kann auch ein normaler CO2-Adapter zur nichtinvasiven
Kapnografie/-metrie benutzt werden oder Sauerstoff verabreicht werden (➤ Abb. 3.15).
Abb. 3.15 Nasopharyngealtubus mit Möglichkeit der CO2 Messung oder Sauerstoffgabe [M1001]
3.3. Beutel-Masken-Ventilation Matthias Jahn Eine wichtige und grundlegende Fertigkeit im Rahmen des Airwaymanagements zur Ventilation und Oxygenierung ist die Beutel-Masken-Ventilation (BMV, auch BMB = Beutel-Masken-Beatmung). Der erste AmbuBeatmungsbeutel wurde gemeinsam von dem deutschen Ingenieur Holger Hesse und dem Anästhesisten Henning Ruben entwickelt und 1956 auf den Markt gebracht. Dieser sich selbstentfaltende Handbeatmungsbeutel gehört seitdem zum festen Bestandteil in der Notfallmedizin (➤ Abb. 3.16).
Abb. 3.16 Ambu-Originalbeutel 1956 und aktuelles Modell eines Einweg-Beatmungsbeutels [V872] Indikationen zur BMV sind u. a. die Präoxygenierung vor Narkoseeinleitung oder die Notfallbeatmung bei respiratorischer Insuffizienz. In den Reanimationsleitlinien des European Resuscitation Council (ERC) wird für das Airwaymanagement als erste Maßnahme eine Beutel-Masken-Ventilation unabhängig von der Umgebungssituation während einer Reanimation empfohlen (ILCOR-ALS-Arbeitsgruppe). Im Verhältnis zur Anwendung von extraglottischen Atemwegssicherungen (EGA) oder auch zur Intubation (ITN) im Rahmen der Reanimation (Out-of-Hospital Cardiac Arrest, OHCA) zeigen sich in Studien keine schlechteren Ergebnisse bezüglich Überleben und neurologischem Ergebnis (Carney et al. 2002; Murali et al. 2019). Allerdings gibt es hierzu kontroverse Diskussionen, Ansichten und Empfehlungen sowie diverse unterschiedliche Studien. Aufgrund der hohen Heterogenität der Erkrankungen des Patienten existieren für das gesamte Atemwegsmanagement nahezu keine randomisierten prähospitalen Studien gemäß Level 1 oder 2. Die S1-Leitlinie „Prähospitales Atemwegsmanagement“ empfiehlt, aufgrund von oft schwierigen prähospitalen Bedingungen zunächst die Indikationsstellung zur invasiven Atemwegssicherung zu überprüfen. Obligat sei hier die adäquate Präoxygenierung mit höchstmöglicher inspiratorischer O2Konzentration vor invasiver Atemwegssicherung bei spontan atmenden Patienten. Bei der Beatmung von pädiatrischen Patienten wird eine Maskenbeatmung als primäre Technik empfohlen. Die Ausbildung der kompletten Techniken einer Atemwegssicherung soll am Patienten erfolgen. Leider sind immer weniger Anwender darin trainiert bzw.
geschult, diese eigentlich einfache, effektive und v. a. nichtinvasive Maßnahme durchzuführen. Daraus resultieren Schwierigkeiten und Anwendungsfehler. Medizinisches Fachpersonal ist häufig überzeugt, diese Maßnahme selbst sicher zu beherrschen, und sieht keinerlei Erfordernis für ein Training im Umgang mit der BMV. Die BMV sollte als Rückfallebene immer berücksichtigt werden, wenn es zu Komplikationen bei z. B. einem erschwerten Atemweg kommt. Es ist daher essenziell, diese Maßnahme zu beherrschen und darauf vorbereitet zu sein, um eine garantierte Oxygenierung des Patienten zu gewährleisten. Vor allem bei besonderen Patientengruppen wie z. B. Übergewichtigen, Zahnlosen oder Bartträgern kann diese Maßnahme schnell zu einer Herausforderung werden. Eine einfache BMV hat einen wesentlichen Vorteil: Der „Druck“ zur Intubation und die Angst vor z. B. der Laryngoskopie und womöglich erschwertem Atemweg kann genommen werden. Es gibt keine relative oder absolute Kontraindikation und ein Beatmungsbeutel ist immer da, reduziert Stress und verschafft Zeit! Dies gilt v. a. bei Komplikationen im Rahmen des Airwaymanagements. Merke Das Gehirn benötigt Sauerstoff, nicht unbedingt einen Tubus! Die BMV stellt z. B. eine überbrückende Maßnahme zur Assistenz einer insuffizienten Spontanatmung (assistierte Beatmung) oder bei Apnoe (kontrollierte Beatmung) bis zur Schaffung eines definitiven Atemwegs dar. Die Möglichkeit einer Oxygenierung und Ventilation des Patienten mithilfe der BMV eliminiert die „Cannot oxyginate“-Situation im Rahmen einer „Cannot intubate, cannot oxyginate“-Situation. Der Patient stirbt (fast) nie an der unterlassenden Intubation, aber (fast) immer an der unterlassenden Beatmung! Merke Indikationen für eine Beutel-Masken-Ventilation: • Kardiopulmonale Reanimation
• Notfallbeatmung bei respiratorischer Ateminsuffizienz (z. B. iatrogene Medikamentenüberdosierung, Intoxikation) • Beatmung bei kurzen Interventionen • Hyperkapnisches Atemversagen • Präoxygenierung und/oder Oxygenierung als Interimslösung bis zur definitiven Atemwegssicherung (z. B. endotracheale Intubation) • Nach gescheitertem Intubationserfolg als Übergangslösung bis zum Ergreifen weiterer Maßnahmen • Andere Maßnahmen und Techniken sind frustran
Eine erfolgreiche Beutel-Masken-Ventilation beruht auf folgenden wesentlichen Faktoren: • Freier Atemweg • Adäquater Maskensitz • Korrekte bzw. ausreichende BMV • Fertigkeit und Training! Aufgrund der Unerfahrenheit und v. a. mangelndem praktischem Training ist die BMV häufig insuffizient. Wie zu Anfang beschrieben müssen für eine gut funktionierende BMV wichtige Basismanöver wie z. B. der „Chin Lift“ beherrscht werden, um den Atemweg offen zu halten. Auch ein korrekter Maskensitz erfordert Kenntnisse über verschiedene Maskenarten, aber auch die anatomischen Verhältnisse des Patienten. Nur mit einem guten Maskensitz funktioniert eine erfolgreiche BMV. Nicht bei jedem Patienten ist eine Beatmung problemlos möglich. Eine Thoraxrigidität verursacht durch z. B. Opiate oder ein hoher Muskeltonus (unzureichende Narkosetiefe/keine Muskelrelaxation) können hier eine Herausforderung darstellen. Prädiktoren für eine schwierige/unmögliche Maskenbeatmung sind:
• Alter > 55 Jahre • Männliches Geschlecht • Traumata der oberen Atemwege, ggf. mit Blutung • Narben, Tumoren im Gesicht • Bestrahlung oder Tumor im Bereich der Halsregion • Pathologische Veränderungen von Pharynx, Larynx und Trachea • Entzündungen oder Verletzungen von Lippe und Gesicht • Schwellungen in den oberen Atemwegen (Angioödem, Epiglottitis, Anaphylaxie) • Adipositas (BMI > 30 kg/m2) • Schnarch-Anamnese bzw. Schlafapnoesyndrom • Mallampati-Grad III oder IV • Deutlich eingeschränkte Beweglichkeit (Protrusion) des Unterkiefers • Thyreomentaler Abstand < 6 cm • Makroglossie und andere pathologische Zungenveränderungen • Zahnlosigkeit, desolater Zahnstatus • Schwangerschaft im 3. Trimenon • Vollbart Merkhilfen für mögliche Schwierigkeiten bei der BMV Akronym: ROMAN Im Bereich der BMV, der insbesondere bei nicht geglückter Intubation eine große Bedeutung als Rückfallebene zukommt, hat sich das Akronym ROMAN bei erschwerter BMV etabliert. • R – Radiation/Restriction Studien haben gezeigt, dass sich bei Patienten nach einer Bestrahlung des Halses bzw. der Halswirbelsäule signifikant häufig eine erschwerte BMV ergibt. Der Begriff der Restriction bezieht sich auf Patienten, die zur Beatmung erhöhte Atemwegsdrücke benötigen. Hier sind sowohl Patienten mit einer restriktiven Atemwegsstörung als auch Patienten, die an einer
Obstruktion der Atemwege, wie z. B. bei der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung oder dem Asthma bronchiale leiden, zu bedenken. • O – Obesity/Obstruction/Obstruktives Schlafapnoesyndrom Dieser Punkt wird auch oft als die drei „Os“ bezeichnet und bezieht sich auf Patienten mit einem Body-Mass-Index über 26 kg/m2, Schwangere im 3. Trimenon und Patienten, die an einem obstruktiven Schlafapnoesyndrom leiden. Bei adipösen Patienten kann es schwierig sein, die Maske adäquat abzudichten, und zusätzlich muss die Beatmung gegen den Widerstand der Körpermasse durchgeführt werden. Aus diesem Grund kommt es häufig zu einem höheren Atemwegswiderstand insbesondere in den oberen Luftwegen. Bei schwangeren Patientinnen im 3. Trimenon drückt der Uterus gegen das Zwerchfell und erschwert so die Ventilation mittels Beutelmaske. Das obstruktive Schlafapnoesyndrom steht für eine Erhöhung der Atemwegswiderstände durch eine Erkrankung oder Verletzung, wie z. B. einer Schwellung oder einem Fremdkörper im Mund-Rachen-Raum. • M – Maske/Mallampati/männliches Geschlecht Der Buchstabe „M“ im Akronym steht für Probleme, die dazu führen, dass sich die Maske nicht abdichten lässt und so eine effiziente Beatmung erschwert wird. Hierzu gehören z. B. voluminöse und dichte Bärte, Blutungen, Verunreinigungen nach Traumata oder auch Frakturen bzw. Schädigungen im Bereich des Mittelgesichts und Kiefers. Ebenso ist eine BMV bei Männern und bei einem Mallampati-Score von III oder IV häufig erschwert. • A – Age Das Alter kann bei einer BMV ebenfalls eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen, da insbesondere im Alter die Spannung in den Muskeln und Geweben des oberen Atemwegs nachlassen kann. Prinzipiell wird davon ausgegangen, dass ab einem Alter von 55 Jahren mit einer erschwerten BMV gerechnet werden muss. • N – No Teeth Bei Patienten, deren Zahnstatus mit einer Vollprothese versorgt wurde, kann es sein, dass es Schwierigkeiten mit dem Abdichten der
Beatmungsmaske gibt und Undichtigkeiten auftreten, was eine effektive Oxygenierung verschlechtern kann. Merke Das ROMAN-Schema kann dabei unterstützen, bereits im Vorfeld die Gefahr einer erschwerten BMV zu erkennen, und gibt dem Anwender die Möglichkeit, sich auf eine mögliche Komplikation vorzubereiten. Die wichtigsten Hinweise im ROMAN-Schema sind: • Bart • Hoher BMI • Alter > 55 Jahre • Zahnlose Patienten • Schnarchen in der Vorgeschichte
Akronym: MASKE Das Akronym MASKE kann als weitere Merkhilfe dienen, um mögliche Schwierigkeiten bei der BMV abzuschätzen (➤ Tab. 3.4).
Tab. 3.4
Merkhilfe MASKE für mögliche Schwierigkeiten bei der Beutel-
Masken-Ventilation Problem
Ursachen
Maske ist schwierig abzudichten
Bartträger, Kiefer-/Gesichtsschädelfrakturen oder Verletzungen von Lippe und Gesicht, Narben oder Tumoren im Gesicht
Alte Menschen
Kiefergelenksarthrose, anatomische Veränderungen
Stridor, Schnarcher
Obstruierte Atemwege, chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD)
Keine Zähne
Hier: Gut sitzende Prothesen belassen!
Erhöhtes Körpergewicht
Hohe Beatmungsdrücke erforderlich
In ➤ Tab. 3.5 sind weitere gängige Merkhilfen der wichtigsten Faktoren, die eine BMV erschweren, zusammengefasst. Tab. 3.5
Überblick über gebräuchliche Merkhilfen als Prädiktor für schwierige
BMV ROMAN
MOANS
BONES
Radiation
Mask Seal
Beard
Obesity/Obstruction
Obesity
Obese
Mask Seal/ Mallampati/ Male
Age (elderly)
No teeth
Age > 55
No teeth
Elderly
No teeth
Stiffness
Sleep Apnea/ Snoring
Achtung Eine erschwerte BMV ist bei folgenden Voraussetzungen zu erwarten: • Dichte und buschige Bärte • Verunreinigungen oder Fremdkörper im Bereich des Gesichtsschädels • Blutungen • Frakturen im Bereich des Gesichtsschädels • Mallampati-Score von III oder IV • Männliches Geschlecht Patienten, die im Bereich des Halses eine Strahlentherapie erhalten haben lassen sich regelhaft schlecht mittels Beutel-Maske oxygenieren.
Merke Jeder Patient, auch unter schwierigen Verhältnissen (Übergewicht, Zahnlos, Bartträger, etc.), kann im Prinzip (minimal) beatmet werden, wenn folgende Standardmaßnahmen beachtet werden: • Verwendung eines Guedel-Tubus (OPT) oder Nasopharyngealtubus (NPT) • Reklination • Esmarch-Handgriff • Verbesserte Jackson-Position
3.3.1. Beatmungsbeutel und Maskenarten Beatmungsbeutel Auf dem Markt existieren verschiedene Beatmungsbeutel. In der Notfallmedizin haben in vielen Bereichen Einwegbeutel die „Mehrwegbeutel“ abgelöst.
Unterschiedliche Größen und Modelle abhängig von der Patientenklientel und den gewünschten Atemhubvolumina stehen zur Verfügung (➤ Abb. 3.17).
Abb. 3.17 Verschiedene Größen von Beatmungsbeuteln für Neugeborene, (Klein-)Kinder und Erwachsene [O1097] Drei Modelle von Beatmungsbeuteln werden hierbei unterschieden: • Beatmungsbeutel für Neugeborene • Beatmungsbeutel für Säuglinge und Kleinkinder/Kinder • Beatmungsbeutel für Erwachsene Kommerzielle Beatmungsbeutel für Säuglinge, Kleinkinder und Erwachsene werden zumeist mit einem Reservoirbeutel geliefert, der am Beutel angeschlossen wird. Wann immer vorhanden, sollte solch ein System angeschlossen sein. Sauerstoffflussraten von 15 l O2/min gewährleisten bei der
Verwendung eines Reservoirbeutels aufgrund des hohen inspiratorischen Sauerstoffanteils eine bessere Oxygenierung. Auch Leckagen bzw. Undichtigkeiten bei schlecht sitzenden Gesichtsmasken werden durch die hohen Flussraten kompensiert. Beatmungsbeutel ohne solche Zusatzeinrichtungen gewährleisten nur eine FiO2 von 0,21 %. Um eine FiO2 von 1,0 zu realisieren, wird in der S1-Leitlinie „Prähospitales Atemwegsmanagement“die Verwendung eines Demandventils empfohlen. Erwachsenen-Beatmungsbeutel Der Erwachsenen-Beatmungsbeutel ist für Erwachsene und Kinder ab 3 Jahren bzw. über 15 kg Körpergewicht geeignet. Der Beutel wird zur Abgabe von Hubvolumina nur mit einer Hand bedient. Hierbei werden Hubvolumina von 400–500 ml gut erreicht. Das Auspressen durch vorsichtiges Abstützen an einem Widerlager (z. B. Oberschenkel) oder mit zwei Händen ist nicht unumstritten. Es besteht die Gefahr, dass der Patient mit zu viel Volumen beatmet wird und ein zu hoher Atemwegsdruck erzeugt wird. Dies kann sich negativ auf die Lunge auswirken (➤ Abb. 3.18). Zur Vermeidung von zu hohen Beatmungsdrücken oder zu schnellen Beatmungsfrequenzen können spezielle kommerziell erhältliche Beatmungsbeutel mithilfe von integrierten Manometern z. B. die Beatmungsfrequenz oder Beatmungsdrücke visualisieren.
Abb. 3.18 Erwachsenen-Beatmungsbeutel, exemplarisch gefüllt mit 500 ml Flüssigkeit für das Hubvolumen, welches völlig ausreicht zur Beatmung eines Erwachsenen [O1097]
Merke Durch Leckagen kann sich das Hubvolumen auf bis zu 40 % reduzieren. Beatmungsbeutel für Neugeborene, Säuglinge, (Klein-)Kinder (Klein-)Kinder oder Säuglinge benötigen wesentlich geringere Atemhubvolumina. Hier reichen die im Fachhandel erhältlichen „KinderBeatmungsbeutel“ vollkommen aus. Wie beim Erwachsenen gilt auch hier ein Atemhubvolumen von 6 ml/kg ideales Körpergewicht. Für Neugeborene sind spezielle Beatmungsbeutel mit einem Reservoirschlauch erhältlich und sollten nur für diese Patientengruppe verwendet werden. Der Reservoirschlauch wird am Beuteleinlassventil aufgesetzt und von zugeführtem Sauerstoff durchströmt.
Eine hohe FiO2-Konzentration ist mit dem Reservoirschlauch möglich, da dieser ein größeres Volumen als der Beatmungsbeutel hat und sich deshalb mit Sauerstoff füllt. Beatmungsbeutel für Neugeborene und Kinder sind in der Regel mit einem Druckbegrenzungsventil ausgestattet, das den Beatmungsdruck auf maximal 40 cmH2O begrenzt. Zu hohe Drücke bei der Beatmung werden hierbei vermieden (Gefahr Pneumothorax). Es sind auch spezielle Einwegmanometer für Früh- und Neugeborene erhältlich, die anhand einer Farbskala die Beatmungsdrücke anzeigen bzw. messen. Eine Schädigung des empfindlichen Lungengewebes wird dadurch vermieden. Info Kleinere Atemhubvolumina können auch mit Erwachsenenbeuteln erreicht werden, wenn kein passender Beatmungsbeutel für Kinder zur Hand ist. Hier ist auf vorsichtige Atemhubvolumina zu achten! Beutel nicht mit der ganzen Hand komprimieren, sondern nur vorsichtig mit zwei oder drei Fingern.
Achtung Falsche Größe des Beatmungsbeutels In der Praxis ist nicht selten festzustellen, dass im Stress eine Beatmung etwa bei Kleinkindern mit einem Beatmungsbeutel für Neugeborene durchgeführt wird. Hier können passende Atemhubvolumina nicht erreicht werden und es wird dadurch hyperventiliert. Deshalb auf passende Beatmungsbeutel achten! Zu hohe Beatmungsdrücke bei Neugeborenen und Säuglingen Durch unsachgemäße Beutelbeatmung des Neugeborenen kann durch zu hohe Drücke ein Pneumothorax entstehen. Daher möglichst einen Beatmungsbeutel mit Druckbegrenzung wählen (➤ Tab. 3.6).
Tab. 3.6
Spezifikationen Beatmungsbeutel am Beispiel Ambu® Spur® II der
Firma Ambu Neugeborene
Kinder
Erwachsene
Beatmungsbeutelvolumen
Etwa 234 ml
Etwa 683 ml
Etwa 1547 ml
Zugeführtes Volumen einhändig
150 ml
450 ml
600 ml
Zugeführtes Volumen zweihändig
-
-
1000 ml
Druckbegrenzungsventil
40 cmH20
40 cmH20
40 cmH20
Totraumvolumen
≤ 5 ml + 10 % des zugeführten Volumens
Reservoirvolumen
Etwa 300 ml (Beutel)/etwa 100 ml (Schlauch)
Etwa 2600 ml (Beutel)
Etwa 2600 ml (Beutel)
Maskenarten Für die Gesichtsmaskenbeatmung gibt es mittlerweile eine große Bandbreite unterschiedlicher individueller Maskenarten. Diese werden im Folgenden genauer beschrieben. Durch die Verwendung von Masken mit z. B. abdichtendem Luftwulst (Cuff) wird der Totraum unter der Maske minimiert. Auch die Abdichtung an Mund und Nase gelingt mit solchen Masken deutlich besser. Um frühzeitig eine mögliche Regurgitation von z. B. Erbrochenem oder Blut zu erkennen, eignen sich durchsichtige Masken. Für Erwachsene sind Masken in der Regel in den Größen von 4–7 erhältlich. Kindermasken sind bei den meisten Herstellern in den Größen 1–4 verfügbar. Normale Gesichtsmaske
Normale Gesichtsmasken sind die gängigen Masken zur Beatmung von Patienten (➤ Abb. 3.19). Die Form ist anatomisch angepasst und mit oder ohne Cufffüllventil erhältlich. Der Maskendom bietet genügend Platz für Mund und Nase auch bei Druck auf die Gesichtsmaske. Gesichtsmasken verschiedener Hersteller sind auch mit einem sog. Hakenring für CPAP/NIV (Befestigung einer „Gurtspinne“) erhältlich. Mittlerweile bieten Hersteller wie z. B. Ambu® auch Aromamasken in verschiedenen Varianten an (Erdbeere, Bubblegum …). Die Maske „Sweet Dreams™“ der Firma Ambu® setzt auch ein natürliches und beruhigendes Aroma frei.
Abb. 3.19 Normale Gesichtsmasken in verschiedenen Größen [G1255]
Rundmasken Rundmasken (rundlicher Maskencuff) für Neugeborene und Kleinkinder sind ebenfalls erhältlich (➤ Abb. 3.20). Die kleinere Gesichtsanatomie macht die Beatmung mit dieser besonderen Maskenform möglich.
Abb. 3.20 Rundmasken [M582]
Open-Cuff-Gesichtsmaske Diese Maskenart hat einen transparenten Maskendom und dient der visuellen Kontrolle von Blutungen, Erbrochenem und Spontanatmung (➤ Abb. 3.21). Der weiche und anatomisch geformte Cuff (ähnlich wie die Rendell-Baker-Maske) bietet eine gute Passform bei Kindern sowie Erwachsenen.
Abb. 3.21 Einweg-Open-Cuff-Gesichtsmaske [V872]
Rendell-Baker-Maske Rendall-Baker-Masken sind in der Notfallmedizin eher selten zu finden (➤ Abb. 3.22). Diese Maskenart ist anatomisch besonders angepasst und enthält keinen Luftwulst” bzw. Cuff. Diese Maskenart wird bei der Beatmung von Kleinkindern eingesetzt. Der Vorteil liegt hier im sehr geringen Totraum.
Abb. 3.22 Rendell-Baker-Maske [M582]
Seal-Easy-Beatmungskissenmaske Weniger bekannt ist im europäischen Raum die sog. Seal-EasyBeatmunsgskissenmaske (➤ Abb. 3.23). Diese Maskenart besteht nur aus einem kreisförmigen Cuff, der nur teilweise gefüllt ist. Diese Maskenart ist praktisch für jede Gesichtsform geeignet und passt sich auch Bartträgern oder zahnlosen Patienten an. Einige Masken besitzen ein „Mundstück“ und die Beatmung findet nur über den Mund statt. Die Nase wird hierbei durch das Maskenkissen abgedichtet.
Abb. 3.23 Seal-Easy-Kissenmaske [O1097]
3.3.2. Beutelposition und Techniken zur Handhabung – der Schlüssel zum Erfolg Bei der BMV gilt es, die Beatmung durch eine gute Technik erfolgreich durchzuführen und Komplikationen zu vermeiden. Durch eine nicht sachgemäße Anwendung, und diese kann im Stress rasch passieren, kann es durch zu hohe Beatmungsdrücke schnell zu einer Überblähung des Magens (gastrale Luftinsufflation) kommen. Eine Regurgitation und Aspiration wird dadurch begünstigt. Der Abfall des unteren Ösophagusverschlussdrucks und der Lungencompliance bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand begünstigt diese Gefahr z. B. im Rahmen einer kardiopulmonalen Reanimation (CPR). Eine Mehrbelüftung des Magens führt auch zu einer zunehmenden Minderbelüftung der Lungen. Eine exzessive Magenüberblähung kann im Extremfall auch zu einem verminderten venösen Rückstrom mit konsekutiver negativer Auswirkung auf die Hämodynamik führen. Auch die korrekte bzw. angepasste Lagerung des
Patienten spielt bei der BMV eine wesentliche Rolle und muss zwingend beachtet werden. Mögliche Komplikationen bei der Beutel-Masken-Ventilation: • Frustrane oder unzureichende Ventilation durch falsche Technik (Lagerung etc.) • Akzidentelle Hyperventilation mit Abfall von CO2 und Verminderung des venösen Rückstroms • Schlechte Maskenabdichtung bei Einhandtechniken wie z. B. dem CEGriff • Gastrale Insufflation, Aspiration • Verminderung des venösen Rückstroms durch exzessive Magenbeatmung • Klaustrophobie bei assistierter Beatmung • Ventildysfunktion und erhöhter Widerstand während der Expiration durch Sekrete • Erhöhtes Risiko für ein Barotrauma, falls die Druckbegrenzung geschlossen ist (fehlende Beurteilung der Lungencompliance bei Selfinflating Bags) • Bei unzureichend eingestellter Flussrate bei Beatmungsbeuteln mit Reservoir kann ein hohes FiO2 nicht erreicht werden Ein häufig beobachtetes Phänomen ist während einer BMV die Überventilation aufgrund zu hoher Beatmungsfrequenzen. Hierbei werden nicht selten Atemfrequenzen bis zu 40/min erreicht. In einer einfach verblindeten randomisierten Studie zeigten Vogt et al. auf, dass im Gegensatz zu einer BVM die Beatmungsfrequenzen durch erweitertes Atemwegsmanagement (LT, ET) wesentlich höher waren und die Aufrechterhaltung der guidelinekonformen Ventilationen im Rahmen der CPR niedriger waren. Eine zu hohe Verabreichung des Atemminutenvolumens führt, wie bereits weiter oben beschrieben, bei z. B. einem Schädel-Hirntrauma oder einer CPR durch die Verminderung des venösen Rückstroms zu einem niedrigen Blutfluss mit den dadurch resultierenden negativen Folgen. Es gilt der Merkspruch: „over ventilation kills“. Atemzugvolumina von 400–500 ml (6 ml/kg KG) sollten angestrebt werden. Beatmungsbeutel mit einem niedrigeren Gesamtvolumen (z. B.
pädiatrischer Beatmungsbeutel) können hierbei einer akzidentellen Hyperventilation vorbeugen. Es ist eine Normoventilation anzustreben. Um die Oxygenierung vor Narkoseeinleitung bei Patienten zu verbessern, bei denen eine Präoxygenierung mit Standardmaßnahmen nicht ausreicht, kann ein konnektiertes PEEP-Ventil nützlich sein. Eine Titration sollte hier von 5–15 cmH2O erfolgen. Höhere Einstellungen können den unteren Ösophagussphinkter mit der Gefahr der gastralen Insufflation und Regurgitation öffnen. Diese Komplikation kann vermieden werden, indem eine Magensonde zur Dekompression des Magens gelegt werden. Praxistipp • Bei einer prolongierten oder einer schlecht durchgeführten BMV muss zwingend an eine gastrale Insufflation mit „Luft“ gedacht werden. Es besteht die Gefahr der Regurgitation und Aspiration. Hier sollte an eine Dekompression des Magens via Magensonde gedacht werden. • Eine gute Alternative zur Limitierung des Beatmungsspitzendrucks sind Beatmungsbeutel mit einer Spitzendruckbegrenzung.
3.3.3. Maskenpositionen und Fixierung der Maske Für die Maskenbeatmung gibt es mehrere unterschiedliche Techniken der Handhabung. Die gebräuchlichsten Einhelfer- und Zweihelfertechniken werden hier im Verlauf beschrieben. Sobald der Atemweg offen ist, wird bei der BMV die Maske auf dem Gesicht platziert und abgedichtet. Optimalerweise geschieht dies „ohne“ einen konnektierten Beatmungsbeutel. Ohne dieses zusätzliche „Gewicht“ (Abkippen der Maske) wird eine gute Maskenposition gewährleistet. Generell ist die Dichtigkeit zwischen der Maske und dem Gesicht seitlich oberhalb des Unterkiefers und der oberen Wangenstrukturen beeinträchtigt und Leckagen werden begünstigt. Deshalb ist ein gutes Abdichten der Maske durch verschiedene Techniken zu gewährleisten.
Der Cuff der Maske sollte auf folgenden Strukturen sitzen bzw. diese abdichten: • Nasenrücken • Gesichtsstrukturen des Oberkiefers (Maxilla) • Zähne des Ober- und Unterkiefers (Mandibula) • Anteriore Strukturen des Unterkiefers • Furche zwischen Kinn und Alveolarkamm (Alveolarfortsatz) des Unterkiefers So ist sichergestellt, dass Mund und Nase durch die Maske abgedichtet werden und der Cuff auf den knöchernen Strukturen des Gesichtes liegt. Besonders bei zahnlosen Patienten ist dies ein Problem, da die weichen Strukturen der Wange nicht mehr durch die Knochen von Ober-/Unterkiefer gestützt werden. Bei dieser Patientenklientel sollten vorhandene Zahnprothesen belassen werden um einen adäquaten Maskensitz während der BMV zu gewährleisten. Fehlende Zahnprothesen können z. B. durch „aufgerollte“ Kompressen ersetzt werden. Wichtig ist, dass bei allen angewendeten Techniken der Zug am Unterkiefer stärker sein muss als der Druck von oben, da es sonst zu einem Verschluss der oberen Atemwege kommt. Das Gesicht muss in die Maske gezogen werden und nicht die Maske auf das Gesicht gedrückt werden. Dies gilt v. a. für die pädiatrischen Patienten (Gefahr von Verlegung der Atemwege, Vagusreizung oder Augenbulbus-Verletzung). Achtung Nicht die Hände oder die Maske auf die Augenbulbi platzieren oder drücken. Dies kann zu Verletzungen der Augen führen oder eine vagale Reaktion auslösen.
Einhandtechniken C-Griff/CE-Griff
Der gebräuchlichste Handgriff ist der sog. C-Griff bzw. CE-Griff (im Englischen auch „OK“- oder EC-Griff) Standard bei der Durchführung einer Maskenbeatmung (➤ Abb. 3.24). Die Maske wird von der Nase her dicht auf das Gesicht aufgepresst. Daumen und Zeigefinger der linken Hand umschließen den Maskenansatz und bilden ein „C“. Der kleine Finger liegt im Kieferwinkel und die übrigen Finger (Ring- und Mittelfinger) liegen auf dem Corpus mandibulae („E“). Mithilfe dieser Fingerposition wird der Unterkiefer nach oben gezogen. Durch diese Technik wird eine einhändige Fixierung der Maske gewährleistet und die andere Hand bleibt frei für die Applikation eines Atemhubs.
Abb. 3.24 Einhandtechniken [O1097] a) C-Griff bzw. CE-Griff b) TGriff (Beutel um 90° gedreht)
T-Griff Eine weitere Möglichkeit, die Maskenposition zu optimieren, ist der sog. T-Griff (➤ Abb. 3.24b). Der Beutel wird in Längsrichtung gedreht und damit ein „Kippen“ des Beatmungsbeutels mit der Maske verhindert. Zweihandtechniken Eine Einhelfermethode ist selbstverständlich möglich, aber eine Zweihelfermethode ist wesentlich einfacher durchzuführen. Vor allem der korrekte Sitz der Maske kann hierbei durch einen zweiten Helfer wesentlich
effizienter mithilfe der Zweihandtechnik erreicht werden. An eine Zweihandtechnik (2 Personen) sollte – wann immer möglich – auch gedacht werden, wenn eine Beatmung mittels C-Griff nicht möglich ist. Ein Nachteil dieser Technik ist, dass beide Hände gebunden sind und ein zweiter Helfer oder ein Beatmungsgerät benötigt wird, um den Atemhub abzugeben. Doppelter C-Griff Der doppelte C-Griff ist eine Möglichkeit, die Maske bei einer erschwerten Beatmung besser abzudichten (➤ Abb. 3.25). Ein zweiter Helfer konzentriert sich dabei nur auf das Abdichten der Maske mithilfe des doppelten C-Griffs. Hier wird mit dem Daumen und dem Zeigefinger beider Hände die Maske umgriffen. Die übrigen Finger beider Hände ziehen den Unterkiefer nach oben.
Abb. 3.25 Doppelter C-Griff [O1097] Durch diesen Handgriff kann der Druck auf die Maske von oben besser durchgeführt werden, was zu einer besseren Abdichtung der Maske führt. Die
Wangen können noch zusätzlich mit den Handinnenflächen in die Maske geschoben werden. VE-Griff, Thenar Eminence Grip Bei dieser modifizierten Technik liegen die Daumen auf dem Maskenrand. Die übrigen Finger liegen im Kieferwinkel (d. h. mehr Kraft) und ziehen die Mandibula nach oben. Durch diese Grifftechnik kann mit den Daumenballen die Maske besser auf dem Gesicht abgedichtet werden. Der Vorteil dieser Technik liegt in der Verabreichung größerer Atemhubvolumina durch eine bessere Abdichtung der Maske und ist besonders für übergewichtige Patienten geeignet. Zudem ist dieser Griff verglichen mit anderen Techniken weniger ermüdend. Wenn es die klinischen Umstände erfordern, kann der VE-Griff auch von „vorn“ bzw. umgedreht („thumbs pointed cephalad“) angewendet werden. Auch bei sitzenden Patienten ist diese Technik eine gute Methode (➤ Abb. 3.26). Bei enorm erschwerter Beatmung kann diese Technik auch stehend auf einem Stuhl oder herabgelassener Trage und mit ausgestreckten Armen angewendet werden. Hierdurch kann der Jaw Thrust „robuster“ durchgeführt werden
Abb. 3.26 VE-Griff bzw. TE-Griff [O1097] a) Konventioneller TEGriff (Druck mit Daumenballen auf Gesicht, restliche Finger ziehen Unterkiefer nach oben b) TE-Griff von vorn seitlich stehend c) Modifizierter TE-Griff (Druck auf Maske durch Daumen [fetter Pfeil], Druck nach unten durch Daumenballen, Zug Unterkiefer nach oben durch die restlichen Finger, besonders die Zeigefinger)
Falls unter bestimmten Umständen und schlechtem Maskensitz allein beatmet werden muss, kann der VE-Griff auch angewendet werden. Hierbei werden Hubvolumina durch Zusammenpressen des Beutels zwischen dem Ellenbogen und seitlichem Torso (falls stehend) oder zwischen den Knien (falls kniend) verabreicht. Der VE-Griff kann auch in einer modifizierten Variante (➤ Abb. 3.26c) durchgeführt werden. Dabei wird zusätzlich mit dem Daumen Druck auf die Maske ausgeübt. Die restlichen Finger, besonders die Zeigefinger (mehr Kraft), ziehen hier den Unterkiefer nach oben. Der VE-Griff führt im Gegensatz zum CE-Griff zu einer deutlich höheren Erfolgsrate mit größerem Tidalvolumen. Bei der Beatmung von übergewichtigen Patienten sollte diese Technik bevorzugt werden. In Studien hat sich herausgestellt, dass besonders der modifizierte VEGriff bzw. TE-Griff im Gegensatz zum einfachen VE-Griff bei unerwartet schwierigem Atemweg einfacher anzuwenden ist und eine deutlich höhere Rate einer suffizienten Beatmung sicherstellt Weitere Möglichkeiten zur Verbesserung des Maskensitzes Eine weitere Möglichkeit für einen besseren Maskensitz ist das Auseinanderspreizen des Cuffs (➤ Abb. 3.27c).
Abb. 3.27 Besserer Maskensitz [O1097] a) Veränderung der Maskenposition bei zahnlosen Patienten (sog. Lippenposition) b) Verwendung von Frischhaltefolie bei Bartträgern während BMV c) Auseinanderspreizen der Maske Zur Verbesserung des Maskensitzes bei z. B. zahnlosen Patienten gibt es verschiedene Techniken. Wenn möglich sollten Prothesen belassen werden. Bei
fehlenden Prothesen können auch aufgerollte Kompressen als Ersatz in die Wangen eingelegt werden. Die Maskenposition bei zahnlosen Patienten kann – wie in (➤ Abb. 3.27a) dargestellt – einfach verändert werden (Lippenposition). Bei Bartträgern (Vollbart) ist der Maskensitz ebenfalls deutlich erschwert. Eine Möglichkeit ist, den Kopf (ca. 4- bis 5-mal) mit Frischhaltefolie zu umwickeln (➤ Abb. 3.27b). Mund und Nase werden anschließend frei gelegt. Mit dieser Methode ist es möglich, die Maske bei Vollbartträgern perfekt abzudichten (cave: off label use). Weitere Möglichkeiten sind der Einsatz von z. B. Vaseline oder wasserlöslichem Gleitgel, um das Barthaar zu glätten.
3.3.4. Die optimale Beutel-Masken-Ventilation Gibt es überhaupt eine optimale Beutel-Masken-Ventilation? Eine „optimale“ BMV funktioniert nur mit einer guten Technik. Hierzu gehören ein freier Atemweg („fully open airway“), dichter Maskensitz („tight mask seal“), ausreichendes Hubvolumen mit ggf. PEEP zur Verbesserung der Oxygenierung („deliver appropiate volume“) und selbstverständlich die Überwachung des Patienten (SpO2 und CO2). Eine gastrale Luftinsufflation sollte – wie weiter oben bereits beschrieben – durch zu hohe Beatmungsdrücke (> 15–20 mbar) vermieden werden, da dies dem Verschlussdruck des unteren Ösophagussphinkters entspricht. Eine erfolgreiche BMV ist gekennzeichnet durch sichtbare Thoraxexkursionen, (hörbares) Entweichen von Luft und positiver endtidaler CO2-Messung (Kapnometrie/-grafie). Eine deutlich einfachere Handhabung der BMV und Abdichtung der Maske gelingt, wenn ein Verlängerungsschlauch bzw. Faltenschlauch („Gänsegurgel“) verwendet wird (➤ Abb. 3.29). Hierdurch wird eine Hebelwirkung durch das starre Konstrukt von Beutel, Filter und Maske vermieden und das Abdichten der Maske gelingt wesentlich einfacher. Bei einer erschwerten oder unmöglichen Maskenbeatmung aufgrund anatomischer oder pathophysiologischer Gegebenheiten sollten folgende Maßnahmen ergriffen werden: • Kopfposition optimieren • Zweihandtechniken (z. B. doppelter C-Griff) anwenden
• Kopf reklinieren (cave: HWS-Verletzung) • Einlage eines Oro- oder Nasopharyngealtubus bzw. Einlage von zwei Nasopharyngealtuben und einem Oropharyngealtubus (➤ Abb. 3.28)
Abb. 3.28 Nutzung von zwei Nasopharyngealtuben und einem Oropharyngealtubus zur Optimierung der BMV [O1097]
Info Mit einem Verlängerungsschlauch („Gänsegurgel“) wird die starre Verbindung von Beatmungsbeutel, Filter und Maske, die zu einer Hebelwirkung führen kann, deutlich verbessert. Die Handhabung ist dadurch erheblich erleichtert und führt zu einer wesentlich besseren Abdichtung mit daraus resultierenden höheren Atemhubvolumina und geringeren Leckagen. Auch die Komprimierung des Beutels aufgrund der angenehmeren Handhaltung (z. B. Ablage auf dem Oberschenkel) ist deutlich einfacher. Zudem kann ein zweiter
Helfer bei der Beatmung unterstützen (➤ Abb. 3.29). Einziger Nachteil ist die Vergrößerung des Totraumvolumens.
Abb. 3.29 Die Verwendung einer Verlängerung („Gänsegurgel“) während der BMV führt zu weniger Leckage und erleichtert deutlich die Handhabung des Beatmungsbeutels. [O1097] Mögliche Probleme während der Beatmung: • Verwendung von zu großen oder zu kleinen Masken: Es ist darauf zu achten, dass die Spitze der Maske auf dem Nasenrücken aufliegt. Die Basis der Maske liegt in der Vertiefung zwischen Unterlippe und dem Kinn (Kinn-Lippen-Rinne). • Mangelnde Kopfüberstreckung bzw. fehlendes Freihalten der Atemwege während der Beatmung.
• Druck auf Mundboden: Nur knöcherne Strukturen des Unterkiefers fassen. • Mangelnde Kontrolle der Effektivität: Auf gleichmäßiges Heben und Senken des Brustkorbs achten → Hinweis auf korrekt durchgeführte Beatmung. • BMV ohne Einlage OPT der NPT: Grundsätzlich möglich, bei schwierigen anatomischen Verhältnissen ggf. kein ausreichender Beatmungserfolg; wenn möglich OPT oder NPT in der Notfallmedizin benutzen. Info Relevante anatomische Kenntnisse bei der Durchführung einer BMV: • Die Ausrichtung des äußeren Gehörgangs auf die sternale Kerbe (Sternal Notch) kann dazu beitragen, die oberen Atemwege zu öffnen, um den Luftaustausch zu maximieren. • Der Grad der Kopfposition bzw. Erhöhung, der das Ohr und die sternale Kerbe am besten ausrichtet (Neutralposition), variiert (z. b. großes Hinterhauptbein bei Kindern, übergewichtige Patienten). • Während der BMV möglichst die beste Lagerungsart wählen, um bei einer notwendigen endotrachealen Intubation eine gute Sicht auf die Strukturen zu haben.
Unterschiedliche Lagerungstechniken Die optimale Lagerung des Patienten spielt bei der BMV eine wesentliche Rolle. Mögliche Lagerungsarten sind z. B. die Jackson-Position oder bei übergewichtigen Patienten die Ramped Position. Selbstverständlich gibt es noch weitere Lagerungsarten mit unterschiedlichen Hilfsmitteln (Spezialkissen etc.). Sniffing Position, verbesserte Jackson-Position
Für die optimale Sicht auf die pharyngealen und laryngealen Strukturen (Sichtachse) im Rahmen einer BMV oder direkten Laryngoskopie ist die Sniffing Position oder auch Jackson-Position eine traditionelle und bewährte Lagerungsart. Hierbei wird der Kopf des Patienten um etwa 8–10 cm hoch gelagert (Unterpolsterung Kopf mit Kissen) und die HWS dorsal flektiert (Reklination). Lagerung bei übergewichtigen Patienten Für die Beatmung von übergewichtigen Patienten ist eine Hochlagerung des Oberkörpers in eine 45°-Position bei liegendem Patienten auf der Trage besonders gut geeignet. Durch diese Lagerungsart während der BMV reduziert sich der Beatmungswiderstand, da der Bauch nach unten gedrückt wird. Eine weitere gute Lagerungsmöglichkeit bei übergewichtigen Patienten ist die sog. Ramped Position (➤ Kap. 4.2, ➤ Abb. 4.13). Hierbei werden Kopf und Schulterpartie des Patienten so weit unterpolstert, dass eine Neutralposition erreicht wird (sternale Kerbe, Ohreingang). Diese besondere Lagerungsart erleichtert auch die Sicht auf die laryngealen Strukturen enorm, was ggf. eine anschließende ETI deutlich vereinfacht. Kopfdrehung zur Seite Eine Kopfdrehung zur Seite verlagert die Zunge bzw. den Zungengrund nach rechts oder links und führt dadurch zu einer zusätzlichen Öffnung des Atemwegs und kann die BMV vereinfachen (➤ Abb. 3.30).
Abb. 3.30 Kopfdrehung zur Seite während der BMV [O1097]
Assistierte Beatmung und Wichtigkeit des Trainings Eine assistierte Beatmung erfordert besondere Aufmerksamkeit und ein gutes Training. Angewendet wird sie z. B. bei der Präoxygenierung von spontan atmenden Patienten im Rahmen der Narkoseeinleitung oder bei brady-/tachypnoischen Patienten, bei denen ein ausreichendes Atemzugs- bzw. Minutenvolumen nicht erreicht werden kann. Merke Es gilt: „Ventilate when they breathe.“ Die Patienten werden also bei der Spontanatmung mit einen Atemhub zusätzlich unterstützt.
3.4. Supra- bzw. extraglottische Atemwegshilfen
Matthias Jahn Supra- bzw. extraglottische Atemwegshilfen (SGA/EGA) haben in der Notfallmedizin mittlerweile einen hohen Stellenwert erlangt und sind besonders präklinisch z. B. im Rahmen einer kardiopulmonalen Reanimation im Einsatz. Eine klare bzw. einheitliche Begriffsdefinition gibt es nicht. In der S1-Leitlinie zum Atemwegsmanagement umfasst der Begriff extraglottische Atemwegshilfen die unterschiedlichen Larynxmasken und ösophagealen Verschlusstuben (Larynxtubus, Combitubus). Alle EGA halten den Atemweg zwischen Oropharynx und proximalem Ösophagus frei. Im folgenden Kapitel werden aufgrund der nicht ganz einheitlichen Begriffsdefinition alle im Verlauf genannten Atemwegshilfen als extraglottische Atemwegshilfen bezeichnet. Eine EGA bringt viele Vorteile mit sich. Unter anderem kann die Anwendung wesentlich schneller erlernt werden. Weiterhin bringen EGA den Vorteil einer deutlich geringeren Gefahr der Magenüberblähung und Aspiration mit sich. Im Gegensatz zur BMV sind höhere Tidalvolumina zu erreichen. Auch der Einsatz einer maschinellen Beatmung ist grundsätzlich möglich. Bei den EGA der 2. Generation kann zudem eine Magensonde über einen integrierten Drainagekanal angelegt werden. Unterschieden werden die EGA in zwei Gruppen: • Larynxmasken (Laryngeal Mask Airway, LMA) → Abdichten der Trachea mittels Cuff um den Larynxeingang • Ösophageale Verschlusstuben (z. B. Larynxtubus, Combitubus) → Platzierung des Cuff im Ösophagus und im Pharynx, Beatmung über einen oder mehrere Öffnungen zwischen beiden Cuffs
3.4.1. Indikation Das Legen von EGA ist einfach zu erlernen und besonders für Personen geeignet, die in der endotrachealen Intubation (ETI) ungeübt sind. Als Alternative oder Rückfallebene sind EGA ein wertvolles Hilfsmittel. Der First Pass Success ist wesentlich höher als bei der ETI. Die Verwendung von EGA hat besonders im Rahmen der Reanimation bei Herz-Kreislauf-Stillstand einen größeren Vorteil.
Studien haben gezeigt, dass das Outcome von Patienten mit präklinischer Atemwegssicherung durch eine EGA eine höhere ROSC-Rate aufweist als bei Patienten, die klassisch endotracheal intubiert wurden. Studien darüber, welche Art der EGA von Vorteil ist, gibt es nur vereinzelt und sie beziehen sich v. a. auf die Überlebensrate nach ROSC bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand. Für die Einlage einer EGA sollte sich präklinisch in folgenden Situationen entschieden werden: • Der Anwender ist in der endotrachealen Intubation nicht geschult bzw. ungeübt (unzureichende Anwendungen im Jahr). • Eine endotracheale Intubation gestaltet sich als absehbar schwierig, ist nicht möglich oder misslingt. • Routinemäßiger Einsatz zur Atemwegssicherung bei Herz-KreislaufStillstand. • Sicherstellung der Ventilation als Bridging Device. • Als Rückfallebene bei schwierigem Atemweg.
3.4.2. Larynxmasken Die Larynxmaske (Kehlkopfmaske) als Ersatz für die Beutel-MaskenVentilation ist mittlerweile v. a. als Werkzeug in der innerklinischen Verwendung (elektive Eingriffe) ein fester Bestandteil bei nicht aspirationsgefährdeten Patienten geworden. Die erste Larynxmaske wurde 1983 durch Archibald Brain entwickelt. Die Laryngeal Mask Company (LMA™) hat diese originale LMA Classic ™ als EGA nach ihrer Entwicklung vertrieben, die auch als Prototyp für viele andere Arten der EGA gilt. Ab 1988 in Großbritannien und ab 1990 in Deutschland war diese Larynxmaske kommerziell erhältlich. Durch diese Firma wurden auch diverse unterschiedliche Maskenarten (Einwegmasken und mehrfach verwendbare) entwickelt. Dazu zählen: • LMA® Unique™ • LMA® Flexible™ • LMA® ProSeal™ • LMA® Surpreme™
• LMA® Fastrach™ (Intubating Laryngeal Mask Airway, ILMA, Intubationslarynxmaske) Mittlerweile wurde die Larynxmaske durch verschiedene Hersteller weiterentwickelt und optimiert. Somit stehen dem Anwender unterschiedlichste Arten zur Verfügung. Diese sind u. a.: • Unterschiedliche Arten der LMA Classic (z. B. Portus und Solus™) • Larynxmasken der Firma Ambu (ALMA): AuraOnce, AuraStraight, Aura-i • CobraPLA™ • Air-Q® (ILA-Cookgas) • i-gel® Das Indikationsspektrum ist dadurch enorm erweitert worden. Die Larynxmaske wird in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) von 2023 als Mittel der Atemwegssicherung bei nicht vorhandener Notwendigkeit der endotrachealen Intubation angeführt. Hierzu zählen auch andere extraglottische Atemwegshilfen wie etwa der Larynxtubus. Auch in der Präklinik werden in vielen Rettungsdienstbereichen zur einfachen Atemwegssicherung Larynxmasken wie z. B. die SealEasy LMA flächendeckend verwendet. Die Larynxmaske besteht aus einem aufblasbaren Körper verbunden mit einem flexiblen Schlauch. Der ovale und maskenartige Körper füllt den Raum um und hinter den Kehlkopf aus. Die unterschiedlichen Arten der Larynxmasken werden in der Regel gut toleriert, sind atraumatisch (weniger Verletzungen an Larynx und Pharynx) und haben während der Einlage eine geringe hämodynamische Wirkung. Der oropharyngeale Leckagedruck liegt bei ca. 21 cmH20 bei Frauen und 25 cmH20 bei Männern. Zu beachten ist, dass Lageveränderungen von Kopf und Hals Einfluss auf den Leckagedruck haben. Wird er überschritten, kann Luft in den Magen gelangen. In der präklinischen Notfallmedizin und innerklinischen Verwendung spielen die EGA im Rahmen der routinemäßigen Atemwegssicherung eine große Rolle. Aufgrund der einfach zu erlernbaren Platzierung sind die EGA v. a. in der Präklinik weit verbreitet. Die erfolgreiche Platzierung und Ventilation wurde in innerklinischen Studien, auch bei
erschwertem Atemweg, bei nahezu 100 % dokumentiert. Allerdings gibt es auch Nachteile der Larynxmaske verglichen mit der endotrachealen Intubation. In der ➤ Tab. 3.7 sind die unterschiedlichen Vor- und Nachteile der Larynxmaske aufgeführt.
Tab. 3.7
Vor- und Nachteile der Larynxmaske
Vorteile • Weniger Ermüdung, da im Gegensatz zur BMV beide Hände frei • Effektivere Abdichtung im Larynx und dadurch geringere Leckagen als BMV • Geringere Arbeitsplatzbelastung bei der Verwendung von Narkosegas in der Anästhesie • Weniger Blutdruckschwankungen, Tachykardien und Anstieg intraokularer Druck • Keine Muskelrelaxation erforderlich (weniger Gefahr des Relaxanzienüberhangs mit Mikroaspiration und CO2Retention) • Verkürzung der Zeit bis zur Etablierung Atemweg • Weniger Verletzungen der pharyngealen und laryngealen Strukturen • Verringerung der Inzidenz von Laryngospasmen • Geringere Inzidenz von PONV verglichen zur endotrachealen Intubation‘
Nachteile • Potenzielles Risiko für (postoperative) Halsschmerzen, Heiserkeit und Schluckbeschwerden • Gegenüber der endotrachealen Intubation geringere Verschlussdrücke mit dadurch resultierender Spitzendruckbegrenzung auf ca. 20 cmH2O • Keine Empfehlung bei pulmonal vorerkrankten Patienten, wenn inspiratorischer Spitzendruck während der Beatmung höher als Verschlussdruck der verwendeten Larynxmaske • Verletzungsgefahr im Hypopharynx • Regelmäßig beschrieben bei zu hohen Cuffdrücken und falscher Positionierung: druckbedingte Nervenschäden im Bereich des Cuffs • Kombination von Lachgas und LMA: Nervenschäden (Nn. lingualis, hypoglossus und laryngeus recurrens) durch Ausdehnung von Hohlräumen • Verminderter Aspirationsschutz, kontraindiziert bei elektiven Eingriffen und nicht nüchternen Patienten • Kontraindiziert bei elektiven Eingriffen von Patienten mit z. B. Kardinalinsuffizienz oder Hiatushernie • Erhöhtes Aspirationsrisiko bei Adipositas permagna, Schwangerschaft ab der 14. Woche, Risiko einer verzögerten
Vorteile
Nachteile Magenentleerung und Opioide in der Vormedikation
Praxistipp Für die Platzierung von Larynxmasken wird, wie auch bei allen anderen Atemwegshilfen, ein regelmäßiges Training gefordert. Präklinisch, aber auch innerklinisch wird primär der Einsatz von Larynxmasken mit ösophagealem Drainagekanal und die Platzierung einer Magensonde empfohlen. Nach erfolgreicher Platzierung und Ventilation muss zwingend der Cuffdruck überprüft und ggf. unter Berücksichtigung der Herstellerangaben angepasst werden. Ein Cuffdruck von 60 cmH2O sollte generell nicht überschritten werden!
Info Kontrovers diskutiert wird die Verwendung der Larynxmaske bei sog. erweiterten Indikationen während elektiver Eingriffe mit der Gefahr von erhöhten Atemwegsdrücken und möglicher Aspirationsgefahr. Dazu zählen v. a. eine geplante OP-Dauer > 2 h, laparoskopische Eingriffe, Patienten mit einem BMI > 30 kg/m2 und Operationen in Bauchlage.
Merke Extraraglottische Atemwegshilfen und hier als Hauptvertreter die Larynxmaske zur Sicherung der Atemwege in der Allgemeinanästhesie sind das häufigste genutzte Hilfsmittel. Als zentraler Bestandteil für das Atemwegsmanagement ist die Larynxmaske als Empfehlung mittlerweile fest in Algorithmen wie z. B. der American
Society of Anesthesiologists integriert. Hier besonders im Rahmen eines erschwerten Atemwegs („cannot intubate, cannot ventilate“) als Rückfallebene in Notfallsituationen. Larynxmasken der 1. Generation Die LMA® Classic™ als klassischer Vertreter der 1. Generation ist in 8 verschiedenen Größen erhältlich (Neugeborene bis Erwachsene) und kann bis zu 40-mal wiederwendet werden (➤ Abb. 3.31). Sie besteht aus einem ellipsoiden Maskenteil mit integriertem Cuff. Im weichen Silikon-Cuff sind Öffnungsstege integriert, die eine Blockade des Atemwegs durch die Epiglottis verhindern sollen. Die Maske dichtet nach korrekter Platzierung und Insufflation nach Herstellerangaben mit einem maximalen Druck von 60 cmH2O den Eingang des Larynx ab. Über einen Ballon am patientenfernen Ende kann der Cuffdruck gemessen werden. Der Cuff dichtet hierbei die Larynxmaske bis zu einem oropharyngealen Leckagedruck von ca. 20 cmH2O ab. Als Einwegmaske mit spiralverstärktem Tubus steht z. B. die LMA® Flexible™ zur Verfügung und ist für Kinder und Erwachsene erhältlich (➤ Abb. 3.32). Aufgrund des flexiblen Tubus eignet sich diese Maske besonders gut für operative Eingriffe wie z. B. der Tonsillektomie (bessere Sicht auf die Strukturen), ohne dass der Maskensitz beeinträchtigt wird. Laut Herstellerfirma soll besonders bei Kindern der postoperative Aufenthalt verkürzt sein und sich auszeichnen durch eine geringere Inzidenz von Atemwegsirritationen und postoperativem Schmerz. Eine MRT-fähige Larynxmaske mit integriertem Cuffdruckmesser ist z. B. die SureSeal™ der Firma Teleflex. Verschiedene Larynxmasken erlauben nach Positionierung auch das Platzieren eines Endotrachealtubus. Dies ermöglicht z. B. in einem zweizeitigen Verfahren primär die Oxygenierung über die Larynxmaske und im Anschluss kann dann eine endotracheale Intubation erfolgen. Spezielle Masken mit integrierter Führungsschiene erlauben auch das blinde Vorschieben eines Endotrachealtubus.
Abb. 3.31 LMA® Classic™ [G1205]
Abb. 3.32 LMA® Flexible™ [G860-003]
V ide o Einsetzen der Larynxmaske https://www.lmaco.com/products/lma®-classic™-airway (linkes Video) Video Freier Atemweg ohne Obstruktion https://www.youtube.com/watch?v=i-rbOo7f6t4&t=13s Die grundsätzlichen unterschiedlichen Maskenarten mit besonderen Merkmalen (Entscheidungskriterien) sind in ➤ Tab. 3.8 dargestellt. Hierzu zählen: Mehrfachanwendung bzw. Einmalartikel, Vorhandensein oder Fehlen
von Kindergrößen, unterschiedliche Cuffarten, Konstruktionsunterschiede des Maskenanteils, Zusatzausstattungen (Temperatur- und Atemgasüberwachung).
Tab. 3.8
Unterschiedliche Arten von Larynxmasken
Modell
Hersteller
Kindergrößen Besondere Merkmale
Ultra CPV und Ultra Clear CPV
AES Inc.
Ja
Ultra Flex CPV
AES Inc.
Ja
AuraStraight
Ambu Inc.
Ja
AuraOnce
Ambu Inc.
Ja
Aura4O
Ambu Inc.
Ja
AuraFlex
Ambu Inc.
Ab Größe 2
• Blockerspritze mit farbiger Markierung für Cuffdruck • Silikon-Cuff
• Flexibel verstärkter Schaft
• Integrierter Cuffaufblaskanal
• Anatomisch gebogen
• Gerade und gebogene Versionen
• Flexible Einwegmaske mit spiralverstärktem Tubus • Integrierte Cufffüllleitung
Modell
Hersteller
Kindergrößen Besondere Merkmale
Aura-i™
Ambu Inc.
Ja
Vital Seal
GE Healthcare/Vital Signs
Nein
Solus
Intersurgical Ltd.
Ja
Solus MRTkompatibel
Intersurgical Ltd.
Ja
Solus flexibel
Intersurgical Ltd.
Ja
Supra
Intersurgical Ltd.
Ja
King LAD
King System/VBM Medizintechnik GmbH
Ja
• Integrierte Intubationsmöglichkei t bei schwierigem Atemweg mit Möglichkeit der Einführung eines flexiblen Endoskops
• Verstärkte Spitze
• Integrierter CuffAufblaskanal
• Metallfreies Ventil
• Flexibel verstärkter Schaft
• Silikon-Cuff
• Silikon-Cuff
Modell
Hersteller
Kindergrößen Besondere Merkmale
King LAD flexible
King System/VBM Medizintechnik GmbH
Ja
LMA Classic (➤ Abb. 3.31)
LMA Nort America Inc.
Ja
LMA Unique
LMA Nort America Inc.
Ja
LMA Flexible (➤ Abb. 3.32)
LMA Nort America Inc.
Ja
LMA Flexible Single Use
LMA Nort America Inc.
Ja
Cobra PLA (➤ Abb. 3.36)
Pulmodyne
Ja
• Silikon-Cuff • Flexibel verstärkter Schaft
• Silikon-Cuff • Vergitterte Epiglottisöffnung
• Polyvinylchlorid-Cuff
• Silikon-Cuff • Flexibel verstärkter Schaft
• Silikon-Cuff • Flexibel verstärkter Schaft
• Maskenteil ohne Cuff • Oropharyngealer Cuff mit hohem Volumen und geringem Druck
Modell
Hersteller
Kindergrößen Besondere Merkmale
Cobra PLUS
Pulmodyne
Ja
SLIPA (Streamlined Liner of the Pharynx Airway)
SLIPA Medical Ltd.
Nein
Portex Soft Seal
Smith Medical Ltd.
Ja
Sheridan Laryngeal Mask
Teleflex Medical
Ja
• Maskenteil ohne Cuff • Oropharyngealer Cuff mit hohem Volumen und geringem Druck • Temperaturmonitoring • Distale Gasmessung
• Kein Cuff • Reservoir zum Sammeln von regurgitiertem Material
• Integrierter Cuffaufblaskanal • Cuff weniger durchlässig für Lachgas
• Keine vergitterte Epiglottisöffnung
Modell
Hersteller
Kindergrößen Besondere Merkmale
SureSeal™
Teleflex Medical
Ja
• Integrierter Cuffdruckmesser am distalen Kanal zum Blocken der Larynxmaske • MRT-kompatibel • Latexfrei • Auch als „Precurved“Variante erhältlich
Larynxmasken der 2. Generation Bei den Larynxmasken der 2. Generation ist die wichtigste Änderung, dass ein zusätzlicher Drainagekanal integriert worden ist. Der Cuff ist hierbei so konstruiert, dass der laryngeale Atemweg und der Ösophagus voneinander getrennt werden. Bei korrekter Platzierung im oberen Ösophagussphinkter erlaubt ein integrierter Drainagekanal die Einführung einer Magensonde und damit die Ableitung von Mageninhalt und Luft. Besonders im Rahmen von Thoraxkompressionen und einer BMV während eines Herz-KreislaufStillstandes und dadurch möglicher resultierender Luftansammlung im Magen ist dies von Vorteil. Thoraxkompressionen führen zur Entstehung von hohen Beatmungsdrücken, wodurch Luft am Cuff vorbeiströmt und sich dann im Magen ansammelt. Dies führt zu einem erhöhten gastralen Druck und folglich zur Verschlechterung der Lungencompliance und dadurch resultierender Entstehung von noch höheren Beatmungsdrücken. Die Platzierung einer Magensonde wird bei dieser Art der Atemwegssicherung v. a. in der Präklinik zwingend empfohlen. Dies ist auch der Grund, warum präklinisch v. a. LMA der 2. Generation weit verbreitet sind. Die bekanntesten unterschiedlichen Modelle sind in ➤ Tab. 3.9 aufgelistet. Es werden v. a. für die innerklinische Anwendung diverse Maskenarten unterschiedlichster Hersteller angeboten. Hier liegen die Hauptunterschiede im verwendeten Material, in der Flexibilität des Tubus, der
Konzipierung des Cuffs, der Integration eines Cuffdruckmessers am distalen Kanal zum Blocken der Larynxmaske, die Anzahl der Drainagekanäle und der Möglichkeit zur endotrachealen Intubation.
Tab. 3.9 Auswahl an Larynxmasken der 2. Generation mit Drainagekanal des Ösophagus Modell
Hersteller
Kindergrößen Besondere Merkmale
i-Gel™ (➤ Abb. 3.37)
Intersurgical Ltd.
Ja
LMA® ProSeal™ (➤ Abb. 3.33)
LMA North America Inc.
Ja
• Nichtaufblasbarer thermoelastischer GelCuff • Integrierter Drainagekanal • Integrierter Beißschutz
• Silikon-Cuff, zusätzlich hinterer Cuff für Größe ≥3 • Integrierter Beißschutz für Größe ≥ 2 • Integrierter Drainagekanal • Zusätzlicher dorsaler Cuff • Oropharyngealer Leckagedruck auf bis zu 32 cmH2O im Median gesteigert • Zusätzlicher optionaler Handgriff soll die Platzierung vereinfachen
Modell
Hersteller
Kindergrößen Besondere Merkmale
LMA® Surpreme™ (➤ Abb. 3.34)
LMA North America Inc.
Ja
AuraGain™
Ambu Inc.
Ja
Air Q®3 (Intubating Laryngeal Airway, ILA; ➤ Abb. 3.35)
Cookgas, Sunmed
Ja
• Rigider, gebogener Schaft • Integrierter Drainagekanal • Weiterer Cuff im oberen Anteil des ösophagealen Sphinkter sorgt für einen besseren Maskensitz
• Anatomisch angepasste Form • Hoher Abdichtungsdruck • Integrierter Drainagekanal • Integrierte Intubationsmöglichkeit
• Intubationsfähig • Tubusrampe • Epiglottis-Elevator • Drainagekanal
Spezielle Larynxmasken Cobra Perilaryngeal Airway™ (PLA) Die Cobra-PLA™ Larynxmaske als Alternative zur klassischen Larynxmaske enthält einen zusätzlichen ultradünnen „high volume low-pressure“ Cuff und
erlaubt eine moderate Beatmung mit Spitzendrücken bis zu 30 cm H2O (➤ Abb. 3.36). Das Ende der Larynxmaske hat eine cobrakopfähnliche Form. Das weiche flexible, spitze Ende ist so konzipiert, dass dieses durch die besondere Krümmung in Richtung der Stimmritze in den Hypopharynx gelangt. Der Maskenanteil selbst hat keinen blockbaren Cuff. Die Maske dichtet nicht die Strukturen um den Larynx ab, sondern durch einen zusätzlichen oropharyngealen blockbaren Cuff den perilaryngealen (oberer Hypopharynx) Bereich. Dies ermöglicht es, z. B. bei operativen Eingriffen im Mund-RachenBereich Flüssigkeiten abzusaugen, die sich um den Cuff sammeln.
Abb. 3.33 LMA® ProSeal™ [V346]
Abb. 3.34 LMA® Surpreme™: Die rigide Konstruktion mit gebogenem Schaft sorgt nach Blockung des Cuffs für eine schnelle Abdichtung (➤ Video Vollständige Einführung der LMA Supreme). [G860-003]
Abb. 3.35 Air Q®3 (Intubating Laryngeal Airway, ILA) und klassische ILMA [V1033/G860-003]
Abb. 3.36 Cobra Perilaryngeal Airway™ (PLA) [E792-002]
V ide o V oll s tändige Einfü h ru ng de r LMA Su p r e m e ™ https://www.lmaco.com/products/lma%C2%AEsupreme%E2%84%A2-airway (full insertion video)
i-gel® Die i-gel®-Larynxmaske der 2. Generation besteht aus einem thermoplastischen Elastomer (gelartiger nicht aufblasbarer Cuff) und passt sich aufgrund der besonderen Form, Konsistenz und anatomischen Konturen exakt der anatomischen Form des Rachens an (➤ Abb. 3.37). Sie dichtet dabei die pharyngealen, laryngealen und perilaryngealen Strukturen ab. Der Vorteil an dieser Maske ist, dass diese nicht mit Luft geblockt werden muss. Sie erreicht einen Leckagedruck von 24 mm H2O und ist in 7 verschiedenen Größen erhältlich (2–90+ kg). Unter fieberoptischer Kontrolle kann die Maske auch als Intubationshilfe eingesetzt werden. In einigen Rettungsdienstbereichen ist sie im Rahmen einer CPR die First-Line-Atemwegshilfe als Überbrückung bis zur definitiven Atemwegssicherung. In einer Studie von Smida et al. wurde die igel® mit dem Larynxtubus bezüglich Outcome eines Out-of-Hospital Cardiac Arrest (OHCA) bei erwachsenen Patienten verglichen. Bei der i-gel® wurde ein insgesamt besseres primäres Outcome verzeichnet. In einer innerklinischen Studie von Komasawa et al. bei relaxierten Patienten wurde über eine bessere Abdichtung mit initial höherer Rate einer erfolgreichen Ventilation durch Vorwärmen der Maske auf 42°C berichtet.
Abb. 3.37 i-gel® der Firma Intersurgical [E1257] Vorteile der i-gel®: • Kein Umschlagen des Cuffs • Genauso gute Insertionserfolgsrate wie Larynxtubus • Insertionserfolg signifikant schneller als beim Larynxtubus • Reduziertes Trauma • In Größen für Früh- und Neugeborene bis zu einem Gewicht von 2 kg erhältlich • Deutlich einfachere Handhabung als Larynxmasken mit Cuff • Da Standardatemweg, auch innerklinisch am Patienten gut zu trainieren (Larynxtubus innerklinisch seltener vorhanden) • Auch bei hypothermen Patienten anwendbar V ide os zu r A nw e nd u ng de r i- ge l® https://de.intersurgical.com/produkte/atemwegsmanagement/igel-supraglottische-atemhilfe#videos
Position und Einlagetechnik der klassischen Larynxmaske Platziert wird die Larynxmaske mit ihrer Spitze im Bereich des oberen Ösophagussphinkter. Die seitlichen Anteile der Maske zeigen in den Recessus piriformis des Kehlkopfes. Der obere Anteil des Cuffs schließt mit der Zungenwurzel ab. Die Epiglottis ist hierbei aufgerichtet oder liegt vor den beiden Sicherungsstegen. Bei Blockung bewegt sich die Maske leicht aufwärts (Glottis und Öffnung der Larynxmaske stehen gegenüber). Die Stimmbänder bleiben hierbei frei (➤ Abb. 3.38). In Abbildung ➤ Abb. 3.39 sind klassische Fehllagen einer Larynxmaske dargestellt.
Abb. 3.38 A) Einführtechnik der Larynxmaske und korrekte Position nach Einlage B) Dreidimensionale Röntgenaufnahme der Atemwege (digitale Bearbeitung zur Darstellung der wichtigsten Strukturen) mit Larynxmaske in situ: a = Zungenbein, b = LAMA-Cuff, c = Ringknorpel, d = Aryknorpel, e = Schildknorpel, f = Unterkiefer, g = Schaft Larynxmaske [G470-003/G1205]
Abb. 3.39 Fehllagen Larynxmaske [G1205]
Einlagetechnik: • Auswahl der richtigen Maskengröße, meist passend: Erwachsene Größe 5 bei Männern, Erwachsene Größe 4 bei Frauen (➤ Tab. 3.10) • Cuff entblocken oder eine gewisse Menge belassen, sodass die Spitze nicht so leicht umschlägt • Gleitmittel auf den Cuff auftragen • In den Mund einführen und dabei wie einen Stift halten • Außenfläche der LMA am Gaumen entlanggleiten lassen und an der Rachenhinterwand weiterschieben bis federnder Widerstand spürbar ist • Cuff nach Herstellerangaben blocken, die LMA drückt sich nach Blockung etwas heraus, die LMA sollte sich nach Blockung selbst richtig positionieren • Erfolgskontrolle: suffiziente Ventilation, positiver Auskultationsbefund, messbares endtidales CO2 • Cuffdruckmesser anschließen und Cuffdruck überprüfen (max. 60 cmH2O) • Bei LMA mit Drainagekanal im Verlauf Magensonde einführen (bei korrekter Lage der LMA lässt sich diese ohne Widerstand vorschieben), ggf. „Bubble Test“ zur Lagekontrolle der Magensonde → gastralen Kanal mit Gel befüllen, aufsteigende Bläschen während der Beatmung zeigen eine nicht korrekte Platzierung der LMA an (➤ Abb. 3.39)
Tab. 3.10
Größenempfehlungen hier als Beispiel für die LMA® Surpreme™
Größe/Nr. Altersgruppe/Gewicht CuffMax. Größe der Füllvolumen bis Magensonde max. ml 1
Neugeborene und Säuglinge bis 5 kg
5
6 Fr.
1,5
Säuglinge 5–10 kg
8
6 Fr.
2
Kleinkinder 10–20 kg
12
10 Fr.
2,5
Kinder 20–30 kg
20
10 Fr.
3
Kinder und Jugendliche 30–50 kg
30
14 Fr.
4
Erwachsene 50–70 kg
45
14 Fr.
5
Erwachsene 70–100 kg
45
14 Fr.
Die Maximalvolumina des Cuff-Füllvolumens dürfen nicht überschritten werden. Der Cuff sollte auf einen maximalen Innendruck von 60 cmH2O aufgeblasen werden.
Achtung Keinen Guedel-Tubus als Beißschutz nach Einlage der LAMA verwenden! Der korrekte Maskensitz kann dadurch beeinträchtigt werden!
Kontraindikationen der Larynxmaske im innerklinischen Setting: • Patient ist nicht nüchtern, Ileus • Größere abdominelle Eingriffe • Hiatushernie, Reflux • Verminderte Lungencompliance mit notwendigen höheren Beatmungsdrücken
• Tumoren, Blutungen in den oberen Atemwegen, entzündliche Prozesse • Obstruktion oberhalb der Glottis • Eingeschränkte Mundöffnung Achtung Komplikationen und Nebenwirkungen der Larynxmaske: • Falsche Maskenposition • Obstruktion der Atemwege durch Fehlplatzierung • Aspirationsgefahr: Regurgitation von Mageninhalt • Gefahr eines Laryngospasmus bei zu flacher Narkose • Hämodynamische Einflüsse (Anstieg Blutdruck und Herzfrequenz) • Heiserkeit, Halsschmerzen • Dysphagie (meist nach zu starker Blockung) • Selten Nervenschäden: N. lingualis und N. hypoglossus Ursachen von Funktionsstörungen nach Einlage: • Leckage durch Verdrehen, falsches Cuffvolumen, Abknicken der Maskenspitze nach hinten • Bei hohen Beatmungsdrücken Möglichkeit ausgeprägter Leckage am Cuff • Verrutschen der Maske • Verlegung der Atemwege durch z. B. Kehldeckel, Laryngospasmus, zu hohes Cuffvolumen, Verrutschen der Maske, falsche Größenauswahl
3.4.3. Ösophageale Verschlusstuben Combitubus Der Combitubus als extraglottische Atemwegshilfe ist schon lange auf dem Markt erhältlich (➤ Abb. 3.40). Mittlerweile ist dieser Doppellumentubus weitestgehend durch Larynxmasken oder den Larynxtubus abgelöst worden. Der
Tubus wird blind durch den Mund vorgeschoben und kann aufgrund seines Doppellumen in der Trachea oder im Ösophagus platziert werden. Eine Beatmung ist daher über beide Zugangswege bei trachealer oder ösophagealer Lage möglich. Der tracheale Anteil des Tubus ist offen, der ösophageale Anteil enthält mehrere Öffnungen im pharyngealen Abschnitt, wobei die Spitze verschlossen ist. Beide Lumina sind durch eine Wand voneinander getrennt. Der Tubus enthält zwei Cuffs, die sich oberhalb der pharyngealen Öffnungen (Abdichtung Mund- und Nasenhöhle) und am Ende des Tubus (Abdichtung je nach Lage im Ösophagus oder der Trachea) befinden. Da der Tubus blind vorgeschoben wird, landet dieser meist im Ösophagus (über 95 % der Fälle). Dies ist auch der Grund, dass nach Platzierung zuerst über den ösophagealen Schenkel bzw. Konnektor beatmet werden sollte. Geblockt werden die Cuffs mit 100 ml und 10 ml Luft. Die Platzierung ist verglichen mit dem Larynxtubus technisch ebenso einfach zu erlernen, ist rasch durchführbar und eine adäquate Beatmung ist auch hier gewährleistet. Der Combitubus ist allerdings rigider, technisch anspruchsvoller und kann bei falscher Anwendung schnell zu Verletzungen führen. Nach Anwendung wurde von vielen Patienten häufig über Halsschmerzen und Dysphagie berichtet. Auch wurden Hämatome häufiger als bei der Anwendung von Larynxmasken oder dem Endotrachealtubus beobachtet. Insgesamt ist die Inzidenz von Komplikationen höher als bei anderen Atemwegshilfen. Erhältlich ist der Combitubus für Patienten mit einer Körpergröße von 125–175 cm.
Abb. 3.40 Combitubus (a) und Lagemöglichkeiten (b) [A300-190]
Info Bei subglottischer Obstruktion oder Störungen im Bereich der Glottis (Tumor, Abszess, massives Ödem, Laryngospasmus) kann der Combitubus nicht angewendet werden.
Platzierung Combitubus: • Gleitmittel auftragen • Tubus in den Mund-Rachen-Raum in Neutralposition des Kopfes und parallel zur Frontalachse des Patienten einführen, bis die Ringmarkierung zwischen den Zahnreihen zu liegen kommt
• Nach korrekter Einführtiefe Blockung des ösophagealen Cuffs und dann des distalen Cuffs mit entsprechender Luftmenge in ml nach Herstellerangabe • Erfolgskontrolle: suffiziente Ventilation, positiver Auskultationsbefund und Nachweis von endtidalem CO2 Larynxtubus Der Larynxtubus (LT), im Englischen auch King LT, wurde erstmals durch die Firma VBM Medizintechnik GmbH im Jahre 1999 eingeführt und ist in der Präklinik ein mittlerweile flächendeckend verwendeter extraglottischer Tubus (➤ Abb. 3.41). Es handelt sich um einen Tubus mit einem deutlich größeren Durchmesser als bei einem Endotrachealtubus. Er besitzt zwei Cuffs: einen an der unteren Seite für die Abdichtung des Ösophagus und einen weiteren Cuff zum Abdichten des Pharynx. Er kann ohne weitere Hilfsmittel eingeführt werden. Geblockt werden die beiden Cuffs über einen gemeinsamen Zugang. Sie dichten relativ gut ab. Über die Tubusöffnung, die bei korrekter Platzierung gegenüber der Trachea liegt, kann dann beatmet werden. Am oberen Abschnitt des Larynxtubus befinden sich Zahnreihenmarkierungen, die zusammen mit der richtig gewählten Größe als Indikator einer korrekten Lage genutzt werden. Den Larynxtubus gibt es auch in der LTS-D Variante (➤ Abb. 3.42). Hier ist ein integrierter Drainagekanal („S“ für Suction) zur Platzierung einer Magensonde vorhanden. Der LTS-D bietet trotzdem keinen sicheren Aspirationsschutz. Der Bezeichnungszusatz „D“ (Disposable) kennzeichnet den LTS-D als Einwegartikel. Den LTS-D gibt es in verschiedenen farbcodierten Größen. Auf der mitgelieferten Blockerspritze findet sich das jeweilige Füllvolumen, farblich nach Größe der Tuben codiert. Die Größe des zu verwendenden LT orientiert sich nach Herstellerangaben bis Größe 2 am Körpergewicht und ab Größe 2,5 an der Körperlänge des Patienten. Eine weitere Variante ist der Larynxtubus iLTS-D als 3. Generation mit der Option der endotrachealen Intubation –ähnlich z. B. der LMA®-Fastrach™ (Intubationslarynxmaske).
Abb. 3.41 Klassischer Larynxtubus [V348]
Abb. 3.42 Larynxtubus mit Intubationsoption (iLTS-D) [V348]
Merke
Das Legen einer Magensonde über den Drainagekanal ist obligat und muss im Verlauf zwingend zur Dekomprimierung des Magens z. B. während einer CPR erfolgen. Der gastrointestinale Druck mit der Gefahr der Regurgitation und daraus resultierendem Aspirationsrisiko werden verringert. Risiken und Anwendungsgrenzen Da durch Überblockung ein bedrohlicher Druck auf die Schleimhäute und Zunge ausgeübt werden kann (z. B. Gefahr von Drucknekrosen, Zungenschwellung) muss präklinisch zwingend der Cuffdruck gemessen und bei 60 cmH2O gehalten werden. Eine Überblockung führt zu einer venösen Drosselung mit konsekutiver Schwellung der Zunge und blauschwarzer Verfärbung (➤ Abb. 3.43). In einer prospektiven klinischen Fallstudie von Schalk et al. wurde bei 40 % der Patienten eine signifikante Zungenschwellung festgestellt. Dies darf nicht mit einem angioneurotischen Syndrom und massiver Zungenschwellung verwechselt werden. Hier haben die Lippe und Zunge dieselbe Farbe (➤ Abb. 3.44). Aufgrund der genannten Komplikationen ist die Anwendung des Larynxtubus auf wenige Stunden begrenzt und der Atemweg sollte so schnell wie möglich durch z. B. die endotracheale Intubation gesichert werden. Bei der Einlage eines LT muss auch immer mit Verletzungen der Zähne gerechnet werden. Das Risiko von Zahnschäden ist zwar gegenüber einer Laryngoskopie eher gering, muss aber bedacht werden. Im Rahmen einer Bolusaspiration und Verschluss des Ösophaguseingangs kann der LT versagen. Zur erfolgreichen Platzierung sind erloschene Schutzreflexe notwendig. Durch die Volumenzunahme nach Blockung des Cuffs ist auch eine Vagusaktivierung mit daraus resultierender Bradykardie möglich. Bei vorliegenden Ösophagusvarizen, Ösophagusdivertikeln o. Ä. ist aufgrund der Gefahr einer Perforation der Speisröhre vom Gebrauch des LT abzuraten. Weitere Möglichkeiten von Komplikationen wurden in Fallberichten/Studien beschrieben: • Inadäquate Ventilation durch unbemerkte Fehlplatzierung • Leckage, Blutung
• Dislokation • Schwellung Pharynx/Larynx
Abb. 3.43 Livide verfärbte und geschwollene Zunge aufgrund eines überblockten und nach links verdrängten LTS-D. Die Einlage einer Magensonde unterblieb. [H108-001]
Abb. 3.44 Angioneurotisches Ödem mit massiver Zungenschwellung. Da hier ein Schrankenschaden und keine Zirkulationsstörung ursächlich ist, haben Lippen und Zunge dieselbe Farbe. [H108-001]
Praxistipp • LT ist nach Einlage beim nicht adipösen Patienten undicht: Tubus um 1–2 cm tiefer platzieren. • Ventilation nicht möglich: Verschluss der Glottis durch pharyngealen Cuff (prall-elastischer Verschluss während Beatmung). • Platzierungsprobleme Magensonde: Fehllage LT möglich, Lagekorrektur in Betracht ziehen, LT-Spitze kann umgeschlagen sein (➤ Abb. 3.45).
Abb. 3.45 Im rechten Sinus piriformis umgeschlagener LTS-D. Ein Hinweis hierfür kann das unmögliche Vorschieben einer Magensonde sein. [H108-001]
Achtung • Schäden am Cuff: Beim Einführen muss darauf geachtet werden, dass die Zähne des Patienten nicht die beiden Cuffs beschädigen. • Lagerung: Bei nicht korrekter Lagerung (z. B. Kälte, über Ablaufdatum) können die Cuffs unter Umständen nicht geblockt werden. • Cuffdruck: Der Cuffdruck darf – wie auch bei allen anderen extraglottischen Atemwegshilfen – 60 cmH2O nicht überschreiten → Gefahr von Ischämie aufgrund verminderte Mukosaperfusion
(Gewebeschaden), Reduktion venöser Rückfluss mit Zungenschwellung oder Nervenschädigungen.
Größen Die richtige Größe des Larynxtubus richtet sich nach der Körpergröße des Patienten. Zusätzlich sind die Tuben zur Größenidentifikation am Konnektor farbcodiert. In ➤ Tab. 3.11 sind die unterschiedlichen Größenempfehlungen laut Hersteller aufgeführt. Tab. 3.11 Größenempfehlungen für den LTS-D und maximale Größe der Magensonde Größe Patient Gewicht/Größe LT (nach Hersteller)
Farbkodierung Konnektor
Drainagekanal (max. Größe)
0
Neugeborene < 5 kg
Transparent
10 Fr.
1
Säuglinge 5–12 kg
Weiß
10 Fr.
2
Kinder 12–25 kg
Grün
16 Fr.
2,5
Kinder/Jugendliche 125– 150 cm
Orange
16 Fr.
3
Jugendliche/kleine Erwachsene < 155 cm
Gelb
18 Fr.
4
Erwachsene 155–180 cm
Rot
18 Fr.
5
Erwachsene > 180 cm
Violett
18 Fr.
Einlagetechnik Zur richtigen und einfachen Einlage sollte der Tubus mit einem zugelassenen Gleitmittel gleitfähig gemacht werden. Die weiteren Schritte zur StandardEinführtechnik sind folgende (➤ Video):
• Korrekte Größe des LT bestimmen. • Darauf achten, dass beide Cuffs komplett entlüftet sind, ggf. Luft evakuieren. • Larynxtubus mit Gleitgel versehen und ggf. primär eine Magensonde einlegen (Spitze darf nicht über die Austrittstelle herausragen). • Kopf in Neutralposition halten oder leicht überstrecken, Kinn anheben und Mund mit lateralem Kreuzgriff oder Esmarch-Handgriff öffnen. Falls nur das Kinn angehoben wird, die Zunge fixieren. • Tubus mittig in den Mund des Patienten einführen, dabei den Tubus wie einen Stift kurz oberhalb des proximalen Cuffs in der rechten Hand halten. • Larynxtubus am harten Gaumen entlang einführen. • Den leichten Widerstand beim Passieren des Zungengrunds durch leichtes Vorschieben überwinden (bei Problemen den Zug auf den Unterkiefer verstärken). • Bei korrekter Einlagetiefe wird ein federnder Widerstand wahrgenommen, der sich durch die Lage der Tubusspitze im Ösophagus erklärt (der Tubus sollte sich jetzt wie eine Laufschiene frei bewegen lassen); die obere (proximale) Zahnreihenmarkierung soll dabei auf dem Niveau der Zahnreihe (Oberkiefer: Schneidezahnniveau) liegen (➤ Abb. 3.46). • Tubus mithilfe der farbcodierten Blockerspritze blocken, die je nach Tubusgröße das korrekte Luftvolumen anzeigt; der Tubus sollte sich jetzt etwas aufrichten. • Erfolgskontrolle: Nachweis von endtidalem CO2, klinische Zeichen von beidseitigen Thoraxexkursionen und effektiver Ventilation, positiver Auskultationsbefund. • Messung des Cuffdrucks (max. 60 cmH2O). • Magensonde durch den Drainagekanal legen und ggf. Mageninhalt absaugen, ggf. „Bubble Test“ zur Lagekontrolle der Magensonde durchführen → gastralen Kanal mit Gel befüllen, aufsteigende Bläschen während der Beatmung zeigen eine nicht korrekte Platzierung des LT an.
Abb. 3.46 Schematische Darstellung des Larynxtubus in situ [V348]
Praxistipp Zur atraumatischeren Einführung kann auch die Rotationstechnik (GuedelTechnik) angewendet werden. Hierbei wird der LT nach Einlage bei spürbarem hypopharyngealem Widerstand um 180° gedreht und weiter vorgeschoben. Welche Technik aber bei Einlage genutzt wird, spielt für den Platzierungserfolg keine Rolle.
V ide o A nw e ndu ng Lar ynxt u b u s d e r Firm a V BM https://www.youtube.com/watch?v= w32sKTM_De4
Einschränkungen und Merkhilfe RODS für extraglottische Atemwegshilfen Im Rahmen der Atemwegssicherung mithilfe extraglottischer Atemwegshilfen ist ein Erfolg der Maßnahme grundsätzlich wichtig. Die Merkhilfe RODS ist eine mögliche Hilfestellung bei zu erwartenden schwierigen Verhältnissen bei der Einlage von EGA (➤ Tab. 3.12). Bei elektiven Eingriffen im innerklinischen Setting wird in folgenden Situationen eine Nutzung von EGA abgeraten (S1Leitlinie zum Atemwegsmanagement): • Patienten mit Entzündungen, Tumoren oder Blutungen in den oberen Atemwegen • Mundöffnung < 2 cm • Erwartete Beatmungsdrücke oberhalb des individuellen Leckagedrucks • Notwendigkeit eines regelmäßigen trachealen Zugangs • Ein-Lungen-Ventilation • Patienten mit symptomatischem gastroösophagealem Reflux, symptomatischer Hiatus- bzw. Zwerchfellhernie oder Ileus • Interferenz mit chirurgischem Eingriff Tab. 3.12
Merkhilfe RODS bei Einsatz von extraglottischen Atemwegshilfen
(Extraglottic Devices, EGD) Problem Restricted Mouth Opening
Eingeschränkte Mundöffnung
Obstruction/Obesity
Obstruktion der Atemwege, Übergewicht
Distorted Airway or Disrupted Airway
Atemwegsverlegung (z. B. Angioödem), anatomische Deformität (z. B. Fixed Cervical Flexion Deformity)
Stiff Lungs or Cervical Spine
Schlechte Lungencompliance, Mobilitätseinschränkung der HWS
Extraglottische Anwendung von Atemwegshilfen in der Pädiatrie
Larynxtubus Der Larynxtubus ist auch in Kindergrößen erhältlich. Die Platzierung erfolgt in derselben Vorgehensweise wie bei Erwachsenen. Bei Platzierungsproblemen kann ein Unterkieferprotrusionsmanöver (Esmarch-Handgriff) die Platzierung des LT erleichtern. Zäher Schleim kann bei Kindern zur Verlegung der Ventilationsebene führen. Bei Hypersalivation durch einen zu hohen Cuffdruck ist eine Absaugung des Sekrets hilfreich. Bei einer Extubation kann durch Schleimhautfäden oder dem Extubationsreiz ein Laryngospasmus provoziert werden. Generell sollte bei der Verwendung von extraglottischen Atemwegshilfen bei Kindern auf eine ausreichende Narkosetiefe mit Relaxanz geachtet werden. LT werden durch die Fachgesellschaften bei Kindern aufgrund der Gefahr von Schleimhautschwellungen und unzureichendem Training nicht empfohlen. Wissenschaftliche Studien zum LT bei Kindern sind rar. Vor allem bei kleinen Kindern unter 10 kg KG zeigten sich in Studien Probleme bei der Insertion und Ventilation. Mögliche Erklärungen basieren auf anatomischen Unterschieden zwischen Kindern und Erwachsenen: hochsitzender Kehlkopf, proportional größere Zunge und dadurch wesentlich schwierigere Platzierung als bei Erwachsenen. i-gel®-Maske Die i-gel®-Maske wird zunehmend auch bei Kindern eingesetzt. Studien zur Maske und ihrer Anwendung gibt es nur wenige. In einer Studie von Saran et al. wurde die i-gel® mit der ProSeal™ Laryngeal Mask Airway (PLMA) verglichen. Hier gab es keine Unterschiede in der Anzahl der Insertionsrate, der Anzahl der Platzierungsversuche, der erfolgreichen Platzierung und weiteren Insertionsparametern. Ein häufig berichtetes Problem ist die spontane Dislokationstendenz, die auch bei der Verwendung bei Erwachsenen zu beobachten ist. Larynxmaske Die klassische Larynxmaske kommt bei Kindern international seit mehr als 25 Jahren besonders im kinderanästhesiologischen Bereich zum Einsatz. Es finden sich bei der Anwendung bei Kindern eine große Anzahl von Studien und
Übersichtarbeiten. Insgesamt wird die Anwendung von LM bei Kindern aufgrund des am besten untersuchten Hilfsmittels von Experten empfohlen. Die LM erfüllt eine primäre Insertionsrate von 90 % und eine Erfolgsrate von 99– 100 % bei erneuten Platzierungsversuchen. Eine entscheidende Rolle spielen die einfach zu erlernende Handhabung und ein kurzer Trainingsbedarf. Zusammenfassung • Das übergeordnete Ziel der Atemwegssicherung ist es, eine zerebrale Hypoxie zu verhindern. • Nasale Sauerstoffkanülen bilden ein hohes Sauerstoffreservoir im nasalen und posterioren Nasopharynx. • Für einen hohen inspiratorischen FiO2 eignen sich Sauerstoffmasken mit Reservoirbeutel. • Die Venturi-Maske nutzt das Bernoulli-Prinzip für fest eingestellte Sauerstoffkonzentrationen von 24 –60 %. • Gurgeln, schnarchende Atemgeräusche oder ein in- oder exspiratorischer Stridor sind Hinweise für eine partielle Obstruktion der Atemwege. • Der Kreuzgriff, das HTCL-Manöver und der Esmarch-Handgriff sind einfache Handgriffe zum Öffnen des Mundes, um z. B. Atemwegshilfen zu platzieren oder Fremdkörper zu entfernen. • OPT und NPT sind bewährte Hilfsmittel zur Atemwegssicherung und sollten dem Anwender geläufig sein. • Eine erfolgreiche BMV beruht auf folgenden Faktoren: freier Atemweg, adäquater Maskensitz und korrekte bzw. ausreichende Ventilation. • Bei der Beatmung von pädiatrischen Patienten wird die BMV primär empfohlen • Das Akronym MASKE hilft Schwierigkeiten bei der BMV abzuschätzen. Weitere Merkhilfen als Prädiktor für eine zu erwartende schwierige BMV sind: ROMAN, MOANS und BONES. • Es ist auf die passende Größe des Beatmungsbeutels zu achten (ausreichende Hubvolumina); zu hohe Beatmungsdrücke bei
Neugeborenen und Säuglingen müssen vermieden werden. • Bei BMV Überventilation aufgrund zu hoher Beatmungsfrequenzen und zu hohe Beatmungsdrücke vermeiden. • Eine BVM mit Spitzendruckbegrenzung v. a. bei pädiatrischen Patienten ist sinnvoll zur Limitierung des Beatmungsspitzendruck. • Der TE-Griff ist im Gegensatz zum einfachen VE-Griff bei unerwartet schwieriger BMV einfacher anzuwenden und hat eine deutlich höhere Erfolgsrate. • Eine mögliche Lagerung zur Optimierung der BMV bei übergewichtigen Patienten ist die sog. Ramped Position. • Extraglottische Atemwegshilfen umfassen die unterschiedlichen Larynxmasken und ösophagealen Verschlusstuben. • Im Gegensatz zur BMV sind bei extraglottischen Atemwegshilfen höhere Tidalvolumina möglich. • Extraglottische Atemwegshilfen mit integriertem Drainagekanal werden zwingend empfohlen und sind zu bevorzugen. Das Legen einer Magensonde ist nach Platzierung obligat. • Die Merkhilfe RODS ist eine mögliche Hilfestellung bei zu erwartenden schwierigen Verhältnissen bei der Einlage von extraglottischen Atemwegshilfen; weitere Merkhilfen sind MASKE, MOANS, BONES • Bei pädiatrischen Patienten ist die Larynxmaske aufgrund der besseren Studienlage als das beste untersuchte Hilfsmittel zu bevorzugen.
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Kapitel 4: Advanced Airwaymanagement Peter Tendahl, Martin von der Heyden
Fal l s ze nario RTW und NEF werden zu einem 47-jährigen Patienten mit fraglicher schwerer Anaphylaxie nach Wespenstich gerufen. Beim Eintreffen stellt sich folgende Situation dar: Der Patient selbst empfängt die Rettungskräfte und berichtet, dass er vor ca. 10 Minuten einen Heuballen wegräumen wollte und dabei von einem Schwarm Wespen angegriffen wurde. Diese haben ihm mindestens sieben Stiche zugefügt, allerdings sei er grundsätzlich nicht allergisch auf Wespengift, fühle sich aber schwindlig und hätte Flimmern vor den Augen. Das Rettungsteam bittet den Patienten daraufhin, sich auf eine 10 Meter entfernte Bank zu setzen. Auf dem Weg zur Bank kollabiert der Patient, defäkiert und nässt ein. Umgehend führt das Rettungsteam eine ABCDE-Untersuchung durch, verabreicht 500 μg Adrenalin intramuskulär und beginnt aufgrund einer Bradypnoe mit einer assistierten Beatmung. Der initiale Blutdruck beträgt 50/30 mmHg, die HF beträgt 34 Schläge/min und die SpO2-Sättigung 89 %. Es werden zwei großlumige Zugänge etabliert und weitere 100
μg Adrenalin i. v. als Bolus appliziert. Der Patient ist nach 90 Sekunden wieder vollkommen wach und orientiert. Der erste gemessene Blutdruck bei einer GCS von 15 beträgt 75/50 mmHg, die HF 60, beide Werte in der Tendenz steigend. Die Sauerstoffsättigung beträgt 98 %. Eine mechanische Reanimation war nicht erforderlich. Der Patient erhält neben zwei kristalloiden Infusionen zusätzlich 250 mg Prednisolon i. v. sowie 4 mg eines H1-Blockers als Bolus. Das subjektive Befinden des Patienten verbessert sich. Die Anamnese kann komplettiert werden. Es bestehen keine relevanten kardiovaskulären Vorerkrankungen, Medikamente werden nicht regelmäßig eingenommen. Aufgrund der Gesamtsituation kann der Patient von einem Check-up in einer Klinik überzeugt werden. Im RTW erfolgt ein zweites körperliches Assessment, neben stammbetonte Urtikaria, ohne weitere Auffälligkeiten. Auf Nachfrage gibt der Patient keine großen subjektiven Beschwerden an, lediglich sei jetzt ein Kratzen im Hals neu aufgetreten. Das Team vor Ort führt eine orale Inspektion durch und findet eine normalgroße nicht gerötete oder geschwollene Zunge vor. Die Sauerstoffsättigung beträgt 95 %. Aufgrund der bisherigen Einsatzdynamik und aufgrund der Angaben des Patienten zu den neu aufgetretenen Missempfindungen im Larynxbereich entscheidet sich der Notarzt für eine präventive endotracheale Intubation. Das Team bereitet die Intubation vor. Der Patient wird bei einem Gewicht von 90 kg mit 0,3 mg Fentanyl, 200 mg Propofol und 90 mg Rocuronium eingeleitet. Es wird eine Rapid Sequence Induction (RSI) durchgeführt. Beim Einstellen der Epiglottis stellt sich dem Intubierenden ein erheblich zugeschwollener, hyperämer
Larynxbereich dar. Die Stimmritze ist nicht klar zu erkennen und die Aryknorpel sind komplett angeschwollen. Es gelingt nach Downgrading der Tubusgröße auf einen 5,5er-Tubus diesen erfolgreich endotracheal zu platzieren. Die Atemfrequenz wird entsprechend adaptiert und der Patient unter Propofol/FentanylNarkose und leichtem Katecholaminschutz auf die Intensivstation eines Maximalversorgers verlegt. Dort gelingt mittels Kortisontherapie und Kreislaufstabilisierung die Extubation am darauffolgenden Tag. Der Patient kann schon zwei Tage später entlassen werden.
4.1. Entscheidung zur endotrachealen Intubation Die Frage ist: Entscheidung zur endotrachealen Intubation – wann und wie? Würde man einem Patienten mit dieser Anamnese und dem Symptom „Kratzen“ im Hals den Atemweg invasiv mittels endotrachealer Intubation sichern?
4.1.1. Indikation und wichtige Fragestellungen Die obige Frage lässt sich nicht einfach beantworten, wie es auf den ersten Blick scheint. Die allermeisten in der Notfallmedizin tätigen Kollegen hätten die Frage verneint, allerdings muss man die Problematik bezüglich der Indikation zur endotrachealen Intubation (ETI) immer im Gesamtkontext sehen. Diese Feststellungen müssen indoktriniert und danach eine eigene Handlungsstruktur etabliert werden. Grundsätzlich hilfreich ist die Klärung folgender, in der Notfallmedizin feststehender klinischer Fakten:
• Benötigt der Patient einen sicheren Atemweg mit Aspirationsschutz (z. B. SHT mit GCS < = 8)? • Benötigt der Patient eine Beatmungstherapie mit der Notwendigkeit der Etablierung eines Peep und eines hohen Atemwegsdrucks pmax (z. B. Inhalationstrauma)? • Benötigt der Patient mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine längerfristige Beatmungstherapie (z. B. Zustand nach erfolgreicher Reanimation)? Trifft eine dieser Aussagen auf das klinische Notfallbild des Patienten zu, ist eine invasive Atemwegssicherung durch ETI obligat. Alle anderen Notfallbilder unterliegen eher einer fakultativen, aber keiner obligaten Entscheidung. Daraus folgt, dass der Entscheidung für oder gegen eine endotracheale Intubation eine sehr klare Indikationsstellung vorausgehen muss. Die richtige und validierte klinische Einschätzung ist entscheidend für einen guten und suffizienten Therapieerfolg. Dabei sind auch die Vorzüge einer Beatmung nach Intubation zu berücksichtigen. Die potenziellen Vorteile gegenüber einer manuellen Beatmung mit Gesichtsmaske oder einer Beatmung über ein supralaryngeales Device sind v. a.: • Niedrigere Leckage • Geringere Insufflation von Sauerstoff in den Magen (reduzierte Magenventilation) • Möglichkeit der Applikation eines höheren inspiratorischen und positiv endexpiratorischen Atemwegsdrucks
• Möglichkeit der trachealen und bronchialen Absaugung • Bei CPR unterbrechungsfreie Thoraxkompression durch asynchrone Beatmung • Effektiverer Aspirationsschutz An dieser Stelle soll anhand von ein paar klinischen Beispielen der Weg zur Entscheidungsfindung skizziert und für den Anwender entsprechend geebnet werden. Merke • Eine endotracheale Intubation durchzuführen bedeutet, dass der Patient eine Narkose benötigt. Ein Patient, der eine Narkose benötigt, braucht hingegen nicht zwingend eine endotracheale Intubation. • Wer eine Narkose durchführen will, weil er intubieren muss, sollte sich mit den entsprechenden pharmakologischen Substanzen auskennen und diese regelmäßig einsetzen oder genügend Erfahrung damit gesammelt haben.
Statusüberprüfung Neurologie Hier wird das Augenmerk auf den Bewusstseinszustand des Patienten gelegt. Konkret gilt es zu klären, ob das Bewusstsein des Patienten klar und orientiert, eingeschränkt und getrübt oder komplett erloschen ist. Hier ist auch eine klare Diktion wichtig, die
den Zustand des Patienten hinreichend beschreibt und erklärt. Die Formulierung „Der Patient ist ansprechbar“ ist eine für die neurologische Beurteilung sachlich vollkommen falsch beschreibende Feststellung, die bedauerlicherweise auch in vielen automatisierten Notrufabfragesystemen Einzug gehalten hat. Ansprechbar ist jeder Patient, ob tot oder lebendig, genauso wie ein Haus oder ein Kugelschreiber ansprechbar sind. Beide werden jedoch vermutlich nicht antworten und über ihren Status Auskunft geben. Das Notfallteam vor Ort benötigt jedoch für eine klare Entscheidungsfindung für oder gegen eine endotracheale Intubation eine ebenso klare Statusfeststellung des Patienten. Deshalb wird der erwachsene Patient im ersten Kontakt nach seinem Namen, Geburtsdatum, nach dem aktuellen Wochentag gefragt und gebeten zu husten. Kann er diese Fragen zufriedenstellend beantworten, fixiert er dabei den Blick des Untersuchenden und hustet suffizient, ist er in der Akutsituation neurologisch in fast allen Fällen in der Lage, selbst für ausreichend Aspirationsschutz zu sorgen. Dieser neurologische Status muss in regelmäßigen Abständen – je nach Notfallereignis und führender Diagnose – reevaluiert werden und bei negativer Veränderung müssen unmittelbar entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Kann er diese Fragen nicht zufriedenstellend beantworten oder wirkt er klinisch auf den Untersuchenden von der Vigilanz verhangen, wird ein Schmerzreiz gesetzt. Reagiert der Patient daraufhin nicht adäquat und klart nicht auf, ist nicht davon auszugehen, dass er selbstständig einen Aspirationsschutz generieren kann.
Info Entscheidungsfindung An diesem Punkt ist es entscheidend, die gesamte Anamnese und Klinik zu validieren, mit dem Erfahrungsschatz zu koppeln und in den Entscheidungsprozess vor Ort mit einzubinden, um auf Sicht weitere Maßnahmen einzuleiten. Hier rein dogmatisch anhand von einer GCS ≤ 8 zu handeln, würde bedeuten, jede Alkoholintoxikation und jeden zweiten Patienten mit Krampfanfall intubiert und beatmet einer Klinik zuzuweisen. Dies wäre jedoch weder für den Patienten noch für die Kliniken zielführend.
Die Situation ist für das Notfallteam in jedem Fall sehr betreuungsintensiv. Im Falle einer Alkoholintoxikation kann es bei guter Oxygenierung und regelmäßiger Atemtätigkeit ausreichend sein, den Patienten mit z. B. einem Nasopharyngealtubus (NPT, Wendl-Tubus) zu versorgen und Atemwege und Atemtätigkeit kontinuierlich zu überwachen. Die Lagerung sollte so gewählt sein, dass Magensaft o. Ä. gut abfließen kann (➤ Abb. 4.1). Der Patient wird nach dem Erreichen eines normwertigen Blutalkoholspiegels die Kontrolle über seinen Grundtonus in aller Regel wieder zurückerlangen.
Abb. 4.1 Stabile Seitenlage als einfache Maßnahme der Atemwegssicherung [O1097] Ein Patient, der nach einem Krampfanfall möglicherweise schwer zu erwecken ist, wird auch nach Beendigung des Krampfes oder während der postiktalen Phase wieder Kontrolle über den Schluckakt haben. Möglicherweise ist dieser auch kontinuierlich intakt. Auch hier ist entscheidend, wie sich die klinische Situation vor Ort darstellt und dass der Patient kontinuierlich überwacht wird. In jedem Fall ist abzuwägen, ob nur wegen eines niedrigen GCS von ≤ 8 eine endotracheale Intubation durchzuführen ist. Kann es gelingen, mit guter Einschätzung der klinischen Situation und Erfahrung von einer endotrachealen Intubation Abstand zu nehmen, ist dem Patienten am Ende unter Umständen eher geholfen als mit einer erzwungenen Intubation, die fatal verläuft. Achtung Im Rahmen einer präklinischen durchgeführten endotrachealen Intubation besteht immer eine erhöhte Aspirationsgefahr.
Info Entscheidungsfindung – Fortsetzung Ein alleiniger GCS von ≤ 8 ist genauso wenig ein generelles Intubationskriterium wie ein isoliertes SHT. Erst die Kombination von mehreren klinischen Faktoren führt in der Gesamtheit der neurologischen Situation des Patienten zu der Entscheidung, diesen endotracheal zu intubieren, um einen Aspirationsschutz mit entsprechender Oxygenierung zu generieren.
Statusüberprüfung Ventilations- und Oxygenierungsstörung Die Feststellung, unter welcher Form der respiratorischen Störung der Patient leidet, ist in der präklinischen Situation wegen fehlender Diagnostika nicht immer genau zu treffen und deshalb für das Team vor Ort oft schwierig. Ein Patient, der anamnestisch aus einem verrauchten Haus gerettet, dort mutmaßlich giftigen Gasen ausgesetzt war, mit verbrannten Nasenhaaren und Augenbrauen, möglicherweise Stridor und mit einem rußigen Oropharynx imponiert, gehört wegen des hochgradigen Verdachts auf ein Inhalationstrauma so früh wie möglich endotracheal intubiert. Hier kann wegen der begleitenden Kohlenmonoxidvergiftung mit den normalen diagnostischen Mitteln keine sichere Einschätzung der respiratorischen Situation erfolgen. Eine Sauerstoffsättigung würde ggf. falsch ausreichende Werte liefern. Dem Patienten dann über
einen langen Zeitraum die möglicherweise lebenswichtige, hoch dosierte Sauerstofftherapie vorzuenthalten, wäre nicht gerechtfertigt. Point-of-Care-Devices bei Ventilations- und Oxygenierungsstörung: Der Einsatz von Point-of-Care-Devices (POC) wie z. B. eine Blutgasanalyse kann absolut sinnvoll sein. Diese würde je nach Ausstattung unterschiedliche Messparameter bedienen, die eine differenziertere Einschätzung der klinischen Situation des Patienten ermöglichen würde. An dieser Stelle sei erwähnt, dass gerade vor dem Hintergrund schwer diagnostizierbarer Kohlenmonoxidvergiftungen nach z. B. Rauchgasintoxikationen im Rettungsdienst ein POC-Device über die Möglichkeit verfügen sollte, Carboxyhämoglobin zu bestimmen. Achtung Zusatzinfo Carboxyhämoglobin (CoHB): • Kohlenmonoxid hat eine deutlich höhere Affinität zu Hämoglobin als Sauerstoff (ca. 200- bis 300-mal). • Dadurch wird Sauerstoff vom Hämoglobin verdrängt und die Oxygenierung der Organe kann nicht in ausreichendem Maße stattfinden. • Ab einer Konzentration von 15–20 % ist mit klinischen Symptomen wie Schwindel, Kopfschmerzen, Übelkeit, Dyspnoe und weiteren neurologischen Ausfällen zu rechnen (Normalwert ca. 0,7–1,4, bei langjährigem Nikotinabusus bis 10 %). • Pathologie ist abhängig von der Dauer der Exposition.
