Traumatische und nichttraumatische Notfälle: Erstversorgung und Reanimation im Rettungsdienst [Reprint 2019 ed.] 9783110858075, 9783110116885


220 49 26MB

German Pages 279 [280] Year 1988

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Entwicklungen und Probleme der Notfallmedizin im Rettungswesen
I. Traumatische Notfälle
Präklinische Diagnostik und Versorgung bei Schädel-Hirn-Verletzungen
Erkennung und Behandlung der vitalen Funktionsstörungen und die diagnostische Strategie bei Schädel-Hirn-Verletzungen
Präklinische Akutversorgung von Gesichtsschädelverletzungen
Thoraxverletzungen (Erstversorgung, Prioritäten)
Das traumabedingte akute Abdomen
Versorgung von Extremitätenverletzungen in der präklinischen Phase
Verdachtsdiagnose und Akutversorgung der Wirbelsäulenverletzungen
Der traumatische Notfall: Spezifische Verletzungen im Kindesalter
Polytrauma: Klassifikation, Organisation, Prioritäten
Hypovolämisch-traumatischer Schock
II. Nichttraumatische Notfälle
Kardiologische Notfallsituationen
Vergleich der systemischen Frühlyse des akuten Myokardinfarkts in Klinik und Prähospitalphase
Das nicht traumabedingte akute Abdomen
Zur präklinischen Diagnostik und Therapie von Vergiftungen
Der Schlaganfall: Diagnose und präklinische Versorgung
Die Subarachnoidalblutung: Verdachtsdiagnose und Akutversorgung
Dringliche Diagnostik und Therapie bei spinalen Querschnittslähmungen
Notfälle im Kindesalter
Gynäkologische und geburtshilfliche Notfälle
Schmerztherapie im Rettungsdienst
III. Reanimation
Reanimation in der präklinischen Phase
Aufgaben des Notarztes und der Rettungssanitäter bei der Reanimation
Lebensrettende Maßnahmen bei Tauchunfällen
Reanimation durch Laien
IV. Rettungswesen
Das Rettungswesen in Nordrhein-Westfalen
Der leitende Notarzt und seine Qualifikation
Das bundeseinheitliche Notarztprotokoll
Ist eine Änderung der DIN 75 080-Teil 2/RTW erforderlich?
Das DRF-Ambulanzhubschraubersystem — Erfahrungen und Ergebnisse
Autorenverzeichnis
Sachverzeichnis
Recommend Papers

Traumatische und nichttraumatische Notfälle: Erstversorgung und Reanimation im Rettungsdienst [Reprint 2019 ed.]
 9783110858075, 9783110116885

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Traumatische und nichttraumatische Notfälle

Traumatische und nichttraumatische Notfälle Erstversorgung und Reanimation im Rettungsdienst

Herausgegeben von A. Karimi Mit Beiträgen von J . Bahr, Ch. Biesing, D. Blumenberg, W. J . Bock, R. Braakmann, C. Busse, G. H. Engelhardt, R. Firsching, R. A. Frowein, K. D. Grosser, M . Hahn, W.-D. Heiss, K. Herholz, G. Hierholzer, H. Hochrein, L. Hock, S. John, F. Jostkleigrewe, A. Karimi, W. Klaus, P. Lange-Braun, G. Lausberg, P. Limburg, U. Martens, A. Meuret, G. H. Meuret, H.-D. Pape, H. Pichlmaier, K.-E. Richard, J . G. Schöber, H.-P. Schuster, P. Sefrin, U. Stammler, D. Stratmann, R. Strigl, J . A. Sturm, Th. Uhr, E. Ungeheuer, H.-U. Zieren

G

Walter de Gruyter Berlin . New York 1988

Prof. Dr. A. Karimi Neurochirurgische Universitätsklinik Joseph-Stelzmann-Str. 9 D-5000 Köln 41

Das Buch enthält 75 Abbildungen und 82 Tabellen

ClP-Titelaufnahme

der Deutschen

Bibliothek

Traumatische und nichttraumatische Notfälle : Erstversorgung und Reanimation im Rettungsdienst / hrsg. von A. Karimi. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1988 ISBN 3-11-011688-X NE: Karimi, Abbas [Hrsg.]

© Copyright 1988 by Walter de Gruyter &C Co., Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen und dergleichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, daß solche Namen ohne weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um gesetzlich geschützte, eingetragene Warenzeichen, auch wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind. Satz und Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin Bindung: Lüderitz &C Bauer GmbH, Berlin Umschlagentwurf: Rudolf Hübler, Berlin

Vorwort Die präklinische Notfallversorgung ist ein interdisziplinäres Problem, das sich aus dem breiten Spektrum der traumatischen und nichttraumatischen Notfälle ergibt. Die rasche Fortentwicklung der Diagnostik, Therapie und speziell der klinischen Intensivmedizin in allen Fachgebieten hat auch der Notfallmedizin im letzten Dezennium eine Fülle neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse eingebracht. Sie resultieren aus der Grundlagenforschung und den Erfahrungen der klinischen Intensivmedizin verschiedener Fachrichtungen und sind dementsprechend verstreut in unzähligen Fachzeitschriften niedergelegt. Die aus den neueren interdisziplinären Erkenntnissen resultierenden Anforderungen für die präklinische Notfallversorgung betreffen nicht nur Notärzte, sondern jeden Arzt. Wer sich aber gelegentlich oder als Notarzt ständig im Rettungsdienst mit der präklinischen Versorgung der Notfälle befassen muß, dürfte es als einen Mangel empfinden, nur die Richtlinien der standardisierten Notfallversorgung, jedoch nicht den aktuellen Wissensstand aus der klinischen Intensivmedizin verschiedener Fachrichtungen von Zeit zu Zeit überschaubar angeboten zu bekommen. Bei der 7. Tagung der Sektion Rettungswesen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensivmedizin (DIVI) 1987 in Köln, wurde der Versuch unternommen, das gesamte Spektrum der Notfälle, ihre präklinische Diagnostik und Behandlung durch Spezialisten aller Fachrichtungen abzuhandeln und den aktuellen Stand auch interdisziplinär kritisch zu sichten. Besonderer Dank gebührt den erfahrenen Autoren aller Fachgebiete, die nicht nur dieser Einladung der Sektion Rettungswesen gefolgt sind, sondern auch durch ihre Beiträge jedem Arzt im Rettungsdienst eine verläßliche Basis für sein Handeln zum Wohle des ihm anvertrauten Notfallpatienten geliefert haben. Köln, April 1988

A. Karimi

Inhalt Entwicklungen und Probleme der Notfallmedizin im Rettungswesen H. Hochrein

1

I Traumatische Notfälle Präklinische Diagnostik und Versorgung bei Schädel-Hirn-Verletzungen R. A. Frowein, K.-E. Richard, R. Firsching, U. Stammler

5

Erkennung und Behandlung der vitalen Funktionsstörungen und die diagnostische Strategie bei Schädel-Hirn-Verletzungen A. Karimi-Nejad

13

Präklinische Akutversorgung von Gesichtsschädelverletzungen H.-D. Pape

27

Thoraxverletzungen (Erstversorgung, Prioritäten) G. H. Engelhardt

41

Das traumabedingte akute Abdomen H.-U. Zieren, H. Pichlmaier

49

Versorgung von Extremitätenverletzungen in der präklinischen Phase G. Hierholzer, F. Jostkleigrewe

61

Verdachtsdiagnose und Akutversorgung der Wirbelsäulenverletzungen R. Braakman, A. Karimi-Nejad

67

Der traumatische Notfall: Spezifische Verletzungen im Kindesalter P. Lemburg

79

Polytrauma: Klassifikation, Organisation, Prioritäten J . A. Sturm

85

Hypovolämisch-traumatischer Schock H.-P. Schuster

95

VIII

Inhalt

II Nichttraumatische Notfälle Kardiologische Notfallsituationen K. D. Grosser

103

Vergleich der systemischen Frühlyse des akuten Myokardinfarkts in Klinik und Prähospitalphase P. Lange-Braun, U. Martens, H. Hochrein 115 Das nicht traumabedingte akute Abdomen E. Ungeheuer

121

Zur präklinischen Diagnostik und Therapie von Vergiftungen W. Klaus

131

Der Schlaganfall: Diagnose und präklinische Versorgung K. Herholz, W.-D. Heiss

139

Die Subarachnoidalblutung: Verdachtsdiagnose und Akutversorgung W. J. Bock

153

Dringliche Diagnostik und Therapie bei spinalen Querschnittslähmungen G. Lausberg

157

Notfälle im Kindesalter J. G. Schöber

165

Gynäkologische und geburtshilfliche Notfälle R. Strigl

173

Schmerztherapie im Rettungsdienst D. Blumenberg, P. Sefrin

179

III Reanimation Reanimation in der präklinischen Phase G. H. Meuret, A. Meuret

189

Aufgaben des Notarztes und der Rettungssanitäter bei der Reanimation H. Hochrein

215

Inhalt

IX

Lebensrettende Maßnahmen bei Tauchunfällen S. John, L. Hock, M. Hahn

223

Reanimation durch Laien C. Busse, J. Bahr

229

IV Rettungswesen Das Rettungswesen in Nordrhein-Westfalen Ch. Biesing, G. H. Engelhardt, D. Stratmann

237

Der leitende Notarzt und seine Qualifikation D. Stratmann

241

Das bundeseinheitliche Notarztprotokoll P. Sefrin, D. Blumenberg

245

Ist eine Änderung der DIN 75 080 - Teil 2/RTW erforderlich? Th. Uhr

257

Das DRF-Ambulanzhubschraubersystem — Erfahrungen und Ergebnisse A. F. Köhler

261

Autorenverzeichnis

265

Sachverzeichnis

267

Entwicklungen und Probleme der Notfallmedizin im Rettungswesen H. Hochrein Vorsitzender der Sektion Rettungswesen der DIVI Die Sektion Rettungswesen hat sich seit ihrer Gründung im Jahre 1980 in gleicher Weise wie die Notfallmedizin interdisziplinär, interkollegial und zum Teil auch sprunghaft entwickelt. Sie hat Vorschläge zur Tätigkeit und Ausbildung von Notärzten und Rettungssanitätern erarbeitet, organisatorische Probleme unterschiedlicher Art aufgegriffen und aktuelle Beiträge zur Entwicklung der Notfallmedizin auf der Grundlage der Intensivmedizin geliefert. In den letzten 10 Jahren hat sich auch überall in unserem Lande unübersehbar und nachhaltig das Bewußtsein um die Notwendigkeit einer schnellen Rettung etabliert. Daß dazu eine möglichst frühe ärztliche Hilfe gehört, wird heute von niemandem mehr ernsthaft bezweifelt. Es war und ist deshalb die Absicht, Erkenntnisse und Maßnahmen der Intensivmedizin und der Reanimation aus der Klinik zum Ort des lebensbedrohenden Notfalls hinauszutragen. So haben wir gelernt, daß schnelle Hilfe nur dann nachhaltig Leben retten kann, wenn hinter allen Rettungsbemühungen, welcher Art auch immer — durch Laien oder durch Rettungssanitäter — der kundige Arzt steht. Wir haben uns bemüht, in das sich schnell entwickelnde und oft übermächtige und kostenträchtige Gebäude des Rettungswesens den Arzt als zentralen und maßgeblichen Lenker hineinzustellen, und niemand könnte ihm seine Position streitig machen, es sei denn, man rettet um der Rettung willen und verwechselt Retten mit Helfen. Helfen müssen alle, jeder Bürger. Retten aber können nur wenige, speziell hierfür Ausgebildete! Keiner bestreitet heute mehr, daß zum Rettungswesen die Notfallmedizin gehört und daß zur Lebensrettung mehr gehört als ein noch so gut ausgerüstetes Rettungsfahrzeug oder ein Rettungshubschrauber im Rahmen einer der vielen Rettungsorganisationen. Beim Retten wollen viele helfen, aber sie sind letztlich hilflos ohne die Speerspitze Notfallmedizin und ohne den kundigen Notarzt, der gezielt und überlegt intubiert und defibrilliert, injiziert und stimuliert. Die Sektion Rettungswesen hat sich deshalb im Jahre 1980 der DIVI angeschlossen, weil sie interdisziplinär fachübergreifend mit ihr handeln und sich weiter entwickeln möchte. Sie möchte aber auch von der DIVI getragen und von ihr

2

Entwicklungen und Probleme

unterstützt werden, kollegial-fachlich. Sie möchte nach wissenschaftlichen Überlegungen und Erkenntnissen auch die Einheit von Intensiv- und Notfallmedizin. Wir bemühen uns immer wieder zu betonen, daß das eine ohne das andere nicht sein kann. Was nützt heute eine Intensivmedizin ohne Notfallmedizin und umgekehrt — beide leben voneinander, arbeiten miteinander und lernen täglich mehr voneinander. Dies zu wissen, zu verstehen und zu vertreten ist dem langjährigen Präsidenten der DIVI, Herrn Prof. Lasch, zu danken. Ebenso wie es dem Präsidenten der Tagung, Herrn Prof. Karimi, zu danken ist, daß er unermüdlich und überzeugend neurochirurgische Gesichtspunkte im Rahmen der Notfallmedizin eingebracht und jederzeit fachkundig vertreten hat. Seine Argumente und Erfolge sind heute in der Notfallmedizin und im Rettungswesen nicht mehr wegzudenken. Im Rahmen der stürmischen Entwicklung der Notfallmedizin darf man jedoch verschiedene Probleme nicht übersehen, die weiter beachtet, bearbeitet und behoben werden müssen. Dazu gehört der zunehmende Kampf um den Notfall-Patienten im Rahmen verschiedener Interessensverbände und Rettungsorganisationen. Kommerzielle Gesichtspunkte und Kompetenzstreitigkeiten kosten nur Geld und nützen der Sache wenig. Dabei ist zu bedenken, daß es in vielen Landgemeinden auch unseres Staates noch keinen ausreichenden Schutz durch ein schnell einsatzbereites Notarztsystem gibt. Hier sind wir alle aufgerufen, mitzuhelfen und überall dorthin zu gehen, wo noch ungeschützte Bürger leben. Schließlich hat die Ausbildung und der Einsatz von Rettungssanitätern im Rahmen lebensrettender Maßnahmen eine große Bedeutung. Sollen und dürfen sie ärztliche Aufgaben übernehmen? Sicher sollen sie nicht zum Notarztersatz werden, sondern Helfer und im Bedarfsfalle Vorposten des Notarztes sein und bleiben. Auch die Laienreanimation ist sicher sinnvoll und notwendig, aber nur in Verbindung mit einem schnell verfügbaren Notarztsystem. Hinter allen nichtärztlichen Reanimationsbemühungen muß der kompetente Notarzt stehen und die Reanimation vollenden, sonst lohnt sich der gesamte Aufwand nicht. Die Ausbildung in Notfallmedizin geht die gesamt Ärzteschaft an. Sie ist ein wichtiges, neues und interdisziplinäres Fach der Medizin geworden, das der Student bereits während seiner Ausbildung an der Universität vermittelt bekommen soll - und zwar nicht freiwillig, nicht kurz so nebenher, sondern vorrangig in theoretischen Vorlesungen und praktischen Kursen. Die Zahnmediziner haben dies bei uns schon klar erkannt. Die Sektion Rettungswesen hat es sich zur Aufgabe gemacht, hier Maßstäbe zu setzen und Empfehlungen zu geben. Sie soll unter den vielen Organisationen, Vereinigungen und Arbeitsgemeinschaften ein maßgebliches Zentrum und Sprachrohr sein für alle in der DIVI zusammengeschlossenen großen medizinischen Gesellschaften und Berufsverbände.

I

Traumatische Notfälle

Präklinische Diagnostik und Versorgung bei Schädel-Hirn-Verletzungen R. A. Frowein, K.-E. Richard, R. Firsching, U. Stammler

Ursachen der Gefährdung Die Art und Dringlichkeit der Diagnostik und Erstversorgung bei Kopfverletzungen ergibt sich, entsprechend den Anfangsbuchstaben „Kopf", aus ihren hauptsächlichen Gefahren und also unseren hiesigen Fragen: Koma? Offene Hirnverletzung? Polytrauma? Frühes Hämatom?

Koma Bei bewußtlosen, komatösen Verletzten, bei denen lebenswichtige Schutzreflexe gestört sind oder fehlen, ist die Lebensgefahr groß: Unter unseren 2498 Verletzten der letzten Jahren waren am ersten Tag 732 im Koma: davon verstarben zwei Drittel (487) schon am Unfalltag (Tab. 1).

Tab. 1. Abhängigkeit des Uberlebens vom Grad der Bewußtseinstrübung bei 2498 Patienten mit Schädel-Hirn-Verletzungen

O 3

T

klar getrübt

Koma •

I

24 Stunden

Unfalltag

Bewußtsein

GCS6-7

+

%


70% bei älteren Verletzten.

Transport: Entfernung und Zeit Es hängt daher vom Koma-Grad, vom Alter, von der Entfernung und vom Transportmittel ab, ob zuerst eine chirurgische Klinik, ein Unfallkrankenhaus oder eine neurochirurgische Klinik angesteuert werden kann. Im folgenden Dia-p-o

1

HAMATOM KONTUSION

+

o • A A

- s



A A A3>

â i

A

a

A •

A A

A A

0

0

A



S km 1

30

35

40

45

50

70

Abb. 1. Übersicht zum Transport von 485 Patienten mit Schädel-Hirn-Verletzungen in die neurochirurgische Klinik Köln

Schädel-Hirn-Verletzungen

7

gramm sind 485 Verletzte mit gedeckten oder offenen Hirnverletzungen oder Hämatomverdacht, jeweils einzeln eingetragen, entsprechend der Entfernung des Unfallortes von der Klinik und entsprechend dem Zeitintervall zwischen Unfall und Klinikeinlieferung in Köln (Abb. 1). Es ergibt sich, daß zwei Drittel der Verletzten - 297/485 = 61% - innerhalb der ersten 3,5 Stunden aus einer Entfernung bis 20 km eingeliefert wurden. Die Letalität betrug hier 29%. Aus den größeren Entfernungen von 20 bis 50, seltener bis 75 km, wurden in der gleichen Zeit der ersten 3,5 Stunden 75 Unfallpatienten, teils aus erstversorgenden Krankenhäusern, teils direkt vom Unfallort mit URW oder Hubschrauber (grau) zur Klinik transportiert. Letalität: 17%. Die negative Korrelation, daß bei den früh aus geringerer Entfernung eingelieferten Patienten die Letalität mit 29% höher war als bei den aus größerer Entfernung transportierten Verletzten (17%), ergibt sich daraus, daß bei kürzerer Entfernung auch mehrere, nicht mehr behandelbare Schwerstverletzte in die Klinik eingeliefert wurden.

SHT: Art und Zeit Welche Art von Verletzungen hat man zu erwarten? Unter 191 im Zeitraum während der ersten 3,5 Stunden nach dem Unfall stationär aufgenommenen Verletzten waren 27 einfache gedeckte SHT; nur wenige, 12, offene Schädel-HirnVerletzungen, 68 Blutungen im Schädelinneren und fast die Hälfte, 84, Polytraumen. Die Letalität ist am höchsten bei den akuten subduralen Hämatomen: 39/ 49 = 79%; in der ersten Stunde sogar 21/22 = 95%. Darauf wird später eingegangen.

Koma — intrakranieller Druck Messungen des Schädelinnendrucks liegen im präklinischen Stadium nicht vor. Richard führte 4 Messungen ab 3 Stunden nach dem Trauma durch (Abb. 2): Bei einem überlebenden Verletzten in Koma II waren und blieben die VentrikelLiquor-Drucke um 20 mm Hg nur gering erhöht. Drei später tödliche Verläufe in Koma II und IV begannen unterschiedlich hoch zwischen 25 und 65 mm Hg und zeigten später regellos Anstieg oder Abfall. Es findet sich also kein einfaches Verhältnis zwischen Koma-Grad und Schädelinnendruck. Vorbeugend gegen die fortschreitende intrakranielle Drucksteigerung wirken Hochlagerung von Kopf und Oberkörper mit Flüssigkeitsrestriktion. Die Osmotherapie hat in der Erstversorgung nur eine geringe Wirkung: Die Infusion

8

R. A. Frowein et al.

SHT: i n t r a k r a n i e l l e r Druck

100 -

mm Hg

50 30 t t

10 -

3 4

5 6

8

10 12 14 Std. n. Trauma

Abb. 2. Der intrakranielle Druck bei 4 Patienten 3 Stunden nach einem Schädel-Hirn-Trauma

hypertonischer Lösungen, wie Tutofusin S 40, Sorbit 40% in kaliumfreier Elektrolytlösung, erschöpft sich innerhalb von 1 — 2 Stunden, und die akute primäre Hirnschwellung bleibt davon unbeeinflußt. Die Frage, ob eine frühzeitige Injektion hoher Dosen von Cortison eine protektive Wirkung gegen das Hirnödem hat, ist nochmals Gegenstand einer prospektiven, multizentrischen Studie.

Offene Hirnverletzungen Bei der Versorgung offener Hirnverletzungen hat sich eine Behandlung mit aufgeschobener Dringlichkeit bewährt. Ein überstürzter Transport ist daher niemals erforderlich. Sowohl an der Unfallstelle wie auf dem Transport ist zunächst ein steriler Verband ausreichend. Mit einer antibiotischen Prophylaxe, z. B. mit dem liquorgängigen Paraxin intravenös, sollte sofort begonnen werden.

Polytrauma In der Abbildung 3 sind die Beobachtungen von 247 Mehrfachverletzten aufgeführt nach Art der Kombination des Hirntraumas mit einer Verletzung der

Schädel-Hirn-Verletzungen

BemiÖisemsiage bei Ajtnahme

Extremität obere untere TbOf a * A b d o m e n C + obere)

Abdomen

9

A b d o m e n + Thorax + Aba E x t r e m i t ä t + Extremität

o ' u ( + 0 0)

U (+0 )

gntfub! Koma III

Abb. 3. Kombinationsverletzungen bei 247 Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma: 136 Überlebende (O) stehen 111 Verstorbenen (•) gegenüber

Extremitäten, des Thorax und/oder Abdomen allein, oder in Kombination untereinander. Die Letalität nimmt einerseits mit zunehmender Bewußtseinsstörung von 20 bis 62% zu. Andererseits ist die Art der Verletzungen entscheidend: Die Letalität beträgt bei Extremitätenfrakturen um 2 5 % , bei Thorax- oder Abdomenverletzungen um 5 5 % , bei Dreierkombinationen über 6 0 % . Auch hier hat das Alter zusätzlichen Einfluß. Nur bei der kleinen Gruppe junger Verletzter in Koma II, und bei allen Verletzten mit Koma I (ohne neurologische Störungen) kann nach der Erstversorgung bereits eine längere bis zu 2 Stunden dauernde Diagnostik und Operation, besonders von Extremitätenfrakturen, durchgeführt werden. Ältere Kombinationsverletzte sollten dagegen nicht weit transportiert werden.

Intrakranielle Hämatome Die präklinische Diagnostik, die Erstversorgung und der Transport stehen oft unter dem Druck, eine Blutung im Schädelinneren nicht zu übersehen. Für die Strategie der Erstversorgung ist es daher sehr wichtig, eine genaue Analyse des zeitlichen Ablaufs der Blutungen und Kontusionen vorzunehmen. Blutungen im Schädelinneren, intrakranielle Hämatome, beginnen zwar fast alle sofort nach dem Unfall, aber sie verlaufen sehr unterschiedlich. Am raschesten entwickeln sich schmale subdurale Hämatome, die aber nur eine Begleiterscheinung der

10

R . A. Frowein et al.

schweren, ausgedehnten Hirnprellungen sind: Bei einem 56jährigen Verletzten (J.A. 368/80) zeigte das CT z.B. eine Stunde nach dem Unfall einen schmalen Hämatomsaum über einer ausgedehnten Hirnprellung links frontal mit entsprechender Massenverschiebung. Trotz Operation kam es zum Exitus letalis nach zwei Tagen. Die meisten Hämatome wachsen langsamer. Subdural: ein 41jähriger Fahrradfahrer (R. M. 187/84) stürzte auf die Bordsteinkante: Fraktur rechts temporoparietal mit rascher Eintrübung bis Koma I. Das CT ergab 1,5 Stunden nach dem Unfall ein diffuses Ödem links. Die Kontrolle nach 4,5 Stunden zeigte links temporal einen Contrecoup mit flachem subduralem Hämatom. Operation. Erholung. Auch epidurale

Hämatome entwickeln sich meist erst in Stunden (Abb. 4):

a Abb. 4. CT-Befunde nach einem Schädel-Hirn-Trauma bei einem 9jährigen: 1 Std. nach dem Unfall Schwellung links frontal (a). 20 Std. danach deutliches Hämatom an derselben Stelle (b) mit Bewußtseinstrübung

Bei einem neunjährigen Patienten (H. Z. 148/81) zeigte das erste CT eine Stunde nach dem Unfall lediglich eine Schwellung links frontal. Nach 20 Stunden kam es zur Bewußtseinstrübung. Erst ein erneut veranlaßtes CT ließ dann das linksfrontale epidurale Hämatom erkennen. Operation, Erholung. Eine zu frühe Untersuchung während der ersten Stunde nach dem Trauma kann daher die Hämatomentwicklung verpassen.