• Auch eine Laktatazidose kann hinweisend sein, da der Körper auf anaerobe Energiegewinnung umstellt. • Die Therapie besteht in einer (hyperbaren) O2-Therapie Die Eliminationshalbwertzeit (HWZ) von CO bei der Atmung von Raumluft beträgt ca. 320 Minuten und lässt sich durch das Atmen von 100 % Sauerstoff auf etwa 70 Minuten senken Bei der Therapie mit hyperbarem Sauerstoff (pO2 von 2,5 bar) reduziert sich die HWZ auf etwa 20 Minuten
Auch könnte diese einen entsprechenden Therapieerfolg auf dem Weg in die Klinik belegen, oder ggf. eine Anpassung der Maßnahmen rechtzeitig anzeigen. Bedauerlicherweise sind diese Ausstattungen aufgrund von Kosten und Einweisungsaufwand in der präklinischen Akutmedizin (noch) die Ausnahme. Deshalb soll hier anhand von den beiden häufigsten Krankheitsbildern etwas Entscheidungshilfe gegeben werden. Hypoxische respiratorische Insuffizienz Diese Atmungsstörung wird auch Oxygenierungsstörung genannt oder früher Partialinsuffizienz. Dem Körper des Patienten wird nicht ausreichend Sauerstoff zur Verfügung gestellt, weil der physiologische Gasaustausch an den Interalveolarsepten behindert ist. Dies kann z. B. durch ein kardial bedingtes Lungenödem entstehen. Ursächlich hierfür könnte wiederum eine akute Herzinsuffizienz aufgrund eines Myokardinfarktes sein. Dieser Patient benötigt zum einen eine medikamentöse Therapie der akut
aufgetretenen Herzinsuffizienz und zum anderen eine deutliche Verbesserung der Oxygenierung. Außerdem sollte der Patient eine möglichst ausreichende Auswurfleistung (Ejektionsfraktion, EF) des Herzens erbringen können (➤ Kap. 2). Eine kreislaufbelastende Narkose ist hier unter Umständen kontraproduktiv. Diese Patienten profitieren von einer an den Bedarf angepassten Vorlastsenkung mit Morphin und Nitroglycerin. Die vorsichtige Gabe von Nitroglycerin, idealerweise zur besseren Steuerung über Perfusor, kann hilfreich sein, wenn eine hypertensive Kreislaufsituation besteht. Bei einer hypotensiven Kreislaufsituation wären Inotropika (z. B. Dobutamin) und zusätzliche milde Volumensubstitution („never kick an empty ventricle“) das Mittel der Wahl. Die Gabe von Furosemid als Standard wird aktuell wieder kontrovers diskutiert und kann nur eingeschränkt empfohlen werden. Zur Verbesserung der Oxygenierung ist hier eine NIVTherapie das Mittel der ersten Wahl. Der Patient ist wach und nicht durch Narkotika kardiopulmonal kompromittiert. Das Morphin sorgt über das venöse Pooling für eine Vorlastsenkung und beruhigt und sediert den Patienten zeitgleich, sodass die NIV-Therapie besser toleriert wird. Das Nitroglycerin, idealerweise über Perfusor appliziert, senkt die Vorlast und der Patient sollte in einer Herzbettsituation gelagert sein. Auf diese Weise wird auch die NIVUnterstützung besser toleriert und die Lunge entsprechend vom Zwerchfelldruck entlastet. Der über die NIV-Maske generierte Beatmungsdruck sollte schrittweise an den Bedarf angepasst werden, jedoch weder zu niedrig (Zunahme des Dyspnoe-Gefühls) noch zu hoch (unangenehme Überblähung) sein.
Achtung Furosemid gehört seit Jahrzehnten zur Standardtherapie bei Patienten mit akut exazerbierter Herzinsuffizienz und Lungenödem. Auch wenn dies seit Jahren ein etabliertes pharmakologisches Mittel ist, empfiehlt es sich, die Studien der letzten Jahre genau zu lesen, zu interpretieren und ggf. kontrovers zu diskutieren. Hierbei kommt man unweigerlich zu dem Schluss, dass eine generelle und reflexartige Applikation eines Schleifendiuretikums ohne Beachtung der Gesamtsituation obsolet ist. Folgende Gründe sind hier anzuführen: • Nicht immer besteht bei dem Patienten eine Volumenüberladung. Oftmals ist das vorhandene Volumen des Körpers nur falsch verteilt. • Schleifendiuretika aktivieren bei nicht fachgerechter Indikation auch das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) und wirken so kompromittierend auf die akute und chronische Herzinsuffizienz ein. • Schleifendiuretika führen über das RAAS in obigem Fall zu einer Zunahme der Sympathikusaktivität und damit zu einer zusätzlichen Umverteilung aus dem Splanchnikusgebiet und verschlechtern so unter Umständen die Symptomatik der Herzinsuffizienz. • Schleifendiuretika reduzieren die linksventrikuläre Pumpfunktion; ein Effekt, der bei einer akuten Herzinsuffizienz unerwünscht ist.
Hyperkapnische respiratorische Insuffizienz Bei dieser Atmungsstörung, die früher auch als respiratorische Globalinsuffizienz bezeichnet wurde, kommt es aus unterschiedlichen Gründen zu einer CO2-Retention in der Lunge. Die Lunge kann das CO2 nicht mehr abatmen. In der Blutgasanalyse (BGA) ist eine Hyperkapnie durch einen pCO2 > 45 mmHg definiert. Ursache hierfür ist meistens eine mechanische Störung der Atmung. Deshalb wird manchmal auch von einer Ventilationsstörung gesprochen. Die Lunge ist nicht mehr in der Lage, in ausreichendem Maße eine Inspiration zur Sauerstoffgewinnung zu etablieren, und gleichzeitig kann die Lunge auch das angefallene Kohlendioxid über die Exspiration nicht mehr aus dem Körper eliminieren. Durch die mangelhafte Inspiration kommt es darüber hinaus zusätzlich zu einer Oxygenierungsstörung, da dem Körper nicht genügend Sauerstoff zur Hb-Anreicherung zugeführt werden kann. Deshalb früher der Begriff der Globalinsuffizienz, also eine Kombination aus Ventilations- und Oxygenierungsstörung. Klinische Beispiele sind ARDS, Herz-Kreislauf-Stillstand (akut) oder auch die Lungenfibrose (chronisch). Statusüberprüfung Beatmungstherapie Wie gelingt die Feststellung, ob ein Patient beatmungspflichtig ist oder nicht? Patienten, die eine Beatmungstherapie benötigen, sind nicht mehr in der Lage, ihre Organsysteme in ausreichendem Maße mit Sauerstoff zu versorgen. Die Gründe dafür sind vielfältiger physiologischer Natur (s. o.).
Es gibt aber auch strukturelle und strategische Indikationen für eine Beatmungstherapie. Zum Beispiel gehört ein Patient unter laufender Reanimation und/oder mit Zustand nach Herz-KreislaufStillstand in jedem Fall endotracheal intubiert und beatmet (Goldstandard), bis die Ursache innerklinisch geklärt ist. Unabhängig davon, ob das auslösende Ereignis hypoxischer oder kardialer Genese ist, benötigt der Patient in den allermeisten Fällen eine mindestens 24-stündige Überwachung der Körperkerntemperatur sowie eine erweiterte Diagnostik in der Klinik. Deshalb ist auch eine Versorgung eines Patienten mit Zustand nach Reanimation und ROSC in einer geeigneten Klinik essenziell. Eine geeignete Klinik verfügt idealerweise über die Möglichkeit, eine Herzkatheteruntersuchung (HKU), eine Intensivtherapie, eine mechanische oder medikamentöse Fieberprävention und eine CT-Diagnostik durchzuführen. Merke • Die aktuelle Evidenz zeigt keinen Vorteil einer therapeutischen Hypothermie gegenüber einer Fieberprävention bei Patienten nach außeroder innerklinischem Herz-KreislaufStillstand. Vielmehr wird dem Behandlungsteam die Auswahl der Zielparameter empfohlen, idealerweise in einem lokalen Handlungsalgorithmus. • Es gibt Studienergebnisse, die darauf hindeuten, dass Patienten mit längerer No-
Flow-Zeit nach CPR von einer neuroprotektiven Hypothermie eher profitieren als Patienten mit kurzer No-FlowZeit
Fazit Wann endotracheal intubieren? Wenn die Statusüberprüfung der Neurologie und der Ventilationsund Oxygenierungsstörung ergeben hat, dass eine endotracheale Intubation die Best Practice für den Patienten darstellt. Selbstreflexion und wichtigste Fragestellung: Benötigt dieser Patient einen invasiven Atemweg oder gibt es Alternativen? Vor dem Handeln erst nachdenken und dabei daran denken, niemals eine Intubation zu erzwingen, wenn auch andere Optionen den Patienten nicht schlechter versorgen! Wer intubiert? Die endotracheale Intubation erfolgt durch den erfahrensten Mitarbeiter im Team der nachweislich mindestens 100 Intubationen erlernt und nachfolgend mindestens 10/Jahr durchgeführt hat. Alle anderen Personen sollten im Interesse der Patienten und im Eigeninteresse von einer endotrachealen Intubation Abstand nehmen, auch dann, wenn sich dies durch die neuen Intubationshilfen wie z. B. die Videolaryngoskopie als vermeintlich einfach darstellt (AWMF-S1-Leitlinie „Prähospitales Atemwegsmanagement“).
4.1.2. Evaluation des Atemwegs – Beurteilung der Schwierigkeit
Zur Beurteilung der Schwierigkeit einer endotrachealen Intubation kann man sich verschiedener Hilfsmittel bedienen, die eine zufriedenstellende Risikoabschätzung ermöglichen. Eine Risikoabschätzung ist wichtig, um auf mögliche Intubationshindernisse ausreichend vorbereitet zu sein. Man unterscheidet zum einen Schwierigkeiten, die anatomisch oder klinisch bedingt sind und für die es seit Jahrzehnten etablierte Entscheidungskriterien gibt, und zum anderen Schwierigkeiten struktureller Art, wie Ort, Setting oder auch das Rettungsdienstteam. Anatomische und klinische Schwierigkeiten Die Anatomie des Menschen unterliegt einer hohen Diversität. Somit ist nicht jeder Mensch gleich gut oder schlecht endotracheal zu intubieren. Man unterscheidet äußerlich erkennbare Unterschiede, die Einfluss auf den Intubationserfolg haben können von denen, die erst mit der Einstellung der Epiglottis invasiv offensichtlich werden. Fliehendes Kinn Bei einem Patienten mit fliehendem Kinn (mandibuläre Retrognathie) liegt der Unterkiefer anatomisch gesehen im Vergleich zum Oberkiefer zu weit hinten (➤ Abb. 4.2). Ursache kann eine angeborene genetische Fehlbildung oder aber auch eine physiologische Erscheinung sein. Bei der endotrachealen Intubation ist meistens (wenn überhaupt) nur die hintere Kommissur zu sehen und deshalb ein Platzieren des Endotrachealtubus auch für den geübten Anästhesisten oft schwierig.
Abb. 4.2 Fliehendes Kinn (mandibuläre Retrognathie) [E1100]
Mikrogenie/Mikrognathie Zu den weiteren offensichtlichen anatomischen Besonderheiten zählt die Mikrogenie oder Mikrognathie, einem insgesamt zu kleinen Ober -oder Unterkiefer. Mögliche Gründe dafür sind z. B. das PierreRobin-Syndrom, das Treacher-Collins-Syndrom oder das KlippelFeil-Syndrom (➤ Abb. 4.3).
Abb. 4.3 Mikrognathie, hier als Beispiel das Klippel-FeilSyndrom [F320-004] Hilfreich ist hierbei die Beurteilung der tyreomentalen Distanz (TMD). Ist diese bei überstrecktem Kopf < 7 cm, ist ebenfalls von einer erschwerten Intubation auszugehen. Auch bei Patienten mit einer noch nicht versorgten oder bereits operativ versorgten Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte kann die endotracheale Intubation eine Herausforderung sein (➤ Kap. 9). Merke Der Begriff Mikrognathie wird in der Literatur nur für die Hypoplasie des Oberkiefers im Gegensatz zur Mikrogenie des Unterkiefers verwendet. Bei einer Rückverlagerung und keiner Größenänderung des Kiefers spricht man von einer mandibulären oder auch maxillären Retrognathie.
Neben den genannten anatomischen Besonderheiten können u. a. folgende weitere Schwierigkeiten zu einer Intubationsproblematik führen: • Vorhergehende Bestrahlung des Larynx, Pharynx oder des Gesichtsbereichs • Vorhergehende Operation im Bereich von Larynx, Pharynx oder Schilddrüse • Struma (Schilddrüsenvergrößerung im Allgemeinen) • Trachealdeviation durch Tumor oder Einblutung • Makroglossie bei Adipositas oder angeboren (wird durch Mallampati-Check meistens, aber nicht immer sichtbar) • Infektionsgeschehen, Abszesse im Mund-/Rachenbereich • Kieferluxation oder Kieferklemme • Mittelgesichtsfrakturen (Le Fort I–III), starke Blutungen • HWS-Frakturen (eingeschränkte Reklination) • Angeborene oder erworbene Wirbelsäulenfehlstellungen • Desolater Zahnstatus mit Gefahr der Luxation von schadhaften Zähnen und akzidenteller Verlegung des Luftwegs • Verbrennungen im Gesicht mit Schwellungen und Ödemen • Verlegung der Atemwege durch Aspiration von Fremdmaterialien (z. B. Nüsse, Murmeln oder auch ganze Brote) Evaluation der Schwierigkeit des Atemwegs Unterlippenbeißtest
Im Jama beschrieben Detsky et al. 2018 den Unterlippenbeißtest (➤ Abb. 4.4). Hier wird der Patient angehalten, mit den Zähnen des Unterkiefers über die Oberlippe (Vermilion-Grenze) zu beißen. Gelingt dies nicht, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer schwierigen endotrachealen Intubation auf 60 %. Dieser Test lässt sich nur dann sicher anwenden, wenn sowohl Ober- als auch Unterkiefer über einen ausreichenden Zahnstatus verfügen.
Abb. 4.4 Vermilion-Grenze (a) und Unterlippenbeißtest (b) [J787, P1381]
Mallampati-Score Seshagiri Mallampati, ein indischer Anästhesist, war von 1971 bis 2017 in Boston, Massachusetts, tätig. Er entwickelte 1985 über eine Studie mit 210 Patienten einen Score, der bis heute seine Gültigkeit hat und in der Anästhesie weltweit Anwendung findet. Mallampati beurteilte in seiner Studie anhand von Zungengröße, Sichtbarkeit von weichem Gaumen und Uvula die Erfolgswahrscheinlichkeit bzw. Schwierigkeit einer endotrachealen Intubation. Die Beurteilung der Faktoren erfolgt am aufrecht sitzenden oder stehenden Patienten mit
maximal herausgestreckter Zunge. Dies stellt zugegebenermaßen in der präklinischen Notfallmedizin eine Herausforderung dar, sollte aber wenn möglich bei liegenden Patienten immer durchgeführt werden (➤ Abb. 4.5).
Abb. 4.5 Mallampati-Score [G1271/L106] Mallampati I: Uvula, harter und weicher Gaumen sind klar sichtbar, seitliche Gaumenbögen sind klar erkennbar und abgrenzbar, Uvula berührt den Zungenhinterrand nicht. Mallampati II: Die seitlichen Gaumenbogen sind nicht mehr komplett sichtbar, die Uvula berührt den Zungengrund bzw. die Spitze der Uvula ist nicht mehr sichtbar. Mallampati III: Weicher und harter Gaumen sind sichtbar, Uvula ist nicht zu erkennen. Mallampati IV: Der weiche Gaumen ist nicht mehr sichtbar, nur der harte Gaumen ist erkennbar.
Cormack-Lehane-Klassifikation
Es gibt anatomische Schwierigkeiten, die nicht auf den ersten Blick äußerlich offensichtlich sind. Mitte der 1980er-Jahre entwickelten Cormack und Lehane eine Klassifikation zur Beurteilung der Schwere einer Intubation. Die ursprüngliche Klassifikation in 4 Grade wurde in den 1990er-Jahren durch Cook et al. modifiziert und die Grade 2 und 3 noch einmal in a und b unterteilt. In der Präklinik ist der Erkenntnisgewinn aus dieser Klassifikation gering. Da die Beurteilung nur unter direkter Laryngoskopie ohne externe Larynxmanipulation ausgeführt werden kann, befindet sich der Patient bereits in Narkose. Eine vorhergehende Risikoabschätzung ist deshalb nicht möglich. Allerdings werden sorgfältige Anästhesisten Patienten, die mit Cormack/Lehane 3–4 klassifiziert werden, immer einen Ausweis ausstellen, sodass bei wiederholten endotrachealen Intubationen die nachfolgenden Kollegen entsprechend vorbereitet sind. In so einem Fall ist die Information von erheblicher Bedeutung. Auch bei der Übergabe im Schockraum an den übernehmenden Anästhesisten muss die Intubationsschwierigkeit entsprechend benannt und nach Cormack/Lehane klassifiziert und dokumentiert werden. Abbildung ➤ Abb. 4.6 zeigt die Einteilung nach Cormack/Lehane aus den 1980er-Jahren ohne Modifikation nach Cook et al.: • 1: Gesamte Stimmritze sichtbar und einstellbar • 2: Stimmritze oder hintere Kommissur sichtbar oder teilweise sichtbar • 3: Stimmritze nicht einsehbar, Epiglottis einstellbar • 4: Epiglottis nicht sichtbar und einstellbar
Abb. 4.6 Cormack-Lehane-Klassifikation aus den 1980er-Jahren ohne Modifikation [G1259/L157] Cook et al. unterteilen Punkt 2 noch in die Visualisierbarkeit der Aryknorpel oder nur sichtbare Anteile der Stimmritze und bei Punkt III, ob die Epiglottis mit Spatel aufrichtbar wäre oder nicht (➤ Abb. 4.7).
Abb. 4.7 Cormack-Lehane-Klassifikation mit Modifikation nach Cook et al. [G860-001] Der klinische Nutzen dieser Klassifikation hat seine Berechtigung v. a. bei Wiederholungsnarkosen oder/und in der Dokumentation
von Anästhesieausweisen. 3-3-2-Regel Als Hinweis auf erschwerte endotracheale Intubationsbedingungen ist die 3-3-2-Regel eine weitere Möglichkeit der klinischen Einschätzung. Sie setzt sich aus folgenden Schritten zusammen (➤ Abb. 4.8):
Abb. 4.8 3-3-2-Regel als Hinweis auf erschwerte endotracheale Intubationsbedingungen [L231/O1097] a) 3 Querfinger zwischen den Schneidezähnen b) 3 Querfinger von Kinn bis zum Hyoid c) 2 Querfinger Hyoid bis Thyroid Prüfen der Mundöffnung: Der Abstand sollte drei Querfinger zwischen der oberen und unteren Zahnreihe betragen, um ein optimales Einführen des Laryngoskops zu ermöglichen.
Prüfung des mentohyoidalen Abstands: Zwischen dem Zungenbein und der Spitze des Unterkiefers sollten drei Querfinger zu platzieren sein. Ein verkürzter Abstand kann ein Hinweis auf eine erschwerte Visualisierung der Glottis sein. Prüfen des thyreomentalen Abstands: Zwischen dem Schildknorpel und dem Kinn sollten zwei Querfinger zu platzieren sein. Die Untersuchung erfolgt bei rekliniertem Kopf. Hierbei kann ein größerer Abstand auf einen tiefsitzenden Kehlkopfeingang hinweisen. Somit kann der Kehlkopfeingang nicht gut dargestellt werden, da es schwierig sein kann, die Vallecula mit dem Laryngoskopspatel zu erreichen und die Epiglottis anzuheben. Ein verkürzter Abstand kann darauf hinweisen, dass der Kehlkopfeingang von der Zungenwurzel verdeckt wird und somit die Visualisierung der Stimmebene nicht gelingt. Strukturelle Schwierigkeiten Ort/Setting: Unter kontrollierten Bedingungen mit allen technischen und personellen Möglichkeiten im klinischen Alltag eine endotracheale Intubation durchzuführen, ist ein großer Unterschied und sehr viel einfacher als die Durchführung einer endotrachealen Intubation in einem präklinischen Setting. Merke Das Ziel sollte sein, eine endotracheale Intubation in einem nicht sicheren Setting unbedingt zu vermeiden!
Grundsätzlich gilt die Regel, dass man dort endotracheal intubiert, wo man die bestmöglichen Bedingungen hat. Konkret bedeutet dies: Man wählt einen ruhigen, hellen, gut zugänglichen und möglichst weiträumigen Ort, in dem alle präklinisch verfügbaren Ressourcen vorhanden sind und alle beteiligten Kräfte ausreichend Platz haben. Dies ist meistens der stehende (!) Rettungswagen, es kann aber auch die Wohnung sein, in der das Equipment aus dem Rettungswagen zum Einsatz kommt. Praxistipp Es ist für eine gelungene endotracheale Intubation essenziell, dass man sich eine grundsätzliche Struktur parat legt, die man je nach Örtlichkeit den sich verändernden Gegebenheiten anpassen kann.
Team/Erfahrung: Ein funktionierendes Team ist entscheidend. Dies fängt damit an, dass man eine minimale Anzahl an erfahrenen und an dem Equipment gut ausgebildeten und geschulten Personen benötigt. Eine endotracheale Intubation mit nur zwei Personen am Notfallort wird in der Regel scheitern. Wir empfehlen grundsätzlich eine offene und direkte Kommunikation sowie mindestens drei erfahrene Personen für die Durchführung einer präklinischen endotrachealen Intubation. Wir geben deshalb folgende Empfehlung, ohne an dieser Stelle festlegen zu wollen, wo und wie das exakte Gerätesetting aussehen könnte:
• Intubierender: Die Person mit der meisten Erfahrung führt die endotracheale Intubation durch und ist bei der Intubation gleichzeitig Teamleader. Nicht zu verwechseln mit der Teamleitung bei einer CPR, bei der die Teamleitung idealerweise ohne eine Hands-on-Aufgabe die Führung übernimmt. • Intubationsassistenz: Diese Person bereitet die Intubation, Absaugbereitschaft und das Beatmungsgerät vor. Sie überprüft Laryngoskop, Beleuchtung, Absaugung, Beutel mit Demandventil und das Beatmungsgerät auf Funktionstüchtigkeit. Außerdem klärt sie das Setting und sorgt für angenehme Intubationsbedingungen (Wärmeregulierung, Minimierung der Störgrößen, Information und Anweisungen an Dritte). • Narkosemanager: Diese Person zieht die Medikamente auf, legt diese bereit und appliziert sie auf Anweisung des Teamleaders. Er kümmert sich um die obligatorischen zwei peripheren venösen Zugänge und sichert sie. Die Medikamente werden dem Teammanager gezeigt und seine Anweisungen werden wiederholt und mit einem Wort bestätigt. Das Narkosemanagement kümmert sich auch um die Bereitstellung von Perfusoren und nimmt diese in Betrieb. Achtung Wichtig! Vor jeder endotrachealen Intubation gibt es ein TeamTime-Out! Der Teamleader fragt die Checkliste entsprechend dem individuell vereinbarten Vorgehen ab. Erst wenn alle Punkte
zufriedenstellend bestätigt wurden, wird die Intubation durchgeführt.
Praxistipp Checkliste Intubationsassistenz mit übersichtlicher Ablage der Materialien (wenn vorhanden auf Intubationsschablone, ➤ Abb. 4.9): • Laryngoskop funktionsfähig (größter Spatel vorhanden) • Tubus in zwei Größen vorhanden, Cuffdruckmessung vorhanden, Blockerspritze • Second Airway Device (Larynxmaske oder Larynxtubus/ggf. Koniotomieset) vorhanden • Absaugung griffbereit und funktionstüchtig (JankauerAbsaugung verfügbar?) • Beatmungsbeutel wenn möglich mit Demandventil vorhanden • Beatmungsgerät betriebsbereit und Einstellungen nach Ansage der Teamleitung vorgenommen • Tubusfixierung, CO2-Messung vorbereitet, Stethoskop vorbereitet • Setting optimiert, Gaffer aus dem unmittelbaren Umfeld entfernt, ideale Bedingungen geschaffen Checkliste Narkosemanager: • Beide Zugänge gut gesichert (mit z. B. adhäsiver Mullbinde) und funktionsfähig
• Medikamente aufgezogen und beschriftet (Divi-Aufkleber) • Perfusor vorbereitet • Katecholamine in Reichweite oder bereits vorbereitet Checkliste Teammanager: • Für ein entspanntes Setting ist gesorgt • Ruhiges Arbeitsumfeld hergestellt • Rückmeldungen von Narkosemanagement und Intubationsassistenz zufriedenstellend • Intubationsschwierigkeiten detektiert und im Team kommuniziert
Abb. 4.9 Intubationsschablone als Möglichkeit für eine übersichtliche Ablage der Materialien [W961-002]
Praxistipp Nach erfolgreicher endotrachealer Intubation wird immer primär erst manuell mit Beatmungsbeutel und – wenn vorhanden – mit Demandventil ventiliert. Auf diese Weise lassen sich mögliche Fehlintubationen sowie Probleme mit der Narkosetiefe oder
Equipment anhand der manuellen Beatmung am ehesten detektieren. Die Umstellung auf maschinelle Beatmung kann, muss aber nicht im weiteren Verlauf erfolgen. Der in der Narkoseführung weniger geübte Mediziner sollte bei den Muskelrelaxanzien auf Succinylcholin zurückgreifen, weil dieses Medikament erheblich schneller eliminiert wird und so bei problematischer Intubation der Patient schneller wieder einen Muskeltonus zurückerlangt und dann ggf. wieder in die Spontanatmung zurücküberführt werden kann.
4.1.3. Grundlagen zur Technik First Pass Success! Im Prinzip ist alles eine Frage der Technik. Die endotracheale Intubation lernt man regelhaft in der anästhesiologischen Abteilung einer Klinik und meistens lernt man das Intubieren von vielen unterschiedlichen Personen. Was nachteilig klingen mag, ist in Wirklichkeit ein großer Vorteil, denn jeder Ausbilder vermittelt andere Kniffe und Tricks, um im Notfall schwierige Intubationen zu umschiffen. So empfehlen wir dem medizinischen Fachpersonal, sich die unterschiedlichen Techniken anzusehen und aus den vielen Varianten die für sich selbst richtige Herangehensweise zusammenzusetzen. Über die Lagerung und bestimmte Techniken wird im weiteren Verlauf des Kapitels eingegangen, wir möchten an dieser Stelle jedoch ein paar grundlegende Basics vermitteln:
1. Der Patient liegt im Regelfall auf dem Rücken und wenn keine HWS-Problematiken bestehen, ist der Kopf leicht überstreckt und einigermaßen fest arretiert. 2. Das Laryngoskop wird immer in der linken Hand gehalten, der Tubus wird in der rechten Hand geführt. 3. Das Laryngoskop ist kein Hebelwerkzeug, sondern ein Zugwerkzeug. Dies bedeutet, dass sich das Laryngoskop vom Oberkiefer und der Nase in Richtung RTW- oder Zimmerdecke fließend wegbewegt (➤ Abb. 4.10). 4. Der Kiefer wird durch Kreuzgriff aufgespannt. Wichtig: Ein relaxierter Kiefer lässt sich weit aufspannen. Hierfür muss ein mittelstarker Widerstand überwunden werden, mit dem Vorteil, dann freie Sicht auf die Epiglottis zu bekommen. 5. Es sollte der größtmögliche Spatel verwendet werden. Ist der Spatel zu klein, schiebt sich die Zunge über den Laryngoskopspatel und versperrt die Sicht auf die Trachea (➤ Abb. 4.22). Ist der Mund kleiner, muss der Laryngoskopspatel nicht vollständig eingeführt werden. Es reicht dann, nur die Spitze des Spatels zu verwenden und diese zu betonen. 6. Schwierig für den Intubierenden sind kleine Mundöffnungen. Auch wenn man gute Sicht auf die Epiglottis und die Stimmritze hat, kann es so aussehen, dass für den Tubus nicht genügend Platz vorhanden wäre. Auch beim Videolaryngoskop kann sich das mitunter als größtes Problem darstellen. Hier empfiehlt es sich, den Tubus um 90° nach rechts zu drehen, sodass der Tubuskonnektor nach rechts zeigt. Nun kann man den Tubus vorschieben. Die
Technik der 90°-Drehung ist auch hilfreich, wenn die Tubusspitze an die vordere Kommissur der Stimmritze stößt oder der Tubus sich nicht einfach über die anterioren Trachealringe vorschieben lässt (➤ Abb. 4.11).
Abb. 4.10 Technik konventionelle Laryngoskopie mit gebogenem Spatel [G860-003]
Abb. 4.11 Tubusdrehung um 90° [O1097]
V ide o 9 0°- D re hu ng T u b u s https://www.youtube.com/watch?v=ol84WvI2zsw 7. Kinder haben eine andere Anatomie und eine subglottische Enge. Ein auf den ersten Blick passender Tubus kann zu groß gewählt sein und entsprechend nicht passen (➤ Kap. 9.3 über schwierige Beatmung von Kindern). 8. Die Frage nach dem Führungsstab in der präklinischen endotrachealen Intubation lässt sich auch leicht beantworten: Führungsstab wegen der besseren Stabilität ja, aber den starren integrierten Führungsstab über das Tubusende rausgucken lassen, wegen der Verletzungsgefahr eher nein. Achtung Grundsätzlich ist die endotracheale Intubation ein sehr filigraner Vorgang. Man etabliert einen starren Plastikschlauch durch ein reich enerviertes und vaskularisiertes Gewebe in die Trachea. Hier ist extreme Vorsicht und Sorgfalt geboten. Gewalt, Druck und
Erzwingen haben hier keinen Platz, will man sich nicht noch zusätzliche Baustellen aufmachen.
4.2. Lagerungstechniken zur Intubation Bei der endotrachealen Intubation handelt es sich um eine kritische Maßnahme, da sie der Sicherung der Vitalfunktion Atmung dient. Ein Patient, der vorher schlecht geatmet hat, wird nach Einleitung einer Narkose nicht mehr atmen, sodass der Atemweg und damit die Ventilation gesichert werden muss. Die endotracheale Intubation stellt hierbei den Goldstandard der Atemwegssicherung dar. Insbesondere im Rahmen der Notfall- bzw. Rettungsmedizin muss häufig unter deutlich schlechteren Bedingungen als in ein einem Operationssaal (OP) gearbeitet werden, wo die meisten der Anwender ihre Expertise im Bereich der Atemwegssicherung gesammelt haben. Aus diesem Grund kommt der Vorbereitung dieser Maßnahme eine entscheidende Bedeutung zu. Neben der Vorbereitung der zur endotrachealen Intubation benötigten Materialien ist die Lagerung des Patienten von entscheidender Bedeutung, da die erfolgreich durchgeführte Intubation häufig von der korrekten Lagerung des Patienten abhängig ist. Insbesondere in der präklinischen Notfallmedizin finden wir Patienten häufig auf dem Boden oder in anderen, eher suboptimalen Positionen vor. Da die Bedingungen dort sowieso schon schlechter sind als in der Klinik, sollte hier besonders auf eine gute Lagerung geachtet werden. Der Patient sollte, wann immer die Möglichkeit besteht, aus der Auffindeposition auf die Rettungstrage umgelagert
werden. Hier haben wir neben der Möglichkeit die Höhe der Trage einzustellen auch die Möglichkeit verschiedene Lagerungspositionen zu ermöglichen. Es ist nie zielführend, eine kritische Maßnahme unter schlechten Bedingungen durchzuführen und damit den Erfolg zu gefährden. Da dem First Pass Success im Rahmen der endotrachealen Intubation ein hoher Stellenwert zugeschrieben wird, sollte man sich die Zeit nehmen, die Bedingungen für die endotracheale Intubation, auch in der Notfallmedizin, weitestgehend zu optimieren. Merke Die beste Lagerungstechnik zur endotrachealen Intubation ist die, die einen leichten Zugang im Rahmen des Airwaymanagements ermöglicht. Im Folgenden werden zwei Standardlagerungen näher betrachtet, die Sniffing Position und die Ramped Position, die beide korrekt ausgewählt Vorteile bringen. Sniffing Position Die Sniffing Position oder Schnüffelposition bzw. verbesserte Jackson-Position ist die Position, in der im Regelfall eine endotracheale Intubation durchgeführt wird. Sie ist die klassische Lagerung des Patienten zur Intubation im OP. Der Kopf wird hierbei mit einem ca. 5–10 cm hohen Kissen unterpolstert und rekliniert. Die durch diese Lagerung verursachte Extension im Atlantookzipitalgelenk und Flexion in der unteren Halswirbelsäule führt dazu, dass die orale, pharyngeale und laryngeale Achse nahezu
eine Linie bilden und dem Anwender die Sicht auf die Glottis ermöglichen, wie ➤ Abb. 4.12 zeigt. Hierdurch wird bei einem flach auf dem Rücken gelagerten Patienten die bestmögliche Intubationsbedingung geschaffen.
Abb. 4.12 Sniffing Position: orale Achse (OA), pharyngeale Achse (PA) und laryngeale Achse (LA) für Intubation [E1168-002] A) Nicht ausgerichtete Position. B) Der Kopf ruht auf einer Unterlage, was zu einer Beugung des Halses führt und PA und LA ausrichtet. C) Der Kopf ruht auf einer Unterlage, was zu einer Beugung des Halses führt und die Verlängerung des Halses in die Schnüffelposition, richtet OA, PA und LA aus. D) Streckung des Halses ohne Anheben des Kopfes richtet PA und LA aus, aber nicht OA. Die Sniffing Position ist unter klinischen Bedingungen die Standardposition für eine endotracheale Intubation und kommt auch in der präklinischen Notfallmedizin häufig zur Anwendung.
Insbesondere im Rahmen einer Reanimationssituation, bei der es nicht möglich ist, den Patienten komplikationsfrei umzulagern, wird sie genutzt, um in dieser Situation eine möglichst optimale Sicht auf die Stimmritze zu bekommen. Auch hier sollte der Hinterkopf unterlagert werden. Bei Personen mit einem hohen Body-Mass-Index kann es bei der Durchführung der endotrachealen Intubation zu Problemen kommen. Insbesondere die flache Lagerung führt bei massivem Übergewicht zu einer nicht unerheblichen Einschränkung der funktionellen Residualkapazität. Dies kann selbst bei ausreichender Oxygenierung zu Entsättigung unter dem Intubationsversuch führen. Ein anderes Problem ist die Schwierigkeit, das Laryngoskop einzuführen, da zurückfallendes Fett vom Thorax oder auch große Brüste des Patienten dies verhindern. Aus diesen Gründen ist für massiv übergewichtige Patienten die endotracheale Intubation in der Ramped Position zu empfehlen. Ramped Position Für übergewichtige Patienten wird die Durchführung der endotrachealen Intubation in der sog. Ramped Position empfohlen. Hierzu wird der Oberkörper des Patienten unterpolstert und in eine aufrechte Position gebracht, empfohlen ist hierbei ein Winkel von 25°. Das verhindert zum einen ein Zurückfallen von Fett und ermöglicht so ein komplikationsloses Einführen des Laryngoskops und erhält zum anderen die funktionelle Residualkapazität des Patienten. Der Kopf des Patienten wird überstreckt, optimalerweise befinden sich der äußere Gehörgang und das Jugulum auf einer Linie. Die Lagerung auf einer Linie schafft
einen verbesserten Blickwinkel auf die Glottis und erleichtert dadurch die Intubation. (➤ Abb. 4.13).
Abb. 4.13 Ramped Position [G1258] Die Fachwelt ist sich in verschiedenen Studien noch nicht einig, ob eine Desaturierung wirklich effektiv hinausgezögert werden kann und ob in allen Situationen der Blick auf die Glottis optimiert werden kann, ein Großteil der Studien unterstützt allerdings diese These. Nichtsdestotrotz ist die endotracheale Intubation bzw. das Einführen des Laryngoskops in der Ramped Position deutlich einfacher und erleichtert die Intubation.
Merke Lagerung übergewichtiger Patienten: • Der Lagerung des Patienten kommt bei der endotrachealen Intubation eine entscheidende Bedeutung zu. • Die Sniffing Position ist die Standardlagerung. • Bei der Sniffing Position soll der Kopf 5–10 cm unterpolstert werden. • Patienten mit hohem BMI sollten in der Ramped Position intubiert werden. • Die Ramped Position erleichtert das Einführen des Laryngoskops und verlangsamt die Desaturierung.
4.3. Direkte endotracheale Intubation und weitere Intubationstechniken 4.3.1. Spateltypen Um eine direkte Laryngoskopie durchzuführen, also eine Visualisierung des Pharynx bzw. Larynx durchzuführen, was für eine endotracheale Intubation unverzichtbar ist, benötigt man ein Laryngoskop. Klassischerweise besteht ein Laryngoskop aus einem Laryngoskopgriff mit Akku- oder Batteriebetrieb und einem Laryngoskopspatel. Die Spatel werden in Warm- und Kaltlichtspatel unterschieden. Bei Warmlichtspateln ist im mittleren bis vorderen
Teil des Spatels ein Leuchtmittel verbaut. Im Gegensatz dazu findet sich bei Kaltlichtspateln die Lichtquelle im Laryngoskopgriff, das Licht wird hierbei mittels eines Lichtleiters zur Spatelspitze geleitet. Heute gibt es in vielen Rettungsdienstbereichen und Kliniken die Laryngoskopspatel als Einmalmaterial, was die Reinigung einspart und die Hygiene erhöht. ➤ Abb. 4.14 zeigt die beiden Spatel als Macintosh-Spatel im direkten Vergleich.
Abb. 4.14 Warmlichtspatel nach Macintosh oben und Kaltlichtspatel nach Macintosh unten [V1038] Laryngoskopspatel gibt es in verschieden Formen, als Grundformen lassen sich gerade und gebogene Spatel unterscheiden. In Deutschland ist klassisch der Macintosh-Spatel als gebogener Spatel (➤ Abb. 4.15) vertreten und der Miller-Spatel als gerader Spatel (➤ Abb. 4.16). Beide können sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen eingesetzt werden. Andere gerade Spatelformen sind beispielsweise der Robertshaw-Spatel, der Wisconsin-Spatel
oder der Foregger-Spatel (➤ Abb. 4.17). Gerade Spatel werden bevorzugt bei Kindern eingesetzt, ermöglichen aber auch bei Erwachsenen die Darstellung des Kehlkopfeingangs.
Abb. 4.15 Macintosh-Spatel in verschiedenen Größen [V326]
Abb. 4.16 Miller-Spatel in verschieden Größen [V326]
Abb. 4.17 Gerade Spatelformen [E1261] Aus der unterschiedlichen Form der Spatel (➤ Abb. 4.18) ergeben sich Unterschiede in der Anwendung, die hier noch einmal kurz erläutert werden sollen:
Abb. 4.18 Endform der Spatelblätter [G860-003] Aus der Form des Macintosh-Spatels ergibt sich, dass er mit der linken Hand von links in den Mund eingeführt wird. Mit der äußeren Kante wird dann die Zunge nach links kontrolliert und die Spitze des Spatelblattes in die Vallecula epiglottica eingeführt und durch Druck auf das Ligamentum hyoepiglotticum die Epiglottis angehoben, sodass die Glottis sichtbar wird. Der Tubus wird an der Innenseite des Laryngoskopspatels vorgeschoben, wobei die Krümmung des Tubus einen Richtungswechsel der Spitze ermöglicht, und zwischen den beiden Stimmbändern in die Trachea eingeführt. Der Einsatz eines geraden Spatels ermöglicht das direkte Aufladen der Epiglottis und die Darstellung des Kehlkopfeingangs. Der Vorteil der geraden Spatelblätter findet sich insbesondere bei eingeschränkter Mundöffnung und hochstehendem Kehlkopf. Merke
• Die verschiedenen Formen der Laryngoskopspatel erfordern unterschiedliche Intubationstechniken. • Die beste zu wählende Spatelform für den jeweiligen Anwender hängt von der persönlichen Erfahrung und dem bis dato absolvierten Training ab.
Eine besondere Spatelform, die noch Erwähnung finden sollte, ist der McCoy-Spatel, dessen Bedeutung im Zeitalter der Videolaryngoskopie in den Hintergrund getreten ist (➤ Abb. 4.19). Beim McCoy-Spatel handelt es sich, um einen gebogenen Spatel, dessen Spitze über einen Hebel angehoben werden kann. Durch das Anheben der Spatelspitze im Bereich der Zungenwurzel ist ein zusätzliches Anheben der Epiglottis möglich und damit häufig eine bessere Sicht auf die Glottis.
Abb. 4.19 McCoy-Spatel [L157]
4.3.2. Laryngoskopie und Fremdkörperentfernung Martin von der Heyden, Peter Tendahl Eine akute Verlegung der Atemwege durch Fremdkörper, auch Bolusgeschehen genannt, stellt eine oft plötzlich auftretende und lebensbedrohliche Notfallsituation dar. Im Bereich des Kehlkopfes oder in den unteren Atemwegen einliegende Fremdkörper können über eine respiratorische Insuffizienz zum Herz-Kreislauf-Stillstand führen. Diskutiert wird auch eine vagale Reaktion auf den Fremdkörper, der im Bereich des Kehlkopfes liegt, der letztlich über
eine Bradykardie zum Herz-Kreislauf-Stillstand führt. Problematisch ist, dass aufgrund des Fremdkörpers Basismaßnahmen der Atemwegssicherung häufig ineffektiv sind, da der Fremdkörper die Atemwege verlegt. Typische Stellen für die Lokalisation von Fremdkörpern sind der Oropharynx, der Bereich um den Larynx und je nach Größe auch in der Trachea (➤ Abb. 4.20).
Abb. 4.20 Mögliche Positionen eines Fremdkörpers, dargestellt in blau. Von oben nach unten: oropharyngeal, supraglottisch, tracheal. [L143] Je nach Position können Fremdkörper bereits bei der Inspektion der Atemwege unter dem Punkt A des ABCDE-Schemas auffallen.
Bei tief sitzenden Fremdkörpern ist eine Laryngoskopie erforderlich, um diese zu detektieren. Fremdkörper, die in der Trachea sitzen, verursachen massive Luftnot und sind meist auch einer Visualisierung mit Laryngoskop nicht zugänglich. Die Entfernung des Bolus sollte mit einer Magill-Zange geschehen (➤ Abb. 4.21). Sie ist speziell geformt und an die Anatomie des Mund-Rachen-Raums angepasst. Die Backen der Magill-Zange sind angeraut und haben in der Mitte ein Loch, so kann man mit ihr Fremdkörper besser greifen und auch runde Fremdkörper fassen und entfernen.
Abb. 4.21 Magill-Zange und Darstellung der Zangenbacken [K183]
Merke Ein komplettes Bolusgeschehen stellt eine lebensbedrohliche Notfallsituation dar. Fremdkörper lassen sich in der Regel an drei Stellen finden:
• Oropharynx • Supraglottisch • Tracheal
Vorgehen bei Bolusgeschehen und kompletter Verlegung der Atemwege: • Inspektion der Mundhöhle: Dort vorgefundene Fremdkörper sollten mit einer Magill-Zange oder durch Absaugung entfernt werden. • Langsames Einführen des Laryngoskops unter Sicht. Wird ein supraglottisch gelegener Fremdkörpers sichtbar, sollte dieser mit einer Magill-Zange entfernt werden. • Liegt der Verdacht nahe, dass der Fremdkörper die Trachea verlegt, kann dieser mithilfe eines Endotrachealtubus mit Führungsstab oder eines speziellen Bougie vorgeschoben werden, um nach Möglichkeit eine einseitige Ventilation des Patienten zu ermöglichen. • Das weitere Vorgehen richtet sich nach der Atmung des Patienten. Bei einsetzender Spontanatmung sollte der Patient weiter engmaschig überwacht und unterstützt werden, bei fehlender Spontanatmung muss eine Sicherung der Atemwege mit folgender kontrollierter Beatmung erfolgen. Praxistipp
Bei Verdacht auf eine Fremdköperaspiration sollten möglichst zeitnah typische Lokalisationsorte überprüft werden. Hierzu sollte schon bei der Inspektion der Mundhöhle das entsprechende Material vorbereitet werden.
4.3.3. Klassische endotracheale Intubation Martin von der Heyden, Peter Tendahl Trotz Einführung der Videolaryngoskopie findet die klassische endotracheale Intubationstechnik – auch direkte Intubation genannt – weiterhin eine breite Anwendung in der Notfallmedizin. Die direkte Laryngoskopie stellt ein Verfahren mit hoher Erfolgsrate dar und verursacht nur geringe Kosten in der Vorhaltung und Durchführung. Sie erfordert aber ein hohes Maß an Training und Erfahrung, um sie sicher durchführen zu können. Bestimmte Faktoren können bei der konventionellen Laryngoskopie als limitierende Faktoren angesehen werden und den Intubationserfolg gefährden. Hierzu zählen eine große Zunge, große bzw. überstehende Schneidezähne, eine eingeschränkte Mundöffnung, eine ausgeprägte Mikro- bzw. Retrognathie, eine eingeschränkte Bewegung der Halswirbelsäule bzw. eine Verletzung dieser. Im Rahmen der Notfallmedizin sind weitere Einschränkungen, wie z. B. die Lagerung des Notfallpatienten auf dem Boden, Gefahren des Erbrechens und der Aspiration und Verletzungen im Bereich des Gesichtsschädels und Halses, die mit Blutungen und Schwellungen einhergehen können, zu beachten.
Zur Vorbereitung der endotrachealen Intubation gehört neben der optimalen Lagerung des Patienten die Vorbereitung des benötigten Materials und die Anlage eines kompletten Monitorings sowie ggf. Medikamente zur Einleitung einer Narkose. Im Rahmen einer Notfallintubation ist die Verwendung eines Führungsstabes obligat. Durchführung einer klassischen endotrachealen Intubation: • Das Laryngoskop wird in die linke Hand genommen und im unteren Teil des Griffstücks leicht gefasst. • Mit der rechten Hand und unter Zuhilfenahme des Kreuzgriffes wird der Mund geöffnet. Hierbei sollte darauf geachtet werden, dass keine Hebelwirkung auf die Zähne ausgeübt wird. • Der Spatel des Larnygoskops wird auf der rechten Seite in den Mund des Patienten eingeführt. • Mithilfe des Laryngoskopspatels wird nun die Zunge zur linken Seite gedrückt; dabei ist darauf zu achten, dass die Zunge nicht über den Spatel zurückrutscht (➤ Abb. 4.22). • Nun wird die Spatelspitze in die Vallecula eingeführt und das Laryngoskop vom Oberkiefer und den oberen Zähnen weggedrückt.
Abb. 4.22 A) Korrektes Einführen des Spatels: Zunge zur linken Seite gedrückt; B) Zunge rutscht über den Spatel zurück und behindert die Sicht auf die wichtigen anatomischen Strukturen. [O1097]
Praxistipp Gelegentlich fehlt hier die korrekte Sicht auf die Epiglottis bzw. die Glottis. Gerade bei unerfahrenen Anwendern ist das Laryngoskop oft zu tief oder zu flach eingeführt; hier kann es hilfreich sein, den Spatel langsam vor- bzw. zurückzuschieben.
Bei korrekter Platzierung in der Mittellinie hebt sich nun durch Druck auf das Ligamentum hyoepiglotticum die Epiglottis an und ermöglicht die Sicht auf die Glottisebene. Bei Verwendung eines geraden Spatels wird die Spitze des Spatels unterhalb der Epiglottis platziert und diese direkt angehoben. Der Endotrachealtubus wird von der rechten Seite eingeführt und durch die Stimmritze geführt, bis die Markierung auf Höhe der
Glottis bzw. gerade verschwunden ist. Die Krümmung des Tubus kann genutzt werden, um dessen Spitze entlang des Laryngoskopspatels zu steuern. Praxistipp • Beim Einführen des Endotrachealtubus strikt seitlich arbeiten, um sich nicht selbst mit der rechten Hand die Sicht zu nehmen. • Der Endotracheltubus muss beim Rückzug zwischen den beiden Stimmbändern zu erkennen sein.
Nach Platzierung des Endotrachealtubus sollte noch einmal ein kurzer Kontrollblick auf die anatomische Situation und die Lage des Tubus erfolgen. Das Laryngoskop wird im Anschluss vorsichtig entfernt und der Tubus mit der rechten Hand mit Patientenkontakt gehalten und fixiert. Der Anschluss einer Kapnografie-/-metrie zur Messung des endtidalen Kohlendioxids und zum Feststellen der korrekten Platzierung ist an dieser Stelle obligat (➤ Abb. 4.23).
Abb. 4.23 Einzelne Schritte der endotrachealen Intubation mit Darstellung Kreuzgriff, Haltetechnik Laryngoskop, Einführen des Spatels [O1097]
Praxistipp • Da die Gefahr einer endobronchialen Lage und damit einer einseitigen Ventilation besteht, wenn der Tubus zu tief eingeführt wird, sollte nach jeder endotrachealen Intubation trotz Kapnografie-/-metrie die Auskultation der Lunge erfolgen. • Als Faustregel gilt, dass der Tubus bei Frauen bei ca. 20 cm und bei Männern bei ca. 22 cm an der Zahnreihe liegen sollte.
Merke Die endotracheale Intubation ist eine Maßnahme, die vom Team den vollen Fokus auf den Patienten
und die Sicherung der Atemwege erfordert. Hier sollte immer die Zeit für eine gewissenhafte Vorbereitung und einen „Plan B“ sein. Die Maßnahme ist beendet, wenn die korrekte Lage verifiziert und der Tubus fixiert wurde.
4.3.4. Endotracheale Intubation mit speziellen Führungsstäben (Mandrin) Schwierige Situationen im Rahmen des Atemwegsmanagements können häufig mithilfe sog. Bougies gelöst werden. In der heutigen Zeit ist die Anwendung dieser Intubationshilfen weit verbreitet. Historisch beschrieb bereits Macintosh 1949 die Anwendung eines urologischen Gummidilatators im Rahmen einer endotrachealen Intubation mit schwierigen Sichtverhältnissen auf den Larynx. Hierbei handelt es sich um einen ca. 60–80 cm langen Stab mit 4– 6 mm Durchmesser, der im Regelfall über eine abgebogene und oftmals flexible Spitze verfügt, die um ca. 30° nach oben gebogen ist, einen sog. Coudé-Tip. Einige Hersteller bieten auch Intubationshilfen mit einem geraden Ende an. Das verwendete Material ist in den meisten Fällen PVC oder PET (➤ Abb. 4.24).
Abb. 4.24 Bougie-Intubationshilfen mit gradem Ende und Coudé-Tip [XXX] Prinzipiell können Bougies mit Coudè-Tip und gerader Spitze unterschieden werden. Manche Bougies bieten auch die Möglichkeit, den Patienten über eine Öffnung in der Mitte mit einem Beatmungsbeutel zu ventilieren, der dann an einen Adapter am Ende des Bougie angeschlossen wird. Zum Überführen des Tubus über den Bougie muss dieser Adapter zunächst diskonnektiert und kann im Anschluss wieder aufgesteckt werden. Diese Katheter werden häufig beim Wechsel von Endotrachealtuben bzw. Trachealkanülen eingesetzt und werden als Airway Exchange Catheter (ACE) bezeichnet (➤ Abb. 4.25).
Abb. 4.25 Bougie mit Adapter, Airway Exchange Catheter (ACE) [E1168] Bougies können – richtig angewandt – sehr effektive Hilfen bei der endotrachealen Intubation sein. Die Anwendung kann sowohl bei der klassischen oder konventionellen Intubation als auch bei der Videolaryngoskopie erfolgen. Besonders unterstützend können sie bei eingeschränkter Sicht auf die Glottis, wie z. B. bei einem Cormack-Lehane-Score von IIIa bzw. IIIb, eingesetzt werden. Eine weitere Einsatzmöglichkeit von Bougies ist eine endotracheale Intubation, bei der die Sicht auf die Stimmbandebene gegeben ist, aber die Platzierung des Tubus schwerfällt, beispielsweise bei engen Raumverhältnissen im Pharynxbereich, einem hoch gestellten
Larynxeingang oder einem sehr langen Hals, bei dem es nicht möglich ist, die Epiglottis anzuheben. Bei einem niedrigen CormackLehane-Score kann eine Bougie eingesetzt werden, um das Intubationstrauma abzumildern. Merke Ein Bougie als Intubationshilfe ist eine effektive Unterstützung bei einer CL-III-Situation oder bei Schwierigkeiten, den Tubus trotz guter Sicht zu platzieren. Entscheidend ist neben einem intensiven Training der Technik, die am besten zunächst am Phantom trainiert wird, den Bougie niemals blind zu platzieren, da dies zu Verletzungen der Trachea führen kann. Die korrekte Lage des Tubus in der Trachea kann zusätzlich durch die visuelle Kontrolle durch zwei weitere Zeichen verifiziert werden. Sogenannte Tracheal Clicks sind am Bougie als Vibrationen spürbar, wenn der Bougie mit der Spitze über die Trachealspangen geführt wird. Diese Klicks sind allerdings nicht immer sicher nachweisbar und können nur entstehen, wenn der Coudé-Tip des Bougie den Trachealspangen beim Einführen zugewandt wird. Ein weiteres Zeichen ist das Hold-up-Sign, das entsteht, wenn die Atemwege sich verkleinern und der Bougie beim Einführen gestoppt wird, da er an Gewebe stößt. Dieses Zeichen ist in der Literatur nicht unumstritten, da bereits ein geringer Kraftaufwand hier zu relevanten Verletzungen des Gewebes führen kann. Hier ist ein
sanftes und gefühlvolles Vorgehen auch unter Stress zwingend erforderlich. Merke Hinweise auf eine korrekte Platzierung eines Bougie sind neben der Visualisierung Tracheal Clicks und das Hold-up-Sign. Die Erfolgsrate bei Einsatz eines Bougie liegt bei 94–100 % im zweiten Intubationsversuch, sodass es sich auf jeden Fall lohnt, seine Skills um diese Technik zu erweitern und sie in Bereichen, in denen Atemwegsmanagement betrieben wird, vorzuhalten. Risiken beim Einsatz eines Bougie im Rahmen der endotrachealen Intubation sind neben des möglichen Zeitverlustes und der damit einhergehenden Desaturierung des Patienten die Verletzung von anatomischen Strukturen des respiratorischen Systems und das Auslösen eines Bronchospasmus. Praxistipp Um eine Verletzung im Bereich der Atemwege zu vermeiden, sollte ein Bougie niemals tiefer als 25 cm beim Erwachsenen eingeführt werden.
Die bisher ungeklärte Frage ist, ob eine endotracheale Intubation im Notfall routinemäßig und gemäß den Empfehlungen der S1Leitlinien mit einem handelsüblichen Führungsstab oder direkt mit einem Bougie durchgeführt werden sollte. Eine große Studie konnte
eine Überlegenheit vom Gebrauch eines Bougie in schwierigen Situationen nahelegen, sodass je nach lokalem Protokoll evtl. auch der routinemäßige Einsatz von einem Bougie in vermeintlich schwierigen Atemwegssituationen erwogen werden sollte. Merke Überlegenheit von Bougies gegenüber dem konventionellen Führungsstab: • Mindestens 1 Hinweis auf einen schwierigen Atemweg • HWS-Schädigungen bzw. Immobilisation • Adipositas • Cormack-Lehane-Score von 2 oder schlechter
Beim Einsatz eines Bougie im Rahmen einer endotrachealen Intubation wird folgendes Vorgehen empfohlen: • Nach Einbringen des Laryngoskops und Einstellen der Stimmbandebene wird die Bougie mit der linken Hand ca. 25–30 cm entfernt vom Coudé gefasst und eingeführt. • Unter Sicht wird der Bougie mit der Spitze nach vorn in die Trachea eingeführt und es wird auf Tracheal Clicks geachtet • Der Endotrachealtubus wird nun von einem Helfer auf den Bougie gefädelt und vorgeschoben. • Der Intubierende übernimmt den Tubus mit der linken Hand und der Helfer sichert den Bougie.
• Jetzt wird der Tubus in Seldinger-Technik über den Bougie in der Trachea platziert. • Der Bougie wird durch den Tubus zurückgezogen. • Es erfolgt eine Lagekontrolle des Endotrachealtubus und die Fixierung des Tubus. Insgesamt ist festzuhalten, dass die Vorhaltung und die geübte Anwendung eines Bougie wesentlich zur Sicherheit des Patienten und damit auch des Anwenders im Rahmen eines Atemwegsmanagements beitragen kann. In ➤ Abb. 4.26 sind unterschiedliche Vorbereitungstechniken bei der Verwendung eines Bougie dargestellt.
Abb. 4.26 Unterschiedliche Vorbereitungstechniken eines Bougie mit Endotrachealtubus und Insertion bei Bougie-Intubation [O1097]
Praxistipp • Im Regelfall reicht eine Einführtiefe von 20–24 cm aus, um sicherzustellen, dass der Bougie in der Trachea, aber oberhalb der Carina liegt.
• Beim Einführen des Endotrachealtubus kann es vorkommen, dass der Tubus an anatomischen Strukturen wie z. B. den Aryknorpeln festsitzt. Es kann hilfreich sein, den Tubus bis zur Glottis vorzuschieben und ihn dann beim Einführen in die Trachea 90° gegen den Uhrzeigersinn zu drehen.
V ide o s mit hil fre ic he n Tip p s zu m U mgang mit Fü h r u ngs s täb e n https://www.youtube.com/watch?v=cwmtRO-v_xo https://hqmeded.com/difficulty-passing-the-bougie-2/ https://www.youtube.com/watch?v=j-rTu1VHuqk https://www.youtube.com/watch?v=XxQ0TZ7W41s
4.3.5. Blinde Intubationstechniken und spezielle Intubationstechniken In wenigen speziellen Situationen kann es erforderlich sein blinde Intubationstechniken zu beherrschen, z. B. wenn nur ein eingeschränkter Zugang zum Patienten besteht und es keine andere Möglichkeit zur Sicherung der Atemwege gibt. In der Literatur sind verschiedene Techniken beschrieben – einige davon werden klassisch mit einem Laryngoskop durchgeführt und andere ohne Hilfsmittel zum Einstellen des Kehlkopfeingangs. Blinde nasale Intubation Die blinde nasale Intubation kann ohne jegliche Hilfsmittel durchgeführt werden, verlangt aber ein hohes Maß an Übung. Sie
kann sowohl beim spontan atmenden Patienten als auch in Apnoe durchgeführt werden. Bei der Durchführung steht der Anwender neben dem Patienten. Der Endotrachealtubus wird durch die Nase eingeführt und vorgeschoben und auf den Luftstrom geachtet, der entweder durch Spontanatmung oder in Apnoe durch Drücken auf den Thorax hervorgerufen wird. Durch Drehung des Tubus bekommt der Tubus seine Richtung und wird blind in die Trachea vorgeschoben. Hierbei folgt man dem maximalen Luftstrom, der durch den Tubus spürbar ist. Dazu legt der Anwender seine Wange nah an den Tubuskonnektor, um die aus dem Endotrachealtubus austretende Luft deutlich zu spüren. Wie bei allen nasalen Intubationen besteht hierbei die Gefahr von Verletzungen der Nasenschleimhäute und damit verbundenen Blutungen, die die Situation verschlechtern können (➤ Abb. 4.27).
Abb. 4.27 Klassische nasale Intubation [L143]
Blinde digitale Intubation Die blinde digitale Intubation wird ebenfalls ohne Laryngoskop durchgeführt. Sie kann oral oder nasal erfolgen. Bei der oralen Durchführung bietet sich der Einsatz eines Bougie an, wenn eine optimale Lagerung des Patienten nicht möglich ist, eine Visualisierung der Glottisebene misslingt oder bei Verletzungen der HWS. Bei der Durchführung steht der Intubierende vor bzw. frontal neben dem Patienten. Mit den Fingern der nicht führenden Hand wird die Epiglottis getastet, bei oraler Intubation kann ein Bougie eingeführt werden, hierbei auf Tracheal Clicks achten. Über den Bougie wird der Tubus in der Trachea platziert. Bei einer nasalen
Intubation wird diese ohne Bougie durchgeführt und der Tubus wird von oben kommend in der Trachea platziert (➤ Abb. 4.28).
Abb. 4.28 Blinde digitale Intubation (hier exemplarisch am Säugling) [E909-002]
Face-to-Face-Intubation Bei der Face-to-Face-Intubation, auch Icepick-Methode genannt, steht der Ausführende entweder vor dem Patienten, wenn dieser sitzt, oder er sitzt rittlings auf dem Patienten. Das Laryngoskop oder Videolaryngoskop wird in den Mund eingeführt und der Tubus unter Sicht platziert (➤ Abb. 4.29, ➤ Abb. 4.30).
Abb. 4.29 Face-to-Face-Intubation sitzend [O1097]
Abb. 4.30 Face-to-Face-Intubation liegend [O1097]
Merke In Studien hat die Face-to-Face-Intubation einen mindestens genauso hohen Anteil an erfolgreichen Intubationen gezeigt wie die konventionelle Intubation. Ein intensives Training ist trotz allem notwendig! Retrograde Intubation Die retrograde Intubation ist eine Technik, deren Anwendung insbesondere hilfreich sein kann, wenn eine Visualisierung der Stimmbänder nicht gelingt bzw. im Rachen mit dickflüssigen
Sekreten, Blut o. Ä. gearbeitet werden muss. Hierbei wird der Tubus über einen Seldinger-Draht in der Trachea platziert. Der Draht wird über eine Punktion des Ligamentum conicum nach kranial vorgeschoben. Dort wird er mittels Laryngoskopie aufgesucht und mit einer Magill-Zange weiter in die Mundhöhle vorgezogen. Im Anschluss wird in Seldinger-Technik ein Endotrachealtubus über den Draht in der Trachea platziert und der Draht entfernt (➤ Abb. 4.31).
Abb. 4.31 Retrograde Intubation mithilfe der SeldingerTechnik [E1260]
Merke Insgesamt sind alle diese unkonventionellen Intubationsmethoden unter bestimmten Umständen hilfreich, es sollte aber nicht außer Acht gelassen werden, dass für die korrekte Durchführung ein gewisses Maß an Expertise notwendig ist. Diese Expertise lässt sich nur im Training erwerben, eine kritische Einsatzsituation ist sicher nicht der geeignete Ort, um sich das erste Mal eingehend mit einer der oben beschriebenen Techniken zu beschäftigen. SALAD-Manöver Eines der großen Probleme der Intubation im Notfall stellen Blut und Erbrochenes im Rachenraum dar. Die Situation wird spätestens bei Auftreten dieser Probleme unübersichtlich und gewinnt an Komplexität. Die Erfahrung zeigt, dass insbesondere bei stärkeren Blutungen und massiver Regurgitation ein einmaliges Absaugen oft nicht ausreicht, um eine gute Übersicht auf die Glottisebene zu bekommen. Daraus können eine ösophageale Fehlintubation, Hypoxie und eine weitere Aspiration resultieren. Zahlen aus Studien zeigen, dass insbesondere bei der Aspiration die Letalität eng mit der aspirierten Menge an Aspirat korreliert. Hieraus ist zu folgern, dass Aspiration vermieden bzw. wenigstens vermindert werden muss. In diesen Situationen ist auch die Videolaryngoskopie oft wenig
hilfreich, da die Kamera des Laryngoskops hier mit Aspirat bzw. Blut verlegt wird und eine Sicht hier ebenfalls unmöglich ist. Merke Mit einer erschwerten endotrachealen Intubation durch Blut und Regurgitationen ist bei Folgendem zu rechnen: • Herz-Kreislauf-Stillstand • Akzidentielle Insufflation des Magens bei Beutel-Masken-Ventilation • Traumata im Schädel- und Gesichtsbereich • Erbrechen bei einem akuten Abdomen • Obere gastrointestinale Blutungen • Nachblutungen bei Z. n. OP im Schädel- und Gesichtsbereich
Eine effektive Möglichkeit, um sich in so einer Situation Übersicht verschaffen zu können, ist das sog. SALAD-Manöver. SALAD steht für Suction-Assisted Laryngoscopy and Airway Decontamination, also eine endotracheale Intubation verbunden mit einer Absaugung unter laryngoskopischer Sicht, mit dem Ziel, möglichst optimale Intubationsbedingungen zu schaffen. Voraussetzung, um ein SALAD-Manöver effektiv durchführen zu können, ist geeignetes Equipment, insbesondere was die Größe des verwendeten Saugers angeht (➤ Abb. 4.32). Die standardmäßig genutzten Sauger im Bereich der Präklinik verfügen meist über zu
kleine Lumina, um mit ihnen wirklich effektiv größere Mengen absaugen zu können. Insbesondere bei Blutungen und den damit verbundenen Blutkoageln bzw. bei Erbrochenem kommen diese schnell an ihre Leistungsgrenze und verstopfen nicht selten. Darüber hinaus benötigt man viel Zeit, um mit ihnen größere Mengen Flüssigkeit absaugen zu können. Ein Yankauer bzw. ein OP-Sauger stellen eine gute Alternative dar und sollten vorgehalten werden, wenn man eine starke Blutung, dickflüssige Sekrete oder Erbrochenes effektiv absaugen möchte. Die S1-Leitlinie zum präklinischen Atemwegsmanagement empfiehlt die Vorhaltung von starren großlumigen Absaugkathetern. In ➤ Abb. 4.33 ist eine Alternative für großlumige Absaugkatheter mithilfe eines Endotrachealtubus dargestellt.
Abb. 4.32 Größenunterschiede verschiedener Saugertypen [K115/K183]
Abb. 4.33 Endotrachealtubus Größe 8,0 als Alternative für großlumigen Absaugkatheter [O1097]
Merke In Simulationsstudien konnte die Intubationszeit nach drei Monaten Training um mehr als die Hälfte reduziert werden.
Praxistipp • Wenn keine großlumigen Absaugkatheter vorgehalten werden, dann kann alternativ ein 8er-Endotrachealtubus an die Saugung konnektiert werden.
• Ein Fingertip sollte verschlossen oder entfernt werden.
Durchführung eines SALAD-Manövers (➤ Abb. 4.34): • Einen starren großlumigen Absauger in den Mund-RachenRaum einführen und Sekrete, Blut und Erbrochenes absaugen, um ein Einführen eines Laryngoskops zu ermöglichen. • Das Laryngoskop einführen, während kontinuierlich weiter abgesaugt wird. • Den Absauger auf die linke Seite des Laryngoskops umpositionieren, um das Arbeitsfeld für die endotracheale Intubation frei zu machen. • Der Absauger wird an der linken Seite des Laryngoskops abgestützt und in den Ösophagus eingeführt und fixiert sich so selbst. • Die endotracheale Intubation unter guter Sicht und andauernder Absaugung durchführen. • Nach Intubation die unteren Atemwege durch den Tubus absaugen. • Tubus fixieren und die Beatmung starten. • Lagekontrolle durch Kapnografie und Auskultation.
Abb. 4.34 Saugunterstützte Dekontamination der Atemwege bei der Laryngoskopie (SALAD) [E1168]: 1) Der erste Schritt, bei dem der Atemweg vor dem Vorschieben des Videolaryngoskops zunächst abgesaugt wird. Beachten Sie, dass die Absaugvorrichtung wie ein Dolch gehalten wird. 2) In Schritt 2 wird die Absaugung über die Zunge fortgesetzt. Die starre Absaugvorrichtung kann auch wie ein Zungenspatel verwendet werden, um die Zunge zu kontrollieren und aus dem Weg zu schieben. Das Videolaryngoskop wird nun langsam in den Atemweg vorgeschoben (2a). Vermeiden Sie es, das Videolaryngoskop zu tief in den Atemweg einzutauchen, da sonst die Gefahr einer sofortigen Verschmutzung der Optik besteht. Das Verfahren wird im Wesentlichen mit Absaugung durchgeführt, während der Helfer das Videolaryngoskop bis zur richtigen Position für die Kehlkopfdarstellung bewegt (2b, 2c). 3) Schritt 3 zeigt, wie die primäre
Absaugvorrichtung im Atemweg belassen wird, um während der Videolaryngoskopie weiter abzusaugen, und wie sie links vom Griff des Videolaryngoskops positioniert wird, um sie zu fixieren. 4) Schritt 4 zeigt, wie eine zweite starre Absaugvorrichtung unmittelbar vor der Intubation zusätzliche Kontaminationen aus dem Atemweg absaugen kann und die Intubation der Trachea (4a). Zunächst übergibt der Atemwegsspezialist die zweite Absaugvorrichtung an einen Assistenten, um die Intubation der Trachea mit einer freien Hand durchführen zu können. Beachten Sie, dass die Hilfskraft die Absaugung nutzen kann, um die Lippe zur Seite zu schieben und so zusätzlichen Platz für die Einführung des Endotrachealtubus (ETT) zu schaffen. Eine videolaryngoskopische Ansicht der primären starren Absaugvorrichtung im Hypopharynx und der erfolgreichen Passage des ETT in die Kehlkopföffnung zeigt 4b.
V ide o SALAD - extreme Intubation üben https://www.youtube.com/watch?v= RDiffmfkLDw&t=11s The Basics of the SALAD Technique https://www.youtube.com/watch?v=Jaq-vHbcGi0 SALAD https://www.youtube.com/watch?v=QyGSbCyoKUY
Merke Ablauf des SALAD-Manövers: • Sauger einführen • Laryngoskop einführen • Sauger umpositionieren und in den Ösophagus einführen • Intubation • Absaugung tracheobronchial
4.3.6. Begrifflichkeiten und Manöver Bei einer endotrachealen Intubation mit eingeschränkter Sicht können verschiedene Manöver angewandt werden, die die Sicht auf die Stimmbandebene erleichtern. Ein positiver Effekt auf die Erfolgsrate ist in der Literatur eindeutig beschrieben. Häufig kommt es zu Verwechslungen der Begriffe oder diese werden fälschlicherweise synonym benutzt. Optimale externe Larynx-Manipulation (OELM) Beim OELM handelt es sich um ein Manöver, das entweder vom Intubierenden selbst oder von seiner Assistenz ausgeführt werden kann (➤ Abb. 4.35). Hierbei wird der Kehlkopf mit dem Daumen, Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand des Intubierenden gefasst und der Kehlkopf in verschieden Richtungen bewegt, um eine optimale Sicht auf die Glottisebene zu erhalten. Ist diese erreicht, dann wird die Assistenz gebeten, den Kehlkopf in exakt dieser Position zu halten. Alternativ kann der Intubierende seine Assistenz
anweisen, den Kehlkopf zu bewegen, und die Richtung vorgeben. Dieses Vorgehen wird als modifiziertes OELM bezeichnet. Verschiedene Studien konnten nachweisen, dass der Intubationserfolg beim modifizierten OELM höher liegt.
Abb. 4.35 Bestimmung der optimalen externen Manipulation (OELM) mit der freien (rechten) Hand. OELM sollte ein fester Bestandteil der Laryngoskopie sein und wird durchgeführt, wenn die laryngoskopische Sicht schlecht ist. In 90 % Prozent der Fälle erhält man die beste Sicht, wenn man über den Schildknorpel (T, Handposition 1) oder den Krikoidknorpel (C, Position 2) drückt; auch das Drücken über das Zungenbein (H, Position 3) kann effektiv sein. [G860-003]
BURP-Manöver Mit BURP-Manöver wird eine Manipulation des Kehlkopfes bezeichnet, bei der der Schildknorpel mit Daumen, Mittel- und Zeigefinger gefasst und bewegt wird (➤ Abb. 4.36). BURP gibt dabei die Richtungen der Bewegungen vor, im Einzelnen: • Back • Up • Right • Pressure
Abb. 4.36 BURP-Manöver [G860-003/L143] Hierbei wird der Kehlkopf gefasst und es wird ein Druck nach hinten, oben und rechts ausgeübt, der die Sicht auf die Stimmbandebene optimieren soll. Praxistipp Unter der Laryngoskopie kann es hilfreich sein, externe Manöver selbst mit der rechten Hand durchzuführen und die Assistenz im Anschluss zu bitten, den Kehlkopf in der gewünschten Position zu
halten. Bei qualifiziertem Assistenzpersonal kann es sinnvoll sein, diese die Manipulationsanweisung unter Anleitung durchführen zu lassen.
Merke • Das BURP-Manöver bezieht sich auf den Schildknorpel (nicht auf das Krikoid) und meint in der Abkürzung eine Bewegung von außen auf den Schildknorpel: Backward Upward Rightward Pressure. • Diese Maßnahme stellt allerdings eine Zusammenfassung der möglichen Bewegung dar. Wer die Laryngoskopie durchführt, teilt dem Assistenten mit, wie stark der Druck sein soll und in welche Richtung genau von außen bewegt werden soll. Im Idealfall bringt der Intubierende selbst den mobilisierbaren Larynx in die Position, bei der er die beste Sicht hat, und lässt die Assistenz dann diese Position übernehmen. • Das BURP-Manöver wird auch als External Laryngeal Manipulation (ELM) bezeichnet.
Sellick-Manöver/Krikoiddruck
Als Sellick-Manöver bezeichnet man ein 1961 von Brian Sellick beschriebenes Manöver, bei dem durch Druck auf den Krikoidknorpel gegen die Wirbel der Halswirbelsäule der obere Ösophagus verschlossen werden soll, um eine Aspiration während einer endotrachealen Intubation zu verhindern (➤ Abb. 4.37).
Abb. 4.37 Sellick-Manöver [L126] Entgegen der früher vorherrschenden Meinung, dass alle drei genannten Manöver geeignet sind, eine bessere Sicht auf den Kehlkopf zu ermöglichen, zeigen neuere Studien, dass es einen klaren Vorteil bei der Durchführung eines OELM-Manövers gibt. Am effektivsten hat sich dabei das modifizierte OELM-Manöver erwiesen
und wies die höchsten Intubationsraten im First Pass Success auf. Zur routinemäßigen Durchführung des Sellick-Manövers im Rahmen einer Notfallintubation wird aktuell nicht mehr geraten. Achtung Der Krikoiddruck soll bei einer RSI (Rapid Sequence Induction) eine Regurgitation von Mageninhalt verhindern. Hier wird der Druck auf den Schildknorpel ausgeübt. Dieses Manöver ist häufig ohne guten Effekt und deshalb als eher veraltet zu bewerten.
4.3.7. Merkhilfen für die endotracheale Intubation Gerade für den noch unerfahrenen Anwender kann es wichtig sein, potenzielle Schwierigkeiten im Rahmen der Atemwegssicherung bereits im Vorfeld zu erkennen und so eine solide Abschätzung zwischen Dringlichkeit der Maßnahme, eigenem Kompetenzniveau und ggf. auch der Transportzeit in eine Klinik treffen zu können. Hierzu haben sich verschiedene Merkhilfen in der Notfallmedizin etabliert, die in unterschiedlichen Bereichen der Atemwegssicherung Unterstützung leisten können. Der Großteil dieser Akronyme entspringt dem angloamerikanischen Sprachgebrauch und soll hier wiedergegeben werden. Um eine Einschätzung des Atemwegs im Rahmen einer endotrachealen Intubation zu ermöglichen, haben sich neben der bekannten Klassifikation nach Mallampati weitere Merkhilfen etabliert, die diese Einschätzung erweitern und damit ein höheres Maß an Sicherheit schaffen.
Akronym LEMON Das LEMON-Akronym ist international gebräuchlich und hat sich bewährt. Es wurde ursprünglich für ATLS-Kurse adaptiert und weist bei korrekter Ausführung eine hohe Sensitivität auf. LEMON steht im Einzelnen für folgende Punkte: • Look Externally • Evaluate 3-3-2 • Mallampati • Obstruction • Neck Mobility Look Externally: Bereits aus der äußerlichen Inspektion der Atemwege können sich wichtige Hinweise auf eine möglicherweise schwierige endotracheale Intubation ergeben. Insbesondere sollte hier auf folgende Punkte geachtet werden: Die Größe der Zunge, da eine große Zunge im Verhältnis zum Mundraum die Intubationsbedingungen verschlechtert. Eine eingeschränkte Mundöffnung erschwert das Einbringen des Laryngoskopspatels und auch (insbesondere in Verbindung mit einer großen Zunge) die korrekte Platzierung des Endotrachealtubus. Große Zähne, hier insbesondere die Schneidezähne, wenn diese vorstehen. Hier kann sich das Einführen eines Laryngoskops ohne Druck auf die Zähne als schwierig erweisen. Ein klein ausgebildeter Unterkiefer erschwert es, die Sichtebene auf die Glottis einzustellen. Ein kurzer Hals erschwert die Reklination und damit ebenfalls das Einstellen der Glottisebene.
Verletzungen und Traumata, die mit Schwellungen und Blutungen einhergehen, können die Sicht auf den Kehlkopfeingang ebenfalls verschlechtern und fallen in der Regel bereits bei der Inspektion auf. Ein höherer Body-Mass-Index, der durch zurückfallendes Fett oder auch durch große Brüste das Einführen des Laryngoskops erschweren kann. Evaluate 3-3-2: In diesem Schritt werden die Abmessungen des Patienten untersucht (➤ Abb. 4.8), um mögliche Intubationsschwierigkeiten aufzudecken und die unter dem Punkt „Look“ erhobenen Punkte zu objektivieren. Merke Abweichungen von den vorgegebenen 3-3-2Kriterien sind ein Hinweis auf eine möglicherweise erschwerte Intubation. Mallampati: Der Mallampati-Score ist ein in der Anästhesie bewährter Score, auf den bereits eingegangen wurde und der deswegen hier nicht weiter erläutert wird. Zusammenfassend kann man sagen, dass die übliche Auffassung ist, dass Patienten mit einem Score von I oder II im Regelfall leicht zu intubieren seien und Patienten mit dem Score III und IV häufiger schwierige Intubationen aufweisen. Die Häufigkeit wird hierbei mit 10 % angegeben. Neuere Untersuchungen legen allerdings eine andere Interpretation nahe. So sind Patienten mit Mallampati I regelhaft leicht und mit Mallampati IV häufiger schwierig zu
intubieren. Zu den Scorewerten von II und III ist eine valide Aussage schwierig. Merke Der Mallampati-Score sollte nicht isoliert zur Beurteilung einer möglichen schwierigen endotrachealen Intubation genutzt werden. Obstruction/Obesity: Eine Verlegung der oberen Atemwege ist immer als Hinweis auf eine schwierige endotracheale Intubation zu werten. Deswegen müssen die Hinweise auf eine mögliche Schwellung der oberen Atemwege bekannt sein und erkannt werden. Hinweise auf eine Schwellung der oberen Atemwege sind: • Kloßige Sprache • Schluckbeschwerden • Inspiratorischer Stridor • Luftnot Grundsätzlich ist bei massiv übergewichtigen Patienten mit einer erschwerten endotrachealen Intubation zu rechnen. Die offene Frage ist, ob das Übergewicht per se als Hinweis gewertet werden kann oder ob es durch eine Einschränkung des 3-3-2-Scores zu einer erschwerten Intubation kommen kann. Merke Bei einer Schwellung der oberen Atemwege ist mit einer erschwerten endotrachealen Intubation zu
rechnen. Neck Mobility: Wie bereits oben erwähnt kommt der Lagerung des Patienten eine bedeutende Rolle bei der endotrachealen Intubation zu. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass eine eingeschränkte Beweglichkeit im Bereich der Halswirbelsäule zu Intubationsproblemen führen kann, da eine nicht suffiziente Lagerung des Patienten die Visualisierung erschwert. Im Rahmen der notfallmedizinischen Versorgung ist die Immobilisation der Wirbelsäule ein häufiger Grund für eine eingeschränkte Beweglichkeit der Halswirbelsäule und führt damit zu erschwerten Intubationsbedingungen, da auch bei Durchführung einer manuellen Inline-Stabilisierung der Kopf im Rahmen der Traumaversorgung nicht rekliniert werden darf. Darüber hinaus sind – falls bekannt – auch Zustände nach Operationen der Halswirbelsäule und Erkrankungen insbesondere des rheumatischen Formenkreises, wie z. B. Morbus Bechterew, zu beachten. Bei der Beurteilung des Atemwegs müssen alle Punkte einzeln und fokussiert betrachtet werden, um zu einer Gesamtbeurteilung zu kommen und daraus die folgenden Maßnahmen zur Atemwegssicherung abzuleiten. Merke Eine eingeschränkte Bewegung der Halswirbelsäule kann die endotracheale Intubation erschweren.
Praxistipp
Die Beurteilung des Patienten sollte sich stets aus allen Punkten des LEMON-Schemas zusammensetzen, um einen guten Überblick über die Atemwegssituation des Patienten zu bekommen.
Merke Merkhilfe LEMON zur Beurteilung der Schwierigkeit einer endotrachealen Intubation: • Look: äußerliche Inspektion und Inspektion des Rachens • Evaluate: Evaluation der Abmessungen mithilfe der 3-3-2-Regel: – 3 Querfinger zwischen den Schneidezähnen – 3 Querfinger von Kinn bis zum Hyoid – 2 Querfinger Hyoid bis Thyroid • Mallampati I bis IV • Obstruktion der Atemwege: Schwellung (durch Rauchgasinhalation, Verbrennung, Fraktur, Trauma, Fremdkörper, Adipositas) • Neck Mobility: Beweglichkeit der Halswirbelsäule (evtl. beeinträchtigt durch HWS-Verschiebung, Verletzung)
Akronym DOPES
Ein weiteres in der Notfallmedizin nützliches Schema ist das DOPES-Schema. Mit dessen Hilfe kann es effektiv gelingen, die Ursache von Komplikationen herauszufinden, die unter Beatmung auftreten, wie z. B. ein plötzlicher Sättigungsabfall oder Druckalarme des Beatmungsgerätes. Hier hilft das Schema bei der strukturierten Ursachenfindung. Das DOPES-Schema setzt sich aus folgenden Komponenten zusammen: • Dislokation/Diskonnektion • Obstruktion • Patient • Equipment • Stomach Dislokation/Diskonnektion: Hier ist zu untersuchen, ob das verwendete Atemwegsdevice weiterhin korrekt platziert ist oder ob Undichtigkeiten bestehen, die sich ggf. durch Umlagerung oder Manipulation entwickelt haben können. Ebenfalls prüft man, ob alle Bestandteile der Beatmung fest mit dem Tubus bzw. der Larynxmaske verbunden sind. Praxistipp Es ist sinnvoll, hier auf Undichtigkeiten zu horchen und/oder Luftströme mit dem Unterarm zu erfühlen.
Obstruktion:
Beim Punkt Obstruktion wird geprüft, ob der Tubus bzw. der Filter durch Sekrete verlegt ist. Darüber hinaus wird untersucht, ob die Beatmungsschläuche oder der Tubus abgeknickt sind. Als weitere Möglichkeit kommt eine Kompression der Beatmungsschläuche als Ursache einer Obstruktion infrage. Praxistipp Bei der Suche nach Obstruktionen sollte strukturiert vorgegangen werden. Daher werden entweder ausgehend vom Patienten oder vom Beatmungsgerät Schläuche, Filter und Atemwegsdevices untersucht.
Patient: Eine weitere Möglichkeit für plötzlich auftretende Probleme unter einer Beatmung ist der Patient selbst. Hier kommen insbesondere Ursachen wie z. B. ein Spannungspneumothorax, der sich auch langsam im Verlauf unter der Überdruckbeatmung entwickeln kann, infrage. Bei Verwendung einer SGA sollte hier auch über einen möglichen Laryngospasmus nachgedacht werden. Ebenso können obstruktive Erkrankungen wie z. B. ein Asthma bronchiale die Ursache sein. Eine sorgfältige Auskultation des Patienten sollte unter diesem Punkt obligat sein. Equipment: Der Punkt Equipment umfasst alle möglicherweise auftretenden technischen Probleme. Das verwendete Beatmungsgerät ist zu prüfen. Es sollte insbesondere auf Leckagen und die funktionierende Sauerstoffversorgung geachtet werden. Hierzu gehört die
Überprüfung der Sauerstoffflaschen auf ihren Füllstand. Auch die Beatmungsschläuche und der verwendete Filter sind eingehend auf ihre Dichtigkeit zu prüfen. Stomach: Das „S“ für Stomach steht für die Suche nach einer möglichen Überblähung des Magens nach Beutel-Masken-Ventilation oder für einen Zwerchfellhochstand. Es sollte an die Platzierung einer Magensonde gedacht werden. Besonders bei pädiatrischen Patienten kann es hilfreich sein, das Schema um ein „S“ aufgrund z. B. einer Magenüberblähung nach BMV zu erweitern Merke Korrekt und fokussiert angewendet kann das DOPES-Schema dabei unterstützen, eine kritische Situation strukturiert abzuarbeiten und die Ursache für aufgetretene Probleme zu finden. Akronym HEAVEN Eine weitere Merkhilfe bei einem zu erwartenden schwierigen Atemweg kann das Akronym HEAVEN sein: • Hypoxemia: Hypoxämie • Extremes of Size: extreme anatomische Größen • Anatomic Challenges: anatomische Besonderheiten • Vomit/Blood/Fluid: Erbrochenes, Blut, Flüssigkeiten • Exsanguination/Anemia: akute Blutungen, Anämie • Neck Mobility Issues: eingeschränkte Beweglichkeit der Halswirbelsäule
4.4. Videolaryngoskopie 4.4.1. Allgemeines Seit etwas mehr als zehn Jahren haben videounterstützte Laryngoskope sehr erfolgreich Einzug in das Intubationsmanagement gehalten. Im Folgenden wird erst kurz auf die grundsätzlichen Unterschiede zu konventionellen Laryngoskopen eingegangen, um im weiteren Verlauf Vor-und Nachteile zu diskutieren und letztlich die drei gängigsten auf dem Markt vertretenen Videolaryngoskope vorzustellen. Hauptunterschied zwischen einem Videolaryngoskop (VL) und einem konventionellen Laryngoskop (KL) ist die Sichtachse. Während man bei einem konventionellen Laryngoskop weit in den Pharynx hineinspiegelt und damit direkte Sicht auf die Stimmritze und die Trachea erhält, entfällt bei einem VL diese tiefe Spiegelung. Dies gelingt dadurch, dass sich an der Spitze des Spatels ein Objektiv befindet, das den Situs visuell aufnimmt und ihn an einem Bildschirm am Ende des Spatels oder über einen mit einem Kabel verbundenen Monitor visualisiert. Dadurch vergrößert sich das Blickfeld des Anwenders je nach benutztem Spatel um 20–35°. Der Anwender hat also keine direkte Sichtachse auf die Stimmbandebene, sondern nur eine indirekte (➤ Abb. 4.38). Abhängig ist dies jedoch vom benutzten Spateltyp.
Abb. 4.38 Prinzip der Videolaryngoskopie – Sichtachse [F780-006/L143] Man unterscheidet grundsätzlich zwei Spateltypen, den dem konventionellen Macintosh-Spatel nachempfundenen Spatel und den hyperangularen Spatel, der über eine deutlichere Krümmung verfügt. Teilweise wird noch ein dritter Spateltyp erwähnt, dem eher eine Sonderstellung zugewiesen wird, da dieser über einen zusätzlichen Führungskanal für Endotrachealtuben verfügt (Airtraq®). Vom
Prinzip, der Form und Nutzung ist dieses Produkt aber eigentlich auch dem hyperangularen Spateltyp zuzuordnen. Macintosh-VL-Spatel: Der dem konventionellen Macintosh-Spatel nachempfundene VLSpatel verfügt nur über eine leichte Krümmung. Somit kann der Anwender konventionell intubieren, aber zusätzlich auch das videounterstützte Verfahren nutzen, wenn sich im Situs eine schwierige Intubationssituation darstellt. Gleichzeitig kann er auch primär die Videounterstützung nutzen und hat die konventionelle Möglichkeit noch als Rückfallebene zur Verfügung. Diese Art der videolaryngoskopischen Intubation eignet sich ideal für die Ausbildung. Der Auszubildene erlangt ein Gefühl für die Anatomie, kann konventionell intubieren und gleichzeitig den Umgang mit Videounterstützung trainieren. Hyperangularer Spatel: Dieser Spatel ist deutlich stärker gebogen als der Macintosh-Spatel und hat dadurch seine Berechtigung bei der schwierigen Intubation von Patienten, deren Kehldeckel und Stimmritzenebene deutlich anteriorer liegt als im Normalfall. Es muss an dieser Stelle nur deutlich gemacht werden, dass die korrekte Tubusplatzierung nur über die Beurteilung des Monitors, also indirekt erfolgen kann. Eine direkte Blickachse auf die Stimmbandebene existiert nicht mehr. Das bedeutet, dass die Tubusplatzierung unter Umständen nicht mehr intuitiv erfolgt, sondern an die visuellen Gegebenheiten angepasst werden muss. Dies stellt für den ungeübten Anwender häufig ein Problem dar. Für welche Form eines Videolaryngoskops man sich im Notfall entscheidet, ist meistens durch die Vorhaltung auf den
Rettungsmitteln vorgegeben. Selten hat man in der Präklinik die Wahl zwischen mehreren Möglichkeiten. Im Notfall kommt es auch sehr darauf an, wo man bei der endotrachealen Intubation Probleme vermutet. Nur weil mit einem Videolaryngoskop die Sicht auf die Stimmbandebene deutlich einfacher wird, heißt dies nicht im Umkehrschluss, dass die Intubation auch einfacher von der Hand geht. Aufgrund der intraoralen Platzproblematik und der fehlenden direkten Sichtachse muss der Tubus entsprechend vorgebogen bzw. präpariert werden. Dies kann vor Intubationsbeginn zwar erfolgen, oftmals ist aber eine Anpassung an den Situs erforderlich. Merke Empfehlungen zur Benutzung hyperangularer Spatel: • Der Spatel sollte möglichst mittig oral eingeführt werden. • Um Verletzungen der Trachealspangen zu vermeiden, Tubus um 90° nach rechts drehen. • Um Verletzungen der Trachealspangen zu vermeiden, kann es sinnvoll sein, die Epiglottis nicht voll aufzustellen, sondern eher milde zu elevieren. Auf diese Weise kann der Tubus ohne großen Trachealkontakt platziert werden (➤ Abb. 4.39). • Die Distanz zwischen Spatelende und Epiglottis bzw. Stimmbandebene sollte ausreichend groß
sein, um den entsprechenden Platz für eine Richtungsanpassung/Richtungskorrektur zu ermöglichen.
Abb. 4.39 Positionierung hyperangularer Spatel [L143]
4.4.2. Vor- und Nachteile ➤ Tab. 4.1 stellt die Vor-und Nachteile der Videolaryngoskopie in der Übersicht dar.
Tab. 4.1
Vor-und Nachteile der Videolaryngoskopie
Vorteile • Bessere Sicht auf die Stimmbandebene • Höhere Erfolgsrate bei Intubationen • Weniger Verletzungen im Larynx- und Pharynxbereich • Überstreckung der HWS nicht nötig (Trauma oder BechterewPatienten) • Als Ausbildungsdevice gut geeignet • Bei erwartetem schwierigem Atemweg gutes Back-up • Auch unter laufender Reanimation einfachere Tubusplatzierung • Gegebenenfalls geringerer NarkotikaBedarf durch schonendere Intubationsmethode
Nachteile • Nicht zwingend einfachere Tubusplatzierung • Verschmutzung der Optik durch Speichel oder Blut • Viele unterschiedliche Produkte sind auf dem Markt und werden teilweise unterschiedlich gehandhabt. Übung!
4.4.3. Unterschiedliche Videolaryngoskope
Videolaryngoskop mit Intubationskanal (Airtraq®) An dieser Stelle soll kurz auf das Videolaryngoskop mit Intubationskanal eingegangen werden (➤ Abb. 4.40). Im Gegensatz zu den anderen beiden Spateltypen ist hier ein Kanal für den Tubus starr am Spatel fixiert. Somit kann der Tubus, wenn die Spatelspitze entsprechend vor der Stimmbandebene platziert wurde, vorgeschoben werden. Positiv ist, dass nach einem gewissen Training die Platzierung des Tubus sehr leicht gelingt.
Abb. 4.40 Videolaryngoskop mit Intubationskanal (Airtraq®) [K454] Allerdings kann die vorgegebene Kanalrichtung auch hinderlich sein, wenn anatomisch eine Lageveränderung der Tubusspitze nötig
wird. Deshalb ist beim Airtraq® sehr viel Übung nötig, um erfolgreich endotracheal zu intubieren. Darüber hinaus benötigt das Airtraq® eine ausreichende Mundöffnung, um sicher platziert zu werden. Ist die Mundöffnung zu klein, kann dann im Bedarfsfall auf ein Kinder-Airtraq® ausgewichen werden. Für den innerklinischen Gebrauch, z. B. zur Vorbereitung einer fiberoptischen Intubation oder genereller Wachintubation, ist das Airtraq® eine sehr gute Alternative. Das Airtraq gibt es auch als nur rein optische Variante (➤ Abb. 4.41).
Abb. 4.41 Airtraq® (optisches Laryngoskop) [K454]
V ide o s de r F irm a A irtr aq
https://www.airtraq.com/videos/all-videos/ McGrath™-Videolaryngoskop Das Videolaryngoskop MacGrath™ ist ausgestattet mit Spateln im Macintosh-Stil (herkömmliche Nutzung ohne Videoassistenz möglich). Der Anwender muss sich in der Anwendung nicht umgewöhnen (➤ Abb. 4.42).
Abb. 4.42 Mac Grath™-Videolaryngoskop [F480-002] Besonderheiten: • Einknopfbedienung
• Batteriebetrieben • Unterschiedliche Spatelauswahl für pädiatrische und erwachsene Patienten • Für normale und spezielle Atemwege • Direkte und indirekte Sicht möglich • Reduzierung toter Winkel durch vertikal ausgerichtete Optik und früherer Visualisierung des Tubus V ide o Mc GR A T H MA C V id e o Lary ngos k op https://www.youtube.com/watch?v=K72Qd4ogmJc&t=7s King Vision™-Videolaryngoskop Das Videolaryngoskop King Vision™ der Firma Ambu ist mit drei verschiedenen Spatelgrößen und zwei unterschiedlichen Spateltypen erhältlich (➤ Abb. 4.43). Als Weiterentwicklung ist auch das Videolaryngoskop King Vison™ aBlade™ erhältlich.
Abb. 4.43 Videolaryngoskop King Vision™ [G1255] Besonderheiten: • Klares Bild • Panoramabereich 160° • Spatel austauschbar • 2 unterschiedliche Spateltypen verfügbar
• Batteriebetrieben C-Mac®-Videolaryngoskop Das Videolaryngoskop C-Mac® kann zur indirekten oder direkten Laryngoskopie benutzt werden und ist als klassisches Videolaryngoskop mit externem Bildschirm erhältlich (➤ Abb. 4.44). Das C-Mac® kann auch mit einem Pocketmonitor (C-Mac® PM®) für den präklinischen Gebrauch eingesetzt werden.
Abb. 4.44 Videolaryngoskop C-Mac®, Firma Storz [E909-003] Besonderheiten:
• (Pocket-)Monitor mit Möglichkeit zur Aufnahme von Videos und Bildern • Spatel und Handgriff aus einem Teil • Für direkte und indirekte Laryngoskopie mit original Macintosh- oder Miller-Spateln • Hyperangulierter D-Blade für schwierige Atemwege Das C-Mac®-Videolaryngoskop ist auch als Einwegvariante erhältlich. V ide o A nw e nd u ng C-Mac® https://www.karlstorznetwork1.com/videos/in-servicevideo-c-mac-sup/sup-pm-pocket-monitor
4.4.4. Fazit Videolaryngoskopie Videolaryngoskope sind aus der Anästhesie nicht mehr wegzudenken. Vor allen Dingen beim schwierigen Atemweg haben sie ihre Berechtigung und sind der konventionellen laryngoskopischen Intubation überlegen. Sie sind sowohl zur initialen endotrachealen Intubation als auch als Backup bei der schwierigen endotrachealen Intubation wichtige Werkzeuge, um einen suffizienten Atemweg zu sichern. Eine Verunreinigung der Optik sowie Verlust der direkten Sichtachse mit übungsbedürftiger Positionierung des Tubus sind überschaubare Nachteile. Ebenso sind sie in der Notfallmedizin wichtige Instrumente für die präklinische endotracheale Intubation und gehören auf jedes Rettungsmittel (nicht nur auf das NEF). Insbesondere für weniger erfahrene und routinierte Rettungsdienstmitarbeiter sollte das
Videolaryngoskop ein First-Line-Instrument zur Intubation darstellen. Nicht außer Acht zu lassen ist der von uns allgemein postulierte Grundsatz, dass sich nur die Person an eine endotracheale Intubation heranwagen sollte, die dies auch nachweislich beherrscht. Das heißt, dass sie mindestens 10 endotracheale Intubationen pro Jahr regelmäßig durchführt und vorher mindestens 100 endotracheale Intubationen erlernt hat (AWMF-S1-Leitlinie „Prähospitales Atemwegsmanagement“). Diese Übungen sollten regelmäßig wiederholt und zur Not auch an Intubationspuppen aufgefrischt werden. Ohne diese erwiesene Fähigkeit zu beherrschen, sollte man sich ärztlich nicht im Bereich der Notfallmedizin aufhalten.
4.5. Fiberoptische endoskopische Intubation Vollkommen zu Recht kann man sich die Frage stellen, welche Berechtigung dieses Thema in einem Buch über präklinisches Airwaymanagement hat. Doch es wäre bei diesem Thema nicht komplett, ohne die im klinischen Alltag nicht unübliche fiberoptische endotracheale Intubation zumindest zu erwähnen und kurz zu erläutern. Die fiberoptische endotracheale Intubation findet ihren berechtigten Einsatz im klinischen Alltag. Patienten, die z. B. nachweislich einen schwierigen Atemweg haben, im Nasopharynxoder Larynxbereich voroperiert oder bestrahlt wurden, tumoröse Strukturen supralaryngeal aufweisen, eine traumatisch oder spastisch bedingte eingeschränkte Mundöffnung haben oder
aufgrund von knöchernen Erkrankungen nicht adäquat gelagert werden können, können von einer fiberoptischen Intubation profitieren. Indikationen für eine fiberoptische endotracheale Intubation: • Eingeschränkte Mundöffnung, die strukturell und nicht schmerzbedingt ist • Zustand nach Tumoroperation im Larynx-/Pharynxbereich – z. B. Larynx-CA, wenn über den Situs keine Klarheit besteht • Zustand nach Bestrahlung im Larynx-/Pharynxbereich • Genetische Fehlbildungen mit erwartbarem schwierigem Atemweg und/oder eigeschränkter HWS-Reklination, z. B. Klippel-Feil-Syndrom • Bekannte Intubationsschwierigkeiten, vorhergehende fiberoptische Operationen Vorbereitung und Durchführung: Bei einer fiberoptischen endotrachealen Intubation atmet der Patient so lange spontan, bis mithilfe der Fiberoptik/des Endoskops die Trachea sondiert und der Tubus platziert wurde. Deswegen ist es sehr wichtig, für ein ruhiges Arbeitsumfeld zu sorgen und den Patienten engmaschig zu betreuen und vorzubereiten. Nach schriftlicher Einwilligung in die Intubation (gesonderte Aufklärung) erhält der Patient abschwellende Nasentropfen, da die Fiberoptik in der Regel über eines der beiden Nasenlöcher eingeführt wird. Natürlich ist auch eine orale Einstellung möglich, aber der nasale Zugangsweg hat sich bewährt, da hier entlang vorhandener Strukturen die Stimmbandebene meist zügig und komplikationslos
zu erreichen ist. Die orale Wachintubation über das Airtraq®System scheint aber die bisher bestandene Sichtproblematik zu relativieren und ist somit eine gute Alternative. Der zu verwendende Tubus ist vorher eine Zeit lang im Wärmeschrank erwärmt worden, um das Material etwas flexibler zu machen und die Wahrscheinlichkeit von nasalen Blutungen zu reduzieren. Der Patient erhält dann eine lokale Anästhesie des Rachens via Xylocainspray. Das für die fiberoptische endotracheale Intubation ausgewählte Nasenloch wird vorsichtig mit dem kleinen Finger (oder einem mit Xylocaingel benetzten Wendel-Tubus) manuell leicht gedehnt. Der Patient erhält zusätzlich Sufentanil als Analgesie unter erhaltender Spontanatmung. Im Anschluss wird dann der zu verwendende Tubus über die Fiberoptik gefädelt und arretiert. Nach Passage durch die Nase kommen recht zeitnah die Epiglottis und die Stimmbandebene in Sicht. An dieser Stelle kommt es bei der Passage durch die Nasenschleimhaut trotz sorgfältiger Vorbereitung nicht selten zu Blutungen, die dann im weiteren Verlauf Sicht und Erfolg einer fiberoptischen Intubation schmälern können. Nun erhält der Patient 5–10 ml Xylocain 1 % als Lokalanästhetikum über die Fiberoptik direkt auf die Stimmbänder und die Aryknorpelregion gespritzt. Dies löst meist einen Hustenreiz aus und kann dazu führen, dass sich die Lage der Fiberoptik wieder verändert. Ist die Stimmbandebene ausreichend betäubt, wird nun die Fiberoptik über die Stimmritze in die Trachea vorgeschoben. Sobald die Carina in Sichtweite kommt, wird der auf der Optik sitzende
Tubus über die Fiberoptik in die Trachea eingefädelt. Ist der Tubus sicher in der Trachea, wird dieser geblockt und der Patient erhält die Narkose über einen peripheren oder zentralvenösen Zugang. Im Anschluss wird nach Konnektion mit dem Beatmungsgerät noch die CO2-Kurve verifiziert und ggf. noch einmal über einen Drehwinkelkonnektor die genaue Lage des Tubus überprüft. ➤ Abb. 4.45 zeigt ein fiberoptisches Device. In ➤ Abb. 4.46 sind Materialien dargestellt, die für eine fiberoptische Intubation benötigt und vorbereitet werden sollten.
Abb. 4.45 Fiberoptik [G860-003] A) Aufbau des Griffs des flexiblen Bronchoskops (FIS) – Steuerteil: Fokussierring (1), Anschluss der Lichtquelle (2), Anschluss des Videoausgangs (3), Sauganschluss (4), Ventil (5), Arbeitskanal (6), Hebel zur Steuerung der Abwinkelung (7) (B) FIS-Einführungsrohr, das zur flexiblen Spitze führt: Einführungsrohr (8), flexible Spitze (9)
Abb. 4.46 Vorbereitete Devices und Backup Airway inklusive Koniotomieset [P1381]
Merke Die fiberoptische Wachintubation ist ein wichtiges und klinisch häufig praktiziertes Verfahren, um bei Patienten mit zu erwartenden Intubationshindernissen einen sicheren Atemweg zu etablieren. In der präklinischen Notfallmedizin hat dieses Verfahren keine Relevanz.
4.6. Weitere klinische Intubationsverfahren Neben der Videolaryngoskopie und der fiberoptischen Intubation gibt es weitere Verfahren, die im klinischen Alltag eingesetzt werden, jedoch in der präklinischen Notfallsituation keine Relevanz haben.
4.6.1. Jet-Ventilation Es gibt klinische Situationen, in denen ein normalgroßer Tubus aufgrund von anatomischen Strukturen oder Operationen im
Larynx-Pharynx-Bereich nicht ideal einzusetzen ist. Für diese Fälle gibt es die Möglichkeit, über einen Hunsaker-Katheter (➤ Abb. 4.47, ➤ Abb. 4.48) eine Hochdruck-Jet-Ventilation durchzuführen, die den Patienten mit ausreichend Sauerstoff versorgt.
Abb. 4.47 Hunsaker-Katheter 1. Korb am distalen Ende des Tubus, der den Tubus in der Luftröhre selbst zentriert. Dadurch wird der Kontakt der Düsenöffnung mit der Schleimhaut verhindert. 2. Metallstilett zur Ermöglichung der trachealen Intubation. 3. Überwachungsanschluss: kontinuierliche Überwachung des Atemwegsdrucks und intermittierende Überwachung des endtidalen Kohlendioxids. [E1068]
Abb. 4.48 Subglottisches Jetting mit Hunsaker-Katheter in situ [E1068]
4.6.2. Ventrain®-System Das Ventrain-System nutzt ebenfalls über einen kleinlumigen Katheter die Möglichkeit, hochfrequent Sauerstoff zu applizieren. Dieses einfach zu bedienende manuelle Beatmungsgerät wird mit Daumen und Zeigefinger bedient. Es verfügt über eine aktive Exspiration, die auf dem Bernoulli-Prinzip basiert und die Beatmung durch kleinvolumige Schläuche ermöglicht. Zusätzlich zu den inspiratorischen (positiver Druck) und exspiratorischen (negativer Druck) Betriebsmodi steht ein Äquilibrierungsmodus
(Sicherheitsmodus) zur Verfügung, bei dem an der Spitze des angeschlossenen Beatmungskatheters kein signifikanter positiver oder negativer Druck vorhanden ist. Dieses System kann auch als Umintubationshilfe genutzt werden, indem nach Seldinger-Methode ein ET über das Insufflationsdevice intratracheal eingefädelt wird, ohne dass die Sauerstoffzufuhr unterbrochen wird (➤ Abb. 4.49).
Abb. 4.49 Ventrain®-System: 1) Einlassschlauchverbindung für Sauerstoffgasfluss, 2) engerer Durchmesser für Erhöhung der Gasflussgeschwindigkeit, 3) Ausflussöffnung, 4) Verbindung zum Patienten, 5) Ausgleichsöffnung (Äquilibrierungsmodus). A) Äquilibrierungsmodus: Zeigefinger von der Ausgleichsöffnung und Daumen von der Ausflussöffnung entfernen. Es besteht dann kein nennenswerter Überdruck oder Unterdruck (Sicherheitsmodus). B) Inspiration: Zeigefinger auf der Ausgleichsöffnung und Daumen auf der Ausflussöffnung platzieren. C) Ausatmung: Zeigefinger auf die Ausgleichsöffnung halten und Daumen von der Ausflussöffnung entfernen. [G860-003]
4.6.3. Tritube® Der Tritube® der Firma Ventinova Medical ist ein ultradünner dreilumiger Beatmungstubus mit einem Außendurchmesser (AD) von nur 4,4 mm (➤ Abb. 4.50). Eingesetzt wird er innerklinisch als endotrachealer Zugang zum Atemweg für eine Beatmung im Rahmen operativer Eingriffe (Larynx-Chirurgie, Trachea-Chirurgie, Tracheostomie) bei Patienten > 40 kg KG. Tritube® kann ausschließlich zusammen mit Evone® und Ventrain® verwendet werden.
Abb. 4.50 Tritube® [G1256] Die drei Lumina bei Tritube® setzen sich wie folgt zusammen: • Beatmungslumen mit Murphy-Öffnung (Innendurchmesser < 3 mm)
• Cuff-Lumen zum Befüllen und Entleeren des HighVolume-/Low-Pressure-Cuff • Intratracheales Druckmess-Lumen (kontinuierliche Druckmessungen) Der Tritube® vergrößert den chirurgischen Raum aufgrund einer besseren Sicht auf die Glottis bei Larynx-Eingriffen (Kehlkopfbereich wird weniger verdeckt). Im Rahmen z. B. einer Tracheostomie ermöglicht der Tritube® laut Herstellerfirma eine sichere chirurgische Tracheotomie mit minimaler Aerosolerzeugung. Eine gleichzeitige Beatmung ist weiterhin möglich. V ide o V e ntr ain- Be at mu ng in K om b ination m it Tr itu b e https://www.youtube.com/watch?v=qPPXiP0rVY
Zusammenfassung • Die Entscheidung zur endotrachealen Intubation ist von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängig. Sie wird nicht starr getroffen, sondern in der individuellen Notfallsituation immer wieder neu angepasst. • Die endotracheale Intubation muss für den Patienten das im Moment der Entscheidung bestmögliche und geeignetste Verfahren sein, um die potenziell lebensbedrohliche Notfallsituation zu beherrschen. • Die endotracheale Intubation sollte strukturiert, in einem geordneten Setting von der im Umgang mit diesem
Atemwegssicherungsverfahren am besten ausgebildeten Person durchgeführt werden. • In der präklinischen Notfallsituation sollte immer ein Second Airway Device unmittelbar vorbereitet und einsetzbar sein, falls die endotracheale Intubation misslingt. • Der Lagerung kommt im Rahmen der endotrachealen Intubation eine hohe Bedeutung zu. • Ein Gum-Elastic-Bougie kann, nach entsprechendem Training, eine große Hilfe bei der Sicherung der Atemwege darstellen. • Verschiedene Spateltypen erfordern unterschiedliche Techniken im Einsatz und können je nach Situation Vorteile bringen. • Fremdkörper können an drei unterschiedlichen Stellen zu finden sein. • Supraglottische Fremdkörper lassen sich in der Regel mittels Laryngoskopie und Magill-Zange entfernen. • Verschiedene alternative Intubationstechniken sind möglich, erfordern aber Training, um erfolgreich im Notfall eingesetzt zu werden. • Das SALAD-Manöver ist eine erfolgreiche Strategie, um unter kontinuierlicher Absaugung zu intubieren. Die Handhabung von Laryngoskop und Sauger sollte trainiert werden. • Ein OELM-Manöver sollte immer durchgeführt werden, da es den Intubationserfolg erhöht. • Ein Sellick-Manöver sollte keine routinemäßige Anwendung mehr finden.
• Merkhilfen, wie z. B. LEMON oder HEAVEN, sollten vorab genutzt werden, um einen potenziell schwierigen Atemweg im Vorfeld zu erkennen. • Die Merkhilfe DOPES kann eingesetzt werden, wenn es zu Komplikationen während der Beatmung kommt, und kann dabei helfen, Probleme strukturiert zu suchen und zu beheben. • Die Videolaryngoskopie ist in der präklinischen Notfallmedizin mittlerweile zur Standardanwendung geworden. Dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die endotracheale Intubation mit Videolaryngoskop umfassend geübt werden muss, um diese sicher und patientenschonend anzuwenden. • Spezielle Intubationsprobleme wie Beschlagen der Optik oder anatomisch kleine Mundöffnungen müssen in regelmäßigen Abständen trainiert werden.
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Kapitel 5: Der schwierige Atemweg Martin von der Heyden, Peter Tendahl
F al l s ze nario RTW und NEF werden zu einer Baustelle gerufen, dort werden sie eingewiesen und finden folgenden Patienten vor: Ein junger, kräftiger Mann, der auf der Baustelle gearbeitet hat, sei aus ca. 6 Metern Höhe von einem Gerüst gestürzt und auf einem Stapel Steine gelandet. Der Patient liegt leblos auf dem Rücken. Auf dem Boden spritzende Blutungen fallen nicht auf, aber der rechte Oberschenkel zeigt eine grobe Fehlstellung, die schon aus der Ferne auffällt. Nach manueller Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule zeigt der Patient keine Reaktion auf Ansprache und Schmerzreiz. Es fällt eine ausgeprägte Zyanose auf. Die Atemwege scheinen auf Inspektion frei zu sein, es sind gurgelnde Geräusche zu hören, die Atemfrequenz beträgt 5/min, der Thorax hebt sich seitengleich. Der Puls ist tachykard und fadenförmig tastbar. Der Kopfhelfer saugt massiv blutig aus dem Rachen ab und startet eine assistierte Beatmung mit Beutel-Maske. Bei der schnellen Traumauntersuchung zeigt sich Krepitation okzipital und rechts temporal, zudem findet sich Flüssigkeit aus dem rechten Ohr. Die Halsvenen sind unauffällig, die HWS scheint frei von Deformitäten und Muskelhartspann, die Trachea sitzt mittig im Jugulum.
Bei der Inspektion des Thorax fällt eine Prellmarke auf der rechten Seite vom Thorax bis zum Becken auf. Der Thorax ist stabil und seitengleich ventiliert. Im Abdomen zeigt sich Abwehrspannung im rechten Oberbauch, der Rest des Abdomens ist unauffällig. Becken und Beine sind stabil. Der Kopfhelfer, der immer wieder blutig abgesaugt hat, meldet dem Notarzt, dass er Hilfe bei der Sicherung des Atemweges benötigt. Der Notarzt entscheidet sich vor Ort zu einer Intubation. Ein komplettes Monitoring wird etabliert. Die Werte zeigen einen Sinusrhythmus mit einer HF von 136 Schlägen/min, der Blutdruck beträgt 87/48 mmHg und die periphere Sauerstoffsättigung zeigt einen Wert von 82 %. Das Team etabliert zwei großlumige i. v. Zugänge und bereitet eine Narkose sowie eine Intubation vor. Der Notarzt übernimmt den Kopf und führt unter manueller Inline-Stabilisierung das Laryngoskop ein. Im Rachen ist in der Tiefe ein hellroter Blutsee zu erkennen, die Glottis ist trotz Absaugung nicht zu visualisieren. Der Notarzt fordert einen OP-Sauger zum Absaugen des Blutes im Rachen an. Das Team teilt ihm mit, dass es bereits den Sauger mit dem größten Lumen in Benutzung habe. Da dem Notarzt mithilfe des Saugers keine Visualisierung der Glottis gelingt und eine Beatmung mit Beutel-Maske bzw. SGA in dieser Situation wenig Erfolg versprechend erscheint, fällt er die Entscheidung zur Koniotomie. Ihm wird ein vorbereitetes Set zur Skalpell-Bougie-Koniotomie angereicht. Nach Desinfektion des Punktionsbereiches fasst er den Kehlkopf mit der linken Hand und führt, mit dem Skalpell in der rechten Hand, eine quere Stichinzision zwischen Schild- und Ringknorpel aus. Er dreht die Klinge um 90° und führt den angereichten Bougie an der Klinge entlang in die Trachea ein. Über den Bougie führt er nun einen gecufften 6,0-Endotrachealtubus in die Trachea ein. Der Tubus wird geblockt und über den einliegenden Tubus wird Blut aus der Trachea abgesaugt. Der Tubus wird fixiert und mit einer Beatmung und einer Kapnografie verbunden. Die Kapnografie zeigt einen Wert von 48 mmHg. Nach Sicherung der Atemwege erfolgt die
Bewegungseinschränkung des Patienten. Die Untersuchung des Rückens ergibt keine weiteren Erkenntnisse und der Transport in den RTW kann erfolgen, wo die anschließende neurologische Untersuchung eine erweiterte, aber lichtreagible Pupille rechts zeigt. Der Blutdruck wird mittels Infusion auf 95 mmHg systolisch angehoben. Der Patient wird mit schwerem SHT und Verdacht auf ein Abdominaltrauma im Schockraum der Universitätsklinik angemeldet. Die regelmäßige Verlaufskontrolle zeigt keine Veränderungen am Patienten. Transport und Übergabe im Schockraum verlaufen komplikationslos.
5.1. Möglichkeiten des alternativen Atemwegsmanagements Der unerwartete schwierige Atemweg stellt eine der größten Herausforderungen des Atemwegsmanagements in der Notfallmedizin dar. Auch wenn es immer wieder zu Komplikationen im Bereich des Atemwegsmanagements kommt, unterschätzen doch viele Anwender die damit verbundene Gefahr. Insgesamt betrachtet ist es ein selten vorkommendes Ereignis, aber im Zweifelsfall ein Ereignis mit schwerwiegenden Folgen, wenn sich der Anwender im Rahmen seiner Kompetenz nicht ausreichend vorbereitet. Insbesondere in der Notfallmedizin kommt es bis zu einer 10-fach höheren Komplikationsrate als im Bereich der elektiven Anästhesie. In der Regel erfolgt die Sicherung der Atemwege aufgrund einer bereits kompromittierten Oxygenierungssituation des Patienten und stellt oft den einzigen Weg dar, um eine suffiziente Oxygenierung sicherzustellen. Den Patienten unter kontrollierten Bedingungen wach werden zu lassen, ist im Rahmen der Notfallmedizin – anders als bei elektiven Eingriffen – oft keine akzeptable Alternative. In diesen Situationen, bei Misslingen der Atemwegssicherung und einer CICO-Situation („can not intubate, can not oxygenate“), nur der Weg der chirurgischen
Atemwegssicherung bleibt. Ein adäquates und angepasstes Hilfsmittel der Entscheidungsfindung kann hier der Vortex-Approach sein. Der Vortex-Approach wurde von dem Anästhesisten Nicholas Chrimes und dem Notfallmediziner Peter Fritz erarbeitet. Die beiden hatten festgestellt, dass es eine große Anzahl verschiedener Atemwegsalgorithmen diverser Fachgesellschaften gibt, diese aber oft unübersichtlich gestaltet und nicht universell einsetzbar sind. Das Ziel der beiden war es, einen eingängigen Algorithmus zu schaffen, der die Oxygenierung des Patienten mit einfachen Mitteln in den Mittelpunkt setzt, universell einsetzbar ist und auch unter dem Druck und der Komplexität einer CICO-Situation abrufbar ist. Hierzu haben sie den Vortex-Approach dreidimensional als einen Strudel dargestellt, der sich nach unten verjüngt und so die immer kritischer werdende Desaturierung des Patienten darstellt. Um den Vortex herum haben die Autoren eine grüne Zone geschaffen, die einen Bereich relativ guter Oxygenierung darstellen soll, in der der Patient seine Oxygenierung selbst aufrechterhalten kann. In der Aufsicht auf den Atemwegsstrudel erkennt man eine Dreiteilung der Oberfläche, die die drei nichtchirurgischen Techniken der Atemwegssicherung darstellen: Maskenbeatmung, supraglottische Atemwegshilfe und endotracheale Intubation. Sie werden von den Autoren als sog. Lifelines bezeichnet, da mit ihrer Hilfe eine Sicherung der Atemwege und damit verbunden eine adäquate Oxygenierung sichergestellt werden kann (➤ Abb. 5.1).
Abb. 5.1 Der Vortex-Approach [E653-003] Das Atemwegsmanagement beginnt immer in der grünen Zone, diese wird mit dem Beginn des Atemwegsmanagements und der damit im Regelfall verbundenen Anästhesie verlassen. Durch die Anwendung eine der drei Techniken zur Atemwegssicherung bzw. Oxygenierung begibt sich der Anwender in den Strudel, der nur durch eine suffiziente Oxygenierung wieder in die sog. grüne Zone verlassen werden kann. Ziel ist es, diesen Bereich so schnell wie möglich wieder zu erreichen. Ist der Atemweg gesichert und die Sauerstoffversorgung sichergestellt, befinden wir uns wieder in der grünen Zone. Ein Scheitern des ausgewählten Verfahrens und damit der Oxygenierung verlangt nach spätestens drei Versuchen einen Wechsel des Atemwegssicherungsverfahrens unabhängig davon, mit welchem Verfahren
gestartet wurde. Der Wechsel des Verfahrens folgt der Abbildung im Uhrzeigersinn. Einer der drei Versuche soll hierbei durch den erfahrensten anwesenden Anwender stattfinden. Merke Wenn die durchgeführte Maßnahme nicht zu einer suffizienten Oxygenierung führt, dann sollte ein Verfahrenswechsel angestrebt werden, ohne sich an einem Verfahren festzuklammern. Im Verlauf soll zwischen den drei Versuchen jeweils eine Optimierung der situativen Gegebenheiten in Bezug auf die jeweilige Lifeline stattfinden, im Einzelnen empfehlen die Autoren hierbei: • Manipulationen • Hilfsmittel • Größe/Art • Absaugung/O2-Fluss • Muskeltonus ➤ Tab. 5.1 fasst die wichtigsten Punkte des Vortex-Approachs zur Optimierung der Situation zusammen. Sie bezieht die einzelnen Maßnahmen jeweils auf das zur Sicherung der Atemwege verwendete Device. Ziel ist es, in kürzester Zeit auf die grüne Zone und damit zu einer gesicherten Oxygenierung des Patienten zurückzukehren.
Tab. 5.1
Strategien zur Optimierung der Lifelines im Vortex-Aproach Maske
SGA
ETT
Manipulationen
Esmarch, Lagerung, Schnüffelposition, Arbeitshöhe optimieren
Head/Neck
Zahnersatz einlegen
Larynx
Äußere laryngeale Manipulationstechniken erwägen
Hilfsmittel
Doppelter CEGriff, Maskencuff nachblocken
Weitere Hilfsmittel
Wendl-/GuedlTubus
Größe prüfen
Gesichtsmaske
SGA
Griff, Spatel, Videolaryngoskop, Tubus, Bougie
Absaugung/O2
Absaugen, O2-Flush erwägen
Absaugen
Absaugen
Muskeltonus
Adäquate Narkose bzw. Relaxation in Erwägung ziehen
Zunge nach vorn ziehen
Zurechtbewegen
Zahnersatz entfernen
Epiglottis aufladen, EispickHaltung, Laryngoskop bewegen Bougie, MagillZange, Videolaryngoskop
Copyright Nicholas Chrimes 2013, 2016 Vortex Approach.org, Übersetzung: Martin von der Heyden
Merke
In jeder Lifeline gibt es Techniken, um die Bedingungen zu optimieren. Diese sollten zwischen den einzelnen Versuchen der Atemwegssicherung Anwendung finden. Am Ende des Vortex-Ansatzes steht nach maximal neun Versuchen der Atemwegssicherung die chirurgische Atemwegssicherung, der sog. CICOStatus, der ausgerufen wird. Im Vorfeld hat der Anwender die optimale Durchführung der Atemwegsicherung durch obenstehende Tabelle zu prüfen. Explizit wird darauf hingewiesen, dass eine chirurgische Sicherung der Atemwege nach neun optimierten, aber frustranen Versuchen der Atemwegssicherung unabhängig vom Wert der Pulsoxymetrie durchzuführen ist. Im Falle einer von Beginn an massiv kompromittierten Oxygenierung empfiehlt der Vortex-Approach nur einen Versuch pro Lifline zu wagen. Bei auftretenden Schwierigkeiten bei der Atemwegssicherung wird parallel zu weiteren Versuchen der Atemwegssicherung bereits die chirurgische Atemwegssicherung vorbereitet. Info Durchführung • Entscheidung für ein Device zur Atemwegssicherung und Anwendung • Bei frustranem Versuch → Optimierung der Rahmenbedingungen • Bei weiterhin frustraner Oxygenierung → Versuch durch das Teammitglied mit der höchsten Expertise • Verfahrenswechsel durchführen im Uhrzeigersinn und neuen Versuch, mit einem anderen Airwaydevice starten • Zwischenbeatmung nicht vergessen → immer an die grüne Zone denken
• Bei respiratorisch kompromittierten Patienten nur einen Versuch pro Lifeline starten
Merke Der Vortex-Approach: • Zu Beginn befindet sich der Patient in einer grünen Zone, in der er ausreichend selbstständig oxygeniert ist. • Ab Einleitung einer Anästhesie befindet er sich in einem Strudel, bei dem seine Oxygenierung stetig schlechter wird. • Es gibt drei sog. Lifelines, um den Patienten zurück in die grüne Zone zu bringen. • Jede dieser drei Lifelines darf maximal dreimal zur Anwendung kommen. • Bei von Beginn an kompromittierten Patienten wird nur ein Versuch pro Lifeline empfohlen. • Ein Versuch sollte dem Erfahrensten im Team vorbehalten bleiben. • Während der drei Versuche erfolgt eine stetige Optimierung der Bedingungen. • Im Falle einer CICO-Situation erfolgt die zeitnahe chirurgische Sicherung der Atemwege.
Bei korrekter Anwendung stellt der Vortex-Approach sicher, dass die Anwender sich nicht in einer Technik „verlieren“ können, während sich der
Zustand des Patienten weiter verschlechtert. In der Praxis ist oft zu sehen, dass eine Technik erzwungen wird und die Anwender dabei den Patienten aus den Augen verlieren. In der NAP4-Untersuchung, die in den Bereichen Anästhesie, Intensivstation und Notaufnahme in Großbritannien durchgeführt wurde, zeigte sich, dass insbesondere wiederholte Intubationsversuche des Patienten mit einer Verschlechterung der Gesamtsituation von einer „Cannot intubate, can oxygenate“-Situation zu einer „Cannot intubate, cannot oxygenate“-Situation einhergingen. Hieran ist zu erkennen, dass es nicht nur sinnvoll sein kann, sondern ein Muss ist, die Technik zunächst zu optimieren, um dann im nächsten Schritt einen Technikwechsel vorzunehmen, falls die ausreichende Oxygenierung des Patienten weiterhin nicht gelingt. Diese Entscheidungen sollten dynamisch getroffen und effektiv im Team kommuniziert werden. Folgende wichtige Punkte zeigten sich im Rahmen des Atemwegsmanagements in verschiedenen Untersuchungen: • Vernachlässigung der Einschätzung eines schwierigen Atemweges (siehe LEMON-Schema) und Bedenken eines möglichen Aspirationsrisikos führten zu einem schlechteren Outcome der Patienten. • Schlechte Vorbereitung und das Nichtvorbereiten eines „Plan B“ für die Atemwegssicherung führten häufig zu Schwierigkeiten und unstrukturiertem Vorgehen mit einer Verschlechterung des Zustands des Patienten. Häufig liegt bei den Anwendern kein klarer Plan für ein weiteres Vorgehen bei auftretenden Schwierigkeiten vor. Daraus resultieren im Hinblick auf das Atemwegsmanagement unlogische Entscheidungen mit einer Outcome-Verschlechterung. • Das unkritische Anwenden einer vom Anwender favorisierten Technik, ohne diese in der Situation konkret zu bewerten und ggf. eine andere Technik in Erwägung zu ziehen, führt zu einer häufigeren Versagensrate und damit zu wiederholten frustranen
Versuchen, den Atemweg mit dieser einen Technik zu sichern. Damit kann sich die „Cannot intubate, can oxygenate“-Situation aufgrund von Schwellungen, Blutungen und weiteren Verletzungen zu einer „Cannot intubate, cannot oxygenate“-Situation weiterentwickeln. • Als einer der Hauptpunkte in kritischen Situationen werden Human Factors herausgestellt. Diese häufig komplexen und stressbehafteten Situationen gehen regelhaft mit einem Mangel an Entscheidungswillen, Ausbildung und Trainingslevel des Teams einher. Häufig fällt die Entscheidung zur Koniotomie zu spät und wird nur zögerlich durchgeführt. • Der undifferenzierte Einsatz von supraglottischen Atemwegsdevices bei bekanntem erhöhtem Aspirationsrisiko ohne weitere Überwachung ist mit Komplikationen assoziiert. Dabei ist zu beachten, dass die Aspiration einer der häufigsten Gründe für Todesfälle im Rahmen einer Atemwegsicherung ist. • Insbesondere Patienten mit einem hohen BMI zeigen häufiger Komplikationen beim Versuch, den Atemweg zu sichern • Eine fehlende Kapnografie/-metrie kann dazu führen, dass eine ösophageale Fehllage nicht erkannt wird. • Die Dislokation des Atemwegsdevices aufgrund fehlender Fixierung und der fehlende Plan für ein weiteres Vorgehen in dieser Situation. Praxistipp • Niemals bei einer Technik zur Atemwegssicherung verweilen, die keine suffiziente Oxygenierung ermöglicht. • Keine protrahierten Versuche der Atemwegsicherung mit einer einzigen Technik durchführen.
• Rahmenbedingungen optimieren und ggf. einen Verfahrenswechsel einleiten. • Oberstes Ziel ist die suffiziente Oxygenierung des Patienten und Hoffnung ist kein Konzept. • Immer eine korrekte Einschätzung der Risiken durchführen und dazu bekannte Schemata nutzen. • Wichtig: das Material kennen und damit trainieren.
5.2. Chirurgische Atemwegssicherung Eine chirurgische Sicherung der Atemwege (Koniotomie, Emergency Front of Neck Airway – eFONA) kommt in der Notfallmedizin zur Anwendung, wenn eine endotracheale Intubation unmöglich ist und alle anderen Möglichkeiten, auch die Basismaßnahmen der Oxygenierung, versagen. Hier wird die Trachea chirurgisch zwischen dem Schildknorpel und dem Ringknorpel eröffnet und dabei das Ligamentum conicum bzw. Ligamentum cricothyroideum durchtrennt, um von dort durch einen passenden Tubus bzw. eine Kanüle die Oxygenierung sicherzustellen. Davon ist die Tracheotomie, die im Regelfall nicht als Notfallmaßnahme durchgeführt wird, abzugrenzen. Bei dieser werden unterhalb des Kehlkopfes im Bereich der Trachea die Trachealspangen durchtrennt bzw. auseinandergedrückt (➤ Abb. 5.2). Insgesamt betrachtet besteht selten die Indikation zu einer Koniotomie. Die Häufigkeit einer Situation, in der sowohl Intubation als auch Oxygenierung nicht sichergestellt werden kann, beträgt 0,004 % bis 0,008 %. Es ist also in ca. 1 : 13.000–25.000 Fällen damit zu rechnen. Eine Untersuchung zeigt eine Wahrscheinlichkeit von 1 : 200 im Rahmen der Notfallmedizin, wobei zu beachten ist, dass die Zahlen in notarztgestützten Systemen deutlich niedriger liegen.
Abb. 5.2 Anatomische Unterschiede bei der Wahl des Punktionsortes zwischen Koniotomie und Tracheotomie [L126]
Merke Patienten sterben nicht, weil man sie nicht intubiert, sondern weil man nicht aufhört, es zu versuchen.
Traditionell wurde eine Situation, in der konventionelle Maßnahmen der Atemwegssicherung versagen, als „cannnot intubate, cannot ventilate“ beschrieben. Da in dieser Situation aber die Oxygenierung des Patienten im Vordergrund stehen sollte, bezeichnet man sie in der heutigen Zeit als „cannot intubate, cannot oxygenate“ auch als CICO abgekürzt. Die CICO ist eine seltene, aber unter Umständen tödliche Komplikation im Rahmen der präklinischen Atemwegssicherung. In dieser Situation hat der Anwender nicht die Möglichkeit, auf eine niedrigere Rückfallebene zurückzugreifen, sodass hier nur der Weg nach vorn durch eine chirurgische Sicherung des Atemwegs besteht, um mögliche hypoxische Hirnschädigungen oder auch den Tod des Patienten zu verhindern. Entscheidend ist, dass sich der Anwender eingesteht, dass eine „konventionelle“ Sicherung der Atemwege gescheitert ist. Hier kann die Anwendung des Vortex-Approachs von großem Nutzen sein. Um eine chirurgische Sicherung der Atemwege unter den Bedingungen einer Notfallsituation bei einem bereits respiratorisch kompromittierten Patienten umzusetzen, ist es notwendig, dass der Anwender einen klaren Plan über sein weiteres Vorgehen entwickelt hat und diesen auch im Team kommuniziert. Weitere Anforderungen sind neben dem geeigneten Equipment die nötige Expertise, um die Maßnahmen durchführen zu können. Bei der Koniotomie handelt es sich um eine in der Notfallmedizin selten durchgeführte Maßnahme, die aber im Notfall lebensrettend ist. Die Hoffnung, dass die Wahrscheinlichkeit, diese Maßnahme durchführen zu müssen, gering ist, und deswegen nicht intensiv trainiert werden muss, ist von vornherein, zulasten des Patienten, zum Scheitern verurteilt. Wie bereits geschildert baut eine CICO-Situation beim Anwender ein hohes Maß an Erfolgsdruck auf. Ein Patient, der zu Beginn des Szenarios insuffizient geatmet hat, atmet nach Einleitung einer Narkose nicht mehr. Gelingt nun die ausreichende Oxygenierung des Patienten nicht, wie z. B. aufgrund eines unerwartet schwierigen Atemwegs, wird dieser unweigerlich versterben. In einer solchen Situation ist leicht nachvollziehbar, unter welchem Erfolgsdruck der Anwender steht,
um in einer solchen Situation die chirurgische Sicherung der Atemwege erfolgreich zu etablieren. In diesem Fall ist Handlungskompetenz unerlässlich. Hierzu zählen neben dem notwendigen Fachwissen auch die methodischen und motorischen Fähigkeiten, den Entschluss zur Koniotomie zu treffen und die Maßnahme durchzuführen. Die Kompetenzen zur Durchführung einer lebensrettenden Maßnahme im Kontext einer CICO-Situation lassen sich nur durch intensives Training erwerben. Hierzu sollte nach Möglichkeit immer mit dem Material trainiert werden, dass vorgehalten wird. Merke • Die Durchführung der Koniotomie erfolgt zwischen Schild- und Ringknorpel durch Durchtrennung des Ligamentum conicum. • CICO-Situationen bauen beim ganzen Team und insbesondere beim Anwender ein hohes Maß an Erfolgsdruck auf. • Ein Gelingen der durchgeführten Maßnahme erfordert ein intensives Training mit dem bereitgestellten Material.
Überlegungen vor einer Koniotomie: • Es ist zu überlegen, ob eine Inzision und Beatmung auf das Ligamentum conicum das vorhandene Atemwegsproblem lösen können. Liegt das Problem aus anatomischer Sicht tiefer, dann ist die Koniotomie keine zielführende Maßnahme. • Liegt eine Ausgangsituation vor, in der mit Komplikationen gerechnet werden muss?
• Welche Technik ist für den vorliegenden Patienten geeignet und wird diese ausreichend gut beherrscht?
5.2.1. Risikofaktoren Die Indikation zu einer Koniotomie sollte zeitnah gestellt werden, wenn klar ist, dass eine suffiziente Oxygenierung auf einem anderen Weg nicht erreicht werden kann. Wie bei allen Techniken der Atemwegssicherung bestehen auch hier Risikofaktoren, Kontraindikationen und Gefahren. Das SMART-Schema kann dabei unterstützen, potenzielle Schwierigkeiten im Vorfeld aufzudecken. SMART steht dabei für: S – Surgery Hier steht die Frage im Mittelpunkt, ob im Bereich des Halses chirurgische Eingriffe stattgefunden haben, die die anatomischen Verhältnisse verändern können. Hierbei ist mit einer erhöhten Fehlerquote zu rechnen. Auch der Zustand nach gerade durchgeführten Operationen kann durch Einblutungen und Ödeme die anatomischen Landmarken bzw. Orientierungspunkte verändern. M – Mass Ansammlungen von Blut, Abszesse oder Tumoren können die anatomischen Verhältnisse nachhaltig verändern, da durch sie anatomische Landmarken aus der Mittellinie verdrängt bzw. verdreht werden können. Auch die Palpation von Landmarken kann erschwert sein. A – Access/Anatomy Bei übergewichtigen Patienten kann das Auffinden der anatomischen Landmarken sehr herausfordernd sein. Ödeme, ein kurzer Hals oder auch anatomische Varietäten und Missbildungen können sowohl das Auffinden der Landmarken als auch die Durchführung der Maßnahme schwierig gestalten. Hinzu kommen notfallmedizinisch durchgeführte Maßnahmen, wie z. B. die Immobilisation der Halswirbelsäule. R – Radiation
Nach einer Bestrahlung kommt es häufig zu einer Verhärtung bzw. Vernarbung der bestrahlten Gewebe, dies kann zu Verklebungen von Geweben führen und den Zugang erschweren. T – Trauma Tumoren in den Atemwegen können den Zugang erschweren und zu massiven Blutungen führen. Merke Das SMART-Schema kann dabei unterstützen, Schwierigkeiten bei der chirurgischen Atemwegsicherung im Vorfeld zu erkennen und sich darauf vorzubereiten. Bei den oben genannten Punkten unter SMART ist mit Komplikationen bei der Durchführung einer chirurgischen Atemwegssicherung zur rechnen. Typische Komplikationen sind: • Blutungen • Pneumomediastinum • Verletzungen des Kehlkopfes und der Trachea • Verletzungen des Ringknorpels • Barotrauma • Infektionen • Verletzungen der Stimmbänder • Subglottische Stenosen Merke Die häufigste und wichtigste Komplikation ist, die Entscheidung zur chirurgischem Atemwegssicherung zu verzögern.
5.2.2. Systeme/Material Für die chirurgische Sicherung der Atemwege wurden im Laufe der Zeit verschiedene Systeme von unterschiedlichen Herstellern entwickelt. In der Praxis zeigt sich, dass unabhängig vom verwendeten System ein umfangreiches Training unerlässlich ist, um Sicherheit in der Handhabung des Materials und bei der Durchführung zu erlangen. Einzelne Systeme bzw. Möglichkeiten der Oxygenierung in einer CICO werden im Folgenden vorgestellt. Prinzipiell kann bei der Anwendung der Systeme zwischen Punktionstechniken und chirurgischen Techniken unterschieden werden. Die Materialsets enthalten dementsprechend unterschiedliche Inhalte, um eine gezielte Anwendung in einer Notfallsituation zu ermöglichen (➤ Tab. 5.2). Entscheidend in der Anwendung unter dem Druck einer CICOSituation sind vier Punkte: 1. Der Anwender muss das vorgehaltene Set kennen. 2. Die Anwendung des Sets mit der korrekten Technik muss vertraut sein. 3. Die Anwendung des Sets bzw. der Technik muss trainiert sein. 4. Der Mut zur Koniotomie muss gefunden werden.
Tab. 5.2
Material in verschiedenen Punktionssets
Punktionsset
Chirurgisches Set klassisch
Chirugisches Set Skalpelltechnik
Punktionsnadel
Skalpell mit 11erKlinge
Skalpell mit 10er-Klinge
Kanüle
Kilian-Spekulum
Bougie 40 cm lang
Spritze
Trachealhaken
Tubus 6,0 mm
10-ml-Spritze
Metzenbaum-Schere
10-ml-Spritze
Gänsegurgel
Tubus 6,0 mm mit Introducer
Gänsegurgel
Befestigungsband
10-ml-Spritze
Befestigungsband
Gänsegurgel Befestigungsband Ein komplettes Set erleichtert die Anwendung im Notfall, ist aber keine zwingende Voraussetzung für das Gelingen einer Koniotomie. Das Material kann durchaus auch einzeln vorgehalten werden und zum Einsatz kommen (➤ Abb. 5.3, ➤ Abb. 5.4).
Abb. 5.3 Punktionsset für die Punktionstracheotomie – Nadelkrikothyreotomie nach Griggs (Firma Smith Medical) [V090]
Abb. 5.4 Koniotomie-Set Surgicric II der Firma VBM [V348] Eine weitere Punktionstechnik der Koniotomie ist die Punktion des Ligamentum conicum mit einer Hohlnadel, die sog. Nadelkrikothyreotomie (➤ Abb. 5.5). Hierbei wird eine Nadel mit Lumen benötigt, die als Katheter in das Ligamentum conicum eingeführt wird. Die Anwendung einer Punktionsnadel erfordert höhere Drücke zur Beatmung und auch Unterstützung bei der Ausatmung, Dieses Vorgehen bezeichnet man als perkutane transtracheale Ventilation oder PTV. Hierzu kann zum Beispiel das System „Ventrain“ sehr hilfreich sein, das bereits in ➤ Kap. 4 vorgestellt wurde.
Abb. 5.5 Set für Skalpell-Bougie-Technik [G1257]
5.2.3. Chirurgische Atemwegssicherung bei Erwachsenen Für die chirurgische Sicherung der Atemwege können je nach vorgehaltenem Material bzw. Einsatzsituation verschiedene Techniken zum Einsatz kommen. Die chirurgische Sicherung der Atemwege erfolgt in einer CICO-Situation. Das bedeutet, dass alle anderen Möglichkeiten, den Patienten zu oxygenieren, bereits frustran eingesetzt wurden und eine ausreichende Oxygenierung nicht herstellbar ist. Entscheidend ist hier neben der Expertise in der Durchführung auch die Fähigkeit, diese Entscheidung zu treffen und im Team zu kommunizieren. Es muss klar sein, dass es keine weitere Option gibt, um den Patienten zu oxygenieren und damit zu retten. Aus diesem Grund muss die Entscheidung möglichst frühzeitig und entschlossen getroffen werden. Der Patient wird in Rückenlage gelagert und wenn möglich ein Polster, z. B. eine zusammengerollte Decke, zwischen den Schulterblättern positioniert (➤ Abb. 5.6). Ziel ist es, eine möglichst optimale Streckung des Halsbereichs zu erreichen, um die anatomischen Strukturen gut auffinden zu können.
Abb. 5.6 Lagerung des Patienten zur Koniotomie und Aufsuchen der Punktionsstelle [O1097]: Roter Pfeil: Lig. cricothyroideum Gelber Pfeil: Os hyoideum Grüner Pfeil: Cartilago thyroidea (Thyroid) Blauer Pfeil: Cartilago cricoidea (Cricoid)
Merke Ohne einen gesicherten Atemweg und damit verbundener suffizienter Oxygenierung sind alle weiteren Maßnahmen am Patienten sinnlos. Die ideale Technik zur Koniotomie beinhaltet folgende Punkte: • Hohe Erfolgsquote • Niedrige Komplikationsrate • Ist leicht zu erlernen • Besteht aus wenigen Schritten bzw. Maßnahmen • Beinhaltet einen Aspirationsschutz • Sichert eine adäquate Oxygenierung
Im Rahmen der Koniotomie werden Punktions- und chirurgische Techniken verwendet. Allen Techniken gemeinsam ist die optimierte Lagerung des Patienten, das weitere Vorgehen unterscheidet sich jedoch je nach gewählter Technik. Ebenso obligat bei der Durchführung einer Koniotomie ist der sog. Laryngeal Handshake (➤ Abb. 5.7): Der Kehlkopf wird mit der nicht führenden Hand fest gefasst. Daumen und Mittelfinger umfassen den Schildknorpel fest und halten diesen. Danach wird die Punktionsstelle mithilfe des Zeigefingers aufgesucht, der den Schildknorpel unter sanftem Druck hinabfährt, bis er in die Lücke zwischen Schild- und Ringknorpel fällt. Hier wird im Anschluss die Koniotomie durchgeführt. Daumen und Mittelfinger halten den Kehlkopf fest, damit es nach Punktion bzw. Schnitt nicht zu einer Verschiebung der Gewebe kommen kann. Bei der Punktionskoniotomie kann es von Vorteil sein einen modifizierten Laryngeal Handshake auszuführen, dieser wird analog zum Laryngeal Handshake von kaudal ausgeführt (➤ Abb. 5.8).
Abb. 5.7 Laryngeal Handshake [O1097]
Abb. 5.8 Modifizierter Laryngeal Handshake [O1097] Aktuell sind die chirurgischen Techniken zur Koniotomie favorisiert, da sie insgesamt als die sicherere Variante gesehen werden. Wissenschaftlich lässt sich aus aktuellen Daten kein entscheidender Vorteil einer Technik ableiten. Die Rate an Komplikationen wird mit 50 % angegeben, was aus Sicht der Autoren multifaktorieller Genese ist, da hier im Einsatz viele Faktoren hineinspielen: • Umgebungsbedingungen • Vertrautheit mit dem Equipment
• Trainingsstand der Anwender • Psychologischer Druck in der Einsatzsituation • Teamperformance • Patient Die unterschiedlichen Techniken der Koniotomie und die Durchführung werden nun im Einzelnen besprochen. Skalpell-Bougie-Technik Diese Technik wird momentan von der Difficult Airway Society empfohlen, da sie relativ leicht zu erlernen ist (➤ Abb. 5.9). An Materialen werden ein Skalpell Nr. 10, ein Bougie ca. 40 cm lang und ein gecuffter Endotrachealtubus 6,0 mm benötigt.
Abb. 5.9 Bougie-Koniotomie exemplarisch dargestellt am Übungssimulator [O1097] a) Stab b) Twist c) Bougie d) Tube Der Kehlkopf wird mit dem Laryngeal Handshake aufgesucht und die Punktionsstelle gewählt. Mit der führenden Hand wird mit dem 10erSkalpell eine quere Stichinzision durchgeführt. Im Anschluss wird die Klinge um 90° rotiert (scharfe Seite zu den Füßen). An der Skalpellklinge entlang wird der Coudé des Bougie fußwärts in die Trachea eingeführt. Das Skalpell kann entfernt werden und über den Bougie wird der vorbereitete 6,0-Endotracheltubus in die Trachea eingeführt, bis der Cuff soeben verschwunden ist. Dann erfolgen die Fixierung des Tubus und der Anschluss einer Kapnografie/-metrie. Praxistipp
Bei adipösen Patienten kann es erforderlich sein, zunächst eine 8–10 cm lange Längsinzision mit dem Skalpell durchzuführen; diese wird vom Schildknorpel über den Ringknorpel geführt. Im Anschluss wird mit den Fingern oder einer stumpfen Schere auf das Ligamentum hinabpräpariert.
Merke Die Skalpell-Bougie-Koniotomie erfolgt in 4 Schritten: • Stab – Querinzision des Ligamentum conicum • Twist – Skalpell 90° rotieren, scharfe Seite zu den Füßen • Bougie – Bougie an der Skalpellklinge entlang einführen • Tube – Tubus über den Bougie einführen
Klassische Koniotomie Bei der klassischen Koniotomie erfolgt nach dem Aufsuchen des Ligamentum conicum zunächst eine Längsinzision (➤ Abb. 5.10). Im Anschluss wird das Ligamentum stumpf mit einer Schere frei präpariert und mit dem Skalpell inzidiert. In die geschaffene Öffnung wird ein KilianSpekulum eingeführt und die Öffnung gespreizt. Ein Endotrachealtubus wird über das Kilian-Spekulum eingeführt, bis der Cuff nicht mehr zu sehen ist, und fixiert. Danach wird eine Kapnografie/-metrie durchgeführt.
Abb. 5.10 Klassische Koniotomie [V348]
Praxistipp Nach dem Einführen sollte das Kilian-Spekulum fußwärts gedreht und dann gespreizt werden, um ein Anstoßen des Tubus an der Trachealhinterwand zu verhindern.
Merke • Längsinzision vom Schild- über den Ringknorpel • Präparation des Ligamentum conicum • Querinzision des Ligamentum conicum • Einführen des Kilian-Spekulums • Drehung des Kilian-Spekulum fußwärts • Einführen des Endotracheltubus
V id e o S u rgic ric I I K o niot om ie - Se t – A nw e nd u ng https://www.youtube.com/watch?v=S-eE2ykayFo Punktionskoniotomie mit der Quick-Trach
Bei der Anwendung der Quick-Trach handelt es sich um eine Punktionstechnik als Nadelpunktion. Der Nadel ist eine Kanüle zur Beatmung aufgesetzt, sodass nach erfolgreicher Punktion die Nadel aus der Kanüle herausgezogen wird und die Kanüle in der Trachea verbleibt. Ein angebauter roter Stopper soll eine Verletzung der Trachealhinterwand durch zu tiefes Einbringen verhindern. Eine Schnittinzision mit einem Skalpell ist aufgrund der scharf geschliffenen Punktionsnadel nicht erforderlich. Vorgehen bei der Koniotomie mit der Quick-Trach: • Auffinden des Punktionsortes mittels Laryngeal Handshake von kaudal. • Die Punktion mit der Quick-Trach wird von kranial ausgeführt. • Aufsuchen des Punktionsortes zwischen Schild- und Ringknorpel. • Punktion der Haut senkrecht in einem Winkel von 90° unter Aspiration. • Wenn Luft aspiriert wird, ist die Spitze der Nadel in der Trachea. • Abkippen des Sets um 45° in Richtung Kinn des Patienten. • Stopper entfernen. • Kanüle in die Trachea vorschieben. • Nadel entfernen. • Lage durch Kapnometrie und Auskultation verifizieren. • Kanüle mit dem mitgelieferten Band fixieren. Es sind zwei Sets der Quick-Trach lieferbar: Quick-Trach 1 und QuickTrach 2. Der Unterschied liegt darin, dass bei der Quick-Trach 2 eine gecuffte Beatmungskanüle mitgeliefert wird. Merke Trotz des Stoppers besteht bei zu hohem Krafteinsatz die Gefahr der Verletzung der Trachealhinterwand.
V id e o Qu ick t rac h I Pu nk tio ns k onio to m ie – A nw e ndu ng https://www.youtube.com/watch?v=iDwIYnCyrUA Nadelkrikothyreoidotomie Als Nadelkrikothyreotomie bezeichnet man die Punktion des Ligamentum conicum mit einer Punktionsnadel. Hier gibt es verschieden Verfahrensweisen. Die Punktionskanüle kann genutzt werden, um über eine Seldinger-Technik eine Kanüle in die Trachea einzubringen, die sog. Catheter-over-Neddele-Technik. Dabei wird zunächst unter Aspiration die Trachea durch das Ligamentum conicum punktiert und anschließend ein Seldinger-Draht über die Punktionsnadel in die Trachea eingebracht. Die Punktionsnadel wird entfernt und mit einem Skalpell eine Inzision am Draht gemacht, über den im Anschluss eine Beatmungskanüle in die Trachea eingeführt wird. Der Draht wird entfernt, die Kanüle fixiert und die korrekte Lage verifiziert. Üblicherweise bezeichnet man als Nadelkrikothyreotomie oder Nadelkric die Punktion der Trachea über das Ligamentum conicum mithilfe einer Punktionskanüle und die anschließende Überdruckbeatmung über die einliegende Kanüle. In der Literatur findet man verschieden Techniken. Es gibt vom Handel gelieferte Sets und sog. MacGyver-Techniken, die aus selbst gebautem Material bestehen. Für eine dieser MacGyver-Techniken benötigt man folgendes Material: • Venenverweilkanüle möglichst großlumig • Dreiwegehahn, der auf die Verweilkanüle aufgeschraubt wird • Sauerstoffzuführung mit 15 l Fluss Alternativ kann auf die Venenverweilkanüle eine 5-ml-Spritze mit herausgezogenem Stempel aufgesetzt werden. Auf die Spritze wird der Konnektor eines 7er-Endotrachaeltubus aufgesetzt, an den ein
Beatmungsbeutel angeschlossen werden kann. Eine weitere Variante ist die Verwendung einer großlumigen Kanüle (14G) mit dem Konnektor eines 2,5er-Endotrachealtubus an den dann ebenfalls ein Beatmungsbeutel angeschlossen werden kann (➤ Abb. 5.12). Durchführung der „MacGyver-Technik“ mit Kanüle, Dreiwegehahn und Sauerstoffleitung: Die Punktion der Trachea erfolgt mit der Venenverweilkanüle durch das Ligamentum conicum. Die Nadel wird entfernt und die Kanüle vorgeschoben. Der Dreiwegehahn wird auf die Kanüle geschraubt und eine Sauerstoffleitung mit 15 l/min Sauerstoff angeschlossen. Der Dreiwegehahn wird in eine Position gebracht, in der alle drei Wege offen sind und der offene Weg wird mit dem Finger jeweils für 1 Sekunde verschlossen und dann für 3 Sekunden geöffnet. Während des Verschlusses soll Sauerstoff in die Trachea fließen und in den folgenden 3 Sekunden soll eine Entlastung erfolgen (➤ Abb. 5.11).
Abb. 5.11 MacGyver-Technik [E653-003/O1097] a) Nadelkrikothyreotomie mithilfe Kanüle, Dreiwegehahn und Sauerstoffleitung b) + c) Punktion Lig. cricothyroideum mithilfe einer großlumigen Punktionskanüle (14G) + 2,5er-Tubus-Aufsatz und Überdruckbeatmung Durchführung mit einem handelsüblichen Set: Die Punktion erfolgt mit der gelieferten Punktionskanüle und im Anschluss wird mit einem Einweg-Handbeatmungsgerät eine Überdruckbeatmung über die einliegende Kanüle durchgeführt. Bei diesem Set soll die Expiration aktiv unterstützt werden. Genutzt wird hier das Venturi-Prinzip. Die Firma Ventinova Medical bietet den Ventrain als Einmal-Beatmungsgerät zusammen mit dem Cricath-Katheter an. In den Abmessungen für Erwachsene ist der Katheter 7 cm lang und hat einen Innendurchmesser von 2 mm. Vorgehen bei Anwendung des Cricath:
• Aufsuchen des Punktionsortes durch einen Laryngeal Handschake von kaudal. • Senkrechte Punktion des Ligamentum conicum unter Aspiration. • Wenn Luft aspiriert werden kann, liegt der Katheter in der Trachea. • Die Punktionsnadel wird aus dem Katheter entfernt. • Im Anschluss die Spritze wieder aufstecken und erneut Luft aspirieren. • Den Katheter vorschieben, bis die Flügel auf der Haut aufliegen. • Anschluss eines geeigneten Beatmungsgeräts, wie z. B. Ventrain. • Lagekontrolle durch Kapnografie. Abschließend muss man sagen, dass bei einem eingehenden Studium der Fachliteratur die Nadelkrikothyreotomie und die damit verbundenen Aussagen nicht ganz eindeutig bzw. unumstritten sind. Kritikpunkte sind: • Ein Fluss von 15 l Sauerstoff reicht evtl. nicht aus, um durch das kleine Lumen der Kanüle ausreichend Sauerstoff zu transportieren. • Die vermehrte Retention von Kohlendioxid und die damit verbundenen metabolischen Störungen aufgrund der fehlenden Abatmung. • Die Gefahr eines Barotraumas bei komplett verlegten oberen Atemwegen. • Gefahr eines Pneumomediastinums oder Emphysems. • Bei improvisierten Nadelkrikothyreostomien stellt die Länge der Nadel einen relevanten Faktor für Komplikationen dar. Als Vorteile werden gesehen: • Die Punktion ist relativ einfach durchzuführen. • Der Zeitansatz einer Punktion versus die Anwendung einer chirurgischen Technik durch einen Ungeübten.
• Der psychologische Vorteil bzw. die Human Factors. Vielen Anwendern wird es in einer CICO-Situation leichter fallen eine Punktion durchzuführen als ein Skalpell in die Hand zu nehmen und eine Stichinzision am Kehlkopf durchzuführen. Merke In Studien finden sich unterschiedliche Aussagen dazu, ob ein 15 l Sauerstofffluss ausreichend ist, um eine suffiziente Oxygenierung zu sichern oder ob ein Beatmungsbeutel bzw. ein Einmal-Beatmungsgerät angeschlossen werden muss. Abschließend ist festzustellen, dass die Erfolgsaussichten mit einem handelsüblichen System, bei dem die Expiration unterstützt wird, deutlich Erfolg versprechender ist, wie Daten aus verschiedenen Studien beweisen. Hier gelingt eine suffiziente Oxygenierung und die Gefahr eines Barotraumas ist deutlich reduziert. Darüber hinaus ist die Verletzungsgefahr bei Anwendung der Kanüle des Herstellers deutlich geringer. Praxistipp Wenn man sich für die Technik der Nadelkrikothyreostomie als chirurgisches Mittel der Wahl entscheidet, dann sollte ein handelsübliches Set, wie z. B. Ventrain vorgehalten und die Anwendung damit trainiert werden.
Merke
• Die Nadelkrikothyreotomie als MacGyver-Variante kann eine kurzfristige Bridging-Maßnahme darstellen, es muss aber zeitnah eine definitive Versorgung der Atemwege erfolgen. • Die Anwendung und Vorhaltung eines handelsüblichen Systems, insbesondere mit Einweg-Beatmungsgerät bietet deutliche Vorteile für den Patienten. • Ein Anwender sollte nach Möglichkeit in beiden Techniken sicher beschult und trainiert sein.
5.2.4. Chirurgische Atemwegssicherung bei Kindern Die chirurgische Sicherung der Atemwege bei Kindern stellt eine besondere Situation dar. Bei der Versorgung des Atemwegs bei Kindern kommt erschwerend hinzu, dass es durch frustrane Versuche der Atemwegssicherung zu einer Schwellung oder Blutung im Rachenraum kommen kann, die eine weitere konventionelle Sicherung der Atemwege unmöglich macht. Daten aus Registern legen nahe, dass mehr als zwei Intubationsversuche zu einem signifikanten Anstieg der Komplikationsrate führen können. Insgesamt betrachtet ist die Notwendigkeit, eine chirurgische Atemwegssicherung bei Kindern durchführen zu müssen, ein extrem seltenes Ereignis. Bei Kindern ist es deutlich schwieriger, typische anatomische Landmarken zu identifizieren, und die Durchführung einer chirurgischen Koniotomie kann nachhaltige Gewebeschäden hinterlassen. Je nach Literatur wird das Alter für eine chirurgische Koniotomie mit 8 oder 10 Jahren angegeben. Eine neuere Publikation gibt das Alter zwischen 5 und 10 Jahren an und empfiehlt nach Sichtung der Anatomie eine individuelle Entscheidung. Problematisch an einer Koniotomie bei Kindern ist, dass der
Kehlkopf klein, geschmeidig und beweglich ist, was die Ausführung der Technik erschwert. Merke Eine chirurgische Koniotomie mit Skalpell-BougieTechnik oder konventionell chirurgisch wird bei Kindern unter 10 Jahren nicht empfohlen. Die Difficult Airway Society empfiehlt bei Kindern unter 10 Jahren die Durchführung einer Nadelkrikothyreostomie. Zu beachten sind hierbei die deutlich kleineren anatomischen Verhältnisse. Zu beachten in einer CICO-Situation mit pädiatrischen Patienten sind auch die Human-Factors und der deutlich höhere psychologische Druck. Zusätzlich kommt es aufgrund der physiologischen Besonderheiten, wie z. B. fehlende bzw. eingeschränkte funktionelle Residualkapazität, höherer Sauerstoffverbrauch, zu einer deutlich progressiveren Verschlechterung des Patienten im Vergleich zu Erwachsenen. Die Difficult Airway Society empfiehlt den Entschluss zu einer chirurgischen Sicherung der Atemwege mittel Nadelkrikothyreostomie in einer CICO-Situation mit einer peripheren Sauerstoffsättigung < 80 % und weiter fallend und einer Zunahme der Herzfrequenz. Bei der Durchführung bei Kindern sollte auch hier genau wie bei Erwachsenen die Lagerung durch eine Schulterrolle optimiert werden. Die Punktion des Ligamentum conicum sollte mit einer 14- oder 16-GaugeKanüle erfolgen. An diese kann ein Konnektionsadapter eines 2,5er- oder 3er-Endotrachealtubus aufgesteckt und ein Beatmungsbeutel angeschlossen werden. Der Anschluss eines Einmal-Handbeatmungsgeräts ist laut Hersteller von Ventrain bei Patienten unter 40 kg Körpergewicht nur bei akuter Lebensgefahr erlaubt. Praxistipp
Wenn vorhanden, dann sollte in dieser Situation ein Ventrain (➤ Kap. 4.6.2) verwendet werden. Hierbei sind die Flussraten nach den Herstellerangaben an die Tidalvolumina anzupassen.
Vorgehen bei der chirurgischen Atemwegsicherung bei Kindern unter 10 Jahren: • Optimierung der Lagerung • Auffinden der anatomischen Strukturen und Sicherung des Kehlkopfes mit der nicht führenden Hand • Punktion des Ligamentum conicum mittels einer 14- oder 16-GaugeKanüle • Anschluss des Konnektionsadapters eines 2,5er- oder 3erEndotrachealtubus • Beatmung über einen Beatmungsbeutel oder ein EinmalHandbeatmungsgerät • Verifizierung der Tubuslage Insgesamt stellt die chirurgische Atemwegssicherung bei Kindern eine sehr belastende, aber auch sehr seltene Maßnahme in der notfallmedizinischen Tätigkeit dar. Nichtsdestotrotz sollte der Anwender sich gedanklich mit dieser Situation auseinandersetzen und ein intensives Training der Technik anstreben, da nur dies Sicherheit in einer bedrohlichen Situation vermitteln kann. Merke Bei der Durchführung sollte der Anwender immer die anatomischen Größenverhältnisse im Hinterkopf behalten und dementsprechend feinfühlig und ohne größere Kraftaufwendung vorgehen.
5.2.5. Sonografie im Rahmen der chirurgischen Atemwegssicherung Insbesondere bei Patienten, die in der Vorbereitungsphase im Rahmen des SMART-Schemas auffällig sind, kann es schwierig sein, die korrekten anatomischen Strukturen für eine chirurgische Atemwegssicherung darzustellen. In diesem Fall ist bei der konventionellen Durchführung der chirurgischen Atemwegssicherung mit dem vermehrten Auftreten von Komplikationen oder auch einem Scheitern der Maßnahme zu rechnen. Da die Ultraschalldiagnostik in der Bundesrepublik Deutschland innerklinisch überall verfügbar ist und auch in der Präklinik immer mehr Einzug hält, erscheint es sinnvoll, diese auch im Rahmen der chirurgischen Sicherung der Atemwege einzusetzen. Insbesondere in schwierigen Situationen kann sie bei der Darstellung der anatomischen Strukturen unterstützend eingesetzt werden und die Durchführung erleichtern. In durchgeführten Kadaverstudien zeigte sich eine deutliche Überlegenheit gegenüber einer konventionellen Durchführung im Hinblick auf die Fehllage der Tuben. Für die ultraschallgestützte Durchführung einer Koniotomie sind in der Literatur zwei Techniken beschrieben: • String-of-Pearls-Technik • TACA-Technik Merke Der Einsatz eines Ultraschallgeräts kann auch im Rahmend der chirurgischen Atemwegsicherung die Erfolgsrate signifikant erhöhen und sollte, wenn verfügbar insbesondere bei Patienten zum Einsatz kommen, die initial im SMART-Schema Auffälligkeiten gezeigt haben. String-of-Pearls-Technik
Bei der String-of-Pearls-Technik wird der Ultraschallkopf longitudinal über Kehlkopf und Trachea platziert. Die einzelnen Knorpel des Kehlkopfes bzw. der Trachea stellen sich im Ultraschallbild wie eine Perlenkette dar (➤ Abb. 5.12) und ermöglichen die Identifizierung der Punktionsstelle, die mit einem Stift markiert werden kann.
Abb. 5.12 Darstellung der „Perlenkette“ [P1381/O888] Durchführung der String-of-Pearls-Technik: • Der Anwender steht rechts vom Patienten. • Der Schallkopf wird oberhalb der Fossa jugularis transversal auf dem Hals des Patienten platziert und die Trachea wird dargestellt (➤ Abb. 5.13, ➤ Abb. 5.14). • Der Schallkopf wird zur rechten Seite des Patienten geführt, bis die Trachea in etwa die Hälfte des Bildes füllt. Der rechte Anteil des Schallkopfes liegt dabei über der Mittellinie der Trachea. • Die rechte Seite des Schallkopfes bleibt am Ort über der Mittellinie der Trachea und die linke Seite wird um 90° nach oben rotiert, um in eine longitudinale Position zu gelangen (➤ Abb. 5.15). Im Ultraschall stellen sich die Trachealspangen als echoarme Ringe dar und es ergibt sich das Bild einer Perlenkette. • Der Schallkopf wird nun langsam kopfwärts geführt, bis sich der Ringknorpel darstellt. Der Ringknorpel erscheint echoarm und
größer als die Trachealspangen. • Der Schallkopf wird weiter kopfwärts bewegt, so der distale Anteil des Schildknorpels dargestellt. • Mit einem Stift wird in der Mitte des Schallkopfes auf beiden Seiten eine Markierung auf der Haut angebracht. • Mit der einen Hand wird der Schallkopf in Position gehalten und mit der anderen Hand wird eine Nadel seitlich unter den Schallkopf geführt. Die Nadel wird so bewegt und platziert, bis der Schallschatten der Nadel mittig zwischen Schild- und Ringknorpel liegt (➤ Abb. 5.16). • Der Schallkopf wird entfernt und die Position der Nadel mit einem Stift markiert. • Das Ligamentum cricothyroidea als Punktionstelle befindet sich im Kreuzpunkt beider Linien.
Abb. 5.13 Initiale Platzierung des Schallkopfes [P1381]
Abb. 5.14 Darstellung Trachea. ACC = Arteria carotis communis [O888]
Abb. 5.15 a: Darstellung der Tracheab: Drehung um 90° in longitudinale Position mit Darstellung der Trachealspangen (Perlenkette) [P1381/O888]
Abb. 5.16 Darstellung der Punktionsstelle mit Schallschatten der Nadel [P1381/O888]
V id e o I de nt ifizie ru ng de r K rik ot hy re oid e a m it d e r S t r ing-o f- Pe arl s - Te ch nik https://airwaymanagement.dk/index.php? option=com_content&view=article&id=15 TACA-Technik Bei der TACA-Technik handelt es sich um eine weitere Möglichkeit, die Punktionsstelle zur Koniotomie mithilfe der Ultraschalltechnik zu finden und darzustellen. Sie bietet insbesondere bei Patienten mit kurzem Hals oder anatomischen Deformitäten, bei denen die longitudinale Darstellung aus Platzgründen schwierig ist, Vorteile. Der Name der TACA-Technik leitet sich von der Darstellung der Strukturen in der Sonografie ab. Im Einzelnen steht TACA für ThyroidAirline-Cricoid-Airline. Durchführung der TACA-Technik: • Der Schallkopf wird transversal auf dem Hals des Patienten platziert. Ziel ist die Stelle, an der der Schildknorpel vermutet wird. Der Schildknorpel stellt sich in der Sonografie als eine echoarme, dreieckige Struktur dar (➤ Abb. 5.17).
• Im Anschluss wir der Schallkopf nach kaudal bewegt, um das Ligamentum cricothyroideum darzustellen. Dies findet sich als echoreiche, weiße Linie unterhalb des Schildknorpels (➤ Abb. 5.18). • Der Schallkopf wird weiter nach kaudal bewegt und der Ringknorpel wird als umgedrehtes C sichtbar (➤ Abb. 5.19). • Danach wird der Schallkopf nach kranial bewegt, bis er sich wieder über dem Ligamentum cricothyroideum befindet (➤ Abb. 5.20). • Im Anschluss werden die Mittelpunkte des Schallkopfes auf allen vier Seiten mit einem Stift auf der Haut markiert und die gegenüberliegenden Punkte mit einer Linie verbunden. • Die Punktionsstelle befindet sich im Schnittpunkt der beiden entstehenden Linien (➤ Abb. 5.21).
Abb. 5.17 Schallkopf wird über den Schildknorpel (Thyroid) platziert [P1381/O888]
Abb. 5.18 Schallkopf wird nach kaudal bewegt – mit Darstellung des Ligamentum cricothyroideum [P1381/O888]
Abb. 5.19 Darstellung des Ringknorpels (Cricoid) im Ultraschall [P1381/O888]
Abb. 5.20 Darstellung des Ligamentum cricothyroideum im Ultraschall [P1381/O888]
Abb. 5.21 Markierung korrekte Punktionsstelle [P1381]
V id e o I de nt ifizie ru ng de r K rik ot hy re oid e a m it d e r T A C A -T e ch nik https://airwaymanagement.dk/index.php? option=com_content&view=article&id=16
5.2.6. Trachealkanülenmanagement Im Rahmen der notfallmedizinischen Tätigkeiten wird der Anwender auch im ambulanten Bereich immer häufiger mit tracheotomierten Patienten konfrontiert und muss das Handling mit Trachealkanülen sicher beherrschen. Bei einer Tracheostomie wird im Bereich der Trachea unterhalb der zweiten Trachealspange mit chirurgischer Technik ein Zugang zur Trachea geschaffen, über den der Patient über eine eingelegte Kanüle oxygeniert wird. Prinzipiell stehen innerklinisch zwei Techniken zur Verfügung. Im Rahmen der Intensivtherapie wird meist eine sog. Dilatationstracheotomie durchgeführt (➤ Abb. 5.22). Hierbei wird die Trachea zunächst unter bronchoskopischer Sicht mit einer Nadel punktiert und ein Seldinger-Draht eingeführt. Über diesen Draht wird mittels verschiedener Techniken das Loch dilatiert, das heißt, das Gewebe wird zur Seite gedrückt, um eine ausreichend große Öffnung für eine Trachealkanüle zu schaffen. Falls ersichtlich ist, dass die Tracheotomie länger bestehen bleibt, wird eine chirurgische Tracheostomie durchgeführt (➤ Abb. 5.23). Es wird eine ausreichend große Öffnung in die Trachea hineingeschnitten und die Ränder werden geklappt, vernäht und epithelialisieren. Im Gegensatz zur Dilatationstracheotomie bleibt diese Öffnung frei und verschließt sich nicht von selbst. Früher wurden Patienten, die ambulant über ein Tracheostoma weiter beatmet blieben, mit einer chirurgischen Tracheostomie in den ambulanten Bereich verlegt. Aufgrund des Zeit- und Kostendrucks im Gesundheitssystem werden heute allerdings immer mehr Patienten mit einer Dilatationstracheotomie in den ambulanten Bereich verlegt. Das kann bei Unwissenheit oder inkorrektem Handling zu Komplikationen führen.
Trachealkanülen gibt es gecufft und ungecufft, wobei bei Langzeitbeatmung in der Regel gecuffte Trachealkanülen verwendet werden, da ungecuffte Trachealkanülen aufgrund des fehlenden Konnektors nicht an ein Beatmungsgerät bzw. einen Beatmungsbeutel angeschlossen werden können (➤ Abb. 5.24).
Abb. 5.22 Dilatationstracheotomie [O1090]
Abb. 5.23 Chirurgisches Tracheostoma [O1090]
Abb. 5.24 Gecuffte versus ungecuffte Tarchealkanülen [O1090]
Merke • Als Tracheotomie wird in der Regel eine Dilatationstracheotomie bezeichnet, die im Zweifel keinen gesicherten Zugang zum Atemweg darstellt. • Als Tracheostomie wird in der Regel eine chirurgische Tracheotomie bezeichnet, die im Normalfall als gesicherter Zugang zum Atemweg angesehen werden kann.
Praxistipp
Im Einsatz sollte erfragt werden, ob die Anlage des Tracheostomas chirurgisch oder mittels einer Dilatationstracheotomie erfolgt ist, wie lange sie schon besteht und ob bereits ein Wechsel der Trachealkanüle erfolgt ist.
V id e o: A b s au ge n e ine r T r ach e al kanü l e https://else4.de/9sp Probleme mit Trachealkanülen Probleme mit Trachealkanülen, die den Rettungsdienst betreffen sind meist durch ein Herausrutschen der Trachealkanüle also einer dislozierten Trachealkanüle bzw. eine Verlegung der Trachealkanüle durch Sekrete und/oder Blut bedingt. Bei einem Herausrutschen kann es insbesondere bei einer relativ frischen Trachealkanüle dazu kommen, dass sich diese nicht ohne Weiteres wieder platzieren lässt und zu einer Hypoxie des Patienten führt. Bei einer verlegten Trachealkanüle muss diese durch das notfallmedizinisch geschulte Personal vor Ort gewechselt werden. Dislozierte Trachealkanüle Ist die Trachealkanüle disloziert, ist es meist einfach, diese erneut zu platzieren. In einigen Fällen, insbesondere bei frischen Dilatationstracheotomien, kann es aber vorkommen, dass das Tracheostoma sich bereits wieder verschließt und eine erneute Platzierung unmöglich ist. Insgesamt sollte bei einem Dilatationstracheostoma eine Wiedereinlage kritisch hinterfragt werden, da es passieren kann, dass die Trachelakanüle einen falschen Weg findet, da die Gewebeschichten hierbei nicht vernäht sind. Auf jeden Fall sollte 7 bis 10 Tage nach erstmaliger PDT kein Repositionsversuch unternommen werden, sondern der Patient wieder konventionell intubiert werden.
Praxistipp Bei einer dislozierten Trachealkanüle nach einer Dilatationstracheotomie kann es vorteilhafter sein eine Beatmung von oral zu erwägen.
Je nach Beatmungssituation des Patienten kann dies zu einer schnellen Verschlechterung bis hin zum Herz-Kreislauf-Stillstand führen. Das Vorgehen in dieser Situation sollte an die Situation des Patienten angepasst werden. Prinzipiell ist es möglich, auch bei diesen Patienten eine BeutelMasken-Ventilation durchzuführen oder eine SGA einzulegen. Die einzige Ausnahme bilden kehlkopfamputierte Patienten, da bei ihnen der Atemweg nach oral verschlossen ist. Wichtig ist es, das Tracheostoma bei einer Beatmung von oben zu verschließen, da die Luft sonst den Weg des geringsten Widerstands wählt und darüber entweicht. Der Verschluss erfolgt am einfachsten und schnellsten mit ein oder zwei vierfach gefalteten Kompressen und einem Pflasterstreifen. Merke Eine Hypoxie durch eine dislozierte Trachealkanüle kann mit den üblichen Atemwegsdevices therapiert werden, wenn das Tracheostoma verschlossen wird.
Praxistipp Bei einer Überdruckbeatmung mittels Beutel-Masken-Ventilation oder nach Einlage eines SGA auf ein verschlossenes Tracheostoma, kann es hilfreich sein, manuellen Druck auf den Verschluss auszuüben.
Die Intubation eines tracheotomierten Patienten ist ebenfalls möglich, ein Tracheostoma ist nicht zwingend ein Hinweis auf einen schwierigen Atemweg. Hierbei ist aber zu beachten, dass der Endotrachelatubus innerhalb der Trachea über das Tracheostoma hinaus vorgeschoben wird. Eine andere Möglichkeit in einer Notfallsituation bei einem sich verengenden Tracheostoma, das die ursprüngliche Trachealkanülengröße nicht mehr aufnimmt, ist die Einlage eines Endotrachealtubus durch das Tracheostoma und die anschließende Beatmung über den eingelegten Tubus. Praxistipp Die Größe des Endotrachealtubus sollte ein bis zwei Nummern kleiner gewählt werden als der Innendurchmesser der Trachealkanüle. Ist also eine 10er-Trachealkanüle disloziert und lässt sich nicht wieder einsetzen, dann ist dieses Problem oft durch die Einlage eines 8erEndotrachealtubus zu lösen.
Wenn ein Kilian-Spekulum verfügbar ist, dann kann damit versucht werden, das Trachestoma wieder zu weiten und die Trachealkanüle erneut über das Spekulum zu platzieren (➤ Abb. 5.25).
Abb. 5.25 Kilian-Spekulum [T374]
Merke Eine Hypoxie bei dislozierter Trachealkanüle kann im Rahmen der Notfallsituation auf unterschiedlichste Weise behandelt werden. Prinzipiell sind alle Möglichkeiten des Atemwegsmanagements möglich. • Beutel-Masken-Ventilation → Tracheostoma abdecken • Beutel-Masken-Ventilation mit einer Kindermaske direkt auf das Tracheostoma • Einsatz einer SGA → Tracheostoma abdecken • Klassische Intubation → Tubus über das Tracheostoma hinaus vorschieben • Endotrachealtubus über Tracheostoma platzieren • Einsatz eines Kilian-Spekulums und erneute Platzierung der Trachealkanüle
Wechsel einer Trachealkanüle Bei einer verlegten oder partiell verlegten Trachealkanüle kann es erforderlich sein, diese zu wechseln. Optimalerweise ist in der Notallsituation geschultes Personal vor Ort und kann hierbei unterstützen und eine neue Trachealkanüle ist verfügbar. Häufig sind Trachealkanülen insbesondere bei Infekten durch Schleim oder Eiter verlegt (➤ Abb. 5.26). In diesen Situationen kann es hilfreich sein, über die Trachealkanülen die Sekrete abzusaugen. Eine Absaugung über eine einliegende Trachealkanüle muss unter möglichst sterilen Bedingungen erfolgen. Das bedeutet, dass der Anwender sterile Handschuhe trägt und der Absaugkatheter steril angereicht und in die Trachealkanüle eingeführt wird. Werden der Katheter oder die Handschuhe beim Anreichen unsteril, müssen sie gewechselt werden.
Abb. 5.26 Verborkungen und Blutkoagel aus einer Trachealkanüle [O1090]
Merke Eine Absaugung über eine einliegende Trachealkanüle muss möglichst steril erfolgen. Sterile Handschuhe und steriles Anreichen des Materials sind obligat. Der Wechsel einer Trachealkanüle sollte immer in Seldinger-Technik erfolgen, da die Gefahr besteht, die Trachealkanüle in einer der Gewebeschichten zu platzieren (➤ Abb. 5.27).
Abb. 5.27 TK in Situ [O1090] Am einfachsten und sichersten ist der Wechsel über ein AirwayExchange-Device, da über dieses auch eine Beatmung stattfinden kann. Ist keines verfügbar, kann alternativ ein Bougie verwendet werden. Sind beide Devices nicht vorhanden, kann im Notfall der Wechsel über einen 16oder 18-CH-Absaugkatheter geplant werden (➤ Abb. 5.28). Hierbei ist im Vorfeld der Konnektor bzw. Konus abzuschneiden.
Abb. 5.28 TK-Wechsel mit Absaugkatheter [O1090] Durchführung des Wechsels einer Trachealkanüle: • Bei einer geplanten Maßnahme sollte der Patient im Vorfeld präoxygeniert bzw. denitrogenisiert werden. • Das benötigte Material sollte vor Beginn komplett bereit sein. • Die Rollen im Team sollten festgelegt und klar kommuniziert sein. • Eine Absaugung sollte wie bei allen Maßnahmen des Atemwegsmanagement obligat bereitgestellt sein. • Die Haltebänder der Trachealkanüle werden gelöst. • Gecuffte Trachealkanülen werden entblockt. • Die Beatmung wird diskonnektiert. • Vorschieben des Bougie o. Ä. über die Trachealkanüle. • Der Bougie wird gehalten und die alte Trachealkanüle über den Bougie herausgezogen.
• Die neue Trachealkanüle wird über den Bougie in das Tracheostoma eingeführt. • Die Trachealkanüle wird geblockt. • Im Anschluss wird die Beatmung wieder angeschlossen. • Die Trachealkanüle wird wieder befestigt. Praxistipp Bougie, Airway-Exchange-Katheter oder Absaugkatheter sollte bei der Anwendung als Gleitschiene mit ausreichend Gleitmittel versehen werden.
Merke Beim Wechsel einer Trachealkanüle sollte nach Möglichkeit eine Kanüle von gleicher Größe verwendet werden. Insbesondere bei Dilatationstracheotomien können kleinere Kanülen zu einer Retraktion des Tracheostomas führen.
Praxistipp Während der ganzen Maßnahme sollte man seitlich stehen, um nicht von herausgehustetem Schleim o. Ä. getroffen zu werden. Beim Diskonnektieren der Beatmung sollte der Beatmungsschlauch des Beatmungsgeräts vom Anwender weggehalten werden, da ein erneuter Beatmungshub Inhalte des Beatmungsschlauchs auf den Anwender transportieren kann.
Für den Fall, dass die Einlage misslingt oder die Kanüle so weit verlegt ist, dass eine Seldinger-Technik unmöglich ist, ist wie bei einer dislozierten Trachealkanüle vorzugehen. Vorgehen bei Blutungen Blutungen im Bereich eines Tracheostomas können eine lebensbedrohliche Situation darstellen, da bereits kleine Mengen Blut dazu führen, die Atemwege zu verlegen. Es ist entscheidend festzustellen, ob die Blutung aus dem Bereich des Tracheostomas kommt oder aus den Atemwegen. Letztere Blutungen stellen eine lebensbedrohliche Situation dar. Durch Absaugen kann man feststellen, ob sich Blut in den unteren Atemwegen befindet. Eine Blutung im Bereich des Tracheostomas stellt in der Regel keine lebensbedrohliche Situation dar und lässt sich oft durch Druck und Kompressen beherrschen. Wichtig ist es, bei diesen Blutungen auf eine korrekte Blockung der Trachealkanüle zu achten, damit kein Blut in die unteren Atemwege gelangen kann. Lässt sich die Blutung durch Druck nicht kontrollieren, ist eine Vorstellung in einer HNO-Abteilung erforderlich, um die Blutungsstelle ggf. zu koagulieren. Blutungen in den unteren Atemwegen sollten immer eine Vorstellung in einer Klinik nach sich ziehen, um die Ursache der Blutung abzuklären, da dies insbesondere präklinisch nicht möglich ist und ein potenziell lebensbedrohlicher Notfall vorliegen kann. Praxistipp Das Einbringen von Adrenalin in einer Dosierung von 1 : 10.000 kann die Blutstillung unterstützen.
Insgesamt betrachtet wird auch der Rettungsdienst im Rahmen von heimbeatmeten Patienten und Intensivpflegeeinrichtungen immer häufiger
mit tracheotomierten Patienten konfrontiert. Es ist daher angebracht, sich gedanklich mit der Situation auseinanderzusetzen und auch den Umgang mit Trachealkanülen zu trainieren. Zusammenfassung • Ziel der Atemwegssicherung ist die Oxygenierung. • Beim schwierigen Atemweg bietet der Vortex-Approach einen strukturierten Ansatz. • Der Vortex-Approach bietet drei Lifelines, um den Patienten zu oxygenieren. • Jedes Device/jede Lifeline sollte maximal dreimal zum Einsatz kommen. • Zwischen den Versuchen sollte die Situation optimiert werden. • Unabhängig davon, mit welchem Device gestartet wurde, wird nach drei Versuchen im Uhrzeigersinn das Device gewechselt. • Bei bereits massiv kompromittierten Patienten wird nur ein Versuch pro Lifeline gestartet; dieser sollte vom erfahrensten Anwender durchgeführt werden. • Gelingt die sichere Oxygenierung nicht, wird der CICO-Status ausgerufen. • Als letzte Möglichkeit der Oxygenierung bleibt die chirurgische Sicherung der Atemwege. • Entscheidender Punkt bei jeder Koniotomie ist die optimierte Lagerung des Patienten. • Bei der Koniotomie werden mittels Laryngeal Handshake die anatomischen Strukturen aufgesucht. • Eine Koniotomie erfolgt zwischen Schild- und Ringknorpel am Ligamentum conicum.
• Die Koniotomie kann in Punktions- oder chirurgischer Technik erfolgen. • Es gibt verschiedene Möglichkeiten der chirurgischen Koniotomie. • Favorisierte Technik zur Koniotomie ist aktuell die Skalpell-BougieTechnik. • Die Punktionskoniotomie sollte mit einer handelsüblichen Punktionskanüle als Nadelkrikothyreotomie durchgeführt werden. • Optimal ist der Einsatz eines Einmal-Beatmungsgeräts bei der Nadelkrikothyreotomie, das die Expiration unterstützt. • Ist das Material nicht vorhanden, bleibt die Möglichkeit zur „MacGyver-Technik“. • Die Quick-Trach sollte nicht Mittel der ersten Wahl sein. • Die Sonografie kann eine wertvolle Hilfe beim Auffinden des Punktionsortes darstellen. • Mithilfe der Sonografie können Fehllagen im Rahmen einer Koniotomie bzw. Nadelpunktion reduziert bzw. vermieden werden. • Verlegte Trachealkanülen sind ein häufiger Einsatzgrund bei heimbeatmeten Patienten. • Es wird zwischen Dilatationstrachotomien und chirurgischen Tracheostomien unterschieden. • Dilatationtracheostoma haben die Tendenz zur Retraktion, während chirurgische vernäht wurden und daher eine stabile Öffnung bieten. • Bei einer dislozierten Trachealkanüle sind alle Möglichkeiten des Atemwegsmanagements von oral möglich, wenn die Öffnung abgeklebt wird. • Ein Endotrachealtubus muss über das Tracheostoma hinaus vorgeschoben werden. • Der Wechsel einer Trachealkanüle erfolgt immer über eine Gleitschiene.
• Die Absaugung einer Trachealkanüle muss möglichst steril erfolgen. • Blutungen in den unteren Atemwegen bei Trachealkanülen-Trägern stellen eine lebensbedrohliche Komplikation dar.
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Kapitel 6: Nichtinvasive Ventilationsverfahren Thomas Demmer, Peter Tendahl, Martin von der Heyden
F al l s ze nario Ein 68-jähriger Patient mit bekannter COPD ruft den Rettungsdienst bei subjektiv empfundener Luftnot. Beim Eintreffen findet das Rettungsdienstteam einen kaltschweißigen, gestresst wirkenden Patienten vor, der unter Einsatz der Atemhilfsmuskulatur (AHM) auf der Bettkante sitzt. Die erhobenen Parameter zeigen eine Sauerstoffsättigung von 85 %, eine HF von 124 Schlägen/min, einen Blutdruck von 178/90 mmHg. Die Körpertemperatur beträgt 37,7 °C. Der Patient berichtet über leicht hellgelben Auswurf und hat bereits selbstständig mit Salbutamol inhaliert. Subjektiv sei keine Verbesserung eingetreten. Das Rettungsdienstteam tauscht das Salbutamol gegen Adrenalin aus und lässt dieses den Patienten weiter inhalieren. Es werden nach Anlage zweier peripherer Zugänge bei auskultatorisch detektierter Spastik 0,09 mg Reproterol sowie 1 g Magnesium appliziert. Zur Komplettierung der Diagnostik wird ein 12-KanalEKG geschrieben, das einen unauffälligen Befund aufweist. Der qSofa-Score ergibt 1 Punkt. Die anfängliche Besserung ist nach 5 Minuten wieder regredient. Das Team entscheidet sich daraufhin, eine NIV durchzuführen. Der Patient wird entsprechend aufgeklärt und willigt ein. Es wird eine Full-Face-Maske eingesetzt, die gut und sicher sitzt und vom complianten Patienten sehr gut toleriert wird. Es gelingt der Abtransport in den Hausflur. Hier erholen sich die Werte auf eine Sauerstoffsättigung von 89 % und eine HF von 110, der Blutdruck wird mit 140/85 mmHg gemessen. Unmittelbar nach Umlagerung auf die Patiententrage kommt es zu einer erneuten Exazerbation der respiratorischen Situation. Der Patient wirkt wieder gestresster und die Atemanstrengung nimmt deutlich zu. Die Gabe von Morphin bringt wegen der langen Anflutungsphase der Substanz
keine akute Verbesserung. Bei subjektiver und objektiver Dyspnoe sowie respiratorischer Totallerschöpfung wird der Patient im RTW problemlos intubiert. Auf der Intensivstation wird eine Bronchoskopie durchgeführt und reichlich putrides Sekret asserviert. Zwei Tage später kann der Patient erfolgreich extubiert werden. Die ambulant erworbene Pneumonie wird suffizient antibiotisch behandelt und der Patient befindet sich auf dem Weg der Besserung. Eine überbrückende NIV-Therapie nach Extubation ist nicht erforderlich.
6.1. Grundsätzliches zur nichtinvasiven Beatmung Thomas Demmer, Peter Tendahl, Martin von der Heyden Bei der nichtinvasiven Beatmung (NIV) handelt es sich, wie der Name bereits sagt, um eine Beatmungsform, die keine invasiven Maßnahmen, wie z. B. eine Tracheotomie oder endotracheale Intubation zur Sicherung der Atemwege erforderlich macht. Im Gegensatz zur invasiven Beatmung setzt sie eine bestehende Spontanatmung des Patienten voraus. In den Anfängen hauptsächlich innerklinisch auf der Intensivstation eingesetzt, findet sie heute standardmäßig Anwendung sowohl in der präklinischen als auch innerklinischen Notfallmedizin. Die nichtinvasive Beatmung folgt eher der physiologischen Atmung, ermöglicht dem Patienten unter Umständen selbstständig eigene Atemzüge zu generieren und ist dazu geeignet, Schäden im Bereich der Trachea und des Kehlkopfes zu verhindern. Die Komplikationsrate von beatmeten Patienten im Hinblick auf ventilatorassoziierte Pneumonien ist deutlich reduziert im Vergleich zur invasiven Beatmung. Darüber hinaus kann der Weaning-Prozess oft effektiver und zügiger gelingen, wenn keine endotracheale Intubation durchgeführt worden ist. In der Notfallmedizin kommt hinzu, dass es häufig durch äußere Umstände oder fehlende Expertise, insbesondere beim unerwarteten schwierigen Atemweg, zu Problemen bei der Durchführung einer Narkose bzw. Intubation kommen kann. Diese können durch die Anwendung der nichtinvasiven Beatmung vermindert werden. Insbesondere bei Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung und kardialem Lungenödem ist die Effektivität in der Literatur gut belegt. Am oben gezeigten Fallbeispiel lassen sich exemplarisch die Vor- und Nachteile und damit auch die Limitationen der nichtinvasiven Beatmungstherapie sehr gut
darstellen. Bei Patienten mit respiratorischen Problemen kommt neben der üblichen apparativen Diagnostik in der Notfallmedizin, bestehend aus 6-Kanal-EKG, bei zu erwartender NIV immer zwingend auch das 12-Kanal-EKG, Blutdruckmessung, Pulsoxymetrie, auch der klinischen Beurteilung des Patienten eine entscheidende Bedeutung zu, um die Ursache der Störung und die daraus resultierende Therapie festzulegen. Im Rahmen der klinischen Beurteilung des Patienten müssen schon im Ersteindruck das Hautkolorit und die Atemarbeit erfasst werden, hierbei ist insbesondere auf die Körperhaltung zu achten und darauf, ob die Atemhilfsmuskulatur eingesetzt wird. Weitere differenzialdiagnostische Hinweise können die Inspektion des Mund-Rachen-Raumes und die Auskultation der Lungen im Rahmen des ABCDE-Schemas geben. Medizinische Hilfsmittel wie z. B. ein Heimsauerstoffgerät geben bereits Rückschlüsse auf eine evtl. vorhandene chronische Erkrankung. Wenn möglich sollte eine zielorientierte und zügige Anamnese erhoben werden, insbesondere im Hinblick auf Vorerkrankungen oder auch mögliche anaphylaktische Reaktionen. Sollte die Erhebung einer Anamnese aufgrund von ausgeprägter Sprechdyspnoe schwierig sein, können fehlende Informationen über die Fremdanamnese eingeholt werden, ohne jedoch den zeitlich zügig strukturierten Ablauf zu behindern.
6.1.1. Klinische Beurteilung des Patienten Hautkolorit Die Haut kann bei kritischen Gesundheitszuständen eine Vielzahl von Veränderungen aufweisen. Diese Veränderungen können je nach der Art und Schwere des Gesundheitszustands variieren. Bei respiratorisch kompromittierten Patienten ist insbesondere auf ein fahl-blasses und schweißiges Hautkolorit bzw. auf Zyanosezeichen zu achten, da dies Hinweise auf einen kritischen Zustand des Patienten sein können. Auch eine eventuelle unnatürliche Rötung der Haut kann Hinweise auf z. B. eine Kohlenmonoxidvergiftung oder eine anaphylaktische Reaktion liefern. Körperhaltung
Im Hinblick auf die Körperhaltung des Patienten ist darauf zu achten, wie sich der Patient selbst gelagert hat. Sitzt der Patient auf der Bettkante unter maximalen Einsatz der Atemhilfsmuskulatur? Steht er am offenen Fenster mit aufgestützten Armen? Liegt der Patient flach im Bett mit CPAP-Maske auf der Nase oder sitzt er bequem im Stuhl mit übereinandergeschlagenen Beinen? Jede Auffindesituation lässt Rückschlüsse auf den Belastungsgrad des Patienten zu. Entscheidend ist, dass man den Patienten die Position einnehmen lässt, die er für sich selbst als angenehm empfindet, solange diese Position eine Diagnostik und Therapie nicht behindert. Man kann immer versuchen, den Patienten in eine aus medizinischer Sicht bessere Position zu bringen, wenn der Patient entsprechend führbar und mobil ist. Dies sollte aber auf keinen Fall zulasten der Diagnostik und des zügigen Beginns der therapeutischen Maßnahmen passieren. Auskultationsbefund Ein sachgerechter und zielführender Auskultationsbefund ist ein wegweisendes diagnostisches Kriterium und gehört fest in das strukturierte Vorgehen nach dem ABCDE-Schema, das bei allen Patienten routinemäßig zum Einsatz kommen sollte. Durch eine zielgerichtete und zügige Auskultation kann es möglich sein, einen wegweisenden Befund zu erheben, der das Behandlungsteam auf einen sicheren diagnostischen und somit therapeutischen Weg lenkt. Allerdings ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Auskultation in der Akutsituation nicht den Zeitrahmen sprengt. Immer wieder sieht man Notfallpersonal, das sich in einer überflüssigen und langwierigen Auskultation verliert. Für die akute Behandlung ist es aber vollkommen irrelevant, ob der Patient über dem rechten Oberlappen oder dem rechten Mittellappen ein verschärftes Atemgeräusch oder andere pathologische Atemnebengeräusche zeigt. Ausschlaggebend ist, ob der Auskultationsbefund am ehesten einer kardialen Ursache (z. B. Lungenödem), einer respiratorischen Ursache (exazerbierte COPD) oder einer infektiologischen Ursache (Pneumonie) oder auch einer Kombination aller drei Ursachen zuzuordnen ist. Die weitere detaillierte Diagnostik erfolgt dann innerklinisch. Umgebung
Letztlich ist auch die Beurteilung der Umgebung wichtig. In den allermeisten Fällen trifft man respiratorisch dekompensierte Patienten in der Häuslichkeit oder im Pflegeheim an. Hier ist es wichtig zu erkennen, ob bereits eine Sauerstofftherapie etabliert wurde und ob z. B. ein CPAP-Gerät vorhanden ist. Dies lässt unter Umständen Rückschlüsse auf den Erkrankungsgrad aber auch über die Compliance bei einem möglichen Einsatz eines NIV-Device zu. Auch Raumtemperatur, vorhandene inhalative Genussmittel oder der allgemeine Hygienezustand der Umgebung helfen zusätzlich bei der Einschätzung der Lage. Merke Bei respiratorisch kompromittierten Patienten kommt der klinischen Beurteilung eine bedeutende Rolle zu, die apparative Diagnostik ergänzt hier meist nur die klinische Beurteilung als begleitendes Element. Insbesondere ist auf folgende Punkte zu achten: • Hautkolorit • Auskultationsbefund • Umgebung • Körperhaltung und damit verbunden die Atemarbeit.
Der HAUK-Score nach Tendahl und Demmer als Entscheidungscore stellt eine gute Möglichkeit für eine Therapieentscheidung dar, die alle bereits erwähnten Punkte der klinischen Beurteilung von respiratorisch kompromittierten Patienten zusammenfasst. Anhand eines Bewertungsschemas werden je nach Schweregrad Punkte zugewiesen, aus denen dann mögliche Therapieoptionen abgeleitet werden können. ➤ Tab. 6.1 fasst den HAUK-Score zusammen.
Tab. 6.1
Entscheidungsscore HAUK für NIV/ITN (nach Tendahl/Demmer)
[P1381/P1385] 0
1
2
Hautkolorit
Rosig
Blass
Blass und kaltschweißig
Auskultationsbefund
Unauffällig
Leicht verschärftes Expirium
Stark verschärftes Expirium oder/und abgeschwächtes Atemgeräusch
Umgebung
Häuslichkeit ohne oder mit intermittierender Sauerstofftherapie
Häuslichkeit oder Pflegeeinrichtung mit kontinuierlicher O2-Therapie
Häuslichkeit oder Pflegeeinrichtung mit NIVTherapie
Körperhaltung
Aufrecht
Einsatz AHM
Einsatz AHM und fehlende Rumpfkontrolle
• 0–2 Punkte: Inhalationstherapie, Medikation, ggf. HFT wenn vorhanden • 3–4 Punkte: NIV-Therapie • ≥ 4 Punkte: NIV-Therapie beginnen, aber Vorbereitung auf Intubationspflichtigkeit Der HAUK-Score stellt eine mögliche Variante zur Komplettierung des klinischen Bildes dar. Die apparativ erhobenen Werte sind jedoch unverzichtbare diagnostische Kriterien, die selbstverständlich für die Gesamtbeurteilung essenziell sind. Hierzu zählen Blutdruckmessung, 12-Kanal-EKG, Sauerstoffsättigung, Temperatur- und Blutzuckermessung, die grundsätzlich bei keinem kritisch kranken Patienten fehlen dürfen.
6.1.2. Entscheidungsfindung im Einsatz
Hat sich das Team nun vor Ort einen Überblick über die klinische Symptomatik gemacht und die diagnostischen und apparativen Maßnahmen komplettiert, geht es darum, die richtigen Therapeutika einzusetzen. Hier kann es dann neben einer medikamentösen Therapie auch erforderlich sein, nichtinvasive Ventilationsverfahren einzusetzen. Im Folgenden wird auf unterschiedliche nichtinvasive Ventilationsverfahren eingegangen, und Alternativen zur NIV vorgestellt, die sich vielleicht noch nicht in der Präklinik durchgesetzt haben. Unter anderem wird neben den gängigen Verfahren CPAP und NIV auch auf die in der Intensivmedizin mittlerweile weit verbreitete High-Flow-Therapie (HFNC) eingegangen.
6.2. Nichtinvasive Beatmung Thomas Demmer, Peter Tendahl Die mechanische Ventilation der Lunge ist heutzutage ein standardmäßig vorgehaltenes Verfahren in der Notfallmedizin. Im Gegensatz zur nichtinvasiven Beatmung muss für die invasive Beatmung eine Larynxmaske in den Pharynx oder ein Beatmungsschlauch in die Luftröhre eingelegt und dort geblockt werden, was insbesondere bei länger beatmeten Patienten zu einer Zunahme der Komplikationsrate führen kann. Bei der nichtinvasiven Beatmung (NIV) kann der Beatmungszugang außerhalb des Körpers liegen. Historisch betrachtet ist die nichtinvasive Beatmung noch vor der invasiven Beatmung technisch etabliert worden – hier wird immer die „eiserne Lunge“ als erstes Beatmungsgerät zitiert. Die damals angewendete Technik übte einen negativen Druck auf den Körper aus und erzeugte somit einen Sog, der die Luft in die Lungen zog. Diese Technik wurde im Rahmen der Polioepidemie mit Beginn der 1930er- bis in die 1950er-Jahre immer weiter ausgebaut. Nachteil war dabei der sehr große operative Aufwand, der betrieben werden musste. Diese Technik wurde in den 1950er-Jahren von den ersten PositivDruckbeatmungsgeräten abgelöst. Die technische Ausstattung hat sich dabei über die Jahrzehnte immer weiter verbessert und ist immer kompakter und auch im Rettungsdienst vor Ort am Patienten verfügbar und sicher einzusetzen. Das Prinzip hat sich dabei über die Jahre aber nicht verändert.
Die nichtinvasive Beatmung erfolgt als künstliche Beatmung über Nasen-, MundNasen-Maske oder Atemhelm (➤ Abb. 6.1 und ➤ Abb. 6.2). Diese Hilfsmittel sind mittlerweile deutlich kleiner, handlicher und auch für den Patienten angenehmer gestaltet.
Abb. 6.1 Möglichkeit der NIV-Therapie mit unterschiedlichen Maskentypen (NIV-Inerfaces): normale Maske mit Halterung für Fixierung der Maske; Full-Face-Maske [G808-006]
Abb. 6.2 Atemhelm [V973] Die nichtinvasive Beatmung verfolgt dabei keinen Selbstzweck, sondern kann nachgewiesenermaßen die Häufigkeit einer invasiven Beatmung bei akuter respiratorischer Insuffizienz (ARI) reduzieren und die daraus resultierenden Komplikationen vermeiden (Meduri 1996). Der Erfolg der Therapie ist multifaktoriell. Zum einen ist es extrem wichtig, eine optimal angepasste Maske auszuwählen. Nicht minder entscheidend ist aber auch hier die Vorbereitung und Mitarbeit des Patienten. Unter der gegebenen zügigen Arbeitsweise sollte trotzdem großer Wert darauf gelegt werden, den Patienten auf das bevorstehende Prozedere vorzubereiten und ihn nicht zu überfordern und damit eine Ablehnung der lebensrettenden Therapie bei ihm zu bewirken. Eine ruhige Arbeits- und Versorgungsatmosphäre, gute Aufklärung und langsames Steigern der Therapie können hier die Kooperationswilligkeit des Patienten sehr positiv beeinflussen. Neben den typischen Nebenwirkungen einer Maskenbeatmung sind nicht nur Diskomfort und Druckstellen zu vermeiden, sondern auch die
Klaustrophobie, die bei einem atemnötigen Patienten, der eine enge Maske aufgesetzt bekommen soll, sehr ausgeprägt sein kann. Merke Durch die NIV sollen dem Patienten die Belastung und das Risiko einer endotrachealen Intubation erspart werden, ohne dass sich daraus ein therapeutischer Nachteil entwickelt. Respiratorische Insuffizienz Die akute respiratorische Insuffizienz kann unterschiedliche Ursachen haben: die Oxygenierungsstörung und die Ventilationsstörung. • Hypoxämische Insuffizienz: Hier versagt die Lunge bei der Oxygenierung des Blutes. Dies ist erkennbar an einem erniedrigten pO2 und einem normalen oder erniedrigten pCO2. Führende Krankheitsbilder sind hier die Pneumonie und das akute kardiale Lungenödem. • Hyperkapnische Insuffizienz: Hier entsteht infolge eines Versagens der Atempumpe eine Hyperkapnie (Ventilationsversagen mit erhöhtem pCO2). Ursache ist zumeist die akut exazerbierte COPD.
6.2.1. Continuous Positive Airway Pressure (CPAP) Bei der NIV sind CPAP (obligater PEEP) und Pressure Support Ventilation (PSV, fakultativer PEEP) am verbreitetsten. CPAP ist eine assistierte Spontanatmung mit einem kontinuierlichen, positiven Atemwegsdruck. Der Patient muss dabei Atemtiefe und Atemfrequenz selbst steuern. Die CPAP-Therapie erfolgt über eine Atemmaske oder einen Atemhelm und versorgt den Patienten darüber mit ausreichend Sauerstoff und dem notwendigen Atemwegsdruck. Eingesetzt werden kann diese Therapie v. a. bei akuter respiratorischer Insuffizienz, die den Gasaustausch stört und in eine Hypoxämie resultiert. Häufig sind ein kardiales Lungenödem oder eine schwere Pneumonie Ursache einer solchen Gasaustauschstörung. Bei dieser respiratorischen Störung nehmen die von der Erkrankung betroffenen Lungenareale nicht mehr an
der Oxygenierung teil. Atelektasenbildung oder Sekretansammlung verhindern die Sauerstoffaufnahme. Zusätzlich erhöht sich das Shunt-Volumen, das eine zusätzliche Pumpleistung des Herzens notwendig macht, ohne dabei zur Sauerstoffversorgung des Körpers beizutragen (sog. Rechts-links-Shunt-Volumen). Durch kontinuierlichen positiven Druck in den luftleitenden und luftaustauschenden Lungenbereichen eröffnet man den kollabierten Atemweg und erhöht dadurch die Gasaustauschfläche. Dadurch, dass wieder mehr Lungenareale am Gasaustausch teilnehmen und durchblutet werden, reduziert sich wiederum der Rechts-links-Shunt in den Lungengefäßen und die Atemarbeit wird wieder vermindert. Dies bietet Patienten wie z. B. dem Patienten aus dem obigen Fallbeispiel viele Vorteile. Merke Patienten mit hypoxämischer respiratorischer Insuffizienz profitieren am ehesten von der CPAP-Therapie. Der Einsatz erfolgt z. B. beim kardialen Lungenödem oder bei der Pneumonie. Durch die erhaltenen Schutzreflexe des Patienten ist auch eine höhere Stabilität in der Versorgung gegeben. Der Sauerstoffgehalt in der Lunge erhöht sich, die Gasaustauschfläche nimmt zu und die Verbesserung der Volumenleitfähigkeit der Atemwege mit erleichterter mukoziliärer Clearance lassen den Patienten sein Sekret mobilisieren. Durch erhaltenen Hustenstoß kann der Patient jederzeit abhusten und seine Atemarbeit zusätzlich erleichtern. Aktuelle Transportrespiratoren, wie sie auf modernen Rettungstransportmitteln eingesetzt werden, bieten ein hohes Maß an Anpassungsmöglichkeiten an die Bedürfnisse des Patienten. Die sichere Anwendung von CPAP/NIV wird auch in der Notfallsanitäterausbildung trainiert und ist in entsprechenden Standardarbeitsanweisungen (SOPs) fest integriert. Merke NIV/CPAP: • Hält die Alveolen kontinuierlich eröffnet. • Erhöht die funktionelle Kapazität.
• Reduziert Shunt-Bildung. • Erhöht durch den Effekt auf die Lunge die Compliance des Patienten: nicht ventilierte, aber perfundierte Lungenareale können wieder eröffnet werden.
CPAP nach Boussignac Praktische Anwendung in der präklinischen Versorgung findet sich einerseits in einfachen Flow-CPAP-Verfahren. Der bekannteste Vertreter ist das CPAPSystem von Boussignac (➤ Abb. 6.3). Es stellt einen kontinuierlichen Überdruck bereit, indem Sauerstoff mit hohem Flow durch abgewinkelte Seitenkanäle in einen Zylinder injiziert wird. In einer der Zylinderöffnungen (Patientenseite) wird ein Überdruck und auf der anderen (Umgebungsluftseite) ein Unterdruck erzeugt (➤ Abb. 6.4). Das erzielte Druckniveau hängt direkt proportional von der Menge und dem Durchsatz der eingespritzten Gase ab. Für die suffiziente Anwendung beim CPAP benötigt man zwischen 10 und 30 l Sauerstoff/min. Die Maßnahme ist daher zeitkritisch anzuwenden.
Abb. 6.3 Schematischer Boussignac-CPAP-System-Aufbau des Boussignac-CPAP-Systems [L157]
Abb. 6.4 Boussignac-Ventil, hier an eine Beatmungsmaske angeschlossen. Der zweite Ventilanschluss kann wahlweise für die Druckmessung mit Manometer, die Kapnometrie oder die Zugabe von Medikamenten verwendet werden. [V157]
NIV Fügt man dem CPAP nun eine inspiratorische Druckunterstützung hinzu, so spricht man von einer nichtinvasiven Beatmung (NIV). Die Druckunterstützung selbst ist am Beatmungsgerät einstellbar und variiert je nach Klinik des Patienten. Somit sind die einzustellenden Werte keine Fixwerte, jedoch wird meist mit einer Druckunterstützung von 3–8 mbar begonnen. Die NIV kann genau wie die CPAPTherapie über eine Atemmaske oder einen Atemhelm erfolgen. Wichtig sind eine gute Passform und die Dichtigkeit der angewendeten Atemmaske oder des Atemhelms. Bei akuter respiratorischer Insuffizienz der Atempumpe, d. h. Atemarbeit gegen einen erhöhten Atemwegswiderstand, entwickelt sich im Verlauf eine Hyperkapnie. Bei der hyperkapnischen respiratorischen Insuffizienz findet sich per Definition ein pH < 7,35 und ein PaCO2 > 45 mmHg. Ursache hierfür ist häufig die akut exazerbierte COPD. Die COPD ist ein Krankheitsbild der Lunge mit einer dauerhaften Verengung der Atemwege, die insbesondere die Ausatmung erschwert. Die Verengung entsteht durch eine Entzündung der kleineren Atemwege (obstruktive Bronchiolitis). Durch zusätzliche Schleimproduktion und Zerstörung des Lungengewebes fallen die Atemwege bei der Ausatmung in sich zusammen. Als Folge des erhöhten Atemwegswiderstands, der dynamischen Lungenüberblähung und der konsekutiven Abflachung des Zwerchfells wird die Atemmuskulatur überlastet und droht zu erschöpfen. Patienten haben eine insuffiziente Atmung mit geringen Tidalvolumina, die sie auch durch eine Tachypnoe nicht ausgleichen können. Die Expiration ist verkürzt und durch den erhöhten Atemwegswiderstand steigt der Druck in der Lunge zusätzlich an (intrinsischer PEEP). Der intrinsische Druck wird bei der NIVTherapie durch einen extrinsischen PEEP ausgeglichen und durch den Unterstützungsdruck fällt die Inspiration leichter. Der extrinsische PEEP sollte dabei etwas geringer sein als der intrinsische PEEP. Da der intrinsische Peep in der präklinischen Versorgung meistens nicht ausreichend bestimmt werden kann, empfiehlt es sich, für den extrinsischen Peep eine Einstellung zwischen 3 und 6 mbar zu wählen (s. auch ➤ Kap. 7)
Zur weiteren Erholung von der Atemarbeit profitiert der Patient zudem von einer fortgesetzten und an den klinischen Erfordernissen angepassten Druckunterstützung. Wie oben bereits erwähnt, sind die Werte variabel und abhängig vom klinischen Bild. Bei einem eingestellten Peep von 5 mbar und einer Druckunterstützung von 6 mbar ergibt sich dann z. B. ein Spitzendruck von 11 mbar. Merke Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD): 1. Atemnot: Dies liegt an einer eingeschränkten Luftstromdurchlässigkeit in den Atemwegen. 2. Übermäßige Schleimproduktion: Eine erhöhte Schleimproduktion ist typisch für COPD. Dies führt zu Hustenbeschwerden, Auswurf und verengt die Atemwege zusätzlich. 3. Wiederkehrende Atemwegsinfektionen: Die anhaltende Entzündung in den Atemwegen macht COPD-Patienten anfälliger für virale oder bakterielle Atemwegsinfektionen wie Bronchitis und Lungenentzündung. 4. Eingeschränkte körperliche Belastbarkeit: Aufgrund von Atemnot und Erschöpfung haben Menschen mit COPD Schwierigkeiten, alltägliche Aktivitäten auszuführen. 5. Gewichtsverlust und Muskelschwäche: Schwierigkeiten beim Essen aufgrund von Atembeschwerden können zu Gewichtsverlust führen. Darüber hinaus kann die geringere körperliche Aktivität Muskelschwäche verursachen. 6. Schlafprobleme: Atembeschwerden können auch während des Schlafs auftreten und Schlafstörungen verursachen. 7. Psychologische Auswirkungen: COPD kann zu Angstzuständen und Depressionen führen, da die Erkrankung den Alltag stark beeinträchtigen kann.
8. Exazerbationen: Schubartige Verschlechterungen der Symptome, auch als Exazerbationen bezeichnet, sind häufig bei COPD. Diese verursachen häufig Notfalleinsätze und machen Krankenhausaufenthalte notwendig.
Die S3-Leitlinie „Nichtinvasive Beatmung als Therapie der akuten respiratorischen Insuffizienz“ stellt folgende Anforderungen an Ventilatoren: • Druckvorgabe • Möglichkeit der Leckagekompensation • Inspiratorische Flussrate mindestens 60 l/min • Maximale Atemfrequenz > 40/min • BILEVEL/BIPAP-Modus • Sensibler und einstellbarer Flow-Trigger • Schneller Druckaufbau und Einstellmöglichkeit für die Druckanstiegsgeschwindigkeit („Rampe“) • Einstellmöglichkeit für das Umschaltkriterium von Druckunterstützung auf Exspiration bei druckunterstützter Spontanatmung (Flow-Steuerung) • Interner Akku für mindestens 1 h Betriebsdauer Merke Die hyperkapnische respiratorische Insuffizienz benötigt neben dem PEEP auch die inspiratorische Druckunterstützung. Einsatz z. B. bei der akut exazerbierten COPD oder bei Asthma bronchiale.
6.2.2. Praktische Durchführung NIV/CPAP Die klassische Indikation zur NIV-Therapie sind – wie bereits erläutert – Patienten mit einer respiratorischen Insuffizienz bei erhaltener Spontanatmung. Die Unterteilung der Patientengruppen mit gezielter Behandlungsstrategie lässt sich daher im Rahmen der NIV-Therapie in zwei Hauptgruppen einteilen:
1. Oxygenierungsproblem: hypoxämische ARI (z. B. Pneumonie, Lungenödem) 2. Ventilationsproblem: hyperkapnische ARI (z. B. COPD, Asthma) Weitere Indikationen zur NIV sind z. B. eine Präoxygenierung im Rahmen einer Delayed Sequence Intubation (DSI) oder als Sonderform bei einer Palliativsituation für ein Best Supportive Care. Bei der praktischen Durchführung der nichtinvasiven Ventilation ist zu beachten, dass die Patienten primär an die NIV gewöhnt werden müssen. Die Maske sollte zunächst dicht vor das Gesicht gehalten werden (am besten vom Patienten selbst) und erst im Verlauf bei Toleranz fixiert werden. Die einzelnen Schritte der Anlage einer NIV-Maske sind in ➤ Abb. 6.5 dargestellt. Bei Bedarf kann zur Sedierung niedrigdosiert z. B. Midazolam oder Morphin eingesetzt werden.
Abb. 6.5 Anlage einer NIV-Maske an der Patientin mit initialer Gewöhnung an der Patientin (dicht am Gesicht vorhalten, a + b) und bei Toleranz Fixierung durch Gurtsystem (c) [O1097] Für das Rettungsfachpersonal gibt es unterschiedliche Handlungsempfehlungen zur praktischen Durchführung einer NIV. In ➤ Abb. 6.8 ist eine mögliche praktische Vorgehensweise für die Präklinik dargestellt. Merke Ein entschlossener und schneller Einsatz der nichtinvasiven Ventilation kann bei entsprechender Indikation zu einer schnellen Verbesserung der Oxygenierung und Reduktion der Atemarbeit führen.
NIV/CPAP bei hyperkapnischer ARI Geräteeinstellungen: • PEEP 5 mbar • Pinsp 3–10 mbar über PEEP, steile Druckrampe • Flow-Trigger 1–3 l/min • Inspiratorische Sauerstoffkonzentration 100 % • Exspiratorischer Trigger initial ca. 50 % Nach Anpassung der Maske muss sorgfältig darauf geachtet werden, ob die Inspiration des Patienten zur Triggerung des Unterstützungsdrucks führt. In ➤ Abb. 6.6 ist das mögliche Vorgehen von NIV/CPAP bei hyperkapnischer ARI anhand eines innerklinischen Algorithmus dargestellt und zeigt die entsprechenden Entscheidungspfade.
Abb. 6.6 Vorgehen NIV bei hyperkapnischer ARI (innerklinisch) [L143]
Wird die Druckunterstützung vom Patienten gut toleriert, kann die Inspirationsdauer vorsichtig durch Reduzierung des exspiratorischen Triggers verlängert und damit die Atemzugvolumina erhöht werden. Der exspiratorische Trigger bezeichnet den Gasfluss als Anteil des initialen Spitzenflusses in Prozent, auf den der Inspirationsfluss abfallen muss, um die Druckunterstützung zu beenden und dem Patienten die Ausatmung zu gestatten. Ein anfänglich niedriger Wert kann zu einer relativ langen Inspiration und deshalb dazu führen, dass der Patient gegen den inspiratorischen Gasstrom auszuatmen versucht. Erfolgskontrolle: • Abnahme von Unruhe, Besserung der Vigilanz. • Abnahme der Luftnot. • Pulsoxymetrie zeigt eine Steigerung der SaO2 ≥ 85 %. • Die Abnahme der Herz- und Atemfrequenz hin zu normalen Werten. • Ökonomisierung der Atemarbeit. • Bei laufender Kapnometrie kann eine etCO2-/PaCO2-Abnahme beobachtet werden. NIV/CPAP bei hypoxämischer ARI In ➤ Abb. 6.7 ist das Vorgehen von NIV/CPAP bei hypoxämischer ARI anhand eines Algorithmus dargestellt und zeigt die entsprechenden Entscheidungspfade.
Abb. 6.7 Vorgehen bei hypoxämischer ARI [L143] Geräteeinstellungen: • Kontinuierliche Überwachung der Vitalparameter (RR, HF, AF, SpO2). • Patienten informieren. • Maske vorhalten, ohne Haltebänder (oder Patient selbst). • Beginn mit einem Druck von ca. 5 mbar für wenige Minuten, dann Steigerung auf 6–8 mbar mit zunächst reinem Sauerstoff. • Bei Flow-CPAP-Systemen muss der Sauerstoffflow so gewählt werden, dass der gewünschte Druck erreicht wird. • Toleriert der Patient das Verfahren, wird die Maske mit den Haltebändern am Kopf fixiert. • Bei bewusstseinsgeminderten oder geschwächten Patienten darauf achten, dass die Atemwege sich nicht verlegen (Roessler, Kill 2010). Erfolgskontrolle: • Abnahme von Unruhe, Besserung der Vigilanz • Abnahme der Luftnot • Pulsoxymetrie zeigt eine Steigerung der SaO2 ≥ 80 %. • Die Abnahme der Herz- und Atemfrequenz hin zu normalen Werten. • Ökonomisierung der Atemarbeit.
• Bei der laufender Kapnometrie kann eine etCO2-/PaCO2-Abnahme beobachtet werden (➤ Abb. 6.8).
Abb. 6.8 Möglicher Algorithmus für die praktische Durchführung der NIV für Notfallsanitäter [P1381/M1001]
Kontraindikationen NIV/CPAP
Die Empfehlungen folgen der S3-Leitlinie „Nichtinvasive Beatmung als Therapie der akuten respiratorischen Insuffizienz“. Absolute Kontraindikationen: In diesem Fall muss die NIV sofort beendet und eine invasive Beatmung begonnen werden. • Fehlende Spontanatmung • Schädelfrakturen • Verlegung der Atemwege • Gastrointestinale Blutungen oder Ileus • Nicht hyperkapnisch bedingtes Koma Relative Kontraindikationen: Hier muss von einem sehr erfahrenen Behandlungsteam abgewogen werden, ob die Vorteile der NIV die Risiken überwiegen. Fortführung unter ständiger Intubationsbereitschafft. • Hyperkapnisch bedingtes Koma • Agitierter Patient • Sekretverhalt • Schwere Hypoxämie • Schwere Azidose • Kardiogene Instabilität (Myokardinfarkt) Abbruchkriterien: Ein Abbruch der nichtinvasiven Beatmungstherapie sollte erfolgen, wenn die Maßnahmen nicht die gewünschten Veränderungen herbeiführen. • Trotz FiO2 von ≥ 0,5 wird nur eine Sauerstoffsättigung von ≤ 85 % erreicht, der pCO2 im arteriellen Blutgas steigt weiter an und der Patient trübt ein. • Leckageprobleme. • Anhaltende Tachypnoe. • Gegenwehr des Patienten.
6.3. High-Flow-Therapie (HFT/HFNC) Peter Tendahl, Martin von der Heyden
Definition und Funktionsweise Der Mensch generiert selbst in der Phase der Einatmung einen Atemgasflow von 20–25 l/min. Das bedeutet, dass die Luft, die im Normalfall mit 21 % Sauerstoff angereichert ist, mit einer Geschwindigkeit von 20–25 l/min in die Atemwege strömt. Eine High-Flow-Therapie (HFT) oder auch High Flow Nasal Cannula (HFNC), die einem Patienten einen klinischen Benefit geben soll, muss also mindestens über einen Flow von 25 l/min oder mehr verfügen, da sonst die Atemarbeit nicht entlastet bzw. zum Flow in Ruhe kein Unterschied besteht. Wer schon einmal eine O2-Maske mit einer Sauerstoffgabe von 15 l/min aufgesetzt und dabei festgestellt hat, wie unangenehm trocken und kalt diese Zufuhr ist, kann sich vorstellen, wie problematisch ein doppelt oder dreifach so hoher Flow für den Patienten sein würde. Um dies zu unterbinden und die Compliance des Patienten zu verbessern, muss deshalb die angebotene Sauerstoffzufuhr idealerweise erwärmt und angefeuchtet werden. So kann der Patient auch über einen längeren Zeitraum von einer HFT profitieren. Zusätzlich führt ein über längere Zeit applizierter trockener Sauerstoffflow zu einer Reduktion der mikroziliären Aktivität und somit zu einer Reduktion der physiologischen Reinigungs- und Transportfunktion der Lunge (mukoziliäre Clearance verringert sich). In ➤ Abb. 6.9 ist eine HFNCTherapie am Patienten mit konnektierter spezieller gepolsterter Nasenbrille dargestellt. Die Auswahl der richtigen Größe der Nasenbrille ist entscheidend für den Patientenkomfort. Neben den Empfehlungen der Hersteller ist eine grobe Richtschnur, die Größe zu wählen, deren Durchmesser etwas weniger als die Hälfte des Nasenlochdurchmessers betrifft. Dem Patienten wird nun diese Nasenbrille umgeschnallt und das Gerät angeschaltet. Man kann an dem Gerät die Einstellungen bezüglich Flow, Temperatur und Sauerstoffgehalt verändern. Idealerweise beginnt man mit einem Flowansatz von 30–40 l/min und beobachtet dann Atemfrequenz und Atemarbeit (Atemanstrengung des Patienten). Der Sauerstoffgehalt sollte gerade im Notfall ruhig 100 % betragen, mit Ausnahme von Patienten mit schwerer COPD, hier sollte zu Beginn eher ein etwas niedrigerer Sauerstoffgehalt von nicht mehr als 70 % gewählt werden. ➤ Abb. 6.10 zeigt ein Gerät zur HFNC auf einer Intensivstation. In ➤ Abb. 6.11 sind unterschiedliche HFT-/HFNC-Module/Systeme bzw. Geräte abgebildet.