Schädel-Hirn-Verletzungen

11

Hämatomwachstum Stammler hat bei 30 Patienten mit CT-Konrollen die Entwicklung der Hämatomgrößen berechnet (Abb. 5): Es ergibt sich eine durchschnittliche systematische Zunahme der Hämatomgröße von 1,25 bei 1,5 Stunden auf 1,9 cm bei 3 Stunden. Dies erklärt, warum in der ersten Stunde kein größeres epidurales Hämatom beobachtet wurde. Frühe epidurale und subdurale Hämatome

2£5 S2

getrübt o

= Epidural Subdural

0

=

•=

Koma I

t

•=

+

to

Std.

Koma II

Koma III

Koma IV

Median

,3Ü

,,•

18

,,•

Abb. 5. Frühe epi- und subdurale H ä m a t o m e und ihr Verlauf

Kontusionen Auch Hirnkontusionen und intrazerebrale Hämatome wachsen mit der Zeit, jedoch weniger systematisch: in den ersten Stunden kann man zwar kleine und mittlere Hirnprellungen finden, aber in 12/77 = 16% der Verlaufsuntersuchungen war das erste C T bis 3 Stunden noch normal. Nach 12 Stunden nahmen dann die Kontusionsherde weiter an Größe zu (Abb. 6). Diese Feststellungen über die Entwicklung von Hirnprellungen und Blutungen haben entscheidende Bedeutung für die Strategie der präklinischen Versorgung.

12

R. A. Frowein et al.

1 J ff ! tf 1 m 11 Î ^ 1 * I n ••B B

Frühe Kontusionsblutungen Im C T

o=

• =

r *

Durchmesser der Lttsion >5 cm 2^5 cm I ¿2 cm

1

T

1%

Median



1

2/2

1.4(1.2) 11/8(8)

1.4(1.4) 1.5(1.4) 20/19(18) 36/23(25)

2%

1.5(1) 6/4(6)

Std.

2(1.6) 18/9(11)

Abb. 6. Frühe Kontusionsblutungen und ihre Manifestation im CT

Zusammenfassung Die Erstuntersuchung muß vor allem über die Vitalfunktionen, den Koma-Grad und das Lebensalter orientieren (Tab. 2). Daraus ergibt sich der individuelle Gefährdungsgrad und die Transportmöglichkeit. Offene Hirnverletzungen werden nur steril verbunden. Bei Polytraumen haben Thorax- und/oder Abdomenverletzungen in der ersten Stunde Priorität. Operable frühe Hämatome sind vor allem ab der 2. Stunde zu erwarten. In der ersten Stunde haben daher die Vitalfunktionen Vorrang.

Tab. 2. Erste diagnostische und therapeutische Maßnahmen bei Schädel-Hirn-Verletzungen Schädel-Hirn-Verletzungen Koma, Alter Offene H.-V. Polytrauma Frühe Hämatome

Transport-Ziel steriler Verband Thorax! Abdomen! ab 2. Stunde!

Erkennung und Behandlung der vitalen Funktionsstörungen und die diagnostische Strategie bei Schädel-Hirn-Verletzungen A. Karimi-Nejad Die Erkennung und Behandlung der vitalen Funktionsstörungen stehen grundsätzlich an erster Stelle aller notärztlichen Maßnahmen. Die vermeidbare Gefahr in der akuten Phase einer Schädel-Hirn-Verletzung ist der senkundäre hypoxische Hirnschaden. Das Gehirn reagiert selbst auf einen zeitlich begrenzten Sauerstoffmangel empfindlich. Es kann dadurch irreversibel geschädigt werden, so daß auch optimale intensiv-therapeutische und chirurgische Maßnahmen im weiteren Verlauf erfolglos bleiben. Komplikationen einer Schädel-Hirn-Verletzung, insbesondere die behandelbaren intrakraniellen Blutungen, entwickeln sich — abgesehen von sehr seltenen Ausnahmen — in der Regel nach der ersten Stunde. Die raumfordernden Blutungen, die unmittelbar nach einem Trauma auftreten, werden — selbst nach raschem chirurgischem Eingriff - nicht überlebt, da sie Folge schwerster Hirnverletzung und somit nicht allein verlaufsbestimmend sind. Trotz der wesentlichen Fortschritte in der Diagnostik seit der Einführung der Computertomographie (CT) mit rechtzeitiger Diagnostik und Operation und verbesserter Intensivtherapie, ist die Letalität bei Schädel-Hirn-Verletzungen aller Altersgruppen mit und ohne intrakranielle Blutung noch immer mit 18 — 50% sehr hoch [2, 8]. Dies liegt zum Teil an der nicht immer optimalen verlaufsbestimmenden Erstversorgung in der präklinischen Phase. Die Akutversorgung und die diagnostische Strategie bei Schädel-Hirn-Verletzungen müssen deshalb zum Ziele haben: • die Gefahr einer bereits bestehenden oder sich anbahnenden vitalen Funktionsstörung mit sekundärer Hirnschädigung zu erkennen und durch entsprechende Maßnahmen zu beseitigen. • die Entwicklung einer intrakraniellen Blutung durch Kontrolle des primär aufgenommenen neurologischen Befundes nicht zu übersehen. Selbst die Entwicklung einer arteriellen epiduralen Blutung, bei der bekanntlich der Zeitfaktor lebensrettend sein kann, wird durch eine genaue neurologische Konrolle rechtzeitig vor Auftreten der bekannten lebensbedrohlichen Hirnstammfunktionsstörungen erkannt. Ein „überstürzter" Transport in Spezialkliniken oder eine sogenannte Notoperation mit Bohrloch im erstbehandelnden Krankenhaus ohne vorherige Diagnostik (CT) kann nur Folge der mangelnden neurologischen kontinuierlichen posttraumatischen Kontrolle sein und ist heute nicht mehr vertretbar.

14

A. Karimi-Nejad

Störung der vitalen Funktionen und ihre Behandlung Die Atemfunktion ist in der perakuten Phase einer Schädel-Hirn-Verletzung besonders störanfällig, weil jede Bewußtseinstrübung bis zur Bewußtlosigkeit zu einer Verlegung der Atemwege primär im Larynxbereich und somit zu einer peripheren Atemstörung führt [6, 7, 11]. Gesichtsschädelverletzungen, Aspirationen von Mageninhalt, Blutungen im Nasen-Rachen-Raum und zusätzliche Thoraxverletzungen verstärken diese peripheren Störungen. Leider wird immer noch allgemein bei einer akuten Hirnschädigung unterschiedlicher Genese unbegründet eine „zentrale Atemstörung" angenommen. Diese Annahme ist bei einer reversiblen Hirnschädigung in der Regel unzutreffend. Bei tiefergreifenden peripheren Störungen, insbesondere bei Atemwegsverlegung, können aber die latenten und reversiblen Störungen der zentralen Regelmechanismen ohne Vorboten bis zum Atemstillstand verstärkt werden. Ihre Ursache ist jedoch primär eine periphere Störung. Die rasch folgenden „zentralen Atemstörungen" nach einer peripheren Störung sind wahrscheinlich durch die besondere Empfindlichkeit des Atemzentrums gegenüber eines Sauerstoffmangels [16] bedingt.

Zentrale Atemstörungen Als Zeichen der Störungen der zentralen Regelmechanismen sind meist zuvor Änderungen der Atemform, wie unregelmäßig bis ataktische Atmung, periodische bzw. Cheyne-Stokes-Atmung, Seufzeratmung, abnorm regelmäßig frequente, maschinelle Atmung und Schnappatmung erkennbar [1]. Die umfangreichen Untersuchungen und die klinischen Erfahrungen haben jedoch gezeigt, daß abgesehen von maschinell regelmäßiger Atmung und Schnappatmung alle anderen Änderungen der Atemform prognostisch indifferent sind. Sie verschwinden in der Regel nach Freilegung der Atemwege. Hingegen ist die maschinelle Atmung Zeichen einer schweren allgemeinen Hirnschädigung. Hierbei sind in der Regel die modullierenden Einflüsse der peripheren und höheren zentralen Regelmechanismen ausgefallen [7]. Die peripheren und zentralen Störungen beeinflussen sich im weiteren Verlauf gegenseitig [6, 10], Primär zentrale Atemstörung nach einer akuten Hirnschädigung Nur bei extremer, akut aufgetretener intrakranieller Drucksteigerung kann eine Verlangsamung der Atemfrequenz bis zum Atemstillstand auftreten. Eine experimentell erzeugte, rasche, kontinuierliche intrakranielle Drucksteigerung führt allerdings erst bei sehr hohen Werten zu einer Verlangsamung der Atemfrequenz [4]. Die durch akute intrakranielle Drucksteigerung aufgetretene zentrale Atemstörung bis zum Atemstillstand kann somit in der Regel nur bei einer irreversiblen

Vitale Funktionsstörungen

15

Hirnschädigung zustande kommen. Für die Akutversorgung in der präklinischen Phase ist jedoch viel wichtiger, daß eine periphere Atemstörung zu einer deutlichen Erhöhung des intrakraniellen Druckes führt (s. S. 18). Nur bei seltenen und im weiteren Verlauf sich entwickelnden Blutungen im Bereiche der hinteren Schädelgrube (Abb. 1) können in der akuten Phase verlaufsbestimmende zentrale Atemstörungen auftreten. Als Zeichen dieser zentralen Störungen sind meist zuvor Änderungen der oben genannten Atemformen in Verbindung mit einer zunehmenden Atemdepression erkennbar.

A b b . 1. Blutung im Bereiche der hinteren Schädelgrube bei einer 35jährigen Patientin mit primärer A t e m f o r m v e r ä n d e r u n g und Atemdepression 3,5 Stunden nach einem Unfall

Kreislaufstörungen Am Unfallort und im unbehandelten Zustand liegt häufig eine Kreislaufzentralisation vor. Sie kann vorübergehend lebensrettend sein, ist aber nicht stabil und deshalb behandlungspflichtig. Der sogenannte Cushing-Reflex in Form von Blutdruckanstieg und Bradykardie als Zeichen intrakranieller Drucksteigerung mit Minderdurchblutung und/oder axialer Verschiebung des Hirnstammes, kann bei intakten hämodynamischen Kreislaufverhältnissen, insbesondere im fortgeschrittenen Stadium hoher intrakranieller Drucksteigerung, beobachtet werden. Er ist aber viel seltener als allgemein angenommen wird. Im akuten Stadium einer Hirnschädigung stehen vielmehr hämodynamische Störungen im Vordergrund. Im hypovolämischen Schock werden häufig Pulsfrequenzsteigerung und nicht selten primär Blutdruckabfall beobachtet. Ohne auf die pathophysiologischen Einzelheiten hier näher eingehen zu können, ist für die Praxis vor O r t von

16

A. Karimi-Nejad

besonderer Bedeutung, daß man nach einer akuten Hirnfunktionsstörung — trauma- oder nicht traumabedingt - zwei Formen der vitalen Funktionsstörungen unterscheiden kann. Diese Formen werden als hypertonisches und hypotonisches Syndrom bezeichnet (s. [7], dort auch weitere Literatur).

Das sogenannte hypertonische Syndrom Das sogenannte hypertonische Syndrom nach einer Schädel-Hirn-Verletzung ist gekennzeichnet durch eine Steigerung der Motorik bis zur Unruhe, des Muskeltonus bis zu spontanen und/oder reizbezogenen Streck- und Beugesynergismen, eine Blutdruckerhöhung, Steigerung der Atemfrequenz sowie eine Erhöhung der Körpertemperatur. Hierbei ist nach Gewährleistung freier Atemwege und Kreislaufstabilisierung die medikamentöse Sedierung bis zur Narkose angezeigt. Diese Patienten zeigen in der Regel auch einen sehr hohen intrakraniellen Druck, deshalb ist beim Transport eine Kopf-Oberkörper-Hochlagerung zu empfehlen. Die Abb. 2 zeigt die Meßwerte bei einem 37jährigen Patienten mit einem Schädel-HirnTrauma. Man erkennt das typische hypertonische Syndrom und Normalisierung der vegetativen Funktionen nach Sedierung. RR P/min 200

200

180

180

160

160

140

140

120

120

100

100

80

80

60

60

40

40

W., K. 37J. d

A/min T

Medikamentöse Sedierung • J k T j ^ L

80 42

>

70 41 60 40

A—• : Temperatur : RR

50 39 40 38 T. 30 37 -P/ min 20 36 min

0,5 1

2

3

4

5

10 35 0

34

6 Std.

Abb. 2. Das hypertone Syndrom bei einem 37jährigen Verletzten mit gedecktem Schädel-HirnTrauma; beachte die Normalisierung der Werte der vegetativen Funktionen unter medikamentöser Sedierung.

Das sogenannte hypotonische Syndrom Beim sogenannten hypotonischen Syndrom ist hingegen die Motorik vermindert bis aufgehoben, der Muskeltonus vermindert bis schlaff. Es besteht eine Hypotonie mit niedrigen Blutdruckwerten, eine Atemdepression, und die Körpertemperatur ist deutlich erniedrigt. Hierbei handelt es sich in der Regel um schwere

Vitale Funktionsstörungen

17

Hirnschädigungen. Dieses Syndrom trifft man insbesondere bei älteren Verletzten. Als Therapie ist die sofortige Intubation mit Frühbeatmung zu empfehlen. Im Gegensatz zu dem hypertonen Syndrom darf bei diesen Patienten keine weitere medikamentöse Sedierung erfolgen. Die Stabilisierung des Blutdrucks durch Kreislaufbehandlung ist vordergründig. Um den nötigen zerebralen Perfusionsdruck nicht zu gefährden, ist hier wegen des niedrigen Blutdruckes eine Kopf-Oberkörper-Hochlagerung beim Transport nicht angezeigt, hingegen muß eine Flachlagerung erfolgen. Wieweit eine Beinhochlagerung zu einer Besserung der Hirndurchblutung führt, ist umstritten [15].

Tonusstörungen Schwere Hirnschädigungen, insbesondere traumabedingte, führen zu einer pathologischen motorischen Aktivität der Skelettmuskulatur im Sinne einer Steigerung oder Minderung des Muskeltonus (s.o.). Diese motorischen Erscheinungen sind durch eine Störung der übergeordneten Steuermechanismen bedingt, die normalerweise die untergeordneten tonusregulierenden Mechanismen im Stammhirn und Rückenmark beeinflussen. Bei Funktionsstörungen des Hirnstammes mit einseitigem oder totalem Fortfall der kortiko-spinalen hemmenden Impulse ändert sich das Muster der normalen Beugeabwehrreaktionen. Hierbei werden Abwehrreaktionen in Form von Beuge- und/oder Strecksynergismen (einseitig kontralateral zur lokalisierten Hirnstammschädigung oder beidseitig) beobachtet. Beugesynergismen sind als Zeichen einer mehr rostral lokalisierten (Dekortikation) und die Strecksynergismen mehr als eine distal lokalisierte Hirnstammfunktionsstörung zu werten [13]. Beim ausgeprägten Bild der Dezerebration ist eine Streckhaltung des Rumpfes, der oberen und unteren Extremitäten erkennbar. Die Arme werden nach innen rotiert und gestreckt: Die Hüft- und Kniegelenke sind extendiert, die Fußspitzen plantar gestreckt. Die Erfahrungen der klinischen Intensivmedizin haben gezeigt, daß die Beuge- und Strecksynergismen zwar als ein prognostisch ungünstiges Zeichen zu bewerten sind. Sie können jedoch auch bei Erwachsenen nur Ausdruck einer reversiblen Hirnstammfunktionsstörung sein und durchaus mit geringem neurologischem Defizit überlebt werden. Für die Frühprognose sind jedoch Ausmaß (einseitig, beidseitig), Dauer und Kombination mit Pupillenfunktionsstörungen von entscheidender Bedeutung.

Akute intrakranielle Drucksteigerung und ihre Behandlung Die intrakranielle Drucksteigerung in der akuten Phase nach einer Hirnschädigung, insbesondere einer Hirnverletzung, ist durch eine Hirn-Überdurchblutung, venöse Abflußbehinderung und somit eine Volumenvermehrung („Hirnschwel-

18 CT» C r> QJ TD ro

l/l CT C J3

75

21

31 — 49: Gruppe III 50-

: Gruppe IV

Abb. 1. Gruppierung von Traumatisierten in einen computergerechten Verletzungsschlüssel (MHH)

Kortison und ähnliche Medikamente vermindern die Schockfolgeerkrankungen nicht. Z u m Beispiel kann die Injektion von großen Dosen Kortison sogar eher nachteilige Folgen für polytraumatisierte Patienten haben.

88

J. A. Sturm

Therapie Da keine kausale Therapie zur Vermeidung der Schockfolgeerkrankungen bekannt ist, bleiben nur 3 therapeutische Pfeiler: 1. Die Störung der Zirkulation infolge der Hypovolämie und einer Blutumverteilung muß durch einen Volumenersatz und eine Volumentherapie behoben werden. 2. Zerstörtes Gewebe (Debris), das in die Blutbahn eingeschwemmt wird, muß durch eine chirurgische Therapie entfernt werden. Die Stabilisierung von Frakturen führt zu einem geringeren Gewebetrauma und damit ebenfalls zur Reduzierung schädigender Faktoren. 3. Die Optimierung der Oxygenierung des Blutes mit einer mechanischen Beatmung, die in der Frühphase vor allem auch eine Aufhebung der Atelektasen zur Folge hat, ist ein mittlerweile selbstverständlicher dritter Pfeiler unserer Therapie.

1. Volumentherapie Wann soll mit dieser Therapie begonnen werden? Es wird allgemein akzeptiert, daß eine solche Volumentherapie sofort am Unfallort beginnen soll. Zwar gibt es neuere Arbeiten von F. R. Lewis (Lewis, Journal of Trauma 1986, Vol. 26, No. 9, 804 — 811), der an einem Computermodell zeigte, daß in den USA häufiger günstigere Bedingungen erzielt werden, wenn kein venöser Zugang an der Unfallstelle gelegt wird. Diese Zeit soll genutzt werden, um den Patienten bereits zu transportieren. Dies entspricht dem sog. Prinzip „Load and go". Seine Kalkulation geht jedoch von Voraussetzungen aus, die zumindest in Deutschland nicht zutreffen, er hat für das Anlegen und Starten einer Infusion 15 Minuten angesetzt, diese Zeit wird bei uns selbstverständlich deutlich unterschritten. Wenn es jedoch tätsächlich Schwierigkeiten bereiten sollte, eine intravenöse Infusion zu starten, dann kann es sinnvoller sein, den Patienten zu transportieren, bevor man viel Zeit mit Punktionsversuchen verliert. Es sei darauf hingewiesen, daß in solch seltenen Fällen auch eine simple Venae sectio weiterhelfen kann. Welche Mittel sollen zur Volumentherapie verwendet werden? Prinzipiell unterscheiden wir zwischen kristalloiden und kolloidalen Lösungen. Beide Substanzgruppen haben sich nach unseren Erfahrungen auch im präklinischen Einsatz bewährt. Entsprechende prospektive Untersuchungen unserer Klinik zeigen nach der Anwendung beider gleich veränderte Parameter bei Eintreffen in der Notaufnahme. Es muß dabei jedoch beachtet werden, daß bei der Verabreichung kristalloider Lösungen etwa das dreifache der Menge kolloidaler Lösungen zu verabreichen ist. Auf der anderen Seite besteht bei kristalloiden Lösungen weniger die Gefahr einer „Überinfusion", da eine überschießend infundierte Flüssigkeitsmenge durch die Niere rasch wieder ausgeschieden werden kann. Zugeführte kolloidale Lösungen, vor allem mit volumenexpansivem Effekt, können durch

Polytrauma

89

die Niere nicht so rasch eliminiert werden. Kristalloide Lösungen besitzen außerdem keine negativen Auswirkungen auf die Blutgerinnung und die Nierenfunktion, wie sie manchen kolloidalen Lösungen eigen sind. Daher gibt es für kolloidale Lösungen Dosisbegrenzungen. Allerdings muß festgehalten werden, daß unter ungünstigen technischen Umständen am Notfallort die Zufuhr von geringen kolloidalen Mengen günstiger ist als die Verabreichung von geringen Mengen kristalloidaler Lösungen. Wenn also aus technischen Gründen nur eine kleinere Menge Flüssigkeit zugeführt werden kann, sollte eine kolloidale Lösung präklinisch bevorzugt werden. Die präklinische Volumentherapie sollte immer als Druckinfusion mit Plastikbeuteln oder Plastikflaschen durchgeführt werden. Bei schwerverletzten Patienten ist es schon aus Zeitgründen nicht möglich, während des Transportes eine zu große Flüssigkeitsmenge bzw. Lösungsmenge zuzuführen. Die heute verfügbaren peripheren Kanülen zeigen nach unseren Messungen unter Druckinfusion einen Durchfluß von etwa 300 ml einer Lösung innerhalb von 1 Minute. Diese Infusionsmengen sollten zur präklinischen Volumentherapie ausreichen. Wie ist nun in der Klinik die Steuerung der Volumentberapie vorzunehmen? Die Beurteilung des traumatisch-hämorrhagischen Schocks und damit die notwendige Infusionstherapie unmittelbar nach dem Trauma ist außerordentlich schwierig. Umfangreiche hämodynamische Untersuchungen sehr früh nach der Klinikaufnahme haben gezeigt, daß die einsetzende Kompensation der Volumenverluste, Herzfrequenz, Blutdruck und andere klinische Parameter über einen gewissen Zeitraum nach dem Trauma stabil sein läßt. So war bei einer prospektiven Untersuchung von 81 Schwerstverletzten an unserer Klinik der Schockindex (Herzfrequenz/systolischer Blutdruck) im Mittelwert niemals in gefährdetem Bereich. Dennoch waren diese Patienten auch bei Klinikaufnahme im schweren Schock. Der Schockindex kann unter den heutigen Bedingungen der sehr schnellen Erstversorgung nur sehr bedingt zur Beurteilung der Schockschwere herangezogen werden. Sollte der Schockindex bei Aufnahme in die Klinik jedoch bereits kritisch sein, so kann davon ausgegangen werden, daß ein besonders großer Blutverlust besteht. Es sei nochmals darauf hingewiesen, daß ein Schockindex unter 1 (relativer Normalbereich) auf keinen Fall bedeutet, daß kein traumatisch-hämorrhagischer Schock vorliegt. Die Therapie muß suffizient begonnen werden, bevor der Schockindex unter abwartender Haltung ansteigt. Unsere Messungen, die auch biochemische Parameter einschließen, haben ergeben, daß die beste Größe zur Beurteilung der Schockschwere die Azidose bzw. der Base excess ist. Neben dieser metabolischen Größe, die als einzige früh den Schock beurteilen läßt, gilt nach wie vor der Satz, daß ein schwerer Schock vor allem am Aussehen des Patienten zu beurteilen ist. Die klinische Beurteilung der Kapillarperfusion wird durch die Beurteilung der Hauttemperatur ergänzt. Einen weiteren Anhaltspunkt bietet der Unfallmechanismus und die rasche klinische

90

J. A. Sturm

Untersuchung der Schwerverletzten. Es muß immer davon ausgegangen werden, daß die Situation des Patienten sich solange verschlechtert, bis das Gegenteil bewiesen ist. An wichtigster Stelle zur Steuerung der Volumentherapie steht nach unserer Erfahrung die Leistung der Niere. Wenn die Urinausscheidung mindestens 30 ml pro 30 Min. beträgt, ist die Volumensituation sozusagen in einem „grünen Bereich". Das frühe Einbringen eines Urinkatheters ist somit eine wichtige diagnostische und therapeutische Maßnahme. In 98% aller Fälle kann die Volumentherapie anhand dieser Größe gesteuert werden. Dies gilt insbesonders bei der Anwendung von Elektrolytlösungen, die rasch zu einer günstigen Nierenfunktion beitragen.

2. Beatmung Der zweite Pfeiler der Therapie schwerer Schockzustände ist die Optimierung der Oxygenierung. Es ist bekannt, daß die frühe und sofortige Beatmung von Schwerstverletzten zur Behandlung von Atelektasen beiträgt. Die Beatmung soll und kann an der Unfallstelle begonnen werden, wenn der Patient bewußtlos ist. Die Intubation dient dabei zusätzlich dem Aspirationsschutz. Eine Beatmung an der Unfallstelle soll auch eingeleitet werden, wenn sich die präklinische Behandlung durch eine komplizierte Bergung des Patienten verzögert. Aus einer klinischen Untersuchung wissen wir, daß die verzögerte Beatmung zu einer höheren Sterblichkeit beiträgt. Generell gilt für die Frühversorgung Schwerverletzter die Forderung, daß strenge Regeln zum therapeutischen Vorgehen aufzustellen sind. Der diagnostische und therapeutische Ablauf muß geplant und vorbereitet sein. Ein vorbereitetes Team muß einen vorbereiteten Ablauf kennen und auf vorbereitetes Gerät zurückgreifen. Es ist daher notwendig, daß das Personal bereits vor Eintreffen eines polytraumatisierten Patienten die entsprechenden Aufgabenbereiche kennt. Dadurch können doppelte Anordnungen oder auch das versehentliche Unterlassen einzelner Maßnahmen vermieden werden. So soll auch zur Volumentherapie ein klarer Plan existieren, der sich an den jeweiligen örtlichen Verhältnissen orientieren muß. Die Volumentherapie, gleichgültig ob sie mit kristalloiden oder kolloidalen Lösungen durchgeführt wird, soll in einem Fließschema, das sich an jeweils einfachen Kriterien orientiert, festgehalten sein (Abb. 2). Solche Regeln sind auch für die Verabreichung von Bluttransfusionen aufzustellen. So soll z.B. die Verabreichung von „Universalblut" (Blutgruppe 0, Rhesus negativ) nur für den absoluten Notfall reserviert sein. Immer muß vor der Gabe solchen Blutes Blut zur Blutgruppenbestimmung entnommen werden. In der Regel sollten die organisatorischen Voraussetzungen so beschaffen sein, daß nach Bestimmung der Blutgruppe, die sehr rasch möglich ist, blutgruppengleiches Blut in 20 — 30 Minuten zur Verfügung steht. In einem solchen Fall kann eine Gegenkreuzung des

Polytrauma 3000 ml Ringer Lakt./15 Minuten 150 ml Na-Bikarbonat

, Blutung ? Kreislauf instabil

Kreislauf?

Urinproduktion

Kreislauf instabil Urinproduktion 0 (Schema 2)

RL: 15 ml/kg KG/h Blut: nach Hb ( < 11 g%;

Urinproduktion

Chir. Therapie!

0

Postrenale Ursache?

Urinproduktion?

Kreislauf stabil Urinproduktion +

91

Blut: Transfusion (ungekr.) RL: 2000 ml/10 min

RL: 15 ml/kg KG/h

Therapie

Urinproduktion? (Schema 3)

Z V D hoch

0

Hypovolämie? Kardiale Urs.?

mechanische Ursache? (Thoraxtrauma o. ä.)

Zentral Venöser Druck

Z V D niedrig

Z V D hoch (Schema 4)

Chir. Therapie

Volumengabe

Volumengabe stop!

Medikamentöse Zusatztherapie

Hypovolämie!

Blut: Drucktransfusion RL: 2000 ml/10 min Abb. 2. Fließdiagramm: Volumenersatz bei Schwerverletzten (Medizinische Hochschule Hannover)

Blutes mit Patientenblut nicht durch die Blutbank vorgenommen werden. Der transfundierende Arzt muß eine solche Kreuzung vor Ort nachholen und auch das Risiko tragen. Soll das Blut durch die Blutbank gekreuzt werden, muß ein Zeitbedarf von 40 — 5 0 Minuten einkalkuliert werden. Immer sollten bei schwerverletzten Patienten bereits zu Beginn 5 — 10 Blutkonserven angefordert werden. Unter die Forderung, daß ein vorbereiteter Ablauf eingehalten werden muß, fällt auch die Anordnung, daß ein steriler Verband einer offenen Fraktur bis zum

92

J. A. Sturm

Erreichen des Operationssaales belassen werden muß. Ein Wechsel des Verbandes im Reanimationsraum zur Beurteilung der Verletzung und ein erneuter Verband erhöht die Infektionsrate von offenen Frakturen drastisch. Die Informationen des erstbehandelnden Arztes müssen daher präzise festgehalten werden. Sehr gut bewährt hat sich auch die Bereitstellung von vorbereitetem Material z. B. in sog. „Material-Sets". So kann z. B. für das Einbringen einer Thoraxdrainage das gesamte notwendige Material vom Handschuh bis zum sterilen Tuch, vom Nadelhalter bis zum Nahtmaterial einzeln verpackt zusammengestellt werden. Das Anreichen eines kompletten Sets macht das mühsame Suchen der nötigen Materialien unter Zeitdruck überflüssig. Volumenlösung sollte in einem Wärmeschrank zur sofortigen Infusion aufbewahrt werden. Maßnahmen zur Aufwärmung von Blut bei Massentransfusionen müssen organisierbar sein. Diese Regeln des „dreifachen 'Vorbereitetseins"' sind vor allem in der Frühphase der Versorgung von polytraumatisierten Patienten von Bedeutung. Wir wissen aus experimentellen und klinischexperimentellen Untersuchungen, daß gerade die Frühphase für das Überleben des Patienten entscheidend ist.

3. Chirurgische Versorgung Ein Fehler im therapeutischen Verfahren oder auch im chirurgischen Vorgehen kann nicht wieder aufgeholt werden. Aus diesem Grund ist es von sehr großer Bedeutung, ein klares Konzept für die chirurgische Versorgung zu besitzen. Bewährt hat sich die Einteilung der chirurgischen Versorgung der Schwerverletzten in Phasen. Wir unterscheiden die Akutphase der Patienten, in der die Wiederherstellung der vitalen Funktionen im Vordergrund steht. Dabei sollen Notfalldiagnostik und -Operationen vorgenommen werden. In diese Phase fällt vor allem auch die Erhebung des neurologischen Status, das Röntgen des Thorax. Operativ werden nur schwere, bedrohliche Zustände die Massenblutungen nach innen und außen angegangen. Nach Stabilisierung der Vitalparameter mündet die Akutphase in die sogenannte Primärphase ein. Diese kann bereits nach Minuten oder auch erst nach Stunden nach dem Trauma einsetzen. In diese Phase fällt die aufwendigere Diagnostik unter Fortführung der Volumen- und Beatmungstherapie. Operativ haben in dieser Phase Maßnahmen wie die Faszienspaltung bei Kompartment-Syndrom, die Versorgung von Beckenfrakturen mit schweren Blutungen oder von Oberschenkelfrakturen ihren Platz. Diese Primärphase kann durch eine Stabilisierungszeit auf der Intensivstation unterbrochen sein. Dieser Zeitraum kann sich auf 24 — 48 Stunden erstrecken.

Polytrauma

93

Zusammenfassung Resümierend muß festgehalten werden, daß für die Versorgung von schwerverletzten Patienten bei einem hohen Ausbildungsstand eine klare diagnostische und therapeutische Vorgehensweise bekannt sein muß. Diagnostik und Therapie dürfen in keinem Fall der Entwicklung von Komplikationen hinterherhinken, die Therapie muß mit einem maximalen Einsatz beginnen, um bei Besserung des Patienten reduziert werden zu können.

Hypovolämisch-traumatischer Schock H.-P. Schuster

Definition In der Systematik des Schocks gehen zwei Nomenklaturprinzipien nebeneinander her (Tab. 1): die ätiologisch definierte Gliederung und die pathogenetisch definierte Gliederung des Schocks. Die ätiologisch orientierte Schocknomenklatur bezeichnet die Schockformen nach ihren Hauptursachen, die pathogenetische nach dem initialen schockauslösenden hämodynamischen Defekt. Obwohl beide Gliederungsprinzipien nicht deckungsgleich sind, gibt es doch vielerlei schwerpunktmäßige Entsprechungen. Die Unterschiede werden um so wichtiger, je mehr wir uns in die Phase einer subtilen Intensivüberwachung und Intensivtherapie begeben. Notfallmedizinisch sind dagegen im Rahmen der Sofortmaßnahmen Vereinfachungen nicht nur erlaubt, sondern erforderlich, um mit den verfügbaren Mitteln eine rasche und wirkungsvolle Erststabilisierung der vitalen Funktionskette Zirkulation-Respiration zu erreichen. Tab. 1. Schocknomenklatur Ätiologisch definierte Schockformen

Pathogenetisch definierte Schockformen

Traumatischer Schock Hämorrhagischer Schock Verbrennungsschock Intoxikationsschock Anaphylaktischer Schock Neurogener Schock Hypovolämischer Schock Kardiogener Schock — Myokardiale Form (Pumpversagen, elektrisches Versagen) — Obstruktive Form (Lungenarterienembolie, Ventrikeltamponade) Septischer Schock

Betrachtet man die Ursachen eines hämorrhagischen Schocks (Tab. 2), so stellt sich heraus, daß dieser ganz überwiegend durch traumatische Blutverluste ausgelöst wird. Notfallmedizinisch ist somit der traumatische Schock vorrangig als hämorrhagischer Schock aufzufassen. Die hämodynamisch bedingte Vitalbedrohung des hämorrhagischen Schocks resultiert vorrangig aus der Hypovolämie. Im Rahmen der Notfallmedizin ist daher der traumatische Schock als hypovolämischer Schock durch Blutverluste zu betrachten und zu behandeln (Abb. 1).

96

H.-P. Schuster

Tab. 2. Ursachen des hämorrhagischen Schocks bei 629 konsekutiven Patienten mit schwerem hämorrhagischen Schock (systolischer Blutdruck < 60 m m Hg). N a c h Barriot et al. [1] 595 34

(95%) (5%)

Traumatische Blutungen Nichttraumatische Blutungen Extrauteringravidität

5

Rupturiertes Aortenaneurysma

7

(1%)

18

(3%)

4

(1%)

Gastrointestinale Blutung Andere

(1%)

hypovolämischer Schock

traumatischer Schock

gleiche Sofortmaßnahmen

Differentialdiagnose Notaufnahmestation

Abb. 1. Therapeutische Prinzipien bei hypovolämischem und traumatischem Schock

Pathophysiologie Initialer hämodynamischer Defekt des hypovolämischen Schocks ist das Defizit an zirkulierendem Blutvolumen. Unmittelbare Folge ist ein Abfall der kardialen Füllungsdrucke mit Rückgang des Schlagvolumens. Als Kompensationsmechanismen treten Herzfrequenzsteigerung und periphere Vasokonstruktion auf. Sind diese überfordert, so beginnt mit einem Abfall des arteriellen Blutdruckes der fatale Circulus vitiosus des progressiven hypovolämischen Schocks, der von einem bestimmten fortgeschrittenen Stadium an therapeutisch nicht mehr zu beheben ist. Aus diesem pathophysiologischen Ablauf erklären sich die hämodynamischen Befundmuster des schweren hämorrhagisch-traumatischen Schocks, wie sie beispielsweise von Burri et al. [4] am Menschen gemessen wurden (Abb. 2): erniedrigter systolischer Blutdruck bei gesteigerter Herzfrequenz, herabgesetzter kardialer Füllungsdruck, vermindertes Herzzeitvolumen und gesteigerter peripherer Widerstand.

Hypovolämisch-traumatischer Schock Syst. BD

m m Hg

HF

min"

140-

140-

120-

120-

100-

100-1

80-

80-

60-

60-

40-

40-

20-

20N

N

97

ZVD

I

cm + 4+ 3+ 2+ 1 -

0- 1 -

- 2 -

N

Abb. 2. Hämodynamik bei schwerem Volumenmangelschock nach Burri et al. [4] (N = Normalpersonen, S = Schockpatienten)

Diagnose Die Diagnose des manifesten hypovolämisch-traumatischen Schocks ist einfach. Sie beruht auf den allgemeinen Schockzeichen verbunden mit leeren, kollabierten Halsvenen und Hinweisen auf traumatische Blutverluste (Tab. 3). Tab. 3. Symptomatik des hypovolämisch-traumatischen Schocks Allgemeine Schockzeichen

Leere, kollabierte Hautvenen Hinweis auf traumatischen Blutverlust Sonderformen

Tachykardie kühle, blasse, feuchte Haut Unruhe, Durst gesteigerte Atmung Blutdruckabfall

Elektromechanische Dissoziation Paradoxe Bradykardie

Auf zwei Sonderformen des hämorrhagischen Schocks ist besonders hinzuweisen: die elektromechanische Dissoziation als Extremform eines massiven Blutverlustes (Exsanguinatio) und die sogenannte paradoxe Bradykardie bei besonders abrupten Blutungen. Bei der elektromechanischen Entkopplung persistiert ein mehr oder weniger normaler Elektrokardiographischer Rhythmus ohne erkennbare mechanische Aktivität. Diese auch als totales Pumpversagen bezeichnete Situation resultiert aus extremer Ausblutung mit minimalen, absolut unzureichenden kardialen Füllungs-

98

H.-P. Schuster

drucken. Diese Extremform des Volumenmangelschocks ist einem akuten Kreislaufstillstand gleichzusetzen. Die Prognose ist ausgesprochen ungünstig. Die paradoxe Bradykardie bei hämorrhagischem Schock wurde besonders von Barriot et al. [1, 2] untersucht. Die Autoren bezeichnen als paradoxe Bradykardie eine Herzfrequenz unter 60/min, die nicht durch Hirndruck, Rückenmarksverletzung oder präfinales elektrisches Herzversagen bedingt ist. Unter 273 Patienten mit schwerem hämorrhagischen Schock (systolischer arterieller Blutdruck unter 70 mm Hg) ohne Bewußtseinsverlust (Glasgow Coma Scale ^ 12), ohne Schädelhirn- oder Rückenmarkstrauma und ohne vorangegangene Gabe bradykardisierender Medikamente fanden sie eine solche paradoxe Bradykardie in 20 Fällen (7%). Eine Charakterisierung dieser Patienten ist in Tabelle 4 wiedergegeben. Als Ursache erkannten sie einen rapiden Verlust großer Blutvolumina. Wichtig ist die Beobachtung, daß Atropin bei diesen Patienten ventrikuläre Ektopien und Kammertachykardien auslösen konnte und daher zur Behandlung der Bradykardie nicht angezeigt ist. Tab. 4. Paradoxe Bradykardie bei hämorrhagischem Schock. Nach Barriot et al. [1] 20 Patienten mit paradoxer Bradykardie Herzfrequenz 55 +

1 pro min

Blutdruck in 9 Fällen als Manschettendruck nicht meßbar Volumensubstitution (3,5 + 0,1 1) „normalisiert" die Herzfrequenz (142 + 5 pro min) Antischockhose bringt rasche Besserung Atropin verursacht VES und VF und ist kontraindiziert

Sofortmaßnahmen Die Dringlichkeit der Behandlung ergibt sich aus der Beobachtung, daß die Behandlungserfolge nicht nur vom initialen Schweregrad des Volumenmangels, sondern auch von der zeitlichen Latenz bis zu Beginn der Behandlung abhängen. So können auch initial leichtere Schockformen letal enden, wenn sie nicht rechtzeitig therapiert werden. Andererseits kann die Letalität auch initial schwerer Schockformen durch eine frühzeitige Therapie deutlich gesenkt werden. Insofern spielen die dargestellten Symptome des manifesten hämorrhagisch-traumatischen Schocks eine entscheidende Rolle nur beim Massenanfall von Verletzten, bei denen aus logistisch-organisatorischen Gründen zwischen unterschiedlichen Behandlungsdringlichkeiten unterschieden werden muß [5]. Ein sofortiger Behandlungszwang ist gegeben bei Bewußtseinstrübung und Unruhe, Tachykardie über 130/min, kleinem Radialispuls, extrem verzögerter Nagelbettdurchblutung und zyanotisch marmorierter Haut als klinischen Symptomen. Im Individualfall ist bei jedem Patienten mit größeren Verletzungen von einer Hypovolämie auszu-

Hypovolämisch-traumatischer Schock

99

gehen und die AntiSchockbehandlung sofort einzuleiten, unabhängig von der aktuellen Symptomatik. Die Sofortmaßnahmen zur Behandlung des hypovolämisch-traumatischen Schocks sind in Tabelle 5 zusammengefaßt. Der Nutzen einer Schocklagerung darf nicht überschätzt werden. Untersuchungen von Bivins et al. [3] über die Verschiebung des zirkulären Blutvolumens, gemessen mittels Radioisotopen haben ergeben, daß die Einnahme einer Trendelenburg-Position das Blutvolumen im oberen Körperkompartiment (kranial des Zwerchfells) nur um etwa 1,8% zunehmen läßt. Bei einem Gesamtblutvolumen von etwa 5400 ml wurden also durch die Lagerung nur etwa 100 ml aus dem kaudalen Kompartiment in die zentrale Zirkulation umverteilt (Tab. 6). Tab. 5. Schockbehandlung -

Sofortmaßnahmen

Lagerung Volumenersatz Schmerzbehandlung Beherrschung von Blutungen Intubation und Beatmung Katecholamine Antischockhosen

Tab. 6. Verteilung des Blutes in der Trendelenburg-Position. Nach Bivins et al. [3] Horizontale Position 46% -

kraniales Kompartiment

35,4% -

abdominales Kompartiment

18,6% — kaudales Kompartiment Trendelenburg-Position + 1,8% -

kraniales Kompartiment ( - 1 , 3 % bis 4 , 7 % )

+ 1,7% -

abdominales Kompartiment ( - 2 , 9 % bis 6,7%)

- 3,2% -

kaudales Kompartiment ( - 7 , 3 % bis 0,2%)

Gesamtblutvolumen = 5/462 ml (4721 ml bis 6320 ml)

Entscheidend ist die Volumensubstitution mit kolloidalen und kristallinen Volumenersatzmitteln. Hierzu müssen in schweren Fällen mehrere, möglichst großlumige periphere Venenzugänge geschaffen werden, um rasch große Volumina zu infundieren. Bei größeren Blutverlusten hat sich die zumindest teilweise Substitution mit kolloidalen Lösungen als einfachste und wirkungsvollste Maßnahme erwiesen. Die Schmerzbekämpfung ist essentieller Bestandteil der Schockerstbehandlung. Starke Schmerzen triggern eine übersteigerte sympathoadrenerge Reaktion, die sich negativ auf den Schockverlauf auswirken kann.

100

H.-P. Schuster

Intubation und Beatmung sind bei Polytrauma mit hämorrhagisch-traumatischem Schock stets indiziert. 1Catecholamine sind erst dann zu erwägen, wenn eine adäquate Volumensubstitution den Blutdruck nicht auf ein gewünschtes Mindestmaß anheben kann. Die Anwendung von Katecholaminen vor ausreichender Volumensubstitution ist fehlerhaft. Die Erfahrungen mit Antischockhosen sind in unseren Bereichen auf wenige Rettungszentren begrenzt. Generelle Empfehlungen können daher nicht gegeben werden.

Literatur [1] Barriot, P., B. Riou: Hemorrhagic shock with paradoxical bradycardia. Intensive Care Med 13 (1987) 2 0 3 - 2 0 7 [2] Barriot, P., B. Riou, J . J . Buffat: Pre-hospital management of severe haemorrhagic shock. In: Update in Intensive care and Emergency Medicine. (Ed.: J . L. Vincent), p. 377. Springer 1987 [3] Bivins, H. G., R . Knopp, P. A. L. dos Santos: Blood volume distribution in the trendelenburg position. Ann Emerg Med 14 (1985) 641 [4] Burri, C.: Arterieller Blutdruck, Puls, „Schockindex" und zentraler Venendruck bei 30 hypovolämischen Patienten. Langenbecks Arch Chir 320 (1968) 1 — 7 [5] Schuster, H. P.: Erkennung und Behandlung von Schockzuständen am Katastrophenort. In: Katastrophenmedizin (Hrsg.: E. Ungeheuer), S. 55. Deutscher Ärzteverlag, Köln 1986

II

Nichttraumatische Notfälle

Kardiologische Notfallsituationen K. D. Grosser Akute, bedrohliche Herzerkrankungen gehören zu den häufigsten Notfallsituationen im Rettungsdienst. Als Leitsymptome gelten der Thoraxschmerz und die Atemnot. In der Tabelle 1 ist zu erkennen, daß zwar am häufigsten der Thoraxschmerz durch kardiale Erkrankungen ausgelöst wird, daß jedoch auch eine große Zahl von anderen Krankheiten thorakale Beschwerden verursachen kann. Es ist deshalb erforderlich, alle wesentlichen Krankheitszustände in ihrer Entstehung zu kennen und zur Differenzierung die typischen Begleitsymptome zu beherrschen. Aus diesem Grund soll an die typischen Begleitsymptome der verschiedenen Erkrankungen erinnert werden, durch die in den meisten Fällen eine gute Differenzierung der Notfallsituation gelingt (Tab. 2). In diesem Zusammenhang soll hervorgehoben werden, daß die wichtigste Differenzierung zwischen Angina pectoris und Herzinfarkt sowie zwischen Herzinfarkt und Lungenembolie vorzunehmen ist. Bestimmte Begleitumstände, die in der Tabelle angeführt sind, vereinfachen diese Aufgabe. Besonders typische Symptome, außer dem Thoraxschmerz, sind in der Tabelle 3 angeführt, die die Erkennung des akuten Herzinfarktes wesentlich erleichtern. Eine Atemnot wird bei den kardialen Akuterkrankungen dann auftreten, wenn sich gleichzeitig eine linksventrikuläre Insuffizienz entwickelt. Im Gegensatz zur bronchopulmonalen Atemnot ist bei den kardialen Atemnotszuständen die AtemTab. 1. Prozentuale Einteilung des Thoraxschmerzes 1. Herz

rund 7 0 %

Angina pectoris Myokardinfarkt funktionelle Herzbeschwerden Perikarditis/Myokarditis

2. Lunge/Pleura

rund 20%

Lungenembolie Pleuritis Pneumothorax

3. Thoraxwand

rund 5 %

akute Bronchitis Knochenschmerz Muskulatur/Haut Nervensystem (HWS, BWS)

4. Mediastinum

rund 1%

Aneurysma dissecans ösophaguserkrankung Mediastinitis

5. Abdomen

rund 4 %

Pankreatitis Gastritis/Roemheld-Syndrom subphrenischer Abszeß

104

K. D. Grosser

Tab. 2. Differentialdiagnose des Thoraxschmerzes Erkrankung

Auslösung, Entstehung

stabile Angina pectoris

während Belastung anhaltender Schmerz, retrosternal und aus(oder durch Rhythmusstörung) strahlend in Schulter, Arm, Hals, Epigastrium siehe oben in Ruhe

instabile Angina pectoris Myokardinfarkt

Myokarditis, Perikarditis funktionelle Herzbeschwerden Lungenembolie Pneumothorax HWS-BWS-Syndrom Pleuritis Ösophagitis/Gastritis abdominale Erkrankungen

in Ruhe, seltener nach starker Belastung in Ruhe

typische Begleitsymptome

siehe oben

Temperaturanstieg, Rhythmusstörungen, eventuell Atemnot, perikarditische Reibegeräusche in Ruhe jüngere Altersgruppe, Lokalisation seitlicher linker Thorax, (bei Belastung weniger) vegetative Stigmata periphere Thrombose, Zyanose, akut Tachypnoe, Vernichtungsgefühl, Schock plötzlich einsetzende Atemnot, akut Seitendifferenz der physikalischen Befunde permanenter Schmerz, nicht belastungsabakut oder langsam zunehmend hängig atemabhängiger Schmerz, meist pleuritimeist akut sches Reiben nicht belastungsabhängig, oft nicht stark ausgeprägt permanent epigastrischer Druckschmerz zusätzlich abdominelle Spontan- oder akut einsetzend Druckschmerzen

Tab. 3. Differentialdiagnose — stabile Angina — instabile Angina/Myokardinfarkt Symptom

stabile Angina

instabile Angina/Myokardinfarkt

Schmerzdauer

wenige Sekunden bis 15 — 20 Minuten ja typische Belastung, individuell unterschiedlich sehr selten wechselnd, selten von höchster Intensität selten nicht vorhanden ja

meist länger als 30 Minuten

Besserung durch Ruhe auslösende Ursache Atemnot Schmerzcharakter Übelkeit, Erbrechen atemabhängige Schmerzen Linderung durch Nitropräparate

häufig keine Belastung, „aus heiterem Himmel" häufiger (ungefähr 3 0 - 4 0 % ) sehr häufig, Vernichtungsschmerz mit Todesangst nicht selten perikardial, pleural

Kardiologische Notfallsituationen

105

frequenz nicht oder nur unwesentlich gesteigert und die Zyanose nur gering ausgeprägt. Neben der Erhebung der Anamnese ist die klinische Untersuchung gerade bei Notfallsituationen von besonderer Bedeutung. Nur dadurch gelingt es, von einer Verdachtsdiagnose zu einer wahrscheinlichen Diagnose zu kommen, so daß dann die essentiellen therapeutischen Maßnahmen gezielt ergriffen werden (Tab. 4). Schon beim ersten Gespräch mit dem Erkrankten — oder dem Angehörigen — wird gleichzeitig die Inspektion begonnen und die Bewußtseinslage eingeschätzt. Weiterhin wird die Atmung beobachtet, die Schmerzlokalisation überprüft und nach Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz gefahndet. Durch die beidseitige Palpation des Radialis- oder Brachialispulses können Pulsunregelmäßigkeiten oder -abschwächungen festgestellt werden. Im Anschluß daran wird der Blutdruck an beiden Armen gemessen, um die aktuelle Kreislaufreaktion zu erfassen. Die Untersuchung von Herz und Lunge schließt sich an und wird ergänzt durch die Palpation des Abdomens. Bei zügigem Vorgehen dauert diese Untersuchung höchstens 5 Minuten. Zugleich erfolgt damit eine erste, aber gründliche Kontaktaufnahme mit dem Patienten, eine wichtige Aufgabe, die zum Aufbau eines Vertrauensverhältnisses führt, das bei jeder ärztlichen Tätigkeit, also auch bei der Notfallversorgung, von zentraler Bedeutung ist. Tab. 4. Klinische Untersuchung beim akuten Myokardinfarkt Inspektion

Dyspnoe/Orthopnoe, Tachypnoe, Zyanose, Schmerzlokalisation, Bewußtseinslage,

Palpation

Herzrhythmusstörungen

Venenstauung, Ödeme (Tachykardie, Bradykardie, Arrhythmie), Pulsabschwä-

chungen, Stauungszeichen (Lebervergrößerung) Untersuchung

Blutdruck: Hypotonie, Hypertonie, Arrhythmie Herzauskultation: abnorme Herztöne, Herzgeräusche, Arrhythmie Lungenperkussion: Klopfschalldifferenz, z. B. Pleuraerguß, Pneumothorax Lungenauskultation: Stauung, Spastik, Pleuritis sicca Abdominalbefund: Druckschmerz, Resistenz, Aszites neurologischer Befund: z. B. Paresen

Maßnahmen bei stabiler Angina pectoris Die stabile Angina pectoris tritt bei koronarer Herzerkrankung auf, wenn durch eine oder mehrere Stenosen der Herzkranzgefäße bei verschiedenartigsten Belastungen ein Mißverhältnis zwischen Blutangebot und -bedarf auftritt. Zusätzlich können Verkrampfungen (Spasmen) die Durchblutungsstörungen verstärken. Für die Auslösung können physische oder psychische Belastungen, tachykarde Rhythmusstörungen oder eine hypertone Krise verantwortlich sein. Bestehen diese Auslösemechanismen nicht, sondern treten die Beschwerden in Ruhe auf, so handelt es sich um eine instabile Angina oder um einen akuten Myokardinfarkt.