Abb. 6.9 HFNC-Anwendung am Patienten [V088-001]
Abb. 6.10 HFNC-Gerät auf der Intensivstation mit Monitor, Befeuchtungs- und Temperaturmodul [P1381]
Abb. 6.11 HFOT-Geräte: Airvo™ 2 (links), MaxBlend 2 (Mitte) und MaxVenturi® (rechts) [V088, U372]
Merke Ein über längere Zeit applizierter trockener Sauerstoffflow führt zur Reduktion der mikroziliären Aktivität und somit zur Reduktion der physiologischen Reinigungs- und Transportfunktion der Lunge (Verringerung der mukoziliären Clearance).
Achtung Das High-Flow-Gerät kann keinen wirklichen inspiratorischen Druck und keinen relevanten Peep aufbauen. Auch kann es in sehr hoher Flowrate lediglich einen CO2-Washout des Totraumvolumens durchführen, jedoch nie einen relevanten CO2-Washout auf alveolärer Ebene. Das Gerät appliziert dem Patienten lediglich Sauerstoff über einen hohen Flow. Damit sind der HFT schon natürliche Grenzen für den Einsatz gesetzt.
Geeignete Krankheitsbilder für eine HFT Der Einsatz der HFT lässt sich aufgrund physiologischer Gegebenheiten eingrenzen. Patienten, deren Alveolen kollabiert sind und die einen positiven endexspiratorischen Druck benötigen, damit der Gasaustausch ausreichend
stattfinden kann, profitieren nur mäßig von einer HFT. Hier ist die NIV der HFT deutlich überlegen, weil diese den benötigten Druck aufbauen kann, um an den Interalveolarsepten die Zeit für den Gastaustausch zu generieren. Patienten mit einem Lungenödem würden deshalb eher von einer NIV-Therapie profitieren. Entscheidend ist immer, die Ursache für die respiratorische Insuffizienz zu erkennen, was gerade in der Präklinik nicht immer einfach ist. Vereinfachend kann man festhalten, dass Krankheitsbilder, deren Ursache eine Oxygenierungsstörung zugrunde liegt, eher von einer HFT profitieren als Krankheitsbilder mit einer Ventilationsstörung (➤ Tab. 6.2). Tab. 6.2
Indikationsstellung HFT – Entscheidungshilfe
Indikationen HFT
Kontraindikationen HFT
Reine Oxygenierungsstörung (keine Ventilationsstörung)
Bewusstloser Patient
Erhöhte Atemarbeit (Work of Breathing, WOB)
Anatomische Besonderheiten (nasopharyngeale Operationen/Tumoren)
Patienten mit Herzinsuffizienz NYHA III und höher
Patienten mit Ventilationsstörungen (pathologische Atemmuster, Apnoe)
Hoher Sauerstoffbedarf Spontan atmender Patient Patienten mit COPD, mit beginnender Pneumonie oder auch bei akuter Herzinsuffizienz profitieren von einer HFT. Hier wird über den stetigen Sauerstoffflow das CO2 ausgewaschen und das Totraumvolumen verkleinert. Das bedeutet für den Patienten im Idealfall weniger Stress, weniger Atemarbeit und eine Konsolidierung der akuten Situation. Im innerklinischen Alltag findet die HFT ihren berechtigten Einsatz auf der Intensivstation. Dort wird sie speziell bei Patienten eingesetzt, die über einen längeren Zeitraum intubiert waren, extubiert wurden und eine erneute ReIntubation vermieden werden soll. Studien haben belegt, dass bei einer ausgesuchten Patientenklientel die Sauerstoffflowtherapie über HFT vom Patienten besser vertragen wird als die NIV.
Gerade Patienten, die sich durch eine Maske, die unter gewissem Druck Sauerstoff in die Lungen presst, eingeengt oder behindert fühlen, profitieren besonders. Aus pflegerischen Aspekten ist die HFT von Vorteil, weil Pflegemaßnahmen wie Mund- und Zahnpflege oder die Nahrungsaufnahme nicht gestört sind. Eine Diskonnektion der HFT ist für das Durchführen dieser Maßnahmen nicht notwendig. Der Patient kann komfortabel seine Hypoxämie schrittweise abbauen, ohne dass die Therapie unterbrochen werden muss (➤ Tab. 6.3). Tab. 6.3
Vor- und Nachteile HFT
Vorteile
Nachteile
Patientenkomfort
Nicht für jedes Krankheitsbild einsetzbar
Weniger invasiv
In der Notfallsituation ohne relevante Möglichkeit, einen Peep zu generieren
Mundpflege gut möglich
Sauerstoffapplikation nur über Flow und Konzentration möglich
Nahrungsaufnahme oral gut möglich Compliance des Patienten verbessert Reduktion der Reintubationsrate HFT in der prähospitalen Notfallversorgung Patienten mit einer hypoxämischen Ursache des Respirationsversagens würden in der Regel auch in der Präklinik profitieren. Darüber hinaus ist die Akzeptanz der HFT so hoch, dass Patienten, die eine NIV nicht tolerieren und nicht zwingend intubationspflichtig sind, auch durch die HFT eine Verbesserung ihrer Oxygenierung erreichen. Eine Studie aus dem Jahr 2013 konnte zeigen, dass Patienten mit Herzinsuffizienz NYHA III und höher eine signifikante Verbesserung der Vorlast sowie eine Verringerung der Atemfrequenz unter HFT erzielten.
Für Patienten mit schwerer COPD konnte in einer Studie aus dem Jahr 2016 gezeigt werden, dass HFT den mittleren alveolären Druck reduzierte, das Tidalvolumen erhöhte, die Atemfrequenz senkte, die Hyperkapnie reduzierte (über den CO2-Washout) und letztlich die Dyspnoe verbesserte. Allerdings kann eine HFT in der präklinischen Notfallmedizin niemals eine NIVTherapie ersetzen, da für die NIV-Therapie ganz andere Indikationen gelten. Während HFT nur in den Fällen einer Oxygenierungsstörung eingesetzt werden sollte, hat eine NIV-Therapie zusätzlich auch bei Ventilationsstörungen ihre Berechtigung und einen positiven Effekt auf das Outcome der Patienten. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine HFT bei dem geeigneten Patientenklientel zu einer Verbesserung der Oxygenierung, Reduzierung der Atemfrequenz, Reduzierung der Atemarbeit, Reduzierung von subjektiv empfundener Dyspnoe und zu einem verbesserten Patientenkomfort führt. Ein Einsatz in der präklinischen Notfallmedizin ist sicherlich für entsprechende Patientenklientel empfehlenswert und vergrößert die Therapieoptionen. Info Zurück zum Patienten im Fallszenario: Frage: Warum konnte eine Intubation nicht umgangen werden? Antwort: Der Patient war schon bei Eintreffen des Rettungsmittels respiratorisch erschöpft und hatte seine Reserven aufgebraucht. Der HAUK-Score ergab 5 Punkte. Trotz umgehender NIV-Therapie war die Pneumonie schon so exazerbiert, dass bei der bestehenden Vorerkrankung die muskuläre Kraft nicht mehr ausgereicht hat, um eine suffiziente bronchiale Clearance zu erreichen. Eine Intubation war somit aufgrund der pneumonischen Infiltrate und der muskulären Erschöpfung unumgänglich.
Zusammenfassung • NIV ist in der präklinischen Versorgung fest etabliert. • Hypoxämische oder hyperkapnische Insuffizienzen müssen differenziert behandelt werden. • Reevaluiere die Patienten und beachte die Abbruchkriterien für NIV.
• Die HFNC ist aus der Intensivmedizin nicht wegzudenken und hat v. a. in der Reduktion der Re-Intubationsrate eine absolute Berechtigung und einen hohen Benefit. • In der Notfallmedizin hat die HFNC sich (noch) nicht durchgesetzt, da die präklinischen Notfallbilder meist gewisse Beatmungsdruckapplikationen benötigen. • Bei einigen Krankheitsbildern wie z. B. COPD ist die HFNC perspektivisch möglicherweise eine bessere Alternative als die NIV.
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Kapitel 7: Invasive Beatmung Franziska Schult
Die invasive Beatmung von Patienten findet in der Präklinik am häufigsten Anwendung im Rahmen des akuten respiratorischen Versagens, der Notfallnarkose oder der Reanimation. Der Zustand dieser Patienten gilt als kritisch, je nach vorliegender Störung ist es das Ziel der Beatmung, die Oxygenierung des Blutes zu verbessern oder die Ventilation zur Elimination von CO2 zu übernehmen. Meist ist eine Kombination beider Funktionen erforderlich. Die dafür angewandte Überdruckbeatmung ist dabei ein nicht physiologischer Mechanismus mit Chancen und Risiken. In diesem Kapitel werden nach den Grundlagen die gängigen Beatmungsformen und Parameter und dessen Monitoring behandelt sowie auf einige Komplikationen und verschiedene Beatmungsgeräte eingegangen. Fall s ze nar io Der Fall aus der Präklinik knüpft an den in ➤ Kap. 6 beschriebenen Fall an. Der 68-jährige Patient mit bekannter COPD atmet unter Einsatz der Atemhilfsmuskulatur und präsentiert sich als luftnötig und kaltschweißig. Die erhobenen Messwerte zeigen eine Sauerstoffsättigung von 85 %, eine HF von 124 Schlägen/min, einen Blutdruck von 178/90 mmHg, eine Körpertemperatur von 37,7 °C und ein unauffälliges EKG. Die Auskultation detektiert eine Spastik, der Patient beschreibt hellgelben Auswurf. Die Eigenmedikation des Patienten mit Salbutamol ist erfolglos und die medikamentöse Therapie des Rettungsdienstfachpersonals mit inhalativem Adrenalin und intravenöser Gabe von Reproterol und Magnesium bewirkt nur eine kurzzeitige Besserung. Die NIV-Therapie stabilisiert den Patientenzustand bis zum Umlagern des Patienten, bei dem es zu einer erneuten Exazerbation der respiratorischen Situation kommt. Der Patient atmet unter der schweren Atemnot nun nicht mehr synchron mit dem Gerät, was zu einer zusätzlich gesteigerten Agitiertheit und Panik des Patienten mit sich abzeichnender Totalerschöpfung ohne weitere Reserven führt. Die Oxygenierungssituation verschlechtert sich, sodass das Anfluten des verabreichten Morphins nicht mehr abgewartet werden kann und ein zügiger Abbruch der NIV-Therapie beschlossen wird. Eine RSI (Rapid Sequence Induction) wird vorbereitet. Die Narkose wird mit 0,1 mg Fentanyl, 120 mg Propofol und 60 mg Rocuronium eingeleitet, der Patient unter Sicht intubiert und der Tubus unter Cuffdruckkontrolle geblockt. Die Auskultation der Lungen und das endtidal gemessene CO2 bestätigen die korrekte Tubuslage. Für die Beatmung wird eine druckkontrollierte mandatorische Beatmung gewählt (PC-CMV, Pressure Controlled – Continous Mandatory Ventilation), bei dem das Beatmungsgerät die Atmung des erschöpften undrelaxierten Patienten vollständig übernimmt. Der PEEP wird bewusst niedrig auf 5 mbar eingestellt, um eine Überblähung der Lunge bei vorhandener Obstruktion zu vermeiden. Der pmax beträgt 30 mbar, um mögliche Barotraumata zu verhindern. Für den inspiratorischen Druck
pinsp werden zunächst 22 mbar eingestellt, darunter erreicht der Patient unter der aktuellen Compliance und Resistance Tidalvolumina von 420 ml. Das endtidale CO2 wird initial mit 95 mmHg gemessen, zur CO2-Elimination wird daher mit einer Frequenz von 18/min eine Hyperventilation durchgeführt. Der kurze Transport ins Krankenhaus erfolgt unter repetitiver Gabe von Propofol aus der Hand. Die Neubeurteilung des Patienten zeigt eine Besserung der ventilatorischen Situation mit Abnahme des endtidalen CO2 und einer verbesserten Oxygenierung, sodass der Patient bei Übergabe im Schockraum ein endtidales CO2 von 60 mmgH und eine SpO2 von 95 % bei einer inspiratorischen Sauerstoffkonzentration von 50 % zeigt. Auf der Intensivstation wird im Rahmen einer Bronchoskopie reichlich putrides Sekret asserviert und die Beatmung auf BIPAP zur Ermöglichung der Spontanatmung für das Weaning umgestellt. Die antibiotische Behandlung der ambulant erworbenen Pneumonie und der weitere Verlauf stellen sich als komplikationslos dar, sodass der Patient ohne überbrückende NIV-Therapie zeitnah extubiert werden kann. Zusammenfassung der wichtigsten Fakten des vorgestellten Falles: • Die invasive Beatmung ist eine der letzten Eskalationsstufen in der Atemtherapie. Zunächst sollte immer versucht werden, mit weniger invasiven Maßnahmen, wie der Gabe von Sauerstoff oder der nichtinvasiven Beatmung, eine Stabilisierung der respiratorischen Situation zu erreichen. • Die invasive Beatmung bietet erweiterte Möglichkeiten gegenüber der NIV-Beatmung: – Übernahme der Atemarbeit bei Erschöpfung der Patienten. – Anwendung von höheren Beatmungsdrücken sind möglich (bei NIV-Beatmung kommt es bei zu hohen Drücken zur Mageninsufflation oder zu Leckagen). – Gezielte Wahl der Beatmungsparameter zur Behebung der jeweilig vorliegenden ventilatorischen Störung (restriktiv, obstruktiv etc.). – Aspirationsschutz. • Herausforderungen gibt es bei der Benennung der Beatmungsformen, diese können je nach Hersteller des Gerätes voneinander abweichen. Die modulare Zusammensetzung der Benennung an sich nachzuvollziehen, kann bei der Orientierung helfen. • Mit der Vielzahl an Beatmungsmodi ergeben sich gleichzeitig verschiedene Auswahlmöglichkeiten. In diesem Fallbeispiel hätte beispielsweise auch direkt BIPAP und ASB genutzt werden können. • Die Einstellungen in der Beatmung richten sich danach, ob restriktive oder obstruktive Ventilationsstörungen oder eine Kombination aus beiden vorliegt. • Die laufende Reevaluation des Patientenzustands zur Erkennung von Komplikationen und Anpassung der Beatmung ist besonders wichtig.
7.1. Grundlagen der Atmung und Beatmung Für das grundlegende Verständnis von Beatmung sollen in diesem Abschnitt ausgewählte Inhalte zur Anatomie der Lunge, zur Physiologie der Atmung, dem Ansatzpunkt von Beatmung und zu inspiratorischen Störungen beleuchtet werden.
Die Lunge ist ein paarig angelegtes Organ und spielt die zentrale Rolle bei der Atmung. Die Lungenfunktion wird dabei maßgeblich dadurch bestimmt, wie viel Luft aufgenommen werden kann. In ➤ Abb. 7.1 ist die Aufteilung der Lungenkapazität eines durchschnittlichen Erwachsenen zu sehen. Die Totalkapazität der Lunge wird nach maximaler Inspiration erreicht und setzt sich aus der Vitalkapazität und dem Residualvolumen zusammen. Das Residualvolumen verbleibt nach der maximalen Exspiration in der Lunge. Es bildet gemeinsam mit dem Volumen, was nach einer normalen Exspiration in der Lunge verbleibt, die funktionelle Residualkapazität. Diese verhindert den Kollaps der Alveolen, außerdem sorgt sie dafür, dass die Gaskonzentrationen nicht zu stark über die Dauer des Atemzykluses schwanken. Sinkt das funktionelle Residualvolumen, kommt es zu einer ungleichmäßigen Ventilation und zu einer leichten Hypoxie. Präklinisch deutlich häufiger anzutreffen ist die Vergrößerung der funktionellen Residualkapazität im Rahmen von obstruktiven Lungenerkrankungen. Dies führt zur Überblähung der Lunge, auch bei flacher Atmung oder maximaler Exspiration. Das mögliche Inspirationsvolumen verkleinert sich, wodurch die Patienten weniger Reserven haben, dieses bei Bedarf zu steigern. Der anatomische Totraum steigt und führt zu einer Weitstellung des Thorax mit Beeinträchtigung der Atemmechanik. Zu bedenken ist auch, dass die Patientenlagerung die Vitalkapazität der Lunge beeinflusst und auch extrapulmonale Einflüsse wie Thoraxverletzungen/abnormalitäten oder abdominelle Beschwerden die Kapazität einschränken können. Das Atemzugvolumen oder Tidalvolumen VT beträgt unabhängig vom Lebensalter etwa 6–8 ml/kg KG und somit etwa 500 ml bei einem Erwachsenen. Zusammen mit der Atemfrequenz ergibt sich das Atemminutenvolumen aus AMV = VT × f. ➤ Tab. 7.1 zeigt altersabhängig die Größenordnung der physiologischen Werte für die altersabhängige Atemfrequenz.
Abb. 7.1 Lungenvolumina und Lungenkapazitäten [L106]
Tab. 7.1
Physiologische Parameter für die Atemfrequenz und das Atemzugvolumen je nach Alter der
Patientengruppe Atemfrequenz (Atemzüge/min) Erwachsene Person
10–20
Schulkind
15–20
Säugling
30–40
Neugeborene
40–50
Die Atmung ermöglicht die Aufnahme des für den Körper überlebenswichtigen Sauerstoff und die Elimination des Abfallprodukts CO2. Um das Einströmen von Luft in die Lunge bei der Inspiration zu bewirken, ist eine Druckdifferenz nötig. Physiologisch wird diese in Form von Unterdruck erzeugt, indem das Zwerchfell die über Adhäsionskräfte an der Brustwand haftende Lunge aufzieht. Zusätzlich kann die Interkostalmuskulatur durch ihre Kontraktion das Thoraxvolumen erhöhen und damit die Lunge weiter aufdehnen. Weitere Atemhilfsmuskulatur kann die Atmung bei verstärkter In- und Exspiration unterstützen. Die Exspiration erfolgt grundsätzlich durch Erschlaffung der Muskulatur passiv, Luft strömt dabei aus der Lunge, da gegenüber der Umgebung nun ein Überdruck entsteht, der durch die Rückstellkräfte der durch Luft gedehnten Strukturen in Lunge und Thorax ausgeübt wird. Die physiologische Atmung zu imitieren, ist eine elementare Herausforderung in der Entwicklung von Beatmungsgeräten. Geräte wie die „eiserne Lunge“ (➤ Abb. 7.2) konnten diese am ehesten erfüllen, doch allein die räumlichen Ausmaße des Geräts und die eingeschränkte Zugänglichkeit des Patienten haben dazu geführt, dass sich diese Technologie nicht durchgesetzt hat. Die modernen Beatmungsgeräte arbeiten bei der Inspiration mit Überdruck, also genau umgekehrt zur physiologischen Atmung. Daraus ergeben sich Chancen, wie das Beatmen auf einem definierten Druckniveau, aber auch Risiken wie Überdruckschäden oder die Belastung des Lungenkreislaufs. Die Exspiration ist auch bei der Beatmung immer passiv. Ein weiterer Unterschied zur physiologischen Atmung liegt in der Anfeuchtung und Erwärmung der Atemluft, physiologisch geschieht dies insbesondere in den oberen Atemwegen, die bei der invasiven Beatmung umgangen werden. Des Weiteren ist das Gas aus der Gasversorgung eher kalt und trocken. Daher ist insbesondere bei längerer Beatmung der Einsatz einer Atemanfeuchtung nötig. Sie verhindert Sekreteindickung, Schäden der Schleimhäute, Unterkühlungen und Infektionen.
Abb. 7.2 Eiserne Lunge im Vergleich zu modernem Beatmungsgerät [H381-001] Die zentralen Ziele der Beatmung bei respiratorischen Störungen sind der ausreichende pulmonale Gasaustausch zur Oxygenierung des Blutes und die alveoläre Ventilation zur Eliminierung von CO2. Außerdem vermindert oder übernimmt sie die Atemarbeit und ermöglicht die Wiedereröffnung von Atelektasen. Für den Patienten ist die Linderung der Atemnot ein besonders wichtiges Ziel. Gleichzeitig kann eine Beatmung auch bei einer intakten Lungenfunktion im Rahmen einer Narkose oder bei bestimmten Krankheitsbildern z. B. zur Minderung des Hirndrucks eingesetzt werden. Die respiratorische Insuffizienz kann nach drei pathologischen Mechanismen klassifiziert werden: • Oxygenierungsversagen: Hier kommt es zu einer Hypoxie durch eine Störung des Belüftungs-Durchblutungs-Verhältnisses und/oder durch einen Shunt. Das CO2 ist innerhalb der Norm oder durch eine kompensatorische Hyperventilation erniedrigt. Ein intrapulmonaler Rechts-links-Shunt kann durch Atelektasen, Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS), Pneumothorax, Lungenödem etc. verursacht werden. Durch nicht belüftete, aber dennoch durchblutete Alveolen kommt es zu einer Vermischung von venösem, nicht oxygeniertem Blut,
mit arteriellem oxygenierten Blut. Die CO2-Elemination ist dabei nicht gestört, jedoch kann die Oxygenierung auch durch eine erhöhte O2-Konzentration nicht verbessert werden. Dies erklärt das messbar verringerte O2 und das normative oder leicht erniedrigte CO2. • Ventilationsversagen: Die alveoläre Hypoventilation zeigt sich durch Hyperkapnie und Hypoxie. Wird dem Patienten Sauerstoff zugeführt, kann die Hypoxie auch entfallen. Neben neuromuskulären und zentralen Ursachen, die die Ventilation herabsetzen, gibt es Ventilationsstörungen, die ihre Ursache im Atemsystem haben. Unterschieden wird hier zwischen restriktiver und obstruktiver Ventilationsstörung: – Restriktive Ursachen können die Beeinträchtigung der Lungenausdehnung (Pneumothorax, Pleuraerguss etc.), die eingeschränkte Thoraxbeweglichkeit und die eingeschränkte Zwerchfellbeweglichkeit durch abdominelle Ursachen sein. – Obstruktive Ursachen verengen die luftleitenden Wege akut oder chronisch. Beispiele hierfür sind Erkrankungen wie Asthma bronchiale oder (chronische) Bronchitis. • Kombination von Oxygenierungs- und Ventilationsversagen. Merke Eine besonders akut verlaufende, schwere pulmonale Insuffizienz mit Symptomen wie schwere Dyspnoe, Tachypnoe, bestehende Zyanose trotz O2Therapie, Infiltrationen über der gesamten Lunge und verminderte Dehnbarkeit der Lunge (Compliance) wird als ARDS (Acute Respiratory Distress Sydrome) bezeichnet. Das ARDS ist ein entzündliches Syndrom der Lunge, das durch unterschiedlichste Noxen im Rahmen von Sepsis, Trauma, Aspiration etc. ausgelöst werden kann. Es handelt sich um eine diffuse alveoläre Schädigung mit einem durch gesteigerte Permeabilität der Lungenkapillaren hervorgerufenens Lungenödem. Nahezu alle Patienten mit ARDS werden maschinell beatmet. Insbesondere bei respiratorischen Störungen ist für das weitere Verständnis der Beatmung die Bedeutung von Compliance und Resistance wichtig. Der Zusammenhang von Druck und Volumen in der Lunge kann mit der Volumendehnbarkeit beschrieben werden und wird als Compliance bezeichnet. Sie setzt sich zusammen aus der Elastizität der Lunge selbst, der des Thorax und der Wirkung des Surfactants. Surfactant ist ein in den Alveolen gebildetes Phospholipid und verringert die Oberflächenspannung der Alveolen, dadurch wird eine leichtere Dehnung der Alveolen ermöglicht. Die Compliance ist definiert als Volumenänderung ∆V über Druckänderung ∆p oder mathematisch ausgedrückt als . Patienten mit verminderter Compliance atmen schnell und flach, da für das Erzeugen eines tieferen Atemzugs das Aufbringen einer größeren Druckdifferenz nötig und damit mehr Atemarbeit verbunden wäre. Für einen beatmeten Patienten bedeutet dies: Wie viel Volumen gelangt durch welchen applizierten Druck in den Patienten? Ist die Compliance vermindert, ist mehr Druck nötig, um dasselbe Volumen zu applizieren, da die Strukturen im Thorax weniger dehnfähig sind. Wie bereits erläutert, ist zum Ein- und Ausströmen von Luft aus der Lunge eine Druckdifferenz nötig, diese muss groß genug sein, um den Strömungswiderstand der Atemwege zu überwinden. Dieser ist
maßgeblich abhängig vom Durchmesser der Atemwege und vom Durchfluss. Dieser Effekt wird besonders deutlich, wenn versucht wird, durch einen Strohhalm zu atmen und zusätzlich den Durchfluss zu erhöhen, indem schneller geatmet wird. Der Strömungswiderstand steigt durch Turbulenzen, die bei hohem Gasfluss, Änderungen im Durchmesser, Verzweigungen und scharfen Kanten entstehen. Auch wenn die Wände der Atemwege durch Schleimbildung nicht mehr glatt sind, kommt es zu Turbulenzen. Es entsteht innere Reibung in der Atemluft selbst sowie zwischen der Luft und den Atemwegen. Wenn die Resistance steigt, muss mehr Atemarbeit aufgebracht werden, um die für die Einatmung nötige Druckdifferenz aufzubringen. Auch die Exspiration ist dadurch verlängert, sodass ein Teil der Luft in den Lungen verbleibt und die funktionelle Residualkapazität steigt. Merke • Überdruckbeatmung entspricht nicht der physiologischen Atmung! • Compliance: Die pro Druckdifferenz erzielbare Volumenänderung entspricht der Dehnfähigkeit der Lunge. • Resistance: Der Atemwegswiderstand ergibt sich aus Druckdifferenz pro Flow und nimmt maßgeblich Einfluss auf die Atemarbeit.
7.2. Beatmungsformen Im Laufe der letzten Jahrzehnte wurde eine Vielzahl an Beatmungsformen entwickelt, deren Bezeichnungen je nach Hersteller des Geräts variieren. Dies stellt eine Herausforderung für die Anwendung und insbesondere in der interdisziplinären Kommunikation dar. Ein besseres Grundverständnis ermöglicht die Klassifizierung von Beatmungsformen, wie beispielsweise nach der Norm DIN EN ISO 19223:2021 oder nach Chatburn (2014). Demnach bestehen die Hauptunterschiede zwischen den Grundbeatmungsformen darin, wie der Atemhub kontrolliert und wie die Atemsequenz gestaltet wird. Darauf aufbauend können alle Beatmungsformen klassifiziert und weiter spezifiziert benannt werden. Merke Es gibt in aktuellen Leitlinien keine Empfehlungen für das Nutzen einer bestimmten Beatmungsform. Die Wahl liegt beim Behandelnden. Dabei hängt es davon ab, welche Strategie und welches Ziel verfolgt werden. So ist beispielsweise eine Beatmung während einer Notfallnarkose von einem Patienten im Weaning verschieden. Entscheidend ist schlussendlich die patientenadaptierte Wahl der Beatmungsparameter, auf die in ➤ Kap. 7.3 eingegangen wird.
7.2.1. Kontrolle des Atemhubs Der volumenkontrollierte Atemhub (VC) Bei den volumenkontrollierten Beatmungsformen (Volume Controlled, VC) ist der führend eingestellte Zielwert das Tidalvolumen VT. Dies bietet den Vorteil, dass das Atemhubvolumen unabhängig von
Änderungen der Compliance appliziert wird, also zu jeder Zeit das gewünschte Atemvolumen den Patienten erreicht. Gleichzeitig stellt dies eine erhöhte Gefahr von Barotraumata dar, da hohe Beatmungsdrücke resultieren können. Technisch wird das Volumen durch den integrativen Zusammenhang zwischen Flow und Volumen ermittelt (Formel: V = ∫(Flow)dt). Die technische Einstellgröße ist damit der Flow, somit handelt es sich im eigentlichen Sinne um eine flowregulierte Beatmung. In ➤ Abb. 7.3 liefert das Gerät über die Dauer der Inspiration einen konstanten Flow. Das eingestellte Volumen ergibt sich aus Flow mal Inspirationszeit und entspricht der Fläche unter der Kurve. Bei einem definierten Volumen hängt die Höhe des Flows dabei von der Inspirationszeit ab. Daraus folgt beispielsweise für ein eingestelltes Volumen bei verkürzter Inspirationszeit ein höherer Flow. Alternativ zum konstanten Flowverlauf kann dieser in einigen Geräten auch als sinusförmig oder dezelerierend eingestellt werden. Unter einem dezelerierenden Flow versteht man einen im zeitlichen Verlauf abnehmenden Flow, der den Vorteil hat, dass es zu niedrigen Spitzendrücken bei relativ hohem Atemwegsmitteldruck kommt. Allen Flowmustern gemeinsam ist, dass über die inspiratorische Zeit das eingestellte Volumen erzielt wird, das wiederum der Fläche unter der Flowkurve (Integral) entspricht. Der Druck ergibt sich je nach Resistance und Compliance. Um die Patientensicherheit zu gewährleisten und die Gefahr von Barotraumata zu minimieren, gibt es die Möglichkeit, einen maximalen Druck einzustellen. Wird dieser erreicht, wird der Atemhub abgebrochen und ein Alarm ausgelöst.
Abb. 7.3 Flowregulierter/Volumenkontrollierter Atemzug: Volle schwarze Linien zeigen die Kurven unter ideal angenommenen Bedingungen, gestrichelte blaue Linien berücksichtigen das elastische Verhalten der Lunge, rote Linien kennzeichnen vom Anwendenden eingegebene Parameter (Zeichnung angelehnt an die Darstellung in der Norm DIN EN ISO 19223:2021). [L143]
Der druckkontrollierte Atemhub (PC) Die zentrale Einstellgröße für eine druckkontrollierte Beatmung (Pressure Controlled, PC) ist der maximal im Atemsystem zu erreichende Druck pmax. Die idealisierten Druck- und Flowkurven eines druckregulierten Atemzuges in ➤ Abb. 7.4 zeigen, dass die eingestellte Größe des inspiratorischen Maximaldrucks angestrebt und während der Plateauzeit konstant gehalten wird. Bis der Druck erreicht wird, nimmt der Flow zu. Da sich die Lunge und das umliegende Gewebe unter dem Druck dehnen und dieser dadurch abfallen würde, wird vom Gerät auch nach Erreichen des eingestellten Drucks ein immer kleiner werdender Flow geliefert. Bei der Exspiration ist der Sollwert des Drucks auf den Umgebungsdruck oder das PEEP-Niveau abgesenkt. Die Luft verlässt nun die Lunge, die exspiratorische Strömungsrichtung ist entsprechend umgekehrt und es ergibt sich eine negative Flowkurve. Die Exspiration ist, anders als die Inspiration, bei allen gängigen Beatmungsformen – sowie auch physiologisch – ein passiver Vorgang und durch die Rückstellkräfte der elastischen Lungenstrukturen bedingt. Der Druck fällt zunächst schnell, dann langsamer, sich dem Sollwert annähernd, ab. Dies ist durch die nachlassende Dehnung der Lunge, sowie der umgebenden Strukturen und der entsprechend abnehmenden Rückstellkräfte bedingt.
Abb. 7.4 Druckregulierter Atemzug: Volle schwarze Linien zeigen die Kurven unter ideal angenommenen Bedingungen, gestrichelte blaue Linien berücksichtigen das elastische Verhalten der Lunge, rote Linien kennzeichnen vom Anwendenden eingegebene Parameter (Zeichnung angelehnt an die Darstellung in der Norm DIN EN ISO 19223:2021). [L143] Zusätzlich gibt es bei einigen Beatmungsgeräten die Möglichkeit, eine druckkontrollierte Beatmung mit Volumengarantie einzustellen; das normgerechte Kürzel hierfür ist vtPC. Indem der maximale Atemwegsdruck pmax durch das Gerät leicht angepasst wird, kann gewährleistet werden, dass immer eine bestimmte Menge Volumen pro Atemzug appliziert wird, auch wenn sich äußere Bedingungen, die sich ungünstig auf den Druck auswirken, verändern.
7.2.2. Atemsequenz Die Gestaltung der Atemsequenz bestimmt den zweiten charakteristischen Teil einer Beatmungsform. Nach Chatburn (2014) kann hier zwischen Continuous Mandatory Ventilation (CMV), Intermittent Mandatory Ventilation (IMV) und Continuous Spontaneous Ventilation (CSV) unterschieden werden. Die Bedeutung der Begriffe kann anders ausgedrückt werden als die Einflussmöglichkeit – keinen, teilweise oder vollen – des Patienten auf die Beatmung. CMV Bei der kontinuierlichen mandatorischen Beatmung, auch bekannt als IPPV oder CPPV, wird die Inspiration durch das Gerät ausgelöst und beendet, dabei sind Spontanatemzüge des Patienten nicht möglich. Mandatorisch bedeutet, dass der Atemhub vollständig durch die Behandelnden definiert wird und dieser in seiner Gestalt dem Patienten sozusagen aufgezwungen wird. Registriert der Respirator
eine Atembemühung, so kann diese mit dem nächsten mandatorischen Atemhub beantwortet werden, der Patient hat dabei aber weiterhin keinen Einfluss auf dessen Ablauf. Die kontinuierliche mandatorische Atemsequenz mit Triggeroption kann differenziert mit Assist/Control – kurz A/C – bezeichnet werden. Das Triggern durch den Patienten wird, wie in ➤ Abb. 7.5 zu sehen, vom Respirator durch einen kurzzeitigen Druckabfall aufgrund des Einatemversuchs des Patienten registriert, unter dem gleichzeitig ein inspiratorischer Flow detektiert wird. Wie sensibel die Änderungen von Druck und Flow erfasst werden sollen, kann am Gerät eingestellt werden. Die Einstellung legt neben den Eigenschaften der Sensorik und Aktuatorik des Geräts (wie schnell die Sensoren Messwerte erfassen und beispielsweise Ventile reagieren können) maßgeblich fest, wann der Patient den Atemhub als Antwort auf seine Bemühung erhält.
Abb. 7.5 Druckkontrollierter Atemzug, getriggert durch Einatembemühung des Patienten: Rote Linie kennzeichnet vom Anwendenden eingegebene Parameter (Zeichnung angelehnt an die Darstellung in der Norm DIN EN ISO 19223:2021) [L143]
IMV Die Atemsequenz intermittierende mandatorische Beatmung ist im Allgemeinen eine Kombination von mandatorischen Atemhüben und spontaner Atmung, hierbei sind viele Varianten möglich. Die „eigentliche“ IMV-Beatmung ermöglicht den Patienten, beliebig zwischen den vom Respirator vorgegebenen Atemhüben zu atmen, dabei lösen die Atemanstrengungen der Patienten keine mandatorischen Atemzüge aus. In der Klasse der IMV-Atemsequenzen gibt es eine Vielzahl an weiteren
Beatmungsformen, die sich in Details unterscheiden. Allen gemeinsam ist, dass die Patienten spontan atmen können, jedoch durch mandatorische Atemhübe sichergestellt ist, dass die Beatmung suffizient ist. Ein Beispiel für IMV ist unter APRV (Airway Pressure Release Ventilation) bekannt und ermöglicht dem Patienten spontane Atemzüge auf erhöhtem Druckniveau. Um die Exspiration zu unterstützen, wird in einer festgelegten Frequenz das Druckniveau kurzzeitig abgesenkt. Wird die Eigenatmung mit den mandatorischen Atemhüben, wie in ➤ Abb. 7.6 gezeigt, synchronisiert, so wird dies als SIMV (Synchronized Intermittent Mandatory Ventilation) bezeichnet. Dabei ist die Anzahl der mandatorischen Atemhübe begrenzt, sodass nicht jeder Atemzug des Patienten einen Atemhub auslöst.
Abb. 7.6 Flow- und Druckkurve SIMV [L143] Bei der unter herstellerspezifischen Namen wie BIPAP, DuoPAP, BiLevel oder Ähnlichem bekannten, prominenten Beatmungsform findet die Beatmung durch den Wechsel zwischen zwei Druckniveaus in der eingestellten Frequenz statt. Dieser Wechsel stellt die Basisbeatmung dar, dabei entspricht das obere Drucklevel der Inspiration und das untere der Exspiration mit dem verbleibendem PEEP (Positive end-expiratory pressure) in der Lunge. Gleichzeitig ist es dem Patienten möglich, auf beiden Druckniveaus spontan zwischenzuatmen, ohne dass dadurch die eingestellte Atemfrequenz verändert wird.
Bei einer weiteren Variante werden vom Respirator nur Atemhübe appliziert, wenn die eingestellte Atemfrequenz unterschritten wird. Nach Norm wird sie mit S/T (Spontaneous/Timed) bezeichnet. Eine ähnliche Beatmungsform nutzt das Atemminutenvolumen als Sollwert. Dieser wird vom Behandelnden eingestellt und die Patienten erhalten nur mandatorische Atemhübe, wenn das Minutenvolumen unter den Grenzwert fällt. Die Bezeichnung ergibt sich entsprechend zu MMV (mandatorische Minutenvolumen-Ventilation). Bei den Beatmungsformen der Klasse IMV müssen die Einstellungen am Beatmungsgerät besonders sorgfältig getroffen werden. Bei der Wahl der IMV-Frequenz ist zu beachten, dass diese insgesamt mit der Eigenatmung der Patienten nicht zur Hyperventilation führt. Gleichzeitig muss die Hypoventilation bei ausbleibender Spontanatmung vermieden werden. Um eine Erschöpfung der Patienten zu vermeiden, sollte erwogen werden, eine Unterstützung der Spontanatmung einzustellen. Des Weiteren können auch schlecht eingestellte Trigger zu einer erhöhten Atemarbeit führen. Dies muss bei der Einstellung bedacht werden. Bei Berücksichtigung der genannten Aspekte bieten die Beatmungsformen der IMV-Atemsequenz die Chance, den selbstbestimmten Atemrhythmus der Patienten zu erhalten und die Spontanatemfähigkeit zu fördern; gleichzeitig wird eine Mindestventilation gewährleistet. CSV Bei der kontinuierlichen spontanen Ventilation wird die Inspiration ausschließlich durch den Patienten getriggert und beendet. Die Atemzüge der Patienten können dabei druckunterstützt sein. Bei der präklinisch häufig verwendeten CPAP-Beatmung (Continuous Positive Airway Pressure) atmet der Patient auf einem kontinuierlich erhöhten Druckniveau, dadurch werden die Alveolen offen gehalten und die Oxygenierung verbessert. Des Weiteren kann eine Druckunterstützung zur Verringerung der Atemarbeit gewählt werden. Voraussetzung ist jedoch der suffiziente Eigenatemantrieb der Patienten. Diese Atemsequenz kann sowohl als invasive und nichtinvasive Beatmung vorkommen und bildet die Schnittstelle zu ➤ Kap. 6.
7.2.3. Weitere Charakterisierung Für jede Beatmungsform mit Eigenatemanteilen kann eine Druckunterstützung hinzugewählt werden. Ziel hierbei ist es, die eigene Atemarbeit des Patienten zu reduzieren. Die Bezeichnungen hierfür sind uneinheitlich. In der Norm wird die Abkürzung PS für Pressure Support verwendet. Alternativ bekannt sind für diese Funktion ebenfalls PSV (Pressure Support Ventilation) oder ASB (Assisted Spontaneous Breathing). Diese Funktion gibt es in einigen Respiratoren mit Volumengarantie vtPS sowie als proportionale Druckunterstützung mit der Abkürzung ES. Ein weiteres Feature ist die automatische Tubuskompensation. Der Tubus verlängert den Teil des Atemwegs mit kleinem Durchmesser, dadurch resultieren erhöhte resistive Widerstände und größere Atemarbeit. Da diese kalkulierbar sind, gibt es in einigen Respiratoren die Möglichkeit, diese zu kompensieren. Die Norm verwendet hier die Abkürzung TC. Nach Chatburn (2014) werden weitere Kürzel zur Charakterisierung verwendet, die in der Praxis jedoch selten verwendet werden. Sie beschreiben den Automatisierungsgrad der Beatmung, „s“ steht beispielsweise für „set point targeting“: Alle Einstellungen werden durch den Behandelnden getroffen. Dem gegenüber steht „i“ für „intelligent targeting“: Das Gerät passt hierbei Beatmungsparameter an und optimiert die Einstellungen je nach Patientenzustand. Dies findet bei INTELLiVENT-ASV (Hamilton) oder SmartCare (Dräger) Anwendung.
7.2.4. Modulare Benennung einer Beatmungsform Aus der kontrollierenden Variable und der Atemsequenz – ggf. in Kombination mit einer weiteren Charakterisierung – lässt sich die Benennung einer Beatmungsform zusammensetzen und nachvollziehen. So ergeben sich nach Chatburn fünf Grundbeatmungsformen VC-CMV, PC-CMV, VC-IMV, PC-IMV, PC-CSV. Die Atemsequenz CSV ist in Kombination mit einer Volumenkontrolle nicht möglich, da hierbei immer Geräteaktivität vorausgesetzt wird. Nach dem gleichen Schema können alle weiteren genannten Beatmungsformen zusammengesetzt und beispielsweise durch angewählte Zusatzfeatures wie Pressure Support ergänzt werden. In ➤ Abb. 7.7 ist eine Übersicht dieser Einordnung der Beatmungsformen dargestellt.
Abb. 7.7 Modulare Benennung der fünf Grundbeatmungsformen [L143]
Merke Die unter herstellerspezifischen Namen bekannte Beatmungsform BIPAP/DuoPAP/BiLevel/Bivent gehört zu der Grundbeatmungsform PCIMV, da es sich um eine druckkontrollierte Beatmungsform handelt, die auf verschiedenen Niveaus Eigenatmung zu lässt. Auch wenn jeder Hersteller eine etwas andere Bezeichnung wählt, ist die Bezeichnung der Beatmungsform in der Regel modular zusammengesetzt und kann hergeleitet werden. In ➤ Tab. 7.2 sind beispielhaft einige Beatmungsformen und ihre Benennungen aufgeführt.
Tab. 7.2 Beispielhafte Auswahl von Beatmungsformen und deren herstellerspezifische Benennung im Vergleich zur Benennung nach Chatburn und nach Norm DIN EN ISO 19223:2021 Bezeichnung
Stephan z. B. Eve
Weinmann z. B. Medumat Standard 2
Dräger z. Hamilton z. B. Chatburn DIN EN B. Oxylog T1 ISO VE300, 19223: 3000 plus
Volumenkontrollierte Beatmung
VC-CMV
IPPV
VC-CMV
(S)CMV
VC-CMVs
CMV-V
Druckkontrollierte Beatmung mit Volumengarantie
PC-CMV mit PRVC
VC-AC mit AutoFlow (nicht bei VE300)
APVcmv oder (S)CMV+
PC-CMVa
A/C-vtP
Synchronisierte intermittierende volumenkontrollierte Beatmung
VC-S-IMV
SIMV
VC-SIMV
SIMV
VCIMVs,s
SIMV-V
Druckkontrollierte Beatmung
PC-CMV
PCV
PC-AC
PCV+ oder PCMV
PC-CMVs
CMV-P
Zweiphasige positive druckkontrollierte Beatmung
DUOPAP
BiLevel+ASB
PCBIPAP/PS
DuoPAP
PCIMVs,s
SIMVPC/PS
Spontanatmung auf kontinuierlich erhöhtem Druckniveau mit Druckunterstützung
CPAP/PSV
CPAP+ASB
SPNCPAP/PS
SPONT
PCCSVs,s
CSV-PS
INTELLiVENTASV
PCIMV,oi
Intelligente Beatmungsmodi
7.2.5. Spezielle Beatmungsformen Eine Klasse für sich bilden die in Notfallbeatmungsgeräten angebotenen Beatmungsmodi für die Reanimation, da sie notfallbildspezifisch implementiert wurden. Angelehnt an die Angaben vom ERC – Frequenz 10/min und möglichst hohe Sauerstoffkonzentration –, ohne Nennung einer konkreten Beatmungsform, verbirgt sich hinter dem Beatmungsmodus eine volumenkontrollierte Beatmung (VCCMV) mit maximal eingestellten pmax = 60 mbar, f = 10/min, FiO2 = 1 und umfangreicher Alarmunterdrückung. Die sonst sensibel eingestellten Alarmgrenzen können unter Reanimationsbedingungen nicht eingehalten werden, sodass es ansonsten zu therapieunrelevanten Daueralarmen kommen würde. Da unter den Bedingungen einer präklinischen Reanimation Leckagen
zu erwarten sind, wird häufig weniger Volumen appliziert, als eingestellt wurde. Daher muss zur Beurteilung der Beatmung immer das exspiratorisch gemessene Volumen kontrolliert werden. Einen anderen Ansatz bietet der Beatmungsmodus CCSV (Chest Compression Synchronized Ventilation) von Weinmann. Die Atemhübe werden dabei zur Kompression synchronisiert und vom Applikationsvolumen her so angepasst, dass gängige Atemminutenvolumina erreicht werden. Ziel ist eine Verbesserung der Hämodynamik. Durch die gefüllten Lungen ist der das Herz umgebende Druck erhöht, dadurch kann bei der Kompression Blut effektiver in den Kreislauf gepumpt werden. Als eine weitere spezielle Beatmungsform abseits der Klassifizierung bieten einige Respiratoren die Möglichkeit für Hochfrequenzbeatmung. Sie findet Anwendung in der Neonatologie, sowie bei erwachsenen Patienten in der Larynx- und Thoraxchirurgie oder als Ultima Ratio beim schweren ARDS. Hochfrequenzbeatmung ist gekennzeichnet von Atemfrequenzen über 60/min (1 Hz), hoher Atemgasgeschwindigkeit und Atemvolumina, die unterhalb des anatomischen Totraums liegen. Es wird abhängig von Verfahren und Beatmungsfrequenz unterschieden zwischen Hochfrequenzüberdruckbeatmung (HFPPV, f = 1–2 Hz), Hochfrequenzjetbeatmung (HFJV, f = 1–25 Hz) und Hochfrequenzoszillationsbeatmung (HFOV, f = 3–15 Hz). Ziel ist es, durch die kleinen Volumina die mechanische Belastung zu reduzieren und eine lungenprotektive Beatmung bei einem höheren Beatmungsmitteldruck zu erreichen.
7.3. Beatmungsparameter Die O2-Konzentration (oder auch FiO2) ist je nach Notfallrespirator (➤ Kap. 7.1) stufenlos zwischen 21 % und 100 % oder zwischen Air Mix und 100 % O2 einstellbar. In einer Notfallsituation mit akut lebensbedrohlichen kardiovaskulären oder respiratorischen Störungen kann die O2-Konzentration auf 100 % eingestellt werden, bis ein stabiler Patientenzustand erreicht ist. Die längerfristige Therapie sollte sich nach dem Sauerstoff im arteriellen Blut richten – mit dem Ziel, eine möglichst geringe FiO2 einzustellen. Zielwerte sind hier eine arterielle Sauerstoffsättigung (SaO2) von 90–94 % und ein PaO2 von 60–80 mmHg. Der positive endexspiratorische Druck (PEEP) verhindert die Entstehung von Atelektasen, die sich bei einer Abnahme der funktionellen Residualkapazität durch den fehlenden Glottisschluss, die flache Lagerung und die Sedierung bilden. Eine wirksame Atelektasenprophylaxe wird ab 5 mbar erreicht. Für Patienten mit ARDS bietet ➤ Tab. 7.3 eine Orientierung für die Einstellung am Respirator, allerdings werden dabei keine individuellen Umstände des Patienten berücksichtigt. In der Regel wird der PEEP zwischen 5 und 15 mbar eingestellt. Bei schweren Oxygenierungsstörungen können selten auch 20 mbar oder höher nötig sein. Tab. 7.3 Auszug FiO2/PEEP-Tabelle, PEEP in cmH2O (S3-Leitlinie „Invasive Beatmung und Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz“) FiO2
0,3
0,4
0,5
0,6
0,7
0,8
0,9
1,0
PEEP
5
5–8
8–10
10
10–14
14
14–18
18–24
Für das Tidalvolumen VT oder das Atemzugvolumen in volumenkontrollierten Beatmungsmodi eignen sich 6–8 ml/kg Idealgewicht als Ausgangseinstellung. Für Patienten mit ARDS sollten VT ≤ 6
ml/kg KG verwendet werden. Bei druckkontrollierten Beatmungsmodi resultiert das Atemzugvolumen aus gewähltem Atemwegsdruck und den patientenindividuellen Bedingungen in der Lunge. Merke Es wird für Patienten das ideale Körpergewicht angenommen, das vereinfacht wie folgt berechnet werden kann: • Frauen: ideales Körpergewicht [kg] = (Körpergröße [cm]–100 cm)–10 % • Männer: ideales Körpergewicht [kg] = (Körpergröße [cm]–100 cm)–5 %
Die Einstellung der Beatmungsfrequenz f richtet sich nach dem angestrebten CO2 und wird üblicherweise auf 8–15/min eingestellt. Dabei ist es je nach Stoffwechselsituation unterschiedlich, wie viel CO2 in den Zellen produziert wird. Entsprechend ergeben sich beispielsweise bei narkotisierten oder unterkühlten Patienten niedrigere Frequenzen. Sind durch eine verminderte Compliance der Lunge nur kleine Atemzugvolumina möglich, können zur CO2-Elimination Frequenzen von bis zu 25–30/min nötig sein. Hingegen sollte bei Patienten mit obstruktiven Störungen die Frequenz eher niedrig gewählt werden, um die vollständige Exspiration zu fördern und Air Trapping bzw. einen intrinsischen PEEP zu vermeiden. Unter Air Trapping wird eingeschlossene Atemluft in den Alveolen verstanden, die nicht oder nur schwer abgeatmet werden kann. Es entsteht durch erhöhten intrathorakalen Druck, der Bronchien und Bronchiolen komprimiert. Das Atemminutenvolumen ergibt sich bei der volumenkontrollierten Beatmung ohne Eigenatmung der Patienten aus Tidalvolumen und Beatmungsfrequenz. Bei anderen Beatmungsformen ergibt es sich individuell je nach Eigenatmung, Compliance oder Resistance. Der maximale Inspirationsdruck pinsp ist der führende Einstellparameter bei der druckkontrollierten Beatmung (➤ Kap. 7.2.1). Durch den gewählten Druck und die Compliance der Lunge ergibt sich das Atemzugvolumen, das ausreichend sein sollte. Gleichzeitig sollen Barotraumata der Lunge vermieden werden, indem ein Druck über 30 mbar verhindert wird. Bei der volumenkontrollierten Beatmung wird der maximale Atemwegsdruck pmax eingestellt werden, dies gewährleistet die Sicherheit des Patienten und eine möglichst schonende Beatmung. Wird dieser obere Spitzendruck erreicht, wird der Atemhub abgebrochen und ein Alarm ausgelöst, da das Volumen nicht vollständig appliziert werden konnte. Achtung Beatmungsdrücke von über 30 mbar sollten vermieden werden!
Die inspiratorische Druckunterstützung der Spontanatmung wird herstellerabhängig benannt (z. B. PS, ASB, IPS) und sollte immer mit mindestens 5 mbar über dem PEEP-Niveau eingestellt werden, damit die Resistance von Schlauch und Tubus überwunden und keine zusätzliche Atemanstrengung verursacht wird. Um die Spontanatmung darüber hinaus zu unterstützen und Atemarbeit zu reduzieren, werden üblicherweise Werte von 10–20 mbar am Gerät eingestellt. Dies richtet sich nach dem darunter erreichten Atemzugvolumen.
Das Atemzeitverhältnis Inspiration zu Exspiration (I : E) kann nur für mandatorische Beatmung eingestellt werden. Das physiologische I : E-Verhältnis liegt bei erwachsenen Patienten bei 1 : 1,5 bis 1 : 2, bei Früh-, Neugeborenen und Kindern bei 1 : 2. Bei Patienten mit obstruktiver Störung sollte das I : EVerhältnis verringert, also die relative Exspirationszeit erhöht werden. Dadurch wird die Exspiration unterstützt und der Atemwegsmitteldruck verringert. Durch die verkürzte Inspirationszeit können jedoch höhere Spitzendrücke auftreten und ggf. die Oxygenierung verschlechtert werden. Bei akutem hypoxämischem respiratorischem Versagen mit reduzierter Compliance wird eine verlängerte Inspirationszeit mit dem I :E-Verhältnis von 1 : 1 bis 1 : 1,5 empfohlen. Ein inverses Verhältnis bietet keinen Vorteil. Durch die Wahl des Atemzeitverhältnisses wird zusammen mit der Atemfrequenz die absolute Inspirationszeit beeinflusst. Bei erwachsenen Patienten mit einem I : E von 1 : 2 und einer Frequenz von 10/min ergibt sich eine Inspirationszeit von 2 s, wobei sich hingegen bei Neugeborenen mit einer Atemfrequenz von 40/min und gleichem I : E-Verhältnis die Inspirationszeit auf 0,5 s verkürzt! Der Inspirationsflow kann charakterisiert werden durch die Höhe des Flows bzw. durch die Gasgeschwindigkeit, mit der die Luft in die Lunge strömt und mit welchem zeitlichen Verlauf dies geschieht. Bei druckkontrollierten Beatmungsformen wird initial ein hoher Flow von ca. 130 l/min geliefert und kontinuierlich verlangsamt, sodass der maximal eingestellte Druck erreicht und über die Plateauphase gehalten wird. Es ergibt sich automatisch ein dezelerierender Flow. Für volumenkontrollierte Beatmungsmodi kann der Flow teilweise eingestellt werden, in anderen Fällen ist der Flow an das eingestellte Atemhubvolumen vorgegeben. Gängige Werte liegen zwischen 30 und 60 l/min. Ein großer Inspirationsflow kann zu hohen Spitzendrücken führen und es ergibt sich eine lange Plateauphase. Ein niedriger Inspirationsdruck vermindert die Spitzendrücke, kann jedoch bei Patienten zu gefühlter Luftnot führen. Es stehen verschiedene Flowprofile zur Verfügung. Die einfachste Form ist der Rechteckflow, bei dem der Flow eingestellt und konstant gehalten wird. Die Sinusform imitiert die physiologische Atmung. Bei dem dezelerierenden Flowmuster ähnelt die eigentlich volumenkontrollierte Beatmung der druckkontrollierten. Bei spontan atmenden Patienten mit Druckunterstützung kann der inspiratorische Flow der Unterstützung eingestellt werden. Diese Einstellung ist u. a. auch als Rampe bekannt. Ein steiler Anstieg (hohe Gasgeschwindigkeit) des Flows ist insbesondere bei atemnötigen Patienten zu bevorzugen, da sonst durch das Gerät ein zusätzliches Gefühl von Luftnot entstehen kann. Jedoch kann ein steiler Anstieg des Flows zu hohen Drücken führen, sollte der Patient nicht schwer luftnötig sein und weniger stark einatmen. Als inspiratorische Pause oder Plateauphase wird bezeichnet, wenn kein Gas mehr in die Lunge fließt, die Inspiration aber noch nicht beendet wird. In dieser Zeit kann sich das Atemhubvolumen gleichmäßig in der Lunge verteilen, da nicht jedes Kompartiment gleich schnell belüftet wird. Als Einstellparameter findet man in einigen Beatmungsgeräten die Möglichkeit, bei der volumenkontrollierten Beatmung den Zeitanteil dieser Phase am Atemzyklus in Prozent einzustellen. In allen anderen Fällen ergibt sich die Plateauphase aus den eingestellten Parametern im Atemzyklus und dem Zustand der Lunge. Die Inspiratory-hold-Funktion kann die Inspirationsphase verlängern, die Lunge wird dabei gebläht. Dies kann nach Absaugvorgängen oder zur Extubation genutzt werden. Können Patienten einen Atemhub auslösen, muss der Trigger eingestellt werden. Das Beatmungsgerät kann dabei Änderungen im Druck oder im Flow als entscheidenden Marker nutzen, der
eingestellt werden muss. Der Wahlbereich für Triggerempfindlichkeit des Drucks beträgt üblicherweise 0,5–2 mbar, für den Flow 1–4 l/min. Ziel ist es, den Trigger so gering wie möglich einzustellen, um eine Ermüdung des Patienten zu vermeiden, ohne gleichzeitig eine Selbsttriggerung des Geräts durch Druck-/Flow-Schwankungen zu erzeugen. Merke Die einzustellenden Parameter hängen von dem gewählten Beatmungsmodus ab.
Info Schnelleinstellungen am Respirator für Patienten (70 kg ideales Körpergewicht) mit Apnoe: Volumenkontrollierte, kontinuierliche mandatorische Beatmung mit FiO2 = 1, PEEP = 5 mbar, pmax = 30 mbar, Vt = 420 ml (6 ml/kg KG), f = 14/min, I : E = 1:1,5
7.4. Monitoring von beatmeten Patienten Invasiv beatmete Patienten sind vollständig abhängig von den Einstellungen des Respirators sowie von der Aufmerksamkeit und den Entscheidungen des behandelnden Personals. Die Patienten befinden sich oftmals in einem kritischen Zustand, sodass es jederzeit zu Veränderungen kommen kann, die eine Anpassung der Therapie unumgänglich machen. Dies zu erkennen ist eine zentrale Aufgabe. Das dafür geeignete Monitoring kann mithilfe von technischen Geräten, aber ebenso durch die Sinne der Behandelnden erfolgen. Das respiratorische Monitoring lässt sich in mehrere Untergruppen aufteilen: • Monitoring am Beatmungsgerät Die inspiratorische Sauerstoffkonzentration FiO2 wird auf den Sollwert eingestellt. Sauerstoffsensoren messen die tatsächliche Konzentration und sorgen für eine Alarmierung durch das Gerät bei einer relevanten Abweichung. Die Kontrolle der Beatmungsdrücke ist zur Vermeidung von schwerwiegenden Komplikationen unvermeidlich. Unterschieden wird zwischen dem Atemwegsspitzendruck paw, dem Plateaudruck, dem Atemwegsmitteldruck und dem endexspiratorischen Druck/PEEP (➤ Abb. 7.8). Der Atemwegsspitzendruck entspricht bei druckkontrollierter Beatmung dem eingestellten pmax und obliegt demnach der Entscheidung des Behandelnden. Bei volumenkontrollierter Beatmung ergibt er sich jedoch aus dem Flow, dem Atemhubvolumen, dem Atemwegswiderstand, dem PEEP und der Compliance der Lunge und muss daher immer kontrolliert werden. Der Druckabfall nach dem Spitzendruck, also nach dem Erreichen des eingestellten Volumens, ist darauf zurückzuführen, dass keine Luft mehr in die Lunge strömt und die dadurch verursachten resistiven Widerstände wegfallen. Der Druckabfall im Rahmen der Exspiration ist, wie in den Grundlagen erläutert, durch die elastischen Rückstellkräfte der Lunge bedingt. Steigt der Messwert plötzlich an, können Komplikationen (➤ Kap. 7.5) wie Gegenatmen des Patienten, Bronchospasmus oder Abknicken der Schläuche mögliche Ursachen sein. Fällt der Druck plötzlich, dann weist dies auf Leckage oder Diskonnektion hin. Um Druckschädigungen der
Lunge zur vermeiden, sollte insbesondere der Plateaudruck nicht mehr als 30 mbar betragen. Alle Drücke über den Atemzyklus gemittelt entsprechen dem Atemwegsmitteldruck, der einen positiven Effekt auf die Oxygenierung hat. Gleichzeitig wird an dieser Stelle deutlich, dass die Überdruckbeatmung nicht physiologisch ist, denn der mittlere Atemdruck hat einen entscheidenden Anteil an pulmonalen Druckschädigungen (➤ Kap. 7.5) und beeinflusst auch den pulmonalen Teil des Herz-Kreislauf-Systems (siehe Monitoring des Herz-Kreislauf-Systems am Ende dieses Abschnitts). Die Flowmessung wird meist als Diagramm über die Zeit aufgetragen angezeigt. Zum einen werden hier die ggf. getroffenen Einstellungen visualisiert, zum anderen kann der Kurvenverlauf Hinweise auf pathologische Vorgänge liefern. Ein Beispiel ist die Obstruktion, bei der der exspiratorische Flow verlangsamt ist. Vor dem Beginn der nächsten Inspiration sollte der exspiratorische Flow auf null abgesunken sein, dies indiziert die vollständige Ausatmung. Ist dies nicht der Fall, liegt ein intrinsischer PEEP vor. Die Atemfrequenz ist insbesondere bei spontan atmenden Patienten ein wichtiger Monitoringparameter und wird vom Beatmungsgerät angezeigt. Während niedrige Frequenzen sich auf Sedativa oder Opioide zurückführen lassen, können hohe Frequenzen viele Ursachen haben und erfordern weitere Untersuchungen und Interpretation durch den Behandelnden. Das Atemzugvolumen ist bei volumenkontrollierten Beatmungsmodi vorgegeben. Wird es nicht erreicht, weist dies auf eine Leckage hin. Hingegen ergibt sich das Atemzugvolumen bei druckkontrollierten Modi durch den eingestellten Druck in Kombination mit der Compliance und Resistance der Lunge. Daher ist zwingend durch den Behandelnden zu kontrollieren, ob das gewünschte Volumen verabreicht wird. Da sich der Zustand der Lunge – und damit auch das Atemzugvolumen – jederzeit ändern kann, empfiehlt sich eine enge Einstellung der Alarmgrenzen. Bei Beatmungsmodi mit patientenseitig variierender Spontanatmung ist das Atemminutenvolumen ein wichtiger Indikator für die Effizienz der Beatmung. Erreichen Patienten ihr benötigtes Atemminutenvolumen bei verringertem Atemzugvolumen nur durch eine erhöhte Frequenz, kann dies ein Hinweis auf eine erschöpfte Atemmuskulatur sein. An einigen Beatmungsgeräten besteht die Möglichkeit, die aktuelle Compliance und Resistance anzuzeigen und damit Informationen über den Zustand der Lunge zu erhalten.
Abb. 7.8 Monitoring am Beatmungsgerät: Darstellung der verschiedenen Phasen in einer Druckkurve eines volumenkontrollierten Atemzugs [L143]
Achtung Der invasiv beatmete Patient ist völlig abhängig von dem Behandelnden. Das Beatmungsgerät unterstützt durch Alarme bei der Erkennung von Änderungen des Patientenzustands. Allerdings ist die Wahl von sinnvollen Alarmgrenzen dafür essenziell, um eine rechtzeitige und gleichzeitig keine unnötige Alarmierung zu verursachen.
Die Alarmfunktionen des Beatmungsgeräts unterstützen bei der Überwachung der Patienten. Die Alarmgrenzen können und sollten hierbei individuell für den Patienten eingestellt werden. Zusätzlich alarmiert das Gerät beispielsweise bei Diskonnektierung oder Stenose des Schlauchsystems, für die Erkennung werden die Messwerte der Drucksensoren verwendet. • Evaluation des pulmonalen Gasausaustausches Für die Beurteilung der Oxygenierung und Ventilation von beatmeten Patienten stehen drei Anhaltspunkte zur Verfügung. Die arterielle Blutgasanalyse wird zum heutigen Zeitpunkt fast ausschließlich innerklinisch verwendet. Die kontinuierliche Messung mittels Pulsoxymetrie und Kapnografie/-metrie zur Ermittlung von SpO2 und etCO2 ist hingegen der präklinisch genutzte Standard.
Oxygenierung: Die mit dem Pulsoxymeter gemessene Sauerstoffsättigung entspricht dem Verhältnis von dem mit Sauerstoff gesättigten Hämoglobin zu der Gesamtmenge Hämoglobin. Das optische Messprinzip beruht darauf, dass Moleküle jeweils eine spezifische Wellenlänge Licht absorbieren. Wie viel des auf die Messstelle gegebenen Lichts (bestehend aus den spezifischen Wellenlängen) absorbiert wurde, wird von einem Sensor erfasst. Da die spezifische Wellenlänge von oxygeniertem Hämoglobin und beispielweise mit Kohlenstoffmonoxid (CO) gebundenem Hämoglobin sehr ähnlich ist, kann es zu Fehlmessungen kommen, die durch den Behandelnden identifiziert werden müssen. Der Zusammenhang zwischen dem Sauerstoffpartialdruck im Blut und der gemessenen Sauerstoffsättigung ist nicht linear, sondern sigmoidal, bei Sättigungen unter 90 % muss bedacht werden, dass der tatsächliche Sauerstoffgehalt im Blut rapide abfällt (➤ Abb. 2.27). Der in der BGA gemessene paO2 sollte unter Beatmungsbedingungen über 60 mmHg liegen. Sowohl bei der Beurteilung der Oxygenierung mittels Pulsoxymetrie als auch durch die BGA muss immer in Betracht gezogen werden, dass der Hämoglobingehalt im Blut sowie das Herzzeitvolumen ebenfalls die Oxygenierung beeinträchtigen können. Für die Beurteilung der Oxygenierungsfunktion der Lunge wird der paO2/FiO2-Quotient, der sog. Horovitz-Index, verwendet, um die inspiratorische Sauerstoffkonzentration in die Bewertung einzubeziehen. Werte von 300 bis 600 gelten dabei als normal. Der Index wird für die Einstufung von ARDS-Patienten verwendet. Diese und die sich ergebenden Behandlungskonsequenzen sind in ➤ Abb. 7.9 zu sehen. Ventilation: Mit der Kapnometrie kann das endtidale CO2 ermittelt werden, die Messung erfolgt bei invasiv beatmeten Patienten über ein meist optisches Messverfahren im Hauptstrom. Normwerte liegen zwischen 35 und 45 mmHg, die Abweichung zum Kohlenstoffdioxidpartialdruck beträgt 2–5 mmHg. Werden größere Abweichungen festgestellt, ist es ein Hinweis auf eine geschädigte Lungenfunktion. Neben dem absoluten Wert gibt der grafisch dargestellte Kurvenverlauf der Kapnografie Hinweise über den Zustand des Patienten und die Qualität der Beatmung. In ➤ Abb. 7.10 sind verschiedene Kapnogramme dargestellt. Die physiologische Kurve ist gekennzeichnet durch einen steilen Anstieg des CO2 während der Exspiration und das zügige Annähern an den tatsächlichen endtidalen CO2-Wert. Nicht am Gasaustausch teilgenommene Luft muss zunächst die Atemwege verlassen, bevor die alveolären Gase den Sensor passieren. Kommt es zu Obstruktion, ist die Ausatmung erschwert und das CO2 erreicht langsamer den Spitzenwert. Kommt es zu Rückatmung im Atemsystem, ist dies daran zu erkennen, dass die Kurve bei der Inspiration nicht zum Nullpunkt zurückkehrt. Zusätzlich zum in der Exspirationsluft gemessenen CO2 gibt eine BGA Auskunft über den Kohlenstoffdioxidpartialdruck im Blut. Des Weiteren kann der in der BGA ermittelte pH-Wert ebenfalls für die Beurteilung der Ventilation herangezogen werden. Normwerte liegen zwischen 7,35 und 7,45. Eine Azidose kann durch eine Hypoventilation hervorgerufen werden, während eine Alkalose durch eine Hyperventilation begründet sein kann. Die Interpretation des pHWerts muss immer zusammen mit den CO2-Werten und dem Patientenzustand insgesamt erfolgen, da Abweichungen auch metabolische Ursachen haben können.
Abb. 7.9 paO2/FiO2-Quotient bei der Einstufung von ARDS-Patienten und deren Behandlung [G339]
Abb. 7.10 Kapnogramme unter verschiedenen klinischen Bedingungen [L126] a) Diskonnektion des Beatmungssystems b) Kurvenverlauf bei Obstruktion (gestrichelte Linie) im Vergleich zum normalen Kapnogramm c) Spontane Atemzüge während maschineller Beatmung (Dazwischenatmen) d) Rückatmung im Atemsystem mit Anstieg der Grundlinie des Kapnogramms e) Normaler Atemzug, gefolgt von Hecheln, das wegen der hohen Frequenz nicht dem alveolären Gas entspricht
Merke Zielwerte: • Oxygenierung: Normwert paO2 ca. 80–95 mmHg (je nach Alter, Geschlecht, Gewicht und Größe) unter Beatmung: Ziel > 60 mmHg, SpO2 > 90 %, dauerhafte SpO2-Werte > 96 % werden nicht empfohlen • Ventilation: paCO2 und etCO2 ca. 35–45 mmHg mit einer Differenz von 2–5 mmHg
Info Die Messwerte von CO2 und O2 geben entscheidende Hinweise für die Anpassung der Beatmungseinstellungen: • CO2 hoch: Ventilation erhöhen (z. B. durch Erhöhung von f oder VT) • O2 niedrig: Oxygenierung verbessern (z. B. durch Erhöhung von PEEP oder FiO2)
• Überwachung des anatomischen respiratorischen Systems (Atemwege, Lunge und Thorax)
Während in der Klinik apparative Diagnostik wie Röntgenuntersuchungen oder Sonografie zur Verfügung stehen, bleiben in der Präklinik meist ausschließlich die klinische Beobachtung und Untersuchung durch den Behandelnden. Die Auskultation der Lunge ermöglicht die Erkennung von pathologischen Atemgeräuschen und damit der Identifikation von beispielsweise Spastiken und Pneumothorax. Die Inspektion des Thorax wird häufig vernachlässigt, da sie durch die Bekleidung erschwert wird. Jedoch bietet die visuelle Untersuchung wichtige Hinweise auf Erscheinungen wie ungleichmäßige Beweglichkeit des Thoraxs, anatomische Veränderungen oder traumatische Verletzungen. Die Palpation kann hier ergänzend auf nicht sichtbare Veränderungen hinweisen. Bei der Perkussion können geübte Untersuchende anhand des Klopfschallgeräuschs die Hohlräume im Thorax beurteilen. Ein hohl klingendes, hypersonores Geräusch lässt auf einen höheren Anteil an Luft im Gewebe schließen, z. B. durch einen Pneumothorax oder ein Lungenemphysem. Ein dumpf klingendes, hyposonores Klopfgeräusch deutet wiederum auf Flüssigkeit im Gewebe hin, wie z. B. bei einem Pleuraerguss oder einem Hämatothorax. Auf die Cuffdruckmessung wurde bereits in ➤ Kap. 3 hingewiesen, sie gehört ebenfalls zum Standardmonitoring von beatmeten Patienten. • Monitoring der Herz-Kreislauf-Funktion Die nicht physiologische Überdruckbeatmung führt zu erhöhten intrathorakalen Drücken, die sich wiederum auf die thorakalen Gefäße und das Herz auswirken. Entscheidend dabei ist der Beatmungsmitteldruck. Dessen Auswirkung auf das Herzzeitvolumen ist vom Volumenstatus und der Pumpleistung der Ventrikel des Herzens abhängig. Der venöse Rückfluss zum rechten Herzen erfolgt durch einen Druckgradienten. Dieser verringert sich, wenn der intrathorakale Druck und damit auch der intravasale Druck in den intrathorakalen Venen steigen. Dies hat zur Folge, dass der Rückstrom und die Vorlast des rechten Herzens sinken und das Schlagvolumen abnimmt. Wird dies nicht reflektorisch kompensiert, sinkt das Herzzeitvolumen. Dieser Effekt kann bei hypovolämischen Patienten sehr stark ausfallen. Bei Patienten mit kardialem Lungenödem kann diese Vorlastsenkung wiederum zur Steigerung des Herzzeitvolumens führen. Die beschriebenen Effekte verdeutlichen die Wichtigkeit des Monitorings der HerzKreislauf-Funktion für beatmete Patienten.
7.5. Komplikationen Akute Probleme bei der Beatmung von Patienten können sich durch plötzliche Änderungen der Sättigung, Zyanose, CO2-Abfall oder Alarmierung des Beatmungsgeräts zeigen. Ziel ist es, die Ursache schnell zu identifizieren und zu beheben. Hierbei bietet das in ➤ Abb. 7.11 dargestellte DOPES- und HAND-Schema eine Gedankenstütze.
Abb. 7.11 Übersicht zum DOPES- und HAND-Schema zur Anwendung bei Beatmungsproblemen [L143/F985-004] Die Abkürzung DOPES hilft bei der Ursachenfindung. Eine Dislokation des Tubus kann insbesondere nach Lagerungsveränderung auftreten. Hinweise geben die Kapnografie, der Auskultationsbefund, die Inspektion und die Alarmierung des Respirators. Eine Obstruktion von Tubus oder Beatmungsschlauch führt bei volumenkontrollierter Beatmung zu erhöhten Beatmungsdrücken, da sich durch Kompression oder Abknicken der Querschnitt stark verringert und mehr Druck nötig ist, um das Volumen zu applizieren. Wird pmax erreicht, bricht das Gerät den Atemhub ab. Bei der druckkontrollierten Beatmung sinkt bei einer Obstruktion der Beatmungswege das Atemhubvolumen, was als Hinweis interpretiert werden muss. Ein Pneumothorax oder andere pulmonale Ursachen, wie z. B. ein Bronchospasmus, können Beatmungsprobleme hervorrufen. Wichtige Hinweise für die Identifikation bieten die Kapnografie und die Auskultation. Das Equipmentversagen kann beispielsweise durch einen leeren Akku, mangelnde Sauerstoffversorgung oder eine Beschädigung des Geräts durch einen Sturz ausgelöst werden. Parallel zur genauen Fehleridentifikation muss die Beatmung mit einem Handbeatmungsbeutel fortgeführt werden. werden.
Eine Überblähung des Magens (Stomach) kann nach einer Beutel-Masken-Ventilation auftreten und die Platzierung einer Magensonde notwendig machen oder kann Ursache einer Fehlintubation sein. Achtung Ein Handbeatmungsbeutel muss immer mitgeführt werden, um einen Geräteausfall kompensieren zu können.
Mit der Abkürzung HAND werden die folgenden Maßnahmen zusammengefasst. Die Redewendung „Den Patienten an die Hand nehmen“ haben viele Kollegen im Anästhesiepraktikum kennengelernt. Gemeint ist die Beatmung mit einem Handbeatmungsbeutel mit Demandventil zu übernehmen und mit den eigenen Sinnen – Sehen, Hören, Fühlen – zu identifizieren, wo genau das Problem des Patienten liegt. Um die Verlegung des Tubus durch Sekrete oder Blut zu beseitigen, werden die Patienten abgesaugt. Am Beatmungsgerät muss überprüft werden, ob neue Einstellungen nötig geworden sind und ob die Alarmgrenzen entsprechend der Situation angepasst sind. Schlussendlich ist in einigen Fällen weitere Diagnostik nötig. Diese könnte eine BGA, ein Röntgen-Thorax oder eine Sonografie beinhalten, was einen zügigen Transport in eine Klinik unumgänglich macht. Wird nach dem DOPES-Schema ein Pneumothorax festgestellt, so kann sich daraus eine lebensbedrohliche Komplikation in Form eines Spannungspneumothorax entwickeln. Insbesondere hohe Beatmungsdrücke steigern das Risiko für diese Komplikation. Unter der beatmungsassoziierten Lungenschädigung (Ventilator-Induced Lung Injury, kurz VILI) werden alle durch Beatmung verursachten Traumata der Lunge verstanden. Hauptursache sind zu hohe Beatmungsvolumina und Drücke. Unterschieden wird wieder zwischen Barotrauma, auch Makrotrauma genannt, dem Atelektrauma, dem Mikrotrauma und dem Biotrauma. Beim Barotrauma werden die Alveolen überdehnt und in der Folge rupturiert, dadurch tritt Luft in das Gewebe, was zu dem bereits erwähnten Pneumothorax führt. Hauptursache sind zu große Atemzugvolumina, daher kann auch von einem Volumentrauma gesprochen werden. Info Es empfehlen sich folgende Einstellungen des Respirators bei einem pulmonalen Barotrauma (nach Larsen, Ziegenfuß und Mathes 2018): • Atemzugvolumen/Druck (je nach Modus) im Rahmen von akzeptabler paCO2-Werte so weit wie möglich reduzieren (permissive Hyperkapnie wenn nötig). • Reduktion des PEEP. Dies senkt den Atemwegsmittelruck, wodurch der Verschluss der Leckage gefördert wird. Beachten, ob Oxygenierung darunter noch ausreichend, ggf. FiO2 erhöhen.
Beim Mikrotrauma werden die Alveolen überdehnt, reißen aber nicht und es tritt keine Luft aus. Dennoch kommt es zur Zerstörung von Zellstrukturen, was eine lokale Entzündungsreaktion auslöst. Entzündungsmediatoren führen eine weitere Lungenschädigung herbei und können auch systemisch zur
Schädigung weiterer Organe führen; diese Untergruppe der VILI wird Biotrauma genannt. Das Atelektrauma entsteht bei zu geringen Atemzugvolumina, da hierbei Alevolen bei jedem Atemzug eröffnet werden und wieder kollabieren. Dies führt zu hohen Scherkräften und das wiederum zu Schädigungen mit lokaler Entzündungsreaktion. Die beatmungsassoziierte Pneumonie (VAP) wird als solche klassifiziert, wenn Patienten zuvor mindestens 48 Stunden beatmet wurden. Sie gehört zu den nosokomialen Pneumonien. Daten von Intensivstationen zeigen, dass unabhängig von der Fachrichtung die Pneumonierate von invasiv beatmeten Patienten deutlich über der der nichtinvasiv beatmeten liegt. Ein zentraler Risikofaktor liegt entsprechend in der endotrachealen Intubation, da die oberen Atemwege und damit auch natürliche Abwehrmechanismen umgangen werden. Zusätzlich entstehen durch den geblockten Cuff Mikrotraumata, bei gleichzeitiger Quelle für Mikroaspiration. Diese sind deswegen problematisch, da über die Liegedauer der Patienten der Oropharynx mit Erregern besiedelt wird. Auch Magensonden können diesen Prozess begünstigen. Die Lagerung der Patienten in einer Oberkörperhochlage von 30°–45° kann das Aspirationsrisiko senken. Neben der Aspiration von Sekreten aus dem Oropharynx kann die Inhalation von Erregern über das Atemgas ein Auslöser sein. Daher ist kontaminiertes Zubehör von Beatmungsgeräten zwingend zu vermeiden. Besonders gefährdet sind hierbei die Atemgasanfeuchtungssysteme durch die Besiedelung von beispielsweise Pseudomonas aeruginosa. Schlussendlich können die Erreger auch über die Blutbahn aus befallenen Regionen im Körper transportiert werden und eine Pneumonie auslösen. Die Mehrzahl der Pneumonien wird durch Bakterien ausgelöst, wobei unter ihnen aerobe, gramnegative am häufigsten vorkommen. Infektionen durch Pilze oder Viren treten seltener und unter starker Einschränkung des Immunsystems auf. Die Verdachtsdiagnose sollte nach S3-Leitlinie bei neuem, persistierendem oder progredientem Infiltrat und der Erfüllung von zwei der drei folgenden Kriterien gestellt werden: • Leukozyten > 10.000 oder < 4000/μl • Fieber > 38,3 °C • Purulentes Sekret Insbesondere sollte auf sepsisassoziierte Organdysfunktionen geachtet werden; hier unterstützen die Scores qSOFA und SOFA. Die Behandlung erfolgt in der Regel antibiotisch nach der Entnahme von Untersuchungsmaterial. Gibt es Anzeichen für eine Sepsis, sollte die Therapie innerhalb der ersten Stunde begonnen werden und keine Verzögerung durch diagnostische Maßnahmen erfolgen.
7.6. Beatmungsgeräte Notfallbeatmungsgeräte zeichnet aus, dass sie leicht, transportabel und intuitiv zu bedienen sind. Im Gegensatz zu stationären Beatmungsgeräten steht für sie im präklinischen Einsatz keine Druckluftversorgung zur Verfügung, daher muss Umgebungsluft verwendet werden. Wie das Beatmungsgerät die Luft aus der Umgebung bezieht, ist einer der Hauptunterschiede zwischen den erhältlichen Geräten. Sehr verbreitet ist die Verwendung eines Ejektors. Der Sauerstoff aus der Versorgungsflasche durchströmt in diesem Bauteil eine Venturi-Düse. Dabei entsteht neben der Düse ein Unterdruck, wodurch Umgebungsluft angesaugt werden kann. Dieses Prinzip hat den Vorteil, dass es sehr robust und klein ist sowie keine elektrische Energie (Akkukapazität = Gewicht und Raumbedarf) nötig ist. Nachteilig ist, dass keine Sauerstoffkonzentration unter 40 % eingestellt werden kann. Je nach
Gerät steht auch nur die Auswahlmöglichkeit zwischen Air Mix und no Air Mix (100 % O2) zur Verfügung. Es ist je nach Flow immer ein bestimmter Sauerstoffvolumenstrom nötig, um Umgebungsluft anzusaugen. Folglich funktioniert das Gerät nicht, sobald die Sauerstoffflasche leer ist. Die zweite Möglichkeit, Luft aus der Umgebung zu beziehen, ist die Verwendung eines Verdichters, sprachlich bekannt als Turbine. Luft wird aus der Umgebung angesaugt und unter Zuführung von Energie verdichtet, also der Druck erhöht. Dieses Prinzip ermöglicht die stufenlose Einstellung der Sauerstoffkonzentration und die Beatmung mit Umgebungsluft bei leerer Sauerstoffflasche, benötigt jedoch Platz und Akkukapazität. Durch technischen Fortschritt rücken diese gewichtigen Nachteile für ein portables Gerät in den Hintergrund und turbinenbetriebene Geräte sind zunehmend häufiger vertreten. Die Pneumatik aller Beatmungsgeräte muss so gestaltet sein, dass Patienten beim Ausfall des Geräts frei ein- und ausatmen können. Es gibt Ein- und Zweischlauch-Beatmungsgeräte. Beim Einschlauchsystem sitzt das Exspirationsventil im Schlauch und ist häufig ein Einmalartikel. Bei Zweischlauchsystemen wird das ausgeatmete Patientengas zum Gerät zurückgeführt. Das Exspirationsventil am Gerät muss daher nach der Verwendung getauscht oder aufbereitet werden. Da bei intubierten Patienten die oberen Atemwege und damit die patienteneigene Atemluftanfeuchtung und -erwärmung umgangen wird, muss dies vom Behandelnden bedacht werden. Auf der Intensivstation werden häufig aktive Anfeuchtungen verwendet, während im präklinischen Setting auf die Verwendung von HME-Beatmungsfiltern (passive Anfeuchtung) zurückgegriffen wird. Häufig wird ein Kombi-Filter verwendet, der zusätzlich eine Hygienefunktion erfüllt. Die Relevanz der Sauerstoffversorgung wurde bereits erwähnt. Um die mit den Ressourcen mögliche Beatmungsdauer zu berechnen, kann folgende Formel verwendet werden:
Achtung Da kritische Patienten im Rahmen einer Notfallbeatmung auf eine erhöhte Sauerstoffkonzentration nicht verzichten können, muss unabhängig vom verwendeten Beatmungsgerät der Restdruck in der Sauerstoffversorgung regelmäßig kontrolliert werden!
Jede Person, die ein Beatmungsgerät anwendet, unterliegt nach der Medizinprodukteverordnung (MDR) einer Reihe von Verpflichtungen. Es muss eine Geräteeinweisung sowohl in den konkreten Gerätetyp sowie in die aktuelle Softwareversion durch den Hersteller oder eine autorisierte Person erfolgen. Das Gerät ist nach Angaben in der Gebrauchsanweisung zu bedienen und instand zu halten. Die Funktionsfähigkeit des Geräts ist vom Anwendenden zu überprüfen. Ein Gerätecheck zu Schichtbeginn und nach jeder Anwendung hat sich daher zu gängiger Praxis entwickelt. Defekte oder der Verdacht auf eine Fehlfunktion müssen gemeldet und das Gerät außer Betrieb genommen werden. Info Der tägliche Gerätecheck bietet eine gute Möglichkeit, sich die Inhalte der Einweisung in Erinnerung zu rufen. Bei Unklarheiten finden sich in der Gebrauchsanweisung des Respirators alle relevanten
Informationen zu dem Gerät und dessen Funktionen, ebenso wie Erklärungen zu Fehlermeldungen.
Die handelsüblichen portablen Respiratoren unterscheiden sich in dem für sie vorgesehenen Anwendungsbereich, der Bezugsart von Umgebungsluft, den verfügbaren Beatmungsmodi und damit einhergehender Komplexität der Bedienung sowie den Abmaßen und dem Gewicht. Einige Funktionen sind optional und können bei den Herstellern erworben werden, die Verfügbarkeit hängt von der jeweiligen Konfiguration ab. Im Folgenden werden drei unterschiedliche tragbare Beatmungsgeräte vorgestellt.
7.6.1. Oxylog VE300 – Dräger Der in ➤ Abb. 7.12 gezeigte Oxylog VE300 ist ein zeitgesteuertes, volumen- und druckkontrolliertes Notfall- und Transportbeatmungsgerät für Patienten mit einem Atemzugvolumen über 50 ml. Das Gerät bezieht Umgebungsluft über einen mit dem Sauerstoff betriebenen Ejektor. Der inspiratorische Sauerstoffanteil kann zwischen 100 % und O2/Air Mix eingestellt werden. Der tatsächliche O2-Wert hängt bei Air Mix vom Inspirationsflow und vom mittleren Atemwegsdruck ab, liegt aber zu keinem Zeitpunkt unter 40 %. Es wird ein Einschlauchsystem verwendet. Für das Gerät ist eine integrierte CO2Messung als Option verfügbar. Folgende Beatmungsmodi stehen zur Auswahl: VC-CMV, CPR, VC-AC, VC-SIMV (Option), PC-BIPAP (Option), Spn-CPAP – Pressure Support PS ist als Option für alle Modi mit Eigenatemanteilen. Das Gerät lässt sich neben den gekennzeichneten Tasten über das Drehen und Drücken des runden Knopfes bedienen. Passende Voreinstellungen entsprechend der Patientenkategorie (Säugling, Kind, Erwachsener) erleichtern die Bedienung.
Abb. 7.12 Beatmungsgerät Oxylog VE300 von der Firma Dräger [V162]
7.6.2. Medumat Standard 2 Das Notfall- und Transportbeatmungsgerät Medumat Standard 2 wird in ➤ Abb. 7.13 gezeigt und ist für die Behandlung von Säuglingen, Kindern und Erwachsenen ab einem Körpergewicht von 3 kg geeignet. Bei volumenkontrollierter Beatmung sind Tidalvolumina ab 50 ml, bei druckkontrollierter sind auch kleinere Tidalvolumina möglich. Der inspiratorische Sauerstoffanteil kann zwischen 100 % und Air Mix eingestellt werden. Der tatsächliche O2-Wert hängt dabei vom Atemminutenvolumen und vom Druck ab. Es wird ein Einschlauchsystem verwendet, optional kann der MeduTrigger angeschlossen werden, um per Knopfdruck Atemhübe manuell über eine Maske zu applizieren. Eine CO2-und eine Flow-Messung sind als Option verfügbar. Die Modi IPPV, CPR, RSI, CPAP und Demand sind standardmäßig vorhanden. Als Optionen sind MEDUtrigger, S-IPPV, SIMV, Inhalation, BiLevel+ASB, PCV, aPCV, PRVC+ASB und CCSV verfügbar. Die Bedienung erfolgt neben den fest belegten und kennzeichneten Tasten über drei Tasten unter dem Bildschirm zur Anwahl der gezeigten Menüs. Scrollen ist über den runden Navigationsknopf möglich. Die eingestellte Körpergröße hilft bei Soforteinstellungen der Beatmung. In den Modi CPR und RSI führt das Gerät in den einzelnen Schritten durch die Maßnahme.
Abb. 7.13 Beatmungsgerät Medumat Standard 2 von der Firma Weinmann [V083]
7.6.3. T1 – Hamilton Das Notfall- und Intensivbeatmungsgerät T1 (➤ Abb. 7.14) ist für Patientengruppen von Neonaten bis Erwachsenen geeignet. Durch die integrierte Turbine bezieht das Gerät die Umgebungsluft und durch Anschluss einer Sauerstoffversorgung sind Konzentrationen von 21–100 % möglich. Es wird ein Zweischlauchsystem mit Exspirationsventil am Gerät verwendet. Dabei gibt es anderes Zubehör für Neonaten, die CO2- und SpO2-Messung ist optional erhältlich. Standardmäßig sind die volumenorientierten Modi mit adaptiver Druckkontrolle APVcmv/(S)CMV+, APVsimv/SIMV+ und VS sowie die druckkontrollierten Modi PCV+, PSIMV+ und SPONT, die intelligente Ventilation ASV und die CPR-Beatmung. Optional sind die druckkontrollierten Modi DuoPAP und APRV, der Modus INTELLiVENT-ASV sowie die nichtinvasiven Modi NIV, NIV-ST und HiFlowO2 erhältlich. Die Bedienung erfolgt über Touch zum Anwählen, über Drehen und Drücken des runden Knopfes kann ausgewählt und bestätigt werden.
Abb. 7.14 Beatmungsgerät T1 von der Firma Hamilton [V083]
Info Vorkonfigurationen von Beatmungsmodi helfen, um einen schnellen Beatmungseinstieg im Notfall zu gewährleisten.
Achtung • Keine Aufbereitung von Einmalartikeln! • Es ist zu beachten, welche Desinfektionsmittel freigegeben sind! • Nur zugelassenes Zubehör verwenden! • Gerät nur in der zugelassenen Position/Ausrichtung verwenden!
Info Die Hersteller von Beatmungsgeräten bieten auf ihren Websites sowie auf YouTube anschauliche Schulungsvideos, die eine gerätespezifische Fortbildung zum Thema Beatmung und Geräteaufbereitung ermöglicht.
A nwe ndu ngs v id e os d e r H e r s t e lle r Weinmann CCSV https://www.youtube.com/watch?v=8ubbRpZWp6w Weinmann Medumat Standard 2 https://www.youtube.com/watch?v=kpunlwfyoBM Dräger Oxylog VE 300 Betrieb https://www.youtube.com/watch?v=s7S3nY4VZNM Dräger Oxylog VE 300 Alarme https://www.youtube.com/watch?v=bt5hB8p8RuA Hamilton C1 Basic Settings https://www.youtube.com/watch?v=vUTQhk3vE3Q Hamilton C1 Alarme https://www.youtube.com/watch?v=ByBbs6ldwRg Hamilton T1 https://www.youtube.com/watch? v=OQNzD47vMI8&list=PLptx6y48WEXeRjHJ50iUYzB4PcCTsqNq4 Merke Ablauf des SALAD-Manövers: • Sauger einführen • Laryngoskop einführen • Sauger umpositionieren und in den Ösophagus einführen • Intubation • Absaugung tracheobronchial
Zusammenfassung • Eine häufige Indikation für invasive Beatmung ist die respiratorische Insuffizienz. Das Problem von beatmeten Patienten kann in der Oxygenierung, der Ventilation oder in einer Kombination aus beidem liegen. • Ein mandatorischer Atemhub kann druck- oder volumenkontrolliert sein. Bei der druckkontrollierten Beatmung ergibt sich das Atemzugvolumen patientenindividuell je nach Resistance und Compliance. Bei der volumenkontrollierten Beatmung ergibt sich der Beatmungsdruck je nach Zustand der Lunge.
• Beatmungsmodi werden neben der kontrollierenden Variable (Druck oder Volumen) danach unterteilt, ob und in welchem Umfang Patienten Eigenarbeit einbringen können. Es wird unterschieden zwischen kontrolliert mandatorischer Beatmung (keine Eigenatmung), intermittierend mandatorischer Beatmung (Eigenatmung möglich) und spontaner Atmung (Gerät überwacht und unterstützt). • Oft verwendete Einstellparameter bei Notfallpatienten sind je nach gewähltem Beatmungsmodus: pmax = 30 mbar, FiO2 = 1, Vt = 6 ml/kg KG, PEEP = 5 mbar. • Die Oxygenierung wir nach gemessener Sättigung anpasst, z. B. durch Veränderung von PEEP oder FiO2, die Ventilation wir nach dem gemessenen CO2 gesteuert. • Bei Komplikationen unklarer Genese sind folgende Maßnahmen anzuwenden: Handbeatmung zur Ursachenidentifikation, Absaugung, Einstellungen des Beatmungsgeräts überprüfen, weitere Diagnostik anstreben. • Vor der ersten Verwendung eines Beatmungsgeräts ist eine gerätespezifische Einweisung erforderlich. Die Gebrauchsanweisung enthält viele zusätzliche Informationen, die bei Unklarheiten weiterhelfen. Die vor jeder Anwendung zu erfolgende Funktionskontrolle wird häufig zu Schichtbeginn durchgeführt und bietet eine gute Gelegenheit, auch bei seltener Anwendung des Respirators mit dem Gerät vertraut zu bleiben.
Literatur AWMF-S3-Leitlinie „Invasive Beatmung und Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz“, Version 1.0, 2017, AWMF-Registernummer: 001-021. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/001-021. AWMF-S3-Leitlinie „Epidemiologie, Diagnostik und Therapie erwachsener Patienten mit nosokomialer Pneumonie“, Version 2.0, AWMF-Registernummer: 020-013. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-013. Bauer E. Ventilator Management: A Pre-Hospital Perspective. 2nd ed. Scotts Valley (Kalifornien): CreateSpace Independent Publishing Platform, 2016. Chatburn RL, El-Khatib M, Mireles-Cabodevila E. A taxonomy for mechanical ventilation: 10 fundamental maxims. Respiratory Care, 2014; 59(11): 1747–1763. DIN-Norm: DIN EN ISO 19223:2021. Dräger: Oxylog VE300. www.draeger.com/de_de/Products/Oxylog-VE300 (Stand: 13.4.2023). Hamilton: Hamilton T1. www.hamilton-medical.com/de_DE/Products/HAMILTONT1.html (Stand: 13.4.2023). Hintzenstern v U, Bein T. Praxisbuch Beatmung. 7. A. München: Elsevier, 2019. Larsen R, Ziegenfuß T, Mathes A. Beatmung – Indikationen, Techniken, Krankheitsbilder, 6. A. Heidelberg: Springer, 2018.
Oczenski W. Atmen – Atemhilfen, Atemphysiologie und Beatmungstechnik, 10. A. Stuttgart: Thieme, 2017. Orso D, Vetrugno L, Federici N, et al. Mechanical Ventilation Management During Mechanical Chest Compressions. Respiratory Care, 2021; 66(2): 334–346. Weinmann: MEDUMAT Standard 2. www.weinmannemergency.com/de/produkte/beatmungsgeraete/medumat-standard-2/ (Stand: 13.4.2023).
Kapitel 8: Notfallnarkose Max Rhiem
Die notfallmäßige Narkoseeinleitung im präklinischen Bereich ist für viele rettungsdienstlichen Kollegen – aber auch für viele Notärzte – eine stressbehaftete Maßnahme. Viele Faktoren spielen hierbei eine Rolle. Zunächst ist die notfallmäßige Narkoseeinleitung im prähospitalen Bereich mit 3–5 % der Notarzteinsätze selten. Aufgrund mangelnder Erfahrung und/oder Ausbildung sowie fehlender Routine steht das präklinisch eingesetzte Personal oftmals mit der Durchführung einer Narkose am Rande der Überforderung. Während im Krankenhaus schwerkranke Patienten (ASA-Klasse III und höher) sowie das Arbeiten in Hochrisikobereichen ohne zeitnahe Unterstützungsmöglichkeit durch einen erfahrenen Fach- oder Oberarzt versorgt werden, obliegt die Behandlung eben jener Patienten in noch ungewohnterem Umfeld präklinisch zum Teil sehr jungen Assistenzärzten unterschiedlicher Fachrichtungen. Auch das in o. g. Fällen eingesetzte Assistenzpersonal verfügt innerklinisch über jahrelange Erfahrung in der Betreuung und Durchführung einer Narkose. Innerhalb des Rettungsfachpersonals ist die Erfahrung diesbezüglich sehr unterschiedlich. Eine notfallmäßige Narkoseeinleitung ist unter vielen Umständen aber v. a. in der präklinischen Umgebung eine herausfordernde Aufgabe mit vielen Fallstricken und Problemstellungen (➤ Tab. 8.1). Tab. 8.1
Erschwerende Bedingungen einer Notfallnarkose in der Präklinik
Patientenbezogene Faktoren • Unbekannter Patient • Unbekannte Vorerkrankungen • Nicht einschätzbare Vormedikation • Nicht selten schwieriger Atemweg • Hypoxie • Hypovolämie • Intensiver Schmerz
Nicht patientenbezogene Faktoren • Entscheidungsfindung innerhalb kürzester Zeit notwendig • Erfahrung im Team sehr heterogen • Material zum Teil unterschiedlich als innerklinisch • Keine personelle Rückfallebene • Stets neues Umfeld (Wohnung, RTW, auf der Straße etc.) • Fehlender Plan bei missglückter initialer Atemwegssicherung
Merke Oberstes Ziel der Notfallnarkose ist es, das Überleben des Patienten zu sichern.
8.1. Indikation, Kontraindikation und Durchführung
Eine Narkoseeinleitung unter standardisierten Bedingungen kann potenziell tödlich enden. So zeigte eine 2014 publizierte Arbeit von Schiff et al. eine anästhesiebedingte Mortalität von 7,3 pro 1 Mio. Anästhesien bei Patienten der ASA-Klasse I und II unter kontrollierten Bedingungen. Die anästhesiebedingte, aber auch anästhesieassoziierte Mortalitätsrate schwerkranker Patienten liegt noch deutlich höher und aus eingangs beschriebenen Gründen präklinisch wahrscheinlich noch höher. Aufgrund der oben aufgelisteten Problemstellungen ist stets kritisch zu hinterfragen, ob eine invasive Atemwegssicherung die beste Lösung für das Problem des Patienten darstellt. So ist z. B. im Bereich der pädiatrischen Notfallversorgung oftmals der Verzicht auf den Versuch, eine invasive Atemwegssicherung durchzuführen, zielführender, als das Kind einer zusätzlichen Hypoxiegefahr durch eine unsichere Narkose auszusetzen (➤ Kap. 7.9). Wie bereits eingangs erwähnt, stellt die Notwendigkeit einer Narkoseinduktion die gesamte Rettungsmannschaft vor eine zum Teil immense Herausforderung. Zum einen ist der Erfahrungsschatz, den die jeweiligen Teammitglieder bezüglich der Narkoseinduktion haben, auf sehr unterschiedlichem Niveau, zum anderen gibt es im deutschen Rettungsdienst nur selten eine personelle Rückfallebene, wie sie innerklinisch z. B. durch einen erfahrenen Intensivmediziner oder anästhesiologischen Oberarzt gegeben wäre. Ebenso ist die notfallmäßige Narkoseeinleitung meistens unweigerlich mit der Notwendigkeit einer Atemwegssicherung mittels einer endotrachealen Intubation verbunden. Allein diese Fertigkeit ist zwar durch mittlerweile schon flächendeckend eingeführte Hilfsmittel wie ein Videolaryngoskop etwas vereinfacht worden. Die Induktion einer Narkose, das Sichern eines vermeintlich schwierigen Atemwegs und die zeitgleiche Zusammenarbeit im Team bleibt aber weiterhin eine äußerst komplexe Situation. Dass dabei stets neu zusammengewürfelte Besatzungen aufeinandertreffen können, vereinfacht die Situation nicht. Ist im Krankenhaus die Umgebung meist gut bekannt, variiert sie draußen von Einsatz zu Einsatz. Wenn möglich sollte eine Narkoseeinleitung im RTW geschehen, um ein möglichst geschütztes Umfeld für den Patienten und das Team zu schaffen, jedoch wird dies nicht immer praktikabel sein. Notfallpatienten sind immer als nicht nüchtern zu betrachten und haben ein vielfach höheres Risiko für eine Aspiration als Nicht-Notfallpatienten. Eine zur Notwendigkeit der Narkose und Atemwegssicherung führende kardiale- und oder pulmonale Insuffizienz (Hypotonie, Hypoxie, Hyperkapnie) verschärft die Situation zusätzlich. Ebenso sind mögliche wichtige Vorerkrankungen des Patienten nicht bekannt und die Einnahme von Antihypertonika oder z. B. Betablockern können kompensatorische Mechanismen wie eine Reflextachykardie oder einen Blutdruckanstieg verhindern. Achtung Pathophysiologische „Killer“ bei der Narkoseeinleitung: • Hypotonie/Hypovolämie • Hypoxie • Hyperkapnie/Azidose
Merke Der Patient verstirbt in den allermeisten Fällen nicht an einer fehlenden Atemwegssicherung, sondern an einer Hypoxie.
8.1.1. Wann ja, wann nein und wer? Um die Indikation und die geeignetste Maßnahme für den gerade zu versorgenden Patienten zu prüfen und eine zielgerichtete Entscheidung innerhalb kurzer Zeit zu fassen, bietet sich ein Vorgehen z. B. anhand des FOR-DEC-Schemas an (➤ Abb. 8.1).
Abb. 8.1 FOR-DEC-Schema [W933-001/L143]
So werden zunächst die Fakten (F) gesammelt, Optionen (O) erörtert und etwaige Risiken (R) oder ein Benefit gegeneinander abgewogen. Nach endgültiger Entscheidung (D) wird die Maßnahme durchgeführt (E) und anschließend reevaluiert (C). Klar ist, dass die reine Beherrschung einer Intubation unter standardisierten Bedingungen (wie von einschlägigen Fachgesellschaften empfohlen) nicht als alleinige Voraussetzung einer Notfallnarkose ausreicht. Darüber hinaus müssen Kenntnisse im Management eines schwierigen Atemwegs, der Umgang mit verschiedenen Atemwegshilfsmitteln (z. B. supraglottische Atemwegshilfen, SGA) und das parallele Führen des (unbekannten) Teams in einer solch komplexen Situation beherrscht werden. Notfallsituationen, in denen eine Narkose mit anschließender Atemwegssicherung meistens notwendig ist, sind u. a.: • Fehlende Schutzreflexe, z. B. bei SHT oder Intoxikation • Drohende Atemwegsverlegung (Anaphylaxie, schweres Inhalationstrauma) • Nicht anders beherrschbare Hypoxie und/oder Notwendigkeit der invasiven Beatmung mit PEEP (Ertrinkungsnotfall, pulmonale Insuffizienz z. B. bei Lungenödem oder exazerbierter COPD) • Schweres Trauma mit hämodynamischer Instabilität Detailliertere Erläuterungen zum Thema Indikationen und Kontraindikationen der präklinischen Notfallnarkose finden sich in ➤ Kap. 4.1.2.
8.1.2. 7 Schritte (Ps) der Intubation Eine Möglichkeit, sich den Ablauf der Narkose vor Augen zu führen, ist die Abarbeitung der 7 Ps der Intubation. Diese sind im Folgenden: • Preparation • Pre-Oxygenation • Pre-Intubation • Paralysis • Positioning • Placement • Post-Intubation Das Abarbeiten der einzelnen Schritte geschieht zum Teil parallel und wird nun weiter beleuchtet. Preparation (Vorbereitung), Placement (Raumaufteilung) Unter dem Punkt Vorbereitung kann man alle Maßnahmen verstehen, die im Vorhinein einer Narkose bereitgestellt und angeschlossen und fertig gemacht werden sollten. Hierzu sollte man sich einer Checkliste bedienen oder diese zumindest zur Kontrolle parat haben (➤ Abb. 8.6). Die Aufteilung im Raum sollte möglichst so geschehen, dass der Patient von allen Seiten zugängig ist und alle Teammitglieder zusätzlich eine gute Sicht auf den Monitor haben. Im deutschen Rettungsdienst sind bei der notfallmäßigen Narkoseeinleitung mindestens eine Person aus dem notärztlichen Sektor und drei Personen des Rettungsfachpersonals anwesend. Unterstellt man dem ärztlichen Personal die
meiste Übung in der invasiven Atemwegssicherung, gehört dieses an den Kopf des Patienten. Weitere Positionen sind an einem Zugang zur Medikamentenapplikation und eine Person auf der anderen Seite des Patienten zur Unterstützung der Atemwegssicherung (Absaugung, Tubus anreichen/fixieren usw.). Weitere Hände können z. B. zur manuellen Kopffixierung während des Intubationsvorgangs bei V. a. eine HWS-Verletzung benötigt werden oder aber als „Springer“ zur Anreichung weiterer Medikamente oder Atemwegshilfsmittel fungieren. Pre-Oxygenation (Präoxygenierung/Denitrogenisierung) Wie auf der Checkliste zu erkennen ist, sollte schon parallel zur Narkosevorbereitung die Präoxygenierung und die damit einhergehende Denitrogenisierung der funktionellen Residualkapazität des Patienten erfolgen. Diese muss zwingend auf den Patientenzustand angepasst werden. Es wäre nicht ausreichend, einem respiratorisch eingeschränkten Patienten mit schneller und flacher Atmung, ohne eigenes ausreichendes Atemzugvolumen, einfach die Maske – inklusive des angeschlossenen Beatmungsbeutels – auf das Gesicht zu halten. Hierbei käme es zum größten Teil nur zu einer insuffizienten Sauerstoffapplikation aufgrund des im Beutel verbauten Heimlich-Ventils. Darüber hinaus würde die zusätzliche Hin- und Heratmung des Maskenvolumens noch zu einer zusätzlichen Aggravierung der wahrscheinlich schon vorbestehenden Hyperkapnie führen und konsekutiv den metabolischen Zustand des Patienten verschlechtern. Die daraus entstehende Azidose wird unweigerlich zur Dekompensation bei Narkoseeinleitung führen. Davon abgesehen wird die iatrogene Sauerstoffunterversorgung zu einer dramatischen Verkürzung der Hypoxietoleranz nach Medikamentenapplikation führen. Geeignete Mittel zur Präoxygenierung wären beispielsweise eine Beutel-Masken-Ventilation (BMV) inklusive PEEP-Ventil beim stark bewusstseinsgetrübten oder kräftig spontanatmenden Patienten (ein noch vigilanter, schockig-agitierter Patient wird eine BMV wahrscheinlich nicht gut tolerieren) oder die Einleitung einer NIV mit einer FiO2 von 1,0. Diese hat den enormen Vorteil, dass man durch die Verabreichung eines positiven Atemwegsdrucks und die Applikation eines PEEP von z. B. 5–10 cmH2O ggf. schon vorliegende atelektatische Lungenbereiche wieder eröffnen und offen halten kann. Somit steht mehr Lungenoberfläche zur Oxygenierung zur Verfügung und die Kreislaufsituation des Patienten kann sich durch Weitung der Lungengefäße positiv verändern. Diese Rekrutierung von minderbelüfteten Alveolen hat ebenfalls einen günstigen Effekt auf die Dekarboxylierung des Patienten und hilft somit auch, die Metabolie (respiratorische Azidose) zu optimieren. Ebenso kann bei suffizienter Spontanatmung eine Sauerstoffapplikation über eine Maske mit Reservoir und einem O2Fluss von 15 l/min, ggf. mit zusätzlicher Verabreichung von weiteren 15 l/min O2 über eine Nasenbrille (zweiter Oxybag) geschehen. Diese kann auch während des Intubationsversuch auf dem Patienten verbleiben und durch den passiven Sauerstofffluss zu einer Verlängerung der Hypoxietoleranz führen (Prinzip von No DESAT = Nasal Oxygenation during Efforts Securing an Airway Tube). Dieses Vorgehen kann ebenfalls bei einer Präoxygenierung via Beatmungsbeutel oder NIV eingehalten werden. Merke • Ziel ist die maximale Auswaschung des in der Lunge vorhanden Stickstoffs und Anreicherung von Sauerstoff.
• Je mehr Alveolen dafür zur Verfügung stehen, desto höher ist das Sauerstoffvolumen, das in den Atemwegen vorhanden sein kann, und desto länger ist die Zeit bis zum Abfall der Sauerstoffbindungskurve.
Pre-Intubation (Optimierung der Umstände) und Positioning (Lagerung) Wie oben bereits angesprochen führen die im Notfall vorliegenden pathophysiologischen Veränderungen zu einem Teufelskreis mit stetiger Verschlechterung der Gesamtsituation des Patienten (➤ Tab. 8.2). Tab. 8.2
Pathosphysiologische Fallstricke in Bezug auf die Narkose beim kritischen Patienten
Problem
Adaption
Hypoxie
Lagerung, frühzeitige Sauerstoffgabe und passende Präoxygenierungsstrategie (s. o.)
Azidose/Hyperkapnie
PPV/NIV, Volumenmanagement
Hypotonie/instabile Hämodynamik
Verabreichung von Katecholaminen/Vasopressoren vor und während der Narkose
Hypovolämie
Zwei gut laufende Zugänge (i. v. oder i. o.) Infusionstherapie
Es kann nicht oft genug betont werden, dass eine Optimierung der Voraussetzungen hilft, eine akute Verschlechterung mit teils letalem Ausgang (oftmals durch ein Rechtsherzversagen) unter Narkoseeinleitung zu verhindern. Gegebenenfalls eignet sich hierfür das Vorgehen im Rahmen einer Delayed Sequence Induction (DSI; ➤ Kap. 8.3.2). Merke Eine Adaptierung an die entsprechenden Probleme im Vorfeld führt bestenfalls zur Stabilisierung des Patienten und somit zur mentalen Entlastung des Teams während der Maßnahme der (schwierigen) Atemwegssicherung. Die Lagerung des Patienten kann im Wesentlichen dazu beitragen, die Sauerstoffaufnahme zu steigern, das Aspirationsrisiko zu mindern und die hämodynamische Situation zu verbessern. Eine Oberkörperhochlage führt gerade bei adipösen Patienten (BUHE = „back up, head elevated“) mit dem Ziel, dass sich das Ohrläppchen des Patienten auf Sternumhöhe befindet) zu einer Optimierung der Sauerstoffaufnahme, kann aber mit einer Verschlechterung der Kreislaufsituation bei Volumenmangel einhergehen (➤ Abb. 8.2). Wie dies bei den unterschiedlichen Notfallbildern zu handhaben ist, unterliegt allerdings immer einer individuellen Abwägung. Oft ist die Flachlagerung mit striktem Atemwegsmanagement und Absaugbereitschaft der beste Kompromiss für die Notfallsituation.