106

K. D. Grosser

Nach einer kurzen Untersuchung kann meist differenziert werden, ob Belastungen, Herzrhythmusstörungen oder eine Hypertonie zu dem Angina-pectoris-Anfall geführt haben. Je nach Auslösung werden Nitroglyzerin in Form von NitrolingualKapseln oder — bei Hypertonie — Adalat-Kapseln verabreicht. Handelt es sich um eine Herzrhythmusstörung, wird zusätzlich eine antiarrhythmische Therapie eingeleitet (Tab. 5). Der Vorteil der Zerbeißkapseln ist die rasche Anwendbarkeit und gute Dosierung. In jedem Fall sollte bei einem starken Angina-pectoris-Anfall die sofortige stationäre Behandlung eingeleitet werden, da schwere Angina-pectoris-Beschwerden nicht selten Vorboten eines akuten Myokardinfarktes sind. Tab. 5. Notfallbehandlung der stabilen Angina pectoris 1. ausgelöst durch Anstrengung Nitrolingual Kapseln: 2 Kapseln sublingual, eventuell nach 10 Minuten wiederholen 2. ausgelöst durch Rhythmusstörung bei Tachyarrhythmie: zusätzlich Isoptin 5 mg = 1 Amp. i. v. und Digitalis, z. B. Novodigal 0,4 mg i. v. oder Lanitop 0,2 mg i. v. . bei Kammertachykardie: Xylocain 100 mg i. v. 3. ausgelöst durch hypertone Krise Adalat 10 Zerbeißkapsel, eventuell Nitrolingual 1 — 2 Kapseln zusätzlich

Maßnahmen bei instabiler Angina pectoris und akutem Myokardinfarkt Die Beschwerdesymptomatik der instabilen Angina pectoris ist von der eines akuten Myokardinfarktes außerhalb der Klinik nicht zu unterscheiden. Darum gelten die empfohlenen Maßnahmen für beide Krankheitszustände. In Tabelle 6 sind die charakteristischen Prodromi zusammengefaßt. Entscheidend ist die Tatsache, daß die Beschwerden unter Ruhebedingungen auftreten; aber auch andere Tab. 6. Akuter Myokardinfarkt (instabile Angina pectoris) Charakteristische Prodromi — Plötzlich auftretende, ungewohnte und heftige Schmerzen im Thoraxbereich ohne vorausgehende Belastungen. — Angina pectoris vom Crescendotyp mit Zunahme der Anfälle in Form von Häufigkeit, Dauer oder Intensität. — Manifestation der Herzinsuffizienz: Atemnot, Nykturie, Ödem. — Manifestation von Rhythmusstörungen. Uncharakteristische Prodromi — Konzentrationsstörung, Schwindel, Kopfschmerz, Schlafstörung. — Krankheitsgefühl, Vernichtungsschmerz, „Angst ums Herz", Herzklopfen, Organgefühl.

Kardiologische Notfallsituationen

107

Symptome im Zusammenhang mit meist sehr heftigen Beschwerden sind nicht selten anzutreffen. Von ganz besonderer Bedeutung ist die Frage nach auslösenden Ursachen, Lokalisation, Schmerzintensität, Schmerzdauer und Nitrowirkung (Tab. 7). Aufgrund dieser Feststellungen ist die Diagnose „instabile Angina pectoris" bzw. „akuter Myokardinfarkt" wahrscheinlich, so daß sich daraus sofort die entsprechenden gezielten Behandlungskonsequenzen ergeben werden. Die Behandlungsmaßnahmen bei akutem Myokardinfarkt gliedern sich in allgemeine Maßnahmen und in Behandlung der wichtigsten Komplikationen: Herzrhythmusstörungen, Linksinsuffizienz, Lungenödem und kardiogener Schock; dabei sind die Behandlungen der Komplikationen als Zusatzmaßnahmen zu den Allgemeinmaßnahmen anzusehen. Tab. 7. Leitsymptom Schmerz bei instabiler Angina und akutem Myokardinfarkt 1. Auslösende Ursache: häufig keine Ursache, eventuell nach außergewöhnlichen Belastungen 2. Lokalisation: retrosternal, mit und ohne Ausstrahlungen 3. Schmerzintensität: Vernichtungsschmerz, Todesangst 4. Schmerzdauer: länger anhaltend (1 Stunde und länger), keine Besserung durch Ruhe 5. Nitrowirkung: keine oder nur geringe Wirkung

Allgemeine Behandlungsmaßnahmen Im Mittelpunkt der allgemeinen Maßnahmen steht die Beruhigung und Sedierung sowie die Schmerzbehandlung (Tab. 8). Besonders der Schmerzbehandlung kommt vorrangige Bedeutung zu, denn deshalb hat der Kranke ja den Notarzt gerufen und erwartet demzufolge durch ihn rasche Hilfe. Bei starken Schmerzen werden Opiate empfohlen. Neben Morphium hat sich in letzter Zeit das Buphrenorphin Tab. 8. Allgemeine Behandlungsmaßnahmen in der Prähospitalphase 1. Beruhigung und genaue Aufklärung des Kranken 2. Schnelle orientierende Untersuchung und Lagerung (entsprechend der klinischen Symptome) — Herzinsuffizienz: Oberkörper angehoben — Schock: Oberkörper leicht angehoben — unkompliziert: Oberkörper leicht angehoben 3. Schaffung eines stabilen venösen Zuganges (Unterarm, Ellenbeuge) 4. Sedierung: Valium 5 mg i. v. 5. Sauerstoff: 2 — 4 1/min 6. Nitrobehandlung: Isoket 5 - 1 0 mg p. o. oder Nitrolingual 1 - 2 Kapseln p. o. 7. Schmerzbehandlung: Morph. Hydrochl. 1 Amp. = 1 ml = 10 mg 2 — 4 mg im Abstand i. v. — bei Bradykardie: Morphium Hydrochl. + Atropin Sulfur. 0,5 mg — alternativ: Dolantin (Pethidin) 1 Amp. = 50 mg i. v. oder Fortrai (Pentazocin) 1 Amp. = 30 mg i. v. oder Temgesic (Buphrenorphin) 1 Amp. = 0,3 mg i. v. 8. Thrombolyse: präklinisch z. Z . noch nicht empfehlenswert

108

K. D. Grosser

(Temgesic) bewährt, welches auch als Zerbeißkapsel schnell wirksam ist. Es muß in diesem Zusammenhang betont werden, daß nicht alle Kranken stärkste Schmerzen verspüren. Der Notarzt wird dann alarmiert, wenn bei diesen Kranken erstmals akute, leichte thorakale Beschwerden auftreten, bei denen sie an die Möglichkeit eines Herzinfarktes denken. In einer Studie der Harvard-Universität konnte gezeigt werden, daß bei rund 30% der Kranken mit akutem Herzinfarkt nur leichtgradige Schmerzen bestanden. Dies sollte der Notarzt wissen, damit er nicht aufgrund der leichten Beschwerdesymptomatik einen Myokardinfarkt als unwahrscheinlich ansieht; d. h. durch akut einsetzende, jedoch geringe thorakale Beschwerden ist ein Myokardinfarkt keineswegs ausgeschlossen. Zur Sedierung wird überwiegend die Applikation von Valium 5 mg i. v. empfohlen. Bei dieser Dosierung ist nicht mit einer Kreislaufbeeinflußung zu rechnen. Eine allgemeine Empfehlung für den Einsatz der präklinischen Thrombolyse kann noch nicht gegeben werden. Im Hinblick auf schwerwiegende Blutungskomplikationen darf in der Klinik nur die Thrombolyse eingeleitet werden, wenn durch typische EKG-Veränderungen der Myokardinfarkt gesichert ist. Das gleiche muß auch für die präklinische Anwendung gefordert werden. Solange man nicht auf jedem Notarztwagen ein EKG mit 12 Ableitungen registrieren kann und die Notärzte entsprechend ausgebildet sind, muß diese Behandlung unterbleiben. Um so wichtiger ist es jedoch schnellstmöglich eine Klinik zu erreichen, in der die thrombolytische Therapie durchgeführt wird; auch sollte bei entsprechenden Voraussetzungen die Vorbereitungszeit in der Klinik durch rechtzeitige Vorankündigung abgekürzt werden. Mit zunehmender Erfahrung in der klinischen Thrombolyse, mit verbesserter Ausbildung der Notärzte und nicht zuletzt nach der Weiterentwicklung komplikationsärmerer Thrombolytika wird in den nächsten Jahren diese Behandlung in den präklinischen Bereich sehr wahrscheinlich eingeführt werden.

Herzrhythmusstörungen In der Akutphase besteht eine hochgradige Irritabilität, die nicht selten zu Kammerflimmern führt. Diese gefürchtete Komplikation wird ausgelöst durch ventrikuläre Extrasystolen. Aufgrund von Langzeit-EKG-Registrierungen konnte folgendes festgestellt werden: 1. 60 — 80% aller Kranken mit akutem Infarkt weisen ventrikuläre Extrasystolen auf. 2. Aus jeder ventrikulären Extrasystole kann sich Kammerflimmern entwickeln, d. h. einen besonderen Gefährdungsgrad bei bestimmten Formen der Extrasystolie gibt es nicht. 3. Bereits die erste auftretende ventrikuläre Extrasystole kann Kammerflimmern auslösen. Die Diskussion über eine generelle prophylaktische Behandlung der Extrasystolie bzw. des Kammerflimmerns durch Xylocain wird kontrovers geführt. Während

Kardiologische Notfallsituationen

109

einige Autoren die Applikation von Xylocain nur bei nachgewiesener Extrasystolie empfehlen, vertreten andere die Meinung, daß man bei jedem akuten Myokardinfarkt Xylocain verabreichen sollte. Eine 1985 durchgeführte Untersuchung einer Amsterdamer Arbeitsgruppe unterstützt diese Meinung, da bei den Patienten, die Xylocain erhalten hatten, signifikant weniger Kammerflimmerattacken aufgetreten waren als bei den Kranken in der nicht behandelten Gruppe. In der Tabelle 9 ist eine Therapie für die Xylocain-Behandlung angegeben. Bei der generellen Anwendung sollten Kranke mit Herzfrequenzen unter 60/min ausgeschlossen werden, da sich bei Bradykardien durch Xylocain Asystolien entwickeln können. Dieser Gruppe sollte Atropin verabreicht werden. Für die Infusionsbehandlung stehen heute fertige Lösungen mit Xylocain zur Verfügung. Die Tropfenzahl richtet sich nach dem Erfolg, d. h. Unterdrückung der Extrasystolen, jedoch nicht höher als 4 mg/min. Tab. 9. Allgemeine Behandlungsmaßnahmen in der Prähospitalphase Bei allen Kranken mit einer Herzfrequenz über 60/min: generelle prophylaktische Behandlung mit Xylocain 100 mg i. v., nach 10 Minuten nochmals, Xylocain 50 mg i. v. bei längeren Transportwegen: Xylocain-Infusion 3 - 4 mg/min (Lidomix 0 , 4 % oder 0 , 8 % ) bei einer Herzfrequenz unter 60/min: Atropin 0,5 mg i.V., eventuell nach 15 Minuten wiederholen bei schwerer Herzinsuffizienz oder Schock: nur 5 0 % der Xylocaindosis

Das Vorgehen bei anderen Herzrhythmusstörungen richtet sich in der präklinischen Phase nach den diagnostischen Möglichkeiten: Ist keine EKG-Registrierung möglich (Tab. 10), so sollten nur Tachykardien über 140/min und Bradykardien mit Frequenzen unter 40/min in Verbindung mit deutlicher Herzinsuffizienz oder Hypotonie behandelt werden. Da meist bei akutem Myokardinfarkt eine KamTab. 10. Akuter Myokardinfarkt und Rhythmusstörungen in der Prähospitalphase A. Wenn keine EKG-Registrierung möglich: nur Behandlung, wenn zusätzlich schwere Herzinsuffizienz oder Hypotonie mit systolischen Werten < 100 mm Hg vorliegen bei Tachykardie (Frequenz >

140/min): Xylocain 100 mg i.v.

bei Bradykardie (Frequenz < 40/min): Atropin 1 Amp. 0,5 mg i.v. B. Wenn EKG-Registrierung möglich: ventrikuläre Tachykardie: Xylocain 100 mg langsam i.v., nach 10 Minuten bei Erfolglosigkeit nochmals 100 mg. Bei Erfolglosigkeit: Kardioversion Supraventrikuläre Tachykardie: Isoptin 5 — 10 mg = 1 — 2 Amp. langsam i. v. absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern (Kammerfrequenz > 130/min): Isoptin 5 - 1 0 mg = Amp. langsam i. v. und Digoxin (z. B. Novodigal 0,4 mg i. v. oder Lanitop 0,2 mg i. v. Bradykardie ( < 50/min): Atropin 0,5 mg = 1 Amp. i.v. bei asystolischen Phasen: externe transthorakale Elektrostimulation

1-2

110

K. D. Grosser

mertachykardie zu diesen hämodynamischen Verschlechterungen führt, sollte — wenn es sich um eine regelmäßige Tachykardie handelt — Xylocain verabreicht werden. Handelt es sich um eine unregelmäßige Tachykardie, so ist die wahrscheinlichste Rhythmusstörung eine Tachyarrhythmia absoluta — auch erkennbar am Pulsdefizit. Die Behandlung sollte mit Isoptin und Digitalis erfolgen. Ist die Herzrhythmusstörung durch eine EKG-Registrierung zu diagnostizieren, so werden die in der Tabelle aufgeführten Behandlungsmaßnahmen empfohlen (Tab. 11). Während bei der Kammertachykardie und bei der supraventrikulären Tachykardie immer eine Behandlung erfolgen sollte, wird bei einer Tachyarrhythmia absoluta erst bei Frequenzen über 130/min eine Behandlung erfolgen müssen. Bei einer Bradykardie unter 50/min sollte Atropin eingesetzt werden. Bei asystolischen Perioden wird sich in der nächsten Zeit die externe transthorakale Elektrostimulation durchsetzen. Tab. 11. Akuter Myokardinfarkt und Lungenödem in der Prähospitalphase 1. Lagerung: sitzende Position. Sauerstoff: 3 1/min (Nasensonde) 2. Sedierung und Schmerzbekämpfung: M o r p h i u m Hydrochl. 5 — 10 mg langsam i. v. (den anderen Substanzen vorzuziehen), eventuell verdünnen in 10 ml 0 , 9 % physiologischer N a C l - L ö s u n g 3. Nitrate: Nitrolingual Sublingual. Je 2 Kapseln im Abstand von 5 - 1 0 min, bis zu 10 Kapseln (Blutdruckkontrolle) 4. Diuretika: Lasix 1 Amp. ( = 4 0 mg) i. v. 5. eventuell antiarrhythmische Behandlung 6. eventuell antihypertensive Behandlung: erst Nitrowirkung 10 Minuten abwarten, dann Adalat 10 Zerbeißkapsel 7. wenn keine Besserung oder wenn bereits ein massives Lungenödem mit Aushusten von schaumigem Sputum: endotracheale Intubation und Beutelbeatmung

Lungenödembehandlung Eine Linksherzinsuffizienz wird sich bei einem akuten Myokardinfarkt dann entwickeln, wenn ein größerer Myokardbezirk des linken Ventrikels vom Infarkt betroffen ist oder wenn zusätzlich eine tachykarde Rhythmusstörung oder eine hypertone Reaktion eingetreten ist. Nicht selten wird es zu einer solchen hämodynamischen Verschlechterung bei einem Zweitinfarkt kommen. Die Diagnose wird durch die Auskulation des Herzens und der Lunge gestellt. Pathognomonisch dafür ist ein dritter Herzton und fein- bis mittelblasige feuchte Rasselgeräusche. Als Ausdruck des ausgeprägten Lungenödems stellt man grobblasige Rasselgeräusche fest, die oft auch ohne Stethoskop als Distanzrasseln oder „kochende Lunge" zu hören sind. Der Blutdruck ist meist erhöht, nicht selten begleitet von tachykarden Rhythmusstörungen. Diese Komplikationen sind bei etwa 30% der Kranken mit akutem Herzinfarkt anzutreffen. Häufiger sind ältere Kranke betroffen, bei denen nicht so sehr die Schmerzsymptomatik im Vordergrund steht,

Kardiologische Notfallsituationen

111

sondern die Herzinsuffizienz verbunden mit Atemnot. Bei den Behandlungsmaßnahmen steht die Lagerung an erster Stelle (Tab. 11). Häufig nehmen die Kranken von sich aus bereits eine sitzende Position mit herabhängenden Beinen ein; ist dies noch nicht geschehen, so wird man zunächst dafür Sorge tragen. Durch diese Lagerung kommt es zu einer Reduktion des venösen Rückstroms und dadurch zu einer Erniedrigung des pulmonalen Blutvolumens, die Atemarbeit wird vermindert. Gleichzeitig erfolgt über eine Nasensonde die Zufuhr von Sauerstoff (3 1/min). Neben den Allgemeinmaßnahmen ist als erstes Medikament Nitroglyzerin in Form von Nitrolingual einzusetzen. Dazu bedarf es keines venösen Zugangs, man wird also ohne jede Zeitverzögerung dieses Medikament applizieren können. Sind die Kranken nicht in der Lage, die Kapsel zu zerbeißen, so kann diese mit einer Nadel angestochen werden und der Inhalt unter die Zunge geträufelt werden. Nach Blutdruckkontrollen können dann jeweils 2 Kapseln bis zu insgesamt 10 Kapseln dem Patienten verabreicht werden. Außerdem wird gleichzeitig eine diuretische Therapie mit Lasix (20 mg i. v.) begonnen. Allerdings sollte man eher vorsichtig mit weiteren Lasixverabreichungen sein, da es dadurch in dieser Krankheitsphase sehr rasch zu einer Hypovolämie und damit zur Hypotonie kommen kann. Besteht gleichzeitig eine Herzrhythmusstörung, so wird diese nach den oben angegebenen Richtlinien behandelt. Eine antihypertensive Behandlung, z.B. mit Adalat 10 Zerbeißkapseln sollte erst nach der Nitrobehandlung erfolgen, da auch Nitroglyzerin blutdrucksenkend wirkt. Führt Adalat nicht zum Erfolg, so sollte Urapidil (Ebrantil, 1 Amp. = 25 mg) langsam intravenös injiziert werden. Wenn die oben genannten Maßnahmen nicht zu einer Besserung führen, oder wenn bereits ein massives Lungenödem mit Aushusten von schaumigem Sputum besteht, so muß sofort die Intubation und Beutelbeatmung eingeleitet werden. Zusätzlich müssen jedoch auch dann alle medikamentösen Maßnahmen weitergeführt werden.

Kardiogener Schock Bei Infarktausdehnung über 40% des linken Ventrikels ist die Pumpfunktion der linken Kammer so eingeschränkt, daß es zu einer Mangelperfusion der Peripherie mit den typischen Schockzeichen kommt: Tachykardie, Hypotonie, kleine Blutdruckamplitude, Oligurie bis Anurie und kalte zyanotische blasse Haut sowie Zentralisation (Tab. 12). In jedem Fall müssen andere zum Schock führende Ursachen ausgeschlossen werden, wie z.B. Hypovolämie, periphere Vasodilatation, aber auch Blutungen, Tachykardie oder extreme Bradykardie, Herzbeutelerguß, Medikamente — insbesondere negativ inotrop wirkende Substanzen. Bei 80% der Kranken führt diese Komplikation zum Tod. Zusätzlich zu den allgemeinen Maßnahmen setzt die Behandlung mit Sympathikomimetika ein (Tab. 13).

112

K. D. Grosser

Tab. 12. Schockzeichen Blasse, zyanotische, feucht-kühle Haut (besonders der Extremitäten) Tachykardie Arterielle Hypotonie mit kleiner Blutdruckamplitude Dyspnoe Unruhe, Bewußtseinstrübung Hypoxämie Oligurie Metabolische Azidose

Da zur Zeit Dopamin in allen Rettungswagen zur Verfügung steht, während Dobutamin (Dobutrex) noch nicht in allen Notarztsystemen eingeführt ist, sollte Dopamin als Mittel der ersten Wahl eingesetzt werden. Führt eine Dosis von 5 Hg/kg Körpergewicht nicht zu einem guten Blutdruckanstieg, so darf für kurze Zeit (15 — 30 min) eine Verdopplung der Dosis auf 10 (ig/kg Körpergewicht vorgenommen werden. Besteht gleichzeitig eine massive Linksherzinsuffizienz, darf erst Nitroglyzerin eingesetzt werden, wenn der Blutdruck systolisch auf 100 mm Hg angestiegen ist. Eine bessere Behandlung der Linksherzinsuffizienz gelingt durch Dobutamin, da Dobutamin im Gegensatz zu Dopamin den enddiastolischen Ventrikeldruck senkt. Es sollte also versucht werden, diese Substanz für den Notfallbereich einzuführen, damit eine effektive Behandlung durchgeführt werden kann. Im Gegensatz zu früheren Empfehlungen wird die Natriumbikarbonatbehandlung zum Azidoseausgleich an letzter Stelle eingesetzt und in wesentlich niedrigerer Dosis als früher angegeben (Tab. 13). Tab. 13. Akuter Myokardinfarkt und kardiogener Schock in der Prähospitalphase Zusätzlich zu den allgemeinen Maßnahmen: 1. Klärung der Fragen: Volumenmangel?, Rhythmusstörungen?, periphere Vasodilatation? 2. Flachlagerung 3. Symphatikomimetika: Dobutamin 2,4 — 10 — 30 ng/kg/min = Dobutrex 250 mg + 250 ml 0.9% ige NaCl-Lösung 10 — 30 Tropfen/min oder Dopamin 2,5 — 5 ng/kg/min 4. Azidosebehandlung: Natriumbikarbonat 100 mval = 100 ml langsam i. v.