Merke Resuscitate before you intubate. Paralysis (Relaxierung) Um den First Pass Success (➤ Kap. 4.1.3) auf ein Maximum zu steigern, ist eine Relaxation für die allermeisten Notfallpatienten unumgänglich. Die in der Notfallnarkose verwendeten Muskelrelaxanzien werden in ➤ Kap. 8.2.4 im Detail besprochen. Eine Ausnahme hiervon bildet das Vorgehen bei der Ketamin Only Breathing Induction (KOBI). Hierbei wird der Patient unter erhaltener Spontanatmung und reiner Ketamindissoziation intubiert. Die ist allerdings nur für wenige Ausnahmefälle vorbehalten und in der Notfallmedizin häufig nicht adäquat umsetzbar. Zwingend muss auch hierbei immer ein Muskelrelaxans aufgezogen vorgehalten werden, um bei plötzlich eintretendem Laryngospasmus eine rasche Relaxierung herbeiführen zu können. Post-Intubation Auch zur fokussierten Weiterbehandlung nach erfolgreicher Intubation bietet sich das Vorhalten einer Checkliste an (➤ Abb. 8.6). Somit wird das Unterlassen entscheidender, weiterführender Maßnahmen vermieden. Diese sind insbesondere: • Kapnografie • Einstellung der Beatmungsparameter • Kontinuierliches Monitoring mit engmaschiger Blutdrucküberwachung • Fortführung und ggf. Vertiefung der Narkose • Medikamentenapplikation und angepasste Volumengabe zur Aufrechterhaltung des HerzKreislauf-Systems Merke Die Freude über die geglückte Intubation darf nicht zur Vernachlässigung der wesentlichen Maßnahmen der Postintubationsphase führen.
8.2. Pharmakologie 8.2.1. Einführung Medikamente Das Feld der Narkosemedikamente ist weit, aber übersichtlich. Allerdings finden auch im klinischen Bereich nur wenige der einzelnen Substanzen tagtäglichen Gebrauch. Unterschiedliche Bereiche benutzen unterschiedliche Medikamente und auch von Krankenhaus zu Krankenhaus unterscheidet sich das Spektrum der verwendeten „Narkotika“. Mit manchen Medikamenten haben selbst Anästhesisten nur noch tangierende Berührungspunkte. So ist z. B. Thiopental mittlerweile flächendeckend von Propofol als Einleitungshypnotikum abgelöst worden und findet nur noch bei wenigen Anwendern oder in spezielleren Bereichen Verwendung. Umso wichtiger ist es, die Medikamente, mit denen man im entsprechenden Notfallbereich arbeitet, zu kennen.
Grundsätzlich besteht die reine Narkose aus drei Säulen. Diese sind: • Analgesie • Hypnose • Relaxierung Im weiteren Verlauf des Kapitels werden die verwendeten Substanzen zu den einzelnen Säulen näher beleuchtet. Dieser Abschnitt zum Thema Medikamente der Notfallnarkose erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bewusst werden nur die gängigen Medikamente, die in den allermeisten Rettungsdiensten und Notaufnahmen vorgehalten werden, besprochen. Merke Grundsätzlich sollten zur Einleitung einer Notfallnarkose nur Medikamente verwendet werden, mit welchen auch eine gewisse eigene Erfahrung vorliegt. Kritisch kranke Menschen eignen sich nicht zur medikamentösen Experimentalforschung. In Bezug auf die jeweilig passende Dosierung muss man sich bei stark von der Gewichtsnorm abweichenden Patientengruppen klar sein, ob ein Induktionshypnotikum am besten nach reinem Körpergewicht (Total Body Weight, TBW), idealem Körpergewicht (Ideal Body Weight, IBW) oder fettfreier Körpermasse (Lean Body Weight, LBW) dosiert wird. Näheres hierzu findet sich in ➤ Kap. 10.10. Es gibt grundsätzlich keine One-fits-all-Narkosedosierung. So kann eine Standarddosierung von 2 mg/kg Propofol bei einem jungen, gesunden Mann mit stärksten Schmerzen aufgrund einer nicht ausreichend analgesierbaren Fraktur nicht ausreichend sein, für einen kardial vorerkrankten Patienten im höheren Lebensalter oder einen polytraumatisierten Motorradfahrer im hämorrhagischen Schock aber eine letale Dosis durch massiven Blutdruckabfall darstellen. An dieser Stelle sei nochmals auf das o. g. Vorgehen zur Optimierung vor Narkoseinduktion hingewiesen. Merke Weitere im Rahmen einer Notfallnarkose benötigte Medikamente sind Sauerstoff, Volumen und vasoaktive Substanzen. Aufgrund der speziellen Umstände in der Notfallmedizin werden verschiedene Aspekte der einzelnen Medikamente in Bezug auf Lagerbarkeit, Probleme bei der Langzeitanwendung (z. B. PropofolInfusionssyndrom, PRIS) und in der klinischen Anwendung zu beachtende Vorerkrankungen mit Beeinflussung der Verstoffwechselung (Leber-/Niereninsuffizienz) in diesem Kapitel nur sehr oberflächlich abgehandelt. Merke Vor Medikamentenapplikation stets das Vieraugenprinzip anwenden. Plakativ: stop → check→ inject.
8.2.2. Hypnotika Medikamente zum Auslösen des Bewusstseinsverlustes bzw. Schlafinduktion werden als Sedativa bezeichnet. Im Bereich der höheren Dosierung führen diese zunächst sedierenden Medikamente zu einem tiefen Schlaf mit Bewusstseinsverlust, man spricht hier auch von einer tiefen Hypnose. Nebenwirkungen sind in diesem Dosisspektrum v. a. die Atemdepression bis hin zur Apnoe, substanzund dosisabhängig aber auch eine Beeinflussung der Hämodynamik mit zum Teil extrem ausgeprägter Kreislaufdepression. Achtung Nur wer über eine ausreichende Erfahrung in der manuellen Beatmung hat, sollte Sedativa einsetzen.
Die im Notfall verwendeten Medikamente sind: • Midazolam • Propofol • Thiopental • Etomidat (mittlerweile bedeutungslos) Interessant an den einzelnen Substanzen ist, dass ihr Wirkmechanismus bis jetzt noch nicht bis ins kleinste Detail geklärt ist. Fakt ist aber: sie wirken. Merke Je kränker der Patient, desto niedriger die Dosierung der Hypnotika und Analgetika. Midazolam Aus der Gruppe der Benzodiazepine eignet sich in der Notfallmedizin v. a. Midazolam zur Einleitung einer Narkose. Über die Bindung an den Großteil der GABAA-Rezeptoren erhöhen die Benzodiazepine die Affinität von GABA (Gamma-Amino-Buttersäure) zum Rezeptor und dies führt somit zu einer erhöhten Öffnungsfrequenz mit konsekutivem Chlorideinstrom. Dies führt zu einer Hyperpolarisation der entsprechenden Zellen (die Neurone werden weniger erregbar) und daraufhin zu einem Bewusstseinsverlust. Die sedierende Wirkung ist dosisabhängig. Sind ca. 20 % der Rezeptoren besetzt, haben die Benzodiazepine vornehmlich eine anxiolytische Wirkung. Bei einer Besetzung von ca. 30–50 % greift dann die sedierende Komponente und ab 60 % besetzter Rezeptoren kommt es zu einem kompletten Bewusstseinsverlust. Oral eingenommen sind Benzodiazepine sicherer als z. B. die früher noch häufiger verschriebenen Barbiturate, da sie einem hohen First-Pass-Effekt in der Leber unterliegen und nur eine ca. 50prozentige orale Bioverfügbarkeit aufweisen. Der Metabolismus geschieht hauptsächlich über die Leber. Die Ausscheidung der inaktiven Metaboliten ist im Anschluss renal.
Mit 1–2 Minuten ist die Anschlagszeit von Midazolam relativ lang. Der maximale atemdepressive Effekt wird nach einer Initialdosis von 0,1–0,2 mg/kg (aufgerundet 1,5 mg/10 kg KG) nach etwa 3 Minuten erreicht und die Wirkdauer beträgt dann etwa 60–120 Minuten Die hämodynamischen Auswirkungen sind in Abhängigkeit von Dosierung und Patientenalter sowie Vorerkrankungen unterschiedlich. Im Rahmen der RSI (Rapid Sequence Induction) zeigten sich in mehreren Studien keine signifikanten Unterschiede zwischen Midazolam und Etomidat hinsichtlich Blutdruckabfällen und Intubationsbedingungen. In Kombination mit einem Opioid kann es allerdings zu erheblichen Blutdruckabfällen kommen. Der in dieser Kombination mögliche Atemstillstand ist im Rahmen der Narkose ein erwarteter Effekt, muss aber bei lediglich gewünschter Analgosedierung als ernste Komplikation bedacht werden. Midazolam eignet sich in der Notfallsituation v. a. als Primer in einer niedrigen Dosierung von 1–2 mg und im Anschluss an die erfolgte Atemwegssicherung in repetitiven Bolusgaben von 5 mg alle 20–30 Minuten zur Aufrechterhaltung der Narkose. Prinzipiell kann Midazolam auch zur Narkoseinduktion verwendet werden. Aufgrund der o. g. Anschlagszeit ist es allerdings bei einer wirklich zeitkritischen Narkoseinduktion eher als Medikament zweiter Wahl zu sehen. Wie immer muss eine sorgfältige Abwägung zwischen hämodynamischer Stabilität und Schnelligkeit der Einleitung abgewogen werden. Propofol Propofol ist das aktuell klinisch am weitesten verbreitete Hypnotikum zur Narkoseeinleitung und aufrechterhaltung. Aber auch in nichtanästhesiologischen Bereichen hat Propofol zur Sedierung bei diagnostischen Untersuchungen oder weniger schmerzhaften Kurzeingriffen (Procedural Sedation) einen wichtigen Stellenwert. Ebenso wie die Benzodiazepine nimmt Propofol Einfluss auf die GABAA-Rezeptoren, hat aber ebenfalls eine Wirkung auf weitere Rezeptoren (z. B. nikotinerger Acetylcholin-Rezeptor) mit noch nicht abschließend geklärtem Wirkmechanismus. Ein Vorteil von Propofol bei einer notfallmäßigen Anästhesieeinleitung ist die schnelle Anschlagszeit von ca. 15–45 Sekunden und die kurze Halbwertszeit von 6–10 Minuten; dies liegt an der schnellen Umverteilung in die einzelnen Kompartimente. Aufgrund der hohen Plasmaproteinbindungsrate von 98 % sei hier noch einmal auf die Wirkverstärkung von Propofol bei vorliegender Azidose und Albuminmangel beim kritisch kranken Patienten hingewiesen. Ebenso ist die gute Dämpfung der pharyngealen und laryngealen Reflexe als Pluspunkt zu sehen. So kann – bei entsprechender Dosierung und meist in Kombination mit einem Opioid oder Ketamin – die Intubation ohne Muskelrelaxation möglich sein, wenn hierfür eine Indikation besteht. Bei Notfallpatienten mit Indikation zur Narkose ist dies aus oben diskutierten Punkten nicht gegeben. Die in der Notfallmedizin wesentlichste Nebenwirkung ist die zum Teil massiv ausgeprägte Kreislaufdepression mit einem Abfall des mittleren arteriellen Drucks (MAP) um 30–40 %. In Kombination mit einem Opioid ist der Effekt noch eindrücklicher und kann bei fehlender Vorbereitung und Gegensteuerung beim akut kritisch kranken bzw. auch bei chronisch multimorbiden Patienten zum Herz-Kreislauf-Stillstand führen. In dieser Konstellation ist eine Reduktion der eigentlichen Induktionsdosis von 1–2 mg/kg KG auf 0,5–1 mg/kg KG sowie eine parallele Volumen- und Vasopressorverabreichung dringend zu empfehlen. Die zerebrale Metabolisierungsrate/der zerebrale Sauerstoffverbrauch (CMRO2) wird ebenso wie der intrakranielle Druck (ICP) gesenkt. Allerdings
kommt es durch den Blutdruckabfall auch zu einem Absinken des zerebralen Perfusionsdrucks (CPP). Ein rascher Wirkungseintritt und eine kurze Wirkdauer machen Propofol zu einem gut steuerbaren Hypnotikum. Die Narkoseaufrechterhaltung erfolgt mittels Bolusinjektionen von 10–30 mg alle 10 Minuten oder über eine kontinuierliche Infusion via Perfusor mit 4–10 mg/kg/h. Einen für die Notfallmedizin untergeordneten Punkt spielt die eingeschränkte Lagerbarkeit von Propofol. Ebenso wie der oft beschriebene Injektionsschmerz. Eine Allergie gegen Hühnereiweiß oder Soja scheint laut der aktuellen Datenlage ebenfalls keine absolute Kontraindikation für die Verwendung von Propofol darzustellen. Die Metabolisierung erfolgt zu 70 % hepatisch und 30 % renal. Thiopental Als Barbiturat zeichnet sich Thiopental durch eine schnelle Schlafinduktion 20–40 Sekunden nach i. v. Applikation und eine große therapeutische Breite (Einleitungsdosis 3–7 mg/kg KG) aus, sodass es in einigen Kliniken weiterhin zur RSI z. B. bei einem Ileus oder einer Sectio caesarea verwendet wird. Bei Patienten mit SHT kann die hirndrucksenkende Eigenschaft wünschenswert sein, wenngleich sich die kreislaufdepressive Wirkung v. a. bei hypovolämen Patienten auch nachteilig auswirken kann. Dosisabhängig ist eine (etwas schwächer als bei Propofol) ausgeprägte Reduktion des Herzzeitvolumens (HZV) von 10–50 % möglich, weshalb Thiopental bei akut instabilen Patienten und bei vorbestehenden Herzerkrankungen vorsichtig eingesetzt werden muss. Aufgrund der hohen Plasmaproteinbindungsrate von 60–90 % empfiehlt es sich, beim kritisch kranken Patienten mit vorliegender Azidose analog zu Propofol die Einleitungsdosis auf 1–2 mg/kg KG zu senken. Wie bei Propofol ist beim instabilen Patienten die vorherige Volumengabe sowie der parallele Einsatz von katecholaminergen Substanzen notwendig. Seltener kommt es zu einem Bronchospasmus durch Histaminfreisetzung. Ebenso ist der Einsatz eines Analgetikums bei potenziell hyperalgetischer Wirkung von Thiopental im Monogebrauch obligat. Aus diesen Gründen eignet sich Thiopental im Alltagsgebrauch nicht für die Verwendung einer Larynxmaske. Thiopental wirkt sehr gut antikonvulsiv, weshalb es im Rettungsdienst häufig beim Benzodiazepin-resistenten Status epilepticus zur Anwendung kommt, wegen der häufig erforderlichen hohen Dosierung in der Regel in Verbindung mit Intubation und Beatmung. Kontraindiziert ist Thiopental bei Patienten mit einer Porphyrie. Eine extravasale Injektion muss aufgrund von einer sich potenziell entwickelnder Gewebenekrose (gelöstes Thiopental hat einen pH von 10) vermieden werden. Die Halbwertszeit nach Initialbolus beträgt ca. 9–10 Minuten. Eine Aufrechterhaltung der Narkose ist nicht zu empfehlen, da es bei wiederholter Gabe zu rascher Kumulation im Patienten und unkontrollierter Umverteilung mit nicht abschätzbarer Wirkdauer kommt. Der Metabolismus geschieht hepatisch, wobei als Abbauprodukt der ebenfalls hypnotisch wirksame Metabolit Pentobarbital entsteht. Die Ausscheidung erfolgt mehrheitlich renal (➤ Tab. 8.3).
Tab. 8.3
Hypnotika in der Notfallmedizin im Überblick
Medikament
Darreichung
Verdünnung Dosierung Zeiten Erwachsene
Relevante NW die notfallmäß Narkoseeinleit
Propofol (Disoprivan®)
20-ml-Amp. Propofol 1 % 10 mg/ml
Pur
(0,5–)1–2 mg/kg
Anschlag: 30– 60 s Wirkdauer: 8– 10 min
RR⇅
Midazolam (Dormicum®)
3-ml-Amp. mit 5 mg/ml
+ 12 ml NaCl 0,9 % oder Aqua ad inj. (= 1 mg/kg)
0,1–0,2 mg/kgKG
Anschlag: 60– 120 min. Wirkdauer: (20)–90 min
RR↓
Thiopental (Trapanal®)
0,5 g als Trockensubstanz
+ 20 ml Aqua ad inj. (= 2,5 mg/ml)
2–7 mg/kg KG
Anschlag: 20– 50 s Wirkdauer: 5– 15 min
RR⇅ Cave: streng i. v. applizieren
Achtung Nach Applikation von Thiopental ist der Zugang nachzuspülen, da es bei direkt anschließender Verabreichung von saurem Rocuronium (pH 3,8–4,2) zur Ausflockung der Substanzen kommt.
Merke Da Thiopental als Trockensubstanz vorliegt muss die Verdünnungsrate klar sein. Für den praktischen Gebrauch die Trockensubstanz (0,5 g) auf 20 ml NaCl verdünnen, sodass eine Dosis von 25 mg/ml entsteht. Etomidat Etomidat war in früherer Zeit aufgrund seiner guten Steuerbarkeit mit kurzer Anschlags- und Wirkzeit sowie einer geringen Auswirkung auf die Hämodynamik des kritisch kranken Patienten ein weitverbreitetes und häufig eingesetztes Einleitungshypnotikum. Inzwischen ist es aufgrund der Hemmung der Cortisol- und Aldosteronsynthese (Etomidat hemmt reversibel die 11β-Hydroxylase) und eine darauf zurückgeführte erhöhte 30-Tage-Letalität fast vollständig aus dem Routineeinsatz bei kritisch kranken (intensivpflichtigen) Patienten (ASA-Klasse III/IV) verschwunden. Der Vollständigkeit halber fassen wir aber die entscheidenden Fakten zu dieser mittlerweile unmodernen und unpraktikablen Substanz noch einmal zusammen.
Wie bei den anderen Hypnotika auch wird die Hauptwirkung über die GABA-Rezeptoren gesteuert (Mechanismus s. Midazolam). Die Anschlagszeit ist mit 15–45 Sekunden ebenso wie die Halbwertszeit von 3–10 Minuten vergleichbar mit der des Propofols. Die Dosierung beträgt 0,15–0,3 mg/kg KG. Zu beachten ist, dass der Schlafeintritt langsamer als bei Thiopental erfolgt und die Kombination mit einem Analgetikum aufgrund fehlender pharyngealer Reflexdämpfung und Analgesie zwingend erforderlich ist. Ebenso ist die zusätzliche Applikation eines Muskelrelaxans oder eines zusätzlichen Sedativums zur Verhinderung von Myoklonien oder eines Masseterspasmus nötig. Im Vergleich der Lösungsmittel des eigentlich wasserunlöslichen Etomidat scheint die allergische Nebenwirkungsrate höher auf das beim Hypnomidate® verwendeten Propylenglykol als das beim Etomidat-Lipuro® eingesetzten Gemisch aus Triglyzeriden und Sojabohnenöl zu sein. Die Metabolisierung erfolgt über hepatische und plasmatische Esterasen.
8.2.3. Analgetika Da alle o. g. Hypnotika/Sedativa nur eine unzureichende bis gar keine analgetische Wirkung haben, sollte zur Einleitung der präklinischen Notfallnarkose zwingend ein Analgetikum verwendet werden. Hierbei geht es nicht nur um die Schmerzlinderung bei vorliegendem Trauma, sondern v. a. auch um die Unterdrückung des signifikanten Schmerzreizes durch die Laryngoskopie. Diesbezüglich werden in der präklinischen Landschaft nur wenige Substanzen vorgehalten. Diese sind die Opioide • Fentanyl und • Sufentanil sowie das dissoziative Anästhetikum • Ketamin. Niederpotentere Opioide wie Piritramid oder das Morphin finden in der Narkoseeinleitung keine Verwendung. Ebenso werden weitere hochpotente Opioide wie Alfentanil oder Remifentanil meist nur im klinischen Kontext verwendet. In ➤ Abb. 8.3 sind die kontextsensitive Halbwertszeit [min] und Opioidwirkung [% Peak-Effekt] von Fentanyl, Sufentanyl und Remifentanil dargestellt.
Abb. 8.2 BUHE-Lagerung [F379-002]
Abb. 8.3 Kontextsensitive Halbwertszeit [min] und Opioidwirkung [% Peak-Effekt] [L143]
Fentanyl Als Opioide werden die synthetischen Derivate der Opiate bezeichnet, die im Ursprung aus der unreifen Kapsel des Schlafmohns (Papaver somniferum) gewonnen wurden. Im menschlichen Körper finden sich ubiquitär verteilt die verschiedenen Opioidrezeptoren, die auch von anderen Botenstoffen wie z. B. Endorphinen angesteuert werden. Dies erklärt die zum Teil ähnliche Wirkweise und die nicht nur rein analgetische (zentral im Gehirn und durch Hemmung der Schmerzbahnen im Rückenmark), sondern auch je nach Präparat mehr oder weniger ausgeprägte sedierende und anxiolytische Wirkung. Auch die
Nebenwirkungen sind an unterschiedlichen Organsystemen vorhanden. Sie können sowohl zentral (Übelkeit durch Beeinflussung der Formatio reticularis) als auch peripher auftreten: Obstipation durch Hemmung der Darmmotilität, Beeinflussung des kardiozirkulatorischen Systems mit Bradykardie/Hypotonie sowie der Muskulatur mit manchmal eindrücklicher Thoraxwandrigidität. Die Desensibilisierung der zentralen Chemorezeptoren für Kohlendioxid, die Desensibilisierung der Chemorezeptoren in den Carotiden und der Aorta für eine Hypoxie sowie der direkten Unterdrückung des Atmungsrhythmus in der ventralen Medulla oblongata führen zu einer Atemdepression. Aus diesem Grund sollte eine intravenöse Opioidgabe nur erfolgen, wenn die Möglichkeit zur Beatmung gegeben ist. Mit einer Potenz von ca. 100–200 im Vergleich zu Morphin zählt Fentanyl zu den hochpotenten Opioidanalgetika. Es findet sowohl im präklinischen Bereich als auch in den Krankenhäusern breite Anwendung. Die Einleitungsdosierung von Fentanyl beträgt 2–4 μg/kg KG, mit einer hohen interindividuellen Variabilität, wobei der Wirkungseintritt nach i. v. Gabe nach 1–2 Minuten erfolgt. Die maximale analgetische Wirkung wird nach 4–5 Minuten erreicht. Die bei repetitiven Gaben einsetzende Kumulation mit lang anhaltender Atemdepression spielt im Rettungsdienst eine untergeordnete Rolle. Sufentanil Wie Fetanyl auch ist Sufentanil ein reiner Agonist mit primär vermittelter Wirkung über die μRezeptoren. Die Potenz von Sufentanil ist mit ca. 1000 im Vergleich zu Morphin noch höher. Die Dosis zur Einleitung einer Narkose beträgt mit 0,2–0,5 μg/kg ca. 1/10 zu der von Fentanyl. Auch hier muss die Dosis patientenabhängig an die Wirkung angepasst werden. Die Zeit bis zum Wirkungseintritt und Erreichen der maximalen Wirkung nach Gabe eines Einzelbolus werden als etwas langsamer als bei Fentanyl angegeben, die Kumulation fällt deutlich geringer aus. Durch die etwas geringere kreislaufdepressive Wirkung bietet Sufentanil potenzielle Vorteile gegenüber Fentanyl. Sowohl Fentanyl und Sufentanil als auch Propofol unterliegen einer Erstmetabolisierung in der Lunge. Daher ist zu beachten, dass bei aufeinanderfolgender Gabe die Rezeptoren in der Lunge schon vom Opioid besetzt sind und somit mehr freies Propofol in den Kreislauf gelangt. Die vorher beschriebenen hämodynamischen Nebenwirkungen müssen entsprechend beobachtet werden. Remifentanil Wie oben schon erwähnt, wird das hochpotente Remifentanil (ca. 200-fache Potenz im Vergleich zu Morphin) fast ausschließlich im klinischen Kontext verwendet. Allerdings kann es in wenigen Fällen auch bei einer Verlegung via Intensivtransport in der Präklinik verwendet werden. Remifentanil ist ein sehr sicheres Medikament und bis auf eine bekannte Unverträglichkeit nahezu ohne Kontraindikationen. Es wird über eine enzymatische Spaltung durch unspezifische Plasma- und Gewebsesterasen abgebaut. Die nahezu unwirksamen Metaboliten werden anschließend renal ausgeschieden. Auch bei einem Mangel an Pseudocholinesterasen ist Remifentanil uneingeschränkt anwendbar. Somit kann Remifentanil sowohl bei einer vorliegenden Nieren- als auch Leberinsuffizienz ohne Notwendigkeit der Dosisanpassung verwendet werden. Der spezielle Abbauweg führt allerdings auch zu einer ultrakurzen kontextsensitiven Halbwertszeit (ca. 3–5 Minuten), sodass Remifentanil zur Aufrechterhaltung einer Allgemeinanästhesie oder Analgosedierung zwingend über eine Spritzenpumpe verabreicht werden muss. Übliche Dosierungen sind hierbei 0,1–0,3(–0,5) μg/kg/min. Zur
Narkoseeinleitung empfiehlt sich die spritzenpumpengesteuerte Gabe von 1 μg/kg als Bolus über eine Infusionsdauer von 1–2 Minuten. Eine zu rasche Bolusapplikation kann zu einer massiven Thoraxrigidität und zu einer veritablen Bradykardie bis zur Asystolie führen. Das Nebenwirkungsprofil entspricht dem anderer Opioidanalgetika. Ketamin/Esketamin Ketamin gilt als dissoziatives Anästhetikum, das seine Wirkung über die nichtkompetitive Blockade der zentralen N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptoren (NDMA) vermittelt. Hierdurch wird ein weiterer Einstrom des exzitatorisch wirkenden Glutamats verhindert. Aber auch Opioidrezeptoren sowie weitere NichtNMDA-Rezeptoren werden wohl zum Teil durch Ketamin angesprochen. Die genaue Wirkung ist auch hier zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht abschließend geklärt. Ketamin ist in zwei verschiedenen Formen auf dem Markt: als Racemat aus R- und S-Enantiomer sowie in einer mittlerweile weitverbreiteten Zubereitung als reines S-Ketamin (Esketamin), das sich im Wesentlichen durch eine deutlich geringere psychomimetische Nebenwirkung auszeichnen soll. Abhängig von der Dosierung findet Ketamin Verwendung als Analgetikum oder als Anästhetikum. Im Gegensatz zu allen anderen Anästhetika können bei der Verwendung von Ketamin beim gesunden Patienten Herzfrequenz und Blutdruck infolge einer sympathomimetischen Wirkung ansteigen. Bei kritisch kranken Patienten ist die Ausprägung der hämodynamischen Instabilität ähnlich wie bei Etomidat im Allgemeinen weniger ausgeprägt als bei der Verwendung anderer vorher besprochener Substanzen. In Kombination mit der geringen atemdepressiven Wirkung empfiehlt sich Ketamin daher in besonderem Maße für die Anwendung beim Patienten mit Multisystemtrauma, während sein Einsatz bei Patienten mit kardialen Erkrankungen in Anbetracht des gesteigerten myokardialen Sauerstoffbedarfs kritisch geprüft werden muss. Im manifesten kardiogenen Schock kann Ketamin aber bei drohendem Herz-Kreislauf-Stillstand das Mittel der Wahl zur Narkoseinduktion sein. Die sympathomimetische Wirkung von Ketamin kann durch Kombination mit Midazolam oder Propofol verringert werden. Einer auftretenden Hypersalivation kann mit Atropin oder Glycopyrronium entgegengesteuert werden. Auch Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma (SHT) können von einer Narkose mit Ketamin profitieren. Betrachtet man einen wichtigen präklinisch angestrebten Parameter der Versorgung von Patienten mit SHT und hämorrhagischem Schock (MAD 85–90 mmHg bzw. CPP > 60 mmHg, mindestens aber das Verhindern eines Blutdruckabfalls < 90 mmHg systolisch), dann erkennt man, dass Ketamin gerade bei Patienten im Volumenmangel wegen seiner günstigen Kreislaufeffekte auch bei SHT zur Sicherung eines ausreichenden CPP von Vorteil sein kann. Zu beachten ist hierbei das Erfordernis einer Atemwegssicherung und kontrollierten Beatmung zur Vermeidung eines paCO2-Anstiegs aufgrund einer Atemdepression mit konsekutivem Anstieg des Hirndrucks. Merke Dosierung von Ketamin (Esketamin jeweils ½ Dosis): Analgesie 0,25–1 mg/kg KG; Anästhesie 1–2 mg/kg KG. Unter Ketamin bleiben Spontanatmung und laryngopharyngeale Schutzreflexe des Patienten auch unter Narkosedosis oftmals erhalten, wobei es trotzdem zu Mikroaspirationen kommen kann. Die Besonderheit von Ketamin besteht in seiner dissoziativen Wirkung, d. h. der Patient schläft oberflächlich
und ist dabei „von der Umwelt abgekoppelt“. Der geübte Anwender kann dies nutzen und den Patienten (sofern nicht kontraindiziert) im Sinne einer DSI unter erhaltener Spontanatmung intubieren. Hierzu muss aber immer auch ein Muskelrelaxans bereitliegen, das im Falle eines Laryngospasmus unverzüglich eingesetzt werden muss. Ebenso hat Ketamin eine bronchospasmolytische Wirkung. Durch seine große therapeutische Breite, gute Steuerbarkeit und einen weiten Einsatzbereich hat Ketamin einen sehr hohen Stellenwert in der Notfallnarkose (➤ Tab. 8.4). Tab. 8.4
Gebräuchliche Analgetika zur notfallmäßigen Narkoseeinleitung
Medikament Darreichungsform Verdünnung
Einleitungsdosis Zeiten
Rele die Nar
Fentanyl
10-ml-Amp. mit 50 μg/ml
Pur
2–10 g/kg KG
Anschlag: 45– 60 s Wirkdauer: 40– 50 min
RR HF Tho a s A Hus H
Sufentanil
10-ml-Amp. mit 5 μg/ml
Pur
0,3–5 μg/kg KG
Anschlag: 45– 60 s Wirkdauer: 30– 45 min
Sieh
Esketamin
Verschieden! Ketamin:
Je nach Darreichungsform Verdünnung auf 5 mg/ml
0,5–1 mg/kgKG
Wirkeintritt: 30–60 s Wirkdauer: 15– 30 min
Sym Wir (Ste kard Bed
• 50 mg/5 ml • 100 mg/2 ml • 500 mg/10 ml Esketamin: • 25 mg/ml (2 ml und 10-mlAmp.) • 5 mg/ml (5-mlAmp.)
8.2.4. Muskelrelaxanzien In den letzten Jahren wurden zum Thema Muskelrelaxation in der Notfallmedizin viele Publikationen mit unterschiedlichem Meinungsbild publiziert. Ohne diese im Detail bewerten zu wollen, bleibt unter dem Strich bei zwingender Notwendigkeit einer Narkose mit Atemwegssicherung zusammengefasst: Je
ungeübter der Anwender in der Atemwegssicherung ist, desto eher ist ein Relaxans zu verwenden. Auch wenn dies zunächst paradox erscheinen mag, steht die Schaffung bestmöglicher Intubationsbedingungen zur Erhöhung des First Pass Success im Vordergrund. Bei häufig nicht ausreichender Narkosetiefe kann die Relaxation des Patienten den Blick auf die Glottis optimieren. Da in einer Notfallsituation immer ein schnellstmöglicher Wirkeintritt der Relaxation vonnöten ist, bieten sich hierzu nur die Präparate Rocuronium und Succinylcholin an. Prinzipiell muss der präklinische Anwender das Medikament nutzen, das ihm zur Verfügung steht. In ausreichend hoher Dosierung von (1–)1,2 mg/kg KG Rocuronium und 1–1,5 mg/kg KG Succinylcholin sind die Anschlagszeit und Bedingungen zur erfolgreichen Laryngoskopie beider Medikamente ebenbürtig. Aufgrund der geringeren Nebenwirkungen und Kontraindikationen von Rocuronium (vornehmlich eine Allergie gegen Aminosteroide) gegenüber Succinylcholin (Allergie, Crush-Syndrom bei Rhabdomyolyse, maligne Hyperthermie, Hyperkaliämie, neuromuskuläre Erkrankungen etc.) scheint dies für die Notfallsituation geeigneter. Nachteilig ist allerdings die Notwendigkeit zur gekühlten Lagerung von Rocuronium gegenüber Succinylcholin, das in Pulverform vorgehalten werden kann. Dies scheint bei heutiger Ausstattung der Rettungswagen mit Kühlfach aber zweitrangig. Ein Aufheben der Rocuroniumwirkung mit Sugammadex wird in der Notfallsituation schwer möglich sein. Davon abgesehen wird nach einer Bolusgabe von 1,2 mg/kg KG zur direkten Aufhebung der Relaxierung eine Dosis von 16 mg/kg Sugammadex benötig, was bei einem 80 kg schweren Patienten ca. 6,5 Ampullen a 200 mg entspricht (bei Ampullen mit 500 mg immerhin noch 2,5). Innerhalb der nächsten 24 Stunden ist dann auch nur noch eine RSI mit Succinylcholin möglich. Ein Plan zu Alternativen bei nicht durchführbarer Intubation (schwieriger Atemweg, s. u.) muss zwingend vor Narkoseeinleitung abrufbar und allen Teammitgliedern bekannt sein. In ➤ Tab. 8.5 werden die beiden präklinisch eingesetzten Muskelrelaxanzien gegenübergestellt. Diese Tabelle erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da einige Aspekte für die notfallmedizinische Anwendung irrelevant sind. Da die Muskelrelaxanzien an Plasmaproteine gebunden werden (genauer α1-Glykoprotein = ein Akute-Phase-Protein), sollte man erwägen die Initialdosis bei kritisch kranken Patienten mit vorliegender Inflammation zu erhöhen. Ebenso bei adipösen Patienten (eher 1,5 mg/kg KG Succinylcholin als 1 mg/kg KG). Achtung Die Narkoseinduktion mit niedrigen Dosierungen der Analgetika, Hypnotika und Muskelrelaxanzien – in der Hoffnung alle reversieren zu können – ist obsolet. Dies führt unweigerlich zu einer Verschlechterung der Intubationsbedingungen und setzt unter Umständen einen Teufelskreis mit „cannot ventilate – cannot intubate“ in Gang.
Praxistipp Je kränker der Patient:
• Hypnotikadosis↓ • Relaxanziendosis↑ • Verwendung von Ketamin • Parallele Verabreichung von Katecholaminen/Vasopressoren
8.2.5. Unterstützende Medikamente im Rahmen einer Notfallnarkose Wesentliche Probleme müssen schon während der Narkosevorbereitung behoben werden. Ein Großteil der Patienten, die einer präklinischen Narkose bedürfen, weist Probleme im Bereich A/B/C oder D auf. Ein kompromittierter Atemweg und eine nicht ausreichende Spontanatmung führen innerhalb kurzer Zeit zu einer signifikanten Hypoxie und einer Hyperkapnie mit konsekutiver Azidose, die zusätzlich durch die im Schockgeschehen vorliegende anaerobe Stoffwechsellage verschlechtert wird. Hier muss schon während des ABCDE-Vorgehens im Rahmen des Initial Assessment (erster Untersuchungsdurchgang ABCDE) eine aggressive Therapie eingeleitet werden. Sauerstoff ist in hoher Dosierung zu verabreichen und wenn nötig muss der Patient in der Atmung unterstützt werden. Da die Narkoseinduktion eines kritisch kranken Patienten (ASA-III-V) überproportional mit einer hämodynamischen Instabilität vergesellschaftet ist, wird empfohlen schon während der Vorbereitungs(➤ Kap. 8.1.2) und Einleitungsphase Medikamente zur hämodynamischen Stabilisierung des Patienten einzusetzen. Ebenfalls sollten dem Patienten zwei möglichst großlumige Zugänge (i. v. oder i. o.) zur adäquaten Volumentherapie gelegt werden. Merke Ein Zugang ist kein Zugang. Spätestens nach Narkoseeinleitung wird durch die negativ inotrope und vasodilatatorische Wirkung der Hypnotika sowie den Wegfall der endogenen Katecholaminausschüttung durch Analgesie eine entsprechende negative hämodynamische Reaktion zu verzeichnen sein, die sich potenziell bis hin zur Reanimationspflicht entwickeln kann. Auch die im Anschluss an die Intubation einsetzende Druckumkehr im Thorax durch die Positive Druckbeatmung (PPV, Positive Pressure Ventilation) wird eine Kompromittierung des Patientenkreislaufs forcieren. Die oben angesprochene Azidose führt ebenso zu einer Vasodilatation und vermindert die Reaktion der Herzmuskel- und Gefäßwandzellen auf Katecholamine. Besteht eine Hypotonie (noch zusätzlich aggraviert durch die Narkoseeinleitung) über einen längeren Zeitraum oder bleibt sogar zunächst unerkannt (fehlende Alarmgrenzen, falsches RRIntervall) führt dies zu einer (zum Teil irreversiblen) Schädigung des Patienten. Dies gilt es von vornherein bestmöglich zu antizipieren und zu vermeiden. All dies verdeutlicht die immense Wichtigkeit einer zügigen und zielgerichteten Therapie der einzelnen Probleme vor Narkoseeinleitung. Merke Blutdruckabfälle während einer Narkose(einleitung) erhöhen die Mortalität. Dies gilt es zwingend zu vermeiden.
Zur Kreislaufstabilisierung stehen in der (präklinischen) Notfallsituation ausgewählte Präparate zur Verfügung. Nicht überall werden alle aufgeführten Medikamente vorgehalten, sodass der Anwender sich mit allen wesentlichen Substanzen vertraut machen sollte. Diese sind: • Noradrenalin • Adrenalin • Akrinor® • Atropin • Dobutamin Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um Katecholamine, die als Hormone bzw. Neurotransmitter des sympathischen Nervensystems fungieren. Unterschieden werden sie nach ihrem Ursprung in natürlich (Noradrenalin, Adrenalin, Dopamin; ➤ Abb. 8.4) und synthetisch (z. B. Dobutamin) sowie ihrer Wirkweise in direkt oder indirekt.
Abb. 8.4 Körpereigene Katecholaminsynthese [L126] Ihre unterschiedliche Ausprägung auf das Herz-Kreislauf-System beruht auf der jeweiligen Affinität zu den im Körper an den verschiedenen Organsystemen befindlichen adrenergen und dopaminergen
Rezeptoren. Die hauptsächlich angesprochenen Rezeptoren mit Interesse für die Notfallsituation sind adrenerge postsynaptische α1und2-Rezeptoren (Gefäßsystem) sowie β1und2-Rezeptoren (Herz, Lunge, Gefäßsystem). Eine Übersicht zur jeweiligen Affinität der einzelnen Substanzen zeigt ➤ Tab. 8.6.
Tab. 8.5
Vergleich der Muskelrelaxanzien für eine RSI Succinylcholin
Rocuronium
Handelsnamen
Lysthenon®, Pantolax®
Esmeron®
Wirkort
Postsynaptische Membran des nikotinergen Acetylcholin (nACh)Rezeptors
Prä- und postsynaptische Membran des nAChRezeptors
Wirkweise
nACh-Rezeptor Agonist Direkte Besetzung von 2 αUE des nAChRezeptors mit kompetitiver Hemmung → Faszikulation durch Erregung des Rezeptors (= depolarisierendes Muskelrelaxans, DMR)
nACh-Rezeptor Antagonist Nicht kompetitive Hemmung durch Besetzung einer αUE des nAChR → Hemmung des Rezeptors ohne Ioneneinstrom, d. h. keine Erregung (= nichtdepolarisierendes Muskelrelaxans, NDMR)
Dosierung
1–1,5 mg/kg KG i. v. (im Notfall auch i. m. oder in das sublinguale Gefäßbett gespritzt)
RSI: 1,2 mg/kg KG i. v. Normale Intubationsdosis: 0,6 mg/kg KG
Anschlagszeit
30–60 s
30–60 s
Wirkdauer
Im Regelfall 6–10 min
Normale Dosis: 40–60 min RSI: > 60 min
Metabolisierung/Exkretion
Spaltung/Abbau durch Pseudocholinersterasen (Mangel an diesen führt zur Wirkverlängerung)
80 % biliär 20 % direkt renal
Succinylcholin Wichtige Nebenwirkungen
Absolute Kontraindikationen
Besonderheiten
Tab. 8.6
Rocuronium
• Maligne Hyperthermie • Hyperkaliämie bei fortgeschrittener chronischer Niereninsuffizienz (CNI) und langer Immobilisation, sowie nach (24–)48 h nach großflächigen Verbrennungen/großem Weichteiltrauma • Histaminliberation mit allergischer Reaktion • Herzrhythmusstörungen • Hirndruckerhöhung • Erhöhung des Augeninnendrucks
Sehr selten allergische Reaktion
Bekannte Allergie gegen Aminosteroide (sehr selten)
• Bekannte Allergie • Hyperkaliämie und Zustände die zu einer solchen führen (s. o.) • Neuromuskuläre Grunderkrankungen Phase-I-(Depolarisations-)Block ist nicht durch Erhöhung der AchKonzentration reversibel Phase-II-Block (nicht depolarisierend, bei Überdosierung oder repetitiver Gabe schon)
Antagonisierbar durch Suggamadex (Bridion®)
Notfallmedizinisch relevante Rezeptoraffinität der ausgewählten Medikamente zur
Kreislaufunterstützung Medikament
β1
β2
α1
α2
Noradrenalin
++
+
+++
+++
Adrenalin
+++
+++
++
++
Dobutamin
+++
++
+
0
Akrinor®
++
++
+
0
Auch bei diesen Substanzen beschränken wir uns auf die wesentlichen für die initiale Notfallsituation relevanten Aspekte. Achtung Bei allen aufgelisteten Medikamenten muss der Anwender selbstständig vor Ort prüfen, in welcher Dosierung und Verdünnung die Präparate in seinem Bereich vorgehalten werden.
Noradrenalin Das im menschlichen Körper natürlich vorkommende Noradrenalin (Handelsname: Arterenol®, Sinora®) vermittelt seine blutdrucksteigernde Wirkung hauptsächlich als direktes Sympathomimetikum über die Stimulation von α1- und α2-Rezeptoren. Hier führt es v. a. zu einer Vasokonstriktion (Steigerung des systemisch vaskulären Widerstands, SVR). Es findet tagtäglichen Einsatz in verschiedenen Gebieten der Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin und gilt z. B. als Medikament der ersten Wahl beim Patienten mit einem septischen Schock. Die Dosierung der kontinuierlichen Applikation via Perfusor ist 0,01–1 μg/kg KG/min. Praxistipp 1 mg (= 1 ml) Noradrenalin auf 100 ml NaCl 0,9 % verdünnen (= 10 μg/ml). Davon 1–3 ml (= 10–30 μg) als Bolus bei Hypotonie zur Flankierung des eintretenden Blutdruckabfalls bei Narkoseeinleitung kritisch kranker Patienten (sog. Push Dose Pressure).
In dieser Dosierung ist die Verabreichung von Noradrenalin über einen (korrekt im venösen Gefäßsystem liegenden) Zugang (alternativ i. o.) sicher. Bei einer Bolusgabe ist zu beachten, dass es durch die starke Vasokonstriktion über ein natürliches Feedback der Barorezeptoren zu einem reflektorischen Absinken der Herzfrequenz kommen kann. Dies muss beim bradykarden Patienten mit z. B. einer ausgeprägten Herzinsuffizienz beachtet werden. Hier wäre eine Kombination mit Dobutamin oder eine initiale Anwendung von Adrenalin vorteilhafter. Praxistipp Perfusor richten mit 1 mg (= 1 ml) Noradrenalin auf 49 ml NaCl 0,9 % (= 20 μg/ml). Initiale Laufrate 3–15 ml/h, Steigerung nach Bedarf.
Erhält der Patient eine Hausmedikation mit einem (Monoaminooxidase-Hemmer (MAO, u. a. Moclobemid, Tranylcypromin), kann es potenziell durch Wechselwirkung zu einem verzögerten Abbau des Noradrenalins im synaptischen Spalt führen. Konsekutiv kommt es zu einer Wirkverstärkung des Noradrenalins mit teils massiven Blutdruckspitzen. Gleiches gilt für die Applikation von Adrenalin. Adrenalin Ebenso wie Noradrenalin ist Adrenalin (Handelsname: Suprarenin®) ein natürlich vorkommendes Katecholamin (➤ Abb. 8.5). Weithin bekannt ist seine Anwendung bei der kardiopulmonalen Reanimation und bei der Anaphylaxie. Ebenso kann es in niedrigerer Dosierung als Bolusapplikation oder zur kontinuierlichen Unterstützung des Herz-Kreislauf-Systems via Perfusor verabreicht werden.
Abb. 8.5 Abbauweg der natürlichen Katecholamine [L157] Dosisabhängig stimuliert Adrenalin die sympathikotone Wirkung. In niedrigerer Dosierung kommt es primär zu einer β1-vermittelten Steigerung der Herzfrequenz und Inotropie (bei sehr niedriger Dosierung noch zu einer über die β2-Rezeptoren vermittelten, zusätzlichen Vasodilatation (bis ca. 0,03 μg/kg/min), in höherer Dosierung (ab 0,2 μg/kgKG/min) überwiegt dann die α-vermittelte Erhöhung des SVR mit konsekutivem Blutdruckanstieg. Neben der Kontraktilitäts- (Inotropie) und Herzfrequenzsteigerung (Chronotropie) führt Adrenalin auch zu einer Stimulation der Relaxationsgeschwindigkeit (Lusitropie) der atrioventrikulären Überleitungszeit (Dromotropie) und der elektrischen Erregbarkeit (Bathmotropie). Dies erklärt auch die pro-arrhythmogene Wikrung von Adrenalin. Bei der Verabreichung dieser hochpotenten Substanz ist somit Vorsicht angebracht. Praxistipp 1 mg (=1 ml) Adrenalin auf 100 ml NaCl 0,9 % verdünnen (= 10 μg/ml). Davon 1–3 ml (= 10–30 μg) als Bolus bei Hypotonie und Bradykardie bei Narkoseeinleitung kritisch kranker Patienten (sog. Push Dose Pressure).
Die Bolusapplikation sollte aufgrund dessen nur als überbrückende Maßnahme bis zur Etablierung einer Perfusorverabreichung angewendet werden. Die Dosierung der kontinuierlichen Applikation via
Perfusor ist 0,01–1 μg/kg KG/min. Praxistipp Perfusor richten mit 1 mg (= 1 ml) Adrenalin auf 49 ml NaCl 0,9 % (= 20 μg/ml). Initiale Laufrate 3–15 ml/h, Steigerung nach Bedarf.
Die o. g. Dosierungen betreffen nur den Bereich der akuten Kreislaufinsuffizienz v. a. im Rahmen einer Narkoseeinleitung. Die Dosierungen bei einer Anaphylaxie oder der Reanimation sind ➤ Tab. 8.7 zu entnehmen. Positiv zu erwähnen ist die zusätzliche bronchospasmolytische Wirkung von Adrenalin (Einsatz z. B. auch bei akuter Laryngotracheobronchitis, LTB, p. i. im Kindesalter) Tab. 8.7
Adrenalindosierungen im Notfall
Notfallbild
Dosierung
Im Rahmen einer Kreislaufinsuffizienz bei notfallmäßiger Narkoseeinleitung
0,01–1 μg/kg KG/min via Perfusor
Reanimation
Erwachsene: 1 mg als Bolus Kinder: 0,01 mg/kg KG als Bolus Neugeborene: 0,03 mg/kg KG als Bolus
Anaphylaxie
Erwachsene: 0,5 mg i. m. Kinder: 10 μg/kg KG i. m.
Dobutamin Dobutamin (Handelsname: Dobutrex®) ist ein synthetisches Katecholamin, das seine Anwendung v. a. im Bereich der intensivmedizinischen Therapie von Patienten mit einer fortgeschrittenen Herzinsuffizienz (kardiogener Schock oder z. B. im Rahmen einer Sepsis) findet. Zwar führt es über die Stimulation der β1-Rezeptoren zu einer Zunahme der kardialen Kontraktilität, führt aber regelhaft durch seine β2-vermittelte Vasodilatation zu einem Abfall des peripheren Widerstands (SVR↓). Dies ist bei hämodynamisch instabilen Patienten besonders ausgeprägt. Daher ist Dobutamin nicht geeignet für eine alleinige Herz-Kreislauf-Unterstützung bei notfallmäßiger Narkoseeinleitung. Hier muss zwingend eine zusätzliche Verabreichung von Noradrenalin stattfinden oder besser Dobutamin erst im weiteren Verlauf nach erfolgreicher Intubation und Kreislaufstabilisierung ergänzt werden. Absolut kontraindiziert ist es bei einer vorliegenden Hypovolämie, da durch die Verabreichung von Dobutamin der eh schon leere linke Ventrikel noch mehr gestresst wird und es zur zusätzlichen Steigerung der vorliegenden Reflextachykardie kommt. Folge ist die kardiale Dekompensation bis hin zum Herz-Kreislauf-Stillstand. Achtung
Never kick an empty ventricle.
Das Medikament eignet sich nicht für eine Bolusapplikation. Praxistipp Durchstechflasche Dobutamin (250 mg/50 ml = 5 mg/ml) pur in die Perfusorspritze aufziehen. Dosierung 2–10 μg/kg KG/min (entspricht beim 70-kg-Patienten einer Laufrate von 2–4 ml/h).
An dieser Stelle sei nochmal erneut auf die eigenständige Auseinandersetzung mit den vorgehaltenen Medikamentendosierungen und Verdünnungen hingewiesen. Akrinor® Akrinor® hat als einziges der aufgelisteten Medikamente nur eine Zulassung in Deutschland. Es ist eine Mischsubstanz aus 200 mg Cafedrinhydrochlorid (= Koffein und Ephedrin) und 10 mg Theodrenalinhydrochlorid (= Theophyllin und Noradrenalin). Seine Wirkung erklärt sich aus der Zusammensetzung der einzelnen Präparate. Primäre Wirkung ist die Steigerung der Inotropie über Stimulation der β1-Rezeptoren ohne wesentlichen Einfluss auf die Herzfrequenz. Zu Beginn kommt es ebenfalls zu einer α-vermittelten Vasokonstriktion durch das enthaltene Noradrenalin, im weiteren Verlauf bewirkt das Koffein allerdings eine Vasodilatation. Zusätzlich kommt es dann zu einer Vorlaststeigerung durch Mobilisierung des venösen Blutes mit Erhöhung des Venentonus. Seine Wirkdauer ist mit bis zu 20 Minuten relativ lang, wobei sich Akrinor® nur zur Bolusapplikation und nicht zur dauerhaften Anwendung eignet. Hier ist dringend zu empfehlen, beim hämodynamisch instabilen Patienten parallel zur Bolusapplikation einen Perfusor des passenden Katecholamins zu richten, um den Blutdruck des Patienten langfristig zu stabilisieren. Praxistipp 1 Amp. Akrinor® (2 ml) verdünnen mit 8 ml NaCl 0,9 %. Von diesen 10 ml dann bolusweise 2–5 ml applizieren.
Akrinor® hat nur wenig Einfluss auf die plazentare Durchblutung, weshalb es häufig im Rahmen der Geburtshilfe angewendet wird. Atropin Atropin vermittelt seine Wirkung im Gegensatz zu den bisher aufgelisteten Medikamenten nicht über eine Stimulation des sympathischen Nervensystems, sondern über eine Parasympathikolyse. Hierüber kommt es zu einer kurzfristigen Steigerung der Herzfrequenz, welche teilweise auch zu einer Zunahme der kardialen Kontraktilität führt (Bowditch-Effekt). Atropin findet v. a. in der Narkoseeinleitung von kleineren Kindern noch Verwendung (vgl. ➤ Kap. 9.1.4).
Zu beachten ist eine Mindestdosis von 0,5 mg pro Applikation beim Erwachsenen, da es bei niedrigerer Dosierung zu einer paradoxen Reaktion mit Verschlimmerung der Bradykardie kommen kann. Ebenso wenig sollte Atropin bei höhergradigen AV-Blockierungen Anwendung finden. Generell kann als Faustregel herangezogen werden, dass wenn nach zweimaligem Bolus Atropin beim hämodynamisch kompromittierten Patienten keine Frequenzsteigerung zu vernehmen ist, zügig auf eine Adrenalinapplikation und/oder eine externe Stimulation gewechselt werden sollte. Zur Narkoseeinleitung beim kritisch kranken Patienten sollten ja sowieso Noradrenalin und Adrenalin bereitstehen und an den Patienten angeschlossen sein. Praxistipp Für den eigenen Bereich fixe Verdünnungsschema und Laufraten der Katecholamine schriftlich festlegen und für alle direkt auffindbar platzieren. Spart im Notfall schwieriges Rechnen und Angstschweiß.
8.3. Durchführung einer Notfallnarkose 8.3.1. Notfallnarkose im Team Das oberste Ziel der Notfallnarkose ist das Überleben des Patienten mit bestmöglichem Outcome. Merke Als Ziel kann man sich die Zahl 90 merken: • > 90 % SpO2 • > 90 mmHg sys • > 90 % FPS-Rate (First Pass Success)
Sobald die Entscheidung zur Narkoseeinleitung feststeht, wird das weitere Vorgehen im Team besprochen werden. Zum einen ist zu prüfen, ob ein Verbringen in den Rettungswagen noch möglich ist, um dort weitere Maßnahmen zu treffen, oder ob unverzüglich noch vor Ort gehandelt werden muss. Die Aufgaben sollten klar verteilt werden. So bietet es sich aus Sicht des Autors an, dass das ärztliche Personal am Patientenkopf bleibt und mit der Präoxygenierung des Patienten beginnt. Sollte dies aufgrund anderer dringend durchzuführender Maßnahmen nicht möglich sein, ist dies in der jeweiligen Situation dynamisch anzupassen. Merke Der Patient verstirbt in den allermeisten Fällen nicht an einer fehlenden Atemwegssicherung, sondern an einer Hypoxie. Ebenfalls müssen die weiteren Aufgaben im Team klar zugeordnet sein. Ein Helfer bereitet die Medikamente nach üblichem Dosierungsschema vor, ein weiterer kümmert sich um die Vorbereitung
der notwendigen Hilfsmittel. Das Monitoring wird – sofern noch nicht geschehen – vervollständigt, zwei intravenöse oder alternativ intraossäre Zugänge werden gelegt. Da eine seltener auftretende Notfallsituation aus oben genannten Gründen durchaus stressig sein kann, sollte zur Fehlervermeidung großzügig auf Checklisten zurückgegriffen werden. Ziel ist es, sich im Vorhinein mit den Listen und Algorithmen auseinanderzusetzen und sie in der eigentlichen Situation nur noch als Kontrolle abzuarbeiten. Ein Beispiel zeigt die Checkliste Notfallnarkose (➤ Abb. 8.6).
Abb. 8.6 Checkliste zum Vorgehen bei einer Notfallnarkose [L143] Ebenfalls erleichtert eine Notfallschablone (➤ Abb. 4.9) die Vorbereitung aller zur Atemwegssicherung benötigten Mittel.
Um frühzeitig auf das Misslingen einer initialen Atemwegssicherung vorbereitet zu sein, muss allen Teammitgliedern ein Algorithmus zur Atemwegssicherung bekannt sein. Dieser kann in der Notfallsituation ebenfalls in gedruckter Form ausgelegt werden (➤ Abb. 8.7).
Abb. 8.7 Algorithmus zur notfallmäßigen Atemwegssicherung [L143]
Merke In der Notfallsituation ist immer mit einem schwierigen Atemweg zu rechnen. Ist die Vorbereitung abgeschlossen, werden in einer kurzen 10-für-10-Unterbrechung die Vollständigkeit der Checklisten bestätigt, die Aufgaben (Medikamente verabreichen, Assistenz bei der
Atemwegssicherung etc.) zugeordnet und die Reihenfolge der nächsten Schritte festgelegt. Erst dann wird die Narkose eingeleitet. Merke Die Kommunikation im Team stellt einen enorm wichtigen Faktor zum Gelingen einer Notfallnarkose dar. Nach erfolgter Atemwegssicherung und Lagekontrolle inklusive der obligaten Messung eines etCO2 (am besten schon vor Narkoseinduktion an den Beatmungsfilter anschließen) darf die Narkoseaufrechterhaltung und -führung mit evtl. unterstützender Katecholamintherapie nicht vergessen werden (z. B. durch die Freude über eine gelungene Einleitung). Auch hier kann die Checkliste (➤ Abb. 8.6) hilfreich sein.
8.3.2. Delayed Sequence Induction (DSI) Gerade in der Notfallsituation trifft man häufig aufgrund der äußeren Stressoren, aber auch durch die akute Hypoxie und ggf. Hyperkapnie verursachten Bewusstseinsveränderungen auf nicht kooperative Patienten. Bei dieser Patientenklientel kann eine adäquate Präoxygenierung schwierig bis gar unmöglich sein. Falls die Umstände es zulassen und nicht mit dem direkt akuten Verlust des Atemwegs zu rechnen ist und der Patient eine ausreichende Spontanatmung aufweist, kann das Vorgehen in Bezug auf die Narkoseeinleitung nach Abwägung der Vor- und Nachteile angepasst werden. Hierzu wird dem agitierten Patienten zunächst 0,5 mg/kg KG Esketamin (cave: langsame Applikation zur Vermeidung einer Apnoephase) mit anschließender Titration von weiteren 0,2–0,5 mg/kg KG Esketamin bis zur Dissoziation verabreicht. Der nun ruhige, aber ausreichend spontanatmende Patient kann jetzt ausreichend präoxygeniert werden (O2-Maske/-Brille, NIV ➤ Kap. 8.1.1). In einigen Fällen kann diese Maßnahme zu einer Rekompensation des Patienten führen, sodass eine Intubation zum Teil vermieden werden kann. Ist dies nicht der Fall, kann nach ausreichender Vorbereitungszeit nun ein Muskelrelaxans +/– Hypnotikum verbreicht werden und der Patient wird (unter zusätzlicher Substitution von 15 l/min O2 via Nasenbrille) hoffentlich stressfrei intubiert. Zusammenfassung • Die Narkoseeinleitung im Notfall ist eine Hochrisikomaßnahme. Um ein bestmögliches Outcome für den Patienten zu generieren, müssen sich alle in der prä- und innerklinischen Notfallmedizin tätigen Personen mit diesem Thema zwingend auseinandersetzen. Medikamente und Dosierungen, Hilfsmittel und Exitstrategien müssen bekannt sein. • Zielführende Indikationsstellung. • Sinnvolle Präoxygenierung. Maximal viel Sauerstoff verabreichen. • Bestmögliche Stabilisierung des Notfallpatienten vor Narkoseeinleitung: 2 Zugänge, Volumen, Katecholamine. • Aufgabenverteilung und Kommunikation. • Analgesie, Hypnose und Relaxation. • Plan B und C und D.
• Anwendung von Checklisten. • Man muss seine Medikamente kennen. • An den Patienten angepasste Vorgehensweise.
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Kapitel 9: Der pädriatische Atemweg Christian Gernoth
F al l s ze nar io Neugeborenes mit Atemwegsproblemen An einem Freitagvormittag im April findet in einer Geburtsklinik eine dringliche Kaiserschnittentbindung aufgrund eines Geburtsstillstandes statt. Die Schwangerschaft sei ohne nennenswerte Besonderheiten verlaufen (gelbes U-Heft), jedoch besteht aufgrund des Migrationshintergrundes der werdenden Eltern eine Sprachbarriere. Das Kind kann zeitnah entbunden und abgenabelt werden, benötigt jedoch fortwährend durch den im dortigen „Kinderzimmer“ tätigen Pädiater nach unauffälligen ersten 2 Minuten nach der Geburt eine deutliche Unterstützung durch positive Druck-Beatmung (Sättigung fortwährend zwischen 85 und 90 % gemessen an der rechten Hand unter Nutzung eines säuglingsspezfischen T-Stückes, des sog. PeriVent™ mit 80–100 % Sauerstoffanteil). Die Atemanstrengungen des neugeborenen Kindes sind deutlich erkennbar (thorakale Einziehungen bei der Einatmung, Nasenflügeln und maximaler Einsatz der Bauchmuskulatur). Die Atemfrequenz liegt bei etwa 50/min, sodass der erstversorgende Kinderarzt bei dieser Gesamtsituation um Unterstützung aus dem nahe gelegenen Haus mit pädiatrischer Maximalversorgung bittet. Über die Rettungsleitstelle erfolgt daraufhin die Alarmierung des sog. Baby-NAW,
der einen pädiatrischen Intensivmediziner und einen Kinderanästhesisten mit zwei Notfallsanitätern als Unterstützung nach etwa 15 Minuten eintreffen lässt. Der Kindesmutter geht es gut, die Kaiserschnittentbindung konnte problemlos abgeschlossen werden. Jedoch der kleine neugeborene Junge (etwa 3 kg Geburtsgewicht, 50 cm Größe, APGAR 10/5/5) hat sich seitens seiner respiratorischen Anpassungsstörung leider weiter verschlechtert und wird nun bei deutlich unzureichenden Anstrengungen zur Eigenatmung assistiert über die Beutel-Masken-Beatmung beatmet (PEEP 5 mbar). Hierunter hält sich die peripher gemessene Sauerstoffsättigung bei etwa 84 %, sodass man bei allgemein schlaffem Grundtonus des Kindes nun beschließt das Kind endotracheal zu intubieren. Zu erwähnen ist, dass der erstversorgende Pädiater während der periphervenösen Zugangsanlage auf eine deutlich sichtbar fehlgebildete Ohrmuschel des Kindes hinweist. Die Zugangsanlage gelingt im 2. Versuch und der pädiatrische Intensivmediziner lässt sich alles für die endotracheale Intubation richten. Zunächst legt er den Endotrachealtubus bis zur 8 cm-Markierung über die Nase in den Rachenraum ein, um diesen hier für eine möglicherweise bessere, dichtere CPAP-Beatmung zu nutzen. Dies gelingt problemlos und die Sättigung steigt unter Zuhalten von Mund und anderem Nasenloch auf etwa 90 % peripher. Da das Kind keinerlei motorische Aktivitäten oder gar Gegenwehr gegen die nasale Tubuseinlage gezeigt hat, beschließt der pädiatrische Intensivmediziner, den Jungen ohne zusätzliche Medikation zu intubieren. Bei der direkten Laryngoskopie gelingt es dem Intensivmediziner jedoch nicht den gewählten Tubus tracheal zu platzieren, sodass nach 2 frustranen Versuchen der Kinderanästhesist zur Intubation gebeten wird. Als Grund für die erfolglose Intubation wird das „Nichtvorschieben“-Können durch den Kehlkopf angegeben, sodass der Kinderanästhesist sich den kleinsten blockbaren Tubus für die orale Intubation geben lässt. Er laryngoskopiert, schiebt den Tubus im 2. Versuch problemlos vor und es zeigen sich nach
Blockung des Tubus die Anzeichen einer suffizienten Tubuslage (Indikatorumschlag bei dem CO2-Detektor und der Thorax hebt sich beidseits, die Sättigung bleibt jedoch bei etwa 91 %, die Herzfrequenz und der Blutdruck des Kindes sind unter der laufenden Infusion im unteren Grenzbereich stabil. Das Kind atmet nun am Tubus unter CPAP (Peep 5 mbar, DU 10 mbar) mit einer Atemfrequenz von etwa 40/min weiterhin angestrengt, aber deutlich ruhiger am Respirator mit. Angesichts dieser Situation erfolgt die Voranmeldung in der Heimatklinik des erweiterten Helferteams für den OP, um bei schwieriger Atemwegssituation des Kindes ggf. invasive Optionen unter endoskopischer Atemwegsinspektion nutzen zu können (HNO-Klinik). Während des Transports bleibt die Situation auf dem oben beschriebenen Niveau bei jedoch weiterhin notwendiger 70–90 % Sauerstoffkonzentration weitgehend stabil. Im OP angelangt, wird unter Anwesenheit der chirurgischen Kollegen der HNOKlinik und unter Vorhaltung aller Optionen für eine Notfalltracheotomie eine Narkose bei dem Jungen eingeleitet. Die Beatmung über den einliegenden Trachealtubus gestaltet sich nach der Einleitung jedoch schwieriger und anscheinend wird unter der Überdruckbeatmung vermehrt Luft in den Magen appliziert. Deshalb wird umgehend der Tubus zurückgezogen bis auf Rachenniveau und hierüber beatmet. Zusätzlich erfolgt die Einlage einer Magensonde über das freie Nasenloch und der Magen kann offensichtlich entlastet werden, sodass unter diesem Regime die peripher gemessene Sättigung bei 92 % (unter 100 % Sauerstoff) verbleibt. Um den Atemweg nun konkret zu beurteilen, erfolgt unmittelbar eine flexible endoskopische Spiegelung des Atemweges des Kindes. Hier zeigt sich zur Überraschung des Behandlungsteams ein vollständig verschlossener Kehlkopf (Stimmritze ohne Öffnung) und eine vom oberen Drittel der Speiseröhre abgehende Fistel (Kurzschlussverbindung) in die Luftröhre. Somit hatte retrospektiv der Anästhesist den Tubus in der Speiseröhre platziert und hierüber unter der vorhandenen Spontanatmung des Kindes über die vorhandene Fistel eine
vorrübergehende Stabilisierung der Situation erzielen können. Das Kind wird nach kurzem Teamkonsens unter fortbestehend kritischer Versorgung mit Sauerstoff unterhalb der Fistel problemlos chirurgisch tracheotomiert. Unter der Tracheotomie stabilisiert sich die Sättigung des Kindes und es kann wenige Tage nach der Geburt zur möglichen weiteren Versorgung in stabilem Allgemeinzustand in eine Spezialklinik zur operativen Korrektur der Atemwege verlegt werden. Was nehmen wir aus diesem zugegeben sehr speziellen Fall in das folgende Kapitel mit? • Man muss seine Grenzen kennen, nutzen und aktiv Hilfe anfordern und mögliche nächste Schritte antizipieren (kognitive Hilfen, Hoffmann et al. 2016). • Wenn zeitlich möglich, eine kurze Beurteilung des Atemwegs des Kindes von außen durchführen (Stigmata wie kurzes Kinn oder Ohrmuschelfehlbildungen als Warnzeichen). • Ein stufenweises Vorgehen zur Sicherung der Oxygenierung und Ventilation des Kindes mit Plan A – B – C nutzen und dies im Team kommunizieren. • Ziel ist es, dass der Thorax sich hebt und senkt, dies wann immer möglich mit der geringsten hierfür nötigen Invasivität, möglichst unter assistierter Spontanatmung. Nicht die Intubation rettet das Leben des Kindes, sondern der Sauerstoff im Blut!!! Dies sind die essenziellen Punkte, die in den folgenden Unterkapiteln behandelt und diskutiert werden, um den ersten Schritt zu tun, die häufig ausgeprägte Angst vor dem pädiatrischen Atemweg, in Respekt mit klaren Planschritten umzuwandeln. Denn das ist das erklärte Ziel dieses Kapitels.
9.1. Besondere Aspekte des kindlichen Atemwegsmanagements
9.1.1. Allgemeine Herangehensweise Das Kinder keine kleinen Erwachsenen sind, ist kein Geheimnis mehr (Zitat von Sir Barrington-Ward, London), aber dieser generelle Ausspruch ist im Hinblick auf die Atemwege von Säuglingen und Kindern in vielerlei Hinsicht von besonderer Bedeutung. Der erste und offensichtlichste Punkt ist, dass im Bereich der pädiatrischen Notfallmedizin vom Frühgeborenen mit 1500 g bis zum 120 kg schweren 16-jährigen Jugendlichen sehr unterschiedliche Größen und Gewichte der Patienten zu berücksichtigen sind. Diese enorme Varianz steigert die Gefahr von Fehldosierungen oder auch die Verwendung von inadäquatem Material in Größe oder Durchmesser, insbesondere in der wenig planbaren Notfallsituation. Es wird daher zwingend empfohlen; kognitive Hilfen zu verwenden (S2k-Leitlinie „Medikamentensicherheit bei Kindernotfällen“). Dies kann auf der Anfahrt zu einem Säuglingsnotfall eine genutzte Applikation auf dem Smartphone sein, die sich der Beifahrer durchsieht und mit dem Teampartner schon einmal vorab bespricht. Dies kann vor Ort ein wie auch immer geartetes Messsystem sein, sodass beispielsweise anhand der Körperlänge mit einem Maßband eine Dosierungskategorie für den pädiatrischen Notfallpatienten gefunden wird. Dieses Vorgehen trägt dann, abgesehen von einer Steigerung der Dosiersicherheit von Medikamenten, der korrekten Größenauswahl von Atemwegshilfsmitteln (Larynxmaske, Endotrachealtubus etc.) oder der adäquaten Wahl einer Magensonde für ein Neugeborenes v. a. noch in zwei weiteren Aspekten zur Sicherheit von Versorgungsteam und Patient bei. Der psychische Stress und die Kommunikation im Behandlungsteam werden hierdurch elementar verbessert, was bewirkt, dass im Team bezüglich Diagnosen oder Behandlungszielen der „stressbedingte Tunnelblick“ kleiner wird und wieder zerebrale Kapazitäten frei werden, um sich auf die medizinische Behandlung fokussieren zu können – fernab der Fragestellungen: Wie schwer ist das Kind wohl, was nehmen wir da für eine Maske, wie viel und von was …
9.1.2. Anatomische Besonderheiten Der kindliche Atemweg ist in seiner Größe, beispielsweise im Durchmesser der Luftröhre je nach Altersgruppe zwischen 4 mm (Neu- und Frühgeborene) und 20 mm bei Jugendlichen, ebenfalls sehr unterschiedlich. Es ist aber nicht nur die reine anatomische Länge der Luftröhre oder deren Durchmesser an sich, der für die Platzierung invasiver Atemwegshilfsmittel von Belang ist, hinzu kommt auch dessen Vulnerabilität abhängig vom Alter des Kindes. Konkret bedeutet dies, wenn die Luftröhre eines Neugeborenen seitens der Schleimhaut um 1 mm rundum anschwillt, dann reduziert sich der Innendurchmesser schlagartig auf die Hälfte. Physikalisch betrachtet steigt hierdurch der vom Kind zu überwindende Atemwegswiderstand in der vierten Potenz (Gesetz nach Hagen-Poseuille) somit auf das 16-Fache an. Diese immense Steigerung der Atemarbeit des Kindes (vergleichbar mit dem Atmen durch einen Strohhalm) bedeutet zusätzliche Muskelarbeit und kostet somit viel Sauerstoff, was die Gefahr einer schnellen Erschöpfung bedeuten kann. In diesem Zusammenhang wird verständlich, warum eine zügig durchgeführte schnelle und häufige Inhalation mit abschwellenden Medikamenten wie z. B. Adrenalin bei Schwellungen der Atemwege im Bereich des Kehlkopfes (Pseudokrupp) oder der Luftröhre (Tracheitis, Bronchitis) ein so lebensrettender wichtiger therapeutischer Baustein ist. Demgegenüber steht stets die mit der Inhalation einhergehende Steigerung der Atemfrequenz und die mögliche Unruhe (Agitation) des Kindes durch die Inhalation. Diese Agitation kann dann ebenso wie die primäre Einengung der Atemwege kontraproduktiv sein und exponentielle Veränderungen der Atemarbeit bewirken. Die Inhalation ist somit eine wichtige Maßnahme bei vielen Erkrankungen der kindlichen Atemwege. Sie sollte aber in ihrer Wirkung kontrolliert werden, um den negativen Effekt der Agitation und der hierdurch vermehrten Anstrengung rechtzeitig zu erkennen. Überwiegt dieser Effekt oder ist dieser wie im Falle einer Epiglottitis als sehr hoch einzuschätzen, so sollte sie genauso konsequent beendet oder im Einzelfall sogar ganz vermieden werden. In der Praxis
bedeutet dies, dass das Kind unter der zugeführten Inhalation genau beobachtet werden muss, um zu beurteilen, in welche Richtung sich die Atemarbeit des Kindes bewegt (Atemfrequenz, Zeichen der vermehrten Atemarbeit, Bewusstseinszustand). Merke Jede therapeutische Maßnahme muss in Ihrer Wirksamkeit überwacht werden (Verlaufsbeobachtung entscheidender als eine Momentaufnahme)! Ist die Inhalation bei der kindlichen Atemwegsobstruktion ohne positiven Effekt oder ist das Kind bereits im manifesten Atemversagen, so ist und bleibt die Beutel-Masken-Ventilation (BMV) als nächste zu ergreifende Intervention das wichtigste Element. Ziel ist es, mittels der in Abhängigkeit von der Toleranz des Kindes möglichst dicht aufs Gesicht zu setzenden Maske und Verwendung eines PEEP-Ventils am Beatmungsbeutel die kindlichen Atemwege durch den Überdruck zu eröffnen und somit zu „schienen“, sie offen zu halten. Im Falle einer Obstruktion der kindlichen Atemwege außerhalb des knöchernen Brustkorbes besteht bei jedem Einatmen die Gefahr, dass die Atemwege oberhalb der Engstelle zusätzlich kollabieren und dadurch die Anstrengungen größer und die eigentlichen Luft- bzw. Sauerstofftransferbewegungen an der Engstelle vorbei in die Lunge geringer werden. Im Extremfall somit ein Atemkollaps, das Atemversagen droht. Dieser Gefahr muss konsequent und entschieden entgegengewirkt werden, indem es gelingt mit der BMV die oberen Atemwege offen zu halten, ggf. sogar auf Höhe der Obstruktion die Atemwege durch leichten Überdruck etwas zu erweitern. In „ABCDE“Sprache bedeutet dies, es gelingt durch die BMV „A“ zu sichern und „B“ zu unterstützen, ggf. mit der Option „B“ komplett übernehmen zu können, wenn es zum Atemversagen kommt.
Achtung Konsequent eine dichtsitzende BMV mit PEEP-Ventil nutzen, um die Atemanstrengungen bei der Ein- und Ausatmung des Kindes durch positiven Atemwegsdruck zu verbessern!
Neben diesen im Verhältnis zu den Erwachsenen deutlich ausgeprägteren Atemwegseinschränkungen durch – absolut betrachtet – vermeintlich geringe obstruierende Veränderungen, ist bei Neugeborenen und Kleinkindern auch die Kehlkopflage und damit die Laryngoskopie altersabhängig anders als bei Erwachsenen. Der kindliche Kehlkopf liegt in den ersten zwei Lebensjahren auf Höhe des ersten und zweiten Halswirbelkörpers sehr weit kranial und bewegt sich etwa bis zum 8. Lebensjahr auf die letztlich auch im Erwachsenenalter bestehende Höhe des 5.–6. Halswirbelkörpers. Mit Hinblick auf den zusätzlich im Verhältnis deutlich voluminöseren Kehldeckel, die Epiglottis, erklärt dies auch die unterschiedlichen Laryngoskopiespatel, die zumeist beide bei Säuglingen vorgehalten und genutzt werden. Der gerade Miller-Spatel und der gebogene Macintosh-Spatel haben daher auch je nach Anwender, dessen Erfahrung und erlernter Technik ihre Bedeutung. Gerade bei Säuglingen oder Frühgeborenen ist die visuelle Einsicht auf die Stimmbandebene aufgrund des weiter kranial gelegenen Kehlkopfes und des beschrieben größeren Kehldeckels mit dem gebogenen Spatel schwieriger, sodass die Option den Kehldeckel mit dem geraden Miller-Spatel aufzuladen, hilfreich sein kann. Wichtiger ist aber die Lage des kindlichen Kopfes für die Laryngoskopie. Denn hier ist zusätzlich zur meist notwendigen Unterlagerung der Schulter für die BMV der Kopf für die Laryngoskopie etwas erhöht zu lagern, um die Sicht auf die Stimmbandebene zu verbessern (orale pharyngeale und laryngeale Achse in Einklang bringen; ➤ Abb. 9.1).
Abb. 9.1 Lagerung des Kindes [L143] Im Zusammenhang mit den genannten anatomischen Spezialitäten im Säuglings- und Kleinkindalter mit kleineren Strukturen und höherer Position des Kehlkopfes wird auch ein anderer wichtiger Punkt offensichtlich. Die Koniotomie im Sinne eines chirurgischen Atemwegs (Front of Neck Access, FONA) stellt in diesen Alterskategorien aus genannten Gründen, wie in ➤ Abb. 9.2 deutlich wird, keine wirkliche Option dar!
Abb. 9.2 Anatomische Herausforderung: FONA hier bei einem Säugling mit kleineren Strukturen und höherer Position des Kehlkopfes [P433] Fasst man die anatomischen Besonderheiten des kindlichen Atemwegs zusammen, ist es in der Tat so, dass dieser „anders“ ist, jedoch im Vergleich zu Erwachsenen (Zustand nach Bestrahlung, eingeschränkte Reklination etc.) in seiner Anatomie meist gut abschätzbar ist. Dies bedeutet, dass die Atemwegssicherung bei Kenntnis der anatomischen Besonderheiten bei gesunden Kindern zumeist weniger unerwartete Überraschungen bereithält. Die Gefahr von erschwerten Bedingungen steigt aber dann erheblich, wenn auf den ersten Blick Veränderungen der Gesichtsmorphologie, des Kinns oder der Ohrmuscheln des Kindes vorhanden sind oder gar eine syndromale Erkrankung bekannt ist. Hier sollte man besonders aufmerksam sein, um diese „Stigmata“ zu erkennen und so die Gefahr zusätzlicher Faktoren einer erschwerten Atemwegssicherung einzubeziehen.
9.1.3. Physiologische Besonderheiten Zwei elementare Unterschiede zu der Atmungsphysiologie beim Erwachsenen sind für die Praxis von Relevanz. Dies ist einerseits der im Verhältnis deutlich höhere Sauerstoffverbrauch des Säuglings und Kleinkindes pro Minute (VO2), der statt bei etwa 2 ml/kg Körpergewicht wie beim Erwachsenen fünffach höher und somit bei bis zu 10 ml/kg liegen kann. Dieser erhöhte Sauerstoffbedarf in Kombination mit der zweiten wichtigen Besonderheit, dass bei Kindern, je kleiner sie sind, die Sauerstoffreserve aufgrund geringerer Lungenreservevolumina (geringerer funktioneller Residualkapazität, zusammengesetzt aus exspiratorischem Reservevolumen und Residualvolumen) deutlich kleiner ist. Dies erklärt den bei Ateminsuffizienz fulminant schnell verlaufenden Sauerstoffsättigungsabfall und die große Gefahr der hierdurch hervorgerufenen hypoxiebedingten Kreislaufdepression bis hin zur Reanimationspflichtigkeit. Diese Gefahr ist umso ausgeprägter, je jünger und kleiner die Kinder sind. „A“- und „B“-Interventionen, sofern schnell realisierbar, stehen u. a. daher bei den Empfehlungen zur Wiederbelebung des Kindes (Van de Voorde et al. 2021; American Heart Association Guidelines 2020) weiterhin an erster Stelle. Eine weitere Empfehlung für die Praxis aus der ungleich schnelleren Dynamik des Sättigungsabfalls ist, dass aufgrund der technisch bedingt verzögert angezeigten realen peripheren Sauerstoffsättigungswerte ein höherer Grenzwert für invasivere Maßnahmen zur Atemunterstützung im Kindesalter (SpO2 > 90 %) als Grenzwert für Interventionen genutzt werden sollte. Denn zeigt das Pulsoxymeter 90 % an, so ist die Sättigung des Kindes in der Realität zumeist schon deutlich weiter abgefallen (klinisch sichtbarer Zustand des Kindes steht immer über dem Wert auf dem Monitor). Achtung Immer die Lippen des Kindes im Auge behalten! Zeigen diese (Vorsicht bei Kindern mit starker Pigmentierung, hier sieht man dies meist schlecht,
deswegen wird die Inspektion der Wangentaschen empfohlen) eine Blauverfärbung, eine Zyanose, so ist bei gleichzeitiger Bewusstseinsminderung immer unmittelbares Handeln im Sinne der BMV notwendig, sonst droht die Kreislaufdepression und die Reanimationspflichtigkeit des Kindes.
Dies induziert die Empfehlung, bei Kindernotfällen stets die Option der Beutel-Masken-Beatmung griffbereit vorzuhalten und darüber hinaus bei sichtbaren Zeichen der Hypoxie diese Intervention konsequent einzusetzen und die Notwendigkeit hierfür im Sinne des Crew-Ressource-Management auch deutlich im Behandlungsteam zu kommunizieren.
9.1.4. Besondere Medikamente Aufgrund des höheren Gesamtkörperwasseranteils bei Säuglingen und Kindern haben bestimmte wasserlösliche Medikamente ein höheres Verteilungsvolumen im kindlichen Körper und müssen daher bei einer Einmalgabe höher dosiert werden. Dies trifft zum Beispiel für Succinylcholin zu. Auch wenn dieses Medikament immer die Gefahr birgt, bei unklaren neuromuskulären Erkrankungen des Kindes ungewollte schwerwiegende Nebenwirkungen hervorzurufen (maligne Hyperthermie, Hyperkaliämie, Hirndruckerhöhung), so stellt es doch eine wichtige medikamentöse Option für die Notfallintubation dar. Aus diesem Grund wurde es 1993 von der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) auch wieder für die Verwendung bei elektiven Kinderanästhesien freigegeben. Es sollte, um auf die Dosisproblematik zurückzukommen, dann jedoch mit einer Dosis von 2–2,5 mg/kg Körpergewicht gegeben werden (kognitive Hilfsmittel nutzen). Nach Meinung des Autors ist mit Rocuronium ein ähnlich schnell wirksames Medikament zur Muskelrelaxation vorhanden, dass dieses Risikospektrum nicht hat, länger wirksam ist und diesbezüglich eher die erste Wahl darstellt. Letztlich gilt
aber v. a., wie im initialen Fallbeispiel genannt, dass die Substanz genutzt werden sollte, mit der der Anwender, das Behandlungsteam, am besten umgehen kann, um mittels Muskelrelaxation möglichst optimale Beatmungs- und/oder Intubationsbedingungen zu erzielen (S2k-Leitlinie „Medikamentensicherheit bei Kindernotfällen“; ➤ Tab. 9.1). Tab. 9.1
Medikamente für pädiatrische Narkose
Medikament
Dosierungsempfehlung Anmerkungen
Atropin
0,02 mg/kg KG
Gegebenenfalls als Option bei Kindern unter 1 Jahr
Midazolam
0,2–0,4 mg/kg KG
Bei Hypotension eher niedriger dosieren
Ketamin
2 mg/kg KG i. v., 4 mg/kg KG im oder nasal
S-Ketamin halbe Dosierung, Mittel der Wahl bei Kreislaufinstabilität
Thiopental
3–5 mg/kg KG i. v.
Bei Hypotension eher niedriger dosieren
Propofol
2–4 mg/kg KG i. v.
Vorsicht bei Kreislaufinstabilität
Fentanyl
2–4ug/kg KG i. v., 4ug/kg KG nasal
Gefahr der erschwerten Beatmung infolge Thoraxrigidität
Succinylcholin
2 mg/kg KG i. v.
Atropin aufgezogen bereithalten (Bradykardiegefahr)
Rocuronium
1 mg/kg KG i. v.
Schmerzt bei Injektion
9.1.5. Besonderheiten beim Equipment
Allgemein hat sich in den letzten Jahren die nach Alter/Körpergewicht des Kindes strukturierte Vorhaltung von Notfallequipment durchgesetzt. Neben „A–E“-Fächern sind beispielsweise für Neugeborene explizite Taschen vorhanden. Diese innerklinisch genutzte Vereinfachung zur Nutzung von adäquatem Material im Notfall sollte auch präklinisch realisiert werden. Es empfiehlt sich, in der Kindernotfalltasche die Materialien zur Früh- oder Neugeborenenversorgung gesondert mitzuführen, um diese bei einem entsprechenden Patienten ohne Verzögerung und mögliches „Zusammensuchen“ in dieser zeitkritischen und psychisch belastenden Situation als Komplettpaket sofort griffbereit zu haben. Praxistipp Notfallequipment für Früh- und Neugeborenenversorgung en bloc gesondert mitführen, um sofort alles Notwendige passend griffbereit zu haben, ohne suchen zu müssen!
Große Unsicherheit infolge von Mangel an Erfahrung besteht häufig bezüglich Größe und Platzierungstiefe von Endotrachealtuben im Kindesalter. Um die Größe des zu verwendenden Endotrachealtubus zu bestimmen, gibt es die unterschiedlichsten Rechenformeln. Die gängigsten sind: • Alter des Kindes in Lebensjahren/4 + 4 mm (Innendurchmesser) = Tubusgröße ohne Cuff • Alter des Kindes in Lebensjahren/4 + 3,5 mm (Innendurchmesser) = Tubusgröße mit Cuff Bei Früh- oder Neugeborenen ist neben den genannten Formeln bei Kenntnis der Schwangerschaftswoche (gelbes Vorsorgeheft) dieser Wert durch 10 zu teilen, um die empfohlene Tubusgröße in mm
Innendurchmesser zu erhalten (z. B. 30. Schwangerschaftswoche Tubus mit 3,0 mm). Generell gilt, neben der berechneten stets eine Tubusgröße kleiner und größer vorzuhalten (32. Schwangerschaftswoche dann beispielsweise Tuben mit 2,5, 3,0 und 3,5 mm). Die persönliche pragmatische Empfehlung des Autors und anderer kinderanästhesiologisch bekannter Kollegen in Anlehnung an die bestehenden Reanimationsleitlinien (Madar et al. 2021; Van de Voorde et al. 2021; American Heart Association Guidelines 2020, Part 4; American Heart Association Guidelines 2020, Part 5) und die mitunter sonst große Variationsbreite an vorzubereitenden Endotrachealtuben ist es, bei reifen Neugeborenen und Kindern den verfügbar kleinsten blockbaren Endotrachealtubus zu nutzen. Hier ist die Erfolgsrate, eine entsprechend gute Laryngoskopie vorausgesetzt, beim ersten Platzierungsversuch die Stimmbandebene als engste anatomische Stelle zu passieren am größten und durch die Blockbarkeit des Tubus gelingt eine möglichst gute Abdichtung für ggf. notwendige höhere Beatmungsdrücke. Demgegenüber wäre ein altersgerecht berechneter Endotrachealtubus ohne Cuff vielleicht aufgrund der Schwellung der Atemwege nicht unmittelbar durch die Stimmbandebene zu platzieren oder ein funktionell letztlich zu kleiner Endotrachealtubus mit mehr „Nebenluft“ und Leckage als Beatmungsvolumen sekundär insuffizient. Im ungünstigsten Fall wäre sogar ein neuerlicher Intubationsversuch nötig. In jedem Fall muss bei Einsatz blockbarer Tuben oder Kehlkopfmasken zeitnah nach Platzierung der Cuffdruck kontrolliert werden, um mögliche Folgeschäden zu vermeiden. Merke Beim Einsatz blockbarer Tuben stets zeitnah den Cuffdruck kontrollieren. Die anzustrebende orale Platzierungstiefe des Endotrachealtubus kann auf Höhe der Unterlippe des Mundwinkels des Kindes mit folgender Formel
berechnet werden: Alter des Kindes in Lebensjahren/2 + 10 cm = Tubustiefe in cm. Bei Früh- und Neugeborenen existiert z. B. die Rechenformel: Körpergewicht in kg + 6 cm = Platzierungstiefe in cm auf Höhe des Mundwinkels der Unterlippe des Kindes (Madar et al. 2021). Es empfiehlt sich aber auch hier, kognitive Hilfen (Apps, „Kindersicher™“-Lineal) zu nutzen und v. a. die errechnete Tubustiefe an dem entsprechenden Tubus mittels Markierung optisch sichtbar zu machen. So schafft man sich die beschriebene Sicherheit und eine optische Hilfe, sollte der Tubus aus irgendeinem Grund dislozieren. Die Gefahr des Verrutschens ist in der Tat gerade bei so kleinen Tuben und geringen Platzierungstiefen sehr groß. Aus diesem Grund ist die Intervention der Intubation erst dann vollständig abgeschlossen, wenn der Tubus sorgfältig klebefixiert ist, seine endotracheale Lage verifiziert wurde (klinisch, kapnografisch), dessen Tiefe korrekt ist und darüber hinaus der Kopf des Kindes in Neutralposition transportstabil gesichert ist. Hierfür eignen sich eine HWS-Orthese oder besser noch „Headblocks“ sehr gut, denn diese sichern bei korrekter Anlage den Kopf nicht nur gegen akzidentelle Bewegungen nach rechts und links, sondern verhindern auch ein durch versehentliche Beugung oder Überstreckung der Halswirbelsäule und des Kopfes mögliches Tiefer- oder Herausrutschen des Tubus recht zuverlässig. Achtung Die Nutzung einer HWS-Orthese bei Kindern wird kontrovers diskutiert. Neben den Vorteilen der Immobilisation besteht die Gefahr der Hirndruckerhöhung durch Kompression der Halsgefäße. Eine Eins-zueins-Übertragung aus der Empfehlung für Erwachsene ist deshalb schwierig und im Einsatz situativ zu beurteilen, bis valide Empfehlungen vorliegen.
Nach der richtigen Auswahl des Endotrachealtubus steht die Frage nach dem möglichst effektiven Weg der Sauerstoffgabe gedanklich häufig auf der Liste präklinisch tätiger Notfallmediziner. Eigentlich wäre dies die wichtigste und in über 95 % vitale Frage, sie steht aber häufig gedanklich eher an zweiter Stelle. Für die Sauerstoffgabe stehen in der Regel Nasenbrillen und Sauerstoffmasken zur Verfügung. Für die pädiatrische Notfallmedizin ist es, wenn notwendig, von enormer Bedeutung, zügig und effektiv ein adäquates Sauerstoffangebot für den durch Hypoxie bedrohten jungen Organismus zu schaffen. Durch die Nutzung von Nasenbrillen – ggf. sogar in der altersadaptiert korrekten Größe – ist präklinisch lediglich ein Gasfluss von hierüber maximal 4–5 l/min möglich. Die damit zu erzielende Sauerstoffkonzentration in der Einatemluft des Kindes liegt damit maximal bei 30–40 %. Sauerstoffmasken ohne Reservoir und mit seitlichen Öffnungen erlauben über einen Gasfluss von 10–15 l/min demgegenüber immerhin eine inspiratorische Sauerstoffkonzentration von bis zu 60 %. Empfehlenswert im Sinne einer hierüber maximal möglichen Sauerstoffgabe sind Nichtrückatmungs-Sauerstoffmasken mit Reservoir, die, sofern sie möglichst dichtsitzend auf dem Gesicht platziert werden können und das Reservoir vor dem Aufsetzen gefüllt wurde, mit einem Gasfluss von 10–15 l/min eine inspiratorische Sauerstoffkonzentration von bis zu 80 % erzielen können. Somit stellen diese für die offensichtliche Sauerstoffmangelsituation im Notfall die beste Insufflationsoption dar (➤ Tab. 9.2). Die Platzierung ist nur mitunter aufgrund der Unruhe des kleinen Patienten nicht immer einfach. Hier empfiehlt es sich, ggf. die Eltern als vertrauensaufbauendes Moment einzubinden. Hat sich die Situation stabilisiert, kann im Sinne des Patientenkomfort ggf. auch auf die Nutzung von Nasenbrillen deeskaliert werden.
Tab. 9.2
Sauerstoffgasfluss und -konzentration bei Nasenbrille und
Gesichtsmaske Applikationsmodell Sauerstoffgasfluss Max. mögliche inspiratorische Sauerstoffkonzentration Nasenbrille
Max. 5 l/min
30–40 %
Dicht anliegende Gesichtsmaske ohne Reservoir
6–15 l/min
60 %
Dicht anliegende Gesichtsmaske mit Reservoir
6–15 l/min
80 %
Quelle: S3-Leitlinie „Sauerstoff in der Akuttherapie beim Erwachsenen“ Ist das Kind infolge der Ateminsuffizienz bewusstseinseingeschränkt, so ist vor der Sauerstoffgabe („B“) immer der Atemweg zu beurteilen und frei zu machen („A“) sowie die Eigenatmung zu prüfen. Ist der Atemweg gefährdet und bedarf dauerhafter Stabilisierung unter ausreichender Spontanatmung, so sind die bekannten Hilfsmittel Guedel- oder WendlTubus zu erwägen. Der Guedel-Tubus (OPT, Oropharyngealtubus) sollte, wie bei Erwachsenen auch, nur bei wirklich bewusstlosen Patienten eingelegt werden, da hierüber sonst die Gefahr des induzierten Erbrechens droht. Die Größe wird durch Abmessen von Mundwinkel zu Ohrläppchen ermittelt (➤ Abb. 9.3). Er wird bei Kindern unter Vorhaltung stetiger Absaugbereitschaft in der Regel orthograd in den durch einen zweiten Helfer offen gehaltenen Mund eingelegt. Die Gefahr des induzierten Erbrechens hierdurch disqualifiziert den Guedel-Tubus für den Einsatz bei den meist nur bewusstseinsgeminderten pädiatrischen Notfallpatienten.
Abb. 9.3 Abmessen der Tubusgröße [P433] a) Guedel-Tubus b) Wendl-Tubus c) Rachentubus für Rachen-CPAP Hier bietet sich der Wendl-Tubus (NPT, Nasopharyngealtubus) eher an, sofern eine Verletzung der Verbindung Nasenspitze bis zum Rachenraum im Sinne einer Schädelbasisfraktur ausgeschlossen ist. Die korrekte Größe kann durch das Abmessen anhand des Abstands der Nasenspitze bis zum Ohrläppchen + etwa 1 cm ermittelt werden. Hier empfiehlt es sich, bei grenzgradiger Länge eher die nächstgrößere Option zu nutzen. Die Länge lässt sich zumeist durch einen Gummiring am Wendl-Tubus auch kürzer einstellen; ist er jedoch zu kurz, ist er wirkungslos und kann nicht verlängert werden. Die Haut an der Nasenspitze blasst ggf. bei Einlage des Wendl etwas ab, was in der Regel kein Problem ist. Die Einlage an sich erfolgt senkrecht zur Oberlippe, ggf. mit leichten Drehbewegungen. Um ein Gefühl für die hierfür nötige Kraft zu bekommen, empfiehlt es sich, dies am Phantom zu üben. Alternativ zum Wendl-Tubus kann einerseits zum Offenhalten der oberen Atemwege des Kindes und andererseits als erleichterte Beatmungsoption auch ein zuvor in seiner Größe (s. o.) errechneter Endotrachealtubus, mit der Tiefe von der Nasenspitze bis zum Ohrläppchen gemessen und markiert, nasal eingelegt werden (➤ Kap. 9.2). Ist der Atemweg nun frei, so sollte die Sauerstoffgabe initial mit maximal
möglichem Angebot erfolgen. Bei Wendl- oder Guedel-Tubus und meist dann insuffizienter Eigenatmung mittels dichtsitzender Beatmungsmaske und Beatmungsbeutel mit Reservoir oder Demandventil, ggf. im Verlauf bei Stabilisierung der Eigenatmung mit Nichtrückatmungs-Sauerstoffmaske mit Reservoir adaptiert an die gemessene Sättigung des Kindes. Wurde ein Endotrachealtubus nasal in den Rachenraum eingelegt, so kann dieser als Schiene für den sog. Rachen-CPAP (➤ Kap. 9.2) mithilfe des Beatmungsbeutels genutzt werden. Hierbei ist nur darauf zu achten, dass Mund und zweites Nasenloch während der Inspiration abgedichtet werden müssen. Hier bietet sich an, durch das zweite Nasenloch eine zuvor ermittelte Magensonde oder einen Absaugkatheter (kognitive Hilfen) zu platzieren. Dies insbesondere in Situationen, bei denen es zu einer sichtbaren Magendehnung infolge der Beatmungsbemühungen gekommen ist, wenn möglich bevor es durch die magenluftbedingte Verlagerung des Zwerchfells nach kranial zur weiteren Verschlechterung der Sauerstoffsättigungswerte kommt oder eine Regurgitation von Mageninhalt auftritt. Es sollte somit eher frühzeitig entlastet werden, da mit zunehmender Luft im Magen immer mehr Atelektasen der basalen Lungensegmente auftreten und konsekutiv die Sättigung fällt, die Beatmungsdrücke deshalb intuitiv noch mehr erhöht werden, um Thoraxexkursionen zu induzieren und sich die Situation sonst weiter zuspitzt. Die Tiefenbestimmung zur Einlage einer Sonde kann durch kurzes grobes Abmessen von der Nasenspitze bis zum Ende des Brustbeins, zum Xiphoid, abgeschätzt und die Sonde ähnlich wie beim Tubus hier markiert werden, um die anzustrebende Platzierungstiefe zu verdeutlichen. Es empfiehlt sich aufgrund der höheren Erfolgsrate und des auch unter BeutelMasken-Beatmung wenig störenden und stabilen Verbleibs der Sonde, diese, sofern die Nasengänge durchgängig sind, nasal einzulegen. Praxistipp
Frühzeitig an Entlastung der in den Magen gelangten Luft denken (bessere Oxygenierung möglich und Regurgitationsgefahr reduziert).
Die Sauerstoffapplikation und ihr hierfür empfohlenes Equipment, der Guedel-, der Wendl- und der Endotrachealtubus, haben alle in erster Linie zum Ziel, eine Verbesserung der Sauerstoffversorgung des Kindes zu erreichen. Die andere Komponente des Gasaustausches, die Ventilation und somit die Abatmung von Kohlendioxid gehen mit der Öffnung und Persistenz eines freien Atemwegs sowie der assistierten oder vollständig übernommenen Atmung des Kindes einher, jedoch sind sowohl die Hypoals auch die Hyperventilation mit ihren negativen Auswirkungen möglichst zu vermeidende Aspekte. Zunächst gilt es, immer visuell auf Thoraxexkursionen zu achten, jedoch gilt die klare Empfehlung, wann immer möglich eine Kapnografie zur Überwachung der Atmung bzw. Beatmung des Kindes anzuschließen und zu nutzen. Einige Hersteller halten Anschlussoptionen für die Kapnografie an den Sauerstoffbrillen und masken vor, was ihre Verwendung bereits für das Stadium der Insufflation möglich macht. Hier mögen die gemessenen Absolutwerte aufgrund verschiedener Einflussfaktoren (Totraumanteil, Gasfluss) sicherlich keine genauen Werte im Sinne einer Hypo- oder Hyperventilation liefern, jedoch stellen die hierdurch stetig erfasste Atemfrequenz des Kindes (ggf. im Vergleich auch zur via EKG-erfassten Atemfrequenz) und insbesondere der Trend der Messwerte und deren grafische Darstellung wichtige Informationen dar. Steigt die Atemfrequenz und verschlechtert sich die Bewusstseinslage des Kindes, so droht das Atemversagen. Demgegenüber kann unter Adrenalininhalation eine stetig abfallende Atemfrequenz mit sichtbar weniger angestrengter Atmung ein erster Hinweis auf eine Besserung der Symptomatik sein. Darüber hinaus handelt es sich bei der Kapnografie um ein insbesondere während des Transportes oder während anderer notwendiger Maßnahmen am Notfallpatienten ständig direkt und
ohne Zeitverzögerung (anders als die Pulsoxymetrie) reagierendes Messinstrument zur Überwachung der Atmung und auch des Kreislaufes des Kindes. Die Kapnografie kann neben den o. g. Aspekten und ihrer zwingenden Anwendung bei der Verifizierung der Tubuslage, es gilt „no trace, wrong place“ (keine CO2-Spur, Fehllage Tubus => Tubus zwingend entfernen), als kontinuierlicher indirekter Parameter für den Kreislauf des Kindes genutzt werden. Gemäß dem regelmäßig im Vereinigten Königreich durchgeführten nationalen Audit über Komplikationen im Atemwegsmanagement (NAP4 2011) gab es hier einen einzigen Todesfall, da die Kapnografie nicht richtig genutzt wurde. Fällt der gemessene CO2Wert bei konstanten Beatmungsparametern kontinuierlich oder gar plötzlich ab, so kann dies ein Frühzeichen der Kreislaufdepression, des Kreislaufstillstandes sein. Letzteres vielleicht sogar bei elektromechanischer Entkopplung als das beste Frühsignal neben der dann verzögert detektierten fehlenden Pulskurve in der Pulsoxymetrie. Umgekehrt kann ein akut angestiegener Wert in der Kapnografie einen unter Reanimation erzielten Eigenkreislauf oder bei stetig steigenden Werten unter guten Beatmungswerten eine Kreislaufstabilisierung anzeigen. Für die Praxis folgernd spricht zwingend und auch forensisch alles dafür, die Kapnografie wie das Pulsoxymeter bei jeder Sauerstoffgabe, insbesondere aber nicht nur im Kindesalter, zu verwenden. Achtung Zwingender Einsatz der Kapnografie, wenn vorhanden. Sie beinhaltet neben der Überwachung der Lungenbelüftung auch eine sehr gute Indikatorfunktion für die Kreislaufüberwachung.
9.2. Spezielle Atemwegstechniken bei Säuglingen und Kindern
Die Grundlagen für die im Folgenden dargestellten speziellen Atemwegstechniken bei Säuglingen und Kindern und deren Unterschiede zu den Erwachsenen liegen v. a. in den im vorigen Kapitel dargelegten anatomischen und physiologischen Besonderheiten begründet. Nichtsdestotrotz gilt aber ungeachtet der Form der Atemwegssicherung und des Alters des Patienten immer der Grundsatz: „Nutze ein allen im Team bekanntes Stufenschema, erwäge und kommuniziere laut einen Plan B oder gehe eine Stufe zurück, wenn etwas misslingt, um stets die Sauerstoffversorgung als oberstes Ziel bestmöglich zu erhalten.“ Die Sauerstoffapplikation nach Inspektion und Freimachen bzw. Freihalten der Atemwege wurde mit Ihren technischen Besonderheiten und ihren Grenzen bereits im ➤ Kap. 9.1 besprochen. Sie stellt stets die erste Stufe zur Atemwegssicherung und Verbesserung der Sauerstoffversorgung eines kritisch kranken Kindes dar. Ist jedoch die Eigenatmung des Kindes trotz des freien Atemwegs nicht ausreichend, sei es in Frequenz oder Tiefe oder auch beidem, so stellt die Beutel-Masken-Ventilation (BMV) wie bereits erwähnt die nächste zwingend zügig zu nutzende Stufe dar. Beruhigend ist, dass laut Literatur die Erfolgsrate der Beutel-MaskenVentilation (NAP4 2011) bei nahezu 100 % liegt und hierdurch, wie in dem eingangs beschriebenen Fallbeispiel, in vielen Fallberichten noch eine grenzgradige ausreichende Sauerstoffversorgung gesichert werden konnte, bis weitere Optionen nutzbar sind. In jedem Fall ist sie bei adäquater Durchführung jedweder Form der nachfolgend dargestellten invasiveren Atemwegstechniken – insbesondere bezogen auf das Überleben von Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillstand – ebenbürtig und somit als die elementarste Atemwegsunterstützung und auch Rückfallebene anzusehen (Lupton JR et al.). Daher sei hier der dringende Appell formuliert, diese
vitale Fertigkeit regelmäßig zu üben, beispielsweise auch innerklinisch im Rahmen von Narkoseeinleitungen bei Kindern. Vor Beginn der BMV sollte, wie bei jedwedem Material, eine kurze Funktionsprüfung erfolgen. Es werden zwar zumeist patientenbezogene Einwegbeutel genutzt, aber auch diese können bei mitunter längerer Lagerung in gefalteter Form ebenso Sollbruchstellen mit hieraus entstehender Undichtigkeit aufweisen. Daher wird zwingend empfohlen, vor dem Einsatz am Patienten einmalig dessen Dichtigkeit zu prüfen. In diesem Zusammenhang sei auch nochmals ausdrücklich auf die Nutzung eines Sauerstoff-Reservoirs (10–12 l Sauerstofffluss/min) oder den Anschluss eines Demandventils hingewiesen, um möglichst hohe Sauerstoffkonzentrationen für die initiale Beatmung zu erreichen. Das PEEP-Ventil aufsetzen, die Maske, falls nicht bereits vorhanden, anschließen und der Beutel ist sicher startklar. Dank der Hersteller sind die Beatmungsbeutel heute meist als Funktionseinheiten mit dem hierfür geeigneten Patientenkollektiv bezeichnet. Man beachte hierbei, dass der Neugeborenen-Beatmungsbeutel aufgrund eines durchschnittlichen Füllvolumens von etwa 250 ml im Einsatz auch wirklich nur für Früh- oder Neugeborene geeignet ist. Achtung Der Neugeborenen-Beatmungsbeutel ist aufgrund seines kleinen Volumens wirklich nur für Früh- und Neugeborene geeignet.
Man denke an den Satz „Check it and be prepared“, der die schnelle Funktionsprüfung des adäquat ausgewählten und vorbereiteten Equipments in fünf Worten zusammenfasst. Auch hier sei redundant erwähnt, dass diese Prüfung auf Funktionalität und adäquate Größe zwar einige Sekunden kostet, jedoch wertvolle mentale Sicherheit für die weitere Behandlung des Kindernotfalls für den direkten Anwender und auch das gesamte Team
bringt. Denn gelingt die BMV nicht, so muss von einem patienten- oder anwenderbezogenen Problem ausgegangen werden, dass es im Team zu lösen gilt. So ist die Lage des Kopfes des Kindes sowie die Öffnung der Atemwege mit modifiziertem Esmarch-Handgriff eine mögliche zu optimierende Option bei Nichtgelingen der BMV (➤ Abb. 9.4). Die optimale Lagerung (initiale sog. Schnüffelposition, aber sofern kein HWSTrauma vorliegt, nicht statisch beibehalten, Kopf etwas nach rechts-links drehen, vorsichtig etwas mehr oder weniger überstrecken) und ein freier Atemweg, ggf. die Einlage eines Wendl-Tubus, sind essenzielle zu beachtende Punkte. Im Sinne von erst „A“ dann „B“. Eventuell kann es synchron zu der Methode bei Erwachsenen nötig sein, dass ein Helfer die Maske (doppelter C-oder E-Griff) hält und die bestmögliche Kopf- und Kieferposition ermittelt, während der zweite Helfer die eigentliche Beatmung durch Komprimieren des Beutels durchführt.
Abb. 9.4 Schnüffelposition (Nasenrücken und Thorax in einer Linie), modifizierter Esmarch mit doppeltem C-Griff zur BMV. Man beachte, dass die Halsweichteile frei gehalten werden. [P433] Alle vorhandenen Ressourcen müssen genutzt werden, um die bestmögliche BMV zu erzielen, denn die bloße durch den Notfall induzierte Nutzung von mehr Kraft bei der Kompression des Beatmungsbeutels ohne Beachtung einer optimalen Lagerung birgt neben der Hyperventilation v. a. die Gefahr einer Magenüberblähung mit dem Risiko der Regurgitation von Mageninhalt oder auch der Kompression basaler Lungenanteile und letztendlich schlechterer Belüftung (Lösungsvorschlag ➤ Kap 9.1). Zwingend zu erreichendes Ziel der BMV ist, dass der kindliche Brustkorb sich hebt und senkt, dies idealerweise mit einer Beatmungsfrequenz von
etwa 20/min bei Kindern und maximal 30/min bei Säuglingen (Madar et al. 2021; Van de Voorde et al. 2021). Das Verhältnis von Einatmung (Beatmung) zu passiver Ausatmung sollte etwa 1 : 2 betragen. Im angloamerikanischen Raum verwendet man daher gerne den Satz „squeeze, release, release“, um die längere notwendige Ausatemphase bei Kindern zu beachten (Luten et al. 2018). Wichtig ist die in der Akutsituation häufig durchgeführte schnellere Beatmung zu vermeiden, dies gelingt in der Regel durch Feedback-Mechanismen wie der Atemfrequenzzählung am EKG, einem 2. Helfer, der mit darauf achtet, oder der Kapnografie, wenn eingesetzt. Ist eine weitergehende invasivere Atemwegssicherung bei dem Kind nötig und auch anhand vorhandener Hardware (Material, Medikamente, Geräte) und Software (Erfahrung, personelle Möglichkeiten) möglich, so sind die Nutzung von extraglottischen Atemwegshilfen, die nasale Einlage eines Endotrachealtubus in den Nasopharynx knapp oberhalb des Kehlkopfs oder letztlich die endotracheale Intubation die nächsten möglichen Verfahren. Ungeachtet des gewählten Verfahrens gilt aber weiterhin das Ziel, den bestmöglichen Erhalt der Oxygenierung und die Ventilation des Kindes zu sichern. Als Vertreter der extraglottischen Atemwege (EGA) sind gemäß der Handlungsempfehlung des Wissenschaftlichen Arbeitskreises Kinderanästhesie von 2016 (Hoffmann et al. 2016) die Larynxmasken mit vorhandenem Magensonden-Kanal in der Kindernotfallmedizin als State of the Art zu bevorzugen. Sie stellen unter Nutzung der darüber möglichen Magenentlastung eine wichtige und mit hoher Erfolgsrate anzuwendende Alternative und auch Rückfallebene zur endotrachealen Intubation bei Säuglingen und Kindern ab einem Körpergewicht von etwa 3 kg dar. Es können auch im Vergleich zur BMV etwas höhere Beatmungsdrücke bei Atemwegsobstruktionen erzielt werden (z. B. auch bei Fremdkörperaspiration). Der besondere Charme für die Nutzung in der Notfallsituation ist ihre sehr schnell mögliche Platzierung und das „Hopp-
oder-Topp-Prinzip ohne Graustufen“ in Ihrer Anwendung. Die Larynxmaske wird anhand des vermuteten Körpergewichts (s. Packungsaufdruck, verfügbare Größen 0–5) oder alternativ durch Anhalten an die Ohrmuschel des Kindes ausgewählt und dann mit Zweihelfermethode unter Nutzung des modifizierten Esmarch-Handgriffs orthograd platziert (➤ Abb. 9.5). Letzterer ist für die Platzierung insbesondere bei Säuglingen bedeutsam, weil hierdurch die meist sehr große weiche Epiglottis nach vorn angehoben und somit die Gefahr reduziert wird, mit der Spitze der eingelegten Larynxmaske diese nach unten zu drücken und dadurch den Atemweg ungewollt zu verlegen. Eine alternative Einlagetechnik ist die sog. Flip-Technik, bei der die Larynxmaske mit der Beatmungsöffnung nach oben eingelegt wird und erst nach weitmöglichstem Vorschieben in den Rachenraum des Kindes zuletzt um 180° gedreht wird, damit die Beatmungsöffnung nun über der Stimmritze zu liegen kommt.