Neben dem akuten Myokardinfarkt sind noch eine Reihe von anderen Erkrankungen zu nennen, die als Ursache für einen kardiogenen Schock in Frage kommen. In der Tabelle sind die wichtigsten Krankheitszustände und Krankheiten aufgeführt (Tab. 14). Zu den aufgeführten Schockursachen kommen zusätzlich Symptome, die charakteristisch für die einzelnen Notfallsituationen sind. Auf diese Weise gelingt auch außerhalb der Klinik eine Differenzierung, die zu einer für jeden Notfall spezifischen Behandlung führen kann. In der Tabelle sind diese Behandlungsmaßnahmen aufgeführt, wobei die Therapie des infarktbedingten Schocks und der Herzrhythmusstörung bereits abgehandelt ist, bei dieser Über-

Kardiologische Notfallsituationen

113

Tab. 14. Kardiogener Schock Ursachen

Symptomatik/Schockzeichen

Herzinfarkt (Myokarditis)

und Thoraxschmerz, Dyspnoe, EKG-Zeichen

Hochgradige Tachykardie

und Pulsanomalie, EKG-Zeichen

oder Bradykardie Herzklappenfehler

und typisches Herzgeräusch, Dyspnoe, Links- und Rechtsherzinsuffizienz

(Kardiomyopathie) Lungenembolie

und Tachypnoe, Rechtsherzinsuffizienz, Einflußstauung, Thoraxschmer-

Herzbeuteltamponade

Rechtsherzinsuffizienz, hoher Venendruck (Einflußstauung), Dyspnoe

zen

Tab. 15. Kardiogener Schock Ursachen Herzinfarkt (Myokarditis)

Behandlung Schmerzmittel, z. B. Morphium hydrochloricum, eventuell Xylocain, Dopamininfusionen bei Lungenödem: Dobutamininfusion

Hochgradige Tachykardie oder Bradykardie

Kammertachykardie: Xylocain 100 mg i. v. Tachyarrhythmie

und

Vorhofflimmern:

Digitalis,

z. B.

Novodigal

0,4 — 0,8 mg i. v. und Isoptin 5 — 10 mg Supraventrikuläre Tachykardie: Isoptin 5 - 1 0 mg i. v. Bradykardie: Atropin 0,5 mg i. v. oder Alupent 0,5 mg i. v. Herzklappenfehler,

Bei Tachyarrhythmie Digitalis (s.o.), Dobutamininfusion

Kardiomyopathie Lungenembolie

keine körperliche Belastung, Dopamininfusion, Heparin 10 000 E i. v.,

Herzbeuteltamponade

Bei deutlicher Schocksymptomatik Perikardpunktion, sonst Begleitung

eventuell Intubation mit Beatmung in die Klinik

sieht jedoch aus Vergleichsgründen noch einmal wiederholt wird (Tab. 15). Gerade beim kardiogenen Schock kann es sich bei diesen empfohlenen Behandlungsrichtlinien nur um akute Erstmaßnahmen handeln, die mit dem Ziel empfohlen werden, hämodynamische Verhältnisse zu bessern beziehungsweise zu stabilisieren, um dann in der stationären Behandlung sofort mit den speziellen Behandlungsmaßnahmen zu beginnen. Gerade bei den Komplikationen Herzrhythmusstörungen, Lungenödem und kardiogener Schock müssen für den Transport vom Notarzt die angegebenen Behandlungen eingeleitet werden, da sonst schon während des Transportes erhebliche Verschlechterungen eintreten können, die dann zu einem irreversiblen Zustand führen. Gemessen an der Zahl und an der Behandlung schwerwiegender Verlaufsformen stellt die Behandlung der kardiologischen Notfälle große Ansprüche an den Notarzt. Exaktes Wissen über Anamnese, Befunde und Erstmaßnahmen können in der Prähospitalphase gerade bei diesen Kranken entscheidend den generellen Krankheitsverlauf bestimmen.

Vergleich der systemischen Frühlyse des akuten Myokardinfarkts in Klinik und Prähospitalphase P. Lange-Braun, U. Martens, H.

Hochrein

Es ist unbestritten, daß beim akuten Myokardinfarkt durch eine intravenöse Kurzlyse mit Streptokinase oder Urokinase innerhalb der ersten 6 Stunden nach Symptombeginn eine Reperfusion erzielt werden kann. Ob aus der Reperfusion auch eine Infarktbegrenzung resultiert, ist von der Ischämiezeit und einer vorbestehenden Kollateralisierung abhängig [1, 2], Eine Infarktbegrenzung ist in der Regel nur innerhalb der ersten 180 Minuten Ischämiezeit möglich, eine Infarktverhinderung nur innerhalb der ersten Stunde [3]. Ziel dieser Untersuchung war es, die Ischämiezeit noch weiter dadurch zu verkürzen, daß bereits beim ersten Arzt-Patienten-Kontakt in der Prähospitalphase die Thrombolyse durch einen erfahrenen Notarzt durchgeführt wird. Es sollte im Vergleich zu den im selben Zeitraum stationär versorgten Patienten geprüft werden, ob durch den Zeitgewinn ein Effektivitätszuwachs ohne höheres Therapierisiko für den Infarktpatienten erzielbar ist.

Patientengut und Methodik In die Untersuchung wurden alle Patienten mit elektrokardiographisch eindeutigem perakuten, transmuralen Myokardinfarkt aufgenommen, die in einem Zeitraum von 15 Monaten entweder auf die Intensivstation (IPS) oder in den Notarztwagen (NAW) zur Behandlung kamen. Die Schmerzsymptomatik durfte höchstens 3 Stunden bestehen und nicht auf Nitroglyzerin ansprechen. Nach Ausschluß von Kontraindikationen konnte die systematische Kurzlyse bei 44 Patienten auf dem NAW und 40 Patienten auf der IPS durchgeführt werden. Bezüglich der Alters- und Geschlechtsverteilung und der Infarktlokalisation gab es in beiden Gruppen keine wesentlichen Unterschiede (Tab. 1). Vor Therapiebeginn wurde ein zentraler Venenzugang über eine periphere Vene geschaffen. Nach 100 mg Prednisolon i. v. wurde mit der Schnellinfusion von 1 Mio. IE Streptokinase über 30 Minuten begonnen. Erklärten sich die Patienten einverstanden, so erfolgte unmittelbar anschließend eine Koronarangiographie gegebenenfalls mit sofortiger Ballondilatation (PTCA) des Infarktgefäßes. Koronarangiographien und PTCA wurden im Klinikum Charlottenburg durch das Team von Dr. Rutsch und Dr. Schartl durchgeführt. In der Weise konnte die Fibrinolysetherapie bei 17 Patienten des NAW und 9 Patienten der IPS ergänzt werden.

116

P. Lange-Braun, U. Martens, H. Hochrein

Tab. 1. Alter, Geschlecht und Infarktlokalisation von 44 NAW- und 40 IPS-Patienten Notarztwagen (NAW)

Intensivstation (IPS)

Patienten

44

40

Alter (median, in Jahren)

56

55

Männer

39

32

Frauen

5

8

Vorderwandinfarkte

26

23

Hinterwandinfarkte

18

15

Lateralwandinfarkte

0

2

Vorinfarkte

9

14

Beurteilt wurden im weiteren Verlauf die primäre Effektivität, die Häufigkeit von Reinfarkten, Dekompensationen und malignen Herzrhythmusstörungen, außerdem die letztlich nach 4 Wochen fortbestehende Effektivität sowie die Häufigkeit von Blutungen unter der Therapie. Als primär effektiv wurde die systemische Thrombolyse bezeichnet, wenn folgende Kriterien erfüllt waren: — koronarangiographische Wiedereröffnung des Infarktgefäßes, sofern eine Koronarangiographie erfolgte, — Serum-CPK Maximum innerhalb der ersten 12 Stunden nach Schmerzereignis, — Auftreten von Reperfusionsarrhythmien, — schneller EKG-Umbau in weniger Ableitungen als den anfangs betroffenen. Als sekundär effektiv wurde die Fibrinolyse dann bezeichnet, wenn der anfängliche Erfolg bis zur Krankenhausentlassung fortbestand.

Ergebnisse Schmerz-Lyse-lntervall, CPK-Wert, EKG. Die Fibrinolyse auf dem Notarztwagen erfolgte signifikant früher. Zwischen Schmerzbeginn und Streptokinasegabe verging im Mittel 1 Stunde. Bei Patienten, die auf der Intensivstation thrombolysiert wurden, war dieses Zeitintervall im Mittel 1,5 Stunden lang. Das CPK-Maximum und die Zeit bis zum Erreichen dieses Wertes unterschied sich in beiden Gruppen nicht wesentlich. Im Mittel waren bei den NAW-Patienten mehr EKG-Ableitungen vom akuten Infarktbild betroffen. Ein anschließender QRS-Umbau erfolgte jedoch prozentual in beiden Gruppen etwa gleich häufig (Tab. 2). Effektivität der Thrombolyse. Primär effektiv war die Thrombolysebehandlung bei 32 der 44 NAW-Patienten (72%), bzw. bei 19 der 40 IPS-Patienten (47%). Bei Patienten mit primär effektiver Thrombolyse auf der Intensivstation traten keine

Der akute Myokardinfarkt

117

Tab. 2. Schmerz-Lyse-Intervall, CPK-Wert und EKG

Schmerz-Lyse-Intervall Zeit bis zum CPK-Maximum CPK-Maximum Initial betroffene Zahl der EKG-Ableitungen Zahl der umgebauten EKG-Ableitungen

NAW

IPS

1 h 12 h 725 U/1 6,5 5

1,5 h 14 h 771 U/1 5 4

Rezidivinfarkte auf, somit konnte die Effektivität auch „sekundär", d. h. bis zur Krankenhausentlassung gehalten werden. Deswegen ist auf Abb. 1 in dieser Gruppe die primäre der sekundären Effektivität gleichzusetzen. 8 initial erfolgreich lysierte NAW-Patienten erlitten einen Reinfarkt und reduzierten die primäre Effektivität, so daß am Ende des Klinikaufenthaltes kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen mehr bestand. Die Rezidivinfarkte traten alle im gleichen Infarktgebiet und in 79% (11 von 14) innerhalb der ersten 72 Stunden nach dem Primärereignis auf. Am häufigsten waren die Patienten von Reokklusionen betroffen, die eine primär effektive Thrombolyse ohne sofort anschließende PTCA erhalten hatten. Durch die frühe Lyse konnte bei 4 NAW-Patienten und 3 IPS-Patienten ein Infarkt vollständig verhindert werden. Bei diesen Patienten erfolgte kein CPK-Anstieg und eine völlige Zurückbildung der akuten EKGZeichen. Lyse im Notarztwagen

Lyse auf der Intensivstation

(n = U )

(n = 40) Ineffektiv

primar effektiv

Ineffektiv

sekundär effektiv

sekundär effektiv

Abb. 1. Effektivität der Thrombolyse auf dem Notarztwagen und der Intensivstation

Infarkt- und Fibrinolysekomplikationen. Bezüglich der Infarkt- und Fibrinolysekomplikationen gab es in beiden Gruppen keine signifikanten Unterschiede. 19 NAW-Patienten, bzw. 18 IPS-Patienten entwickelten eine kardiale Dekompensation. Die Kliniksterblichkeit war ebenfalls in beiden Gruppen etwa gleich hoch.

118

P. Lange-Braun, U. Martens, H. Hochrein

Es starben 8 von 44 (18%), bzw. 6 von 40 (15%). Bei den lokalen Blutungen handelte es sich um solche im Bereich der Punktionsstellen, die alle durch Kompression zum Stehen kamen. Bei der einzigen massiven Blutung handelte es sich um eine Magenblutung aus einem zuvor unbekanntem floriden Ulcus ventriculi. Maligne Reperfusionsarrhythmien wurden 7 mal im NAW und 5 mal auf der IPS beobachtet. Sie waren in keinem Fall letal (Tab. 3). Tab. 3. Infarkt- und Fibrinolysekoraplikationen NAW

IPS

Kardiale Dekompensation 19 Kliniksterblichkeit 8 Lokale Blutung an der Punktionsstelle 1 Massive sonstige Blutung, welche zur Blutsubstitution 0 und Antidotgabe zwang Maligne Reperfusionsarrhythmien: Kammerflimmern 4 Kammertachykardie

18 6 2 1

4 1

3

Bedeutung der Akut-PTCA. Bei 17 NAW-Patienten und 9 IPS-Patienten wurde an die Thrombolyse innerhalb des 3-Stundenintervalls unmittelbar eine PTCA angeschlossen. Gegenüber den restlichen 58 Patienten, die keiner akuten PTCA zugeführt wurden, lag die primäre Effektivität signifikant höher (Abb. 2). Bei 22 dieser 26 Patienten (85%) gelang eine primäre Infarktbegrenzung; dies war nur bei 29 von 58 der ausschließlich fibrinolysierten Patienten erzielbar. Sekundär effektiv blieb die Infarktbegrenzung bei 20 von 26 Patienten (77%) nach Lyse mit PTCA, dagegen nur bei 23 von 58 nur fibrinolysierten Patienten (39,7%). Kein signifikanter Unterschied ergab sich zwischen beiden Gruppen bezüglich der Mortalität. Es starben 3 von 26 (11%), bzw. 11 von 58 (19%). L y s e mit P T C A

Lyse ohne P T C A

(n = 26)

(n = 58)

Abb. 2. Effektivität der Thrombolyse mit und ohne PTCA

D e r akute Myokardinfarkt

119

Diskussion und Zusammenfassung Durch eine systemische Fibrinolyse mit 1 Mio. IE Streptokinase über 30 Minuten, die bereits auf dem Notarztwagen während des Rettungstransportes durchgeführt wird, kann das Zeitintervall zwischen Infarkteintritt und Lyse signifikant von 1,5 Stunden auf 1 Stunde gesenkt werden. Die Komplikationsrate dabei ist gering und mit der im stationären Bereich vergleichbar. Die primäre Effektivität der Lyse auf dem NAW ist signifikant höher. Am Ende des stationären Aufenthaltes gleichen sich die Lyseergebnisse der NAW- und IPS-Patienten wegen einer erheblich höheren Inzidenz von Reinfarkten in der NAW-Gruppe an. Deutlich günstiger sehen die Ergebnisse bei den Patienten aus, die im Anschluß an eine systemische Fibrinolyse einer sofortigen PTCA zur Beseitigung der i. a. hochgradigen Reststenosen zugeführt wurden. Neben einer Steigerung der primären Effektivität kann mit dieser Therapiekombination auch bis zur Krankenhausentlassung eine deutlich höhere Effektivität erzielt werden als bei alleiniger Fibrinolyse. Unserer Meinung nach stellt die systemische Frühlyse — möglichst schon auf dem Notarztwagen beginnend — und eine sofort anschließende PTCA das derzeit optimale Therapiekonzept für alle perakuten Infarktpatienten dar.

Literatur [1] Gissi: Group italiano per la studio della streptochinasi nell infarto miocardico (Effectiveness of intravenous thrombolytic treatment in acute myocardial infarction). Lancet I (1986) 3 9 7 - 4 0 1 [2] I. S. A. M . Study Group: A prospective infarction. N e w Engl J M e d 3 1 4 (1986) [3] Klein, H . H . , H . Kreuzer: Neue Aspekte Dtsch M e d Wochenschr 111 (1986) 2 7 0

trial of intravenous Streptokinase in acute myocardial 1465 - 1 4 7 1 zum zeitlichen Verlauf der Myokardinfarktentwicklung. - 272

Das nicht traumabedingte akute Abdomen E. Ungeheuer Die Abhandlung des vorgegebenen Themas erfolgt nach den Gesichtspunkten Aufgaben und Möglichkeiten des Arztes im Notfalldienst. Es ist die präklinische Beurteilung eines akuten Zustandes, der in der Regel zunächst noch keine bedrohliche Störung der vitalen Funktionen ausgelöst hat. Mit dem Begriff „akutes Abdomen" können nur plötzlich einsetzende, von heftigen lokalen und allgemeinen Reaktionen begleitete Erkrankungen im Bauchraum belegt werden. Es sind meist zunächst nicht differenzierbare Abdominalerkrankungen, die einer raschen diagnostischen Abklärung bedürfen. Dabei ist jedoch wegen der Dringlichkeit der Diagnostik und Therapie eine strenge Abgrenzung vom „unklaren Abdomen" notwendig. Nicht selten entscheidet sich innerhalb weniger Stunden, ob der Ausgang der Krankheit Heilung oder Tod sein wird. Für primär sichere Diagnosen, wie z. B. akute Appendizitis, akute Cholezystitis, Uretersteinkolik usw. kann der Begriff „akutes Abdomen" nicht gewählt werden. Akute abdominale Symptome, die innerhalb weniger Stunden, auch mit peritonealen Reizerscheinungen einhergehen, können den im Notfalldienst tätigen Arzt nicht selten vor schwierige diagnostische Probleme stellen. Im besonderen Maße wird bei dem Symptomenkomplex des akuten Abdomens Wissen, Erfahrung und Kombinationsgabe eines am Krankenbett ausgebildeten und im Gebrauch seiner Sinnesorgane kundigen Arztes verlangt. Der Arzt sieht sich vor die schwierige Aufgabe gestellt, innerhalb kurzer Zeit anhand zwangsläufig unvollkommener und lückenhafter Erkenntnisse schwerwiegende Entscheidungen treffen zu müssen. Laborparameter, neue bildgebende Verfahren wie Sonographie, Computertomographie haben nicht nur keine sichere Aussagekraft für die präklinischen Entscheidungen, sondern sie stehen dem Notfallarzt nicht zur Verfügung. Bei keinem Krankheitsbild ist der Arzt auf seinen „klinischen Blick" so angewiesen wie beim akuten Abdomen. Nach seiner Erfahrung muß er sich vor allem auf seine Sinnesorgane, Augen, Ohren und Tastempfindungen verlassen. Wer es während seiner Ausbildung, seiner Weiter- und Fortbildung nicht gelernt hat, nach Erhebung der Anamnese den Patienten einer eingehenden Inspektion, das Abdomen einer Palpation, einer Auskultation und Perkussion zu unterziehen, wird bei der Diagnostik und Beurteilung des akuten Abdomens größte Schwierigkeiten haben. Für den Notfallarzt ergeben sich primär drei Hauptfragen: 1. Welche diagnostischen Maßnahmen können in der präklinischen Phase ohne Zeit zu verlieren und ohne den Patienten zu gefährden durchgeführt werden? 2. Welches Ereignis im Abdomen hat den akuten Zustand herbeigeführt? 3. Gibt es in der Praxis therapeutische Möglichkeiten, um in dem vorliegenden Fall helfen zu können?

122

E. Ungeheuer

Präklinische Diagnostik Auch beim akuten Abdomen spielt vor Beginn der ärztlichen Untersuchung die eingehende anamnestische Befragung eine entscheidende Rolle. Aus den Angaben über Vorerkrankungen oder Operationen lassen sich nicht selten Rückschlüsse auf das akute Zustandsbild ziehen. Bei der Beurteilung des Pulses ergeben sich wertvolle Hinweise. Die zunächst vorhandene Bradykardie (Vaguspuls) geht im weiteren Verlauf relativ rasch in eine Tachykardie (Kletterpuls), oft mit gleichzeitigem Blutdruckabfall, einher. Bei der Inspektion ist nicht selten, insbesondere bei einem vermuteten Perforationsereignis, der „Kahnbauch" zu erkennen, d. h. es besteht eine eingezogene Bauchdecke, die bretthart und abwehrgespannt gefühlt wird. Weiterhin ist eine erhebliche Druckschmerzhaftigkeit mit Punktum maximum über dem Bereich, der wahrscheinlich als Ausgangspunkt der Entzündung oder der Perforation anzusehen ist, vorhanden. Auch die Auskultation des Abdomens kann, insbesondere bei Verdacht auf Ileus, wertvolle Hinweise liefern. Die rektale Untersuchung darf nicht fehlen.

Ursache des akuten Abdomen Meist ist ein akutes Abdomen auf 4 Ursachen zurückzuführen: — — — —

hochakute Entzündung, Perforation eines Hohlorgans, Verschluß eines Hohlorgans, akuter Gefäßprozeß (Mesenterialgefäßverschluß, Penetration oder Perforation eines abdominalen Aortenaneurysmas).

Bei all diesen Ursachen spielt das Leitsymptom des akuten Abdomens der heftige, plötzlich einsetzende spontane Abdominalschmerz, nicht nur für die Hinzuziehung eines Arztes, sondern auch für die Diagnostik eine entscheidende Rolle. Da der Charakter und der Ursprungsort des Schmerzes bei den möglichen Krankheiten sehr unterschiedlich, dennoch pathognomonisch sein kann, kommt ihm differentialdiagnostische Bedeutung zu. Der viszerale Schmerz ist krampfartig, ausgelöst durch eine vermehrt auftretende Peristaltik bzw. durch einen Krampfzustand eines Hohlorgans. Er ist also praktisch immer kolikartig, wellenförmig, an- und abschwellend. Ihm gegenüber wird der somatische Schmerz vom Patienten als dauernd und in seiner Intensität zunehmender, brennender und stechender Schmerz empfunden. Er entsteht durch Entzündung des Peritoneums oder eines Abdominalorgans. Schon allein diese Unterscheidung der Schmerzsymptomatik durch die richtige Anamneseerhebung kann die Diagnose erheblich erleichtern.

Das nicht traumabedingte akute Abdomen

123

So ist der plötzlich einsetzende, heftige abdominale Schmerz mit Beeinträchtigung der Atemexkursionen und auf das ganze Abdomen sich erstreckende Dauerschmerz meist ein sicheres Zeichen für ein Perforationsereignis mit Entwicklung einer Peritonitis. Anders ist dies bei Verschluß eines Hohlorgans, z. B. des Dünndarms, der einen kolikartigen an- und abschwellenden, immer wieder auftretenden Schmerz auslöst (siehe bei Ileus).

Therapeutische Möglichkeiten Die Frage nach den therapeutischen Möglichkeiten in der Praxis kann nur von Fall zu Fall beantwortet werden. Selbstverständlich muß nicht jedes akute Ereignis im Abdomen mit einer klaren Diagnostik wie z. B. Gallensteinkolik, Ureterkolik usw. einer klinischen Diagnostik und Therapie zugeführt werden. Aber die hier abzuhandelnden Patienten mit dem Vollbild des akuten Abdomens (heftige Schmerzen, Bauchdeckenspannung, Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes) sollten zur weiteren Abklärung und eventuell notwendiger Soforttherapie in eine chirurgische Klinik eingewiesen werden. Das Hauptaugenmerk gilt in der Praxis der Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Transportfähigkeit des Patienten. Wenn nötig, sollte eine Sedierung vorsichtig erfolgen. Zur Schmerzstillung dürfen jedoch keinesfalls Opiade gegeben werden, da sie das Krankheitsbild erheblich verschleiern und zu einer Fehlbeurteilung der Situation bei der Klinikaufnahme führen können. Ein Analgetikum kann ebenso wie auch ein Spasmolytikum eine genügende Schmerzdämpfung, ohne die gravierenden Nebeneffekte der Opiade, bewirken.

Topographie des akuten Abdomen Bei der mannigfaltigen, auf den ersten Blick verwirrenden Vielzahl von Krankheiten, die ein akutes Abdomen hervorrufen können, hat sich eine Einteilung und Gruppierung bewährt. Im Gegensatz zum Ileus und mesenterialen Gefäßverschluß, die sich ubiquitär im Bereich des Abdomens manifestieren, haben die häufigsten Ursachen eines akuten Abdomens regelmäßig ihren Ausgang in einer bestimmten Region des Bauchraumes. Aus didaktischen Gründen und zur besseren differentialdiagnostischen Veranschaulichung dient eine Einteilung nach anatomischtopographischen Gesichtspunkten, wobei das Abdomen in 4 Regionen aufgegliedert wird: akuter rechter und linker Oberbauch, akuter rechter und linker Unterbauch.