Abb. 9.5 Larynxmaske [P433] a) Anhalten an die Ohrmuschel b) Zweihelfermethode Nach Konnektion an den Beatmungsbeutel oder dann im Verlauf des Beatmungsgeräts wird die Lage durch Beurteilung von Thoraxexkursionen, Oxygenierung und Kapnografie bewertet. Hier gilt Exkursionen und positives CO2, „no trace, wrong place“ (s. o.), wenngleich auch Nebenluft hörbar oder sichtbar sein sollte, belegen bei guter Oxygenierung zunächst eine adäquate Position(„Topp“-Position). Ist dies nicht der Fall, so liegt die Maske nicht korrekt („Hopp“) und es muss umgehend gehandelt werden, zunächst unter Nutzung der Rückfallebene BMV, um die Oxygenierung und Ventilation als oberstes Therapieziel nicht zu gefährden. Im Vergleich zur endotrachealen Intubation fällt hier die potenzielle Diskussion über eine mögliche Fehllage (ösophageal, endobronchial einseitig usw.) mit unsicherer zeitintensiver Entscheidungsfindung weg. Im Falle von positiven Thoraxexkursionen und besserer Oxygenierung sowie positiver Kapnografie
liegt die Maske korrekt, sonst eben nicht. Es sei in diesem Zusammenhang auch nochmals auf das eingangs dargestellte Fallbeispiel hingewiesen. Hier wäre über die Larynxmaske aufgrund der angeborenen Fehlbildung des Kehlkopfes bei dem Säugling keine Beatmung möglich gewesen. Dort wurde im Verlauf der Behandlung der sog. Rachen-CPAP, Rachen-Tubus, als Beatmungsoption gewählt. Diese Form der extraglottischen Atemwegssicherung findet wie in dem beschriebenen Fall v. a. in der Neugeborenenerstversorgung breite Anwendung. Ist eine Atmungsunterstützung mittels einer speziellen Nasenbrille, sog. Prongs, und hohem Sauerstofffluss nicht ausreichend, so wird im nächsten Schritt häufig ein potenziell in seiner Größe auch für die endotracheale Intubation adäquat großer Endotrachealubus über ein Nasenloch bis in den Naso-Laryngopharynx eingelegt (Tiefenabmessung ähnlich wie beim Wendl-Tubus, möglichst vor Einlage schnell die ermittelte Tiefe am Tubus markieren) und darüber die Atmung des Neugeborenen unterstützt (➤ Abb. 9.6, ➤ Video).
Abb. 9.6 Rachen-CPAP (Tubus bei 9 cm nasal eingelegt, Mund und anderes Nasenloch manuell abgedichtet) [P433]
V ide o Nas e n- R ac he n- C PA P b e im K ind https://else4.de/jwa Gegenüber der Larynxmaske hat dieses Verfahren gerade bei Säuglingen unter 5 kg Körpergewicht eine noch bessere Erfolgschance. Es wird seitens des Säuglings (ähnlich wie im Vergleich Wendl- und Guedel-Tubus) ohne notwendige Medikamentengabe deutlich besser toleriert und darf als vorbereitender Schritt sowie als spezifische Rückfallebene für die ggf. doch notwendige endotracheale Platzierung des Tubus genutzt werden (dies auch bei Kindern bis etwa zum 3.–4. Lebensjahr). Die durch die Beatmung meist akzidentell begleitende Mageninsufflation kann durch Einlage einer Entlastungsmagensonde über das zweite Nasenloch dauerhaft entlastet
werden. Somit lässt sich bei manuellem Abdichten des Mundes des Säuglings eine transportgeeignete stabile Beatmungssituation schaffen. Seitens der ggf. angestrebten endotrachealen Platzierung des Tubus schafft dieser Zwischenschritt zwei wichtige Optionen. Es wird hierüber möglich, auch während der Laryngoskopie über den Tubus Sauerstoff zu geben. Dies ist zwar keine Beatmung mit Thoraxexkursionen im eigentlichen Sinne, diese sog. apnoeische Oxygenierung verlängert aber infolge des u. a. auch passiv in die Lunge gelangenden Sauerstoffs die mögliche Zeit für die Laryngoskopie und Tubusplatzierung deutlich und sollte daher zwingend (sofern der die Laryngoskopie durchführende Arzt hierdurch nicht behindert wird) als zusätzliche Reserve angesehen und genutzt werden. Der zweite Punkt wird dann bedeutsam, wenn die Laryngoskopie ohne den angestrebten endotrachealen Platzierungserfolg war. Hier kann der Tubus ohne großen Zeitbedarf jederzeit auf die zuvor markierte Tiefe zurückgezogen werden, um das Kind vor ggf. weiteren anderen Maßnahmen zu oxygenieren. Im Sinne einer generellen Empfehlung zur schrittweisen Sicherung kindlicher Sauerstoffversorgung und Ventilation gelangt man über die Öffnung des kindlichen Atemwegs durch Lagerungsoptimierung, die adaptierte Sauerstoffgabe, die Beutel-Masken-Beatmung, die Nutzung sog. oro- oder nasopharyngealer und dann extraglottischer Hilfsmittel (Larynxmaske, Rachen-CPAP) zur höchsten, aufwendigsten und auch komplikationsträchtigsten Stufe der Atemwegssicherung, zur endotrachealen Intubation. Bevor der eigentliche Intubationsvorgang beginnen sollte, sind stets die wichtigsten Begleitumstände zu prüfen (Trappe et al. 2016). Hierzu gehört die Lagerung des Kopfes, ggf. die Unterlagerung des Kopfes, um insbesondere bei sehr kleinen Säuglingen einen besseren Blick auf die Stimmbandebene bekommen zu können (➤ Kap. 9.1). Ist das Team über den nächsten Schritt informiert, ist das notwendige Material vorhanden und gecheckt und bereit: welcher Laryngoskopspatel, Lichtleistung
ausreichend?, Tubusgröße und erwartete Tiefe (Markierung), Führungsstab im Tubus?, Rückfallebene Maske/EGA, ein entsprechender Helfer instruiert („Manöverablauf“ besprochen, Narkosemedikation, ggf. HWSImmobilisation bei Trauma während Laryngoskopie, eventuell Druck auf Kehlkopf von außen durch Helfer). Dass diese Vorgänge zeitaufwendig sind, ist allein schon von der Anzahl erklärbar. Diese müssen sicherlich nicht sequenziell ablaufen, sondern können auch parallel bearbeitet werden. Aber eines muss gedanklich fest verankert sein, der erste Laryngoskopieversuch mit dem Ziel der endotrachealen Intubation ist immer der beste und sollte daher auch so vorbereitet sein und durchgeführt werden. Vor dem vermeintlichen Konzept „Mal schnell reingucken, wenn es gelingt, ist es gut, wenn nicht, auch gut“ sei hier vehement gewarnt. Die Atemwege der Kinder sind gegenüber Manipulation recht empfindlich und schlecht vorbereitetes „Stochern“ kann Blutungen oder Schwellungen verursachen, die eine vorher noch gut umsetzbare Versorgung über die anderen beschriebenen Stufen zur Oxygenierung unmöglich machen können (➤ Abb. 9.7).
Abb. 9.7 Stufenschema: Sauerstoffgabe, Wendl, Rachen-CPAP oder EGA, Intubation (VL) mit Rückfallebenendarstellung (Schema) [L143] Die bestmögliche Laryngoskopie wird in manchen Rettungsdienstbereichen für den Bereich der Erwachsenenmedizin auch durch die Option der Videolaryngoskopie (VL) unterstützt. Je nach System (➤ Kap 4.4) besteht hier die Möglichkeit, neben dem indirekten Bild auf dem Monitor auch noch direkt in die Atemwege blicken zu können. Die VL erhöht die Sichtbarkeit der gesuchten Strukturen, schafft mehr Sicherheit in der korrekten Platzierung des Tubus durch die Mitbeurteilung der umstehenden Helfer und bietet die Möglichkeit für den von außen auf den Kehlkopf drückenden Helfer, dies im Sinne des Bildes zu optimieren. Einschränkend für diese Technik sind der etwas größere Zeitbedarf für die Laryngoskopie (Oxygenierung nicht aus dem Fokus verlieren, apnoeische
Oxygenierung nutzen!), es müssen für das Kindes- und Säuglingsalter verschiedene Spatel vorhanden sein und es bedarf ähnlich wie für die konventionelle Laryngoskopie entsprechender Übung, insbesondere was die Tubusplatzierung betrifft, denn die bloße bessere Sichtbarkeit der Strukturen heißt nicht, dass der Tubus auch leichter sein Ziel erreicht. Nach Ansicht des Autors empfiehlt es sich, den dann oral zu platzierenden Endotrachealtubus mit einliegendem Führungsstab dem Spatel konform zu modellieren. Erfahrung in der Laryngoskopie und Übung mit jedweder Technik sind nicht zuletzt in den Leitlinien geforderte Voraussetzungen für die endotracheale Intubation bei Kindern, insbesondere in der Präklinik. Im Idealfall gelingt die Laryngoskopie durch einen seitlich in den Mundwinkel eingeführten passenden Spatel mit Verlagerung der Zunge auf die Gegenseite, die Stimmbandebene ist gut sichtbar, der Tubus kann entweder seitlich über den Mundwinkel eingebracht oder im Falle der nasalen Intubation mittels Magill-Zange gefasst und bis zur Markierung unter Sicht endotracheal platziert werden. Es wird empfohlen, im Falle der oralen Intubation, den Führungsstab niemals über die Tubusspitze hinaus einzubringen und diesen nach unmittelbarer Stimmbandpassage unmittelbar vorsichtig zurückzuziehen, dann bei sicherer trachealer Lage der Tubusspitze vollständig zu entfernen und den Tubus dann endgültig zu positionieren. Was die Frage nasale oder orale Intubation betrifft, so bietet die nasale Variante den bereits genannten Vorteil des Rachen-CPAP als Rückfallebene, sie ist aber oft zeitaufwendiger. Es kann aber auch eine Option sein, den nasal eingelegten „Rachen“-Tubus zu belassen und einen zweiten Tubus auf oralem Weg zu platzieren. Ist die Intubation geglückt so gilt in Analogie zur Seefahrt: „Konzentration nicht verlieren, das Manöver ist erst vollendet, wenn das Schiff wieder Fahrt aufgenommen hat.“ Der evtl. vorhandene Cuff wird geblockt und der platzierte Tubus von einem Helfer unter Abstützen am Kiefer des Kindes sicher und stabil in seiner Position gehalten. In diesem Zusammenhang sei erneut bezüglich der Frage „Tubus
mit oder ohne Cuff“ auf die aktuellen Reanimationsempfehlungen des ERC von 2021 (Madar et al. 2021) hingewiesen, in denen ein blockbarer Tubus generell auch bereits für Neugeborene für die Notfallintubation empfohlen wird (➤ Kap 9.1.5). Im Anschluss erfolgt die Tubuslagekontrolle unter initalen Beatmungshüben via Beatmungsbeutel mittels Kapnografie und Auskultation. Hier empfiehlt es sich, wie bei Erwachsenen initial über dem Magen zu auskultieren, dann sehr weit dorsal in der Achselhöhle links und abschließend in der Achselhöhle rechts das Stethoskop aufzusetzen. Tief in der Achselhöhle deshalb, da die Gefahr gerade bei Säuglingen sehr groß ist, dass bei ösophagealer Fehllage Strömungsgeräusche im Magen auch auf der vorderen Thoraxwand des Kindes als Atemgeräusche fehlgedeutet werden können. Ist die Tubuslage zweifelsfrei korrekt, so wird der Tubus sorgfältig im Mundwinkel oder an der Nase des Kindes fixiert. Der Kopf des Kindes muss für den Transport möglichst stabil immobilisiert werden, die Beatmungsparameter am Gerät werden eingestellt und es muss eine mögliche Sedierung des Kindes festgelegt werden. Die initial einzustellenden empfohlenen Beatmungsparameter für Kinder bei kontrollierter Beatmung: • Af 20/min • FiO2 1,0 • PEEP 5 mbar Bei druckkontrollierter Beatmung wird ein Inspirationsdruck von 20 mbar, bei volumenkontrollierter Beatmungsform ein Atemzugvolumen von etwa 10 ml/kg KG als initiale Einstellung gewählt. Hebt und senkt sich nun der Thorax unter den gewählten primären Beatmungsparametern adäquat und weiterhin seitengleich, so sind bei der volumenkontrollierten Beatmungsform die Druckgrenzen (max. Inspirationsdruck von 30 mbar) und bei der druckkontrollierten Variante die Volumengrenzen (Atemminutenvolumen) einzustellen. Hebt sich der Thorax nicht, ist die Sauerstoffsättigung inadäquat oder meldet das Gerät einen Alarm
(Volumen- oder Druckalarm), so ist im Sinne des Akronyms DOPESHAND nach der Ursache hierfür zu suchen und unmittelbar zu handeln (➤ Tab. 9.3; Fandler 2021). Tab. 9.3 Merkhilfen für akutes Beatmungsproblem (Sättigungsabfall, Kapnografiealarm, Alarm Beatmungsgerät) Ursache
Vorgehen
Dislokation
Hand – Beutelbeatmung 100 % O2
Obstruktion
Absaugen (möglichst großer Katheter)
Pneumothorax/Kreislaufinstabilität
Neue Geräteeinstellungen
Equipmentfehler
Diagnostik – Ultraschall, Röntgen, BGA
Stomach → Magen gebläht? Anhand der Kapnografiewerte werden dann die Parameter für die Ventilation (Zielwert 35–45 mmHg, Atemfrequenz und Beatmungsdruck bzw. Atemzugvolumen veränderbar) und infolge der gemessenen peripheren Sauerstoffsättigung (Zielwert SpO295 %) entsprechend die Einstellungen zur Sauerstoffversorgung (in erster Linie der inspiratorische Sauerstoffanteil FiO2) angepasst. Des Weiteren muss durch stetige Re-Evaluation wie bei Beatmungspatienten jeden Alters auf Leckagen, Veränderungen der Thoraxbewegungen und ansteigende Beatmungsdrücke geachtet und entsprechend zeitnah reagiert werden, da die Sauerstoffreserven im Falle einer unzureichenden Beatmung bei gesunden Kindern, noch stärker bei Säuglingen, schon sehr begrenzt sind. Die begrenzten Sauerstoffreserven sind auch der Grund dafür, warum bei sonst grundlegend vergleichbarer Vorgehensweise bei einer Ileus-Einleitung (Rapid Sequence Induction, RSI) im Säuglings- und Kindesalter nach Applikation der Narkosemedikamente zum Aufrechterhalten einer
adäquaten Oxygenierung über die Beatmungsmaske vor der Intubation vorsichtige Beatmungen durchgeführt werden sollen. Die Hypoxiegefahr im Kindesalter überwiegt hier deutlich gegenüber der Gefahr der Regurgitation und Aspiration (➤ Tab. 9.4).
Tab. 9.4
Flussschema RSI Schritt für Schritt im Kindesalter
„Schlag“worte
Weitergehende Hinweise
Vorbereitung und Manöverabsprache
Kognitive Hilfen nutzen
Gegencheck
Equipment (Laryngoskopspatel passend, Lichtleistung ausreichend?, Tubusgröße + erwartete Tiefe [Markierung], Führungsstab im Tubus?, Rückfallebene Maske/EGA, Absaugung bereit), Team, Patient, Medikamente
Präoxygenierung
So gut wie möglich, nicht erzwingen
Ist der Kreislauf des Kindes vor Narkoseeinleitung zu unterstützen?
Flüssigkeitsbolus von etwa 10 ml/kg KG vor Einleitung geben, Atropin als Medikation (Bradykardiegefahr während der Laryngoskopie bei Säuglingen)
Einleitung der Narkose
Geschlossene Kommunikation (CRM) nutzen, Muskelrelaxans für bestmögliche Intubationssituation empfohlen (Succinylcholin 2 mg/kg KG, Rocuroium 1 mg/kg KG)
Vorsichtige Zwischenbeatmung
Absaugung stets einsatzbereit haben, ggf. auch Nutzung der apnoeischen Oxygenierung, Sauerstoffmangel vermeiden
Nochmalige Prüfung und ggf. Optimierung Kopf-/Oberkörperposition
Potenzielle Tubustiefe markiert?
Laryngoskopie und Tubusplatzierung
Videolaryngoskopie? Tubuslage prüfen
„Schlag“worte
Weitergehende Hinweise
Tubus sorgfältig fixieren, initiale Beatmungsparameter einstellen, Kopf gut und stabil lagern (ggf. HWSOrthese/Headblocks nutzen) Analgosedierung fortführen, Beatmung überwachen und ggf. anpassen Der Vollständigkeit halber soll im Folgenden die mögliche chirurgische Option zur Atemwegssicherung bei Säuglingen und Kinder der Front of Neck Access (FONA) thematisiert werden. Dieser findet gelegentlich, insbesondere als Ultima Ratio für den Atemwegszugang bei Epiglottitis, in der Literatur v. a. bei Einzelfallbeschreibungen in Form der Koniotomie Erwähnung. Grundsätzlich stellt der FONA aufgrund verschiedener Aspekte nicht nur, aber besonders bei Säuglingen und Kleinkindern, eine sehr risikobehaftete Intervention dar. Die unzureichende Erfahrung des in einer derartig desaströsen Situation befindlichen Anwenders zum einen, die spezifischen anatomischen Verhältnisse zum anderen (Kehlkopf weiter kranial, sehr kurzer Hals des Kindes, sehr kleine und weiche Kehlkopfstrukturen) und nicht zuletzt die eingeschränkte Verfügbarkeit passender fertiger Sets für die verschiedenen Alterskategorien qualifizieren diese Intervention zu einem Hochrisikoeingriff. Fertige Punktionssets, wie man sie aus dem Erwachsenenbereich kennt, mit einmaliger direkter Punktion im Bereich des Ligamentum conicum sind zumeist erst bei Kindern jenseits des 10. Lebensjahres anwendbar. Andere meist jedoch nur innerklinisch verfügbare Punktionssets für Säuglinge und Kleinkinder die
mit Seldinger-Technik via Punktion, Drahteinlage, Aufdehnung der Punktionsstelle und Platzierung eines Tubus über den Führungsdraht existieren, sind in der Regel präklinisch nicht verfügbar. Von der Nutzung vorhandener „Eigenbauten“ über Punktion mit einer Venenzugangskanüle und improvisierter Sauerstoffapplikationswege hierüber kann nur vehement abgeraten werden. Die Venenkanülen beinhalten – ähnlich wie bei deren Anwendung bei Thoraxentlastungspunktionen – immer die Gefahr, dass sie abknicken und dadurch die Wirkung reduziert wird oder möglicherweise Sauerstoff hineinkommt, aber nicht mehr herauszubekommen ist (Überblähung der Lunge und Pneumothoraxgefahr etc.). Für das letztere Problem gibt es eine Alternative: das Ventrain™-System, das in einigen präklinischen Bereichen auch bereits vorgehalten wird. Bei diesem kann eine mit 2 mm Innendurchmesser vorhandene Punktionskanüle genutzt werden und hierüber mittels des manuellen Jet-Ventilators Sauerstoff im Sinne der Inspiration appliziert werden. Zudem ist wieder eine aktive Ausatmung hierüber möglich (➤ Kap. 4). Aufgrund der genannten materiellen und anwenderspezifischen Risiken für den FONA muss eines nochmals betont werden. Es ist wichtig, konsequent jede o. g. Stufe der Atemwegssicherung inklusive einer adäquaten medikamentösen Unterstützung zu nutzen, um dieses Verfahren nach Möglichkeit präklinisch nie in Erwägung ziehen zu müssen. Es sei auch hier auf das zum Beginn des Kapitels dargestellte Fallbeispiel hingewiesen, bei dem der Transport in die Klinik und die dortige Tracheotomiebereitschaft durch Voranmeldung (Bereitstellung des nötigen Materials, erfahrene Anwender, mehr helfende Hände) für das Kind letztlich lebensrettend waren. Pragmatisch zusammengefasst bedeutet dies, diese letzte Option lieber mit einer marginalen Oxygenierung des Kindes unter Nutzung erfahrener Hilfe anzustreben, insbesondere da diese hier meist keine Koniotomie, sondern eine Notfalltracheotomie sein wird.
9.3. Der schwierige pädiatrische Atemweg
Die in ➤ Kap. 9.1 dargelegten anatomischen und physiologischen Unterschiede zum Erwachsenen können schon bei gesunden Säuglingen oder Kleinkindern eine Herausforderung im Sinne eines erschwerten Atemwegs darstellen. Doch im Gegensatz zu den Erwachsenen sind diese vorab bekannt und somit vorhersehbar. Man kann sich somit darauf einstellen und sich in Analogie zu den Erwachsenen zur eigentlichen Beurteilung einer unerwartet erschwerten Atemwegssicherung auf anamnestische Besonderheiten (Vorerkrankungen, syndromale Erkrankungen etc.) sowie körperliche auffällige Befunde (Mundöffnung, Hals- und Kieferbeschaffenheit, Ohrmuschelfehlbildungen) fokussieren. Diese sind meist angeboren und nur selten erworben. Gemäß Literatur misslingen Versuche der Atemwegssicherung bei unerwartet schwierigem Atemweg sehr, sehr selten (NAP4). In der Regel ist eine der Sicherungsstufen erfolgreich einsetzbar. Somit ist die Atemwegssicherung im Kindesalter bei Kenntnis der physiologisch-anatomisch altersentsprechenden Besonderheiten, Erkennen zusätzlicher anatomischer Stigmata (LEMON ➤ Tab. 9.6) und Erfassung anamnestischer akuter Risikofaktoren in der Regel erfolgreich, sofern diese mit Antizipation und Stufenplanung, sowie Teambriefing der essenziellen Aspekte vorgenommen wird (der Punkt hier: Training, Training, Training).
9.3.1. Allgemeine Vorgehensweise „Der erste Schuss, der erste Versuch ist der beste und muss sitzen!“ Innerklinisch wird mitunter, wenn eine Atemwegssicherung bei erwartet schwierigem Atemweg im Säuglings- oder Kindesalter durchgeführt werden muss, eine „Sedierungslaryngoskopie“ unter Spontanatmung des Kindes vorgenommen. Hierzu wird das Kind mittels inhalativer (Sevofluran) oder intravenöser Sedierung (Ketamin 2 mg/kg KG intravenös) unter Spontanatmung laryngoskopiert, um hiermit die Gefahr der unerwartet
unmöglichen Oxygenierung und Ventilation des Kindes nach Verlust der Eigenatmung zu vermeiden bzw. zu umgehen. In ➤ Tab. 9.5 ist die empfohlene Vorgehensweise beim schwierigen pädiatrischen Atemweg dargestellt bzw. aufgelistet: Tab. 9.5
Vorgehensweise beim schwierigen pädiatrischen Atemweg
Generelle Herangehensweise: Wie invasiv muss ich sein (assistierte Beatmung ggf. möglich und risikoärmer)? Ist das Team gut vorbereitet? Was sind meine Rückfallebenen und weiteren Optionen? Erwartet „normaler“ Atemweg Ateminsuffizienz des Kindes
Sauerstoffgabe (initial hoch dosiert)
Atemversagen/unzureichende Eigenatmung
BMV (akute Erstbehandlung) RSI mit direkter oder Videolaryngoskopie (Nutzung von apnoeischer Oxygenierung)
Erwartet/unerwartet schwieriger Atemweg Cannot intubate, can ventilate
EGA/Rachen-Tubus Videolaryngoskopie
Cannot intubate, cannot ventilate
FONA (Tracheotomie, Koniotomie)
9.3.2. Häufige Ursachen für den schwierigen pädiatrischen Atemweg Akute Infektionen Allen infektbedingten schwierigen kindlichen Atemwegen gemeinsam ist die Schwellung und Sekretbildung mit Obstruktion, erhöhter durch Manipulation auftretender Blutungs- und Schwellungsneigung und die
Gefahr von Atemwegsspasmen (Laryngo-oder Bronchospasmus) sowie des obstruktionsbedingten akuten Atemversagens. Somit gehört auch das Asthma zu diesen Erkrankungen, jedoch ist hier aufgrund der intrathorakalen Lokalisation nicht per se von einem schwierigen Atemweg an sich auszugehen. Epiglottitis Die Epiglottitis ist eine zumeist durch gramnegative Haemophilusinfluenzae-B-Bakterien (HiB), aber zeitweilig auch durch grampositive Kokkenbakterien hervorgerufene akute Infektion der Atemwege, die auch im Erwachsenenalter auftreten kann (keine HiB-Impfung, schlechter Immunstatus). Gekennzeichnet ist sie durch eine progressive ödematöse, infektbedingte Schwellung des Kehldeckels mit den entsprechenden klinischen Zeichen einer oberen Atemwegsobstruktion und massiver Schluckproblematik (unzureichendes Herunterschlucken des Speichels, „Speicheln der Patienten“ als typisches Zeichen), Husten fehlt in der Regel, die Patienten können mitunter kaum noch sprechen. Innerklinisch werden für Patienten mit diesem Krankheitsbild (meist in Hals-Nasen-OhrenKliniken) in der Regel standardisierte Diagnostik- und Behandlungsprotokolle vorgehalten. Um diese zeitgerecht mobilisieren zu können, ist es daher entscheidend, Patienten mit dieser Verdachtsdiagnose unter frühzeitiger Voranmeldung (Ressourcen bereitstellen) in die hierfür geeignete Klinik, ggf. direkt dort in den OP zu bringen. Denn der durch die genannte Schwellung massiv gefährdete Atemweg wird in der Regel in einem entsprechend vorbereiteten Operationssaal unter Vorhaltung jeglicher verfügbarer Atemwegssicherungsoptionen durchgeführt. Präklinisch gilt die ruhige, möglichst minimalinvasive Behandlung der Patienten mit aufrecht sitzender Lagerung und vorsichtigem Angebot der Inhalation als Behandlung der Wahl (geringste Manipulation, Monitoring wie es problemlos toleriert wird, kein intravenöser Zugang o. Ä.). Die Inhalation sollte nur durchgeführt werden, wenn hierüber keine zusätzliche
Stresserhöhung der Situation für den Patienten induziert wird. Im Fall einer akuten Verschlechterung der Atmungssituation ist die BMV in nahezu allen Fällen unter Beibehaltung einer Oberkörperhochlagerung im Sinne einer ausreichenden Sauerstoffversorgung erfolgreich einsetzbar („Schienung der oberen Atemwege mittels dichtsitzender Maske“). Der im vorigen Abschnitt beschriebene für dieses Krankheitsbild mitunter genannte chirurgische Atemweg (FONA) sollte als letztes Mittel eingesetzt werden, jedoch sind alle hierfür nötigen Vorbereitungen (Materialien, Team etc.) griffbereit vorzuhalten. Keiner möchte diese einsetzen, aber ohne adäquate Vorbereitung ist auch diese minimale ultimative Chance vorab zum Scheitern verurteilt. Es empfiehlt sich, eine während der Fahrt in die Klinik auftretende Verschlechterung der Atemwegssituation dort vorab anzumelden, schlimmstenfalls besteht hier dann die Möglichkeit, dass das operative Team in den Rettungswagen zusteigt und dort tätig wird. Pseudokrupp Gegenüber der echten Krupp-Erkrankung, der Diphterie, die aufgrund der entsprechenden Impfung sehr selten geworden ist, stellt der Pseudokrupp infolge einer viralen oder bakteriellen Infektion der oberen Atemwege mit Schwellung im Kehlkopfbereich und der oberen Luftröhre mit die häufigste Ursache für Atemwegsobstruktionen, insbesondere im Säuglings- bis Schulkindalter, dar. Klassische Symptome sind der bellende Husten und ein unterschiedlich ausgeprägter Stridor bei der Inspiration als Zeichen der extrathorakalen Enge der Atemwege. Ebenso wie im Fall der Epiglottitis ist die Schaffung bzw. das Einhalten einer möglichst ruhigen Atmosphäre von großer Bedeutung. Die meisten Kinder sind im Sitzen zwar symptomatisch, sind aber in ihrer Atemarbeit und im Sprechen oder Lautieren nicht akut gefährdet. Die mit Elternunterstützung durchgeführte rektale Applikation von Kortison, die Inhalation mit Adrenalin/Noradrenalin mit angepasstem Sauerstofffluss ist hier bei nahezu allen Kindern mit Pseudokrupp zielführend. Eine weitergehende invasivere Atemwegssicherung ist eine
absolute Rarität. Hier gilt, dass die BMV mitunter erschwert sein kann, insbesondere wenn das Kind keinerlei Eigenatmung mehr hat (assistierte Beatmung ggf. besser als kontrollierte). Die Laryngoskopie ist – abgesehen von den o. g. altersspezifischen Besonderheiten und der durch die Erkrankung induzierten noch kürzeren Apnoetoleranz und Hypoxiegefahr des Kindes – meist nicht verändert, jedoch ist meist ein kleinerer Endotrachealtubus notwendig, um die ödematös geschwollene Stimmritze passieren zu können. Bakterielle Tracheitis Die infolge einer zumeist bakteriellen Infektion auftretende Entzündung der unterhalb der Stimmbandebene beginnenden Luftröhre tritt eher bei größeren Kindern, etwa ab dem Schulkindalter, auf. Das Atemwegsmanagement entspricht dem des durch Pseudokrupp kompromittierten Kindes. Jedoch ist im Falle einer Intubation und Beatmung ähnlich wie bei einer bakteriellen Pneumonie mit einer durch purulentes, eitriges Sekret auftretenden Tubusobstruktion zu rechnen. Dies kann mittels stetiger Re-Evaluation der Beatmungsparameter und Absaugbereitschaft (zähflüssiges Sekret, möglichst dicker Absaugkatheter) frühzeitig detektiert und behandelt werden (➤ Tab. 9.3). Abszessformationen im Bereich der Atemwege Eine Schwellung im Bereich der Kiefer- oder Halsregion mit schmerzhaft eingeschränkter (Kiefersperre) oder mechanisch bedingter Mundöffnungseinschränkung (Kieferklemme) ist als Warnhinweis für mögliche Schwierigkeiten bei der Atemwegssicherung zu werten. Hier gelten Schluckbeschwerden (Odynophagie), eine kloßige oder abgeschwächte Sprache und eine schmerzbedingte Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule als zusätzliche Kardinalsymptome des schwierigen Atemwegs. Purulentes Sekret, Schwellungen, zu Blutungen neigende Schleimhäute können in diesem Fall die Nutzung von extraglottischen Atemwegen unmöglich machen oder eine erschwerte Laryngoskopie
bedeuten, denn es muss darüber hinaus mit massiv verlagerten anatomischen Verhältnissen gerechnet werden, sodass hierfür, wenn vorhanden, die Videolaryngoskopie mit besserer Übersicht eine wichtige Hilfe sein kann. Akute nichtinfektiöse Gründe Fremdkörperaspiration Diese ist der wohl neben dem Polytrauma im Kindesalter am meisten gefürchtete Notfall im Kindesalter. Aufgrund dieser immensen Bedeutung erfolgt dessen Darstellung gesondert am Ende des Kapitels. Verbrennung/Verbrühung/Inhalationstrauma Thermische Verletzungen mit äußerer Beteiligung der Atemwege (Gesicht und Hals, Thorax) sind sehr häufig. Insbesondere Verbrühungen weisen je nach Unfallmechanismus in einer großen Anzahl Gesichtsbeteiligungen auf. Hier können Augenbrauen, Mund- und Nasenbereich sehr schnell anschwellen, jedoch ist in den seltensten Fällen eine Beteiligung der inneren Schleimhäute oder gar ein Inhalationstrauma vorhanden (Ausnahme ggf. ursächliches Inhalationsgerät). Dies bedeutet, dass in fast allen Fällen von Verbrühungen ohne weitergehende andere Verletzungen (Trauma etc.) der Atemweg primär nicht durch die Verbrühungsverletzung an sich gefährdet ist. Eine adäquate Analgesie beispielsweise mit Ketamingabe ist damit von entscheidender Bedeutung, eine aufgrund vermuteter traumabedingter Obstruktion der Atemwege zeitnah angestrebte Schutzintubation steht bei diesem Verletzungsmuster nicht unmittelbar im Vordergrund. Bei Verbrennungen ist diese Gefahr bei entsprechenden Stigmata für eine Inhalationsverletzung deutlich größer. Klassische Zeichen wie Augenbrauenbeteiligung, Rußspuren an den Nasenschleimhäuten oder im Mund und eine progrediente Atmungs- und Atemwegseinschränkung wie Heiserkeit, Stridor oder „Stimmverlust“ (Aphonie) sind starke Hinweise auf eine thermische Verletzung auch der inneren Atemwegsbereiche. Hier ist die
Inhalation mit Adrenalin zeitkritisch zu beginnen und parallel hierzu die endotracheale Schutzintubation vorzubereiten. Bei den ersten klinischen Zeichen einer trotz Inhalation progredienten Schwellung ist nach anzustrebender bestmöglicher Vorbereitung die Intubation des kompromittierten Kindes empfohlen. Dies kann einerseits mittels zeitnah hinzugezogener notärztlicher Verstärkung (Luftrettung) geschehen. Aber es kann andererseits auch bedeuten, einen schwerstverbrannten Säugling mit via Inhalation noch ausreichender Sauerstoffversorgung in die wenige Minuten entfernte Klinik zu transportieren, um dort nach Voranmeldung Unterstützung für diese schwierige Atemwegssicherung zu erhalten. In jedem Fall ist hier die große Gefahr der Atemwegsschwellung bis hin zur kompletten Obstruktion die wichtigste Entscheidungsgrundlage. Aufgrund der über den gesamten oberen Atemweg auftretenden Schwellung ist zwar der Einsatz von extraglottischen Atemwegshilfen möglich und kann im Vergleich zu einer infolge der Gesichtsschwellung nahezu unmöglichen BMV kurzfristig überraschend hilfreich sein, sie sind aber für diese Verletzung nur überbrückend wirksam, die zeitnah durchzuführende endotracheale Atemwegssicherung steht weiterhin im Vordergrund. Bei frustraner endotrachealer Intubation bleibt erneut nur die chirurgische Nottracheotomie unter hohem Blutungs- und Verletzungsrisiko umgebender Strukturen als „beste“ letzte Möglichkeit, eine Koniotomie stellt unter Inkaufnahme aller vorher genannter Risiken, insbesondere bei möglichen Halsweichteilbeteiligungen, erneut die zu vermeidende Ultima Ratio dar. Anaphylaxie und Angioödem Die systemisch oder primär im Bereich der Atemwege auftretende Schwellung infolge einer anaphylaktischen oder anaphylaktoiden Reaktion stellt eine lebensbedrohliche Situation dar, die unmittelbar mittels Inhalation und systemischer Gabe von Adrenalin sowie Antihistaminika und Kortison zu behandeln ist. Die hochdosierte Sauerstoffgabe über eine
dichtsitzende BMV-Unterstützung kann hier ggf. im Sinne der nächsten Eskalationsstufe überbrückend helfen, die Atemwege des Kindes zu unterstützen, bis die zuvor durchgeführte ggf. repetitive systemische Adrenalingabe die Situation stabilisieren kann. Tritt die angestrebte Stabilisierung nicht zeitnah auf oder verschlechtert sich die Atmung oder der Allgemeinzustand des Kindes, so ist im Sinne der Gefahr der schwellungsbedingten kompletten Atemwegsverlegung die endotracheale Intubation das Ziel. Gelingt diese jedoch nicht, so ist wie redundant in den bisherigen Ausführungen dieses Kapitels gefordert immer die Oxygenierung des Kindes im Fokus zu behalten. Es ist, direktiv formuliert, immer besser ein Kind mit möglichst geringer Invasivität und ggf. grenzgradigen Sauerstoffsättigungswerten nach ein- oder zweimaligem Intubationsversuch lebend in die Klinik zu transportieren, als es vor Ort mit dem Engramm der angestrebten Schutz-Intubation vor Augen mit unaufhörlichen Intubationsversuchen in die fatale Hypoxie und all ihren Folgen zu manövrieren. In Abgrenzung zu den geschilderten klassischen Symptomen einer Anaphylaxie sind nicht juckende, nicht gerötete ödematöse spontan auftretende Schwellungen im Gesichts- (meist die Lippen) und Larynxbereich, aber auch im Genitalbereich im Kindesalter als Anzeichen einer genetischen Erkrankung, des hereditären Angioödems (C1Inhibitor-Mangel, früher sog. Quincke-Ödem), zu werten. Diese Schwellungen können ohne spezifische Auslöser oder aber auch infolge von Bagatelltrauma an den betroffenen Stellen auftreten und in ihrer Ausprägung nicht durch Adrenalin oder Kortison therapeutisch beeinflusst werden. Zumeist tritt diese Erkrankung familiär gehäuft auf, sodass hier bereits Vorkenntnisse in der Familie und ggf. auch die entscheidenden Notfallmedikamente vorhanden sind, die zwingend frühzeitig intravenös gegeben werden müssen. Denn deren Wirkung setzt zumeist erst mit einer Latenz von 30–60 Minuten ein, sodass für die Akutversorgung die stetige Re-Evaluation des bedrohten Atemwegs mit unterstützenden Maßnahmen, die parallele Vorbereitung und Vorhaltung einer eventuellen eskalierenden
invasiven Sicherung vor Komplettobstruktion, im schlimmsten Fall auch mittels FONA, mit zeitgleich stattfindendem schnellem Transport in eine Klinik mit dortiger Tracheotomiebereitschaft anzustreben ist (S1-Leitlinie „Hereditäres Angioödem durch C1-Inhibitor-Mangel“). Sind vor Ort keine spezifischen Notfallmedikamente vorhanden, sollte vor oder während des zügigen Transports in die Zielklinik dort die Verdachtsdiagnose angemeldet werden, damit die o. g. Notfallmedikamente vor Ort bei Ankunft bereitliegen können. Trauma Eine offensichtliche Verletzung im Gesichtsschädelbereich, der Halsweichteile, aber auch ein „Bagatelltrauma“ der Atemwegsstrukturen selbst kann die Sicherung des Atemwegs eines Kindes kritisch erschweren. So kann ein ausgeprägtes Schädel-Hirn-Trauma (SHT) die BMV durch Verletzungen des Gesichtsschädels (Nase, Kiefer etc.) schier unmöglich machen. Blutungen, Schwellungen und Hämatome können die Sicht erschweren und die anatomischen Verhältnisse negativ verändern. Im Sinne der Leitlinien für das Polytrauma wird eine frühzeitige Atemwegssicherung durch endotracheale Intubation empfohlen. Entscheidend bleibt aber immer, die Oxygenierung und die Ventilation des Kindes bestmöglich zu sichern. Anhand der äußerlich sichtbaren Verletzungsaspekte ist die Intubation als schwierig einzustufen. Das bedeutet, dass diese erst adäquat vorzubereiten ist, bevor man sie ggf. durchführt. Hierzu gehört auch an „c und C“ zu denken, die Halswirbelsäule möglichst wenig zu bewegen und ggf. erst einen Flüssigkeitsbolus (10 ml/kg KG) zu geben, um bei einem schweren Schädel-Hirn-Trauma die Gehirndurchblutung unter Narkoseeinleitung möglichst stabil zu halten. Dies impliziert zunächst, eine zügige Option zur Aufrechterhaltung der Oxygenierung und Ventilation zu nutzen, vielleicht sogar unter Sauerstoffinsufflation in die nahe gelegene maximalversorgende Klinik zu fahren. Die Nutzung nasal eingelegter Atemwegshilfen verbietet sich hier bei dem präklinisch nicht sicher
auszuschließenden Verdacht einer Schädelbasisfraktur. Somit stellen bei traumabedingt erschwerter BMV die extraglottischen Atemwegshilfen, möglichst der 2. Generation, d. h. mit Magenentlastungskanal, immer eine Erfolg versprechende und schnell durchführbare Option zur Überbrückung bis zur möglichen Intubation dar. Doch sind es nicht immer nur die bereits von außen deutlich erkennbaren Verletzungen, die den Atemweg der Kinder beeinträchtigen können. Mitunter reicht auch schon ein minimales Trauma des Kehlkopfes oder der Trachea, um von außen kaum erkennbare, aber innen deutliche Verletzungen (Trachealeinriss, Kehlkopfquetschung) zu erleiden. Die Kardinalzeichen hierfür sind ein Haut- oder Halsemphysem, Heiserkeit und oder Stridor des Kindes. Da präklinisch keine visuelle Darstellung möglicher Luftröhrenverletzungen möglich ist, muss bei einem derartigen Verdacht das Kind zeitnah den hierfür nötigen Geräten zugeführt werden, also es unter Nutzung der geringstinvasiven für eine ausreichende Sauerstoffversorgung nötigen Atemwegssicherungsstufe unter ständiger „Intubationsbereitschaft“ in die Klinik zu transportieren. Demgegenüber ist bei längeren Transportwegen (oder geplantem Hubschraubertransport) und ausgeprägtem Haut- oder Weichteilemphysem sowie zunehmendem Stridor schnellstmöglich unter allen hierfür verfügbaren bestmöglichen Ressourcen die endotracheale Intubation anzustreben, da hier die Gefahr der rapiden totalen Atemwegsobstruktion besteht. In diesem Zusammenhang ist bei Weichteilemphysem im Kopf-Hals-Bereich der ohnehin als komplikationsträchtig einzustufende FONA sicherlich noch schwieriger durchführbar, ggf. liegt sogar die ursächliche Verletzung in dem angestrebten Zugangsbereich. Dies legt nahe, dass nur die chirurgische Notfalltracheotomie mit offener Darstellung der Atemwegsstrukturen als Ultima Ratio infrage kommt. Angeborene Anomalien
Da diese eher innerklinisch im Rahmen geplanter operativer Eingriffe als Problem für die Atemwegssicherung apparent werden, gibt es hierüber kaum Berichte für deren Relevanz und Management in der präklinischen Notfallversorgungssituation. Trotz ihrer dadurch großen Seltenheit für die Präklinik sind diese doch insofern von Belang, dass diese besonderen Kinder mit anderen „Problemen“ der syndromalen Grunderkrankung oder aufgrund von o. g. infektiösen oder nichtinfektiösen Gründen zur Stabilisierung oder Behebung (Fremdkörperaspiration etc.) seitens ihres Atemwegs mitunter präklinisch versorgt werden müssen. Besteht die Möglichkeit, alle Informationen, insbesondere von den Eltern, über vorherige Atemwegsinterventionen (Klinikaufenthalte, Operationen) zu erfahren, hilft das bei der Einschätzung. Das entscheidende Ziel ist es, unter Nutzung der klinisch-anatomischen Warnsignale eines zu erwartenden schwierigen Atemwegs im Sinne der Antizipation und bestmöglichen Vorbereitung (Material, Option Plan „B“, Expertise vorhanden, ggf. zusätzlich anforderbar) sowie einem frühzeitigen konservativen konsequenten Management die Vermeidung der Intubation. ➤ Tab. 9.6 kann bei der Beurteilung eine Hilfe sein.
Tab. 9.6
LEMON-Einschätzung des kindlichen Atemwegs
Akronym
Beurteilung
Look (Sehen)
Äußerer Aspekt ist der entscheidende Prädiktor für potenzielle Schwierigkeiten der Atemwegssicherung beim Kind. Präsenz von Fehlbildungen/Dysmorphien, insbesondere an Kinn, Hals oder Ohrmuschel und – falls bekannt – auch an den großen Gefäßen (Aorta, Herz), sollte als Warnzeichen für eine mögliche veränderte Atemwegsanatomie und somit mögliche erschwerte Atemwegssicherung gewertet werden. Kleine Mundöffnung, große Zunge, Retrognathie und verkürztes Kinn sowie Verletzungen im Gesichtsbereich können mittels Blickdiagnose mögliche Atemwegsprobleme anzeigen.
Evaluieren
Kann bei unkooperativem Kind schwer bis unmöglich durchzuführen sein.
MallampatiEinschätzung
Bei kooperativen Kindern gut evaluierbar, als ein Baustein für einen möglichen schwierigen Atemweg nutzbar.
Obstruktion
Neben dem äußeren Aspekt (Look) ist die Obstruktion der wichtigste Prädiktor für einen möglicherweise problematischen Atemweg. Eine kurze Anamnese zum Ereignis und die körperliche Untersuchung (Auskultation des Herzens inklusive) sowie Stimmveränderung/-verlust, Stridor, sichtbarer Einsatz der Atemhilfsmuskulatur (Retraktionen am Thorax und jugulär, Nasenflügeln etc.) helfen eine akut progrediente (höchstes Risiko) von einer chronisch bestehenden (moderates Risiko) zu unterscheiden (Plan „B“).
Akronym
Beurteilung
Neck (Halsanatomie und beweglichkeit)
Eingeschränkte HWS-Beweglichkeit (Trauma, Instabilitäten infolge neuropädiatrischer Erkrankung oder bei Trisomie 21) sowie ein imponierend verkürzter kräftiger Hals sind wie bei Erwachsenen als Risikofaktoren für die Atemwegssicherung zu bewerten, da hier die Laryngoskopie mit für den Erfolg der Intubation nötigem Alignment von Mundöffnung, pharyngealen und laryngealen Strukturen zur Visualisierung der Stimmbandebene erschwert ist.
In ➤ Tab. 9.7 sind exemplarisch einige syndromale Erkrankungen mit für die Atemwegssicherung relevanten spezifischen Besonderheiten dargestellt.
Tab. 9.7
Syndromale Erkrankungen und Dysmorphien
Syndromale Spezifische Besonderheiten der Erkrankungen/Dysmorphien Atemwegssicherung Pierre Robin Sequenz (➤ Abb. 9.8)
– Das optische Korrelat hier ist die mandibuläre Mikro-Retrognathie, bedeutet der Kehlkopf liegt noch weiter kranial, das Kinn ist durch den engen Retromandibulärraum schlechter beweglich (Laryngoskopie kann hochgradig erschwert sein kann) + BMV zumeist problemlos möglich + EGA können zumeist erfolgreich platziert und eingesetzt werden
Choanalatresie
– Die Nasenatmung ist stark eingeschränkt bis unmöglich – Möglichkeiten der Atemwegssicherung nur oral + BMV ist meist gut möglich – Apnoegefahr in Ruhe stark erhöht (unter Agitation weniger ausgeprägt („sog. paradoxe Zyanose“) – Meist Kombination mit anderen Fehlbildungen CHARGE: Kolobom des Auges, Herzfehler, Atresie der Choanen, retardierter Größe, Genitalfehlbildung, Ohrfehlbildungen)
Syndromale Spezifische Besonderheiten der Erkrankungen/Dysmorphien Atemwegssicherung Mund-Lippen-KieferGaumenspalte
– Mit bis zu 7 % recht häufige erschwerte Intubationsbedingungen (2) – Vorsicht bei Extremitätenfehlbildungen (Blickdiagnose!), Kehlkopf auch verändert, EGA nicht gut nutzbar + Videolaryngoskopie erfolgreich nutzbar + BMV meist gut einsetzbar, bei fazialen Dysmorphien ist es aber schwierig, die Maske dicht zu bekommen
Trisomie 21, BeckwithWiedemann-Syndrom
– BMV erschwert, Makroglossie und eingeengter Retromandibulärraum, WendlGuedel-EGA-Rachen-NIV nutzen – bei Trisomie 21 atlantoaxiale Bandinstabilität möglich (Vorsicht bei der HWS-Reklination) + Videolaryngoskopie erfolgreich einsetzbar (ggf. geraden MillerSpatel für direkte Laryngoskopie nutzen)
Syndromale Spezifische Besonderheiten der Erkrankungen/Dysmorphien Atemwegssicherung Cornelia-de-Lange- und Goldenhar-Syndrom (multiple Dysmorphie-Syndrome, Mikrozephalie, Minderwuchs, faziale Dysmorphien, Gaumenspalte)
– Schwierige Laryngoskopie in bis zu 50 % der Fälle (meist infolge reduzierter Mundöffnung) + Videolaryngoskopie erfolgreich nutzbar + BMV unter steter Absaugbereitschaft ggf. mit Magensonde gut nutzbar – Aspirationsgefahr bei erhöhtem GÖR
VACTERL-Assoziation:
– Häufig Retrognathie und hemifaziale Mikrosomie – Lippen-Kiefer-Gaumenspalten können die Laryngoskopie stark einschränken – Erhöhte Aspirationsgefahr (Absaugbereitschaft!) durch Fistel und Magen nicht über eine Sonde entlastbar! – Tubusplatzierung kann erschwert sein (Tracheomalazie (evtl. kleinerer Tubus nötig), Fehllage in ösophagealer Fistel (zurückziehen, bis Belüftung möglich, dann erneutes vorsichtiges Vorschieben des Tubus, um Ihn möglichst über die Fistel hinweg zu legen) +/– Vorsicht bei der BMV, die jedoch als Rückfallebene gut nutzbar ist
• Vertebrale Anomalien • Anale Fehlbildungen • Cor – Herzfehler • Tracheo-ösophageale Fistel • Ösophagusatresie • Renale Anomalien • Limb – GliedmaßenAnomalien
Unerwartete Schwierigkeiten ohne erkennbare Stigmata Insgesamt ist das Risiko, eine CVCI-Situation ohne äußerliche bereits in den vorigen Abschnitten genannte Zeichen bei Kindern vorzufinden, deutlich geringer als bei Erwachsenen (NAP4 2011). Umgekehrt bedeutet das, sofern es die Situation erlaubt, sehr aufmerksam bei der visuellen und anamnestischen Beurteilung des Kindes zu sein und sich entsprechend vorzubereiten, da wie bereits genannt in die erschwerte Atemwegssicherung auch das Nichtvorhalten adäquater Hardware und eine unzureichende medikamentöse Unterstützung fallen. Somit ist zwingend erforderlich, sich diesbezüglich immer bestmöglich vorzubereiten und letztlich den genannten Algorithmus des erwartet schwierigen Atemwegs beim Kind mithilfe aller verfügbaren Ressourcen (Lageoptimierung, Muskelrelaxation, stufenweises „Vor- und Zurückgehen“, CRM) einzusetzen. Fremdkörper im kindlichen Atemweg Die Fremdkörperaspiration mit schwerwiegender Atemwegsverlegung ist der wohl am meisten gefürchtete Kindernotfall neben der kardiopulmonalen Reanimation. Hintergrund Jährlich werden mehrere Tausend Kinder weltweit mit dem Verdacht einer Fremdkörperaspiration in den Atemwegen in den Notaufnahmen vorgestellt. In den schwerwiegenden Fällen versterben laut Statistik (Destatis 2019 und 2020) in Deutschland jährlich etwa 10–15 Kinder infolge einer Fremdkörperaspiration (Altersgipfel 1.–5. Lebensjahr). Das besondere Risikoalter erklärt sich durch das noch unvollständige Gebiss der Säuglinge und Kleinkinder, deren ausgeprägte Neugier, alles in den Mund stecken zu wollen, um es „schmecken“ zu können, einen zum Teil noch unkoordinierten Schluckvorgang und die leichte Ablenkbarkeit der Kinder während der Nahrungsaufnahme. Bei älteren Kindern kommt es anders als bei
Säuglingen eher zur Aspiration von Kappen oder Steckern sowie kleinen Schmuckstücken, die in den Mund genommen werden. Symptomatik Klassisch wird das Aspirationsereignis meist beobachtet und von Familienmitgliedern folgendermaßen beschrieben: In den meisten Fällen war das Kind kurz zyanotisch („blau“), hat kurz gehustet und dann ging es ihm wieder besser. Gelegentlich bleibt es heiser oder es tritt nach dem Ereignis ein Stridor auf (abhängig von der Position des Fremdkörpers). In seltenen, aber entsprechend dramatischen Fällen kommt es zur vollständigen Atemwegsverlegung im Mundraum (Essensbissen, Schmuckanhänger) oder auch auf Kehlkopfebene (Münzen, Erdnüsse) mit unmittelbarem Kollaps des Kindes und Reanimationspflichtigkeit. Nach wie vor überleben nur die Hälfte der Kinder eine komplette Kehlkopf-bzw. Trachealobstruktion infolge eines aspirierten Fremdkörpers! Neben diesen fulminanten Verläufen gibt es im Säuglingsalter nicht selten einen über längeren Zeitraum persistierenden oder langsam zunehmenden Husten als einziges Symptom für eine in diesem Falle primär unbemerkte Aspiration. Die Varianz der Symptome ist somit sehr groß, sodass bei jedem Säugling mit perakut aufgetretenen Atemwegssymptomen an einen Fremdkörper als Ursache gedacht werden und man sich somit besonders auf die Gefahr einer akuten kompletten Atemwegsverlegung infolge Verrutschen des Fremdkörpers vorbereiten sollte. Aus dem Algorithmus (➤ Abb. 9.9) sind zwei Aspekte besonders hervorzuheben. Es gilt zuallererst zu prüfen, ob weitere Hilfe angefordert werden kann und parallel dazu den Hustenstoß des Kindes zu beurteilen. Ist dieser kräftig und wirkt effektiv, so sollte das Kind in seinen Bemühungen den Fremdkörper auszuhusten bestmöglich (Positionierung mit optimaler Nutzbarkeit der Atemwegshilfsmuskulatur) unterstützt und beruhigt werden, ggf. unter Zuhilfenahme der Eltern.Wird der Hustenstoß schwächer oder liegt eine Stimmlosigkeit vor (Aphonie), das Kind ist aber noch bei
Bewusstsein, so ist der nächste Schritt, den Hustenstoß durch von außen ausgeführte Manipulationen schnellstmöglich zu unterstützen (Rückenschläge, abdominelle (jenseits des 1. Lebensjahres) oder thorakale Kompressionen). Liegt der schwerwiegendste Fall vor und das Kind ist bereits bewusstlos, so wird unmittelbar mit den Maßnahmen der kardiopulmonalen Reanimation begonnen. Im Rahmen der Reanimation sollte eine optimal vorbereitete Inspektion des Rachenraumes des Kindes angestrebt werden, um den Fremdkörper durch eine kurzzeitige Zuhilfenahme des Laryngoskops und einer Magill-Zange zu extrahieren.Der blinde Versuch, mit dem Finger diesen „rauszuwischen“, ist meist nicht erfolgreich und sollte, aufgrund der Gefahr, den Fremdkörper hierdurch vielleicht noch schlechter zu positionieren, unterbleiben.Ist unter der BMV trotz optimaler Lagerung des Kindes bei der Reanimation keinerlei Belüftung der Lunge möglich, so bleibt als Ultima Ratio die endotracheale Intubation mit durch den Tubus in einen Lungenflügel vorzuschiebendem Fremdkörper und hierdurch erzielter Belüftbarkeit der anderen Seite übrig. Hierfür wird der Tubus so weit wie möglich in die Trachea eingeführt und dann 1–3 cm zurückgezogen, um die andere Lungenseite zu belüften.Es empfiehlt sich in dieser Situation einen zweiten Tubus gleicher Größe griffbereit zu haben, um bei einem infolge des Vorschiebens und eventueller Fragmentierung des Fremdkörpers im Lumen obturiertem Tubus diesen sofort tauschen zu können (➤ Abb. 9.10). Das Vorschieben des Fremdkörpers mittels endotrachealer Intubation sollte auch dann zeitnah in Erwägung gezogen werden, wenn man mittels BMV zwar Luft in das Kind bekommt, sich somit der Thorax hebt, die Luft aber im Sinne eines durch den Fremdkörper induzierten Ventilmechanismus nicht mehr entweichen kann, die Thoraxkompressionen dies nicht beeinflussen können und somit binnen kurzer Zeit die Gefahr eines Pneumothorax/Spannungspneumothorax besteht.
Abb. 9.8 Pierre-Robin-Syndrom (oder Pierre-Robin-Sequenz) [P433]
Abb. 9.9 Algorithmus zur Behandlung der Fremdkörperaspiration im Kindesalter des ERC [F781-041]
Abb. 9.10 Vorschieben eines Fremdkörpers mittels endotrachealer Intubation [L143] Letztlich bleibt festzuhalten, dass die Extrahierung des Fremdkörpers durch den eigenen Hustenstoße immer noch die beste Waffe ist. Gelingt es hiermit nicht und bleibt es bei den Zeichen einer Partialobstruktion der Atemwege (Sauerstoffversorgung mittels Insufflation ausreichend, Kind bei Bewusstsein), so ist der sicherste Weg der, das Kind unter Sauerstoffgabe und ggf. Inhalation unter Beatmungs- und Intubationsbereitschaft mit Voranmeldung zeitnah in eine Klinik möglichst mit der Option der starren Bronchoskopie (HNO oder Kinderchirurgie) zu bringen. Der Vollständigkeit halber darf der chirurgische Atemwegszugang (FONA) bei Fremdkörperverlegung nicht fehlen. Der FONA ist, wenn überhaupt nur dann zu erwägen, wenn der Fremdkörper sicher oberhalb oder in der Stimmbandebene liegt, bei unklarer Position ist diese Maßnahme, abgesehen von deren Risiko an sich, keine Option. Zusammenfassung Grundsätzlich gilt „So viel wie nötig, so wenig invasiv wie möglich“.
Durchgeführte Therapie beobachten und für eine eventuelle Verschlechterung die nächsten Schritte vorhalten. Die Beobachtung der Atemfrequenz, der Vigilanz des Kindes, der Atemanstrengungen, des möglichen Stimmverlustes, von zunehmenden (progrediente Obstruktion) aber auch akut abnehmenden (drohende Erschöpfung) Atemwegsnebengeräuschen sind hier elementar. Besonders bei Trauma und Anaphylaxie müssen Maßnahmen zügig zur Besserung führen, sonst sind weiterführende invasivere Schritte frühzeitig zu erwägen. Für das bessere Verständnis der Eigenheiten des pädiatrischen „Airway“-Managements wurden im vorangehenden Kapitel die anatomischen und die physiologischen Besonderheiten des kindlichen Atemwegs beginnend mit Stigmata erschwerter Atemwegssicherung, der optimalen Kopfpositionierung, den Kehlkopfverhältnissen und des Sauerstoffumsatzes erläutert. Besondere Aspekte im Sinne der verwendeten Muskelrelaxanzien sowie des Equipments wurden genannt. Aufbauend auf diesen Empfehlungen, wurde das schrittweise Vorgehen bis hin zur Intubation mit Tipps und Tricks sowie der Erinnerung an die wesentlichen Ziele des erweiterten Atemwegsmanagements beschrieben: • Wenn möglich, eine kurze Beurteilung des Atemwegs des Kindes von außen durchführen (Stigmata wie kurzes Kinn oder Ohrmuschelfehlbildungen als Warnzeichen, LEMON-Akronym) und die physiologischen Besonderheiten seitens der Sauerstoffreserven und des Sauerstoffverbrauchs des Kindes bedenken. • Stufenweises Vorgehen zur Sicherung der Oxygenierung und Ventilation des Kindes mit Plan A – B – C nutzen und dies im Team kommunizieren. Initial ist stets die BMV und ein PEEP zum Offenhalten (für A) und zur weiteren Unterstützung der Atmung/zur Beatmung (B), da diese in > 90 % der Fälle auch bei anatomisch veränderten Bedingungen (Syndromen) hilfreich ist.
• Ziel ist es, dass der Thorax sich hebt und senkt, dies wann immer möglich mit der geringsten hierfür nötigen Invasivität, möglichst unter assistierter Spontanatmung. Nicht die Intubation rettet das Leben des Kindes, sondern der Sauerstoff im Blut!!! • Man muss seine Grenzen und Erfahrung kennen und nutzen, aktiv Hilfe anfordern, mögliche nächste Schritte antizipieren (kognitive Hilfen, Hoffmann et al. 2016). • Im Falle eines schwierigen Atemwegs/einer schwierigen unzureichenden Beatmungssituation eine adäquate Narkose mit Muskelrelaxierung bedenken. Da neben den funktionellen Aspekten (unzureichende Narkosetiefe, „Gegenpressen“ des Kindes) des schwierigen Atemwegs auch weitere anatomische Ursachen (Erkrankungen, angeborene oder erworbene Fehlbildungen) bedeutsam sind, wurden die häufigsten infektiösen und nichtinfektiösen Krankheitsbilder mit respiratorischen Affektionen sowie einige syndromale Erkrankungen nebst spezifischen Anmerkungen besprochen. Vom Pseudokrupp bis hin zur Atemwegsverlegung durch Fremdkörper wurden Empfehlungen zur Behandlung und zur Strategie eines möglichen Wegs zur Problemlösung u. a. anhand aktueller Leitlinien dargelegt.
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Kapitel 10: Besondere Umstände und Patientengruppen Mareike Soltau, Peter Tendahl
10.1. Der instabile Patient Mareike Soltau Fal l s ze nario An einem kalten Novembermorgen um 5:23 Uhr wird die Besatzung eines Rettungswagens zu einem 70-jährigen Patienten alarmiert, der wegen Atembeschwerden den Notruf abgesetzt hat. Bei Eintreffen sitzt der Patient im Flur auf einer Bank, atmet stark angestrengt und kann kaum sprechen. Der Atemweg erscheint frei, die Sauerstoffsättigung beträgt 70 %, die Atemfrequenz liegt bei 40/min und in der Auskultation zeigt sich ein fast nicht mehr hörbares Atemgeräusch mit leichtem Pfeifen. Die Finger sind kalt und die Rekapillarisierungszeit beträgt 5 Sekunden. Der Patient ist unruhig, stark gestresst und wirkt abwesend. Er kann alle Extremitäten bewegen und zittert stark an beiden Händen. Bis auf eine Adipositas und leichte
Unterschenkelödeme beidseits finden sich keine weiteren Auffälligkeiten. Instabilität bezeichnet einen Zustand, in dem der Patient nicht mehr erwartungsgemäß auf Maßnahmen reagiert und sich bereits in einem dekompensierten Stadium seiner Erkrankung befindet. Diese Patienten stellen die größte Herausforderung im präklinischen Management dar. Instabilität kann sich auf verschiedene Bereiche erstrecken und bei falschem Management zur akuten Lebensgefahr für den Patienten werden. In diesem Kapitel soll es daher darum gehen, wie man bei diesen Patienten vorausschauend die Atemwege sichert. Allen instabilen Patienten gemein ist, dass die Atemwegssicherung mit einer hohen Komplikationsrate behaftet ist. Die Indikation muss daher gut überprüft, das Team mental auf mögliche individuelle Notfallsituationen vorbereitet und der Patient in einem optimierten Zustand sein. Vor Beginn der invasiven Atemwegssicherung muss außerdem ein zweiter i. v. Zugang gelegt, das Monitoring inklusive EKG-Überwachung komplettiert werden und der Patient auf relevante Begleitumstände hin untersucht worden sein.
10.1.1. Das instabile A-Problem Sind die Atemwege bedroht, kann der Patient akut ersticken. Somit beginnt das richtige Atemwegsmanagement mit dem Erkennen des manifesten A-Problems. Dies ist nicht immer offensichtlich – insbesondere bei Patienten mit isolierter Dyspnoe und guter Oxygenierung, die kein hörbares pathologisches Atemgeräusch haben. Klassischerweise handelt es sich ursächlich meist um
entzündliche Prozesse der oberen Atemwege wie z. B. Abszesse des Mundbodens oder Rachens, um Fremdkörperaspirationen oder allergische Reaktionen. Körperliche Belastung, Stress oder Flachlagerung können über ein Zuschwellen der Schleimhäute zum akuten und unerwarteten Verlust des Atemwegs führen. Die Lösung dieses A-Problems ist unter Umständen schwieriger als bei einem Bewusstlosen mit schnarchender Atmung, bei dem die Atemwege nach Esmarch-Handgriff und Platzierung eines Guedel-Tubus wieder frei sind. Pathophysiologie bei Entzündungen der oberen Atemwege Durch kleine Verletzungen im Zahnfleisch, Parodontitis oder schlecht gepflegte Zähne können Bakterien unter die Schleimhaut der Mundhöhle gelangen. Hier können sie sich im Gewebe oder in abgekapselten Eiterhöhlen (Abszess) zu großen Schwellungen entwickeln. Abszesshöhlen sind meistens von entzündetem Gewebe umgeben. Eine Bakterienvermehrung im Gewebe selbst (Phlegmone) führt wie bei anderen Entzündungen infolge eines Ödems zu einer Schwellung. Das Gewebe ist verletzlich und stark durchblutet. Platzt ein Abszess, wird auf einmal viel entzündungsauslösendes Material freigesetzt. Dies kann eine massive Ödembildung verursachen und die Atemwege verlegen. Auch wenn sich die Prozesse im Mund abspielen, kann sich eine Schwellung über den Zungengrund hinaus bis in den tieferen Rachen ausbreiten. Abszesse können auch durch andere Infektionen entstehen, beispielsweise im Rahmen einer Mandelentzündung. Auch können sich in Lymphknoten, in die bakterienhaltige Lymphflüssigkeit von
anderen Infektionsorten transportiert wird, Abszesse bilden. So können auch die zahlreichen Halslymphknoten Ausgangspunkt einer Infektion mit nachfolgenden Abszessen sein. Klinik bei Entzündungen der oberen Atemwege Patienten mit einer Phlegmone oder einem Abszess im Kopf-HalsBereich haben oftmals nur eine leichte äußere Schwellung. In situ kann die Schwellung zwar stark fortgeschritten, muss aber nicht immer direkt von außen sichtbar sein. Die Patienten klagen meist nur über Dyspnoe, Halsschmerzen, Schluckbeschwerden und eventuell eine erhöhte Temperatur. Die angegebenen Beschwerden können leicht als banale Erkältung fehlinterpretiert werden. Einige der Patienten befinden sich bei Erstdiagnostik durch den Rettungsdienst bereits in einer Sepsis. Im Rahmen der körperlichen Untersuchung sollte die Mundhöhle mittels eines Mundspatels untersucht und hierbei insbesondere auf Asymetrien geachtet werden. Ist der Rachenbogen leicht und symmetrisch gerötet und die Beschwerden sind insgesamt milde, spricht dies eher für eine leichtere Erkrankung. Klassische latente Zeichen einer bereits bedrohlichen Atemwegsschwellung sind: • Speichelfluss und Unfähigkeit, Flüssigkeit zu schlucken • Verstärkung der Luftnot unter Belastung und Stress bei passender Anamnese und Untersuchung • Nackenschmerzen • Eingeschränkte Mundöffnung (Kieferklemme) • Verstärkung der Luftnot bei flacher Oberkörperposition • Strikt aufrechte Körperhaltung
• Besserung der Luftnot bei Reklination Bei inspiratorischem Stridor, Einziehungen am Hals während der Einatmung, Unruhe und Erstickungsangst besteht höchste Behandlungspriorität, da diese Patienten jederzeit dekompensieren können. Management bei Entzündungen der oberen Atemwege Initial sollte, nach Erkennen des Problems, eine Verneblung von unverdünntem Adrenalin erwogen werden. Der stark ausgeprägte lokale Effekt auf die Blutgefäße der Schleimhäute führt zu einem Rückgang der Schwellung und damit zu einer Verbesserung der Situation. Durch die Stresssituation des Patienten kommt es zu einer signifikanten Steigerung seiner Atemfrequenz. Unter forcierten Atembemühungen kann der Luftdurchfluss durch die engen oberen Atemwege so stark beeinträchtigt sein, dass sie dynamisch kollabieren und sich der Zustand des Patienten schnell verschlechtert. Der Effekt kann mit einem Strohhalm verglichen werden, durch den man schnell einzuatmen versucht. Achtung Auch mehrere erfolglose Venenpunktionsversuche können beim Patienten Stress verursachen. Hier sollte abgewogen werden, ob unbedingt ein Venenzugang erforderlich ist. Eine Atemwegssicherung kann eventuell so komplex sein, dass sie nur mit einem Bronchoskop in der Klinik gelingt. In dieser Situation
profitiert der Patient evt. von einem zügigen Transport in eine geeignete Zielklinik.
Patienten, die auf eine Adrenalinverneblung nicht mit einer Besserung der Symptomatik reagieren, haben aufgrund der Progredienz des Prozesses eine hohe Gefahr eines akuten Atemwegsverlust. Diese Patienten sollten schnellstmöglich in aufrechter Körperposition in eine Klinik mit Hals-Nasen-OhrenAbteilung und anästhesiologischer Anbindung transportiert werden. Insbesondere bei instabilen Patienten kann es sinnvoll sein, die nächstgelegene Klinik anzusteuern. Hier kann dann unter Umständen durch einen Anästhesisten eine bronchoskopische Atemwegssicherung unter deutlich besseren Bedingungen als im Rettungsdienst erfolgen. Auch weiterführende Maßnahmen wie z. B. eine Tracheotomie können bei Bedarf durchgeführt werden. Kommt es zu einer dynamischen Verschlechterung mit Vigilanzminderung, starker Atemanstrengung, insuffizienter Atmung und Oxygenierungsstörung trotz aller Maßnahmen, muss auch präklinisch eine Atemwegssicherung erfolgen. Eine supraglottische Atemwegshilfe ist bei schwerwiegenden entzündlichen Prozessen nicht sinnvoll, da sie Druck auf das geschwollene Gewebe ausübt und damit zum Verschluss der Atemwege beitragen kann. Der Ablauf der Atemwegssicherung beim instabilen AProblem kann folgender sein: • Oberkörper hoch lagern, Kopf-Hals-Position optimieren, z. B. sitzende Position auf der Trage.
• Präoxygenierung während der Vorbereitung mit dicht sitzender Maske und Beatmungsbeutel mit Reservoir, evtl. assistierte Maskenbeatmung. • Endotrachealtubus eine Größe kleiner als sonst (z. B. 7,0 statt 8,0), weitere kleinere Tuben griffbereit, einen Gum-ElasticBougie vorhalten. • Videolaryngoskopische Intubation ist der Standard; konventionelles Laryngoskop ebenfalls vorbereiten. • Bedingungen so gestalten, dass der erste Intubationsversuch gelingt • Ausreichend tiefe Narkose, Relaxierung mit Rocuronium und möglichst nicht mit Succinylcholin (Succinylcholin kann durch die Muskelfaszikulationen nach Applikation und die damit verbundene Gewebebewegung eine Verstärkung der Schwellung begünstigen); kreislaufstabilisierende Medikamente (Akrinor®, Noradrenalin 1 mg/100 ml) vorbereiten. • Narkoseeinleitung als RSI mit Maskenbeatmungsversuch. • Vorsichtige Laryngoskopie und Intubationsversuch, um die Weichteile nicht unnötig zu reizen. • Tubuswahl nach Inspektion der Glottisenge. • Nach einem erfolglosen Laryngoskopieversuch Koniotomie mit Skalpell erwägen. • Auf stärkere Blutung bei einer Koniotomie vorbereitet sein (ausreichend Kompressen bereithalten). Die Indikation für ein invasives Atemwegsmanagement muss bei dieser Patientenklientel eng gestellt werden. Ein zügiger Transport sollte immer gegen die Intubation vor Ort abgewogen werden.
Praxistipp Bei Insektenstichen in den Atemwegen kann eventuell die zügige Gabe von Prednisolon i. v. zusammen mit einer hochkonzentrierten Adrenalinverneblung zusätzlich hilfreich sein. Bei einer schweren anaphylaktischen Reaktion und Atemwegsschwellung sollte an die Gabe von Adrenalin i.m. gedacht werden.
10.1.2. Das instabile B-Problem Patienten mit Atemnot aufgrund eines B-Problems lassen sich oft mit einer medikamentösen Therapie und einer NIV erfolgreich behandeln. Reagiert der Patient nicht mit einer Verbesserung auf die eingeleitete Behandlung, kann im späteren Verlauf eine Atemwegssicherung notwendig werden. Es gibt drei pathophysiologische Ursachen für ein B-Problem: ein Versagen der Atemmuskulatur (Atempumpe), ein Problem der luftleitenden Atemwege und eine Verlängerung der Diffusionsstrecke zwischen Blut und Alveolarraum. Versagen der Atempumpe Eine länger bestehende Atemnot kann aufgrund der muskulären Erschöpfung der Atemmuskulatur Patienten zusätzlich gefährden. Die unzureichende Atmung verursacht eine CO2-Retention mit respiratorischer Azidose. Neben anderen Faktoren schwächt diese die Funktion des Zwerchfells und es kommt zu einer weiteren Verschlechterung der respiratorischen Situation.
Ein typisches Beispiel ist ein Patient mit exazerbierter COPD, der frühmorgens den Rettungsdienst alarmiert und bereits die ganze Nacht unter starker Dyspnoe mit entsprechender Atemanstrengung gelitten hat. Jede weitere Steigerung der Atemarbeit durch Stress, körperliche Belastung, Husten und Sekretmobilisation kann zu einer Dekompensation beitragen/führen. Deshalb ist Vorsicht auch bei folgenden Punkten geboten: • Sich lösendes Sekret im Rahmen der Inhalationstherapie • Die Mobilisation des Patienten, z.B. wenn er nur wenige Schritte zur Tür geht • Eine ungünstige Körperposition während des Transfers aus der Wohnung in den Rettungswagen. Verschiedene neuromuskuläre Erkrankungen verschlechtern chronisch die Kapazität der Atempumpe. Dazu gehören neurodegenerative Erkrankungen wie z. B. die amyotrophe Lateralsklerose (ALS), aber auch eine Querschnittlähmung im oberen Brustwirbelsäulen- oder im Halswirbelsäulenbereich. Eine Pneumonie oder ein Sekretverhalt im Bronchialsystem kann den Zustand des Patienten in eine dekompensierte Situation überführen. Folgende Anzeichen des Patienten können auf eine Dekompensation hinweisen: • Schaukelatmung zwischen Thorax und Abdomen • Erhöhung der Atemfrequenz bei gleichzeitiger Verminderung der Atemtiefe • Verschlechterung der Vigilanz
In diesen Situationen sollte sich das Rettungsteam auf eine drohende Reanimationssituation vorbereiten. Die Atemmuskulatur kann bei drohendem Versagen mechanisch mittels einer NIV-Therapie unterstützt werden. Diese reduziert die Atemarbeit und damit den Sauerstoffverbrauch der Atemmuskulatur und verbessert so die Oxygenierung des Patienten. Darüber hinaus wirkt sie einer Hyperkapnie entgegen und kann somit die Gesamtsituation des Patienten optimieren. Führt die NIV-Therapie nicht zum Erfolg führt, ist eine invasive Beatmung unumgänglich. Bronchoobstruktion Oft lassen sich Patienten mit Bronchoobstruktion durch eine Inhalation mit bronchodilatierenden Medikamenten erfolgreich behandeln. Patienten, die nicht mit einer Verbesserung auf das initiale Management aus Lagerung und medikamentöser Therapie reagieren, sind instabil und erfordern eine unverzügliche Behandlungseskalation. Wird bei diesen Patienten keine ausreichende Ausweitung der Maßnahmen ergriffen, kann es zu einer Zustandsverschlechterung bis hin zum Tod kommen. ➤ Abb. 10.1 zeigt, warum sich Patienten mit Bronchoobstruktion immer weiter verschlechtern können. Zu beachten ist, dass beim Einsatz von beta-2-Sympathomitika eine Dosiserhöhung ohne nennenswerten Effekt bleibt, da durch die angegebene Höchstdosis im Regelfall bereits alle Rezeptoren besetzt sind. Eine Erhöhung der Dosis über dieses Maß hinaus führt in der Regel nur zu einer Zunahme der Nebenwirkungen des Medikamentes.
Abb. 10.1 Pathophysiologie der schweren Bronchoobstruktion und therapeutische Angriffspunkte nichtinvasiver und invasiver Beatmung (NIV, INV) [P1384, L143]
Praxistipp Magnesiumsulfat ist ein potentes Medikament zur Relaxierung der glatten Muskulatur. Es wirkt bronchodilatierend und kann bei unzureichendem Anschlagen der übrigen Medikamente eine Verbesserung des Patientenzustands bewirken. Eine langsame
Injektion von 1 g Magnesiumsulfat oder als Kurzinfusion reduziert das Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen wie z. B. ein Flushgefühl oder Herzrythmusstörungen.
Die bedauerlicherweise weitverbreitete Meinung, ein COPDPatient würde wegen eines vermeintlichen hypoxiegetriggerten Atemantriebs keinen Sauerstoff benötigen, ist falsch und spielt im rettungsdienstlichen und klinischen Notfallmanagement keine Rolle. Vielmehr führt das Vorenthalten von Sauerstoff zu einer Verschlechterung des Patienten. Die Gabe von Sauerstoff kann die Atemfrequenz senken und die Sauerstoffversorgung der Atemmuskulatur verbessern. Die Atemfrequenz wird als dynamischer Vitalparameter in der 1 : 1-Betreuung durch das Rettungsdienstpersonal kontinuierlich überprüft. Die Sorge vor einer Abnahme des Atemminutenvolumens mit unbemerkter CO2Retention und CO2-Narkose ist somit unbegründet. Im Rahmen der Sauerstofftherapie sollte ein Abfall der Atemfrequenz oder eine zunehmende Vigilanzminderung nicht automatisch zu einer Reduktion der Sauerstofftherapie führen, da beides auch Anzeichen für eine Zunahme der Dekompensation durch Erschöpfung der Atmung sein kann. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sollte eine mechanische Unterstützung der Atmung (nicht-invasiv oder invasiv) erfolgen. Praxistipp Gemäß S2k-Leitlinie zur Anwendung der nichtinvasiven Ventilation (NIV) bei akuter respiratorischer Insuffizienz kann ein
NIV-Versuch auch bei Bewusstseinsstörung infolge einer Hyperkapnie unter engmaschiger klinischer Überwachung des Patienten erfolgen. Kommt es unter einer NIV-Therapie nicht zu einer zeitnahen Besserung der respiratorischen Situation des Patienten, dann ist dessen Atemweg mittels endotrachealer Intubation zu sichern und eine invasive Beatmung indiziert.
Die nichtinvasive Beatmung entlastet die Atemmuskulatur und sorgt somit für eine bessere Atemmechanik. Im Rahmen einer obstruktiven Erkrankung werden die kleineren Bronchiolen durch den PEEP offen gehalten, das Air-Trapping und damit die Überblähung der Lunge verhindert. Durch die Verbesserung der Atemmechanik wird zudem einer Hyerkapnie entgegen gewirkt. Bei der Einstellung am Beatmungsgerät sollte zunächst ein PEEP von 5 cmH2O und ein Unterstützungsdruck von 5 cmH2O gewählt werden. Mit dieser Einstellung kommen die meisten Patienten ohne Beklemmungsgefühl zurecht. Im weiteren Verlauf wird die Einstellung individualisiert. Der Fokus liegt auf der Druckunterstützung und weniger auf der Applikation eines hohen PEEP. Reevaluiert wird unter der NIV-Therapie der allgemeine Patientenzustand, die etCO2-Entwicklung und das Atemminutenvolumen. Die NIV kann auch als Überbrückungstherapie bei geplanter invasiver Atemwegssicherung eingesetzt werden. So kann der Patientenzustand vor Narkoseeinleitung verbessert und ein kritisches Absinken der Sauerstoffsättigung während der Intubation vermieden werden.
Verlängerung der Diffusionsstrecke Ein Gewebeödem im Bindegewebe zwischen Alveolarraum und Blutgefäßen oder Flüssigkeit in den Alveolen verlängert die Strecke, die Sauerstoff und Kohlenstoffdioxid beim Gasaustausch zurücklegen müssen. Ursachen sind z. B. ein Linksherzversagen, eine Lungenentzündung, ein toxisches Lungenödem oder eine generalisierte starke Überwässerung des Körpers bei z. B. Nierenversagen. Sauerstoff hat eine geringere Diffusionskapazität als Kohlenstoffdioxid. Die Sauerstoffversorgung des Körpers sinkt also, bevor es zu Auffälligkeiten in der CO2-Abatmung kommt. Hierdurch zeigt sich ein wesentlicher klinischer Unterschied zur Bronchoobstruktion, bei der zunächst eine Hyperkapnie und erst im Verlauf eine Hypoxämie auftritt. Sauerstoffgabe, aufrechte Körperposition und eine medikamentöse Therapie sind die Basismaßnahmen bei diesen Patienten. Bei stark angestrengter Atmung kann die Atemmuskulatur versagen. Die Anzeichen hierfür entsprechen denen bei der Bronchoobstruktion. Sofern die Basistherapie nicht ausreicht, kommt auch hier eine NIV-Therapie zum Einsatz. Die Einstellungen am Gerät entsprechen zu Therapiebeginn denen beim hyperkapnischen Lungenversagen (s. o.): ein PEEP von 5 cmH2O und eine Druckunterstützung von 5 cmH2O. Abhängig vom individuellen Atemzugvolumen wird der Unterstützungsdruck angepasst. Ein hoher PEEP ist wünschenswert, um möglichst eine größere Anzahl an Alveolen offen zu halten. Dadurch kommt es zu einer Vergrößerung der Lungenfläche, die am Gasaustausch teilnimmt. Gleichzeitig wird dem hohen Wasserdruck im Bindegewebe zwischen Alveolen und Blutgefäßen ein erhöhter Druck in der Lunge entgegengesetzt. So kann Flüssigkeit aus diesem
Geweberaum mittelfristig verdrängt und über die Blutgefäße entfernt werden. Dies trägt zu einer Verkürzung der Diffusionsstrecke bei. Die NIV-Therapie senkt außerdem beim Linksherzversagen die Vorlast und schafft damit Entlastung für den linken Ventrikel. So verbessert sich sukzessive die Herzfunktion. Atemwegssicherung Nach Ausschöpfen der Basismaßnahmen und bei ausbleibender Verbesserung des Patientenzustands unter NIV-Therapie ist eine invasive Beatmung nötig. Bei Patienten mit B-Problem liegt in diesem Stadium oft auch schon ein zirkulatorisches Problem vor. Bedingt durch Azidose, Hypoxämie oder begleitende Sepsis ist der Blutgefäßtonus gestört. Alle drei Faktoren können zudem auch Herzrhythmusstörungen auslösen. Spätestens in diesem Stadium der Erkrankung sollte eine Reanimationsbereitschaft hergestellt werden. Ein Herz-Kreislauf-Stillstand kann auch im Rahmen der Atemwegssicherung auftreten. Mögliche Ursachen sind: • Vasodilatierende Narkosemittel • Linksherzversagen (kardiales Lungenödem) • Rechtsherzversagen (schwere Bronchoobstruktion bei höhergradiger COPD mit chronischer Rechtsherzbelastung) • Herzrhythmusstörungen • Sepsis bei Pneumonie • Hypoxie während der Atemwegssicherung Bei einigen der Patienten kann es notwendig sein, noch vor Ort eine invasive Sicherung der Atemwege und eine kontrollierte
invasive Beatmung durchzuführen. Diese Maßnahme muss u.U. auch unter ggf. suboptimalen Bedingungen am Notfallort geschehen. Zur Vorbereitung befindet sich der Patient in sitzender Position oder mit erhöhtem Oberkörper unter Fortführung der bereits laufenden NIV-Therapie. Eine NIV hat den Vorteil, dass die Lunge unter den bestehenden Umständen bestmöglich belüftet ist. Sie bietet in dieser Situation die beste Form der Präoxygenierung. Die Narkoseeinleitung führt regelmäßig zu einer Veränderung der Kreislaufsituation. Ist der Patient bereits vorher kreislaufinstabil, kann als beste Medikamentenkombination Esketamin, Midazolam und Succinylcholin oder Rocuronium verwendet werden. Propofol und Opioide wirken stärker vasodilatierend und können bei diesen Patienten schwere Hypotonien auslösen. Morphin eignet sich nicht zur Narkoseinduktion aufgrund seiner schwachen Potenz zur Reflexdämpfung bei der Intubation. Die Medikamentenauswahl ist analog zu Patienten mit isoliertem C-Problem (s. u.). Vorausschauend sollten in dieser Situation bereits kreislaufunterstützende Medikamente vorbereitet werden. Da diese Patienten äußerst kritisch sind und nur eine geringe bis gar keine Apnoetoleranz zeigen, ist bei Narkoseeinleitung mit einem Abfall der peripheren Sauerstoffsättigung zu rechnen. Deshalb wird diese und die Intubation zügig durchgeführt. Bei einem Scheitern des Intubationsversuches wird unverzüglich eine Zwischenbeatmung mit Beutel und Maske begonnen und ein alternatives Vorgehen abgestimmt. Die Narkoseeinleitung sollte erst erfolgen, wenn mehrere Rückfallebenen zur Atemwegssicherung vorbereitet sind. Ein Briefing unmittelbar vor der Narkoseeinleitung mit geschlossener Kommunikation ist sinnvoll (➤ Kap. 4, ➤ Kap. 8).
Achtung Indikationen für die invasive Beatmung beim instabilen B-Problem sind: • Vigilanzminderung ohne Tendenz zur Besserung • Verschlechterung unter der ausgeschöpften Therapie • Fehlende NIV-Toleranz des Patienten, wenn diese erforderlich ist • Veränderung des Atemmusters (Schaukelatmung, Atempausen, zügiger Abfall der Atemfrequenz) • Aspirationsgefahr • Aufgehobene Schutzreflexe
Die endotracheale Intubation ist einer supraglottischen Atemwegshilfe vorzuziehen, wenngleich letztere möglich ist. Die Möglichkeiten der geplanten invasiven Beatmung sind bei einer Beatmung über einen Endotrachealtubus vielfältiger, insbesondere bei den Beatmungsdrücken. Leckagen sind selten, kommen allerdings bei hohen Beatmungsdrücken über einen Larynxtubus oder eine Larynxmaske vor.
10.1.3. Das instabile C-Problem Eine Instabilität des Kreislaufs liegt dann vor, wenn alle Kompensationsmechanismen des Körpers zur Versorgung seiner lebenswichtigen Organe ausgeschöpft sind. Anzeichen der Instabilität sind ein deutlicher Blutdruckabfall und
Vigilanzminderung als Ausdruck einer reduzierten Hirndurchblutung. Unter laufender Katecholamintherapie kann ein stark ansteigender Katecholaminbedarf ebenfalls auf eine dekompensierte Kreislaufsituation hinweisen Eine Kreislaufinstabilität ist heutzutage keine alleinige Indikation für ein invasives Atemwegsmanagement. Ziel ist die Verbesserung der Organoxygenierung durch Sicherung eines adäquaten Perfusionsdrucks und hochdosierter Sauerstoffgabe. In einzelnen Fällen kann dennoch eine invasive Sicherung der Atemwege erforderlich sein, insbesondere wenn durch eine zirkulatorisch bedingte Vigilanzminderung eine selbständige Sicherung der Atemwege nicht mehr möglich ist oder die Funktion der Atemmuskulatur und damit die Atemmechanik gestört ist. Bei einer zirkulatorisch bedingten Vigilanzminderung kann z. B. das selbstständige Offenhalten der Atemwege oder die Funktion der Atemmuskulatur gestört sein, sodass eine Atemwegssicherung und eine kontrollierte Beatmung erforderlich werden. Außerdem treten C-Probleme bei vielen Notfallpatienten auf, deren Atemwege aus anderen Gründen gesichert werden müssen. Bei diesen Patienten steigt die Komplikationsgefahr durch das CProblem deutlich, selbst bei einem kompensiertem Schockgeschehen. Vor der Atemwegssicherung eines Patienten mit C-Problem ist eine Stabilisierung des Kreislaufs erforderlich: Bei einem Volumenmangel- oder distributiven Schock kann dafür schon ein Volumenbolus ausreichend sein. Bei allen Schockarten ist die Therapie mit Noradrenalin Mittel der ersten Wahl, wenn trotz Volumen- und Lagerungstherapie weiterhin eine Hypotonie mit
Zeichen einer Organminderperfusion wie z. B. Vigilanzminderung besteht. Achtung Der obstruktive Schock kann nur durch eine kausale Therapie, die die Ursache der Obstruktion behebt, behandelt werden. Beim kardiogenen Schock kann präklinisch eine differenzierte Katecholamintherapie und eine Überdruckbeatmung (invasiv oder nichtinvasiv) helfen. Der Überdruck in der Lunge reduziert die linksventrikuläre Vorlast und kann bei einer Linksherzdekompensation zur Entlastung führen. Einige Patienten mit Rechtsherzversagen profitieren von einer vorsichtigen Volumengabe zur Erhöhung der Vorlast. Vor der Bolusgabe einer kristalloiden Infusion kann durch eine kurzzeitige „Schocklagerung“ überprüft werden, ob der Patient von einer Vorlasterhöhung profitiert („passive leg raise test“).
Die Besonderheit der Atemwegssicherung eines Patienten mit instabilem Kreislauf liegt darin, dass sie nach Indikationsstellung meist so lange hinausgezögert wird, bis der Kreislauf optimiert ist. Hierbei ist sorgfältig darauf zu achten, dass keine weitere ursächliche Verschlechterung entsteht, die die Notfallsituation weiter eskaliert. ➤ Tab. 10.1 fasst mögliche Maßnahmen zur Kreislaufstabilisierung zusammen. Bei nicht stabilisiertem Kreislauf kann es zu einem unumkehrbaren Schockgeschehen nach Narkoseeinleitung mit unter Umständen tödlichem Ausgang kommen.
Tab. 10.1
Vorbereitung des Patienten mit Schock und geplanter
Atemwegssicherung Kompensierter Schock • Anlage eines 2. oder 3. i. v. Zugangs • Gabe eines Volumenbolus, wenn die Schockform dies erlaubt (s. o.) • Flachlagerung des Patienten oder nur leichte Hochlagerung des Oberkörpers • Vorbereitung der Narkosemedikamente • Vorbereitung von Akrinor® oder Noradrenalin 10 μg/ml • Behandlung etwaiger Herzrhythmusstörunge n (Vorsicht mit Betablockern)
Dekompensierter Schock • Anlage eines 2. oder 3. i. v. Zugangs • Gabe eines Volumenbolus, wenn die Schockform dies erlaubt (s. o.) • Flachlagerung des Patienten außer bei kritischem B-Problem • Vorbereitung der Narkosemedikamente • Vorbereitung Noradrenalin 10 μg/ml und Adrenalin 10 μg/ml • Beginn einer Noradrenalintherapie über einen Perfusor (cave: Perfusor und Blutdruckmessung nicht am selben Arm, da sonst bei jeder Messung die Medikamentengabe unterbrochen wird und ohne zusätzliche Volumeninfusion am selben Zugang um Bolusgaben zu verhindern)
Medikamente zur Narkoseeinleitung
Propofol spielt bei der Narkoseeinleitung eines kreislaufinstabilen Patienten eine untergeordnete Rolle. Auf der Intensivstation kann aufgrund der vorangehenden Kreislaufoptimierung unter besten Bedingungen oft sicher mit Propofol gearbeitet werden. Im Rettungsdienst gelingt eine so zielgerichtete Patientenverbesserung nicht und die Umstände sind unübersichtlich. Das Hypnotikum der Wahl ist daher Midazolam. In Kombination mit Esketamin kann eine Hypotonie nach Narkoseeinleitung sehr gut verhindert werden. Die Sedierung kann im Anschluss mit einem Propofolperfusor fortgeführt werden. Hier reichen oft schon Dosierungen von 2–3 mg/kg KG/h, was der Hälfte bis ein Drittel der üblichen Narkosedosis im OP entspricht. In der Kombination von Opioiden und Midazolam treten Hypotonien deutlich häufiger auf als mit Esketamin. Diese lassen sich mit Noradrenalin jedoch meist gut behandeln. Praxistipp Praktische Vorbereitung kreislaufunterstützender Medikamente zur präklinischen Narkoseeinleitung: • Akrinor®: entweder unverdünnt aufgezogen oder 2 ml + 8 ml NaCl 0,9 % – Übliche Dosierungen: unverdünnt 0,5 bis 1 ml; verdünnt 2 bis 4 ml • Noradrenalin: 1 mg Noradrenalin + 100 ml NaCl 0,9 % Wenn keine 100 ml NaCl 0,9 % vorgehalten werden: 1 mg Noradrenalin + 9 ml NaCl 0,9 % (100 μg/ml) → davon 1 ml + 9 ml NaCl 0,9 % (10 μg/ml)
Achtung: Fehlapplikation aufgrund von Verdünnungsfehlern: Spritzen beschriften – Übliche Dosierung: 10–20 μg = 1–2 ml als Bolus – Bei zu hoher Dosis kann es zu einem sehr starken Blutdruckanstieg mit Abfall der Herzfrequenz kommen. • Noradrenalinperfusor: 5 mg Noradrenalin + 45 ml NaCl 0,9 % (0,1 mg/ml) – Mögliche Laufrate zu Beginn der Therapie: 2–5 ml/h Achtung: Ein Katecholaminperfusor darf nicht mit einer Infusion oder anderen Medikamenten zusammen angeschlossen werden. Perfusorleitung mit Rückschlagventil versehen und direkt an den separaten i. v. Zugang anschließen. • Adrenalin: analog zu Noradrenalin vorzubereiten, auch als Perfusor – Übliche Dosierung: 2–10 μg = 0,2–1 ml als Bolus – Anwendung bei Patienten, bei denen Noradrenalin beispielsweise wegen einer schweren Azidose oder einer fortgeschrittenen Kreislaufdekompensation nicht mehr ausreichend wirkt. Adrenalin verursacht eine stärkere Vasokonstriktion als Noradrenalin, allerdings auch tachykarde Herzrhythmusstörungen. Es wirkt über die ßStimulation positiv inotrop, solange die Dosierung nicht zu hoch gewählt ist. Wie auch bei Noradrenalin kann es zu schweren Hypertensionen kommen.
Durchführung der Atemwegssicherung Vor der Intubation sind wie bei jeder Atemwegssicherung Alternativen zur gewählten Methode vorzubereiten. In der Regel wird endotracheal mit dem Videolaryngoskop (Macintosh-Spatel) intubiert, da dies die Erfolgsrate beim ersten Versuch steigert (First Pass Success). Bei Personal, das nicht regelmäßig endotracheal intubiert, stellt die Larynxmaske zwar eine Alternativmöglichkeit dar, allerdings fehlt in dem Fall der dringend benötigte Aspirationsschutz. Ein Larynxtubus sollte wegen erhöhter Nekrosegefahr der Schleimhäute nicht eingesetzt werden.
10.1.4. Das instabile D-Problem Patienten mit D-Problem sind bei Instabilität meist von einer Verschlechterung der Oxygenierung betroffen. Aufgrund einer zunehmenden Bewusstseinsstörung können die Schutzreflexe beeinträchtigt sein. Ursachen können Schlaganfälle, ein SchädelHirn-Trauma, Intoxikationen oder ein Status epilepticus sein. Zusammenfassung • Instabilität ist ein Zustand, bei dem der Patient nicht mehr auf die therapeutischen Maßnahmen in erwartbarem Umfang anspricht. • Patienten mit instabilem A-Problem haben ein hohes Risiko für einen schwierigen Atemweg bei der Atemwegssicherung. Unter Umständen kann der Atemweg nur innerklinisch gesichert werden.
• Patienten mit einem B-Problem können sich schon durch kleine Maßnahmen wie einen Lagerungswechsel verschlechtern. Sie haben eine geringe Apnoetoleranz während der Narkoseeinleitung. Oft besteht im fortgeschrittenen Stadium gleichzeitig ein C-Problem. • Bei einem C-Problem muss der Kreislauf des Patienten vor Narkoseeinleitung und Atemwegssicherung nach Möglichkeit optimiert werden. Das reine Vorliegen eines C-Problems allein ist keine Indikation für eine Atemwegssicherung. • Beim instabilen D-Problem zielt die Atemwegssicherung darauf ab, Folgeschäden aufgrund reduzierter oder aufgehobener Schutzreflexe zu verhindern.
10.2. Der Traumapatient Mareike Soltau Fal l s ze nario In einem innerstädtischen Kreuzungsbereich ist an einem sonnigen Herbsttag ein Fahrradfahrer von einem PKW erfasst worden. Der Fahrradfahrer liegt bei Eintreffen des Rettungsdienstes auf der Straße und schreit vor Schmerzen. Das linke Bein ist grob fehlgestellt und der Helm, den er getragen hat, ist zerborsten. Sein Gesicht ist blutüberströmt und die Windschutzscheibe des Autos weist auf einen dortigen Aufprall hin.
Bei der ABCDE-Untersuchung zeigt sich ein freier Atemweg, jedoch sind mehrere Zahnfragmente und viel Blut im Mund zu sehen und der Mund kann nicht gut geöffnet werden. Bei B zeigt sich eine beschleunigte Atemfrequenz ein SpO2-Wert von 99 %, die Lunge ist seitengleich belüftet. Die Rekapillarisierungszeit beträgt 1 Sekunde und der Radialispuls ist kräftig tastbar. Der Patient fragt immer wieder, was passiert sei und kann sich an den Unfall nicht erinnern. Er ist unruhig und bewegt alle Extremitäten. Neben dem fehlgestellten linken Bein ist noch eine Kopfplatzwunde zu sehen. Ein Trauma führt durch die gewaltsame, äußere Einwirkung zu einer akuten Änderung in der Körperphysiologie. Lokale und generalisierte Reaktionen treten in Abhängigkeit von der Schwere und Summe der Verletzungen auf. Nur wenige der Traumapatienten benötigen eine Sicherung der Atemwege. Zu differenzieren ist hierbei zum einen eine vorsorgliche Atemwegssicherung, um ein akutes AProblem zu verhindern und zum anderen eine Atemwegssicherung zur Verbesserung der Gewebeoxygenierung und der CO2-Elimination aus dem Körper. Typische Indikationen für eine Atemwegssicherung beim Traumapatienten sind: • Bewusstlosigkeit oder höhergradige Vigilanzstörung • Anhaltendes B-Problem bei einem Thoraxtrauma trotz Therapie • Hohe Querschnittlähmung mit respiratorischer Insuffizienz • Traumabedingter Herz-Kreislauf-Stillstand
• Grenzwertige Zustände v. a. bei B-, C- und D-Problemen vor dem luftgebundenen oder langen bodengebundenen Transport • Drohender Atemwegsverlust bei direktem Trauma gegen den Hals und Mittelgesichtsverletzungen Das Atemwegsmanagement bei Patienten mit HWS- oder SchädelHirn-Trauma wird in den folgenden Kapiteln thematisiert. Instabile Traumapatienten werden analog zu Patienten mit Instabilität aufgrund anderer Ursachen behandelt. Allerdings kann das Atemwegsmanagement durch die Halswirbelsäulenimmobilisation erschwert werden. Genaueres hierzu findet sich im ➤ Kap. 10.1 und ➤ Kap. 10.3. Beim traumabedingten Herz-Kreislauf-Stillstand gibt es keine Unterschiede im Vorgehen der Atemwegssicherung zur üblichen Reanimationssituation. Aufgrund des Traumas kann es im Verlauf zu Beatmungskomplikationen, z.B. einem Spannungspneumothorax, kommen. Deshalb wird häufiger die Beatmung reevaluiert, als dies bei einer Reanimation aufgrund einer internistischen Ursache nötig wäre.
10.2.1. Atemwegsmanagement bei Mittelgesichtsund Halsverletzungen Bei Verletzungen des Mittelgesichts bzw. des Halses ist grundsätzlich von einem erschwerten Zugang zu den Atemwegen auszugehen. Zu beachten ist, dass einige dieser Patienten nur mit erweitertem Equipment im Krankenhaus sicher endotracheal intubiert können. Zur Atemwegssicherung bei einem deratigen Verletzungsmuster wird die Indikation zur Sicherung der Atemwege streng im Hinblick auf
Nutzen und Risiko geprüft. Die Indikation zur Atemwegssicherung sollte nicht aufgrund genereller Empfehlungen oder von einzelnen Parametern wie der GCS abhängig gemacht werden. Sie orientiert sich allein am individuellen Patientenzustand und den erwartbaren Komplikationen. Somit sollte sich ein Präkliniker immer die Frage stellen, ob das gewünschte Therapieziel mit den eigenen, realistisch eingeschätzten Fähigkeiten im Rahmen des Atemwegsmanagements, möglicherweise auch mit anderen Mitteln zu erreichen ist. Frakturen des Gesichtsschädels zeigen eine hohe Einwirkung kinetischer Energie auf den Kopf. Ein begleitendes Schädel-HirnTrauma ist wahrscheinlich. Durch die gute Durchblutung sowohl des Gesichts als auch der Nasen- und Mundschleimhaut kommt es durch die Hämatombildung schnell zu Schwellungen. Es gibt sechs typische Situationen mit problematischen Atemwegsverhältnissen bei Mittelgesichtsverletzungen: • Bei einer Fraktur des Oberkiefers kann dieser nach hinten in den Schädel hinein disloziert sein und somit den Nasenrachenraum verlegen. • Starke Blutungen und offene Wunden der Mund-NasenRachenschleimhaut führen zu starker Schwellung und fehlender Sicht auf die eigentlichen Atemwege. • Mehrfachfrakturen des Unterkiefers können die Fixierung der Zunge am Knochenapparat beeinträchtigen, sodass sie bei Bewusstlosigkeit unphysiologisch weit in den hinteren Mundrachenraum disloziert und die Atemwege stärker verlegt als üblich. • Allmähliche Schwellungen in den nicht von außen sichtbaren oberen Atemwegen durch Hals-, Halswirbelsäulen- und
Rachenverletzungen können einen schleichenden Verschluss der oberen Atemwege verursachen. Bei einem Intubationsversuch sind die Atemwege eventuell unerwartet eng. • Knochenfragmente, frakturierte Zähne, ab- und eingerissene Schleimhautlappen, Blut und Erbrochenes können auf jeder Ebene der oberen Atemwege Verlegungen verursachen. • Ein direktes Trauma gegen den Hals (stumpf oder penetrierend) kann die Kehlkopfstrukturen verletzen. Knorpelfrakturen, Dislokationen der Stimmbänder, Risse in Schleimhaut und Epiglottis oder eine Dislokation von Trachealspangen bewirken möglicherweise einen akut verlegten Atemweg. Gleichzeitig ist die Sicherung dieses Atemwegs mit einer endotrachealen Intubation sehr fehleranfällig für eine ungewollte Tubusfehllage im umgebenden Weichteilgewebe. In dieser Situation kann eine zügige Entscheidung zur chirurgischen Atemwegssicherung lebensrettend sein. Die Skalpell-Bougi-Koniotomie ist bei derart veränderter Anatomie der sicherere Weg (im Vergleich zur Punktionskoniotomie), sollte aber im Notfall nur vom geübten Fachpersonal durchgeführt werden. Diese Verletzungsmuster präklinisch ohne Bildgebung herauszufinden, erfordert eine Kenntnis darüber, welcher Unfallmechanismus vorgelegen hat. Außerdem hilft eine genaue, aber schonende Untersuchung der Kopf-Hals-Region unter manueller Inline-Stabilisierung und eine Schärfung des Problembewusstseins: aufgrund des feinen Aufbaus im Mittelgesichts- und Halsbereich können schon vermeintlich kleine
Verletzungen die oben beschriebenen erheblichen Auswirkungen haben. Durch die genaue Beobachtung des Patienten während der Versorgung können unvorhergesehene Notfallsituationen verhindert werden. Die Anlage einer HWS-Orthese ist bei Mittelgesichts- und Halsverletzungen nur in wenigen Einzelfällen sinnvoll und oftmals sogar kontraindiziert. Die HWS-Orthese kann vorhandene Verletzungen verschlimmern (z. B. durch Frakturdislokationen im Kieferbereich) und ein drohendes A-Problem manifestieren. Gleichwohl ist eine Halswirbelsäulenimmobilisation bei diesen Patienten notwendig; Verletzungen der Halswirbelsäule und des oberen Rückenmarks gehören neben Schädel-Hirn-Verletzungen zu den häufigsten Begleitverletzungen. Bei einem Viertel bis zu einem Drittel aller Patienten mit einer Mittelgesichtsverletzung liegt gleichzeitig eine zerebrale Verletzung vor. In diesen Fällen sollte die Immobilisation mittels Headblocks durchgeführt werden. Sind keine Headblocks vorhanden, kann mittels zusammengerollter Decken die Fixierung der Halswirbelsäule improvisiert werden. Patienten mit starker Blutung in den Atemwegen können jedoch bei Flachlagerung aufgrund der Immobilisation größere Mengen Blut aspirieren. Praxistipp Beurteilung des Kopf-Hals-Bereichs bei Mittelgesichtsverletzungen: • Körperliche Untersuchung des Patienten: Ist das Gesicht merkwürdig flach oder eingefallen? Gibt es Asymmetrien von Ober- und Unterkiefer, der Nase oder den Augenhöhlen? Ist
die Zahnleiste fehlgestellt? Blutet es aus den Körperöffnungen? • Den wachen Patienten bitten, seine Zähne mit der Zunge zu ertasten. Ist das Gebiss vollständig? Hat er Zahnschmerzen? Schmeckt er Blut? Ertastet er Verletzungen der Mundschleimhaut? Spürt er beim Zusammenbeißen eine Unregelmäßigkeit der Zahnleisten? • Den Patienten auffordern, den Mund weit zu öffnen: Gelingt dies oder spürt er eine Blockade? Sind Verletzungen oder Schwellungen zu erkennen? Kann er die Zunge normal bewegen? • Dem Patienten mit der flachen Hand jeweils das linke und dann das rechte Auge zuhalten: kann er mit beiden Augen gut sehen? Hat er Doppelbilder beim Sehen mit beiden Augen? Hat er Beschwerden, wenn er seine Augen bewegt und den Blick schweifen lässt? • Kann er ungehindert durch die Nase und den Mund atmen? Ist die Atmung so wie immer? • Spricht er kloßig bzw. ist die Sprachproduktion verwaschen trotz eines normalen neurologischen Zustands? Vor allem scharfe Laute wie S, Z und SCH können beeinträchtigt sein. • Kann er ungehindert schlucken, den Mund öffnen und auch tiefe schnelle Atemzüge ohne Atemgeräusche tätigen? • Sieht man bei genauer Inspektion Asymmetrien, Hämatome oder Wunden des Halses von außen? Bildet sich im Verlauf eine Schwellung aus?
• Vorsichtig die Trachea und Kehlkopf tasten: ist beides mittig? Spürt man verschobene Knorpelanteile? Hat der Patient hier Schmerzen oder das Gefühl, etwas sei verhakt?
Die Atemwegssicherung von Patienten mit Mittelgesichts- und Halsverletzungen erfordert die volle Konzentration des Teams, da das Komplikationsrisiko sehr hoch ist. Andere Maßnahmen sind in diesem Fall zweitrangig, da die Sicherung des Atemweges priorisiert werden muss. Für diese Maßnahme muss sich das komplette Team bereit halten. Erst wenn alle benötigten Materialen griffbereit sind, kann mit der Narkoseeinleitung begonnen werden. In ausgewählten, sehr seltenen Einzelfällen kann ein primär chirurgischer Atemweg unter Lokalanästhesie die beste Option sein. Hier ist jedoch ebenfalls mit erheblichen Komplikationen zu rechnen: Neben einer geringen Erfahrung des Teams sind Unkooperativität des bereits hypoxischen Patienten, suboptimale Lagerung und das Blutungsrisiko Faktoren, welche eine Koniotomie am Notfallort unter Lokalanästhesie erschweren. Ein zügiger Transport mit Verlagerung des erweiterten Atemwegsmanagement unter optimaleren Bedingungen sollte erwogen werden. Die endotracheale Intubation ermöglicht eine definitive Atemwegssicherung. Allerdings kann sie unter präklinischen Bedingungen bei diesen Patienten wie auch die Beutel-MaskenBeatmung schnell scheitern. Manipulationen in den Atemwegen können weitere Maßnahmen der Atemwegssicherung erschweren. Ein gutes Hilfsmittel ist die endotracheale Intubation mit einem
Bougie/Führungsstab. Zunächst wird unter laryngoskopischer Sicht der Bougie in die Trachea vorgeschoben und über diesen dann ein Endotrachealtubus platziert. Diese Technik kann sowohl bei videolaryngoskopischer als auch bei direkter laryngoskopischer Intubation angewandt werden (➤ Kap. 4). Primär sollte ein Intubationsversuch mittels Videolaryngoskop unternommen werden. Durch Sekret und Blut besteht hierbei allerdings die Gefahr der Verlegung der Optik, so dass es zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Sicht kommen kann. Bei größeren Mengen an Blut bzw. Sekret im Rachenraum ist es sinnvoll, während der Laryngoskopie einen an die Absaugung angeschlossenen Absaugkatheter mit einzuführen und damit das Sichtfeld auf die Glottis durch dauerhaftes Absaugen zu verbessern. Praxistipp SALAD-Manöver (➤ Kap. 5): Bei einer extremen Blutung o. Ä. mit Unmöglichkeit der Visualisierung der Glottis wird ein starrer Absaugkatheter (Yankauer) in den tiefen Rachen eingeführt und kontinuierlich abgesaugt. Bei der nun folgenden Laryngoskopie wird er durch den Spatel links vom Laryngoskop in Position fixiert. Idealerweise liegt die Spitze links der Epiglottis im tiefen Rachen. Unter dauerhafter Absaugung von Blut, Mageninhalt oder sonstigem Sekret verbessert sich die Sicht auf die Stimmbänder und es kann trotz größerer Flüssigkeitsmengen unter Sicht intubiert werden. Für die Präklinik stehen nicht überall geeignete feste Saugaufsätze zur Verfügung. Hier wird das Verfahren angepasst und ein möglichst großer flexibler Absaugkatheter an gleicher
Stelle platziert. Es ist darauf zu achten, dass dieser nicht die Sicht versperrt. Die exakte Positionierung der Absaugkatheterspitze sollte nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Wichtiger ist die zügige Intubation.
Gelingt die endotracheale Intubation nicht sofort, besteht ein hohes Risiko für einen akuten Atemwegsverlust. Daher wird zunächst mittels Beutel-Masken-Beatmung unter Nutzung eines Guedel-Tubus eine Oxygenierung versucht. In dieser Situation kann, wenn es das Verletzungsmuster zulässt, eine supraglottische Atemwegshilfe zum Einsatz kommen. Ist eine SGA kontraindiziert oder lässt sich diese aufgrund von Schwellungen bzw. eingeschränkter Mundöffnung nicht platzieren, dann wird unter Fortführen der Beutel-Masken-Beatmung eine Koniotomie durchgeführt oder der Patient unter Beutel-Masken-Beatmung in die Klinik transportiert. Die Ausweichtechnik zur Koniotomie kann eine Punktion mit einer 14G-Venenverweilkanüle sein (➤ Kap. 5). Achtung Ist der Patient mit allen vorhandenen Möglichkeiten nicht zu beatmen („Cannot intubate, cannot oxygenate“-Situation), ist die Halswirbelsäulenimmobilisation nachrangig. Oberste Priorität hat die Lösung des nun manifesten, akuten A-Problems. Es wird unweigerlich eine Reanimationssituation entstehen, wenn die Atemwege verschlossen bleiben. Eine mögliche Dislokation von Frakturelementen der vermuteten Halswirbelsäulenverletzung
wird in dieser Situation spätestens bei fallender Sauerstoffsättigung in Kauf genommen, wenn kein anderer Ausweg vorhanden ist. Parallel wird eine chirurgische Sicherung des Atemweges durchgeführt und weiterhin versucht, den Patienten mit dem Beatmungsbeutel oder einer supraglottischen Atemwegshilfe zu beatmen.
10.2.2. Atemwegssicherung bei einem Patienten mit Thoraxtrauma Patienten mit Thoraxtrauma lassen sich in einigen Fällen mit konservativen Maßnahmen nicht ausreichend stabilisieren. Beispiele hierfür sind: • Schmerzbedingte Ateminsuffizienz bei Rippenserienfrakturen • Oxygenierungsstörung bei großen Lungenkontusionen, Hämatothorax oder Pneumothorax • Offener Pneumothorax • Begleitende schwere Verletzungen, die sich auf die Atmung auswirken wie z. B. ein schweres Schädel-Hirn-Trauma oder Verletzungen mit großem Blutverlust • Thorakale oder zervikale Querschnittlähmung Bei Patienten mit Thoraxtrauma kann bis zur definitiven Atemwegssicherung eine NIV-Therapie durchgeführt werden. Die dauerhafte NIV beschränkt sich jedoch auf Situationen, wo keine Narkose eingeleitet werden und somit keine Atemwegssicherung erfolgen kann. Auch ein erwartet schwieriger Atemweg mit einem hohen Risiko für eine „Cannot intubate, cannot oxygenate“-Situation
nach Narkoseeinleitung kann ein guter Grund für eine NIV-Therapie sein. Gerade bei Lungenkontusionen kann hierunter eine Verbesserung der Oxygenierung erreicht werden. Es sollte kritisch beobachtet werden, wie sich der Patient unter der NIV-Therapie verändert – insbesondere, wenn ein Pneumothorax vermutet wird. Trotzdem ist auch der Verdacht auf einen Pneumothorax keine absolute Kontraindikation für eine NIV-Therapie unter engmaschiger Verlaufsbeobachtung und Monitoring des Patienten. Sie kann vielmehr die Atemarbeit senken und dem Team mehr Zeit verschaffen, weitere Behandlungsmaßnahmen zu ergreifen. Die eingestellten Beatmungsdrücke sollten möglichst niedrig sein. Bei der Atemwegssicherung von Patienten mit Thoraxtrauma ist zu beachten, dass sich diese oft schon in einem kritischen Zustand befinden; Atemnot, Hypoxämie und Schmerzen während der Atmung können den Patienten unruhig und unkooperativ machen oder seine Vigilanz beeinträchtigen. Eine adäquate Oxygenierung kann hier durchaus erschwert sein. Suffizient durchgeführt steigert diese die Apnoetoleranz während der Narkoseinleitung. Nichtsdestotrotz ist ein schneller Abfall der Sauerstoffsättigung während der Intubation zu erwarten. Die häufigste Indikation zur Narkoseinleitung stellt die anders nicht zu beherschende Oxygenierungstörung dar. Zur Verhinderung einer kritischen Hypoxie sollte während der Rapid Sequence Induction (RSI) eine Maskenzwischenbeatmung erfolgen. Wenn in der präklinischen Notfallsonografie ein Pneumothorax diagnostiziert oder er aufgrund der körperlichen Untersuchung vermutet wird, ist zu überlegen, ob dieser mit einer Thoraxdrainage in Lokalanästhesie vor der Atemwegssicherung behandelt wird.
Möglicherweise verbessert sich das B-Problem im Anschluss bereits. Jedoch darf nicht unterschätzt werden, dass dieses Vorgehen einige Minuten in Anspruch nimmt und der Patient sich währenddessen verschlechtern kann. Bei einem gesicherten Pneumothorax ist im Hinblick auf die Oxygenierungssituation des Patienten spätestens nach der Atemwegssicherung eine Thoraxdrainage erforderlich. Eine Entlastungspunktion reicht hier nicht aus, um einen drohenden Spannungspneumothorax zu behandeln. Alle Patienten, bei denen ein Pneumothorax vermutet wird, müssen unter Überdruckbeatmung engmaschig überwacht werden. Eine Verschlechterung von Oxygenierung, Kreislaufdekompensation (obstruktiver Schock), deutliche Asymmetrie der Thoraxexkursion mit einer oberen Einflussstauung und ansteigende Atemwegsdrücke können auf einen Spannungspneumothorax hindeuten. Die Auskultation allein ist hier nicht ausreichend, weil sie v. a. in der präklinischen Umgebung sehr fehleranfällig ist. Achtung Klinische Hinweise für einen Spannungspneumothorax können eine Verschlechterung von Oxygenierung, Kreislaufdekompensation (obstruktiver Schock), deutliche Asymmetrie der Thoraxexkursion oder Beatmungsschwierigkeiten, wie z.B. steigende Beatmungsdrücke, sein.
Zusammenfassung
• Mittelgesichtsverletzungen können den freien Atemweg bedrohen und die Atemwegssicherung kann erschwert sein. • Verletzungen des Mittelgesichts weisen auf eine hohe Krafteinwirkung hin. Ein Schädel-Hirn-Trauma oder eine Verletzung der Halswirbelsäule treten häufig begleitend auf. • Bei einem Thoraxtrauma kann die NIV überbrückend eingesetzt werden, wenn die Oxygenierung gestört ist und eine definitive Atemwegssicherung notwendig ist. • Patienten mit Thoraxtrauma können unter Beatmung einen Spannungspenumothorax entwickeln. • Thoraxverletzungen verschlechtern die Apnoetoleranz und eine vorsichtige Maskenzwischenbeatmung während der Narkoseeinleitung ist sinnvoll.
10.3. Der Patient mit HWS-Trauma Mareike Soltau Fal l s ze nario Um 15:00 Uhr wird der Rettungsdienst zu einem 18-jährigen Patienten mit Schmerzen in der Halswirbelsäule nach Kopfsprung in einen Badesee gerufen. Als die Rettungswagenbesatzung eintrifft, ist der Patient von seinen Freunden an Land gezogen worden, zittert stark und berichtet, er könne seine Beine nicht bewegen und die Arme würden kribbeln. Er habe starke Nackenschmerzen. Ein ABC-Problem liegt nicht vor. Bei der
neurologischen Untersuchung fällt eine schlaffe Lähmung der Beine und eine Kraftminderung beider Arme auf, sowie Gefühlsstörungen an allen vier Extremitäten. Die Vitalzeichen sind bis auf eine Körpertemperatur von 35,2 °C normal. Verletzungen der Halswirbelsäule können aus unterschiedlichen, auch scheinbar banalen Unfallmechanismen resultieren. Als Beispiel ist der Stolpersturz eines älteren Menschen zu nennen. Die Unfallkinematik entscheidet sich aber hierbei deutlich von der eines Hochrasanztraumas im Rahmen eines Verkehrsunfalls. Ungünstige Aufprallsituationen und Faktoren wie wie z. B. Osteoporose oder eine Synkope als Sturzursache können schwerwiegende Verletzungen hervorrufen. Oft ist dies nicht auf den ersten Blick zu erkennen. So erklärt sich das insgesamt erhöhte Risiko für HWS-Verletzungen mit steigendem Alter. Verletzungen der Halswirbelsäule treten meistens in Kombination mit anderen Verletzungen auf. Klassisch ist die Kombination mit einem Schädel-Hirn-Trauma: Rund jeder zehnte Patient mit einer HWS-Verletzung hat ein begleitendes Schädel-Hirn-Trauma. Ob auch eine mechanische Instabilität der HWS vorliegt, kann allerdings erst in der Klinik durch bildgebende Verfahren festgestellt werden. Ungefähr jeder Fünfte erleidet eine Rückenmarksverletzung durch ein HWS-Trauma. Alle Patienten, bei denen eine HWS-Verletzung angenommen werden kann, sollten eine komplette Wirbelsäulenimmobilisation erhalten. Die alleinige Anlage einer HWS-Orthese führt nicht zu einer ausreichenden Immobilisation und kann allenfalls als Übergangslösung erfolgen, wenn eine manuelle Inline-Stabilisierung
aus einsatztaktischen Gründen nicht möglich ist. Bei hochgradiger Instabilität des Patienten kann auf eine aufwändige Ganzkörperimmobilisation zugunsten einer raschen Primärversorgung und eines zügigen Transports verzichtet werden. Hier bietet sich der Verbleib des Patienten auf der Schaufeltrage bzw. einem Combicarrier mit achsengerechter Fixierung der Halswirbelsäule durch Headblocks oder einer HWS-Orthese an. Die Immobilisation der Halswirbelsäule erfolgt immer noch häufig mit einer HWS-Orthese. Dies kann neben Vorteilen auch mehrere Nachteile für die weitere Patientenversorgung bedeuten: • Bei begleitendem Thoraxtrauma kann die Atemmechanik durch die Fixierung der Clavicula gestört sein; die Atemhilfsmuskulatur kann dann nur eingeschränkt eingesetzt werden und ein B-Problem kann sich verschlechtern. • Die nicht korrekt angelegte HWS-Orthese führt zu einer Hirndrucksteigerung von 5 mmHg. Dies kann bei Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma zu einer kritischen Verschlechterung führen. • Die Mundöffnung wird durch die HWS-Orthese stark eingeschränkt. Dies erschwert das Atemwegsmanagement und kann bei Übelkeit und Erbrechen die Aspirationsgefahr steigern. Bei bis zu 90% aller Patienten kommt es zu fehlerhaften Anlagen der HWS-Orthese. Somit ist im Einsatz stets zu überlegen, ob eine bessere HWS-Immobilisation mit alternativen Hilfsmitteln wie z. B. Headblocks erreicht werden kann (➤ Abb. 10.2). Einige
Vakuummatratzen besitzen zudem gut anmodelierbare Kopfseitenteile, die eine hervorragende achsengerechte Ruhigstellung der HWS ermöglichen.
Abb. 10.2 HWS-Immobilisation: hier improvisiert mit aufgerollten (Einmal-)Decken [E1259] Eine Fraktur der Halswirbelsäule kann gerade bei älteren Menschen, die orale Antikoagulanzien einnehmen, zu einer relevanten Einblutung in die innen liegenden Halsweichteile führen. Die Blutung ist von außen nicht erkennbar und kann die Atemwege verlegen bzw. während der Atemwegssicherung Schwierigkeiten bereiten. (➤ Abb. 10.3).
Abb. 10.3 Auf dem Bild ist die CT-Untersuchung eines Patienten mit Halswirbelsäulenfraktur und blutungsbedingter Einengung der Glottisebene zu sehen. Dieser Patient hat im Verlauf ein akutes A-Problem mit schwieriger Atemwegssicherung und daraus folgender kurzzeitiger Reanimation erlitten. [P1384]
10.3.1. Patienten mit akuter hoher Querschnittlähmung Bereits am Unfallort kann es infolge einer Wirbelsäulenverletzung zu neurologischen Ausfallerscheinungen kommen. Besonders problematisch sind Situationen mit einer akuten hohen Querschnittlähmung. Neben der vollständigen Körperlähmung
(Tetraplegie) kann es auch bei entsprechender Läsionshöhe zu einem schweren B-Problem kommen. Die nervale Versorgung der Muskulatur im Körper ist segmental aufgebaut und folgt dem segmentartigen Abgang der Spinalnerven aus dem Rückenmark. So können auch hochthorakale Querschnittlähmungen eine atemmechanische Insuffizienz verursachen. Die Interkostalmuskulatur kann dann zu einem großen Teil nicht mehr durch Nervenimpulse angesteuert werden. Ist ein Großteil dieser Muskulatur betroffen, kann die restliche Atemmuskulatur keine effektive Thoraxexkursion mehr erzeugen. Bei einer Verletzung des Rückenmarks im Bereich des 3.–5. Halsmarksegments tritt meist eine Zwerchfelllähmung auf, da aus diesen Segmenten der Nervus phrenicus entspringt, der beidseits das Zwerchfell versorgt. Somit wird dem Patienten die Funktion des wichtigsten Atemmuskel genommen. Eine weitere schwerwiegende Komplikation ist die unzureichende Perfusion des Körpers aufgrund einer Bradykardie und Hypotonie (distributiver Schock). Merke Die hohe Querschnittlähmung ist eine typische Ursache für einen traumabedingten Herz-KreislaufStillstand. Die Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule bei Patienten mit neu aufgetretener hoher Querschnittlähmung nach Trauma ist also eine lebensrettende Maßnahme mit hoher Priorität. Vor allem die Bewegung des Kinns auf die Brust kann eine Verschiebung von Frakturfragmenten verursachen. Eine übermäßige
Reklination des Kopfes muss unbedingt vermieden werden. Die HWS darf nie auf Extension gezogen werden und der Patient sollte stets in Neutralposition fixiert werden. Insbesondere bei Patienten mit einer hohen Querschnittsymptomatik ist häufig eine Sicherung der Atemwege erforderlich. Die sonst für Beatmung und Intubation sehr hilfreiche Reklination des Kopfes muss aufgrund der Verletzung unterbleiben. Die endotracheale Intubation ermöglicht eine sichere Beatmung und einen guten Schutz vor Aspiration. Allerdings besteht die Gefahr, dass die Reklination im Rahmen der direkten Laryngoskopie das Verletzungsausmaß verschlimmern könnte. Während der Atemwegssicherung kann es zu ungewollten Manipulationen der HWS kommen. In der Regel werden diese oft unterschätzt, haben jedoch das Potential die Verletzung zu verschlimmern. ➤ Tab. 10.2 zeigt unterschiedliche Techniken zur HWS-schonenden Atemwegssicherung mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen.
Tab. 10.2
Techniken zur HWS-schonenden Atemwegssicherung
Technik Manuelle InlineStabilisierung
HWS-Orthese
Vor- und Nachteile in Bezug auf die Halswirbelsäule • Kaum Bewegungsreduktion der Halswirbelsäule bei Intubation • Schutz vor seitlichem Verkippen des Kopfes in Narkose • Erschwert die laryngoskopische Sicht und erhöht so das Risiko einer schwierigen Intubation
• Reduktion einer Extension um 47 %, Reduktion der Flexion um 59 % • Rotationsreduktion um 18 % • Reduktion der seitlichen Verkippung um 32–36 % • Schränkt die Mundöffnung so stark ein, dass ein Einführen des Spatels zur Intubation nicht möglich ist
Technik Direkte Laryngoskopie
Videolaryngoskopie
Larynxmaske
Vor- und Nachteile in Bezug auf die Halswirbelsäule • Stärkere Bewegungen der HWS als bei Videolaryngoskopie (mit fraglicher klinischer Relevanz hinsichtlich sekundärer Halsmarkschädigung) • Schränkt die Spinalkanalweite bei Instabilität stärker ein als die Videolaryngoskopie
• Hyperangulierte Spatel verursachen am wenigsten Bewegungen der HWS • Höhere Erfolgsraten beim ersten Intubationsversuch als bei der direkten konventionellen Laryngoskopie
• Geringste Bewegung der HWS im Vergleich zu anderen Techniken • Kein sicherer Aspirationsschutz
Die zugrunde liegenden Untersuchungen wurden entweder an gesunden Probanden ohne HWS-Verletzung oder an Verstorbenen mit künstlich verursachter HWS-Instabilität durchgeführt. Es sollte im Einsatz überprüft werden, ob eine supraglottische Atemwegshilfe nach Narkoseeinleitung schonender eingelegt werden
kann als ein Endotrachealtubus. Hinsichtlich einer drohenden Aspiration ist der Endotrachealtubus immer noch Goldstandard. Vor Beginn der Narkoseeinleitung wird eine bereits schon anliegende HWS-Orthese geöffnet und ein Teammitglied fixiert den Kopf in Neutralposition. Ist noch keine HWSBewegungseinschränkung erfolgt, wird der Kopf des Patienten zum Schutz vor seitlicher Bewegung nach Erschlaffen der Muskulatur fixiert. Kommt es während der Narkoseinleitung zu einem Abfall der peripheren Sauerstoffsättigung, kann sofort eine BMV mit Einlage eines Guedl-Tubus erfolgen. Zur Sicherung der Atemwege sollte die Trage nach Möglichkeit in eine Anti-Trendelenburg-Position gebracht werden, so dass der Oberkörper des Patienten erhöht gelagert ist. Die endotracheale Intubation erfolgt primär videolaryngoskopisch mit einem hyperangulierten Spatel. Durch seine starke Biegung schützt er während der Intubation besonders vor einer unbemerkten Reklination des Kopfes. (➤ Abb. 10.4). Der Endotrachealtubus sollte entsprechend der Biegung des Spatels vorgebogen sein. Die Verwendung eines speziellen Intubationsstabes (Bougie) ist zu empfehlen.
Abb. 10.4 a: Neutralposition des Kopfes. Die orale und laryngeale Sichtachsen bilden einen eher stumpfen Winkel und sind in dieser Position nicht übereinzubringen. b: Durch die Reklination des Kopfes wird der Winkel zwischen beiden Achsen kleiner und eine direkte Laryngoskopie (d) wird möglich. c: Mit einem hyperangulierten Spatel kann die Stimmbandebene indirekt auch in Neutralposition eingesehen werden. Der Verlauf der direkten Sichtachsen
ist dadurch nicht mehr entscheidend für den Intubationserfolg. [P1384]
Praxistipp Die Anwendung von Succinylcholin ist bei schon länger querschnittgelähmten Patienten ähnlich wie bei bettlägerigen oder schwerbrandverletzten Patienten kontraindiziert. Sie ist jedoch bei einer neu aufgetretenen akuten Querschnittlähmung unproblematisch. Allerdings ist zu bedenken, dass durch Muskelfaszikulationen, die durch das Succinylcholin verursacht werden, Bewegungen im Halswirbelsäulenbereich entstehen können. Daher kann die Verwendung von Rocuronium als Muskelrelaxans sinnvoller sein.
Im weiteren Verlauf werden die gleichen Prinzipien angewandt wie bei der Versorgung von Patienten mit schwerem Schädel-HirnTrauma. Die Vitalparameter sollten zur optimalen Versorgung des geschädigten Rückenmarks im Normbereich liegen, da so eine Sekundärschädigung des Rückenmarks vermieden werden kann. Entsprechend ist schon vor Beginn der Narkose zu überlegen, wie eine narkosebedingte Hypotonie verhindert und behandelt werden kann. Am sinnvollsten ist die Therapie mit Noradrenalin über einen Perfusor. Hierfür ist ein separater i. v. Zugang erforderlich. Wird die Narkose mit Esketamin und Midazolam statt Fentanyl und Propofol
eingeleitet, kann dies eine bessere Kreislaufstabilität während der Narkoseeinleitungsphase ermöglichen.
10.3.2. Patienten mit vermuteter HWS-Verletzung ohne Querschnittlähmung Ist aus klinischen oder kinematischen Gründen von einer HWSVerletzung auszugehen, muss nicht zwingend eine Atemwegssicherung erfolgen. Vielmehr sollte der Patient während des Transports engmaschig überwacht werden. Die Indikation zur Atemwegssicherung ist von den begleitenden Verletzungen und der Stabilität des Patientenzustands abhängig. Das Vorgehen erfolgt analog zu dem Ablauf in ➤ Kap. 10.3.1.
10.3.3. Morbus Bechterew Morbus Bechterew, auch Spondylitis ankylosans genannt, gehört zu den Erkrankungen des rheumatologischen Formenkreises. Er führt durch eine chronische Entzündung zu einer Spangenbildung zwischen den einzelnen Etagen der Wirbelsäule. Dies führt zu einer starren Fixierung von ihr. Hierbei ist besonders die Hals- und Brustwirbelsäule, aber auch der Kreuzbeinbereich betroffen. Die Spangenbildung fixiert die Wirbelsäule in einer nach vorn geneigten Position. Die Patienten können den Kopf aufgrund der versteiften und stark gekrümmten Wirbelsäule nicht mehr in den Nacken legen. Durch die vorgebeugte Haltung blicken Betroffene die meiste Zeit in Richtung Boden. Patienten mit Morbus Bechterew sind besonders gefährdet, eine Querschnittlähmung aufgrund einer Verletzung der Wirbelsäule zu erleiden. Die Anlage einer HWS-Orthese kann bei Patienten mit
individuellen Verformungen der HWS zu einer Querschnittlähmung führen. Je ausgeprägter die Folgen eines Morbus Bechterew sind, desto stärker wird auch die Fähigkeit des Patienten eingeschränkt, sich bei einem Sturz gut abzufangen. Es handelt sich oft um ältere Patienten, deren Koordinationsfähigkeit durch die Erkrankung noch zusätzlich eingeschränkt wird. Frakturen der Wirbelsäule sind daher häufig. Achtung Bei allen Patienten mit einem Morbus Bechterew sollte sehr genau nach einer Wirbelsäulenverletzung gesucht werden. Im Zweifel sollte nach passendem Sturzereignis eine Bildgebung, auch ohne offensichtliche Beschwerden, erfolgen. Eine niederschwellige Entscheidung zur Wirbelsäulenimmobilisation ist sinnvoll und erfordert oft eine sehr individuelle Anpassung der Vakuummatratze. Bei der Lagerung des Patienten sollte genau darauf geachtet werden, dass dieser nicht in eine schmerzhafte Zwangsposition gerät.
Bei der Atemwegssicherung von Patienten mit Morbus Bechterew ist davon auszugehen, dass eine konventionelle endotracheale Intubation nicht möglich ist. Im klinischen Setting werden diese Patienten häufig fiberoptisch im Wachzustand unter Lokalanästhesie der Atemwege intubiert, um eine „Cannot ventilate, cannot oxygenate“-Situation mit Lebensgefahr zu verhindern. Der Morbus Bechterew ist ein klassischer Hinweis auf einen erwartbar schwierigen Atemweg. Im präklinischen Setting muss also genau
überlegt werden, ob eine invasive Atemwegssicherung notwendig ist oder eine Notfallsituation auch mit anderen Mitteln überbrückt werden kann. Die überbrückende NIV bis zur Ankunft in der Klinik oder der schnelle Transport eines noch stabilen Patienten sollten als Optionen bedacht werden. Wenn eine Atemwegssicherung unumgänglich ist, spielt das Videolaryngoskop erneut eine große Rolle. Die primäre Anwendung einer supraglottischen Atemwegshilfe ist ebenfalls eine gute Lösungsstrategie, um eine Beatmung des Patienten sicher zu ermöglichen. Zusammenfassung • Verletzungen der Halswirbelsäule gehen häufig mit Begleitverletzungen einher. Sie können auch nach scheinbar banalem Unfallmechanismus im Rahmen einfacher Stürze auftreten. • Die Wirbelsäulenimmobilisation kann bei Patienten mit Rückenmarkverletzungen der Halswirbelsäule eine lebensrettende Maßnahme sein, um eine akute hohe Querschnittlähmung zu verhindern. • Neben der HWS-Orthese gibt es weitere, oft überlegenere Techniken, die Wirbelsäule insbesondere im Halsbereich zu fixieren. • Die Atemwegssicherung bei Verdacht auf eine Halswirbelsäulenverletzung ist oft erschwert, da keine Reklination erfolgen kann. Das Videolaryngoskop und supraglottische Atemwegshilfen sind sinnvolle Alternativen
zur konventionellen endotrachealen Intubation mit Laryngoskop.
10.4. Der Patient mit SHT Mareike Soltau Fal l s ze nario Nach dem Öffnen der Haustür eines Einfamilienhauses durch die Feuerwehr trifft der Rettungsdienst auf den 80-jährigen Bewohner. Er liegt am Fuß der Treppe im Flur, stöhnt und blutet aus der Nase, dem rechten Ohr und einer großen Platzwunde am Hinterkopf. Aufgrund der Auffindesituation und Fremdanamnese besteht der Verdacht, dass er schon mehrere Stunden dort liegen könnte. Bis auf das Stöhnen ist keine verbale Reaktion erkennbar. Die Augen sind halb geöffnet und er bewegt sich nicht auf Aufforderung. Patienten mit einem Schädel-Hirn-Trauma erhalten oft eine präklinische Atemwegssicherung. Indikationen hierfür sind die Aufrechterhaltung der Normokapnie und eine optimale zerebrale Sauerstoffversorgung. Desweiteren wird häufig ein Aspirationsschutz sowie der Schutz vor Atemwegsverlust angestrebt. Sedativa senken zudem die Hirnstoffwechselaktivität und können so einen positiven Effekt auf posttraumatische, körpereigene Prozesse mit Schädigungspotenzial im Gehirn haben.
Auch Begleitverletzungen können eine Indikation für die Atemwegssicherung bei einem Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma sein. Zu bedenken ist jedoch, dass die neurologische Beurteilbarkeit durch das Einleiten und Aufrechterhalten der Narkose während der weiteren Versorgung nur noch eingeschränkt möglich ist. Dies darf aber eine notwendige Sicherung der Atemwege auf keinen Fall verhindern oder verzögern. Die Indikationen zur Atemwegssicherung bei Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma sind folgende: • Eingeschränkte, bedrohte oder aufgehobene Schutzreflexe der Atemwege • Atemwegsverlegung • Fortbestehende Oxygenierungsstörung trotz Therapie • Bradypnoe in einem Ausmaß, dass eine Hyperkapnie droht oder bereits vorhanden ist • Gemäß S3-Polytraumaleitlinie GCS ≤ 9 (verbessertes neurologisches 6-Monats-Outcome bei Intubation am Unfallort, wenn ein schweres Schädel-Hirn-Trauma vorliegt) Die Intubation von der Glasgow Coma Scale abhängig zu machen ist gängige Praxis. Jedoch ist nicht abschließend untersucht, ab welchem GCS die invasive Atemwegssicherung Einfluss auf ein besseres Outcome hat. Im Einzelfall müssen Für und Wider der invasiven Atemwegssicherung gegeneinander abgewogen werden. Eine klare GCS-Grenze existiert aus rein pathophysiologischer Sicht nicht und der GCS-Wert allein ist keine Indikation für eine prähospitale Narkose. Vielmehr ist eine höhergradige Bewusstseinseinschränkung
zusammen mit den in ➤ Tab. 10.2 genannten Indikationen und dem klinischen Verlauf der Bewusstseinslage entscheidend. Auch einsatztaktische Gründe wie z. B. der luftgebundene Transport oder ein erwartet schwieriger Atemweg können die Entscheidung beeinflussen. Achtung Eine reine Pupillendifferenz ist keine Indikation zur invasiven Atemwegssicherung – auch nicht bei einem vermuteten SchädelHirn-Trauma. Ein Patient, der mit dem Behandlungsteam spricht, benötigt auch bei einer Pupillendifferenz unter Umständen keine Atemwegssicherung. Nur in Kombination mit einer höhergradigen Bewusstseinsstörung oder Verschlechterung des neurologischen Gesamtbildes deutet sie darauf hin, dass eine schwerwiegende Schädel-Hirn-Verletzung vorliegen könnte. Beispielsweise kann ein Katarakt (grauer Star) eine Störung der Pupillomotorik oder Entrundung zur Folge haben. Auch kann eine leichte Pupillendifferenz bei vielen Menschen physiologisch sein.
Bei der Atemwegssicherung von Patienten mit Schädel-HirnTrauma ist besonderes Augenmerk auf ein HWS-schonendes Vorgehen zu legen. Aufgrund der Möglichkeit einer intrakraniellen Drucksteigerung sollte eine HWS-Orthese bei einem Patienten mit schwerem SHT mit Bedacht eingesetzt werden. Hier sind alternative Möglichkeiten der HWS-Immobilisation, z.B. Headblocks, zu erwägen. Die Einleitungsmedikamente zur Narkose werden in ausreichender Dosis verabreicht, sodass eine tiefe Narkose entsteht.
Gleichzeitig muss ein Abfall des Blutdrucks und der Sauerstoffsättigung unbedingt vermieden werden. Schon ein einmaliges Absinken des SpO2-Wertes auf < 92 % oder des systolischen Blutdrucks < 90 mmHg erhöht die Sterblichkeit des Patienten und verschlechtert sein neurologisches Outcome. Die Auswahl der Narkosemedikamente spielt hierbei eine große Rolle. Kritisch Kranke reagieren mit einem deutlich stärkeren Blutdruckabfall auf die Gabe von Propofol als gesunde Patienten. Gleichzeitig ist eine ausreichende Narkosetiefe bei der Atemwegssicherung zum Schutz vor einem Hirndruckanstieg wichtig. Wird mit Propofol eingeleitet, muss gleichzeitig ein blutdrucksteigerndes Medikament verfügbar sein. Ohne eine arterielle Blutdruckmessung ist jedoch auch die Verwendung von Katecholaminen wie Noradrenalin bei Patienten mit SHT zumindest fragwürdig und kann weitere Probleme verursachen. Steigt der Blutdruck stark an, steigert er den intrakraniellen Druck und kann die Primärläsion verschlimmern. Trotzdem ist Noradrenalin das Medikament der Wahl, um den Blutdruck kontinuierlich im Normbereich zu halten. Mit Midazolam steht eine Alternative zum Propofol zur Verfügung. Nachteil ist hier die deutlich längere Wirkdauer und somit eine lang andauernde eingeschränkte neurologische Beurteilbarkeit des Patienten bis in die klinische Versorgungsphase auf der Intensivstation hinein. Esketamin kann bei Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma sicher angewendet werden und senkt den Hirnstoffwechsel effektiv. Es konnte in klinischen Studien gezeigt werden, dass es unmittelbar den Hirndruck senken kann. Die frühere Annahme, es steigere den
Hirndruck, basiert vermutlich auf der Anwendung hoher Dosen Ketamin (Gemisch aus S- und R-Ketamin) in lange zurückliegenden Studien. Bei zu hoher Dosis kann Ketamin wie auch Esketamin die Spontanatmung des Patienten einschränken und somit über die daraus folgende Hyperkapnie eine Vasodilatation der Hirngefäße auslösen. Damit steigt der intrakranielle Druck, was für die Versorgung des SHT kontraproduktiv ist. Esketamin wirkt dem sog. Glutamatexzess entgegen – einer Neuroexzitation, die auf eine Verletzung von Hirngewebe folgt und sekundäre Zellschäden verursacht. Somit ist es neuroprotektiv und wird auch bei der Langzeitsedierung von Patienten mit SchädelHirn-Trauma auf der Intensivstation eingesetzt. Die Pupillomotorik wird durch die im Rettungsdienst und bei der Narkoseeinleitung üblichen Dosierungen nicht wesentlich beeinträchtigt. Als Muskelrelaxans ist Rocurocium dem Succinylcholin vorzuziehen. Succinylcholin verursacht durch die Muskelfaszikulationen einen venösen Blutrückfluss über die Jugularvenen ins Gehirn. Hierdurch kann der intrakranielle Druck steigen. Nach Narkoseeinleitung muss der Patient ausreichend tief sediert und relaxiert werden. Vor allem vor Manipulationen wie dem Umlagern, sollte das Team sicher sein, dass der Patient nicht zu husten beginnt oder anderweitig Stresszeichen zeigt, da es auch durch diese Maßnahmen, bei nicht ausreichender Narkosetiefe bzw. Relaxierung, zu einem Anstieg des Hirndrucks kommen kann. Zusammenfassung
• Beim Schädel-Hirn-Trauma sollen sekundäre Hirnschäden unbedingt verhindert werden. Ein wesentlicher Baustein dafür ist in vielen Fällen die Sicherung der Atemwege. • Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma haben oft begleitende Verletzungen der Halswirbelsäule. Die Atemwegssicherung findet also unter Aufrechterhaltung der HWSImmobilisierung statt. • Stress steigert den Hirndruck bei Patienten mit höhergradigem Schädel-Hirn-Trauma. Sedativa und eine ausreichend tiefe Narkose und Relaxierung sind obligat.
10.5. Der Patient mit Inhalationstrauma Mareike Soltau Fal l s ze nario In der Küche eines kleinen innerstädtischen Restaurants ist es zu einem Fritteusenbrand gekommen. Ein Angestellter hat versucht den Brand mit Wasser zu löschen und sich dabei Verbrennungen im Oberkörperbereich, am Kopf und an beiden Armen zugezogen. Der Brand ist durch die Feuerwehr gelöscht, als die Besatzung eines Rettungswagens eintrifft. Der Patient sitzt auf einem Hocker und äußert extreme Schmerzen. Seine Lippen und seine Augen sind stark geschwollen und es zeigen sich großflächige Blasen an beiden Armen und am Oberkörper. Er sagt, er könne nicht gut sehen und das Atmen falle ihm schwer. Außerdem brauche er dringend etwas gegen seine sehr starken Schmerzen. In der
initialen ABCDE-Untersuchung fallen bis auf die Schwellung im Gesichtsbereich, die angegebenen Atembeschwerden und die übrigen Verbrennungsfolgen keine Auffälligkeiten auf. Das Inhalationstrauma steigert die Sterblichkeit von Schwerbrandverletzten erheblich. Es kann sowohl durch die thermische Einwirkung v. a. heißer Luft, aber auch durch chemische Bestandteile des Brandrauches oder des heißen Dampfes zu einer Schädigung der Atemwege kommen. Die Einschätzung des Schweregrades von Verbrennungen, Verbrühungen und dem allgemeinen Verletzungsausmaß am Unfallort ist teilweise schwierig und umfangreich. So werden Patienten oftmals als schwerer betroffen wahrgenommen und entsprechend aggressiver und invasiver therapiert, als dies im Nachhinein notwendig gewesen wäre. Im Gegensatz dazu wird das Inhalationstrauma in seinem Ausmaß hingegen oftmals unterschätzt, da Schwellungen im unmittelbar supraglottischen Bereich durch die thermische Einwirkung schwer zu detektieren sind und trotzdem zu respiratorischen Problemen bis hin zu einen schwierigen Atemweg führen können.
10.5.1. Pathophysiologie des Inhalationstraumas Heiße Luft oder heißer Dampf gelangen über die Atmung in die Atemwege. Oft kommt es reflektorisch zu einem Glottisverschluss, sodass die Folgen des thermischen Inhalationstraumas vorwiegend supraglottisch entstehen. Durch verschiedene Faktoren wie z. B. Bewusstseinsstörungen kann die Luft aber dennoch mehrmals bis in die tieferen Atemwege eingeatmet werden. Das Bewusstein kann
durch eine begleitende Rauchgasintoxikation, Substanzmissbrauch, medizinische Ursachen oder einen fehlenden Fluchtmöglichkeit vom Brandort beeinträchtigt werden. In diesen Fällen findet man thermische Läsionen auch in den tieferen Atemwegen. Durch die thermische Schädigung steigt die Durchblutung und es kommt zu einer Ödembildung der Schleimhäute. Diese kann erheblich sein und entsteht relativ zügig innerhalb der ersten Stunden nach Verbrennung. Oftmals bestehen zudem Gesichtsverbrennungen mit einer im Verlauf starken Schwellung der Gesichtshaut inklusive Lippen und Augenlider. Sind die Bronchien von der thermischen Einwirkung betroffen, entsteht auch hier ein Schleimhautödem. Zusätzlich steigt die Sekretion des Bronchialschleims, das Flimmerepithel wird geschädigt und der Patient kann durch den gesunkenen Bronchialquerschnitt unter bronchoobstruktiven Symptomen leiden. Bei schweren Fällen können auch drittgradige Verbrennungen der Atemwege auftreten (➤ Abb. 10.5).
Abb. 10.5 Bronchoskopischer Blick auf die Carina und die Eingänge in beide Hauptbronchien. Zu sehen ist ein schweres Inhalationstrauma mit Verrußung und weißlicher Verfärbung. Es liegt eine höhergradige thermische Schädigung der Schleimhaut vor. [P1384] In den Alveolen ist die Luft so weit abgekühlt, dass eine Verbrennungsläsion hier nicht typisch ist. Vielmehr führt die allgemeine bronchiale Entzündungsreaktion zu einer gesteigerten Ausschüttung von Entzündungsmediatoren wie Prostaglandinen, die ein Alveolarödem hervorrufen können. Die Diffusionsstrecke zwischen Gefäßen und Luftraum vergrößert sich. Dies führt zu einer Verschlechterung der Diffusion. Außerdem wird die Umverteilung des Blutes weg vom Ort schlechter Belüftung hin zum Ort der besten Belüftung (hypoxische Vasokonstriktion, Euler-Liljestrand-
Mechanismus; ➤ Kap. 2.2.5) gestört. Dieser Reflex ist normalerweise für die Effektivität der Oxygenierung durch die Lunge verantwortlich. Wenn er nicht mehr funktioniert, gelangt vermehrt nicht oxygeniertes Blut in den Blutstrom, das dann vom Herzen in den Körper verteilt wird. Dies führt zu einer Beeinträchtigung der Sauerstoffversorgung. Chemische Bestandteile von Brandrauch oder heiße Dämpfe chemischer Substanzen fügen den Atemwegen zusammen mit Rußpartikeln weitere Schäden zu. Sie verstärken die o. g. Entzündungsprozesse oder lösen sie erst aus. Hauptschädigungsort sind hier die Alveolen. Die Lunge ist ein zentrales, lebenswichtiges Organ des menschlichen Körpers. Daher können pulmonale Entzündungsprozesse auch eine allgemeine Entzündungskaskade auslösen, die dem Bild einer Sepsis entspricht. Aus diesem Grund zeigen Patienten mit Inhalationstrauma häufig im Verlauf das Bild eines distributiven Schockgeschehens, so dass Störungen der HerzKreislauf und der Nierenfunktion häufig anzutreffen sind. Ein schweres Inhalationstrauma ist regelhaft mit großflächigen schweren Brandverletzungen anderer Körperregionen vergesellschaftet. Auch diese verursachen eine massive generalisierte Entzündungsreaktion des Körpers. Die Ödembildung der Atemwege und schwerer Verbrennungen ab dem Grad IIb führen zu Durchblutungsstörungen des verletzten Gewebes aufgrund einer direkten Schädigung von Kleinstgefäßen. Bekommt der Patient, wie früher üblich, viel Flüssigkeit intravenös verabreicht, fließt ein Großteil hiervon direkt ins Gewebe. Dort verschlechtert sich die Durchblutung durch Kompression der
Kleinstgefäße bei hohem Wasserdruck im Umgebungsgewebe und somit die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung. Die Nekroseareale nehmen zu und der Krankheitsverlauf exazerbiert. Daher ist die Gabe von großen Mengen an Infusionslösungen bei einem Patienten mit schweren Verbrennungen in der präklinischen Versorgung nur in äußersten Ausnahmefällen sinnvoll. Ein Schockgeschehen sollte nach Gabe einer ausreichenden Flüssigkeitsmenge (1000 ml in den ersten zwei Stunden nach Verbrennung) nach Möglichkeit mit Noradrenalin über einen Perfusor behandelt werden. Nur wenn dies nicht den gewünschten Effekt bringt oder der Kreislauf des Patienten sich weiter destabilisiert, kann die Infusionsmenge gesteigert werden. Dem Team muss das Schädigungspotenzial einer großen Menge an Flüssigkeitszufuhr bewusst sein und dieses gegen die Schädigung einer generalisierten Hypoperfusion durch den Schock abgewogen werden. Es werden ausschließlich kristalloide Infusionen verwendet.
10.5.2. Symptome eines Inhalationstraumas In der klinischen Untersuchung können schon erste Hinweise auf ein Inhalationstrauma erlangt werden. Versengte Nasenhaare und Augenbrauen sprechen für eine unmittelbare Hitzeexposition des Gesichts. Verrußungen der Mundschleimhaut, Zunge oder des Gaumens deuten auf ein Einatmen von Brandrauch hin. Beides zeigt jedoch noch nicht zwingend eine Schädigung der Atemwege an. Patienten mit Inhalationstrauma leiden meist unter folgenden Symptomen: • Atemnot • Unruhe
• Stridor • Giemen, Brummen • Husten • Begleitende großflächige Verbrennungen des restlichen Körpers Vor allem begleitende großflächige schwere Brandverletzungen und Kurzatmigkeit sind unabhängige Risikofaktoren für das gleichzeitige Vorliegen eines Inhalationstraumas. Symptome einer Rauchgasintoxikation sind davon losgelöst möglich und zu evaluieren. Bei Patienten mit o. g. Symptomen sollte davon ausgegangen werden, dass sich die Symptomatik im weiteren Verlauf der Behandlung verschlechtern kann, da die Ödembildung in den Atemwegen ihr Maximum erst nach mehreren Stunden erreicht. Sinnvoll ist es, parallel von einer Rauchgasintoxikation auszugehen und den Patienten entsprechend zu therapieren. Unter Umständen kann Cyanid ein Bestandteil des Brandgemisches z. B. bei Kunststoffbränden o. Ä. sein. Hier wäre es sinnvoll, die Intoxikation probatorisch mit Hydroxycobalamin zu behandeln. Von einer supportiven Gabe von 100% Sauerstoff entbindet dies nicht. Eine suffiziente Oxygenierung mit 100% Sauerstoff ist bei jedem Inhalationstrauma obligat.
10.5.3. Atemwegsmanagement beim Inhalationstrauma Patienten mit Inhalationstrauma oder Gesichtsverbrennungen müssen genau untersucht und beobachtet werden, um die Dynamik
der Symptomatik zu erfassen. Dies ist im Einsatzgeschehen manchmal nicht leicht, da die übrigen Verbrennungsareale und die Schmerzen, die der Patient hat, davon ablenken können. Bei inspiratorischem Stridor kann im ersten Behandlungsschritt zur Überbrückung Adrenalin vernebelt werden. Es sollte unverdünnt gegeben werden, um einen maximalen Effekt zu erzielen. Diese Patienten sind gefährdet für einen schwellungsbedingten Atemwegsverschluss und deshalb sollte die Intubationsindikation eher großzügig gestellt werden. Patienten mit bronchoobstruktiven Symptomen profitieren gelegentlich von einer Salbutamolinhalation. Hierdurch kann der bronchialen Reizung durch chemische Rauchbestandteile und Rußpartikel entgegengewirkt werden. Ein hitzebedingtes Ödem lässt sich dadurch nicht beeinflussen und insgesamt ist der Effekt möglicherweise geringer als bei einem Asthmaanfall oder einer exazerbierten COPD. Diese Patienten sollten zunächst gut beobachtet und regelmäßig (alle 5 Minuten) re-evaluiert werden. Kommt es unter laufender Therapie nicht zu einer Verbesserung der Symptome, ist auch hier die frühzeitige Intubation sinnvoll. Bewusstlose oder vigilanzgeminderte Patienten mit schwerer Verbrennung haben je nach Unfallmechanismus oft ein Inhalationstrauma. Die Ursache der Bewusstseinsstörung kann durchaus eine Rauchgasintoxikation sein. Somit muss in diesen Fällen auch eine Schädigung der Atemwege durch Rauch- oder Dampfbestandteile einkalkuliert werden. Patienten mit Gesichtsverbrennungen ohne direkte Zeichen eines Inhalationstraumas müssen ebenfalls engmaschig gemonitort werden. Kommt es zu einer sichtbaren Lippenschwellung, Schluck-
oder Atembeschwerden, ist auch hier eine Atemwegssicherung sinnvoll. Generell sollte die Intubation, so sie indiziert ist, eher frühzeitig erfolgen, da durch eine zunehmende Schwellung der Atemwege die Laryngoskopie und die Tubuspassage deutlich erschwert bis unmöglich sein können. Bei der Wahl der Medikamente gibt es neben den üblichen Grundüberlegungen zur Kreislaufstabilität, Narkosetiefe bei Einleitung und patientenindividuellen Faktoren keine Einschränkungen. Innerhalb der ersten 24 Stunden nach Verletzung kann problemlos auch Succinylcholin eingesetzt werden, was in der späteren klinischen Versorgung Schwerbrandverletzter kontraindiziert ist. Nach Präoxygenierung und Narkoseeinleitung wird zunächst ohne Maskenbeatmung ein Intubationsversuch unternommen. Das Videolaryngoskop kann die Erfolgswahrscheinlichkeit deutlich steigern. Es sollte vorsichtig laryngoskopiert werden, da das Gewebe vulnerabel ist und durch Manipulation die Schwellung weiter zunehmen kann. Gelingt die Intubation nicht, wird der Patient mit der Maske beatmet und je nach Sichtbedingungen und Erfolgsaussicht ein erneuter Laryngoskopieversuch unternommen oder eine Larynxmaske eingelegt. Bei beiden ist allerdings zu bedenken, dass die Schwellung der Atemwege in der Tiefe weiter voranschreitet und ein Verlust der Atemwege droht. Der Patient sollte nach entsprechender Voranmeldung in eine geeignete Klinik transportiert werden. Zusammenfassung
• Das Inhalationstrauma geht oft mit großflächigen Verbrennungen einher. Es kann thermisch oder chemisch sein oder eine Kombination aus beidem. • Die Atemwege können durch das Inhalationstrauma stark anschwellen. Eine frühzeitige Atemwegssicherung ist deshalb sinnvoll. • Patienten mit Gesichtsverbrennungen ohne Symptome eines Inhalationstraumas benötigen primär meistens keine Atemwegssicherung, sondern sollten engmaschig beobachtet werden.
10.6. Erhöhter Hirndruck und hypertensive Notfälle Mareike Soltau Fal l s ze nario Morgens um 4:15 Uhr trifft der Rettungsdienst bei einem Mehrfamilienhaus ein. Die Einsatzmeldung lautet „bewusstlose Person“. Die Ehefrau des etwa 70-jährigen Patienten hatte den Notruf gewählt, weil ihr Mann „komisch“ geatmet habe, wovon sie wach geworden sei. Nun könne sie ihn nicht erwecken. Bei Eintreffen im Schlafzimmer liegt der Patient in Seitenlage, schnarcht und reagiert nicht auf Weckversuche. Die Atmung ist unregelmäßig, der Puls peripher kräftig, regelmäßig und eher langsam und die GCS beträgt 3. Es fällt eine rechtsseitig enge und linksseitig stark geweitete Pupille auf. Bei der
Vitalzeichenkontrolle liegt der SpO2-Wert bei 91 %, der Puls bei 39/min und der Blutdruck bei 220/120 mmHg. Die Temperatur beträgt 37,3 °C und der Patient zeigt im EKG einen Sinusrhythmus. Erhöhter Hirndruck entsteht durch eine Zunahme eines Kompartiments innerhalb des knöchernen Schädels durch dessen Unfähigkeit, sich auszudehnen. Ursächlich können ein Hirnödem, ein wachsender Tumor, eine Blutung oder eine massive Zunahme von Hirndurchblutung oder Liquormenge sein. Der Körper kann den intrakraniellen Druck in einer weiten Spanne des zerebralen Perfusionsdrucks selbst regulieren (Autoregulation). Diese Fähigkeit kann jedoch durch Erkrankungen oder Verletzungen des Gehirns gestört sein. Im Rahmen der Autoregulation wird bei einer Zunahme des Hirn- oder Durchblutungsvolumens die Menge an Blutvolumen und im späteren Verlauf auch das Liquorvolumen reduziert. So bleibt das globale intrakranielle Volumen gleich. Dies hat jedoch seine Grenzen. Da Flüssigkeiten nicht komprimierbar sind und das intrakranielle Volumen nicht steigerbar ist, steigt ab einem gewissen Punkt der intrazerebrale Druck an (Monro-Kellie-Doktrin). Folgende Symptome können auf einen erhöhten Hirndruck hinweisen: • Übelkeit und schwallartiges Erbrechen • Vigilanzstörung, Schläfrigkeit • Kopfschmerzen, Nackenschmerzen • Krampfanfall • Sehstörungen • Lichtempfindlichkeit
• Verwirrtheit • Störungen der Pupillomotorik • Im späteren Stadium Koma, arterielle Hypertension und Bradykardie (Cushingreflex) Es gibt neben allgemein bekannten Ursachen für einen erhöhten Hirndruck wie z. B. dem Schädel-Hirn-Trauma oder spontanen Hirnblutungen auch noch andere, seltenere Ursachen für eine intrakranielle Drucksteigerung. Ein Hirnödem kann z. B. Folge einer zu raschen Korrektur eines stark hyperglykäm entgleisten Blutzuckerspiegels sein – der Hauptgrund, warum schwer hyperglykäm entgleiste Patienten stationär über mehrere Tage eine kontrollierte Blutzuckersenkung bekommen. Auch der exzessive Konsum von Wasser im Rahmen psychiatrischer Erkrankungen oder Wettbewerbssituationen kann ein zelluläres Hirnödem auslösen. Zudem tritt es häufig nach Revaskularisierung großer ischämischer Schlaganfälle auf. In der Klinik kann durch Entnahme der Schädeldecke eine Entlastung erreicht und eine Einklemmung des Hirnstamms verhindert werden: Durch Entfernung der festen Begrenzung kann sich das Hirngewebe ausdehnen. Der Schwellung wird Raum gegeben, ohne dass es zu einer Drucksteigerung mit druckbedingten sekundären Hirnschäden kommt. Präklinisch ist bei dem Verdacht auf einen erhöhten intrakraniellen Druck der zügige Transport in eine neurochirurgische Klinik nach entsprechender Voranmeldung wichtig. Praxistipp
Liegen deutliche Hinweise auf einen erhöhten Hirndruck vor, ist es abhängig von lokalen Versorgungsstrukturen eventuell sinnvoller, den Patienten in eine weiter entfernte neurochirurgische Klinik zu transportieren. Eine rein neurologische Klinik kann einen krisenhaft gesteigerten Hirndruck nicht therapieren, da die chirurgische Trepanation die einzig lebensrettende Behandlung ist.
Gerade bei jüngeren Patienten mit einer nichttraumatischen Hirndrucksteigerung wird diese mitunter trotz typischer Symptome nicht erkannt. Dies liegt auch daran, dass es eine Vielzahl anderer häufigerer Ursachen für die o. g. Leitsymptome gibt, die weniger lebensbedrohlich sind. Unter anderem können Kopfschmerzen auch durch eine Migräne hervorgerufen werden, ebenso Sehstörungen oder Übelkeit. Mögliche Risikofaktoren für eine abklärungsbedürftige Ursache sind: • Andersartige Beschwerden als sonst • Plötzlicher Beginn mit stärksten Schmerzen (wie noch nie da gewesen) • Sonst hilfreiche Maßnahmen helfen nicht • Erstereignis der Beschwerden • Lähmungserscheinungen, fokale Parästhesien, Sprachstörungen • Fieber • Schlechter Allgemeinzustand • Vigilanzstörung
• Krampfanfall • Verwirrtheit • Positive Eigen- oder Familienanamnese für Gefäßfehlbildungen, Schlaganfälle oder Hirntumore • Bekanntes Krebsleiden mit der Möglichkeit einer Hirnmetastasierung Im Folgenden werden einige Erkrankungen beschrieben, die zu einer Hirndrucksteigerung führen können oder relevante Differenzialdiagnosen dazu sind, weil sich die Symptome ähneln können. AV-Malformation • Eine arteriovenöse Malformation ist eine Gefäßanomalie im Gehirn; diese kann angelegt oder erworben sein. • Direkter Blutfluss aus der Arterie in eine Vene ohne Fluss durch ein Kapillarbett verursacht eine Hyperperfusion. • Vergrößerungs- und Rupturgefahr durch Hyperperfusion. • Hauptursache für Hirnblutungen junger Menschen, auch im Kindesalter. 50 % der Patienten bekommen die Diagnose erst mit Auftreten einer Hirnblutung. • Kann klinisch mit Migräne verwechselt werden (bei Migräne sind die Beschwerden dem Betroffenen meistens bekannt). • Symptome der nicht rupturierten AV-Malformation können Krampfanfälle, starke Kopfschmerzen und fokalneurologische Ausfälle sein; Symptome der rupturierten AV-Malformation entsprechen denen anderer intrakranieller Blutungen.
• Diagnose kann nur per Bildgebung gestellt werden; ob kürzlich ein CT oder MRT des Kopfes durchgeführt wurde, ist deshalb eine wichtige Anamnesefrage. Zerebrale Aneurysmaruptur/Subarachnoidalblutung • Ein Aneurysma der hirnversorgenden Arterien platzt spontan oder durch kurze intrakranielle Drucksteigerung (Pressen, schweres Heben, Blutdruckanstieg); Aneurysmen entstehen meistens im Laufe des Lebens und sind nicht schon bei Geburt vorhanden. • Folge einer Aneurysmaruptur kann eine subarachnoidale Blutung sein. • Mittleres Alter bei aneurysmabedingter SAB: 50 Jahre. • Symptome: plötzliche stärkste Kopfschmerzen, Synkope, Nackenschmerzen, Lichtscheu, Übelkeit und Erbrechen, Bewusstseinsstörungen, Krampfanfälle, Hirndruckzeichen. • Therapie: neurochirurgisches Clipping im Rahmen einer OP oder neuroradiologisches Coiling (Ausschalten durch eingelegte Metallspirale ins Aneurysma über einen Katheter). • In den Tagen nach Aneurysmaruptur können Gefäßspasmen im Gehirn zusätzlich Ischämien auslösen. Bleibende neurologische Schäden mit Behinderung nach Überleben sind nicht selten Hyponatriämie • Abfall der Natriumkonzentration im Blut z. B. durch exzessiven Wasserkonsum, Einnahme großer Mengen
Diuretika, hormonelle Störungen (Störungen der Nebennierenrinde), Schädel-Hirn-Verletzung. • Meistens geht akuten Störungen ein benennbares Ereignis voraus. • Hyponatriämie ist eher die Folge einer Erkrankung. • Akute Natriumstörung verursacht Zellschwellung im Gehirn durch eine Imbalance des Extra- und Intrazellularmilieus mit konsekutivem Hirnödem. • Chronische Natriumstörung verursacht subtilere Symptome wie z. B. Verwirrtheit, da sich Intra- und Extrazellulärraum langsam aneinander anpassen können. Betrifft v. a. ältere Menschen. • Symptome: Krampfanfälle, Kopfschmerzen, Wesensveränderungen, Bewusstseinsstörungen und Zeichen einer Hirneinklemmung. Bei chronischer Hyponatriämie eventuell nur subtile Anzeichen wie Desorientiertheit, Unruhe, Erbrechen, Kopfschmerzen oder Verschlechterung des Allgemeinzustands. • Therapie: Nach Diagnosestellung durch Blutentnahme wird die Ursache ermittelt und behandelt; parallel Ausgleich des Natriumspiegels (in schweren Fällen in der Klinik intravenös und langsam ≤ 10–12 mmol/24 h zur Vorbeugung eines Disäquilibriums). Idiopathische intrakranielle Hypertension (IIH) • Ursache noch nicht hinlänglich erforscht. Vermutlich Zusammenspiel aus dilatierten Blutgefäßen der Dura mater und dem Gesichtsnerv Nervus trigeminus. Vermutlich führt
ein gestörter venöser Abfluss aus dem Gehirn zu einer intrakraniellen Zunahme des Blutvolumens mit dortigem Druckanstieg. • Sehr seltene Erkrankung. • Risikofaktoren: Übergewicht, kürzliche relevante Gewichtszunahme, weibliches Geschlecht, eine Schwangerschaft, Unregelmäßigkeiten der Menstruation und ein eher jüngeres Lebensalter. Kann auch bei Kindern auftreten, meist im Schulalter. • Symptome: chronische Kopfschmerzen, Zunahme der Beschwerden in Flach- oder Kopftieflage, Übelkeit, pulssynchroner Tinnitus, Schwindel, Augenschmerzen, psychische Veränderungen. • Diagnostik: Veränderungen am Sehnerv (augenärztliche Untersuchung); in der Bildgebung keine genaue Ursache zu finden. • Gefahr: Visusverlust durch chronisch erhöhten Hirndruck auf den Sehnerven. • Erkrankung bildet sich oft nach mehreren Monaten spontan zurück. Hirntumoren • Umgebungsödem oder der Tumor selbst drücken durch das Wachstum auf kritische Strukturen im Gehirn und lösen Ausfallerscheinungen der entsprechenden Zentren aus. • Gut- und bösartige Tumoren sind möglich; ebenso hirneigene Tumoren, Tumoren der Hirnhaut oder Metastasen (klassisch: Bronchialkarzinom und Brustkrebs)
• Symptome je nach Schnelligkeit des Tumorwachstums und je nach Ort des Tumors; je schneller der Tumor wächst, desto eher kommt es zu schwerwiegenden neurologischen Störungen wie Hirndruckzeichen. • Klassische latente Symptome: Kopfschmerzen, neurologische Ausfallerscheinungen, Krampfanfälle, Wesensveränderung. • Diagnosestellung mit bildgebenden Verfahren. • Therapie: je nach Tumor operativ, Bestrahlung, abwartendes Vorgehen oder Palliativtherapie. Migräne • Ursache nicht genau bekannt. Vermutlich Zusammenspiel aus Blutgefäßen der Dura mater und dem Gesichtsnerv Nervus trigeminus. • Häufige Erkrankung, 1 von 6 Erwachsenen betroffen, eher jüngere Patienten. Verschwindet bei manchen mit dem Älterwerden. Betrifft mehr Frauen als Männer. • Anfallsartige dumpfe, oft einseitige Kopfschmerzen. • Oft zusätzlich Übelkeit und Erbrechen, Lichtscheu, gelegentlich neurologische Ausfälle wie Sehstörungen. Leidensdruck kann erheblich sein und die Lebensqualität verschlechtern. • Beschwerden, Trigger und lindernde Faktoren sind dem Betroffenen meist bekannt. Multiple Sklerose • Erworbene, entzündliche Autoimmunerkrankung des Gehirns und Rückenmarks mit schubweisem oder kontinuierlichem
Verlauf. • Neurologische Ausfälle verschlimmern sich mit der Zeit, oft mit dem Resultat einer Behinderung und Pflegebedürftigkeit. • Bisher nicht heilbar, der genaue Auslöser ist unbekannt; es wird u. a. eine Assoziation mit einer Ebstein-BarrVirusinfektion diskutiert. • Patienten sind bei Erstdiagnose meistens jünger. • Typische Symptome eines Schubes: Sehstörungen, Lähmungs- oder Schwächeerscheinungen, elektrisierende Schmerzen des Rückens oder den Extremitäten, wenn das Kinn auf die Brust gelegt wird. • Fieber/erhöhte Körpertemperatur kann Schub auslösen. • Diagnosestellung mit verschiedenen klinischen, bildgebenden und Labortests. Posteriores reversibles Enzephalopathie- Syndrom • Durchblutungsstörung im Hinterhauptbereich liegender Hirnareale mit reversiblem vasogenem Hirnödem, einer lokal gestörten Bluthirnschranke und Vasospasmen. • Ursache unbekannt, bildet sich nach Tagen oder Wochen wieder zurück. • Durchschnittsalter 45 Jahre, tritt aber in allen Altersgruppen auf; häufiger bei Frauen als bei Männern; häufiger bei Patienten mit Niereninsuffizienz, Autoimmunerkrankungen, immunmodulierender Therapie oder Eklampsie. • Symptomatik variabel; klassisch: dumpfe Kopfschmerzen, Krampfanfälle und ein schwankender Blutdruck mit hypertensiven Phasen. Auch Verwirrtheit,
Bewusstseinsstörungen, fokal-neurologische Ausfälle und Sehstörungen wie ein plötzlicher, reversibler Visusverlust. • Diagnosestellung durch MRT des Kopfes. Schwere Präeklampsie/Eklampsie • Funktionsstörung der Plazenta im späteren Schwangerschaftsverlauf mit Verkalkung und Durchblutungsstörung führt zu vaskulärer Unterversorgung des Kindes und Bluthochdruck der Mutter; gelegentlich erst Auftreten nach der Geburt. • Symptome der Präeklampsie („Schwangerschaftsvergiftung“): Bluthochdruck, vermehrte Ausscheidung von Eiweiß im Urin und Ödeme. Verlauf kann mild bis schwer sein, plötzliche Verschlechterung möglich. • Anzeichen für schweren Verlauf: Augenflimmern, Kopfschmerzen, Krampfanfälle, Übelkeit und Erbrechen, Schwindel, starke hypertensive Entgleisung, Verwirrtheit, fokal-neurologische Defizite, Bewusstseinsstörungen; rechtsseitige Oberbauchdruckschmerzen können auf ein HELLP-Syndrom hindeuten. • HELLP-Syndrom ist eine Unterform der schweren Präeklampsie: Hämolyse, niedrige Thrombozytenzahl, erhöhte Leberwerte aufgrund einer Leberzellnekrose bis hin zur Leberruptur; Diagnose anhand von Laborwerten bei klinischem Verdacht. • Sterblichkeit der Mutter bei schwerer Form ca. 5 %, Sterblichkeit des Kindes ca. 30 %.
• Einzige kausale Therapie ist die Entbindung; Krampfanfälle und hypertensive Krisen können mit Magnesiumsulfat behandelt werden. Airwaymanagement bei Patienten mit erhöhtem Hirndruck Die Sicherung der Atemwege bei Patienten mit gesichertem oder vermutetem Hirndruck verfolgt die gleichen Ziele wie die Atemwegssicherung beim Schädel-Hirn-Trauma. Hypoxie und Hyper-/Hypokapnie, die durch Aspiration, gestörte Schutzreflexe oder Störungen der Atemtätigkeit auftreten können, sollen verhindert werden. Die Durchführung verläuft weitestgehend analog zur Atemwegssicherung beim Schädel-Hirn-Trauma. Zu bedenken ist bei erhöhtem Hirndruck das stark erhöhte Risiko für Aspirationen im Rahmen der Atemwegssicherung bei bestehender Übelkeit und Erbrechen. Auch kann die Anwendung von Succinylcholin den Hirndruck weiter ansteigen lassen ebenso wie eine zu flache Narkose bei der Intubation und auch im Verlauf der Narkoseaufrechterhaltung. Die Atemwegssicherung ist nur bei starker Dynamik der Bewusstseinsstörung oder Bewusstlosigkeit indiziert. Sonstige Hirndruckzeichen, die nicht mit einer ausgeprägten Bewusstseinsstörung einhergehen, stellen keinen Grund für eine Atemwegssicherung dar. Ist der Atemweg des Patienten gesichert, muss besonders darauf geachtet werden, den Kopf in gerader Position zu fixieren. Denn ein nach links oder rechts gekippter Kopf kann durch den gestörten venösen Abfluss eine Hirndrucksteigerung auslösen. Auch ist eine tiefe Sedierung sinnvoll, um den Hirnstoffwechsel zu senken und Hirndruckspitzen durch Husten
oder Stress zu verhindern. Der Oberkörper sollte in 30°-Hochlage gelagert und alle Vitalparameter in der Norm gehalten werden. Das betrifft auch das exspiratorische CO2: Eine Hyperventilation, wie noch bis vor einigen Jahren propagiert, reduziert die Hirndurchblutung und darüber auch den Hirndruck. Jedoch ist der hypoperfusionsbedingte zerebrale Zellschaden größer als der Effekt, den man mit der reinen Hirndrucksenkung erzielt. Zusammenfassung • Patienten mit gesteigertem Hirndruck sind vital bedroht und es müssen alle verfügbaren Maßnahmen ergriffen werden, um den Hirndruck zu senken oder nicht weiter steigen zu lassen. Dazu kann auch eine Sicherung der Atemwege und eine therapeutische Sedierung gehören. • Eine Hyperventilation des Patienten verursacht eine zerebrale Minderdurchblutung und ist daher unbedingt zu vermeiden. Sie wurde früher therapeutisch angewandt, ist jedoch heute obsolet. • Es gibt viele Erkrankungen, die ähnliche Symptome verursachen wie ein gesteigerter Hirndruck oder sogar selbst den Hirndruck steigern. Eine genaue Anamnese und Überprüfung von Risikofaktoren können bei der Einordnung helfen.
10.7. Die schwangere Patientin
Mareike Soltau Fal l s ze nario Am späten Nachmittag ruft ein 38-jähriger Mann den Rettungsdienst für seine 34-jährige Frau. Sie habe einen Krampfanfall erlitten, was vorher noch nie vorgekommen sei. Außerdem sei sie in der 32. Schwangerschaftswoche. Als die Rettungswagenbesatzung am Einsatzort ankommt, hat die Patientin eine prustende Atmung, einen kräftigen normofrequenten peripheren Puls und ist agitiert, aber nicht kontaktierbar. Sie wehrt sich ungezielt gegen Untersuchungsmaßnahmen, spricht nicht und hat die Augen halb geöffnet. Die Pupillen sind weit und reagieren verzögert auf Licht. Es rinnt blutiger Speichel aus ihrem Mund und sie hat an der Stirn eine kleine, blutende Wunde. Der Mann berichtet, sie sei beim Zusammenbrechen gegen eine Ecke des Flurschranks gefallen. Ein derart kritischer präklinischer Zustand einer Schwangeren, der ein Atemwegsmanagement erfordert, ist mit einem hohen Risiko für die Schwangere und ihr ungeborenes Kind verbunden. Auch die Narkoseeinleitung und Atemwegssicherung selbst sind deutlich risikobehafteter als es bei einer nichtschwangeren Patientin der Fall wäre. Dies hat mit den physiologischen Veränderungen während der Schwangerschaft zu tun (➤ Abb. 10.6).
Abb. 10.6 Physiologische Veränderungen des Körpers in der Schwangerschaft [E1258] Aus den körperlichen Veränderungen folgt u. a., dass das Kind bereits ohne manifeste Schockzeichen der Mutter unterversorgt sein kann. Denn der mütterliche Körper kann aufgrund der Anpassung an den Mehrbedarf der Durchblutung seine eigene Versorgung lange ungestört aufrechterhalten. Aus diesem Grund ist auch die sonst übliche permissive Hypotension bei unstillbaren Blutungen mit Schock hier auf jeden Fall zu vermeiden. Die Therapie von Schockzuständen erfolgt primär mit Volumen und Akrinor®. Katecholamine können die Durchblutung über die Nabelschnur reduzieren, sodass sie vorsichtig eingesetzt werden sollten. Bei schneller Positionsänderung kann es v. a. in der Frühschwangerschaft zu orthostatischen Dysregulationen kommen. Dies hat mit der Änderung des peripheren Gefäßwiderstandes zu tun. Die Patientin sollte aufgrund des Risikos eines Vena-cavaKompressionssyndroms im späteren Schwangerschaftsverlauf nicht flach gelagert werden. Eine leichte Linksseitenlagerung der Schwangeren wird empfohlen.
Jede schwangere Patientin sollte bei fortgeschrittener Schwangerschaft in eine Klinik mit Geburtshilfe gebracht werden. Lebensfähigkeit ist beim Fetus theoretisch ab der 23. Schwangerschaftswoche gegeben, hier aber nur unter maximaler neonatologischer Intensivtherapie (Level 1). Bis zum Beginn der 38. Schwangerschaftswoche ist ein geborenes Kind ein Frühgeborenes und bedarf einer kinderärztlichen Beurteilung. Eine neonatologische Versorgungsmöglichkeit ist allerdings auch für reife Kinder wünschenswert, wenn ein Notfall bei einer Schwangeren vorliegt, da Kinder die notfallmäßig entbunden werden, weil die Mutter erkrankt oder verletzt ist, häufig ebenfalls kompromittiert sind. Fehlt in solchen Situationen die Möglichkeit einer adäquaten intensivmedizinischen Behandlung, erhöht sich die Sterblichkeit. Bei der Medikamentenauswahl zur Narkoseeinleitung sind folgende Veränderungen zu beachten: Succinylcholin ist in seiner Wirkdauer etwas verlängert. Rocuronium hat eine geringe Plazentagängigkeit. Es tritt bereits innerklinisch bei einer von 30 Patientinnen ein schwieriger Atemweg auf und bei einer von 280 ist die Intubation unmöglich. Es ist also davon auszugehen, dass unter den Bedingungen der Präklinik die Rate dementsprechend noch deutlich höher. Die Apnoetoleranz ist vermindert und das Aspirationsrisiko stark erhöht – auch wenn äußerlich noch nicht viel von der Schwangerschaft zu sehen sein sollte. Somit ist die Videolaryngoskopie als primäre Intubationstechnik aufgrund ihrer höheren Erfolgsrate gegenüber der konventionellen Laryngoskopie zu bevorzugen. Eine supraglottische Atemwegshilfe als Notfalllösung sollte vorbereitet sein, auch wenn hierüber kein sicherer
Aspirationsschutz besteht. Die Intubation einer Schwangeren sollte immer als RSI durchgeführt werden. Da die Narkotika auf das Ungeborene übertreten, ist eine neonatologische Abteilung in der Zielklinik erforderlich. Es kann also aus einsatztaktischen Gründen gut sein, direkt ein etwas weiter entferntes neonatologisches Zentrum anzufahren. Hierdurch kann in der Summe Zeit für Mutter und Kind eingespart werden, eine adäquate Versorgung ist gewährleistet und es sind keine weiteren Verlegungstransporte mehr erforderlich. Je kritischer der Zustand der Mutter ist, desto weniger kann auf den Lebenserhalt des Kindes eingegangen werden. In der Präklinik ist ein Kind im Regelfall im Bauch der Mutter besser aufgehoben als außerhalb. Eine Indikation für eine Notsectio vor Ort ist, außer im Rahmen einer Reanimation, somit nie gegeben. Das darin ungeübte Personal, das fehlende richtige Equipment und das hohe Risiko für die Schwangere, dabei zu verbluten, sprechen auch bei akuter Lebensgefahr regelmäßig dagegen. Auch ist die Versorgung eines Kindes nach Entbindung in dieser Situation nur mit suffizientem Equipment und neonatologischen Personal in der Klinik sicher möglich. Es sollte anstelle einer Entbindung vor Ort eher ein zügiger Transport erwogen werden. Zusammenfassung • Die Schwangerschaft führt zu vielen physiologischen, notfallmedizinisch relevanten Veränderungen im Körper der Patientin. Manche sind von außen nicht erkennbar.
• Bei der Atemwegssicherung einer Schwangeren muss immer mit einem hohen Aspirationsrisiko und einem erhöhten Risiko für Intubationsschwierigkeiten gerechnet werden. • Die Blutversorgung des Kindes hängt direkt von der Kreislaufsituation der Mutter ab, sodass auch kurzzeitige Blutdruckabfälle vermieden oder zügig behandelt werden müssen • Als Zielklinik sollte eine Klinik mit Geburtshilfe angesteuert werden, da eine Notfallentbindung möglicherweise nötig werden könnte. Für eine optimale Versorgung des Kindes ist eine Anbindung an eine Kinderklinik empfehlenswert.
10.8. Der Patient mit Status epilepticus Mareike Soltau Fal l s ze nario In einer Kneipe hat ein Gast abends um 23:00 Uhr das Bewusstsein verloren. Er sei vom Stuhl gefallen und habe danach ganz steif am Boden gelegen. Der RTW ist 8 Minuten nach dem Notruf vor Ort und findet den Patienten mit zuckenden Bewegungen am Boden liegend vor. Der Patient ist Mitte 50, Stammgast, und hat heute nach Angaben seiner drei Freunde nur ein Bier getrunken. Nach insgesamt 10 mg Midazolam nasal ändert sich noch nichts am Patientenzustand. Auch die weitere Midazolamgabe, die nun nach erfolgreicher Zugangsanlage intravenös erfolgt, sistiert das Krampfgeschehen noch nicht.
Mittlerweile hält der Krampfanfall basierend auf den fremdanamnestischen Angaben eine Viertelstunde an. Ein Status epilepticus liegt vor, wenn ein Krampfanfall mehr als 5 Minuten lang andauert oder in einem Zeitraum von mehr als 5 Minuten mehrere Krampfanfälle auftreten, ohne Wiedererlangen des präiktalen neurologischen Ausgangsstatus. Dies umfasst sowohl generalisierte tonisch-klonische als auch andere Formen von Krampfanfällen. Spätestens ab einer Krampfdauer von 30 Minuten können bleibende zerebrale Schäden auftreten. Die Letalität des Status epilepticus beträgt ca. 15 %. Das initiale Management bei einem Krampfanfall umfasst Folgendes: • Ausschluss einer Hypoglykämie • Sicherung des Patienten vor Verletzungen • Sauerstoffgabe und die Überwachung der Vitalzeichen • Fiebersenkung bei erhöhter Temperatur • Anlage eines i. v. Zugangs • Medikamentöse Therapie des Krampfanfalls durch die Gabe von Benzodiazepinen, mit dem Ziel, diesen zu beenden Achtung Je länger es dauert, bis die medikamentöse Therapie begonnen wird, desto schlechter ist die Erfolgschance. Entsprechend sollte das erste Benzodiazepin sofort und auch ohne vorhandenen i. v. Zugang gegeben werden. Die intranasale Gabe von Midazolam ist
etabliert und nach Studienlage sicher. Im Verlauf ist dennoch die Anlage eines i. v. Zugangs erforderlich.
Bei Alkoholentzugskrämpfen wird vor der Gabe von Glukose zusätzlich die Gabe von 100 mg Thiamin i. v. empfohlen. Die häufigste Ursache für eine erfolglose medikamentöse Therapie ist die Unterdosierung des Benzodiazepins. Präklinisch kann als Erweiterung der medikamentösen Therapie Levetiracetam oder Valproat gegeben werden, sofern es mitgeführt wird. Andere spezifische Antiepileptika sind nur in der Klinik vorhanden. Eine weitere Therapieeskalation erfordert in der Regel die Applikation von Propofol, Midazolam oder Thiopental in Narkoseeinleitungsdosis. In diesem Fall ist die Atemwegssicherung Folge der therapiebedingten Nebenwirkungen im Bereich der Atmung. Ein Atemwegsmanagement ist bei einem Krampfanfall nur selten erforderlich. Beim therapierefraktären Status epilepticus ist es jedoch oft indiziert. Gründe hierfür sind aufgrund der Therapieskalation eine Atemstörung (s. o.) und eine deutliche Sauerstoffunterversorgung des Patienten bei lang anhaltender Krampfaktivität. Auch die zugrunde liegende Ursache des Krampfanfalls kann eine Indikation darstellen: So verbessert die Narkoseeinleitung bei Patienten mit intrakraniellen Blutungen im Status epilepticus sehr wahrscheinlich die Hirnperfusion und senkt gleichzeitig den Hirndruck. Durch einen tonisch-klonischen Krampfanfall kann es in einigen Fällen zu einer Regurgitation von Mageninhalt mit Aspiration
kommen.Während eines generalisierten Krampfanfalles kann es durch Verletzungen der Mundschleimhaut zu größeren Blutungen kommen. Die Blutungen können während der Laryngoskopie zu erschwerten Sichtbedingungen auf die Glottisebene führen und damit die geplante Intubation deutlich erschweren. Eine Absaugbereitschaft ist daher wie bei jeder Notfallnarkose erforderlich und vorzubereiten. Die Präoxygenierung gelingt unter aktivem Krampfgeschehen meist nur unzureichend. Es ist damit zu rechnen, das die Apnoetoleranz durch eine adäquate Präoxygenierung nicht fundamental gesteigert werden kann. Dennoch sollte versucht werden, diese durchzuführen. Ein venöser Zugang muss vor Narkosebeginn optimal gesichert werden. Hierzu eignen sich beispielsweise selbsthaftende Binden. Bezüglich der Narkosemedikamente gibt es keine Einschränkungen oder Kontraindikationen, die mit dem Notfallbild zusammenhängen. Es ist jedoch zu bedenken, dass der Patient meistens bereits eine hohe Dosis Benzodiazepine erhalten hat und eine Narkoseeinleitung mit einem Benzodiazepin durch bereits vollbesetzte Rezeptoren erschwert werden kann. Wird Thiopental als Barbiturat benutzt, muss der Venenzugang zweifelsfrei intravenös liegen. Eine paravasale Injektion von Thiopental kann schwere Gewebsnekrosen verursachen. Die endotracheale Intubation ist bei Fortbestehen des tonischklonischen Krampfgeschehens der sicherste Zugang zu den Atemwegen. Bei Patienten mit Krampfgeschehen sollte obligat ein Beißkeil eingelegt werden, um ein Zusammenpressen des Tubus durch Zubeißen zu verhindern. Hierfür eignet sich ein Guedl-Tubus
oder eine zusammengerollte Mulbinde. Zu beachten ist, das ein Guedel-Tubus bei einem anhaltendem Krampfanfall durch die starke Beißkraft zu Verletzungen führen kann. Die Sicherung der Atemwege mittels SGA ist ebenfalls möglich. Während eines Krampfanfalls muss diese jedoch gut fixiert werden. Wenn der Patient zur Intubation mit einem langwirksamen Muskelrelaxans relaxiert wurde, kann dies die krampfbedingte Muskelaktivität dämpfen und somit die Beatmung erleichtern. Es bedeutet allerdings nicht, dass die Krampfaktivität nachgelassen hat. Der Patient ist vielmehr gefährdet, unbemerkt weiter zu krampfen. Hier kann nur eine Ableitung von Hirnströmen (EEG) diagnostische Sicherheit bieten. Zusammenfassung • Eine häufige Ursache, warum ein Krampfanfall nicht durchbrochen werden kann, ist eine Unterdosierung der Medikamente. • Ein Status epilepticus ist lebensbedrohlich und eine Atemwegssicherung im Therapieverlauf sehr wahrscheinlich. • Die Sicherung der Atemwege wird durch eine nur eingeschränkt mögliche Präoxygenierung, den hohen Muskeltonus und mögliche Schleimhautverletzungen im Mund erschwert.
10.9. Der geriatrische Patient
Mareike Soltau Fal l s ze nario Am 23. Dezember werden RTW und NEF am späten Nachmittag in ein innerstädtisches Pflegeheim gerufen. Ein 92-jähriger Patient liegt vigilanzgemindert im Bett und atmet angestrengt. Er wiegt ca. 40 kg laut Überleitungsbogen und reagiert verlangsamt. Nur auf laute Ansprache mit Schütteln an den Schultern ist ein Stöhnen zu vernehmen und er verzieht das Gesicht. Deutliche Worte sind nicht zu verstehen. Die anwesende Pflegekraft berichtet, er habe in den letzten Tagen stark abgebaut und jegliche Nahrung verweigert. Ihr sei nun aufgefallen, dass er nur noch nuschele und seine linke Hand weniger bewege. Der Hausarzt sei bereits im Weihnachtsurlaub. Daher habe sie den Notruf gewählt. Die beiden Kinder habe sie verständigt und sie müssten gleich da sein. Die Gründe für ein Atemwegsmanagement bei geriatrischen Patienten entsprechen denen, die auch bei anderen Patientengruppen vorliegen Viele geriatrische Patienten haben differenzierte Vorstellungen davon, welche Intensität einer Therapie sie sich wünschen. Von Maximaltherapie bis hin zur grundsätzlichen Ablehnung einer Krankenhauseinweisung auch bei Lebensgefahr ist jegliche Variante möglich. Somit empfiehlt es sich, losgelöst von vermeintlich harten Kriterien für eine Atemwegssicherung aktiv nach dem Patientenwillen zu fragen oder ihn anderweitig zu ermitteln. Hier ist ein offenes Gespräch zielführender als beispielsweise die Frage, ob
jemand intubiert oder dialysiert werden will oder ob er oder sie eine Intensivtherapie wünscht. Die Angehörigen, die anwesenden Bezugspflegekräfte oder ein gesetzlicher Betreuer sind unbedingt dazu zu befragen, wenn der Patient nicht mehr selbst für sich sprechen kann. Geschäftsfähigkeit und Willensfähigkeit sind hier zwei unterschiedliche Dinge. So kann ein Patient mit Demenz genauso wie ein Schulkind konsistent seinen Willen äußern, ohne geschäftsfähig zu sein. Alle Beteiligten sind verpflichtet, dem Patientenwillen – ob mündlich geäußert oder schriftlich fixiert – zu folgen. Dementsprechend entscheiden auch Angehörige nicht darüber, ob nach ihrem eigenen Wunsch eine Therapie durchgeführt wird oder nicht. An dieser Stelle besteht oft Aufklärungsbedarf. Lässt sich der Patientenwille nicht zweifelsfrei ermitteln, sollten therapeutische Maßnahmen ergriffen werden. Dennoch muss ein sinnvolles Therapieziel erkennbar sein. So ist z. B. die Prognose auf eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands bei einer prolongierten Reanimation eines bettlägerigen, schwer dementen Patienten nicht wahrscheinlich. Somit ist eine Maximaltherapie mitunter für den Patienten ohne medizinischen Mehrwert und verlängert eher das Leiden, als dass sie Positives bewirkt. Oft benötigen Anwesende hier eine Erklärung über die Konsequenzen des medizinischen Handelns, damit am Ende auch eine gemeinsame ethisch vertretbare Entscheidung getroffen werden kann, die im Sinne des Patienten ist. Bei einem hochaltrigen Patienten hingegen, der bis zum Notfallereignis körperlich und geistig fit gewesen ist und ohne Einschränkungen gelebt hat, kann eine Maximaltherapie unter Umständen sinnvoll sein.
Patienten, die im Sterben liegen, sollten in einer ruhigen Umgebung sterben dürfen. Den begonnenen und unumkehrbaren Sterbeprozess aufzuhalten oder gar einen solchen Patienten zu intubieren, ist nicht geboten und ethisch nicht vertretbar. Während des Sterbens kommt es oft zu einer wechselnden Vigilanz, wo sich tiefe Bewusstlosigkeit mit Dämmerzuständen und Phasen der Wachheit abwechseln. Ältere Menschen haben ein deutlich reduziertes Durst- und Hungergefühl. Der Geschmackssinn lässt nach und viele Medikamente der Dauermedikation beeinträchtigen den Appetit. Somit sind große Teile der älteren Bevölkerung mangelernährt – meistens mit Mikronährstoffen, nicht selten aber auch mit Makronährstoffen. Das lässt sich nicht immer äußerlich erkennen, kann aber Einfluss auf die Verträglichkeit von Narkosemedikamenten und die allgemeine Krankheitsprognose haben. Ebenso beeinträchtigen Vorerkrankungen die Kompensationsmechanismen nach Narkoseeinleitung. Ältere Menschen benötigen meist weniger hohe Dosen an Narkotika im Vergleich zu jüngeren. Medikamentenwechsel- und Nebenwirkungen sind bei einer Einnahme von mehr als fünf Medikamenten zu erwarten. Hierzu gehören Kreislaufreaktionen durch die Wechselwirkung mit Antihypertensiva, aber auch eine Wirkverstärkung oder abschwächung von Narkosemedikamenten durch die Einnahme zentralnervös wirkender Substanzen. Bewusstseinsstörungen sind häufig ein Grund für die Inanspruchnahme des Rettungsdienstes bei älteren Patienten. Eine Atemwegssicherung rein von der GCS abhängig zu machen, ist
allerdings insbesondere beim geriatrischen Patienten kontraproduktiv. Einmal intubiert, wird er in der Klinik vermutlich mehrere Stunden weiter sediert und beatmet. Dies steigert das Risiko für ein im Verlauf auftretendes Delir deutlich. Um Folgeschäden für den Patienten zu vermeiden, sollte sich das präklinische Behandlungsteam sicher in der Indikationsstellung sein. Mittlerweile wird vermehrt angezweifelt, die GCS für nicht traumatische Patienten als Intubationskriterium zu nutzen. Wichtiger ist die Beurteilung der Schutzreflexe. Kann jemand noch schlucken oder husten, ist ein präklinisches Atemwegsmanagement trotz höhergradiger Bewusstseinsstörung ohne erkennbaren Vorteil für den Patienten. Fluktuierende Bewusstseinslagen sind zudem häufig auf eine Sepsis, Dehydratation oder eine Nebenwirkung der Dauermedikation zurückzuführen. Zusammenfassung • Bei geriatrischen Patienten ist das Herausfinden des grundsätzlich gewünschten Behandlungsziels noch wichtiger als bei anderen Patienten. Denn eine vorschnell durchgeführte, präklinische Maximaltherapie kann eine angemessene Therapie zu Hause erschweren. Gleichzeitig lehnt allerdings nicht jeder alte Mensch erweiterte medizinische Maßnahmen ab. • Vorerkrankungen, Wechselwirkungen mit Dauermedikamenten und eine deutlich geringere therapeutische Breite von Narkosemitteln bei alten Menschen können starke Herz-Kreislauf-Reaktionen hervorrufen.
10.10. Der adipöse Patient Mareike Soltau Fal l s ze nario Die Besatzung eines RTW trifft im Keller eines Einfamilienhauses auf dessen Eigentümer. Seine Frau hatte den Notruf gewählt, weil ihr Mann plötzlich stärkste Rückenschmerzen gehabt habe. Er renoviere gerade den Keller und sei momentan dabei, die alten Fliesen aus der Waschküche zu entfernen. Der Patient wiegt 180 kg und kann sich vor Schmerzen nicht bewegen. Sein linkes Bein kribbele bis in die Großzehenspitze und er habe das Gefühl, nicht sicher darauf stehen zu können. Ein ABCD-Problem liegt momentan nicht vor. Er bittet inständig darum, dass man ihm etwas gegen diese unerträglichen Schmerzen gebe. Bereits in den vergangenen Tagen habe er sich gelegentlich verhoben. Im Jahr 2019 waren 59,1 % der Männer und 45,3 % der Frauen in Deutschland übergewichtig. 18,5 % der Erwachsenen leiden hierzulande unter Adipositas und haben somit einen BMI von 30 kg/m2 oder mehr. Besonders schwer adipöse Patienten haben ein hohes Risiko für Komplikationen im Rahmen des Atemwegsmanagements, die bis hin zum Tod führen können. In diesem Kapitel werden sowohl die pathophysiologischen Veränderungen als auch Sicherheitsvorkehrungen beschrieben, die für das Atemwegsmanagement bei Adipositas von Bedeutung sind.
10.10.1. Pathophysiologische Veränderungen bei Adipositas Aufgrund der Zunahme an Körpermasse steigt auch das Blutvolumen. Dies führt zum einen dazu, dass bei Blutungen auch größere Blutverluste länger toleriert werden. Zum anderen leistet die dauerhafte Volumenbelastung des Herz-Kreislauf-Systems einer Herzmuskelhypertrophie des linken Ventrikels Vorschub. Die Zunahme des Halsweichteilgewebes führt zu einer erhöhten Rate des obstruktiven Schlafapnoesyndroms (OSAS). Diese Erkrankung erhöht wiederum das Schlaganfallrisiko und das Risiko für Bluthochdruck. Adipöse Patienten mit stammbetonter Adipositas haben einen erhöhten intraabdominellen Druck. Die Kompression des basalen Lungengewebes reduziert die funktionelle Residualkapazität und damit das physiologisch verfügbare Lungenvolumen deutlich. Die nicht belüfteten Areale steigern durch die hypoxische Vasokonstriktion (Euler-Liljestrand-Mechanismus) den Durchblutungswiderstand der Lunge. Damit und auch durch hypoxische Episoden im Schlaf (z. B. durch das OSAS) wird der rechte Ventrikel chronisch druckbelastet und es kann sich eine pulmonale Hypertonie ausbilden. Das reduzierte verfügbare Lungenvolumen und der gleichzeitig erhöhte Sauerstoffbedarf aufgrund der Körpermasse reduzieren die Belastbarkeit und führen bereits bei mäßiger oder geringer Belastung zu Luftnot. Die damit verbundene Stressreaktion kann das Herz-Kreislauf-System weiter belasten. Dies kann zu einem Teufelskreis aus bestehender Adipositas, geringerer körperlicher Aktivität, zunehmender Immobilität und weiterer Gewichtszunahme führen. Da die
möglichen Kompensationsmechanismen bereits früh greifen, besteht bei adipösen Patienten kaum eine Reserve bei akut auftretender Atemnot, die nicht durch die Folgen der Adipositas verursacht wurde. Das Fettgewebe ist stoffwechselaktiv und verursacht eine chronische Immunaktivierung mit erhöhten Werten entzündungsfördernder Stoffe. Das Thromboserisiko ist deutlich erhöht. Das Fettgewebe steigert nicht nur das Diabetes-, sondern auch das Risiko für eine maligne Erkrankung. Es verändert außerdem die Wirkung von Pharmaka im Körper, sodass bei einigen Medikamenten eine Dosisanpassung erforderlich ist. Hier ist zu beachten, ob die verabreichten Medikamente fettlöslich sind. Belastungen des Bewegungsapparats führen oft zu chronischen Schmerzen und vorzeitigem Gelenkverschleiß. Je nach Umfang des Weichteilmantels ist es jedoch oft schwierig, bei Schmerzen einer Körperregion chronische Zustände von Akutereignissen wie spontanen Frakturen klinisch auseinanderzuhalten.
10.10.2. Besonderheiten beim Atemwegsmanagement adipöser Patienten Wenn ein i. v. Zugang liegt, sollte dieser bestmöglich gesicherwerdebm da bei Verlust des venösen Zugangs die Neuanlage während einer Notfallsituation schwierig sein kann. In einem WorstCase-Szenario geht der Zugang bei einem halb sedierten/narkotisiertem Patienten verloren und eine Neuanlage gelingt nicht schnell genug, um eine suffiziente Beatmungssituation zu schaffen bzw. den Patienten zu antagonisieren. Dann kann der schnelle Entschluss zu einem i.o.-Zugang hilfreich sein. Die
Medikamentendosis sollte außerdem ausreichend hoch sein, um Beatmungs- und Intubationsschwierigkeiten zu verhindern. Propofol eignet sich als schnell wirksames und zeitgleich zentral muskelrelaxierendes Induktionshypnotikum gut. Die Zunahme des Halsweichteilgewebes ist meistens von außen zu sehen, existiert aber auch in den unsichtbaren innen liegenden Halspartien. Zunge, Pharynx und Gesicht sind ebenfalls deutlich prominenter als bei Normalgewichtigen. Dadurch kann es schwierig sein, einen stark adipösen Patienten mit der Maske zu beatmen. Auch die Laryngoskopie kann erschwert sein. Insgesamt ist das Risiko für lebensgefährliche Komplikationen im Rahmen der Narkoseeinleitung bei dieser Patientenklientel auf der Intensivstation, die damit als kritisch krank gelten können, 20-fach erhöht. Da sich bereits unter klinischen Bedingungen akut lebensbedrohliche Zustände ereignen können, ist präklinisch von ähnlichen Raten auszugehen und das Team sollte vorbereitet sein. Die häufigste Ursache sind Komplikationen beim Atemwegsmanagement. Dies unterstreicht noch einmal, wie wichtig eine gute Planung dieser Maßnahme mit Rückfallebenen und einer guten Teamkommunikation sind. Der abdominelle Gegendruck und die Atelektasen in den basalen Lungenabschnitten nehmen nach Verlust der Spontanatmung noch einmal deutlich zu. Deshalb ist es oftmals kaum oder nur erschwert möglich, Patienten mit höhergradiger Adipositas via Larynxtubus oder Larynxmaske zu beatmen. Beide Hilfsmittel verschließen nicht ausreichend, sodass der eigentlich benötigte hohe PEEP nicht erreicht werden kann. Dadurch nehmen Atelektasen mit der Zeit noch einmal zu. Ein hoher erforderlicher Spitzendruck führt oft zu
einem hörbaren Leckagegeräusch bei gleichzeitig niedrigem Tidalvolumen. Während der Präoxygenierung vor Narkoseeinleitung ist es sinnvoll, eine NIV-Therapie in erhöhter Oberkörperposition als Alternative zur reinen Spontanatmung zu verwenden. So kann die Vitalkapazität erhöht werden: Atelektasen werden reduziert und die eigentlich stark reduzierte Apnoetoleranz steigt. Mit einem raschen SpO2-Abfall nach Eintreten der Apnoe ist dennoch zu rechnen. Eine Flachlagerung wird vom Patienten meistens nicht gut toleriert und sollte auch aus pathophysiologischer Sicht unterbleiben. Eine weitere Unterpolsterung des Kopf-Nacken-Bereichs kann die Intubationsbedingungen deutlich verbessern, wenn der Patient dabei in eine Art Schnüffelposition gebracht werden kann. Diese Lagerung wird als sog. Ramped Position bezeichnet. (➤ Abb. 10.7).
Abb. 10.7 a: Flachlagerung eines adipösen Patienten. Diese Position führt zu einer starken Einschränkung der basalen Lungenentfaltung und verursacht meistens Atemnot bei höhergradiger Adipositas. b: Die Lagerung mit erhöhtem Oberkörper ermöglicht bereits eine Entlastung der basalen Lungenabschnitte. Der Intubationswinkel bleibt jedoch oft sehr steil und kann die Laryngoskopie erschweren. c: In der Ramped Position befinden sich
Gehörgang und oberer Sternumabschnitt auf einer horizontalen Ebene in erhöhter Oberkörperposition. Diese Position kann präklinisch mit einer individuell passenden Unterpolsterung des Oberkörpers und Kopf-Hals-Bereichs mit Decken erreicht werden. [P1384] Die Beutel-Masken-Beatmung ist bei Adipositas v. a. bei erkennbar vergrößertem Halsumfang, adipösem Gesicht und großer Zunge oftmals schwierig. Es sollte daher primär ein Guedel-Tubus verwendet werden. Gelingt die Intubation nicht beim ersten Versuch, ist die Beutel-Masken-Beatmung die erste Rückfallebene und sollte sofort begonnen werden. Mitunter wird Patienten mit Adipositas ein erhöhtes Aspirationsrisiko unterstellt. Die Adipositas allein erhöht die Gefahr jedoch nicht. Vielmehr sind es die gleichen Faktoren wie bei normalgewichtigen Patienten, die eine Aspiration begünstigen können. Dazu gehören u. a. ein gastroösophagealer Reflux, nicht vorhandene Nüchternheit, Hernien des Zwerchfells im Bereich des ösophagealen Durchtritts (Hiatushernie) und Übelkeit. Eine Maskenzwischenbeatmung sollte aufgrund der geringen Apnoetoleranz vor Beginn der Narkoseeinleitung im Team diskutiert und das Vorgehen der RSI auf die individuellen Gegebenheiten des Patienten und seiner Situation großzügig angepasst werden. Einige Medikamente müssen an das tatsächliche Gewicht angepasst oder orientiert am Idealgewicht dosiert werden. ➤ Tab. 10.3 zeigt die Medikamentendosierungen. Zu beachten ist v. a. die Orientierung der Succinylcholindosis am tatsächlichen Gewicht.
Tab. 10.3
Medikamentendosierung nach Gewicht
Medikament
Orientierung am Gewicht
Fentanyl
Idealgewicht
Sufentanil
Tatsächliches Gewicht
Propofol
Tatsächliches Gewicht
Rocurocium
Idealgewicht
Succinylcholin
Tatsächliches Gewicht
Idealgewicht =[(Körpergröße in cm – 100) + (Alter/10)] × 0,9
Zusammenfassung • Adipositas führt zu Veränderungen des Stoffwechsels im HerzKreislauf-System und v. a. bei der Atmung. Auch Medikamentendosierungen können von der bekannten Menge pro Kilogramm Körpergewicht beim Normgewichtigen abweichen. • Die Kompensationsmechanismen bei Atemnot sind bei schwer adipösen Patienten sehr schnell aufgebraucht. • Der Zugang zu den Atemwegen und die erfolgreiche Beatmung können erschwert sein. Durch Lagerungsoptimierung, NIV zur Präoxygenierung und die Videolaryngoskopie sind die Probleme aber oft gut beherrschbar.
10.11. Fremdkörper im Atemweg des Erwachsenen Mareike Soltau Fal l s ze nario Anfang Juni findet in der Kita eines kleinen Ortes ein Sommerfest statt. Eltern und Kinder grillen zusammen. Ein paar Eltern stehen nah am Grill, lachen und unterhalten sich ausgelassen, während sie ihre Würstchen essen. Plötzlich beginnt ein Vater stark zu husten. Er kann nicht mehr aufhören und hat bereits eine etwas bläuliche Kopffarbe. Mehrere Eltern eilen ihm zu Hilfe und klopfen kräftig auf den Rücken. Ein Erzieher hat das Geschehen beobachtet und sofort den Notruf gewählt. Der RTW wird mit dem Stichwort „Bolusgeschehen, männlich 40 Jahre“ alarmiert. Die Aspiration fester Fremdkörper kommt bei Erwachsenen deutlich seltener vor als bei Kindern. Nur in Ausnahmefällen kommt es bei gesunden Erwachsenen zu so schwerwiegenden Fremdkörperaspirationen, dass der Patient hypoxiebedingt komatös und reanimationspflichtig wird und somit eine Sicherung der Atemwege benötigt. Meistens liegt bei dieser Klientel entweder ein ösophagealer Fremdkörper oder ein nicht komplett obstruierender Fremdkörper der Atemwege vor, der in der Klinik laryngobronchoskopisch entfernt werden kann. Ösophageale Fremdkörper führen zu einem retrosternalen Druck oder Schmerz, der Unfähigkeit etwas zu schlucken und treten häufig beim schnellen Herunterschlucken von Lebensmitteln wie größeren Fleischstücken, rohem hartem Gemüse
oder Brot auf. Ein vesrtärkter Speichelfluss kann bei beiden Fremdkörperlokalitäten auftreten. Im Gegensatz dazu sind starker Hustenreiz, Stridor oder auch das Gefühl, etwas sei tiefer in die Atemwege gerutscht, typische Zeichen für einen Fremdkörper in den Atemwegen. Ein hohes Risiko für eine Aspiration besteht beim Festhalten von Gegenständen mit den Lippen wie Schrauben, Nägel oder Nadeln, die bei reflexhafter Einatmung wie z. B. durch plötzliches Erschrecken aspiriert werden können. Genauso wie bei Kindern kann es bei Patienten mit neurologischen oder psychiatrischen Erkrankungen, Bewusstseinsstörungen, Intoxikationen mit Alkohol oder Sedativa oder vorbestehenden Schluckstörungen deutlich häufiger zur Aspiration fester Fremdkörper kommen. Im Vergeleich zu gesunden Erwachsenen fehlt ihnen oft die Fähigkeit, den Fremdkörper durch Husten erfolgreich zu lösen, und mitunter können sie sich auch nicht an eine stattgehabte Aspiration erinnern. Lebensgefährliche Zustände durch eine Fremdkörperaspiration sind hier also deutlich häufiger als bei Patienten ohne entsprechende Vorerkrankung. Ein durch einen Fremdkörper verschlossener Atemweg führt relativ schnell zu einer Hypoxie mit zügigem Eintritt eines HerzKreislauf-Stillstandes. Die Patienten sind häufig asystol oder zeigen eine PEA. Für eine erfolgreiche Reanimationn ist die Entfernung des Fremdkörpers obligat.Bevor dieser Zustand eintritt, sind die Basismaßnahmen zur Lösung des Fremdkörpers anzuwenden, wie sie in der aktuell gültigen Wiederbelebungsleitlinie formuliert sind. Bei stabilem Zustand des Patienten kann auch ein schonender Transport unter genauer Beobachtung des Zustands in eine Klinik mit interventioneller Bronchoskopiemöglichkeit durchgeführt
werden. Versuche, den Fremdkörper präklinisch zu entfernen, könnten hier sogar zu einer Dislokation aus dem Tracheobronchialbereich in die Stimmbandebene mit Verschluss der Atemwege führen. Während des Atemwegsmanagements sollte bei unmöglicher Beatmung über eine Beatmungsmaske oder die Larynxmaske immer ein endotrachealer Intubationsversuch erfolgen. Dies ist umso wichtiger und zeitkritischer, je mehr die Anamnese auf eine Fremdkörperaspiration hindeutet, und somit ist die Laryngoskopie nicht erst von einem später eintreffenden Notarzt, sondern durch den erfahrenen und geübten Notfallsanitäter des RTW durchzuführen. Zuvor sollte ein Endotrachealtubus so vorbereitet werden, dass er bei guter Sicht auch platziert werden kann. Die Magill-Zange kann helfen, einen supraglottischen oder glottischen Fremdkörper zu entfernen. Ist der Fremdkörper nicht gut zu greifen, kann versucht werden, den Fremdkörper gezielt mit der elektrischen Absaugpumpe zu entfernen. Tiefer liegende Fremdkörper in den Atemwegen sind meistens nicht zu sehen. In diesen Fällen wird der Endotrachealtubus im Rahmen einer Laryngoskopie platziert, der Führungsstab entfernt und der Patient über den geblockten Tubus beatmet. Ist die Beatmung nicht möglich, wird zunächst mittels erneuter Laryngoskospie, ob der Endotrachealtubus korrekt platziert wurde. Bei korrekt zwischen den Stimmbändern platziertem Tubus wird der Endotrachealtubus entblockt, vorsichtig bis zum Anschlag vorgeschoben und dann wieder ein Stück zurückgezogen. Ein trachealer Fremdkörper kann damit in den rechten Hauptbronchus vorgeschoben werden, sodass im optimalen Fall über den linken Hauptbronchus eine Beatmung möglich wird. Ist weiterhin keine
Beatmung möglich, die Laryngoskopie jedoch problemlos, wird der Tubus unter Sicht entfernt und ein neuer Endotrachealtubus platziert. Es kann zu einer Verlegung des Tubus nach Kontakt mit dem Fremdkörper gekommen sein. Bei einem Fremdkörper im Hauptbronchus kann eine einseitige Thoraxexkursion sichtbar und in der Auskultation hörbar sein. Das sollte jedoch nicht dazu führen, den Tubus blind zu korrigieren, wenn die Tiefe eigentlich für den Patienten passend wäre. Er sollte zunächst so belassen und der Patient beatmet werden. Die Ventilation nur eines Lungenflügels ist mit einer FiO2 von 1,0 ausreichend für eine gute Oxygenierung. Zu beachten ist, dass durch den Fremdkörper ein Ventilmechanismus entsteht, der zu einem Aufblähen der verlegten Lunge führt, da die Luft zwar den Fremdkörper in Richtung der Alveolen passieren, aber in der Folge nicht wieder entweichen kann. Rupturen des Lungengewebes sind im Verlauf möglich und somit auch die Enstehung eines (Spannungs-)Pneumothorax. Dieses Risiko kann durch ein reduziertes Tidalvolumen bei der Beatmung gesenkt werden. In dieser Situation sollte eine Reduktion des Tidalvolumens um 50% erwogen werden. Die CO2 Elimination kann in der Folge über die Atemfrequenz reguliert werden, im Zweifel sind hier auch kurzfristig höhere Werte zu tolerieren. Die Asymmetrie der Thoraxexkursionen ist eine wichtige Information in der Übergabe im Schockraum der Klinik. Achtung Bei dem Verdacht auf eine Fremdkörperaspiration mit Bewusstlosigkeit und/oder Herz-Kreislauf-Stillstand sollte ein
Notfallsanitäter in der Lage sein, einen Patienten zu laryngoskopieren und ggf. einen Endotrachealtubus zu platzieren. Hier führt das Warten auf einen anästhesiologisch ausgebildeten Notarzt zu einer Verschlechterung der Überlebenschancen des Patienten. Der Fokus liegt bei einer Fremdkörperaspiration auf der Sicherstellung der Oxygenierung zur Beendigung der Reanimationssituation oder hypoxiebedingten Bewusstlosigkeit. Das Atemwegsmanagement ist aufgrund der Dringlichkeit in diesem Fall keine rein notärztliche Aufgabe, sondern muss auch von Notfallsanitätern beherrscht und angewendet werden.
Zusammenfassung • Eine Fremdkörperaspiration mit Bewusstseinsstörung oder Reanimationssituation erfordert ein erweitertes Atemwegsmanagement – nicht nur durch einen Notarzt, sondern auch durch Notfallsanitäter. • Es gibt Möglichkeiten die Beatmung über einen platzierten Endotrachealtubus zu generieren, wenn ein Fremdkörper dies zunächst verhindert. • Bei manchen Patienten nach Fremdkörperaspiration ist ein Transport unter genauer Beobachtung sinnvoller als ein Atemwegsmanagement vor Ort.
10.12. Der Patient mit angeborenen Fehlbildungen Mareike Soltau Fal l s ze nario In einer Werkstatt der Lebenshilfe ist eine junge Patientin von einer Leiter ca. 3 Meter in die Tiefe gestürzt. Die Patientin hat laut der anwesenden Betreuerin ein Down-Syndrom. Seit dem Sturz sei sie anders als sonst: Sie reagiere kaum auf Ansprache und rede unverständlich. Die RTW-Besatzung findet die Patientin am Einsatzort in stabiler Seitenlage vor. Sie blutet aus dem rechten Ohr und ihr rechter Oberarm ist fehlgestellt. Weitere Verletzungen sind auf den ersten Blick nicht erkennbar. Eine Vielzahl angeborener Fehlbildungen und Syndrome können zu Schwierigkeiten bei der Atemwegssicherung führen. Aufgrund der Seltenheit einzelner Erkrankungen ist es kaum möglich, die Einzelkomponenten genetisch bedingter Syndrome beim Erstkontakt mit dem Patienten zu kennen. Ihre Ausprägung bestimmt die individuellen Folgen für die Betroffenen. Patient, Eltern und andere Betreuungspersonen sind oft deutlich besser über das vorliegende Syndrom informiert als medizinisches Personal. Diese sollten, wenn vor Ort, vom Behandlunsgteam als Informationsquelle genutzt werden. Es wird gerade von Eltern positiv aufgenommen, wenn das Fachpersonal sie zu der Erkrankung befragt und nicht den vermeintlichen Anschein erwecken will, über die Erkrankung bzw. das Syndrom Bescheid zu wissen.