124

E. Ungeheuer

Akuter rechter Oberbauch Geht aus der Anamnese hervor, daß der Beginn des akuten Abdomens im rechten Oberbauch lag, so stehen vor allem 3 Erkrankungen im Mittelpunkt der Überlegungen. Die exakte Anamnesenerhebung hat gerade hier für die Differentialdiagnose eine besondere Bedeutung. Bei einer Gallensteinanamnese ist an ein hochakutes Ereignis mit Perforation oder Penetration im Gallenblasenbereich und bei einer U l k u s a n a m n e s e mehr an eine Ulkuspenetration oder Perforation und bei einer alkoholtoxischen rezidivierenden Pankreatitis an eine akute Form dieser Erkrankung zu denken. Ungünstig für den Patienten und am dringlichsten zu diagnostizieren ist die freie Perforation eines Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwüres oder der G a l l e n blase. Der primäre Vernichtungsschmerz kann sich bei der freien Perforation als Dauerschmerz rasch über das gesamte Abdomen, vor allem aber entlang des Colon ascendens in den rechten Unterbauch ausbreiten. Nach einem kurzen Intervall entwickelt sich eine generalisierte Peritonitis mit pathognomonischer Symptomatik: flache und frequente Atmung, dabei vermehrte Schmerzen im Abdomen, angezogene, in der Hüfte und im Knie gebeugte Beine, starke Bauchdeckenspannung, Klopfempfindlichkeit mit Punctum maximum im rechten Oberbauch, Loslaßschmerz, — keine Darmgeräusche (Grabesstille), — Bradykardie im Frühstadium, jedoch sehr rasch in Tachykardie übergehend.

— — — —

Weitere Ursachen für ein akutes Abdomen, die ihren Ausgang im rechten Oberbauch nehmen, sind seltener und meist nicht so schwerwiegend (Abb. 1). Auch eine mehr im rechten Anteil des Organs ausgelöste Pankreatitis verursacht erhebliche Beschwerden mit Symptomen des akuten Abdomens. Im Vordergrund steht ein bohrender Dauerschmerz, der sich gürtelförmig nach rechts und links, aber auch bis in den Unterbauch ausdehnen kann. Wegen der Vieldeutigkeit der Befunde ist auch bei bekannter Pankreasanamnese eine klinische Beobachtung und Therapie empfehlenswert. Die Prognose des akuten Abdomens ist bei dieser Ursache besonders ungewiß.

Akuter linker Oberbauch Nimmt das akute Abdomen seinen Ausgangspunkt im mittleren oder linken Oberbauch, so muß in erster Linie wiederum an eine Ulkusperforation oder an eine Pankreatitis gedacht werden. Die Symptomatik ist fast die gleiche, wie sie bereits für den Ausgangspunkt im rechten Oberbauch beschrieben wurde.

Das nicht traumabedingte akute Abdomen

akute Cholezystitis-

125

p e n e t r i e r e n d e s U l c u s pepticum p e r f o r i e r t e s U l c u s pepticum

Cholelithiasis Gallenblasenperforation

p e n e t r i e r e n d e s U l c u s pepticum | perforiertes U l c u s pepticum

7-A/V

k akute P a n k r e a t i t i s I

pankreasapopiexie, akuter S c h u b e i n e r c h r o n . -rezidiv. Pankreatitis

Harnweqsaffektion

'm\

akute E n t z ü n d u n g der hochgeschlagenen

Appendix

| Stottwechseierkrankungen | L u p u s erythematodes viscerales k P e r i a r t e r i i t i s nodosa

Abb. 1. Akutes Abdomen, vom rechten Oberbauch ausgehend

Alkoholanamnese, Adipositas und bekannte Gallensteinerkrankung geben bei einem heftigen linksseitigen Oberbauchschmerz, der nach dorsal und in die linke Thoraxhälfte ausstrahlt und sich allmählich über das ganze Abdomen ausbreitet, mit einer Schocksymptomatik einhergeht, wichtige Hinweise auf eine akute Pankreatitis. Bei entsprechender Schwere des Zustandsbildes lassen sie auch an eine Pankreasnekrose denken. Aber gerade letztere kann sich auch foudroyant bei „leerer" Vorgeschichte entwickeln. Nicht immer ist die Differentialdiagnose gegenüber einem Myokardinfarkt prima vista in der Praxis leicht. EKG und „Infarktchemie" können in den ersten Stunden falsche Schlußfolgerungen bewirken. Weitere Ursachen für ein akutes Abdomen, die ihren Ursprung im linken Oberbauch haben, sind von geringerer Bedeutung (Abb. 2).

126

E. Ungeheuer

Abb. 2. Akutes Abdomen, vom linken Oberbauch ausgehend

Akuter rechter Unterbauch Die „akute Appendizitis" ist kein „akutes Abdomen". Erst wenn sich eine weiterreichende Entzündung im Peritonealbereich entwickelt hat und der Befund wie auch die Anamnese primär nicht für eine unkomplizierte Appendizitis sprechen, ist die Bezeichnung „akutes Abdomen" gerechtfertigt. Anamnestisch ist hervorzuheben, daß die Appendicitis perforata nicht den so hochakuten und dramatischen Beginn wie die Magenperforation zeigt. Hier geht ein sich über Stunden oder sogar Tage allmählich steigernder Schmerz vom rechten Mittelbauch in das Vollbild einer Peritonitis über mit den typischen Zeichen der Bauchdeckenspannung im gesamten Abdomen. Einen ähnlichen Verlauf können auch Perforationen einer Pyosalpinx oder eines Meckel-Divertikels nehmen. Von besonderer Bedeutung ist neben der Palpation des Abdomens auch die rektale Austastung, die ohnedies zu jeder klinischen Untersuchung gehört. Eine erhebliche Druckempfindlichkeit, manchmal auch mit einer Vorwölbung des Douglas-Raumes bestätigen

Das nicht traumabedingte akute Abdomen

127

die Peritonitis im kleinen Becken, erleichtern aber bei der Frau die Differentialdiagnose zwischen Appendizitis und Adnexitis nicht immer. Der typische Kahnbauch, wie er bei der Magenperforation besteht, ist bei der Appendicitis perforata und der „gynäkologischen Peritonitis" nicht vorhanden. Hier steht im Vordergrund die Blähung des Abdomens mit der trockenen, borkig belegten Zunge. Dies sind Zeichen einer schon länger bestehenden Entzündung im Abdomen. Es fehlt auch nicht der paralytische Ileus mit Übelkeit, Erbrechen, Stuhl- und Windverhaltung, wodurch die Dringlichkeit zur Einweisung in eine chirurgische Klinik unterstrichen wird. Bei weiblichen Patienten ist bei einem akuten Beginn der Schmerzen im rechten Unterbauch mit raschem Übergreifen auf das übrige Abdomen, z. B. auch an eine Tubarruptur oder an eine stielgedrehte Ovarialzyste zu denken. Anamnestische Angaben über das Ausbleiben der Menstruation sind bei der ersten Untersuchung wichtige Hinweise auf die Tubargravidität. Nicht unerwähnt sollen die akuten entzündlichen Prozesse im terminalen Ileum in Form der akuten Ileitis terminalis (Crohn) bleiben, da sie bez. ihrer Abgrenzung gegenüber der forgeschrittenen Appendizitis erhebliche diagnostische und therapeutische Schwierigkeiten machen. Von den weiteren Erkrankungen, die erhebliche Schmerzen im rechten Unterbauch auslösen können, sei noch der Ureterstein erwähnt. Ist seine Diagnose in der Praxis einwandfrei zu stellen, so kann selbstverständlich zunächst einmal die spasmolytische Behandlung von dem Hausarzt bzw. Notfallarzt eingeleitet und unter Beobachtung fortgesetzt werden (Abb. 3).

Akuter linker Unterbauch In den letzten Jahrzehnten hat besonders die Sigmadivertikulitis und ihre Komplikationen das Krankheitsbild des akuten Abdomens mit seinem Ausgangspunkt im linken Unterbauch verursacht. Anamnestisch sind meist bohrende und ziehende Schmerzen vorausgegangen. Aus der Divertikulitis entwickelt sich eine Peridivertikulitis eventuell mit Abszeßbildung und Perforation. Nicht selten können die Schmerzen im linken Unterbauch kolikartigen Charakter haben, die dann als Ausdruck einer stenosierenden Peridivertikulitis gedeutet werden müssen. Bei einem spontanen heftigen Schmerz, dem eine starke Bauchdeckenspannung und Peritonitis folgt, muß an eine freie Perforation mit sich sofort ausbreitender kotiger Peritonitis gedacht werden (Abb. 4).

Akutes Abdomen bei Aortenaneurysma Wegen der Häufigkeitszunahme kann das penetrierende und rupturierte Bauchaortenaneurysma nicht unerwähnt bleiben. Anamnestisch kündigen sich Penetration und Ruptur durch einen vorwiegend im Rücken oder in der Flanke links

128

E. Ungeheuer

^

perforiertes U l c u s duodeni

A

perforiertes Sigmadivertikel bei D o l i c h o s i g m a

Abb. 3. Akutes Abdomen, vom rechten Unterbauch ausgehend

lokalisierten Schmerz an. Die Ruptur geht mit einem intraabdominalen, in den Rücken ausstrahlenden Vernichtungsschmerz und einer foudroyanten Schocksymptomatik einher. Von Anfang an sind die Patienten kaltschweißig, fahlblaß, tachykard und wegen der Schmerzen und Hypovolämie sehr unruhig. Als einziges abdominales Krankheitsbild geht die Aneurysmaruptur sofort mit einer erheblichen Beeinträchtigung der vitalen Funktionen einher. Hier ist höchste Eile geboten. Telefonische Verständigung der ausgewählten chirurgischen Klinik mit Erfahrung und Möglichkeiten der akuten Gefäßchirurgie ist dringend erforderlich.

Ileus Ein außerordentlich bedeutungsvolles Krankheitsbild, das unter dem Sammelbegriff „akutes Abdomen" einzuordnen ist, liegt beim Ileus vor. Wir unterscheiden

Das nicht traumabedingte akute Abdomen

zwischen mechanischem Form gibt.

und funktionellem

Ileus, wobei es auch eine

129 gemischte

Der mechanische Ileus verläuft in der Regel sehr dramatisch. Bei der Strangulation findet man neben dem mechanischen Verschluß des Darmlumens auch einen solchen der Gefäße. Die Obduration geht dagegen zunächst ohne eine Gefäßbeteiligung einher. Die Hauptsymptome des mechanischen Ileus sind kolikartige Schmerzen, Übelkeit mit Erbrechen, Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes, oft auch schon primär Stuhl- und Windverhaltung und im Spätstadium Meteorismus. Durch starken Zug an der Mesenterialwurzel sind nicht selten die kolikartigen Schmerzen auch in den Rücken ausstrahlend. Diese durch die Hyperperistaltik ausgelösten Koliken verursachen die auskultatorisch wahrnehmbaren,-metallisch klingenden, spritzenden Stenosegeräusche, die durch Palpation und Beklopfen des Abdomens oft noch verstärkt werden. Bei schlankem Abdomen sind „Darmsteifungen" erkennbar. Hinweisend auf einen Strangulations-lleus ist die Laparotomienarbe, meist im Unterbauch. Narben, kolikartige Schmerzen, verbunden mit auskultatorisch wahrnehmbarem Metallklang sind die Trias, die die Diagnose „Dünndarmileus" mit Einweisungspflicht in eine chirurgische Klinik zuläßt. Der Strangulations-lleus verläuft dramatischer als der Okklusions-Ileus. Bei der Dünndarmokklusion ist vor allem an den oft zu spät erkannten Gallensteinileus mit seiner hohen Letalität zu denken. Der Dickdarmileus wird am häufigsten durch eine Tumorstenose, die sich langsam entwickelt, verursacht. Wird der mechanische Ileus, gleichgültig wodurch er verursacht ist, nicht rechtzeitig erkannt und behandelt, so entwickelt sich eine Darmatonie mit allen Zeichen der Elektrolytentgleisung und der Intoxikation als Ausdruck des fortgeschrittenen Stadiums. Auskultatorisch gehört die Totenstille zum Vollbild des paralytischen Ileus. In diesem Stadium ist die Unterscheidung zwischen dem mechanischen und paralytischen Ileus klinisch kaum mehr möglich. Wiederum hilft hauptsächlich die Anamnese. Es besteht eine diffuse Druckschmerzhaftigkeit des gesamten Bauchraumes mit starker Gasentwicklung und tympanitischem Klopfschall im Abdominalbereich. Das Ausmaß der metabolischen Entgleisung wird man erst in der Klinik feststellen können. Der paralytische oder dynamische Ileus ist jedoch kein eigenes Krankheitsbild. Er tritt einmal im Spätstadium des mechanischen Ileus als Zeichen der Überdehnung (Distension) der prästenotischen Schlingen und zum anderen als Folge einer Peritonitis im Gefolge einer Darmwandstörung mit Durchwanderungsperitonitis oder einer fortschreitenden Perforationsperitonitis auf. Nicht selten kommt er auch, zunächst reflektorisch als Atonie, bei retroperitonealen Affektionen (z.B. Ureterstein, traumatisch bedingte Hämatome und Blutungen usw.) vor. Als aus-

130

E. Ungeheuer

lösende Ursache einer solchen Atonie sind im Anfangsstadium auch die Mesenterialgefäßverschlüsse anzusehen. Eine Differentialdiagnostik durch den niedergelassenen Arzt bzw. Notfallarzt ist nicht möglich und auch nicht erforderlich. Seine wichtigste Aufgabe besteht ausschließlich darin, den Ileus zu erkennen und damit die notwendige Behandlung in einer chirurgischen Klinik einzuleiten.

Zusammenfassung Der Begriff „akutes Abdomen" erfordert die hohe Schule des klinischen Blickes. Hierbei besitzen vor allem die Sinnesorgane für Inspektion, Palpation und Auskultation den höchsten Stellenwert. Innerhalb von wenigen Stunden entscheidet sich der Ausgang der Krankheit. Der niedergelassene Arzt und der im Notfall tätige Kollege trägt die Hauptverantwortung für eine eventuell weiterführende Diagnostik und damit auch für die Frühbehandlung. Die Einweisung in eine chirurgische Klinik sollte rasch erfolgen, sie ist nicht gleichbedeutend mit Operationsindikation. Dort bestehen, wenn erforderlich, auch Möglichkeiten zu weiteren interdisziplinären Untersuchungen und Behandlungen.

Literatur [1] Berkhoff, W., E. Ungeheuer: Das rupturierte Aortenaneurysma. Fortschr Med 96 (1978) 880 — 882 [2] Gelin, L. E., L. M. Nyhus, R. E. Condon: Akutes Abdomen. Ein Wegweiser zur raschen Diagnose. Deutsche Bearbeitung: H. Heymann. Schattauer-Verlag. Stuttgart 1973 [3] Kunz, H.: Das akute Abdomen. Urban Sc Schwarzenberg. München 1969 [4] Ungeheuer, E., G. Schade: Akutes Abdomen. Therapiewoche 20 (1969) 9 1 9 - 9 2 4 [5] Ungeheuer, E., G. Schade: Akutes Abdomen. Diagnose — Differentialdiagnose. Fortschr Med 87 (1969) 3 7 7 - 3 8 1 , 3 8 3 - 3 8 5 [6] Ungeheuer, E., W. Fabian: Differentialdiagnose des akuten Abdomens. Klinische Gastroenterologie. 2. Aufl. Thieme Verlag 1984, Bd II, S. 5 4 0 - 5 4 8

Zur präklinischen Diagnostik und Therapie von Vergiftungen W. Klaus Die folgenden Ausführungen zur präklinischen Diagnostik und Therapie von Vergiftungen beschränken sich auf jene Aspekte, die aus pharmakologischer Sicht beachtenswert erscheinen, weil sie entweder Hinweise für das Erkennen eines derartigen Zustandes geben oder Ansatzpunkte für sinnvolle medikamentöse Maßnahmen darstellen. Sie sollen nur dazu dienen, die prinzipielle Vorgehensweise aufzuzeigen, Einzelheiten müssen den detaillierten Darstellungen in der einschlägigen Literatur [2, 5 —12, 14 —16] entnommen werden, auf denen die meisten der getroffenen Aussagen basieren.

Zur Diagnostik akuter Vergiftungen Am wichtigsten im Hinblick auf die Verdachtsdiagnose „Vergiftung" ist zweifelsohne, diese Möglichkeit differentialdiagnostisch überhaupt in Erwägung zu ziehen. Dazu können bestimmte Symptomenkomplexe veranlassen, die allerdings nur bei wenigen Vergiftungen — z. B. mit Alkohol, Alkylphosphaten, Blausäure, Kohlenmonoxid, Arsen, Lösungsmitteln, Säuren und Laugen — derart typisch sind, daß man diesen Zusammenhang sofort erkennt oder zumindest vermutet. Meist sind es jedoch ziemlich uncharakteristische Störungen im Bereich des Zentralnervensystems, der Atmung, des Herz-Kreislauf-Systems, der Verdauungsorgane, der Haut und Schleimhäute, die oft nur im Verbund mit gewissen äußeren Umständen einen derartigen Verdacht erwecken. Hilfreich kann in diesem Zusammenhang auch sein, sich der häufigsten Vergiftungsformen der jeweiligen Region bewußt zu sein, wie sie z. B. für den Einzugsbereich des Kreiskrankenhauses Wedel dargestellt wurden (Abb. 1). Dominierend war hierbei der Alkohol, zum Teil auch in Kombination mit Medikamenten, die für sich allein genommen den zweiten Platz einnehmen. In dieser Kategorie dominieren ganz eindeutig die Mittel mit zentralen Wirkungen — wie Hypnotika und Psychopharmaka — aber auch die Analgetika sind noch stark vertreten, während sich die restlichen Arzneimittelvergiftungen ziemlich gleichmäßig auf die weiteren Wirkstoffgruppen verteilen. In anderen Erhebungen (z. B. Städtisches Krankenhaus Nürnberg [16], Medizinische Klinik der Universität Mainz [11], St. Antonius-Kliniken Wuppertal [1] überwiegen die akuten Medikamentenvergiftungen, mit einem weitgehend übereinstimmenden Spektrum der beteiligten Stoffklassen.

132

W. Klaus

VERGIFTUNGSURSACHEN KRANKENHAUS WEDEL 1972 - 1982 Alle S t o f f e

Medikamente

1 HjpnoticaiSeaihri

(S S %

2 Psjcnophrmaci

25,1 %

3 inilgetici t Antihipertomci una totihypolonia

t0.3 % I S 1.

5 Sigillili fi intiepiteprici

1,2 V. 1,0 %

7 Sonstige

10, r V,

Abb. 1. Häufigkeit von Vergiftungsursachen für den Einzugsbereich des Krankenhauses Wedel/ Holstein in den Jahren 1 9 7 2 - 1 9 8 1 [13]

Derartige Informationen über die Epidemiologie von Vergiftungsfällen sind nützlich auch hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, mit der in der betreffenden Region bestimmte Ereignisse zu erwarten sind und sollten Anlaß sein, sich mit den typischen Ausprägungsformen speziell dieser Vergiftungen besonders vertraut zu machen. Allerdings sollten darüber die selteneren Vergiftungsbilder nicht übersehen werden, die zum Teil weniger populäre Medikamentengruppen, vor allem aber - und dies in zunehmendem Maße - Haushalts- und Umweltgifte, betreffen [2, 3]. Überhaupt ist ein fortwährender Wandel des Spektrums zu bedenken, da sich die Verfügbarkeit der Mittel, ihre Einwirkungsmöglichkeiten bei veränderter Lebens- und Arbeitsweise und die Modeströmungen im Gebrauch bestimmter Stoffe ändern kann.

Allgemeine therapeutische Maßnahmen Wenn eine Vergiftungsdiagnose gestellt oder vermutet worden ist, ergeben sich für die Therapie im präklinischen Bereich nur sehr limitierte spezielle Möglichkeiten (Abb. 2). Wie bei allen Notfällen, gilt es zunächst die Vitalfunktionen im Rahmen der Elementarhilfe zu sichern, bevor gezielte vergiftungsbezogene Maßnahmen ergriffen werden können, das heißt man sollte sich zuerst die Frage stellen „Woran stirbt der Patient, wenn ihm nicht geholfen wird?" und selektiv die beeinträchtigten Funktionen unterstützen.

Vergiftungen

133

L e i t s c h e m a zur Behandlung von Vergiftungen

B

Beatmung

Atemwege

A

C

Circulation

Gegengifte

G

D

DrogenauskunftAsservierung

E

Entgiftung

VERGIFTUNGSTHERAPIE Fürsorge Transport

p

Abb. 2. Leitschema zur Behandlung von Vergiftungen (nach [2]).

Bei der Elementarhilfe stehen die mechanischen-apparativen bzw. die allgemeinpflegerischen Maßnahmen ganz im Vordergrund. Dies gilt speziell für das Freihalten der Atemwege und gegebenenfalls die Beatmung. Die früher in vielen Situationen einer bedrohlich eingeschränkten Atmung übliche Verabreichung sogenannter Atemanaleptika ist schon seit langem obsolet, da ihre Wirkung zu unspezifisch ist und sie zu Krämpfen und schweren Kreislaufstörungen Anlaß geben können. Allein bei einer opiatbedingten zentralen Atemlähmung wäre eine spezifische Antidottherapie mit Naloxon (das allerdings nur relativ kurz wirkt) oder dem länger wirkenden Naltrexon (das bisher noch nicht zugelassen ist) angebracht. Daneben kann eine Atemdepression im Rahmen eines anticholinergen Syndroms (z.B. im Rahmen von Vergiftungen mit bestimmten Psychopharmaka) durch die Gabe von Physostigmin behandelt werden, das auch gegen begleitende Krämpfe wirksam ist, die in anderen Zusammenhängen weitgehend standardmäßig mit Diazepam unterdrückt werden. Darüber hinaus ist gelegentlich noch bei Vorliegen eines toxischen Lungenödems die lokale Anwendung von Glukokortikoiden in Form von Dexamethason- oder Beclomethason-Spray in Betracht zu ziehen. Bestehende Zirkulationsstörungen erfordern eher schon den Einsatz geeigneter Medikamente, etwa um Störungen der Herzfrequenz, des Herzrhythmus oder gar einen Herzstillstand zu behandeln, oder im Rahmen der Schocktherapie, die sich nicht von der Vorgehensweise bei anderen Schockzuständen unterscheidet, wobei in Vergiftungsfällen vorrangig mit hypovolämischen, aber auch mit neurogenen Schockformen zu rechnen ist. (Einzelheiten siehe Beiträge Grosser und Schuster.)