Angeborene Fehlbildungen können genetisch und nicht genetisch bedingt sein. Bei syndromalen Erkrankungen führt die zugrunde liegende genetische Störung sehr oft zur Beeinträchtigung mehrere Organsysteme. Die Prognose ist sehr variabel. Einige dieser Erkrankungen sind bereits im Neonatalalter tödlich. Bei anderen Fehlbildungen bzw. Syndromen haben die Betroffenen eine normale Lebenserwartung. Der Grad der Beeinträchtigung ist also sehr individuell und wird, wenn möglich, erfragt. Typische Fehlbildungen und Organfunktionsstörungen bei syndromalen Erkrankungen sind: • Herzfehler • Geistige Retardierung, Störungen der Emotionsverarbeitung • Störungen beim Sehen und Hören • Krampfanfälle (können sehr komplex sein) • Nierenfunktionsstörungen • Fehlanlage innerer Organe • Fehlbildungen der oberen Atemwege: große Zunge, Fehlbildungen von Epiglottis und Rachenstrukturen, veränderte Anatomie des Gesichtsschädels inklusive Kiefer • Körperwachstumsstörungen, Skelettfehlbildungen • Hormonelle Störungen (z. B. Unterzuckerungen, Störungen im Kortisolstoffwechsel, bei Wachstumshormonen) Insbesondere bei Fehlbildungen des Kopf-Hals-Bereichs ist bei syndromalen Erkrankungen mit einem schwierigen Atemweg zu rechnen, der auch die Beherrschbarkeit am Notfallort erschweren kann. In einigen Fällen ist selbst eine fiberoptische Wachintubation in der Klinik extrem schwierig. In diesen Notfallsituationen sollte eine diffrenzierte Abwägung zwischen Risiken und Vorteilen erfolgen
und auch das eigene Können im Hinblick auf einen potenziell schwierigen Atemweg kritisch hinterfragt werden. Sinnvoller kann es sein, den Patienten unter genauer Beobachtung in eine geeignete Zielklinik zu transportieren. Eine dortige Voranmeldung mit Nennung des Syndroms und eventuellen Informationen zu früheren Klinikaufenthalten verschafft dem dortigen Team Zeit, sich vorzubereiten und sich Kenntnisse über das Krankheitsbild zu verschaffen. Praxistipp Warnhinweise auf einen schwierigen Atemweg ergeben sich bei Folgendem: • Veränderungen des Gesichtsschädels: z. B. fliehendes Kinn, vorstehende Zähne, unterentwickelter Unterkiefer, starke Imbalance zwischen Ober- und Unterkiefer • Veränderungen des Kopf-Hals-Übergangs mit Reklinationsproblemen oder sehr breitem Hals und Nacken • Große Zunge • Kleine Mundöffnung • Hörbare Atemgeräusche, ohne dass ein akuter Infekt vorhanden ist • Vorbeschriebene Anästhesieprobleme Die Internetseite www.orpha.net bietet die Möglichkeit, sich kurzfristig auch im Einsatz verlässliche Informationen zu seltenen Erkrankungen zu beschaffen. Auf der Internetseite www.orphanesthesia.eu gibt es außerdem Informationen zum
anästhesiologischen Management bei verschiedenen Syndromen. Hier lässt sich auch herausfinden, ob ein schwieriger Atemweg für gewöhnlich zu erwarten ist oder nicht.
10.12.1. Atemwegsmanagement bei Patienten mit angeborenen Fehlbildungen Bei genetisch bedingten Erkrankungen und Syndromen sollte vor der Narkoseeinleitung immer speziell recherchiert werden, welche Anästhesieprobleme auftreten können. Diese umfassen einerseits das Herz-Kreislauf-System bei bekannten Herzfehlbildungen, aber auch die Assoziation des Syndroms mit Schwierigkeiten bei der Atemwegssicherung. Nicht immer bestehen äußerliche Hinweise darauf. So kann es z. B. bei der seltenen Speicherkrankheit Mucopolysaccharidose zu Speicherablagerungen in den von außen nicht sichtbaren Teilen der Atemwege kommen, die eine extrem anspruchsvolle Atemwegssicherung zur Folge haben. Vor der Durchführung der Atemwegssicherung sollte die Indikation gemeinsam im Team noch einmal kritisch geprüft werden. Eine reine GCS-Minderung ist unter Umständen bei komplexem Syndrom kein Grund, ein hohes Risiko zu Lasten des Patienten einzugehen. In einer Notfallsituation auftretende unbeherrschbare Folgen der Narkoseeinleitung können den Patienten in Lebensgefahr bringen. Steht die alternativlose Indikation, sollte unterschieden werden, ob es Hinweise auf eine schwierige Maskenbeatmung oder eine schwierige Intubation gibt. So gelingt die Vorbereitung im Team und die Antizipation von Komplikationen besser. Auffälligkeiten des
Kiefers verursachen z. B. meist eine stark erschwerte laryngoskopische Sicht auf den Kehlkopf. Eine große Zunge (Makroglossie) kann für die Maskenbeatmung einen Guedel-Tubus erforderlich machen und ebenfalls die Sicht auf die Stimmbänder erschweren. Hier könnte eine Larynxmaske jedoch möglicherweise eine gute Alternative sein. Es ist sinnvoll, sich alle Hilfsmittel für das Management eines schwierigen Atemwegs vorzubereiten und auch – bei geplanter endotrachealer Intubation – ein bis zwei Tubusgrößen kleiner griffbereit zu haben. Unvorhergesehene Verengungen der tieferen Atemwege können so beherrscht werden, ohne dass eine Gefährdung für den Patienten entsteht. Zusammenfassung • Manche syndromale Erkrankungen gehen mit angeborenen Auffälligkeiten einher, die das Atemwegsmanagement stark beeinflussen. • Es ist zwischen Schwierigkeiten für eine Maskenbeatmung, eine Laryngoskopie oder die Beatmung selbst zu unterscheiden. • Wenn das Behandlungsteam eine angeborene Erkrankung nicht kennt, können Betroffene, Eltern oder andere Bezugspersonen sehr oft gut Auskunft dazu geben.
10.13. Die sichere Extubation des Notfallpatienten Mareike Soltau Fal l s ze nario In einem ländlichen Gebiet wurde ein 56-jähriger Patient im Wald von Spaziergängern vigilanzgemindert aufgefunden. Im Verlauf hat er einen Krampfanfall erlitten, der durch das Rettungsteam medikamentös durchbrochen wurde. Die Ursache der gesamten Notfallsituation ist nicht herauszufinden. Bei anhaltender Vigilanzstörung wurde der Patient problemlos intubiert. Das nächste Klinikum mit Neurologie, das auch ein Trauma versorgen könnte, ist 60 Kilometer entfernt. Ein luftgebundener Transport scheidet wegen der Witterung aus und so wird der Patient von RTW und NEF bodengebunden transportiert. Auf halber Strecke öffnet der Patient plötzlich die Augen und schaut Notfallsanitäter und Notärztin gezielt an. Er befolgt Aufforderungen und ist zunehmend gestresst durch den Endotrachealtubus. Ein kräftiger Hustenstoß erschwert die kontrollierte Beatmung. Ein Notfallpatient, der an der Einsatzstelle intubiert wurde, wird bis auf Einzelfälle beatmet und sediert in die Klinik transportiert, sodass der Endotrachealtubus erst dort entfernt wird. Es ist sinnvoll, auch Patienten z. B. nach einer Reanimation, die sich nach ROSC im weiteren Behandlungsverlauf deutlich gegen den einliegenden Endotrachealtubus wehren, medikamentös abzuschirmen, um den Stress zu reduzieren und den Tubus am Ort zu belassen. Oft ist es schwierig, in einer solchen Situation sicher festzustellen, ob
Spontanatmung und Schutzreflexe für eine Extubation ausreichend vorhanden sind. Eine Reintubation birgt ein hohes Risiko für eine Hypoxie und Schäden am Atemweg zusammen mit den möglichen Kreislaufreaktionen auf eine Narkoseeinleitung. Anders sieht es bei einer einliegenden supraglottischen Atemwegshilfe aus. Die Larynxmaske ist ein wertvolles Hilfsmittel für die invasive Beatmung, stellt jedoch keine Atemwegssicherung im eigentlichen Sinne dar. Hier kann eine Entfernung gut erwogen werden, sofern folgende Kriterien erfüllt sind: 1. Der Patient zeigt bleibende deutliche Wachheitszeichen und arbeitet aktiv gegen Beatmung und Atemwegshilfe. 2. Die Spontanatmung über den Larynxtubus oder die Larynxmaske ist stabil und ausreichend. Um dies zu überprüfen, wird das Beatmungsgerät auf eine CPAPBeatmung umgestellt. Wenn der Patient ein für ihn normales Tidal- und Atemminutenvolumen mit einer Druckunterstützung von maximal 5–8 mmHg zeigt, ist die Spontanatmung wahrscheinlich ausreichend. 3. Der Patient kann Aufforderungen befolgen und könnte somit auch aufgefordert werden zu atmen, wenn die Atemtätigkeit nach Entfernen der Larynxmaske im Verlauf wieder abnimmt. Die neurologische Situation kann durch Ja-NeinFragen mit entsprechendem Nicken und Kopfschütteln sowie durch das Drücken der Hand überprüft werden. 4. Der Patient wird reflektorisch auf die Atemwegshilfe beißen, wenn er noch nicht ganz wach ist. Sobald er den Mund auf Aufforderung öffnet, kann sie entfernt werden.
5. Im Anschluss sind eine genaue klinische Reevaluation und ein gutes Monitoring der Vitalwerte erforderlich. 6. Eine Reintubationsbereitschaft sollte jederzeit hergestellt werden. Zusammenfassung • Die präklinische Extubation eines Notfallpatienten ist nur in wenigen Ausnahmefällen sinnvoll und beim intubierten Patienten obsolet. In der Regel sollte eher die Sedierung vertieft werden. • Es müssen mehrere Kriterien erfüllt sein, um eine eingelegte Atemwegshilfe wieder zu entfernen und die Sicherheit des Patienten auch weiterhin zu garantieren.
10.14. Beatmungs-WGs und Patienten mit Tracheostoma Mareike Soltau Fal l s ze nario Ein RTW wird zu einem gut bekannten Patienten gerufen, um ihn mit einer Notfalleinweisung ins Krankenhaus zu transportieren. Der Patient wird im Pflegeheim dauerbeatmet und das Team kennt ihn von früheren Einsätzen. Heute ist es nach dem Wechsel der Trachealkanüle zu einer Blutung aus dem Tracheostoma gekommen. Der Arzt, der die Pflegeeinrichtung betreut, hat die
Einweisung veranlasst, da die Blutung nicht sistiert und die Beatmungsdrücke sich verändert haben. Der Patient ist bereits für den Transport vorbereitet. Das mobile Heimbeatmungsgerät soll mitgenommen werden. Eine besondere Form der ambulanten Pflege ist die Intensivpflege in betreuten Wohngruppen. Hier werden Patienten versorgt, die eine 24-stündige Intensivpflege benötigen. Viele hiervon sind beatmet oder tracheotomiert mit intermittierender Beatmung. Typische Krankheitsbilder, die eine solche Versorgung erforderlich machen können, sind Critical-Illness-Neuropathien oder Myopathien, hohe Querschnittlähmungen, nicht von der Beatmung entwöhnbare Patienten mit schweren Lungen- oder neurologischen Erkrankungen, Residualzustände nach schwerem Schädel-HirnTrauma und auch seltenere genetische Krankheiten, die im Laufe des Lebens in ihrer Ausprägung voranschreiten. Die Versorgung ist individuell auf den Patientenzustand abgestimmt und das Wohnumfeld stellt eine Kombination aus Intensivstation und eigener Wohnumgebung dar. Ärztlich werden solche Einrichtung allgemeinmedizinisch betreut, ähnlich wie Patienten in einem Pflegeheim. Einige Patienten, die eine Rund-um-die-UhrIntensivpflege benötigen, werden auch durch Pflegedienste zu Hause versorgt. Das Konzept ist hier ähnlich: größtmögliche Teilhabe am allgemeinen Leben trotz intensivpflegerischem Versorgungsbedarf. Typischerweise kann es in Intensivpflege-WGs zu ähnlichen Problemen wie bei Patienten auf einer Intensivstation kommen: gastrointestinale Transportstörungen bis hin zum Ileus, Entzündungen der Gallenblase, Infekte mit septischem Verlauf wie
Pneumonien und Harnwegsinfekte und Sekretverhalte bei tracheotomierten Patienten. Aus Haftungsgründen ist es den Pflegefachleuten vor Ort oftmals nicht gestattet, die ärztlich angeordneten Beatmungsgeräteeinstellungen zu verändern, selbst wenn es sich um Intensivpflegefachpersonen handelt. Hier kann es bei respiratorischen Störungen sinnvoll sein, das Beatmungsgerät des Rettungsdienstes zu verwenden, wenn es über entsprechende Beatmungsmodi verfügt, da das Rettungsdienstpersonal in ihre eigene Gerät eingewiesen wurden. Dies ist bei den verwendeten Heimbeatmungsgeräten meistens nicht der Fall.
10.14.1. Management von Notfällen mit Trachealkanüle Kommt es bei einem Patienten mit Trachealkanüle zu einem respiratorischen Problem, wird zunächst wie bei jedem anderen Patienten verfahren: Im Rahmen der ABCDE-Untersuchung wird die Situation analysiert, die Schwere des B-Problem detektiert und die Sauerstoffzufuhr wird auf 100 % erhöht. Bei beatmeten Patienten ist es sinnvoll, zu klären, ob dem Notfall ein Trachealkanülenwechsel vorausgegangen ist. Denn hierbei kann die Trachealkanüle in seltenen Fällen fehlplatziert sein – z. B. im Weichteilgewebe. In einem solchen Fall kommt es zu einem Weichteilemphysem und die Beatmung der Lunge ist nicht mehr ausreichend. Um die Durchgängigkeit der Trachealkanüle zu prüfen, kann unter möglichst sterilen Bedingungen ein Absaugkatheter vorsichtig über die Kanüle vorgeschoben werden. Gleitet er glatt und problemlos in die Tiefe und hustet der Patient, ist eine durchgängige Trachealkanüle wahrscheinlich. Dies muss zwingend mit einer
etCO2-Überwachung noch einmal verifiziert werden. Es ist sinnvoll, Patienten mit massivem B-Problem unter Beatmung zunächst von der Beatmung zu trennen und mit 100 % Sauerstoff via Beatmungsbeutel zu beatmen. Dabei kann man anhand des Widerstandes spüren, ob die Beatmung komplikationslos erfolgt oder ob sich ein erhöhter Widerstand zeigt, der auf eine Fehllage bzw. einen Fremdkörper hinweist. Man kann Sekretbrummen in der Tiefe fühlen und bei vorhandener Eigenatmung des Patienten kann diese manuell synchronisiert werden. Festes, zähes Sekret ist eine sehr häufige Ursache für Atemnot und Beatmungsprobleme heimbeatmeter Patienten. Jedoch kann es auch zu großen Pleuraergüssen im Rahmen der Grunderkrankung oder einer Pneumonie kommen. Auch ein Pneumothorax, der sich bis zum Spannungspneumothorax entwickeln kann, ist möglich. Die Lunge ist trotz aller Anstrengungen des Behandlungsteams bei Langzeitbeatmung von den beatmungsbedingten Scherkräften geschädigt. So kann Lungengewebe unter Druckbelastung, z.B. nach starken Hustenattacken, einreißen und ein Spontanpneumothorax entsteht. Atemnot und Unruhe sind bei beatmeten Patienten aufgrund ihrer starken Abhängigkeit von der Beatmung stets ernst zu nehmen. Sie haben meistens früher schon Zustände schwerer Atemnot mit möglicherweise Erstickungsangst erlebt. Somit kann auch eine symptomlindernde Sedierung erforderlich werden, um den Stress des Patienten zu reduzieren. In jedem Fall muss eine neu aufgetretene Atemnot bei einem heimbeatmeten Patienten innerklinisch abgeklärt werden. Hierbei ist aber zu bedenken, dass viele Patienten mit einer langen Krankheistgeschichte einer
maximalen Therapie kritisch gegenüber stehen. Hier sind die Wünsche des Patienten zu respektieren. Zu beachten ist auch, dass in den meisten Kliniken Patienten mit Heimbeatmung auf die Intensivstation aufgenommen werden. Eine Voranmeldung und Bettenabfrage ist somit indiziert. Bei einem kanülenassoziierten Problem kann es erforderlich sein, die Trachealkanüle zu wechseln. Dies wird meistens von den anwesenden Pflegekräften vor Ort gemacht. Besonderes Augenmerk ist hier auf das Modell der Trachealkanüle zu legen: Es gibt Kanülen mit Luft- oder Wasserblockung, manche haben eine innen liegende Seele, manche sind aufgebaut wie ein Endotrachealtubus. Auch die Art des Tracheostomas (chirurgisch vs. dilatativ) und die Zeitdauer, die der Patient bereits tracheotomiert ist, sind entscheidend, um bei einem Kanülenwechsel keinen Atemwegsverlust zu erleiden. Ein frisches Dilatationstracheostoma birgt die Gefahr, dass die Kanüle nach Entfernen nicht mehr zu platzieren ist. Gleiches gilt bei Patienten, die aufgrund einer Tumorerkrankung im Kopf-HalsBereich eine stark veränderte Anatomie haben. Hier ist unter Umständen der Kanülenwechsel in der HNO-Klinik der sicherere Weg. Zur Sicherheit sollte der Kanülenwechsel über einen Intubationsstab oder einen Absaugkatheter erfolgen. Dafür schneidet man den Konnektor des Absaugkatheters ab, legt den Katheter zur Hälfte in die alte Kanüle ein und zieht sie unter Belassen des Absaugkatheters, den man gut festhält, heraus. Die neue Kanüle wird über den Absaugkatheter gefädelt und dieser dann herausgezogen (Seldinger-Technik). Währenddessen wird der Absaugkatheter immer mit einer Hand gesichert.
Ein Trachealkanülenwechsel ist für Patienten mit engem Tracheostoma oft schmerzhaft und es kann zu Blutungen kommen. Alternativ kann hier ein Endotrachealtubus kleinerer Größe eingelegt und im Anschluss gut fixiert werden. Nach dem Kanülenwechsel ist die Durchgängigkeit des Atemwegs unbedingt zu überprüfen. Bei Problemen mit der Trachealkanüle empfiehlt es sich immer, den Patienten im Zweifelsfall konventionell zu intubieren, bevor eine unbemerkte Via falsa vorliegt. Zusammenfassung • Die ambulante Intensivpflege ermöglicht eine ambulante Versorgung pflegerisch und medizinisch anspruchsvoller Patienten. Hier können typische Komplikationen auftreten, wie sie auch auf einer Intensivstation vorkommen. • Gründe für den Notruf sind möglicherweise Beatmungsschwierigkeiten, eine Sepsis, ein Ileus oder neurologische Probleme. • Der Wechsel einer Trachealkanüle kann Komplikationen wie den Verlust des Atemwegs oder Verletzungen verursachen. Trachealkanülen sollten daher sehr sorgfältig und vorsichtig gewechselt werden, wenn sie ein Problem verursachen. • Kanülenwechsel frühestens 7–10 Tage nach Erstanlage, wenn es sich nicht um ein chirurgisches, gefenstertes Tracheostoma handelt. Ansonsten besteht die Gefahr der Via falsa.
10.15. Palliativpatienten Mareike Soltau, Peter Tendahl Fal l s ze nario RTW und NEF werden durch den Ehemann zu einer 45-jährigen Patientin gerufen. Seine Frau leide unter starker Atemnot. Bei Eintreffen des Rettungsdienstes liegt die Patientin im Wohnzimmer im Pflegebett mit Blick auf den Garten. Sie reagiert nicht auf Ansprache und atmet schwer. Sie ist stark abgemagert und der Ehemann berichtet von einer unheilbaren Brustkrebserkrankung mit multipler Metastasierung. Seine Frau habe in den letzten Tagen unter starken Schmerzen gelitten. Der Palliativpflegedienst habe zusammen mit dem Palliativmediziner die Medikamente angepasst. Seitdem ist sie ruhiger. Allerdings habe er Angst bekommen wegen des röchelnden Atems und der gelegentlichen Atemaussetzer seiner Frau. Deshalb habe er den Rettungsdienst gerufen. Die Palliativpflegerin sei auch auf dem Weg hierher. Manche Erkrankungen nehmen im Verlauf Ausmaße an, die eine Heilung ausschließen. Auch können chronisch voranschreitende Erkrankungen wie eine Demenz ein Stadium erreichen, in dem ein Patient lieber eine lindernde als eine lebensverlängernde Therapie wünscht. Dies betrifft Patienten aller Altersklassen und ist nicht nur auf unheilbare Krebserkrankungen beschränkt. Die Ausgestaltung der Palliativtherapie ist sehr individuell. Erkrankt beispielsweise ein junger Familienvater unheilbar an Krebs, kann das Therapieziel einer weiteren Chemotherapie trotz
schwerer Nebenwirkung eine Verlängerung der Lebenszeit sein, um möglichst viel davon mit seiner Familie zu verbringen. Ein anderer Patient möchte vielleicht noch einen bestimmten Termin wie die Hochzeit seines Kindes oder Enkels erleben und nimmt daher ein letztes Mal eine bestimmte Therapie auf sich. Somit ist die Bezeichnung Palliativpatient nicht gleichbedeutend damit, dass keine Therapie mehr durchgeführt werden sollte. Eine Atemwegssicherung sollte bei einem Palliativpatienten jedoch nur in Ausnahmefällen erfolgen und im Zweifel durch Basismaßnahmen aufgeschoben werden, bis Klarheit über den Patientenwunsch besteht. Es wird dem Patienten sonst möglicherweise die Chance genommen, sich von seinen Angehörigen zu verabschieden und bewusst aus dem Leben zu treten. Viele palliativ behandelte Patienten leiden unter Atemnot. Versagt die verordnete Akuttherapie, wird deshalb oft der Rettungsdienst gerufen. Bis zur Klärung, welche Maßnahmen in welchem Umfang vom Patienten gewünscht und sinnvoll sind, wird zunächst nicht von der sonst üblichen Behandlung abgewichen: Der Patient bekommt Sauerstoff und je nach Notfallbild auch Medikamente mit dem Ziel, den Notfall zu behandeln. Zeigt sich im Verlauf, dass eine Krankenhauseinweisung auf keinen Fall gewünscht ist, wird eine lindernde Therapie durch den Rettungsdienst begonnen. Das Ziel ist es, den Patienten bestmöglich in dieser Krankheitssituation zu unterstützen (Best Supportive Care). Es werden dabei Dosierungen in Kauf genommen, die eventuell zu einem verfrühten Sterben führen könnten, ohne aktive Sterbehilfe zu leisten. Häufig eingesetzte Medikamente sind Morphin und Benzodiazepine. Ziel ist aber nicht, den Patienten unbedingt zu sedieren. Wenn das palliative
Therapieziel anders erreicht werden kann (z. B. durch Lagerung), ist dies optimal und ausreichend. Idealerweise kann der Patient seinen Sterbeprozess bewusst erleben und sich von seinem Leben und seinen Angehörigen in Frieden verabschieden. Viele Palliativpatienten werden von SAPV-Teams ambulant betreut. Diese spezialisierten ambulanten Palliativversorgungsteams ergänzen die allgemeine palliativmedizinische Versorgung, die z. B. durch den Hausarzt schon begonnen wurde. Sie kommen immer dann zum Einsatz, wenn die individuelle Erkrankung und die Situation komplex sind und besondere Maßnahmen erforderlich werden könnten. Ziel ist, Patienten in ihrer gewohnten Umgebung unter höchstmöglicher Selbstbestimmung mit Erhalt von Lebensqualität ein würdiges Sterben zu ermöglichen. Ein SAPVTeam ist ärztlich und pflegerisch besetzt. Die Palliativpflege ist hier ergänzend zur ambulanten Krankenpflege vorhanden. Oft ist eine Akutmedikation für Schmerzzustände, Unruhe oder Atemnot vorhanden. Das SAPV-Team ist außerdem telefonisch verfügbar und kann somit auch vom Rettungsdienst kontaktiert werden. Die Teammitglieder sind für das Rettungsdienstpersonal eine hilfreiche Stütze in der Entscheidung, welche Maßnahmen ergriffen werden sollten. So kann auch nach erfolgreicher Akutintervention eine engmaschige Kontrolle des Patientenzustands geplant werden, ohne dass daraus ein Krankenhausaufenthalt resultiert. Zusammenfassung • Gerade am unmittelbar bevorstehenden Lebensende rufen viele Angehörige von Palliativpatienten den Rettungsdienst
wegen Unsicherheit im Umgang mit den Sterbesymptomen. • Auch das Rettungsdienstpersonal kann eine ambulante palliativmedizinische Versorgung ohne Krankenhaustransport durchführen, wenn das Therapieziel klar bestimmt ist (Best Supportive Care [BSC]). Gängige Medikamente hierfür sind Benzodiazepine und Morphin. • Die SAPV-Versorgung in Deutschland umfasst auch medikamentöse Akutinterventionen. Eine Notfalltelefonnummer liegt vor Ort vor und kann und sollte im Bedarfsfall vom Rettungsdienst angerufen werden, um sich mit der Expertise von Spezialisten abzusichern.
10.16. Atemwegsmanagement bei infektiologischen Patienten Peter Tendahl Beim Atemwegsmanagement des präklinisch zu versorgenden Patienten mit infektiologischem Krankheitsbild sind drei infektiologische Pathogenesen unterschiedlicher Dignität entscheidend. Neben den am häufigsten durch Bakterien und Viren verursachten Erkrankungen soll an dieser Stelle auch kurz auf eher seltene parasitär verursachende Krankheitserreger eingegangen werden.
10.16.1. Bakterielle Krankheitsträger
Während das Immunsystem des normal gesunden Patienten regelhaft gut auf Besiedlung und Infektion mit Bakterien reagiert und spätestens mit entsprechender pharmakologischer Unterstützung eine entsprechende Reaktion zeigt, stellen Infektionen mit multiresistenten Erregern den Organismus vor eine andere Problematik. Grundsätzlich sind Patienten, die mit multiresistenten Erregern besiedelt oder infiziert sind, nicht ansteckender als andere Patienten. Die Bakterien sind nicht leichter übertragbar und führen deshalb auch nicht zu akut schwereren Erkrankungen. Die bakterielle Besiedlung oder Infektion ist in erster Linie erst einmal ein Problem für den Patienten selbst, denn abhängig von dessen Gesamtkonstitution führt die Erkrankung teilweise zu schwerwiegenden Organdysfunktionen oder auch zu einer generalisierten Sepsis. Es besteht somit keine erhöhte Gefahr für das Rettungsdienstpersonal, durch diese Erreger akut lebensbedrohlich zu erkranken wie z. B. bei viralen Infektionen. Von entscheidender Bedeutung ist aber, dass multiresistente Keime nicht weiterverbreitet werden sollen. Entsprechend sind Pflegepersonal und Rettungsdienste gefordert, erforderliche Hygienemaßnahmen zwingend einzuhalten. Ist eine Atemwegssicherung oder Atemwegsunterstützung durchzuführen, so sollte sich das Rettungsdienstteam mit Mundschutz, Handschuhen, Schutzbrille oder Schutzvisier, Haarhaube sowie Einmalkitteln bekleiden, um die Möglichkeit einer Weiterverbreitung des resistenten Bakteriums zu vermeiden. Im Anschluss an den Einsatz ist das Dienstfahrzeug entsprechend den
Hygienevorschriften des Trägers und den Empfehlungen des RKI zu desinfizieren und die Einmalschutzausrüstung idealerweise im Krankenhaus fachgerecht zu entsorgen. Da bei Transporten aus Kliniken oder Pflegeheimen das Rettungsdienstpersonal mit ansteigender Häufigkeit mit diesen, für die meisten antibiotischen Therapien, resistenten Bakterien in Kontakt kommen können, sollen hier die häufigsten bakteriellen Erreger kurz charakterisiert werden. Methicillinresistenter Staphylococcous aureus Der methicillinresistente Staphylococcous-aureus-Keim (MRSA-Keim) ist ein grampositives Bakterium, das als nicht resistenter Keim zur normalen Besiedlungsflora der Haut gehört und beim immunkompetenten Menschen in der Regel keine schweren Krankheiten hervorruft. Die Resistenzentwicklung entsteht durch genetische Veränderungen in der Bakterienstruktur, die häufig durch einen Selektionszwang ausgelöst werden. Ursächlich ist u. a. der hohe und nicht antibiogrammgerechte Einsatz von Antibiotika, der letztlich zu einer Resistenz des Bakteriums gegen die meisten Antibiotika führt. Reserveantibiotika gegen diesen Keim sind aktuell Linezolid, Vancomycin (auch hier sind steigende Resistenzen beobachtet) und Daptomycin. In der Lunge ist Daptomycin nicht wirksam, da es aufgrund der Interaktion mit dem Surfactant der Lunge keinen ausreichenden Wirkspiegel generiert. Vancomycinresistente Enterokokken Vancomycinresistente Enterokokken (VRE) sind ebenfalls grampositive Erreger, die überall vorkommen können. Beim Menschen ist die Darmflora mit Enterokokken besiedelt, aber auch
im Erdreich oder Nahrungsmitteln findet man Enterokokken als physiologische Besiedlung vor. Das Vancomycin als Glykopeptidantibiotikum und eigentliches Reserveantibiotikum bereits erheblichen Resistenzen ausgesetzt ist, zeigt die aktuelle Notlage bei der pharmakologischen Therapie schwerer Infektionen auf. Besonders immunsupprimierte Patienten sind in hohem Maße von der Pathogenität dieser resistenten Keime betroffen. Multirestistente gramnegative Bakterien (MRGN)/ESBLBildner Zu den häufigsten gramnegativen Stäbchenbakterien gehören Pseudomonas aeroginosa und Acinetobacter baumannii sowie Enterobakterien wie Klebsiella pneumoniae oder Escherichia coli. Diese sämtlich gramnegativen Bakterien sind ebenfalls ubiquitär vorhanden (z. B. Darm, Erde, Wasser). Nun bilden auch diese Bakterien Resistenzen aus. Einige von Ihnen tun dies, indem sie ein Enzym produzieren wie z. B. eine ExtendedSpectrum ß-Lactamase (ESBL), welche bestimmte Antibiotika wirkungslos macht. Je nachdem, welche Antibiotika durch den betreffenden Keim wirkungslos gemacht werden, unterscheidet man in 3MRGN oder 4MRGN. Ein 3MRGN ist in der Regel gegen drei der vier Hauptantibiotikagruppen wie am ehesten Penicilline, Cephalosporine und Chinolone resistent und beim 4MRGN besteht zusätzlich eine Resistenz gegen die Antibiotikaklasse der Carbapeneme. Diese Keime können z. B. beim Absaugen aus einem Tracheostoma, Anhusten oder auch über Schmierinfektion übertragen werden.
Bakterielle Meningitis (Neisseria meningitidis/Haemophilus influenzae Typ B) Für die präklinische Notfallsituation wesentlich relevanter als die o. g. Erreger sind Patienten, bei denen der Verdacht auf eine Meningitis besteht. Hier kann es gerade beim Atemwegsmanagement über eine Tröpfcheninfektion zur Erregerausbreitung kommen und diese zu einer Infektion des Rettungsdienstteams führen. Da in Deutschland die Impfung gegen Haemophilus influenzae Typ B (HiB) empfohlen ist, sind Infektionen mit diesem Erreger sehr selten geworden. Anders als in Deutschland stellt HiB in ungeimpften Populationen aber immer noch die Hauptursache für bakterielle Meningitiden bei Kindern unter 12 Monate dar. Bei Erwachsenen hingegen werden über 75 % der Meningitiden durch Neisseria meningitidis oder Streptococcus pneumoniae verursacht. Neben entsprechenden Hygiene -und Schutzmaßnahmen sollte jeder Präkliniker, der engen Kontakt zu einem vermeintlichen Meningitispatienten hat, eine Postexpositionsprophylaxe durchführen. Es spielt dabei keine Rolle, ob man sich als Intubierender einem besonders hohen Risiko ausgesetzt hat. Aufgrund der Pathogenität und der leichten Übertragbarkeit via Tröpfcheninfektion ist diese Postexpositionsprophylaxe ausdrücklich dem gesamten Team zu empfehlen. Nach dem Einsatz sollte in einer Klinik der Vorfall berufsgenossenschaftlich aufgenommen und eine medikamentöse Therapie eingeleitet werden. Als Pharmakotherapeutika stehen neben Rifampicin auch Ceftriaxon (i. m.) oder Ciprofloxacin zur Verfügung (➤ Tab. 10.4).
Tab. 10.4
Empfohlene Antibiotika zur Postexpositionsprophylaxe
Antibiotikum Anwendungsgebiet Rifampicin
Verschiedene Bakterien, v. a. Mycobakterien
Ceftriaxon
Unterschiedliche Bakterien, Einsatz z. B. bei Sepsis oder Meningitis
Ciprofloxacin
Reserveantibiotikum gegen gramnegative und grampositive Bakterien (z. B. Harnwegsinfektionen, Darmerkrankungen, Pneumonie)
Achtung Studien haben in den letzten Jahren gezeigt, dass allgemein Gyrasehemmer wie Ciprofloxacin, wegen des erheblichen Nebenwirkungsprofils, nur noch äußerst zurückhaltend eingesetzt werden sollten.
Praxistipp Als Dosierung für die Postexpositionsprophylaxe empfiehlt sich folgendes Vorgehen: Neugeborene im 1. Lebensmonat 2 × 5 mg/kg KG/Tag Rifampicin für 2 Tage. Bei Säuglingen (ab dem 2. Lebensmonat) und Kindern und Jugendlichen bis 60 kg über 2 Tage in einer Dosierung von 2 × 10 mg/kg KG/Tag. Jugendliche ab 60 kg und Erwachsene erhalten 2 × 600 mg/Tag für 2 Tage (RKI).
Zudem ist eine Prophylaxe mit Ceftriaxon (nur i. m. Applikation) mit einer einmaligen Gabe von 125 mg bei Kindern unter 12 Jahren und 250 mg bei exponierten Personen über 12 Jahre möglich. Auch für schwangere Patientinnen ist Ceftriaxon i. m. das Mittel der Wahl. Will man doch auf einen Gyrasehemmer zurückgreifen, wäre die Dosierung einmalig 500 mg Ciprofloxacin p. o.
10.16.2. Virale Krankheitsträger Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus Type 2 (SARS-CoV-2) Seit Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie im Dezember 2019 haben weltweit viele Studien, Empfehlungen und Richtlinien bedauerlicherweise mehr zu einer Verwirrung bei allen Beteiligten als zu einer Beruhigung beigetragen. Wissenschaftlich betrachtet liegt das vor allen Dingen an dem zum Zeitpunkt des Ausbruchs bezüglich seiner Pathogenität recht unbekannten Virus und den diversen globalen Forschungsergebnissen – mit fast wöchentlich dazulernenden Experten. Wenn in der bisherigen Menschheitsgeschichte zu Infektionskrankheiten häufig erst geforscht wurde und dann später nach jahrelangen Forschungen valide Ergebnisse und Therapien aufgezeigt wurden, war und ist bis heute aufgrund der Pathogenität und der dynamischen Entwicklung von SARS CoV-2 die ganze Welt quasi live an der Entwicklung dieser Prozesse beteiligt. Der Zwang, diese global gewonnenen Erkenntnisse zügig zu publizieren, um der Pandemie Einhalt zu gebieten, unterwandert bei
möglicherweise ganz normalen und gesunden wissenschaftlichen Widersprüchen recht schnell die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in die Wissenschaft und die staatlichen und privaten Institutionen. Deshalb haben wir entschieden, uns nur auf die wissenschaftlichen Sachverhalte zu beziehen, die zweifelsfrei mit Stand Februar 2023 empfohlen und allgemein gültig validiert sind. Auf Basis dieser wissenschaftlichen Grundlagen empfehlen wir auch jetzt nach offiziellem Ende der Pandemie folgendes Vorgehen: Patientenauswahl • Impfstatus feststellen bei allen Patienten, die während der Pandemiephase wegen eines oberen Atemwegsinfekts oder mit dem Verdacht eines akut aufgetretenen Gefäßverschlusses den Rettungsdienst konsultiert haben. • Bei unzureichender bzw. nicht einwandfreier Detektion wird der Patient als potenziell ungeimpft behandelt und mit der Ausschlussdiagnose einer Sars-Cov-2-Infektion einem Krankenhaus zugewiesen, wenn nicht andere Pathologien sich als wahrscheinlichere Diagnose aufdrängen. Maßnahmen • Bestimmung der Körpertemperatur • Bestimmung der Sauerstoffsättigung • Vitalparameter: Blutdruck und Herzfrequenz • Ableitung eines 12-Kanal-EKGs • Antigentest (AG-Test) auf Sars-CoV-2 • Feststellung des Impfstatus, ggf. CT-Wert
Anschließend wird die respiratorische und kardiovaskuläre Allgemeinsituation eingeschätzt. In den meisten Fällen ist die Atemnot von Sars-CoV-2-Patienten nicht so ausgeprägt und eine endotracheale Intubation ist nicht notwendig. Studien und Erfahrungen von den ersten beiden Infektionswellen auf den Intensivstationen haben gezeigt, dass die Sauerstoffsättigung und die arterielle Blutgasanalyse deutlich schlechtere Werte anzeigen, als das subjektive Befinden des Patienten dies widerspiegelt. Merke Aus vielerlei Gründen sollte auf eine präklinische invasive Beatmung bei Verdacht auf Sars-CoV-2Pneumonie, idealerweise zugunsten eines kontrollierten Settings auf einer Intensivstation, verzichtet werden. Wichtigster Grund ist, dass der zu intubierende Patient eine Reihe von invasiven Maßnahmen (Bronchoskopie, arterieller Zugang, Bauchlage etc.) benötigt, die in der Präklinik unmöglich durchzuführen sind. Außerdem ist ggf. mit einer hohen Viruslast beim Patienten zu rechnen, sodass auch der Eigenschutz keine unwichtige Rolle bei der Entscheidungsfindung spielen wird. Ist die respiratorische Situation des Patienten dennoch erheblich kompromittiert, so kann ein nichtinvasives Oxygenierungsverfahren in Erwägung gezogen werden.
Hier ist die Sauerstoffapplikation über ein Highflow-fähiges Beatmungsgerät (wenn vorhanden) aus Gründen der Compliance des Patienten der Bereitstellung über eine NIV-Maske vorzuziehen (nichtinvasive Beatmung; ➤ Kap. 6). Präklinisch kann bei einem kardiovaskulär eingeschränkten Patienten eine Vasopressortherapie mit Noradrenalin begonnen werden und – wenn vorhanden – eine Blutkulturabnahme aus dem Sepsis-Kit erfolgen. Eine frühzeitige antibiotische Gabe eines Carbapenems hat sich auch in der frühen Behandlung des septischen Schocks bewährt und sollte auch bei einer Sars-CoV-2getriggerten pneumonischen Sepsis als First-Line-Medikation erwogen werden. Der Patient ist dann als intensivpflichtiger Patient auf einer entsprechenden Versorgungseinheit voranzumelden. Ein Arzt-Arztbzw. Arzt-NFS-Gespräch ist hierbei obligat. Eigenschutz Ergebnisse einer großen Fallkontrollstudie haben gezeigt, dass bestimmte Präventionsmaßnahmen anderen deutlich überlegen sind. Das Risiko einer Ansteckung war um den Faktor 2,06 erhöht, wenn die Exposition in Innenräumen stattfand, und um den Faktor 2,58 erhöht, wenn die Exposition länger als 3 Stunden dauerte. Der Schutzeffekt des Tragens einer Maske war am größten, wenn die Exposition länger als 3 Stunden dauerte und in Innenräumen stattfand. Weitere Modellberechnungen konnten zeigen, dass eine ausreichende Belüftung des Raumes, das Tragen mindestens einer FFP2-Maske und kurze Aufenthaltszeiten in Kombination das Risiko einer Infektion um den Faktor 61 reduzierte (➤ Abb. 10.8). Einen
erheblich schlechten Einfluss hatte erwartungsgemäß eine hohe Viruslast des Patienten.
Abb. 10.8 Einfluss verschiedener Präventionsmaßnahmen mit Hinblick auf das Ausbruchsrisiko [H308-002/L143] Ausgehend von diesen Studien und Modellberechnungen ist das Tragen von FFP2-Masken und das Schaffen einer Belüftungssituation bei der Behandlung von Patienten mit Sars-CoV2 obligat. Zeitgleich kann eine Begrenzung der Behandlungszeit, in
diesem Fall der Expositionszeit der Mitarbeiter, den Eigenschutz erhöhen und das Expositionsrisiko senken. Natürlich ist klar, dass die Varianten des Virus bei der Pathogenität unterschiedliche Ausprägungen bieten. Bei der rasanten Entwicklung und der hohen Mutationsrate des Virus immer auf die neuesten Erkenntnisse zu reagieren, ist bei der Erstellung eines Buches mit einem festen Abgabetermin schwierig. Die Empfehlungen zum Eigenschutz, wie oben erwähnt, sind somit abhängig von der entsprechenden Variante (hier Delta-Variante). und deren Pathogenität und die Effekte auf den Schutz sind dementsprechend zu bewerten. Achtung Wenn gegen Sars-CoV-2 geimpfte Patienten sich infizieren, sind sie ebenso infektiös wie nicht geimpfte Patienten, aber wahrscheinlich ist die Dauer der Infektiosität geringer (Delta-Variante). Mittlerweile hat sich die Pathogenität der Varianten abgeschwächt (Stand 2023). Gleichwohl ist die Ansteckungswahrscheinlichkeit gestiegen und vulnerable Gruppen sind immer noch einer gewissen Gefahr eines schweren Verlaufs ausgesetzt. Die Empfehlungen zum Eigenschutz sind unverändert gültig.
➤ Abb. 10.9 zeigt ein Thorax-CT eines Patienten mit CovidInfektion. Typisch sind die in vielen CTs aufgetretenen dezentralen, peripheren, wölkchenförmigen hyperdensen Strukturen.
Abb. 10.9 Thorax-CT eines Patienten mit CovidInfektion [P1381]
Ebola-Virus/Marburg-Virus Das Ebola-Virus benannt nach einem Fluss in der heutigen demokratischen Republik Kongo gehört wie das Marburg-Virus zur Gruppe der Filoviren. Das Ebola-Virus wurde erstmalig in den 1970er-Jahren beschrieben, wohingegen das Marburg-Virus 1967 durch Laboraffen nach Deutschland eingeführt wurde und damals zum Tod mehrerer Laborangestellter führte. Beiden Viren ist gemeinsam, dass eine Übertragung durch Kontakte, Blut, Urin und sog. Splashes (nach z. B. einem Hustenanfall) vollzogen werden kann. Deshalb ist sowohl speziell beim Atemwegsmanagement als auch grundsätzlich bei der allgemeinen Behandlung dieser Patienten
höchste Vorsicht geboten und eine Behandlung ohne einen entsprechenden Ganzkörperschutz mit Gesichtsvisier, Hauben, Handschuhen und FFP3-Masken lebensgefährlich. Der Transport sollte in dafür speziell ausgerüsteten Infektionstransportern vorgenommen werden. Gegen beide Virusvarianten sind mittlerweile Impfstoffe verfügbar.
10.16.3. Parasitäre Krankheitsträger Malaria Malaria ist eine Infektionskrankheit, die durch Parasiten der Gattung Plasmodium hervorgerufen wird. Der zunehmende Tourismus sowie steigende Migrationsbewegungen können dazu führen, dass Malaria häufiger ein Thema für die präklinische Notfallmedizin wird. Auch die menschengemachte Beschleunigung des Klimawandels könnte unter Umständen dazu beitragen. Beim Atemwegsmanagement in der Präklinik spielt dieser Krankheitserreger hingegen keine Rolle, da die Übertragung nur diaplazentar bzw. über eine Blutübertragung stattfinden kann. Entscheidend für die Praxis beim Atemwegsmanagement mit besonderen infektiologischen Umständen ist zum einen eine möglichst umfassende Kenntnis über das Setting vor Ort und die daraus resultierende Vorbereitung für das Team. Im konkreten Fall ist eine ausreichende und umfassende Schutzausrüstung das A und O. Empfehlenswert ist das Tragen von Handschuhen (ggf. doppelt), einer Schutzbrille sowie mindestens einer FFP2-Maske bei jeder Form des Airwaymanagements. Es ist darüber hinaus ratsam, ressourcensparend mit den Körperflüssigkeiten des Patienten umzugehen.
Hierzu gehört, dass man die Menge an Körperflüssigkeiten, die beim Airwaymanagement hinderlich sein können, reduziert. Dies kann z. B. über die Etablierung einer Magensonde vor der Intubation erfolgen, wenn der Patient dies toleriert und der Anwender entsprechend geübt darin ist. Auch eine ausreichende Narkosetiefe mit möglichst guter Relaxierung kann im Notfall verhindern, dass der Patient während des Intubationsvorgangs hustet und es zur Transmission von Erregerpartikeln kommt. Wenn trotz aller Vorsichtsmaßnahmen der begründete Verdacht besteht, sich einer erheblichen Kontamination ausgesetzt zu haben, so empfiehlt sich eine ambulante oder innerklinische Kontrolluntersuchung mit entsprechender Dokumentation. Zusammenfassung • Das Atemwegsmanagement im Rettungsdienst ist erheblich vom allgemeinen Setting vor Ort abhängig. Neben ganz normalen praktischen Hürden ist vor allen Dingen die Zunahme von infektiologischen Krankheitsbildern eine Herausforderung für das Rettungsdienstteam. • Während bakterielle Erkrankungen aufgrund ihrer zunehmenden Resistenzlagen hauptsächlich zu einem Problem für die Patienten werden, können virale Erkrankungen auch zu einer gesundheitlichen Bedrohung für das Rettungsdienstpersonal eskalieren. • Die Rettungsdienstmitarbeiter sollten Kenntnis über die o. g. wesentlichen resistenten, bakteriellen Krankheitserreger
haben. Nur so können sie sich adäquat verhalten und zu einer Begrenzung der Weiterverbreitung dieser Bakterien beitragen. • Besteht bei einem Patienten der Verdacht auf eine Meningitis, ist es entscheidend, auf Eigenschutz zu achten und zeitnah eine Postexpositionsprophylaxe einzunehmen. • Der Eigenschutz ist auch Kernthema bei der Versorgung von Patienten mit Sars-CoV-2. Unabhängig vom Impfstatus des Patienten ist penibel darauf zu achten, die Verbreitung von Sekreten mit möglicherweise hoher Viruslast zu unterbinden und zeitnah eine patientengerechte individuelle Therapie einzuleiten. • Das Tragen von mindestens FFP2-Masken, Gesichtsschutz und Kittel ist ebenso obligat wie eine ausreichende Belüftung des Behandlungssettings.
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Kapitel 11: Beatmung im Intensivtransport und in der Luftrettung Ina Mungard
11.1. Allgemeine Herausforderungen Grundsätzlich gelten allgemeine Regeln für das Atemwegsmanagement und die Beatmung während eines Transports mit dem Rettungshubschrauber bzw. Intensivtransporthubschrauber wie in anderen Bereichen auch. Jedoch unterliegen luftgebundene Transporte bestimmten äußeren Einflüssen, die es notwendig machen, bestimmte Schwierigkeiten zu antizipieren, in die Entscheidungsfindung mit aufzunehmen und sich auf Veränderungen und Probleme adäquat vorzubereiten. Insbesondere sind das während des Fluges äußere Einflüsse wie: • Lärm • Kommunikation des Teams über Intercom • Stark eingeschränkte verbale Kommunikation mit Patienten während des Fluges • Vibration • Enge • Hitze/Kälte • Verminderter Sauerstoffpartialdruck mit zunehmender Höhe • Abnehmender Umgebungsdruck, Ausdehnung luftgefüllter geschlossener Räume • Fehlende Möglichkeit der Auskultation Hierzu sind besondere Konzepte notwendig, die auch A-/B-Probleme betreffen. So sind bestimmte Maßnahmen wie z. B. die endotracheale Intubation oder die Anlage von Thoraxdrainagen je nach Hubschraubertyp und Platzangebot während des Fluges nur erschwert durchführbar. Aber auch simple Manöver wie die Auskultation, das Refixieren eines abgerutschten Pulsoxymeters oder schlicht die Frage, ob neue Luftnot aufgetreten ist, stellen Herausforderungen dar. Die Crew ist aufgrund der dreidimensionalen Bewegung des Transportmittels über 4-Punkt-Gurte gesichert, ein Lösen der Gurte ist ohne Eigengefährdung nicht immer möglich. So kann unter Umständen nicht sämtliches Equipment erreicht bzw. beliebig bewegt werden (➤ Abb. 11.1).
Abb. 11.1 EC 145 DRF Luftrettung [P1382] Natürlich besteht bei einer Verschlechterung des Zustands des Patienten prinzipiell die Möglichkeit einer Zwischenlandung, diese muss aber aus Sicht des Piloten bzw. der Pilotin die Flugsicherheit betreffend möglich sein und ein geeigneter Landeplatz gefunden werden. Das stellt insbesondere bei Nachtflügen eine große Herausforderung dar und kann ein größeres Zeitintervall von der Entscheidung bis zur möglichen Landung erfordern. Das Platzangebot wird sich durch die Zwischenlandung nicht vergrößern und der Transport wird relevant verzögert. In bestimmten Situationen kann es daher sinnvoll sein, den Patienten bodengebunden zu transportieren. Es sollte in jedem Fall eine Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen.
11.2. Besonderheit Atemwegssicherung 11.2.1. Prähospital Das prähospitale Atemwegsmanagement unterscheidet sich zunächst in Bezug auf Hubschraubertransporte nicht grundlegend von den allgemeinen Regeln, wie sie in diesem Buch dargelegt werden. Allerdings sollten einige Besonderheiten bedacht werden: Maßnahmen, die vielleicht nicht zwingend sofort notwendig sind, mit einer relativen Wahrscheinlichkeit aber während des Transports notwendig werden, sollten bereits vor dem Abflug durchgeführt werden, um eine Durchführung während des Lufttransports möglichst zu umgehen. Das
sind z. B. die endotracheale Intubation, die Anlage von Thoraxdrainagen, eventuell weitere intravenöse Zugänge oder das Kleben von Defibrillationspads. Bei Einsätzen außerhalb von Gebäuden oder in schwer zugänglichen Arealen kann es sinnvoll sein, die Maßnahmen im RTW vorzunehmen und dann den Patienten in den RTH umzulagern. Hierbei ist zu beachten, dass die jeweiligen Tragen meist nicht kompatibel sind und ein erneutes vollständiges Umlagern notwendig wird. Merke Während des Hubschraubertransports sind bestimmte Maßnahmen nur schwer durchführbar, z. B.: • Endotracheale Intubation • Anlage von Thoraxdrainagen • Anlage weiterer intravenöser Zugänge • Kleben der Defibrillationspads • Kardiopulmonale Reanimation
11.2.2. In abgebender Klinik Muss ein Patient in der abgebenden Klinik endotracheal intubiert werden, so sind die äußeren Rahmenbedingungen (Licht, Raum, Wärme usw.) meist besser als im präklinischen Setting. Es treten aber Herausforderungen auf, die in der Zusammenarbeit und einer dem Team meist unbekannten Umgebung begründet sind. So handelt es sich um ein meist unbekanntes Team, teils unbekannte Geräte und Logistik; jedes Team hat „seinen“ Plan und unterschiedliche Herangehensweisen und es kommt zur Vermischung von Material und Equipment. Für die Atemwegssicherung in Zusammenarbeit mit einem unbekannten Team sind gute Absprachen zwingend erforderlich: • Wer leitet das Team? • Wer führt welche Aufgabe durch? • Welches Equipment wird benutzt? • Sind die jeweiligen Teammitglieder damit vertraut? • Welche Medikamente in welcher Konzentration? • Welche Schwierigkeiten werden erwartet und wie bereitet man sich darauf vor? • Wer hat noch weitere Fragen/Aspekte, die beachtet werden müssen? Zunächst ist die Frage zu klären, wer die Intubation durchführen soll und wer das Team leitet. Wenn bereits im Arzt-Arzt-Gespräch die Notwendigkeit einer Atemwegssicherung vor Verlegung erkennbar ist, sollte die Zeit bis zur Ankunft des ITH genutzt und die Maßnahme durch das Team des abgebenden Krankenhauses durchgeführt werden. Stellt sich jedoch die Situation vor Ort anders dar oder ist es zwischenzeitlich zu einer Verschlechterung gekommen, muss die Atemwegssicherung nach Ankunft des ITH erfolgen. Auch hier besteht die Möglichkeit, dass das Krankenhausteam die Atemwegssicherung durchführt und sich das ITH-Team so lange zurückzieht. Unter Umständen steht aber diese Möglichkeit
nicht suffizient zur Verfügung, z. B. aufgrund von Personalengpässen, einer unterschiedlichen Ansicht zur Indikation oder anderen Schwierigkeiten. Dann besteht die Möglichkeit, dass sich das Klinikteam zurückzieht und die Atemwegssicherung durch das ITH-Team erfolgt. In jedem Fall sollte das Klinikteam aber für Rückfragen und Anreichungen im selben Raum bereitstehen. Es sollte in diesem Fall das bekannte Equipment des ITH benutzt werden. Material wie Medikamente, Spritzen usw. können natürlich durch die abgebende Klinik gestellt werden. Hierbei ist jedoch unbedingt auf penible Vorbereitung zu achten. Insbesondere Kompatibilität, die gleiche Konzentrationen von Medikamenten und korrekte Beschriftung, aber auch „selbstverständliche Standards“ wie z. B. Videolaryngoskopie, Kapnografie und Atemwegsalternativen sind genau zu kommunizieren und zu überprüfen. Nach erfolgter Atemwegssicherung können eventuell weitere Maßnahmen wie z. B. eine Blutgasanalyse oder Bronchoskopie erforderlich werden, für die die gleichen Prinzipien gelten. Erst wenn die Transportfähigkeit hergestellt wurde, kann dann der eigentliche Transport beginnen.
11.2.3. Während des Fluges Die Durchführung einer Atemwegssicherung während des Fluges sollte möglichst vermieden werden. Das ist nicht immer möglich, sodass auch für diesen Fall dem Team ein Plan bekannt sein muss. Besonderheiten der Atemwegssicherung während eines Hubschraubertransports sind u. a. die fehlende Möglichkeit der Auskultation, fehlende Wahrnehmbarkeit akustischer Alarme, die Enge und kaum optimierbare Lagerung des Patienten und somit eine erschwerte direkte Laryngoskopiemöglichkeit. Ein drohendes respiratorisches Versagen mit Indikation zur Atemwegssicherung sollte daher unbedingt frühzeitig erkannt werden, um möglichst viele der o. g. Schwierigkeiten zu adressieren und adäquat zu antizipieren, um dennoch zu jeder Zeit eine suffiziente Ventilation sicherzustellen. Hierzu ist es sinnvoll, bereits vor Transportbeginn die Wahrscheinlichkeit der Zustandsverschlechterung und die dann erforderlichen Maßnahmen abzuschätzen und im Team zu kommunizieren. Als Parameter, die neben der störungsanfälligen Pulsoxymetrie auf eine respiratorische Verschlechterung hindeuten, sind insbesondere die Atemfrequenz, Atemzugtiefe, aber auch die Kapnografie/-metrie unter Spontanatmung zu erwähnen. Es empfiehlt sich daher, alle sedierten oder bewusstseinsgetrübten Patienten während des Fluges nichtinvasiv kapnografisch zu überwachen. Auch progrediente C- und DProbleme können sekundär eine insuffiziente Ventilation und Oxygenierung zur Folge haben, sodass auch diese kontrolliert und möglichst frühzeitig stabilisiert werden müssen. In wenigen Fällen ist eine endotracheale Intubation während des Lufttransports tatsächlich zielführend. Häufig kann eine suffiziente Ventilation z. B. durch eine Beutel-Masken-Beatmung, ggf. mit Oro- oder Nasopharyngealtubus, oder aber mithilfe von supraglottischen Atemwegshilfen erreicht werden. Szenarien, in denen tatsächlich unerwartet eine orotracheale Intubation erforderlich wird, beinhalten das Versagen der o. g. Maßnahmen, die progrediente Atemwegsschwellung z. B. im Rahmen einer während des Transports aufgetretenen Anaphylaxie, das massive Erbrechen mit Bewusstseinsminderung und Aspiration oder die akzidentelle Extubation während eines Beatmungstransports, nach Murphys Gesetz dann wahrscheinlich im Rahmen eines ARDS mit schwierigem Atemweg. Grundsätzlich stehen sämtliche Techniken des Atemwegsmanagements bis hin zur Koniotomie auch während des Lufttransports zur Verfügung. Jedoch sollte bereits vor Transportbeginn besprochen
werden, welche konkreten Maßnahmen in der jeweiligen Situation getroffen würden. Das kann z. B. die hoch dosierte Gabe von Sauerstoff sein, ergänzt durch eine assistierte Beutel-Masken-Beatmung mit Kapnografie/-metrie. Wird die Durchführung von Maßnahmen erforderlich, so sollte grundsätzlich das Ziel sein, die gleichen Standards zu erfüllen, die für die Einleitung einer Notfallnarkose und die Einleitung einer Ventilation am Boden gelten. Hierbei sind insbesondere Überlegungen zur Erreichbarkeit der Zugänge, das Antizipieren von Sättigungs- und Blutdruckabfall, die ständige Überwachung der Vitalparameter inklusive der korrekten Alarmeinstellungen (cave: Alarme werden während des Fluges nicht gehört, die Blicke müssen dementsprechend bewusst gelenkt werden) sowie der erwartete erhöhte Schwierigkeitsgrad sämtlicher Maßnahmen. Auch das Bereitlegen des Equipments und der zu applizierenden Medikamente sowie die beschränkte Personalressource sind zu bedenken. Weiterhin sollten Alternativen für o. g. Probleme zuvor festgelegt und trainiert worden sein (➤ Tab. 11.1).
Tab. 11.1
Erwartbare spezifische Schwierigkeiten und Komplikationen während des Fluges
Problem
Lösungsstrategien
Fehlende Möglichkeit der Auskultation
Equipmentversagen
• Beobachtung der Thoraxexkursion: seitengleich? Suffizient? • CO2-Kurve (z. B. Deformation durch Obstruktion) • Tubustiefe o. k.? • Tubus mit Absaugkatheter durchgängig? • Kann Sekret abgesaugt werden? • Hautemphysem? • Sonografie? • Pneumothorax? • Tubuslage? • Zwischenlandung möglich? SpO2 fällt aus
NIBD/IBD fällt aus
etCO2 fällt aus
• Zyanose? • Thoraxexkursion? • etCO2? • Perfusion?
• Hautfarbe? • Puls tastbar? • Rekap? • etCO2? • Perfusion: Gutes SpO2-Signal? • Bei invasiver Blutdruckmessung vor Abflug NIBD am anderen Arm anlegen
• Dringender Verdacht auf Dislokation oder Herz-KreislaufStillstand! • Atemexkursionen vorhanden? • SpO2? • Alarme am Respirator? • Grenzwerte sinnvoll einstellen • Cave: Akustische Alarme werden kaum wahrgenommen!
Problem Infusionsleitung abgeknickt/Zugang disloziert
Enge
Lösungsstrategien • Kontinuierliche Gabe? Zügig neuer i. v. Zugang realistisch? Alternative: i. o. Zugang (prox. Tibia meist nicht erreichbar → Humerus) • Medikamentengabe zügig auf Boli umstellen, hierzu ggf. Medikamentenwechsel erforderlich (z. B. Propofol → Midazolam) • Engmaschige Kontrolle der Vitalparameter • Erwarte Schwankungen/Komplikationen
• Kaum optimierbare Lagerung • Lage (insbesondere die Kopfposition) bestmöglich ausschöpfen • Bestmögliche Präoxygenierung unter Kapnografie, ggf. NIV • Kaum direkte Laryngoskopiemöglichkeit • Supraglottische Atemwegshilfen • Videolaryngoskopie
Problem Kommunikationsprobleme
Lösungsstrategien • Headset, ggf. + FFP-Maske • Störgeräusche • Vorausplanung, Training kritischer Situationen, Checklisten/Merkhilfen • Patienten sind in der Regel nicht in Sprechfunkverbindung eingebunden, können also nicht verbal mit der Crew kommunizieren. Sie müssen darüber entsprechend informiert werden (auch bei Bewusstseinsminderung) Bedürfnisse antizipieren: • Ausreichende Analgesie • Flachliegen o. k.? • Übelkeit? • Hitze/Kälte • Harndrang? • Ängste? • „Haben Sie noch Fragen?“ • Notfallstrategie vereinbaren (z. B.: „Heben Sie die Hand, wenn …“)
Problem
Lösungsstrategien
Sicherheit/Absprache mit Piloten
Beatmungsprobleme
• Witterungsbedingte Störeinflüsse • Lösen der Anschnallgurte des Teams evtl. schlecht möglich • Flugdauer, Zwischenlandungen zum Tanken, entsprechende Medikamenten-/Sauerstoffreserver n berechnen • Bereithalten des notwendigsten Equipments: z. B. verlängerte Infusionsleitungen mit Zuspritzmöglichkeit, notwendige Medikamente vor Transportbeginn aufziehen und giffbereit halten (z. B. Pushdosis Katecholamine, Opiat/Narkotikum zur Sedierungsvertiefung, Antiemetikum etc.)
• Equipmentversagen/Ausfal l von Geräten durch Störeinflüsse • Sekretmobilisation durch Vibration mit Atemwegsverlegung Dislokation/Abknicken • Verlaufskontrolle der Beatmungsparameter: Wird weiterhin das Minutenvolumen erreicht, das vor Transportbeginn zu einer suffizienten CO2Elimination geführt hat? Triggerung von Atemzügen durch Vibration/mechanische Einflüsse?
Checkliste gemäß Akronym SO DO EPOS (modifiziertes DOPES-Schema) • Speak up! – Team laut und deutlich über den Sättigungsabfall informieren – Ggf. Hilfe anfordern – Patienten informieren, dass ein Beatmungsproblem festgestellt wurde und behoben wird • O2: – FiO2 auf 100 % erhöhen • Dislokation? – Tubuslage checken (Leckage? etCo2 normal mit guter Kurve? Tubustiefe verändert? Cuffdruck o. k.?) – Kontrolle des Geschläuchs vom Patienten bis zum Beatmungsgerät – Beatmungseinstellungen korrekt? Welcher Alarm am Beatmungsgerät? • Obstruktion? – Endotracheal absaugen – Tubus durchgängig? – Abgeknickt?
Problem
Lösungsstrategien – Sekret? Blut? • Equipmentversagen – Alternatives Beatmungsdevice: Wechsel auf Beatmungsbeutel mit Demandventil und ggf. Entfernung des Tubus, Maskenbeatmung – SpO2-Sensor intakt? An anderer Stelle anbringen. • Pulmonale Ursachen – Auskultation (entfällt während des Fluges, Alternativen s. o.): – Beobachtung der Thoraxexkursion: seitengleich? Suffizient? – CO2-Kurve (z. B. Deformation durch Obstruktion) – Halsvenenstauung? – Hautemphysem? – Ursache behandeln, z. B.: Bronchospasmolyse, Pneumothorax entlasten usw. • Oxygenierung sicherstellen – Hoch dosierte Sauerstoffgabe, Beutel-Masken-Beatmung, ggf. mit Atemwegshilfsmitteln oder ZweiHand-Methode, ggf. weiter eskalieren • Systemische Ursachen/Stomach/Sonografie – etCO2 suffizient? – Halsvenenstauung? – C: Haut blass, kühl, schweißig? Schock? LAE? – D: Pressen/Husten/Gegenatmen? Ggf. Narkose vertiefen, alternativ ggf. Spontanatmung erhalten – E: Insbesondere bei Kindern: Abdomen inspizieren/palpieren, ggf. Anlage Magensonde und Magenentlastung. – Temperatur messen (Zentralisation?) – Sonografie z. B. BLUE-Protokoll, FATE-Protokoll usw.
Problem
Lösungsstrategien
Unerwartete Zustandsverschlechterung
Plan B, C, D … • Atemwegsalternativen • Monitoringalternativen • Redundanz • Vorbesprechung im Team, Training kritischer Situationen, basale CRMStrategien müssen bekannt sein und standardisiert gelebt werden, standardisierte strukturierte Kommunikation, Strategien zur Bearbeitung kritischer Situationen müssen bekannt und trainiert sein (z. B. Checklisten, FOR-DECSchema, Ansprechen potenziell kritischer Entwicklungen im Team etc.)
Sollten während des Fluges Probleme aufgetreten sein oder der Zustand des Patienten sich verändert haben, ist das Zielkrankenhaus darüber zu informieren. Sollten dringende Interventionen erforderlich sein, so sollten auch diese bereits während des Transports zur Zielklinik kommuniziert und um die Vorbereitung der jeweiligen Maßnahmen unter Angabe der Dringlichkeit gebeten werden. Häufig ist am Ende des Lufttransports ein Zwischentransport mit einem RTW notwendig. Hier kommt wieder ein neues Team ins Spiel, neue Probleme können z. B. durch erneute Umlagerung, schlechte Fixierungsmöglichkeit der Geräte usw. auftreten. Zusammenfassung • Grundsätzlich gelten allgemeine Regeln für das Atemwegsmanagement und die Beatmung während eines Transports mit dem Rettungshubschrauber bzw. Intensivtransporthubschrauber wie in anderen Bereichen auch. • Äußere Einflüsse machen es jedoch notwendig, bestimmte Schwierigkeiten zu antizipieren, in die Entscheidungsfindung mit aufzunehmen und sich auf Veränderungen und Probleme adäquat vorzubereiten. • Zustandsveränderungen können leicht übersehen werden, wenn nicht regelmäßig aktiv kontrolliert und danach gesucht wird. • Während des Transports sind Maßnahmen wie z. B. endotracheale Intubation, Anlage von Thoraxdrainagen, Anlage weiterer intravenöser Zugänge, Kleben der Defibirillationspads, kardiopulmonale Reanimation nur schwer durchführbar. • Planung, Struktur und Kommunikation sowie Training von Skills und Komplikationsmanagement sowie Vertrautheit mit den gegebenen Bedingungen sind essenziell.
• Eine adäquate Vorbereitung und Kommunikation mit dem Patienten vor Transportbeginn sind wichtig, um Probleme und Überraschungen während des Fluges zu verhindern. • Die Zusammenarbeit mit weiteren Teams kommt häufig vor und muss strukturiert und ruhig erfolgen, ohne eine Patientengefährdung durch Uneinigkeit, Inkompatibilitäten oder Informationsverluste hervorzurufen. • Für sämtliche Maßnahmen, Devices und Therapieoptionen sollte möglichst mindestens ein „Plan B“ bereitgehalten, kommuniziert, trainiert und verfügbar sein.
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Kapitel 12: Patientensicherheit im Rahmen des Airwaymanagements Martin von der Heyden, Sascha Kohn
12.1. Einführung Human Factors Fal l s ze nario Das RTW- und NEF-Team wird zu einem 67-jährigen Patienten mit Luftnot gerufen. Bei Eintreffen stellt sich folgende Situation dar: Es wird ein männlicher Patient angetroffen, der aufrecht auf dem Sofa sitzt. Neben dem Einsatz der Atemhilfsmuskulatur zeigt er eine ausgeprägte Sprechdyspnoe. Ein deutliches Giemen ist bereits beim Betreten des Raums zu hören. In der Vorgeschichte finden sich eine COPD, eine arterielle Hypertonie und eine KHK. Der Notarzt fragt das Team sofort, ob jemand die Inhalation von Salbutamol und Atrovent vorbereiten kann. Der Auszubildende im 2. Lehrjahr bereitet beide Medikamente vor und auf seine Nachfrage, „wie viel“ er vorbereiten soll, antwortet der Notarzt:
„Eine Ampulle jeweils.“ Der Auszubildende befüllt die Verneblermaske mit 1,25 mg Salbutamol und 0,25 mg Atrovent und setzt diese dem Patienten auf. Die anfangs gemessenen Vitalwerte des Patienten ergeben einen Blutdruck von 140/95 mmHg, eine Herzfrequenz von 135 Schlägen/min und eine periphere Sauerstoffsättigung von 82 % ohne Sauerstoffgabe. Während der Notarzt eine 20G-Venenverweilkanüle am linken Unterarm platziert, fragt der Teamführer des RTW, ob der Patient noch auskultiert werden soll und ein 12-Kanal-EKG benötigt wird. Dies wird vom Notarzt mit der Begründung verneint, dass der Fall hier eindeutig ist. Nach intravenöser Gabe von 100 mg Prednisolon und 0,09 mg Reproterol wird der Transport des Patienten mit einem Tragestuhl eingeleitet. Um den Transport einfacher zu gestalten, weist der Notarzt an, dass das Monitoring (EKG, nichtinvasive Blutdruckmessung) auf dem Weg zum RTW abgebaut wird, ein Pulsoxymeter würde ausreichen. Im RTW angekommen, verschlechtert sich der Zustand des Patienten deutlich. Die erhobenen Vitalparameter zeigen nun eine Herzfrequenz von 152 Schlägen/min, einen Blutdruck von 118/90 mmHg und eine periphere Sauerstoffsättigung von 84 % mit progredient abnehmender Atemmechanik. Der Transportführer weist den Notarzt auf die Zustandsverschlechterung des Patienten hin und fragt, ob evtl. eine NIV-Therapie erwogen werden soll. Der Notarzt verneint dies und teilt dem Team mit, dass er in der Ausbildung zum Anästhesisten sei. Er werde den Patienten jetzt endotracheal intubieren. Er gibt daraufhin die Anweisung, dass jemand die Medikamente aufziehen und einer die Narkose und Intubation vorbereiten soll, während er den Patienten
präoxygeniert. Der NEF-Fahrer fragt, ob er das Videolaryngoskop aus dem NEF holen soll, was der Notarzt verneint. Während der Notarzt den Patienten mittels Beutel-Masken-Ventilation präoxygeniert, melden die Teammitglieder, dass sie mit den Vorbereitungen fertig sind. Der Notarzt teilt dem Team mit, dass gleich mit der Narkoseeinleitung begonnen wird. Er lässt dem Patienten zur Narkoseeinleitung 0,2 mg Fentanyl i. v. und im Anschluss 150 mg Propofol verabreichen. Der Patient erhält dann noch 80 mg Rocuronium und der Notarzt lässt sich ein Laryngoskop anreichen. Er stellt fest, dass die Glottis nicht einsehbar ist, und entschließt sich zu einer blinden Intubation. Da sich diese auch nicht einfach gestaltet, vergeht einige Zeit. Währenddessen weist der Teamführer des RTW auf eine fallende Sättigung hin und gibt zu bedenken, dass evtl. zwischenbeatmet werden müsse. Der Notarzt erwidert lauthals, ob er nicht wisse, dass im Rahmen einer RSI keine Zwischenbeatmung vorgesehen sei. Im Rahmen der prolongierten Intubation kommt es dann zu einem weiteren Sättigungsabfall und einer Bradykardie. Der Notarzt teilt dem Team mit, dass er jetzt einen SGA als alternativen Atemweg benötige. Auf die Frage, welche Größe er benötige, fragt er lauthals, warum der SGA noch nicht vorbereitet sei. In der Zwischenzeit gelingt die endotracheale Intubation und der Führungsstab zeigt Blutspuren beim Entfernen aus dem Tubus. Die Lunge zeigt beidseits Atemgeräusche mit starkem Giemen, der Thorax hebt sich seitengleich und das etCO2 beträgt initial 74 mmHg. Der Tubus wird sicher fixiert und ein Beatmungsgerät angeschlossen. Der Notarzt fordert einen aktuellen Blutdruck, der aber nicht messbar ist. Im EKG erkennt
er jetzt eine Asystolie und teilt dem Team mit, dass sie jetzt mit der Reanimation starten sollen. Durch den Auszubildenden werden zügig 1 mg Adrenalin i. v. verabreicht. Nach 4-minütiger CPR zeigt sich im Rahmen der Analyse im EKG ein organisierter Rhythmus. Aufgrund des zentral schlecht tastbaren Pulses lässt der Notarzt noch 2 Minuten weiter komprimieren, bis sich ein gut tastbarer Puls zeigt. Die jetzt erhobenen Vitalparameter zeigen folgende Werte: Herzfrequenz 110 Schläge/min, Blutdruck 88/48 mmHg, eine periphere Sättigung von 93 % unter Beatmung mit einer FiO2 von 1,0. Es wird Akrinor verabreicht, um einen Blutdruck von über 100 mmHg systolisch zu erreichen. Auf Drängen der RTW-Besatzung wird ein Post-ROSC-EKG angefertigt, das einen inferioren STEMI zeigt, woraufhin 250 mg Acetylsalicylsäure und 5000 IE Heparin verabreicht werden. Es erfolgt eine Anmeldung in einem Krankenhaus mit der Möglichkeit zur Intervention. Der Notarzt entschuldigt sich bei der Besatzung für sein teilweise „ungehaltenes“ Verhalten und stellt fest, dass er und sein Team einen wirklich kritischen Patienten mit gleich zwei lebensbedrohlichen Krankheitsbildern den Umständen entsprechend „gut“ versorgt haben. In der heutigen Zeit ist ein CRM-Training in allen sicherheitsrelevanten Bereichen vertreten. Man findet solche Trainings neben der Luftfahrt, in der sie mittlerweile obligat geworden sind, in der Schifffahrt, in Kraftwerken, beim Militär, bei der Polizei und in der Medizin. Ziel dieser Trainings ist es, das Team
vor den Gefahren der Human Factors zu schützen und somit ein höheres Maß an Patientensicherheit zu schaffen. Patientensicherheit ist ein Thema, das in den letzten Jahren auch in Deutschland zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Das 2005 gegründete „Aktionsbündnis Patientensicherheit“ bildet einen Zusammenschluss verschiedener Interessengruppen. Insbesondere im Kontext der Notfallmedizin sollte die Patientensicherheit eine hohe Beachtung finden, da in diesem Bereich häufig unter widrigen Umständen gearbeitet wird. Zum einen handelt es sich um eine umfangreiche Patientenklientel jeder Altersgruppe, zum anderen werden Mitarbeitende häufig mit dynamischen und komplexen Situationen konfrontiert. Sie arbeiten in Ad-hoc-Teams und das bedeutet, dass man nicht oft zusammenarbeitet oder sich im schlimmsten Fall gar nicht kennt. Im präklinischen Bereich kommen auch noch schlechte äußere Bedingungen in Bezug auf Wetter, Gelände oder Lichtverhältnisse hinzu. Die folgenden möglichen notfallmedizinischen Behandlungssituationen betonen die Herausforderungen, mit denen das medizinische Personal in Notfallsituationen konfrontiert ist. Eigenschaften von notfallmedizinischen Behandlungssituationen: • Hohe Komplexität der Behandlungssituation • Dynamische Situationen, die sich im Verlauf dramatisch verändern können • Zeitkritische Patienten, die eine schnelle Intervention benötigen • Interdisziplinäres Patientengut in unterschiedlichen Altersklassen
• Fehlende Informationen zum Patienten • Gelegentlich eingeschränkte bis keine Kommunikation • Präklinisch widrige äußere Bedingungen • Hohes Maß an Verantwortung für personelle und materielle Ressourcen • Stressige und emotional belastende Notfallsituationen Diese Rahmenbedingungen machen ein Team anfällig für Handlungsfehler, die im schlimmsten Fall zu einer Schädigung oder zum Tod des Patienten führen können. Die Fähigkeit, effektiv in diesen anspruchsvollen Umgebungen zu arbeiten, erfordert kommunikative und soziale Fähigkeiten und eine ruhige, methodische Herangehensweise. Der Teamleader sollte sein Team sicher durch diese Situationen führen, informiert halten und klare Entscheidungen treffen können, aber auch auf Einwände und Ideen der Gruppe eingehen können. Je komplexer und stressiger die Situation wird, umso wichtiger ist es, dass der Teamleader durch geschickt gesetzte Stopp-Prozeduren, wie z. B. ein Team-TimeOut (10-für-10-Prinzip), Geschwindigkeit herausnimmt und diese Zeit nutzt, um sein Team zu informieren, Informationen einzuholen und Aufgaben zu verteilen (➤ Abb. 12.1). Ein wichtiger Punkt dabei ist, dass alle Teammitglieder sicher, aber auch effektiv kommunizieren.
Abb. 12.1 10-für-10 Prinzip (nach Rall und Gaba) [P1383]
Praxistipp In kritischen Situationen die Geschwindigkeit des Vorgehens verlangsamen. Das verhindert unüberlegte Handlungen und Fixierungsfehler, falls nicht alle Informationen eingeholt wurden, oder vermeidet unkoordiniertes Arbeiten am Patienten.
Merke Für gute und effektive Teamarbeit sind soziale Kompetenzen und kommunikative Fertigkeiten im Team essenziell. Ein vermeintlicher Zeitverzug für die Planung der weiteren Vorgehensweise ist später durch einen koordinierten Ablauf leicht wieder mehrfach wettgemacht (10-für-10-Prinzip nach Rall
und Gaba). Dabei sind soziale Kompetenzen und kommunikative Fertigkeiten im Team wesentliche Faktoren. Diese sozialen und kommunikativen Skills sind selbst in einem Expertenteam nicht einfach vorhanden. Diese müssen im Team trainiert und aufgebaut werden, damit das volle Wissen und die Fertigkeiten des Teams den Patienten erreichen. Für einen kritisch kranken Patienten ist es essenziell, dass möglichst das maximale Wissen des kompletten Teams strukturiert angewandt wird, um seine lebensbedrohliche Situation zu verbessern. In ➤ Abb. 12.2 erkennt man, dass auch ein optimal ausgebildetes Team ohne CRM-Fertigkeiten nur einen Teil seines Wissens zum Wohl des Patienten einsetzen kann. Im optimalen Fall behandelt den Patienten ein gut ausgebildetes Team, das über gute CRM-Kenntnisse verfügt. Dies wird nur gelingen, wenn die Hierarchien im Team flach genug sind, sodass jedes Teammitglied seine Meinung bzw. Bedenken äußern kann, ohne mit Sanktionen rechnen zu müssen. Auf der anderen Seite muss trotz einer flachen Hierarchie klar eine Führung zu erkennen sein, die es ermöglicht, das vorhandene Wissen, das auch aus dem Team kommen kann, effektiv anzuwenden.
Abb. 12.2 CRM und Skills im Team (nach Rall, InPass) [P1383] Hierfür bietet es sich an, seine Teamtrainings z. B. nach den 15 CRM-Leitsätzen von Rall und Gaba auszurichten und ein umfassendes CRM-Training an seinem Arbeitsplatz mit seinem Team zu absolvieren. Merke Dreamteams are made, not born!
12.2. Crew Ressource Management Das eigentliche Crew Ressource Management stammt ursprünglich aus der Luftfahrt. United Airlines hatte als erste Fluglinie weltweit ein kommerzielles CRM-Programm eingeführt,
nachdem es zu einer Bruchlandung eines ihrer Flugzeuge gekommen war. Das eigentliche Problem im Cockpit wurde nicht erkannt (Treibstoffmangel). Bei der schließlich geplanten Notlandung fielen zwei Triebwerke wegen Treibstoffmangel aus. Im Rahmen der darauffolgenden Bruchlandung mit insgesamt 181 Passagieren und 8 Besatzungsmitgliedern kamen 8 Passagiere und 2 Besatzungsmitglieder ums Leben, 23 weitere Menschen wurden schwer verletzt. In der Folge empfahl die Nationale Flugsicherheitsbehörde der USA die Einführung von Trainings für Cockpitbesatzungen. Dabei sollte es neben den Führungseigenschaften des Kapitäns auch um Durchsetzungsfähigkeits-Trainings für andere Cockpitbesatzungsmitglieder gehen. Denn bei der Untersuchung kam heraus, dass auf den niedrigen Treibstoffstand hingewiesen worden war, diese Hinweise aber vom Kapitän ignoriert worden waren. Neben kommunikativen und sozialen Aspekten schult ein CRMTraining auch weitere Fähigkeiten, wie z. B. der Umgang mit stressigen und komplexen Situationen, das Erkennen von möglichen Problemen und damit verbunden eine Vorausplanung von Maßnahmen. Neben den genannten Maßnahmen wird durch die Anwendung dieser Grundsätze die Teamarbeit optimiert und die Sicherheitskultur erhöht. CRM basiert auf 5 entscheidenden Faktoren, die sich im CRMMolekül zusammenfassen lassen (➤ Abb. 12.3): • Kommunikation • Teamarbeit • Situationsbewusstsein
• Ressourcenmanagement • Entscheidungsfindung
Abb. 12.3 Das CRM-Molekül (nach Rall, InPass) [P1383] Kommunikation ist der zentrale Punkt, um Rollen und Aufträge sicher zu vergeben und Informationen an Teammitglieder
weiterzugeben und damit gleiche Gedankenmodelle in Bezug auf die Situation des Patienten und die notwendigen Maßnahmen zu schaffen. Sie sollte stets respektvoll und wertschätzend sein. Teamarbeit ist eine herausragende Fähigkeit, da nur durch gelungene Teamarbeit das Ziel der optimalen Versorgung eines kritischen Patienten erreicht werden kann. Situationsbewusstsein ist entscheidend, um adäquat auf eine Veränderung der Situation reagieren zu können und zu verstehen, was um einen herum passiert, wie z. B. Gefahrenquellen oder Unfallbzw. Erkrankungsursachen zu erkennen. Ressourcenmanagement umfasst die effektive Nutzung der vorhandenen Teammitglieder und des Equipments und ist unerlässlich, um den Patienten optimal zu versorgen. Entscheidungen zu treffen ist eine der Kernaufgaben des Teamleaders. Im Prozess der Entscheidungsfindung dürfen gern Meinungen eingeholt werden. Am Ende wird die Entscheidung und Verantwortung aber immer beim Teamleader bleiben. Zur strukturierten Entscheidungsfindung kann hier das sog. FORDEC-Modell aus der Luftfahrt angewendet werden (➤ Abb. 12.4). Die FOR-DEC-Methode wird eingesetzt, um in kritischen Situationen zu einer sicheren Entscheidung zu kommen. Das Vorgehen ist dabei wie folgt: • Facts – Zunächst werden alle vorhandenen Fakten überprüft und zusammengetragen. • Options – Im Anschluss werden die möglichen Handlungsoptionen erwogen, die sich aus den Fakten ergeben.
• Risks/Benefits – Die möglichen Optionen werden bezüglich ihrer Vor- und Nachteile abgewogen. • Decision – Aufgrund des Abwägens wird vom Teamleader eine Entscheidung getroffen. • Execution – Die Entscheidung wird im Team umgesetzt. • Control – Es erfolgt eine Reevaluation der Situation und der Kreislauf beginnt – wie oben abgebildet – neu.
Abb. 12.4 FOR-DEC-Methode zur strukturierten Entscheidungsfindung (Rall, InPass) [P1383]
Merke FOR-DEC soll dazu dienen, die Handlungen widerstandsfähiger gegen vorschnelle Entscheidungen zu machen. Bei der Anwendung ist es nicht wichtig, die bestmögliche Entscheidung zu
treffen, sondern sich die Zeit zu nehmen, um die Folgen eines Zwischenfalls abzumildern oder gar zu verhindern.
Praxistipp Anwenden! In der Medizin existiert kein realer Zeitdruck von Sekunden. Es ist immer Zeit für ein paar Sekunden der Planung. Die Zeit für ein FOR-DEC und der damit verbundenen strukturierten Entscheidungsfindung erhöhen die Handlungs- und Patientensicherheit um ein Vielfaches.
Zur Optimierung der Teamarbeit und Patientenversorgung haben Rall und Gaba 15 CRM-Leitsätze verfasst. Basierend auf dem CRM-Molekül können sie bei konsequenter Anwendung zu einer erhöhten Handlungssicherheit im Team und zur Patientensicherheit beitragen: 1. Kenne deine Arbeitsumgebung. Es ist unerlässlich, sich bereits vor Einsätzen mit seinem Arbeitsmaterial so vertraut zu machen, dass eine sichere Bedienung bzw. Handhabung auch im Einsatz möglich ist. Darüber hinaus sollten alle Beteiligten sicher wissen, welches Equipment wo zu finden ist. Allein hierdurch kann der Faktor Stress in einer kritischen Situation deutlich reduziert werden. 2. Antizipiere und plane im Voraus. Antizipieren bedeutet, Handlungsschritte vorauszudenken und mögliche Komplikationen, die auftreten können,
vorauszusehen. Dies ermöglicht den Beteiligten bei einer plötzlichen Zustandsänderung des Patienten ein sicheres Handeln. Entscheidend ist, dass diese Gedankenschritte dem Team kommuniziert werden, damit das komplette Team reagieren kann. 3. Fordere frühzeitig Hilfe an. Es erfordert eine gute Reflexion, seine eigenen Grenzen und die des Teams zu erkennen und im Zweifel Hilfe anzufordern. Im Gegensatz zur weitverbreiteten Meinung ist das kein Zeichen von Schwäche, sondern das genaue Gegenteil. Es erfordert Mut, Kompetenz und einen starken Charakter, seine eigenen Grenzen zu erkennen und Hilfe anzufordern. Letztlich geht es um das Wohl des anvertrauten Patienten. Aus diesem Grund sollte die Hemmschwelle zur Nachforderung niedrig sein. 4. Übernimm die Führung oder sei ein gutes Teammitglied. Der Leader eines Teams muss nicht mehr als die anderen Teammitglieder wissen. Er koordiniert das Team und den Informationsfluss, vergibt Aufträge und kontrolliert den Erfolg von Maßnahmen. Bei Unsicherheiten kann er jederzeit sein Team zurate ziehen. Aus diesem Grund ist es erforderlich, eine flache Hierarchie im Team zu haben. Ein gutes Teammitglied arbeitet dem Teamleader mit Informationen, Wissen und Ideen zu und weist diesen auf Vorgänge hin, die ihm nicht aufgefallen sind. 5. Verteile die Arbeitsbelastung. Die Arbeitsbelastung sollte auf alle Mitglieder des Teams entsprechend ihren Qualifikationen verteilt werden. Hierbei ist es wichtig, die Aufträge klar zu formulieren und die
entsprechenden Limitationen der Teammitglieder zu kennen und zu berücksichtigen. 6. Mobilisiere alle verfügbaren Ressourcen (Personen und Technik). Notfallsituationen sind dynamisch. Es ist wichtig, auf Veränderungen zeitnah zu reagieren. Hierzu sollten alle Ressourcen an Mitarbeitern, aber auch an Ausrüstung genutzt werden. Dies erfordert eine klare Struktur, Planung und Koordination des Teams. 7. Kommuniziere sicher und effektiv. Die Anweisungen im Team sollten klar und präzise erfolgen und durch das Teammitglied bestätigt werden. Es hat sich bewährt, für eine ruhige Atmosphäre zu sorgen, Teammitglieder mit Namen anzusprechen und zu warten, bis das Teammitglied sein Gegenüber ansieht, und erst dann den Auftrag zu erteilen. Anweisungen sollten nicht einfach in den Raum gesprochen werden. Die Ausführenden sollten dem Teamleader auf die gleiche Weise den Vollzug von Aufgaben zurückmelden. In Anlehnung an das Kommunikationsmodell von Konrad Lorenz hat sich die Closed-Loop-Kommunikation bewährt (➤ Abb. 12.5). 8. Beachte und benutze alle vorhandenen Informationen. Jede mögliche Information kann dabei helfen, den Einsatz und das Problem des Patienten besser zu verstehen und so die Behandlungsoptionen zu verbessern. Es ist wichtig, dass alle vorhanden Informationen korrelieren. Darüber hinaus können so Fixierungsfehler vermieden werden. 9. Verhindere und erkenne Fixierungsfehler.
Die Handlungen von Menschen beruhen auf Erfahrungen und daraus resultierenden mentalen Modellen. Fixierungsfehler entstehen aus zunächst scheinbar passenden mentalen Modellen, die aber dennoch falsch sind, weil beispielsweise nicht alle Informationen verwendet wurden. Um Fixierungsfehler zu vermeiden, ist es wichtig, sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen und dabei die Umgebung und alle vorhandenen Informationen einfließen zu lassen. Fixierungsfehler halten sich hartnäckig auch im Team. Es werden 3 Typen von Fixierungsfehlern unterschieden: – Typ 1: Das Kleben – „Dies und nur dies …“ Es wird nur eine Möglichkeit in Erwägung gezogen. Hierbei hilft es, zu reevaluieren und eine zweite Meinung aus dem Team einzuholen. – Typ 2: Das Vermeiden – „Alles, nur dies nicht …“ Es wird versucht, den Fall passend zu machen, Informationen werden ignoriert und es wird mit Annahmen gearbeitet. Im Zweifelsfall auf der sicheren Seite bleiben und vom schlimmsten Fall ausgehen. – Typ 3: Das Abwarten – „Alles wird oder ist o. k.“ Es wird zu spät in den „Notfallmodus“ geschaltet und der Patient wird als Routinefall abgearbeitet, während sich der Zustand kontinuierlich verschlechtert. Das kostet den Patienten wertvolle Zeit. Es sollte lieber früh als spät ein Notfall erklärt werden und die Anwender sollten bewusst in den „Notfallmodus“ umschalten.
10. Habe Zweifel und überprüfe genau (Double Check). Informationen, Befunde und auch durchgeführte Maßnahmen sollten sorgfältig überprüft werden. Unsicherheiten in diesen Bereichen sollten ohne Zögern gemeldet werden. So können Fehlentscheidungen vermieden werden und die Sicherheit wird gewährleistet, da Fehler frühzeitig entdeckt werden können. 11. Verwende Merkhilfen und schlage nach. Es ist sinnvoll, in kritischen Situationen Checklisten zu verwenden, da auch erfahrenes Fachpersonal in komplexen Situationen Fehler machen kann. Auch bei Dosierungen, wie z. B. bei Kindern oder bei wenig eingesetzten Medikamenten, ist es sinnvoll, Merkhilfen zu verwenden. 12. Reevaluiere immer wieder. Eine regelmäßig durchgeführte Reevaluation ermöglicht dem Team eine Erfolgskontrolle der durchgeführten Maßnahmen und eine erneute Sicht auf die aktuelle Situation des Patienten. Dies führt somit zu neuen Entscheidungen über das weitere Vorgehen im Team. 13. Achte auf gute Teamarbeit. Hier kommt der Kommunikation eine entscheidende Bedeutung zu. Klare Rollenverteilung und Verantwortlichkeiten helfen dem Teammitglied seine Aufgaben zu finden und zu erfüllen. Ein respektvoller Umgang miteinander, unabhängig von Erfahrung und Stellung, sollte genauso selbstverständlich sein, wie Respekt vor der Meinung des anderen zu zeigen. So können im Team auch komplexe Aufgaben bewältigt werden. 14. Lenke deine Aufmerksamkeit bewusst.
Menschen sind schlecht im Bereich Multitasking. Aus diesem Grund sollten wir unsere Aufmerksamkeit bewusst und fokussiert lenken, dabei aber den Überblick über die Gesamtsituation behalten. Hier ist ein bewusster Wechsel zwischen diesen beiden Modi notwendig. 15. Setze Prioritäten dynamisch. Notfallsituationen sind dynamisch und erfordern ein dynamisches Vorgehen, das jeweils an die aktuelle Situation angepasst ist. Es sollte nicht an getroffenen Entscheidungen festgehalten werden, wenn diese aufgrund der sich verändernden Situation keinen Vorteil mehr bringen. Auch sollten gute Lösungen zugunsten von besseren Lösungen aufgegeben werden.
Abb. 12.5 Closed-Loop-Kommunikation (Rall, InPass) [P1383] Diese 15 Regeln helfen, kritische Situationen gemeinsam im Team zu bewältigen und Sicherheit für die Patienten zu schaffen. Hilfreich ist es hierbei, wenn alle Teammitglieder von diesen Regeln wissen und dazu bereit sind, gemeinsam in der Gruppe danach zu arbeiten. Hier können beispielsweise an die Mitarbeitenden ausgegebene Taschenkarten die Akzeptanz unterstützen (➤ Abb. 12.6).
Abb. 12.6 CRM-Taschenkarte (nach Rall, InPass) [P1383]
12.2.1. CRM im Rahmen der Atemwegsicherung Bei einer Narkose mit Sicherung der Atemwege durch eine endotracheale Intubation handelt es sich um eine kritische Maßnahme. Ein Patient, der vorher schlecht geatmet hat, wird nach Einleitung einer Narkose nicht mehr atmen und das Notfallteam ist nun für die suffiziente Oxygenierung des Patienten verantwortlich. Hier kann ein effektives CRM zum Wohl des Patienten angewandt werden. Wie im einleitenden Fallbeispiel dargestellt, ist „schnell“ nicht immer der geeignete Weg, um risikobehaftete Maßnahmen durchzuführen.
Es bietet sich ein strukturiertes, schrittweises Vorgehen anhand der 15 CRM-Leitsätze an. • Sobald ein Teammitglied feststellt oder auch in Erwägung zieht, dass z. B. eine Narkose mit endotrachealer Intubation durchgeführt werden muss, meldet er dies dem Teamleader – im Regelfall dem Notarzt (LS 4 … übernimm die Führungsrolle oder sei ein gutes Teammitglied). • Dieser sollte alle Informationen, etwa auch über einen möglichen schwierigen Atemweg nachzudenken, durchgehen und verschiedene Optionen wie z. B. die NIV erwägen und Vor- und Nachteile situationsangepasst abwägen und zu einer Entscheidung kommen (LS 2 … antizipiere und plane voraus): – Mögliche medikamentöse Alternativen – Alternative Möglichkeiten zur Sicherung der Oxygenierung – Möglicher schwieriger Atemweg • Im Anschluss wird ein Team-Time-Out durchgeführt. Dabei sollten folgende Punkte abgearbeitet werden (LS 5 … verteile die Arbeitsbelastung, verwende das 10-für-10-Prinzip): – Zusammenfassung der Situation und Informationen. – Mitteilung, dass die Durchführung einer endotrachealen Intubation mit Narkose geplant ist. – Gegebenenfalls kann hier bei einem unbekannten Team nach Namen und Qualifikationen gefragt werden. – An dieser Stelle können auch zweite Meinungen und alternative Vorschläge aus dem Team vorgebracht werden.
– Die notwendigen Vorbereitungen werden mit Namen den Teammitgliedern, entsprechend den Qualifikationen, zugewiesen und von diesen bestätigt: – Präoxygenierung bzw. Atemunterstützung des Patienten – Lagerung des Patienten – Aktuelle Vitalparameter des Patienten – Vorbereitung der Intubationsmaterialien, inklusive Absaugung und alternativer Oxygenierungsmöglichkeit – Vorbereitung der Medikamente zur Narkoseeinleitung und Aufrechterhaltung – Überprüfen der venösen Zugänge – Gegebenenfalls Medikamente zur Kreislaufstabilisierung • Rückmeldung der Teammitglieder über die fertige Vorbereitung der Maßnahmen (LS 7 … kommuniziere sicher und effektiv). • Erneutes Team-Time-Out (LS 5 … verteile die Arbeitsbelastung, verwende das 10-für-10-Prinzip): – Überprüfung der Vorbereitung – Verteilung der Aufgaben während der Narkoseeinleitung und Intubation – Rückmeldung der Teammitglieder • Durchführung der Maßnahme • Erfolgskontrolle der Maßnahme (LS 12 … reevaluiere die Situation immer wieder).
• Reevaluation des Patienten und anschließendes Team-TimeOut, um die Situation zusammenzufassen und ein weiteres Vorgehen zu besprechen Bei der Umsetzung zur Anwendung der Leitsätze ist zu beachten, dass diese sich teilweise in ihrer Bedeutung überschneiden oder mehrfach zum Tragen kommen. Sie dienen lediglich als gedankliches Hilfsmittel, um bei hoher kognitiver Belastung effektive Maßnahmen im Team oder am Patienten umzusetzen. Zusammenfassung CRM ist ein bewährtes Verfahren, das dazu beiträgt, Zwischenfälle zu minimieren oder beherrschbar zu machen und so die Patientensicherheit zu gewährleisten: • Eine gute Patientenversorgung gelingt nur in einem funktionierenden Team. • Neben Fachwissen und Expertise sind soziale Kompetenz und kommunikative Fertigkeiten unerlässlich, da nur so das Wissen des Teams an den Patienten gelangt. • Ein guter Umgang im Team ist immer respektvoll. • Hierarchien in einem Team sollten flach gestaltet sein, damit jederzeit Ideen vom Team zum Teamleader gelangen können. • Checklisten und Merkhilfen sollten – wann immer möglich – verwendet werden. • Je komplexer und stressbehafteter die Situation wird, desto wichtiger werden Stopp-Prozeduren, wie z. B. Team-TimeOuts.
• Team-Time-Outs sollten zum Zusammenfassen aller Informationen genutzt werden und um gleiche Gedankenmodelle im Team zu schaffen, da nur so eine effektive Mitarbeit aller Teammitglieder möglich ist. • Fixierungsfehler sollten verhindert und das eigene Vorgehen kritisch hinterfragt werden. • Informationen und Maßnahmen müssen regelmäßig überprüft werden. • Entscheidungen müssen der Dynamik der Situation angepasst werden. • Hilfe anfordern, Beratungen im Team und das Verwenden von Merkhilfen sind Zeichen von fachlicher Expertise und charakterlicher Stärke.
Literatur Gaba DM, Howard SK, Small SD. Situation awareness in anesthesiology. Hum Factors, 1995; 37(1): 20–31. Hörmann HJ. Urteilsverhalten und Entscheidungsfindung. In: Eißfeldt H, Goeters KM, Hörmann HJ, Maschke P, Schiewe A (Hrsg.): Effektives Arbeiten im Team: Crew ResourceManagement-Training für Piloten und Fluglotsen. Hamburg: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt; 1994. S. 73–96. Rall M. Erhöhung der Patientensicherheit durch Crisis Resource Management (CRM) Training. J Anästh Intensivbehandlung, 2004; 2: 98–104.
Rall M, Dieckmann P. Prävention und Management von kritischen Ereignissen durch Crisis Resource Management (CRM). Minim Invasive Chir, 2005; 14(1): 31–38. Rall M, Dieckmann P. Safety culture and crisis resource management in airway management: general principles to enhance patient afety in critical airway situations. Best Pract Res Clin Anaesthesiol, 2005; 19(4): 539–557. Rall M, Kohn S. Die kleine CRM-Fibel Teamwork in besonderen Einsatzlagen. Reutlingen: InPass, 2023. Rall M, van Gessel E, Staender S. Education, teaching & training in patient safety. Best Pract Res Clin Anaesthesiol, 2011; 25(2): 251–262. St. Pierre M, Hofinger G. Human Factors und Patientensicherheit in der Akutmedizin. Berlin, Heidelberg: Springer, 2020.
Register Symbole 10-für-10-Prinzip, 248, 249 A Abszess i. Bereich d. Atemwege, 193 Acute Respiratory Distress Sydrome, 144 Adipositas Atemwegsmanagement, 226 Pathophysiologie, 226 Advanced Airwaymanagement, 71 Evaluation d. Atemwegs, 75 Face-to-Face-Intubation, 90 Indikation, 71 Intubation, 94 Intubation, blinde digitale, 89 Intubation, blinde nasale, 89
Intubation, direkte endotracheale, 83 Intubation, endotracheale, 87 Intubation, fiberoptische endoskopische, 101 Intubation, klassische endotracheale, 86 Intubation, retrograde, 90 Laryngoskopie, 85 Patientenlagerung, 82, 83 SALAD-Manöver, 91 Technik, 80 Airwaymanagement Patientensicherheit, 247 Alveole, 14 Anaphylaxie, 194 Aneurysmaruptur, zerebrale, 219 Angioödem, 194 Atemantrieb, 19 Atemmechanik, 14 Exspiration, 16 Inspiration, 14 Lungenvolumina, 16 Atemminutenvolumen, 17
Atemmuskulatur, 14, 15 Atemweg, Kinder, 179, 180 Anatomie, 180 angeborene Anomalien, 195 FONA, 182 Fremdkörperaspiration, 197 Gesichtsmaske, 184 Larynxmaske, 187, 188 LEMON, 192 Narkose, 183 Narkosemedikamente, 183 Nasenbrille, 184 Notfallequipment, 183 Physiologie, 182 Rachen-CPAP, 188 schwieriger, 191, 192 spezielle Techniken, 186 Stufenschema Atemwegssicherung, 189 Atemweg, schwieriger, 107 Atemweg, verlegter, 38 Esmarch-Handgriffe, 40
HTCL, 38, 39 Kreuzgriff, 38, 39 Nasopharyngealtubus, 41 Oropharyngealtubus, 41 Atemwege, obere, 3 Kehlkopf, 5 Larynx, 5 Nase, 3, 4 Pharynx, 3 Rachen, 3 Atemwege, untere, 7 Luftröhre, 7 Lunge, 8 Atemwegshilfe Combitubus, 61 extraglottische, 54 Indikation, 55 Larynxmaske, 55 Larynxtubus, 63, 65-67 ösophagealer Verschlusstubus, 61 supraglottische, 54
Atemwegsmanagement Adipositas, 226 geriatrischer Patient, 224 Intensivtransport, 241 Luftrettung, 241 Patienten m. angeborenen Fehlbildungen, 230 Patienten m. Infektionen, bakterielle, 234 Patienten m. Infektionen, parasitäre, 238 Patienten m. Infektionen, virale, 236 Schwangerschaft, 222 Atemwegssicherung Crew Ressource Management (CRM), 252 Notfallalgorithmus, 177 Thoraxtrauma, 210 Atemwegssicherung, chirurgische, 110 b. Erwachsenen, 112 b. Kindern, 119 Material, 112 Risikofaktoren, 111 Sonografie, 119 Systeme, 112
Trachealkanülenmanagement, 123 Atmung Antrieb, 19 Compliance, 17, 18 Gasaustausch, 24 Hyperventilation, 33 Kapnografie, 32 Kapnometrie, 32 Mechanik, 14 Perfusion, 21 Physiologie, 14 Resistance, 18 Sauerstoffbindung i. Blut, 26 Sauerstoffgabe, 31 Sauerstoffmessung, 28 AV-Malformation, 219 B Basic Airwaymanagement, 35 ABCDE-Schema, 36 Atemwegshilfen, 54
Beutel-Masken-Ventilation, 44 Nasenbrille, 37 Sauerstoffmasken, 37, 38 supportive O2-Gabe, 36 verlegter Atemweg, 38 Beatmung, invasive, 141 Atemsequenz, 146 Beatmungsgeräte, 156 druckkontrollierter Atemhub, 145 Formen, 144, 148, 149 Komplikationen, 154 Monitoring, 151 Parameter, 149 volumenkontrollierter Atemhub, 144 Beatmung, nichtinvasive, 129, 131 Beurteilung d. Patienten, 130 CPAP, 132-134 HFT/HFNC, 136 Beutel-Masken-Ventilation, 44, 45 Beatmungsbeutel, 47 Beutelposition, 50
MASKE, 46, 47 Masken, 48 Maskenposition, 50 optimale, 52 ROMAN, 46 Blutgefäße, pulmonale, 22 Bohr-Effekt, 28 Bronchialbaum, 11, 13 BUHE-Lagerung, 164 C Carboxyhämoglobin, 73 Closed-Loop-Kommunikation, 251 Combitubus, 61 Continuous Positive Airway Pressure (CPAP), 132-134 Cormack-Lehane-Klassifikation, 76 Crew Ressource Management (CRM), 249, 250, 253 Atemwegssicherung, 252 D Delayed Sequence Induction, 175
Dilatationstracheotomie, 123 DOPES, 96 E Ebola-Virus, 238 Eklampsie, 221 Enzephalopathie-Syndrom. posteriores reversibles, 221 Epiglottis, 5, 6 Epiglottitis, 193 Esmarch-Handgriff, 40 Euler-Liljestrand-Mechanismus, 23 F Fick-Diffusionsgesetz, 24 FOR-DEC-Modell, 250 FOR-DEC-Schema, 162 Fremdkörperaspiration, 194 Erwachsene, 228 Kinder, 197 Front of Neck Access (FONA), 181 G
Gasaustausch, 24 Gesichtsmaske, 48 Guedel-Tubus, 41, 42 H Haemophilus influenzae Typ B, 235 Hämoglobin, 26 HAUK-Schema, 130 Head Tilt and Chin Lift (HTCL), 38, 39 HEAVEN, 97 Henry-Dalton-Gesetz, 24 High-Flow-Therapie (HFT/HFNC), 136 Hirndruck, erhöhter, 218 Airwaymanagement, 221 Hirntumor, 220 Hyperoxie, 31 Hyperventilation, 33 Hyponatriämie, 219 Hysterese, 17 I
Idiopathische intrakranielle Hypertension (IIH), 220 Inhalationstrauma, 194, 216 Atemwegsmanagement, 217 Pathophysiologie, 216 Symptome, 217 Insuffizienz, respiratorische, 132 Intensivtransport Atemwegsmanagement, 241 Atemwegssicherung, i. abgebender Klinik, 242 Atemwegssicherung, prähospital, 241 Atemwegssicherung, während d. Fluges, 242, 243 Intubation, 83, 94, 95 blinde digitale, 89 blinde nasale, 89 BURP-Manöver, 94 DOPES, 96 endotracheale, 87 Face-to-Face-, 90 fiberoptische endoskopische, 101 HEAVEN, 97 Jet-Ventilation, 102
klassische endotracheale, 86 Lagerungstechniken, 82 LEMON, 95 OELM, 94 retrograde, 90 SALAD-Manöver, 91 Sellick-Manöver, 95 K Kapnografie, 32 Kapnometrie, 32 Kehlkopf, 5 Kilian-Spekulum, 125 Koniotomie, 115 L Laryngoskopie, 85 Video-, 97 Larynx, 5 Larynxmaske, 55 i. d. Pädiatrie, 67
Larynxtubus, 63, 64 Einlagetechnik, 66 Größen, 66 i. d. Pädiatrie, 67 Risiken, 65 RODS, 67 LEMON, 95 Luftrettung Atemwegsmanagement, 241 Atemwegssicherung, i. abgebender Klinik, 242 Atemwegssicherung, prähospital, 241 Atemwegssicherung, während d. Fluges, 242, 243 Luftröhre, 7, 8 Luftwege, Anatomie, 3 Lunge, 10, 12 Lungenflügel, 10 Lungenkapazität, 142 Lungenvolumen, 142 M Macintosh-Spatel, 84
Magill-Zange, 85 Malaria, 238 Mallampati-Score, 77 Marburg-Virus, 238 McCoy-Spatel, 85 Methicillinresistenter Staphylococcous aureus (MRSA), 234 Migräne, 220 Mikrognathie, 75 Miller-Spatel, 84 Multiple Sklerose, 220 Multirestistente gramnegative Bakterien (MRGN), 235 N Nadelkrikothyreotomie, 117 Nase, 3, 4 Nasenbrille, 37 Nasenhöhle, 3 Nasennebenhöhle, 3, 4 Nasopharyngealtubus, 41, 44 Neisseria meningitidis, 235 Notfall
Aneurysmaruptur, zerebrale, 219 AV-Malformation, 219 Eklampsie, 221 Enzephalopathie-Syndrom, 221 Hirndruck, erhöhter, 221 Hirntumor, 220 hypertensiver, 218 Hyponatriämie, 219 IIH, 220 Migräne, 220 multiple Sklerose, 220 Präeklampsie, 221 Subarachnoidalblutung, 219 Ablauf, 162 Analgetika, 167, 170 Checkliste, 176 Delayed Sequence Induction (DSI), 175 Durchführung, 161, 162, 174, 176 FOR-DEC-Schema, 162 Hypnotika, 165, 167 Indikation, 161, 162
Kontraindikation, 161 Medikamente, 164, 171 Muskelrelaxanzien, 169, 171 Team, 174 O Open-Cuff-Gesichtsmaske, 49 Oropharyngealtubus, 41 Oxymetrie, 30 P Palliativpatient, 233 Patient adipöser, 226 geriatrischer, 224 hypertensive Notfälle, 218 instabiler, 201, 203, 206, 207 m. angeborenen Fehlbildungen, 229 m. erhöhtem Hirndruck, 218, 221 m. HWS-Trauma, 211-213 m. Inhalationstrauma, 216
m. Morbus Bechterew, 213 m. Schädel-Hirn-Trauma, 214 m. Status epilepticus, 223 m. Tracheostoma, 231, 232 Notfall-, 231 Palliativ-, 233 Trauma-, 207-210 Patientensicherheit, 247 Crew Ressource Management (CRM), 249 Human Factors, 248 Perfusion, 21 Pharynx, 3, 5 Pleurahöhle, 8, 11 Präeklampsie, 221 Pseudokrupp, 193 Punktionskoniotomie, 116 R Rachen, 3, 5 Rendell-Baker-Maske, 49 Ringknorpel, 7
Rundmaske, 49 S SALAD-Manöver, 91 SARS-CoV-2, 236 Sauerstoffbindung, 26 Sauerstoffbindungskurve, 27, 28 Sauerstoffgabe, 31 Sauerstoffmaske, 37, 38 Sauerstoffmessung, 28 Schädel-Hirn-Trauma, 214 Schildknorpel, 7 Schwangerschaft Atemwegsmanagement, 222 Seal-Easy-Beatmungskissenmaske, 49 Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus Type 2 (SARSCoV-2), 236 Skalpell-Bougie-Technik, 114 Status epilepticus, 223 Stimmritze, 7 String-of-Pearls-Technik, 120 Subarachnoidalblutung, 219
T TACA-Technik, 121 Thoraxtrauma Atemwegssicherung, 210 Trachea, 7, 8 Tracheitis, bakterielle, 193 Tracheostoma, 123 Trauma, 195 Traumapatient, 207 Halsverletzungen, 208 Mittelgesichtsverletzungen, 208 SALAD-Methode, 209 Thoraxtrauma, 210 U Unterlippenbeißtest, 76 V Vancomycinresistente Enterokokken (VRE), 235 Ventilationsverfahren, nichtinvasive, 129 Verbrennung, 194
Verbrühung, 194 Vermilion-Grenze, 76 Verschlusstubus, ösophagealer, 61 Videolaryngoskop, 98 Videolaryngoskopie, 97, 98, 101 Vortex-Approach, 108, 109 W Wendl-Tubus, 43, 44