134

W. Klaus

Spezielle therapeutische Maßnahmen Aus dem Bereich der speziell gegen die Vergiftung gerichteten Maßnahmen sollen nur jene Aspekte der Entgiftung und der Gegengiftverabreichung erwähnt werden, die in der präklinischen Behandlungsphase eine Rolle spielen. Die Entgiftung hat zum Ziel, die Giftexposition zu beenden und die Giftresorption zu reduzieren. Dies umfaßt die Beseitigung einer toxischen Atmosphäre, das Abwaschen von kutan applizierten Giftstoffen, wobei vor allem bei stark lipophilen Substanzen, die gut in und durch die Haut penetrieren, der Zusatz von Netzmitteln angebracht ist. Da der orale Vergiftungsweg dominiert, steht allerdings meist die Elimination des Giftes aus dem Verdauungstrakt im Vordergrund der Bemühungen. Nur in diesem Zusammenhang sind wiederum gewisse medikamentöse Maßnahmen in Erwägung zu ziehen. Sie spielen eine um so größere Rolle, je länger der Transport in die Klinik oder spezielle fachliche Maßnahmen auf sich warten lassen, da manche hochtoxischen Substanzen nach erfolgter Resorption zu unbehandelbaren Situationen führen können und hierzu zum Teil schon relativ kurze Zeit ausreicht (z.B. Paraquat). Eine Verhinderung der Giftabsorption aus dem Magen-Darm-Kanal ist am einfachsten (zum Teil auch für Laien) durch provoziertes Erbrechen (Tab. 1) herbeizuführen, allerdings nur bei ansprechbaren Patienten, die in eine geeignete Position zur Vermeidung einer Aspiration gebracht werden können und nur bei Vergiftungen mit Medikamenten, Alkohol und anderen Stoffen, bei denen keine substanzbedingte Aspirationsgefahr (siehe unten) gegeben ist. Dagegen ist diese Maßnahme in jedem Falle kontraindiziert bei nicht ansprechbaren oder krampfenden Patienten, aber auch bei ansprechbaren Patienten, falls sie Schaumbildner (z. B. Spülmittel, Waschmittel) oder Lösungsmittel (z. B. Benzin, Tetrachlorkohlenstoff) eingenommen haben, die alle eine hohe Aspirationsgefahr beinhalten, mit meist deletären Folgen für die Lungenfunktion (toxisches Lungenödem), oder — falls es sich um Vergiftungen mit Säuren und Laugen handelt

Tab. 1. Verhinderung der Giftabsorption aus dem Magen-Darm-Trakt durch provoziertes Erbrechen [nach 15] Indikationen: ansprechbare Patienten mit Vergiftungen durch Alkohol, Medikamente, Substanzen ohne Aspirationsrisiko Kontraindikationen: 1. alle nicht ansprechbaren Patienten 2. ansprechbare Patienten mit Vergiftungen durch Schaumbildner, Lösungsmittel, Säuren und Laugen Vorsicht: ansprechbare Patienten mit Vergiftungen durch Antiemetika

Vergiftungen

135

— zu weiteren Verätzungen in kritischen Bereichen des Ösophagus führen könnten. Vorsicht ist darüber hinaus geboten bei Vergiftungen mit antiemetisch wirkenden Stoffen (wie Antihistaminika, Neuroleptika), da hierbei nicht nur das Erbrechen ausbleibt, sondern das verabfolgte Emetikum eventuell zusätzlich in unerwünscht hohem Maße noch absorbiert werden kann, wodurch unter Umständen weitere Probleme herbeigeführt werden können. Alle Maßnahmen mit dem Ziel des provozierten Erbrechens (Tab. 2) erfordern das vorherige Trinken von ausreichenden Mengen Flüssigkeit — mit Ausnahme von Milch und Alkohol — wodurch ein Verdünnungseffekt erzielt wird und das Erbrechen erleichtert bzw. erst ermöglicht werden kann. Eine mechanische Reizung der Rachenhinterwand ist unproblematisch durchzuführen und mit keinen Risiken verbunden, dagegen kann das Trinken von warmem Salzwasser beim Ausbleiben von Erbrechen bedrohliche Auswirkungen haben, da es zu einer dramatischen Kochsalzvergiftung führen kann. Aus diesem Grunde ist dies die am wenigsten empfehlenswerte Maßnahme. Die Verabfolgung von IpecacuanhaSirup ist im angelsächsischen Bereich ein Standardverfahren, vor allem bei Vergiftungen von Kindern, und findet sich deshalb in den meisten Hausapotheken. Bei uns steht kein Fertigpräparat zur Verfügung, weshalb nur von der Möglichkeit einer individuellen Rezeptur Gebrauch gemacht werden kann. Die Gabe von Apomorphin ist meist mit starken vagalen Reizerscheinungen und mit Atemdepression verbunden, deshalb bei Kindern kontraindiziert. Übermäßig starke Wirkungen lassen sich mit dem Opiatantagonisten Naloxon aufheben. Tab. 2. Maßnahmen zum Auslösen von Erbrechen Methoden

geeignet für Kinder

1. mechanische Reizung

+

2. Salzwasser 3. Ipecacuanha-Sirup 4. Apomorphin

+

(+)

Wirkungseintritt Erwachsene

+ + (+)

+

sofort etwa 40 min etwa 20 min etwa 5 min

Die weitere Absorption der auf dem Wege des provozierten Erbrechens nicht eliminierbaren Anteile kann durch die Verabreichung von Aktivkohle und Laxantien unterbunden oder zumindest reduziert werden (Tab. 3). Aktivkohle sollte immer in angemessener Menge (z. B. 1 g/kg) gegeben werden, eventuell auch wiederholt alle 4 Std. bis zu 48 Std. lang, da sie häufig nicht nur die nicht abresorbierten Mengen eines Giftes zu binden vermag, sondern auch den enterohepatischen Kreislauf für Stoffe wie trizyklische Antidepressiva und Digitoxin unterbrechen kann, und darüber hinaus auch während dieser Zeit selbst die Ausscheidung von i. v. appliziertem Phenobarbital und Theophyllin zu beschleu-

136

W. Klaus

Tab.3. Entgiftungsraöglichkeiten nach oraler Giftaufnahme 1. Allgemeine M a ß n a h m e n :

Aktivkohle, Laxantien

2. Spezielle M a ß n a h m e n bei Vergiftung mit

Schaumbildnern: Dimethylpolysiloxan, Lösungsmitteln: Paraffinöl, Säure, Basen: Wasser Paraquat: Bentonit

nigen vermag, nach Art einer „gastroenteralen Dialyse". Die (zusätzliche) Gabe von Laxantien sollte sich aus Gründen der raschen Wirkung und der Verträglichkeit auf salinische Abführmittel beschränken, die mit reichlich Flüssigkeit gegeben werden müssen (z.B. 1 — 2 Eßlöffel Natriumsulfat auf 1 Glas Wasser). Spezielle Entgiftungsmaßnahmen können nur in besonderen Fällen präklinisch eingeleitet werden (Tab.3), z.B. bei Schaumbildnern mit Dimethylpolysiloxan, bei Lösungsmitteln mit Paraffinöl, bei Säuren und Basen durch Verdünnung mit anderen Flüssigkeiten, bei bestimmten Herbiziden durch die Gabe von Bentonit — eine besonders wichtige Maßnahme, da in diesen Fällen nach erfolgter Absorption keine spezifische Therapiemöglichkeit mehr gegeben ist. Ein präklinischer Einsatz spezifischer Gegengifte ist nur bei eindeutiger Diagnose vertretbar, vor allem bei Vergiftungen mit hochtoxischen und rasch wirkenden Stoffen (Tab. 4). Tab. 4. Spezielle Antidottherapie (Auswahl) Alkylphosphate:

Atropin

Anticholinergika:

Physostigmin

Arsen:

Dimercaprol

Blausäure, Zyanide:

4-Dimethylaminophenol

Kohlenmonoxid:

Sauerstoff

Methanol:

Äthanol

Opiate:

Naloxon

Der konsequente Einsatz derartiger Maßnahmen, vor allem aber auch die — hier nicht abgehandelten — nicht medikamentösen Verfahren im Rahmen der Elementarhilfe und die in der Klinik realisierbaren Möglichkeiten der spezifischen Detoxikation haben dazu geführt, daß trotz der steigenden Zahl stationär behandlungsbedürftiger Vergiftungen in den letzten Jahren die Vergiftungstodesfälle nicht angestiegen sind bzw. sogar abgenommen haben [3, 4, 16], wenngleich in Teilbereichen nur ein Stagnieren zu verzeichnen ist. Dies sollte Anlaß sein, weitere Verbesserungen im Rahmen der präklinischen Versorgung Vergifteter durch konsequente Ausnutzung der bereits bestehenden medikamentösen und technischen Möglichkeiten anzustreben und erkannte Schwachstellen durch Entwicklung neuer Verfahren zu beseitigen.

Vergiftungen

137

Literatur [1] Bani, G.: Intoxikationen im Krankengut der St. Antonius-Kliniken Wuppertal in den Jahren 1 9 7 4 - 1 9 8 1 . Med. Dissertation, Erlangen 1983 [2] Daunderer, M.: Toxikologische Enzyklopädie — Klinische Toxikologie. Ecomed, Landsberg/ Lech 1981 - 1 9 8 5 [3] Deutsche Forschungsgemeinschaft, Denkschrift: Klinisch-toxikologische Analytik, Verlag Chemie, Weinheim 1983 [4] Deutsche Forschungsgemeinschaft, Denkschrift: Dokumentation und Information in der klinischtoxikologischen Analytik, Verlag Chemie, Weinheim 1987 [5] Gossel, T. A., J . D. Bricker: Principles of Clinical Toxicology. Raven Press, New York 1984 [6] Harloff, M.: Der Intoxikierte als Notfallpatient. In: Notfallmedizin (Hrsg. F. W. Ahnefeld et al.), S. 200 - 209. Springer Verlag, Berlin 1986 [7] Hellenbrecht, D., B. Lemmer, K. Quiring: Akute Vergiftungen. In: Pharmakotherapie — Klinische Pharmakologie (Hrsg. G. Füllgraff, D. Palm), S. 380 - 401. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart 1986 [8] Klaassen, C. D., M. O. Amdour, J. Doull: Casarett and Doull's Toxicology. MacMillan Publishing Company, New York 1986 [9] Maronde, R. F. (Ed.): Topics in Clinical Pharmacology and Therapeutics. Springer Verlag, New York 1986 [10] Moeschlin, S.: Klinik und Therapie der Vergiftungen. Thieme Verlag, Stuttgart 1986 [11] Okonek, S.: Vergiftung, Entgiftung, Giftinformation. Springer Verlag, Berlin 1981 [12] Okonek, S., G. Fülgraff, R. Frey (Hrsg.): Humantoxikologie. Akute Vergiftungen - Giftinformation. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart 1979 [13] Reissinger, G.: Vergiftungen im Krankengut des Kreiskrankenhauses Wedel/Holstein in den Jahren 1 9 7 2 - 1 9 8 1 . Med. Dissertation, Erlangen 1982 [14] Schuster, H.-P. (Hrsg.): Soforttherapie bei Vergiftungen. Perimed, Erlangen 1983 [15] Späth, G.: Vergiftungen und akute Arzneimittelüberdosierungen. Walter de Gruyter, B e r l i n New York 1982 [16] Wirth, W., Ch. Gloxhuber: Toxikologie-Fibel. Thieme Verlag, Stuttgart 1985

Der Schlaganfall: Diagnose und präklinische Versorgung K. Herholz, W.-D. Heiss Akute zerebrovaskuläre Erkrankungen stellen mit 12—15% aller Fälle die dritthäufigste Todesursache nach den Herz-Kreislauf-Erkrankungen und allen bösartigen Geschwülsten dar. Die Inzidenzrate (der Anteil an jährlichen Neuerkrankungen pro Bevölkerungsgruppe) akuter zerebrovaskulärer Erkrankungen wird ungefähr doppelt so hoch eingeschätzt wie die Mortalität [13]. Folgende Krankheitseinheiten werden unter den akuten zerebrovaskulären Erkrankungen — dem apoplektischen Insult im weiteren Sinne — zusammengefaßt: ischämische Insulte, spontane intrazerebrale Massen- und Subarachnoidalblutungen. Die Häufigkeitsverteilung zerebrovaskulärer Erkrankungen ergibt einen mittleren Anteil von 70% ischämische Insulte, 20% intrazerebrale und 10% Subarachnoidalblutungen. Durch klinische Methoden allein sind akute zerebrovaskuläre Erkrankungen nicht immer einer dieser Untergruppen zuzuordnen. 3 bis 8% der ischämischen Insulte sind auf Embolien, meist aus dem Herzen, zurückzuführen. In einer Bevölkerung von 100000 ist aufgrund der Inzidenzraten jährlich mit etwa 200 bis 250 neuen akuten zerebrovaskulären Erkrankungen zu rechnen, die sich in 140 —175 ischämische Insulte, 40 — 50 intrazerebrale Blutungen und 20 — 25 Subarachnoidalblutungen unterteilen. Je nach Art der zerebrovaskulären Erkrankung sterben 10 — 25% der Apoplektiker an den unmittelbaren Folgen des Insultes. Die Letalität innerhalb von 5 Jahren nach ischämischen Insulten liegt bei 50%, wobei als Todesursache neben dem Reinsult der Myokardinfarkt, die kardiale Dekompensation oder andere gefäßbedingte Organstörungen eine Rolle spielen. Das Schicksal der Überlebenden hängt weitgehend vom Schweregrad der Hirnschädigung, aber auch von allgemeinen Faktoren ab. Im Durchschnitt erholt sich jeder zweite Überlebende, etwa jeder vierte kann ins frühere Berufs- und Privatleben zurückkehren. Der Rest der Patienten ist bleibend mehr oder minder beeinträchtigt [15].

Differentialdiagnose akuter zerebrovaskulärer Erkrankungen Die Zuordnung akuter zerebrovaskulärer Erkrankungen zu den einzelnen Untergruppen ist schwierig und kann oft nur mit Hilfe von Zusatzuntersuchungen erfolgen. Die Tabelle 1 stellt die klinischen Kriterien dar, nach denen die Diagnose einer der drei Haupttypen eingeengt werden kann. Letzte Sicherheit bringen aber technische Zusatzuntersuchungen, wobei für die eindeutige Zuordnung heute der

140

K. Herholz, W.-D. Heiss

Tab. 1. Differentialdiagnose akuter zerebrovaskulärer Erkrankungen

Beginn

Ischämischer Insult

Intrazerebrale Blutung

Subarachnoidalblutung

graduell

akut

akut

(Embolie: plötzlich) Entwicklung Auftreten

sprunghaft (Stunden)

rasch (Minuten)

rasch

gehäuft in frühen

bei Belastung

bei Belastung (50%)

Morgenstunden Bewußtseinsstörung

selten

meist Koma

manchmal

Kopfschmerz

selten

stark

plötzlich, sehr stark

Anfängliches Erbrechen selten (nur Hirnstamm) meist Meningismus

nie

meist

manchmal

fast immer manchmal

Hypertonie

häufig

meist

Hemiparese

häufig

häufig

nie im Beginn

Déviation conjuguée

häufig

häufig

nie im Beginn

Sprachstörung

häufig

häufig

sehr selten

Vorangegangene T I A

häufig

selten

nie

häufig

selten

Arteriosklerose

häufig

anderer Organe

(Embolie: kardiale Grundkrankheit)

Liquor

klar

häufig blutig

blutig

Computertomographie

hypodense Läsion

hyperdense Läsion

evtl. Blut im

Angiographie

Gefäßveränderung

Veränderung

Blutungsquelle

Subarachnoidalraum

Computertomographie, der zerebralen Angiographie und der Liquoruntersuchung die größte Bedeutung zukommt. Apparative Methoden werden bei zerebrovaskulären Erkrankungen für zwei entscheidende Hauptindikationen eingesetzt: — zur Sicherung der klinischen Diagnose und Nachweis krankheitsspezifischer und/oder ursächlicher morphologischer Veränderungen, — zur Quantifizierung pathophysiologischer Veränderungen, die Aussagen über den Mechanismus der Entstehung neurologischer Ausfälle und über Verlauf und Prognose ermöglichen und eventuell therapeutische Hinweise ergeben.

Sicherung der Diagnose Zur diagnostischen Abklärung und zum Nachweis morphologischer Veränderungen sind bei zerebrovaskulären Erkrankungen drei Hilfsuntersuchungen notwendig, die aufgrund ihrer Aussagekraft alle anderen Methoden in den Hintergrund gedrängt haben: Liquoruntersuchung, Computertomographie, Angiographie.

Der Schlaganfall

141

Liquoruntersuchung Mit der Untersuchung des Liquor cerebrospinalis können die klinische Diagnose einer Subarachnoidalblutung bewiesen und Hinweise zur Differenzierung zwischen blutigem und ischämischem Insult gegeben werden. Bei intrazerebralen Blutungen, die nicht mit dem Liquorraum kommunizieren, kann die Blutbeimengung zum Liquor anfänglich oder auf Dauer fehlen.

Computertomographie (CT) Art, Lokalisation und Ausdehnung einer Störung oder Änderung des Aufbaus des Hirngewebes werden am sichersten durch die CT entdeckt. Infarzierte Areale zeichnen sich als Gebiete verminderter Röntgenabsorption, d. h. als hypodense Strukturen ab, wobei diese Absorptionsverminderung kurz nach dem Insult und auch später im Verlauf (2. bis 3. Woche) vorübergehend nicht zu beobachten ist [3]. Aufgrund der eingetretenen Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke in und in der Umgebung des infarzierten Areals (Ödemzone) kann sich die Hypodensität bei Gabe von Kontrastmittel (Enhancement) ausgleichen, so daß immer CTUntersuchungen mit Kontrastmittel allein nicht ausreichen und immer Untersuchungen vor und nach Kontrastmittelgabe erforderlich sind. Das Einbluten in ein primär ischämisch geschädigtes Hirnareal (hämorrhagischer Infarkt), mit dem immer eine Verschlechterung der Prognose verbunden ist, und eine primäre intrazerebrale Blutung können immer als streifig girlandenförmige bzw. massive kugelig bis ovale Bezirke mit vermehrter Röntgenabsorption (hyperdense Areale) im CT nachgewiesen werden, so daß die klinisch oft schwierige Differenzierung zwischen ischämischem und blutigem Insult im CT mit Sicherheit möglich ist. Häufig gelingt im CT auch bei Subarachnoidalblutungen der Nachweis von Blut in den äußeren und inneren Liquorräumen, so daß in diesen Fällen auf eine Lumbalpunktion verzichtet werden kann. Zum Nachweis umschriebener morphologischer Veränderungen des Hirngewebes können auch andere apparative Methoden herangezogen werden, wobei heute nur die Kernspintomographie (Magnet-Resonanz-Tomographie, MRT) eine der CT vergleichbare diagnostische Sicherheit erreicht. Mit diesem Verfahren können morphologische Veränderungen im Gewebe bildlich in beliebiger Schnittebene dargestellt werden. Dieses Verfahren eignet sich besonders gut zur Abbildung von Infarkten, die sich in den T2 gewichteten Bildern als signalintensive Regionen darstellen. Mittels M R T können Infarkte früher nach der ischämischen Attacke nachgewiesen werden. Mit diesem Verfahren gelingt auch der Nachweis von kleineren Infarkten. Außerdem ist die M R T der CT bei Veränderungen in der hinteren Schädelgrube überlegen, da bei der M R T keine Knochenartefakte entstehen. Intrazerebrale Blutungen haben aber je nach Stadium der Blutung ein wechselndes Signalverhalten im MRT, so daß eine sichere Differenzierung zwi-

142

K. Herholz, W.-D. Heiss

sehen ischämischem und blutigem Insult mittels C T besser gelingt. Wegen der fehlenden Strahlenbelastung, der geringeren Artefaktstörung in der hinteren Schädelgrube, der beliebigen Wiederholbarkeit der Untersuchung und der freien Selektion der Schnittebene kann die M R T in vielen Fällen die C T ersetzen, wobei unter Umständen auch bessere Ergebnisse erreicht werden [20],

Angiographie Der Nachweis der Ursache zerebrovaskulärer Erkrankungen, der Gefäßläsion, gelingt mit Sicherheit nur durch die Angiographie. Ischämische Insulte sind meist durch arteriosklerotische Gefäßveränderungen verursacht. In 40 — 60% aller Hirninfarkte sind Verschlüsse oder Stenosen größerer Gefäße angiographisch oder autoptisch faßbar. Die übrigen Insulte sind durch Herz-Kreislauf-Störungen (Myokardinfarkte, Rhythmusstörungen usw.), Embolien oder hämodynamische Auslöser bei diffusen arteriosklerotischen Veränderungen verursacht. Die angiographisch nachweisbaren Gefäßveränderungen betreffen häufig extrakranielle Gefäßabschnitte, wobei in 50% die A. carotis interna, in 20 — 25% die A. cerebri media, in 11 — 16% die A. vertebralis, in 2 — 5% die A. basilaris, in 2 — 3 % die A. subclavia, in 1 — 2% die A. carotis communis und in weniger als 1% der Truncus brachiocephalicus betroffen sind [5]. Da die Arteriosklerose eine generalisierte Erkrankung ist, finden sich häufig Veränderungen in mehreren Gefäßen oder Gefäßbezirken. Die Schwere und Ausbreitung zerebraler Ausfälle (typische Erscheinungen bei einzelnen Gefäßsyndromen sind in Tab. 2 aufgelistet) bei Gefäßverschlüssen und Stenosen hängt von funktionellen Ausgleichsmechanismen

Tab. 2. Häufige Symptome bei Durchblutungsstörungen einzelner Gefäßgebiete („Gefäßsyndrome") A. cerebri anterior

A. cerebri media

A. cerebri posterior

A. vertebralis, basilaris

Schwäche, Parese

Kontralaterale Mono-

Hemianopsie,

Mono-, Hemi-, Tetrapa-

und Reflexstörung des

oder Hemiparese,

Flimmerskotom, evtl.

resen, Hirnnervenaus-

kontralateralen Beins,

Hemihypästhesie,

beidseitige Blindheit,

fälle,

Verwirrtheit,

Parästhesien,

Amnesie,

Alternans-Syndrom,

Orientierungsstörung

Evtl. Sprach-,

Thalamus-Syndrome

Steh- und Gangunsicher-

Rechen-, Schreib-

heit,

und Lesestörung,

Ataxie,

homonyme Hemianop-

Drop Attacks

sie,

Sprach- und Schluckstö-

optische Sensationen

rung, optische Sensationen, Gesichtsfeldeinengung, Erblindung, Schwindel, Nystagmus, Bewußtseinsstörungen

Der Schlaganfall

143

und der Kollateralversorgung über intrakranielle (Circulus arteriosus Willisii, intrazerebrale Anastomosen, leptomeningeale Verbindungen), extra-intra-kranielle (A. ophthalmica, A. pteryoidea, A. caroticotympanica) oder extrakranielle Anastomosen (Umgehung von Verschlüssen an den Abgängen der großen Arterien vom Aortenbogen) ab, die auch durch die Angiographie nachgewiesen werden können (Tab. 2). Bei ausreichender Funktion dieser Anastomosen können neurologische Ausfälle fehlen: 20 — 40% der einseitigen Verschlüsse der A. carotis interna, 70 — 80% aller extrakraniellen Stenosen oder Verschlüsse der A. vertebralis und die Mehrzahl der Läsionen an den großen Aortenbogengefäßen gehen ohne Hirninfarkt einher. Häufig bestehen zusätzlich diffuse Veränderungen an kleinen Hirngefäßen, die auch zu manifesten Mangeldurchblutungen in neurologisch stummen Regionen führen können (Demenz vom Multi-Infarkt-Typ nach Hachinski et al. [9]). Die zerebrale Angiographie hat als traumatische Untersuchungsmethode ein Komplikationsrisiko, wobei die Häufigkeit von der Art der Untersuchung, von der Anzahl der untersuchten Gefäßgebiete und von der Grundkrankheit abhängt: Bezogen auf ein Gefäßgebiet traten in 1,22 bzw. 1,48% der Untersuchungen Komplikationen auf, die aber nur bei 0,37 bzw. 0,3% der Patienten irreversible Schädigungen bzw. Todesfälle verursachten [19]. Von schwereren Komplikationen waren besonders Patienten mit ausgeprägten Gefäßläsionen betroffen, also die Fälle, bei denen die Untersuchung zur weiteren therapeutischen Indikation (z. B. Gefäßchirurgie) besonders notwendig war. Um dieses Risiko zu vermeiden, wurden in den letzten Jahren vermehrt atraumatische Untersuchungsmethoden herangezogen, die bisher aber nicht die diagnostische Aussagekraft der Angiographie erreichten, so daß sie vor allem als Suchmethoden eingesetzt wurden.

Weitere Untersuchungsmethoden Von diesen Suchmethoden haben Ultraschalluntersuchungen für Gefäßveränderungen im extrakraniellen Bereich weite Verbreitung gefunden. Direkte Untersuchungen an der A. carotis im Halsgebiet werden durchgeführt mit B-Scannern, die Echos in Beziehung zum akustischen Widerstand des Gewebes registrieren, oder mit kontinuierlichen oder gepulsten Ultraschallgebern, die den DoppierEffekt mit Frequenzverschiebung zum Registrieren der Fließgeschwindigkeit und -richtung des Blutes ausnutzen. Mit beiden Geräten können Bilder der Karotisbifurkation rekonstruiert werden, die Trefferquote liegt bei 85 — 95% für höhergradige Stenosen und Verschlüsse. Die periorbitale und supraorbitale direktionelle Doppler-Sonographie wird als indirekte Methode zum Nachweis von Strömungshindernissen in der A. carotis interna angewendet und kann Verschlüsse in 90 — 95% der Fälle nachweisen [4].

144

K. Herholz, W.-D. Heiss

Die digitale Subtraktionsangiographie verzichtet auf die invasive und traumatische Punktion oder Katheterisierung von Arterien. Hier werden Kontrastmittel intravenös injiziert und mittels elektronischer Verfahren mit Computerunterstützung Bilder der Gefäße erstellt. Damit können Veränderungen an großen Halsgefäßen nachgewiesen werden. Das eingeschränkte Auflösungsvermögen erlaubt aber nicht eine endgültige Differenzierung zwischen hochgradigen Stenosen und Verschlüssen von Halsarterien und größeren intrakraniellen Gefäßen. Bei der Beurteilung kleinerer zerebraler Arterien und bei der Suche nach Gefäßmißbildungen, insbesondere Aneurysmen, ist die intravenöse digitale Subtraktionsangiographie noch nicht verläßlich. Die anderen atraumatischen Suchmethoden für extrakranielle Gefäßveränderungen (Serienszintigraphie, Oculodynamometrie und -graphie) sind nur noch wenig verbreitet und in der Aussagekraft eingeschränkt.

Funktionsdiagnostik Ischämische Insulte werden durch fokale Durchblutungsstörungen verursacht, wobei Lokalisation, Schweregrad und Dauer der regionalen Mangeldurchblutung die Ausprägung der klinischen Symptome — reversible funktionelle Ausfälle oder irreversible Störungen der Gewebsstruktur — bedingen. Die regionale Durchblutungsstörung ist die Ursache des ischämischen Insults, die dadurch ausgelöste regionale Stoffwechselstörung kann in Ausdehnung und Dauer die Durchblutungsstörung übertreffen und hat damit direkten Einfluß auf die Ausgestaltung des neurologischen Syndroms, den Schweregrad der über die lokalisierbaren Symptome hinausgehenden Hirnleistungsschwäche, den klinischen Verlauf und die Rückbildungsfähigkeit der Ausfälle. Um die verschiedenartigen pathophysiologischen Mechanismen, die zur Entstehung der ischämischen Gewebsschädigung führen, zu erkennen, müssen durch Anwendung verschiedenartiger Tracer die unterschiedlichen physiologischen Parameter untersucht und zueinander in Beziehung gesetzt werden. Regionaler Sauerstoffverbrauch, regionale Durchblutung, regionales Blutvolumen und regionaler Glucosestoffwechsel im Gehirn können durch Positronen-Emissions-Tomographie (PET) untersucht werden. Besonders aufschlußreich sind vergleichende Studien dieser physiologischen Parameter bei individuellen Patienten, da damit Aussagen über pathophysiologische Mechanismen gemacht werden können [1,2]. Bei unzureichender Blutzufuhr zum Gehirn, z.B. aufgrund eines Carotis-interna-Verschlusses, können zunächst kompensatorische Mechanismen einsetzen. Bei noch ausreichender Gefäßreagibilität kommt es in der Peripherie zur Vasodilatation und damit zur Senkung des peripheren Widerstandes. Dies kann mit der PET als Erhöhung des regionalen zerebralen Blutvolumens im betroffenen Gefäßgebiet nachgewiesen werden. Die regionale Durchblutung kann in diesem Stadium bei erfolgreicher Kompensation noch normal sein [6]. Reicht

Der Schlaganfall

145

die Dilatationsfähigkeit der Gefäße nicht aus, so sinkt die Durchblutung ab. Die Sauerstoffversorgung des Gehirns ist nur durch eine erhöhte Sauerstoffextraktion aufrecht zu erhalten [18]. Neurologische Symptome treten in diesem Stadium, wenn überhaupt, meist nur intermittierend (transitorische ischämische Attacken) auf, und therapeutische Maßnahmen zur Wiederherstellung einer ausreichenden Blutversorgung, z.B. gefäßchirurgische Maßnahmen, erscheinen besonders aussichtsreich. Reicht dieser Kompensationsmechanismus nicht mehr aus, oder kommt es durch einen Embolus zum Verschluß einer peripheren Arterie, so sinkt der verfügbare Sauerstoff trotz gesteigerter Extraktion unter den für die Aufrechterhaltung der Zellstruktur erforderlichen Wert ab. Ein ischämischer Infarkt entwickelt sich. In der Anfangsphase ist dies gekennzeichnet durch eine hochgradige Verminderung der regionalen Durchblutung, eine Erhöhung des regionalen Blutvolumens und der Sauerstoffextraktion sowie eine Verminderung des regionalen Sauerstoffverbrauchs. Im weiteren Verlauf (Nekrosebildung) sinkt der Sauerstoffverbrauch weiter ab, die Sauerstoffextraktion normalisiert sich wieder [23]. In einer Übergangsphase kann es nach Wiedereröffnen des verschlossenen Gefäßes oder durch Bildung von Gefäßkollateralen bei noch bestehender Vasoparalyse zu einer Hyperperfusion eines betroffenen Gebietes kommen. Da diese bei bereits eingetretener Gewebsnekrose mit tief abgesunkenem Sauerstoffbedarf nicht mehr der Gewebsversorgung dient, wurde sie von Lassen [14] als „Luxusperfusion" bezeichnet. Im Defektstadium selbst findet sich schließlich eine proportionale Erniedrigung von Durchblutung und Stoffwechsel. Im Einzelfall geben somit Untersuchungen unterschiedlicher physiologischer Parameter wichtige Hinweise auf verschiedenartige krankheitsspezifische Mechanismen und können damit zur Auswahl einer geeigneten Therapie zur Verminderung der ischämischen Gewebsschädigung und zur Verbesserung im Verlauf nach Insult beitragen.

Richtlinien für die Therapie der zerebralen Ischämie Pathophysiologische Aspekte Voraussetzung für die Entstehung einer ischämischen Zellschädigung ist die kritische Verminderung der regionalen Hirndurchblutung unter den Schwellenwert für die Erhaltung der Struktur des Nervengewebes, doch ist nicht nur der Schweregrad der Durchblutungsstörung, sondern auch die Dauer der kritischen Durchblutungsminderung für die Entwicklung eines Infarktes bedeutsam. Während der Periode der Mangeldurchblutung und auch nach Wiedereintreten einer Reperfusion werden sekundäre Mechanismen getriggert (zytotoxisches und vasogenes Ödem, Gewebslaktazidose, Einstrom von Kalziumionen, Bildung von

146

K. Herholz, W.-D. Heiss

Prostaglandinen, Leukotrienen und freien Radikalen sowie Freisetzung von Neurotransmittern), die zur ischämischen Zellschädigung beitragen. Diese pathophysiologischen Abläufe bei der Entwicklung der ischämischen Zellschädigung legen drei Ansatzpunkte zur Verbesserung der Überlebensmöglichkeiten von Nervenzellen nahe, womit entstehende irreversible morphologische Schäden möglichst gering gehalten und die Funktion des nicht zerstörten Gewebes wiederhergestellt werden könnten (Übersicht bei Heiss [10]): 1) Verbesserung der Toleranz von Nervenzellen gegenüber Ischämie, wodurch das Nervengewebe niedrigere Durchblutungswerte und längere Ischämiezeiten überstehen kann, ohne daß irreversible Schäden auftreten. Eine solche Verbesserung der Ischämietoleranz kann experimentell durch Hypothermie, Barbituratnarkose oder andere Medikamente erreicht werden, die den Stoffwechsel der Nervenzelle während der Ischämie vermindern können. Wegen unerwünschter Nebenwirkungen ist der klinische Einsatz dieser Maßnahmen derzeit nicht erfolgversprechend. 2) Verbesserung der Durchblutung, wodurch sie innerhalb der tolerierten Zeit über die Schwelle zur Strukturerhaltung gehoben wird und später auch die zur Funktion nötige Versorgung gewährleistet. Eine Verbesserung der Hirndurchblutung, die innerhalb einer kurzen Zeit erfolgen muß, kann durch mehrere Pharmaka mit unterschiedlichem Wirkungsmechanismus erfolgen. Während Vasodilatantien keine bleibenden klinischen Verbesserungen erzielen konnten, erwies sich die Änderung der Blutviskosität mit niedermolekularem Dextran als erfolgversprechender Ansatzpunkt. Aufgrund der Ergebnisse, die besonders von Gottstein et al. [8] erarbeitet wurden, ist die Infusionsbehandlung mit niedermolekularem Dextran eine Standardtherapie für Patienten mit ischämischem zerebralen Insult. Mit der wirksameren Technik durch isovolämische Hämodilution und dem rascheren Erreichen niederer Hämatokritwerte durch Kombination von Aderlaß und Infusionen von Dextran oder Hydroxyäthylstärke, konnten in kontrollierten Studien signifikant bessere Ergebnisse als mit der Standardtherapie in Kontrollgruppen erreicht werden [7]. Diese Therapie ist aber mit Vorsicht bei Patienten mit kardialer Insuffizienz, mit Nierenschaden oder mit Hypertonie anzuwenden. Ähnliche Ergebnisse können auch mit anderen, die rheologischen Eigenschaften des Blutes verändernden Maßnahmen (z.B. Medikamente mit primärer Wirkung auf die Fließeigenschaften des Blutes, wie Pentoxifyllin und Extrakt aus Ginkgo biloba), erreicht werden. Auch die Steigerung des Perfusionsdrucks führt bei hypotonen Patienten zur Verbesserung der Blutversorgung im ischämischen Areal. Die zerebrale Perfusion kann auch durch Medikamente, die Funktion und Stoffwechsel anregen, gesteigert werden, so daß ihr Einsatz bessere Verläufe nach ischämischem Insult erreichen kann [11]. 3) Verhinderung der Sekundärschäden, wodurch die ischämische Zellschädigung nur auf das primär von der Durchblutungsstörung betroffene Gewebsvolumen

Der Schlaganfall

147

beschränkt und zusätzliche Schädigungen während der Reperfusion verhindert werden. Mit Ausnahme der Ödembehandlung, die einen festen Platz in der Therapie ischämischer Insulte innehat, sind die Maßnahmen zur Verhinderung von Sekundärschäden therapeutische Ansatzpunkte, die hypothetisch und experimentell begründet, aber weitgehend noch nicht klinisch überprüft und anerkannt sind. Ödembehandlung: Das die zerebrale Ischämie begleitende Ödem kann dem Ursprung nach zytotoxisch oder vasogen sein [12]. In den ersten Stunden einer Ischämie führt die Störung des Zellstoffwechsels zum zytotoxischen Ödem. Später kommt es zusätzlich zur Störung der Blut-Hirn-Schranke und damit zum Austritt osmotisch aktiver Substanzen mit folgendem Anstieg des extrazellulären Wassergehaltes. Das ischämische Ödem kann so stark sein, daß es zur Einklemmung führt, durch die in der ersten Woche nach Insult eintretenden Todesfälle meist verursacht sind. Die Behandlung des Ödems ist somit eine der aussichtsreichsten therapeutischen Möglichkeiten beim Insult. Zur Ödembehandlung stehen mehrere Substanzgruppen zur Verfügung. Osmotherapie: Hypertone Lösungen in der Blutbahn vergrößern den osmotischen Gradienten zwischen Blut und Gewebe und bewirken dadurch eine Verminderung des Wassergehaltes in ödematösem und normalem Hirngewebe. Verwendet werden heute vor allem 10 - 2 0 % ige Lösungen von Mannit, Sorbit und Glyzerin, wobei mit Glyzerinlösungen signifikant bessere Ergebnisse in kontrollierten Studien bei Patienten mit ischämischem Insult erzielt wurden [16]. Wegen fehlender Nebenwirkungen, des Abbaus im Stoffwechsel, des schnellen Wirkungseintritts und des lang anhaltenden Effekts (48 im Vergleich zu 6 — 8 Stunden bei Mannit) ist Glyzerin in der Behandlung des Hirnödems den anderen Osmotherapeutika vorzuziehen. Während der Osmotherapie muß aber streng darauf geachtet werden, daß es zu keiner Hämokonzentration kommt, wodurch die rheologischen Eigenschaften des Blutes verschlechtert werden. Die Wirkung der Osmotherapie kann durch ein in der Niere angreifendes Diuretikum unterstützt werden, wodurch eine Herzbelastung durch starke Steigerung des zirkulierenden Volumens mit Anstieg des zentralen Venendrucks verhindert wird. Kortikosteroide vermindern das vasogene Ödem und werden daher mit großem Erfolg zur Behandlung intrakranieller Drucksteigerung, z.B. bei intrakraniellen spontanen Blutungen, aber auch bei Tumoren und nach Traumen eingesetzt. Die Wirksamkeit beim ischämiebedingten Ödem ist umstritten, da der membranstabilisierende Effekt an der Blut-Hirn-Schranke die kritische Phase in der Entstehung des ischämischen Ödems nicht beeinflussen kann. Die meisten kontrollierten Untersuchungen haben daher keine Verbesserung des Verlaufs nach Schlaganfall unter Therapie mit Kortikosteroiden gezeigt [17]. Die Steroidtherapie ist daher beim ischämischen Insult nicht indiziert.

148

K. Herholz, W.-D. Heiss

Andere pathobiochemische Vorgänge, die während oder kurz nach der Ischämie getriggert werden und zusätzlich zur Zellschädigung führen, können zwar durch pharmakologische Eingriffe (z. B. Prostaglandin-Synthese-Hemmer, Bindung freier Radikale, Endorphinantagonisten, Hemmung freigesetzter erregender Aminosäuren) günstig beeinflußt werden; der Einsatz dieser Medikamente in der klinischen Routine bedarf jedoch noch weiterer Erprobung. Nur für den Einsatz von Kalzium-Antagonisten sind schon günstige Ergebnisse aus kontrollierten Studien bekannt geworden: Wegen der zentralen Stellung des Einstroms von Kalzium bei der Entwicklung der ischämischen Zellschädigung wurde versucht, durch Kalzium-Antagonisten den Verlauf nach ischämischen Attacken günstig zu beeinflussen. Sowohl in prospektiven einfach blind randomisierten Studien, als auch in einer Doppelblind-Placebo kontrollierten Multizenterstudie [22] wurde gezeigt, daß der Verlauf von mit Nimodipin behandelten Patienten bez. Mortalität und neurologischen Summenscore signifikant besser war, als bei Patienten, die nur mit Placebo behandelt worden waren. Kalzium-Einstrom-Blocker sind somit vielversprechende Medikamente für die Behandlung des ischämischen Insultes.

Allgemeine Richtlinien zur Insultbehandlung Da die kausale Therapie der ischämischen Zellschädigung prinzipiell sehr beschränkt bleibt und immer noch wenig erfolgreich ist, sind zusätzlich allgemeine medizinische Maßnahmen besonders bedeutsam. Eine Therapie mit Aussicht auf Erfolg muß rasch nach Beginn der klinischen Ausfälle einsetzen und unter optimalen und genau kontrollierbaren Bedingungen verlaufen, am besten in einer dafür eingerichteten Klinik oder Intensivstation. Eine konsequente, allgemein internistische und die lebenswichtigen Funktionen stützende Therapie ist bei der Betreuung von Insultpatienten erforderlich, da viele Patienten nicht an den direkten Folgen des Schlaganfalls, sondern an den Folgen internistischer Komplikationen sterben. Die allgemeine Therapie zur Stützung der Lebensfunktionen muß besonders bei bewußtseinsgestörten Insultpatienten die Lungenfunktion beachten, und eventuell Maßnahmen zur Beseitigung von Behinderungen der Atemwege und zur künstlichen Beatmung treffen. Die Funktion von Blase und Mastdarm ist nötigenfalls durch mechanische Maßnahmen (Katheter, Einlauf) sicherzustellen. Unruhige Patienten bedürfen der Sedierung. Häufig bestehende kardiale Miterkrankungen (Insuffizienz, Rhythmusstörungen, Myokardinfarkt), die manchmal die Ursache des ischämischen Insultes sind, müssen diagnostisch abgeklärt und medikamentös behandelt werden. Primär bestehende oder sich nach der zerebralen Attacke entwickelnde Stoffwechselerkrankungen (besonders Diabetis mellitus) müssen erkannt und eingestellt werden. Hier spielt die Laktazidose, die sich im ischämisch

Der Schlaganfall

149

gestörten Gewebe sekundär entwickelt, eine besondere Rolle. Dieser muß durch genaue Blutzuckereinstellung entgegengesteuert werden. Elektrolyt- und Wasserhaushalt sind auszugleichen, was häufig nur parenteral mit Infusionen möglich ist. Auch die Ernährung kann anfangs häufig nur parenteral oder über eine Magensonde erfolgen. Zur Bilanzierung sind die ausgeschiedenen Stuhl- und Harnmengen zu bestimmen. Häufig ist auch eine Hypertoniebehandlung notwendig, wobei die Werte wegen der anfänglich im ischämischen Gebiet gestörten Autoregulation nicht zu tief abgesenkt werden dürfen. Als Richtgrößen gelten bei Normotonikern und Patienten mit leichter Hypertonie die vor dem Insult gemessenen Werte, bei Patienten mit Hypertonie sollen die systolischen Werte nicht unter 160 mm Hg gesenkt werden. Bei Anämie mit Hämoglobinwerten unter 9 g/dl sollen Erythrozytenkonzentrationen transfundiert werden. Hämoglobinwerte über 15 g/dl zeigen eine Hämokonzentration oder Poliglobulie an und bedürfen hämodilutierender Maßnahmen, eventuell eines Aderlasses. Bronchopulmonale Infekte und Harnwegsinfekte müssen antibiotisch behandelt werden. Eine häufige, meist nach mehreren Tagen auftretende, manchmal lebensbedrohliche Komplikation sind tiefe Venenthrombosen. Sie werden bei 33 — 59% der Insultpatienten beobachtet und betreffen meist das gelähmte Bein. Bei bis zu 16% der Insultpatienten verursachen sie Pulmonalembolien [21]. Zur Prophylaxe von Venenthrombosen muß eine physikalische Therapie durchgeführt werden, die durch zusätzliche Heparingabe unterstützt werden soll. Durch niedrig dosierte Heparinbehandlung (2 — 3 x täglich 3000 bis 7500 IU subkutan) kann das Auftreten von Venenthrombosen und Lungenembolien bei Insultpatienten entscheidend vermindert werden. Die niedrig dosierte Heparinbehandlung verursacht keine Blutungskomplikationen. In den ersten Tagen nach der ischämischen Attacke muß auch mit physikalischer Behandlung begonnen werden, wobei durch häufiges Umlagern Druckstellen (Dekubitus-Prophylaxe) und Sekretstauungen (Pneumonie-Prophylaxe) verhindert Tab. 3. Akutmaßnahmen beim zerebralen Insult A. Allgemeine Maßnahmen: Sicherung vitaler Funktionen (Atmung), Stabilisierung von Herz und Kreislauf (Blutdruck, Rhythmusstörungen), Behebung metabolischer Störungen (Hyperglykämie), Sedierung (Unruhe, Anfälle) B. Wahrscheinlicher ischämischer Insult. Verbesserung der Gewebsversorgung durch: Hämodilution mit niedermolekularem Dextran nach Promit oder Hydroxyäthylstärke oder durch rheologisch wirksame Medikamente (z. B. Pentoxifyllin, Extrakt aus Ginkgo biloba), Ödembehandlung (Glyzerin- oder Mannitlösung) C. Wahrscheinliche intrazerebrale Blutung: Ödembehandlung (Kortikoide)

150

K. Herholz, W.-D. Heiss

werden, und durch richtiges Lagern und passives Durchbewegen der gelähmten Extremitäten fixierten spastischen Versteifungen und Venenthrombosen vorgebeugt wird. Sobald es der allgemeine Zustand erlaubt, soll auch mit einer aktiven Bewegungstherapie begonnen und sollen logopädische sowie beschäftigungstherapeutische Maßnahmen eingeleitet werden. Nur durch den frühen Beginn einer geplanten und gezielten Rehabilitationsbehandlung ist eine soziale Reintegration nach ischämischem Insult zu erreichen. Ein großer Teil der Betroffenen bleibt aber trotz aller Anstrengungen invalide. Tabelle 3 faßt die Akutmaßnahmen beim zerebralen Insult zusammen.

Literatur [1] Ackerman, R. H., J . A. Correia, N. M . Alpert, J . C. Baron, et al.: Positron imaging in ischemic stroke disease using compounds labeled with oxygen 15. Initial results of clinicophysiologic correlations. Arch Neurol 38 (1981) 5 3 7 - 5 4 3 [2] Baron, J. C., M . G. Bousser, D. Comar, et al.: Noninvasive tomographic study of cerebral blood flow and oxygen metabolism in vivo: Potentials, limitations, and clinical applications in cerebral ischemic disorders. Eur Neurol 20 (1981) 273 - 284 [3] Becker, H., H. Desch, H. Hacker, et al: C T fogging effect with ischemic cerebral infarcts. Neuroradiology 18 (1979) 185 [4] Büdingen, H. J . , G.-H. von Reutern, H.-J. Freund: Doppler-Sonographie der extrakraniellen Hirnarterien. Thieme-Verlag, Stuttgart - New York 1982 [5] Dorndorf, W., H. Gänshirt: Die Klinik der arteriellen zerebralen Gefäßverschlüsse. In: Der Hirnkreislauf (Hrsg. H. Gänshirt), S. 512. Thieme-Verlag, Stuttgart 1972 [6] Gibbs, J . M . , R. J . S. Wise, K. L. Leenders, et al.: Evaluation of cerebral perfusion reserve in patients with carotid-artery occlusion. Lancet I (1984) 310 — 314 [7] Gottstein, U.: Evaluation of isovolemic hemodilution. Clin Hemorheology 4 (1984) 133 — 149 [8] Gottstein, U., I. Sedlmeyer, A. Heuss: Behandlung der akuten zerebralen Mangeldurchblutung mit niedermolekularem Dextran. Therapie-Ergebnisse der retrospektiven Studie. Dtsch med Wochenschr 101 (1976) 223 - 227 [9] Hachinski, V. C., L. D. Illif, E. Zilkha, et al.: Cerebral blood flow in dementia. Arch Neurol 32 (1975) 632 [10] Heiss, W. D.: Therapie der zerebralen Ischämie. 53. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Herz- und Kreislaufforschung. Mannheim, 24. — 26. April 1987 [11] Herrschaft, H.: Der Einsatz von Nootropika bei akuten zerebralen Durchblutungsstörungen. Symposium St. Moritz: Die klinische Relevanz von Nootropika, St. Moritz, 1. —5. April 1987 [12] Klatzo, I.: Neuropathological aspects of brain edema. J Neuropathol Exp Neurol 16 (1967) 1 — 4 [13] Kurtzke, J . F.: Epidemiology of Cerebrovascular Disease. Springer Verlag, Berlin 1969 [14] Lassen, N. A.: The luxury-perfusion syndrome and its possible relation to acute metabolic acidosis localized within the brain. Lancet II (1966) 1113 — 1115 [15] Marquardsen, J.: The natural history of acute cerebrovascular disease. Munksgaard, Copenhagen 1969 [16] Mathew, N. T., J . S. Meyer, V. M . Rivera, et al.: Double-blind evaluation of glycerol therapy in acute cerebral infarction. Lancet II (1972) 1327 - 1 3 2 9 [17] Norris, J. W., V. C. Hackinski: Steroid treatment in ischemic stroke. High dose steroid treatment in cerebral infarction. Br Med J 292 (1986) 2 1 - 2 3 [18] Powers, W. J., R. L. Grubb, M . E. Raichle: Physiological responses to focal cerebral ischemia in humans. Ann Neurol 16 (1984) 5 4 6 - 5 5 2 [19] Reisner, H., P. Samec, K. Zeiler: On the complication rate of cerebral angiography. Neurosurg Rev 3 (1980) 23

Der Schlaganfall

151

[20] Steinbrich, W., G. Friedmann, G. Pawlik, et al.: MR bei ischämischen Hirnerkrankungen - Ein Vergleich mit CT, PET (18Fluordeoxyglukose) und angiographischen Ergebnissen. Fortschr Röntgenstr 145 (1986) 1 7 3 - 1 8 1 [21] Warlow, C., D. Ogston, A. S. Douglas: Deep venous thrombosis of the legs after strokes. Part I - Incidence and predisposing factors. Br Med J 1 (1976) 1178 — 1181 [22] Weerdt, de C., H. J. Gelmers, K. Gorter, et al.: Effect of nimodipine on neurological deficits and outcome of patients with acute ischemic stroke: Results of a multicenter double blind placebo controlled study. J Neurol 232 Suppl. (1985) 295 [23] Wise, R. J. S., S. Bernardi, R. S. J. Frackowiak, et al.: Serial observations on the pathophysiology of acute stroke. Brain 106 (1983) 197 - 222

Die Subarachnoidalblutung: Verdachtsdiagnose und Akutversorgung W. J. Bock Unter einer Subarachnoidalblutung verstehen wir eine plötzlich eintretende, spontane oder traumatische Blutung, die sich in den Subarachnoidalraum erstreckt. Das Blut verteilt sich im Liquor in unterschiedlicher Ausdehnung und Stärke. Über die Häufigkeit spontaner Subarachnoidalblutungen findet man in der Literatur unterschiedliche Angaben. So werden in Rhodesien mit 3,5 Blutungen auf 100000 Einwohner die geringste Zahl angegeben, in Japan mit 25 auf 100000 Einwohner die höchste (Europa ca. 10 auf 100 000, USA 16 auf 100 000). Häufigste Ursache sind Fehlanlagen am zerebralen Gefäßsystem in Form von Aneurysmen (Gefäßaussackung) und Angiomen (Kurzschlüsse unter Ausschaltung der Hirnversorgung). Nach Angaben einer kürzlich durchgeführten kooperativen Studie sind Aneurysmen mit 51% beteiligt, Angiome mit 6 % , während hypertone und arteriosklerotische Erkrankungen 15% ausmachen. Erst durch eine Obduktion werden in 22% der Fälle Subarachnoidalblutungen als Krankheitsursache aufgedeckt. Andere Ursachen spielen mit nur 6% eine untergeordnete Rolle.

Symptomatik und Diagnostik Leitsymptom der Subarachnoidalblutung ist die Plötzlichkeit des Auftretens. Kommt es nicht schlagartig zur Bewußtlosigkeit, stehen die Zeichen des Meningismus im Vordergrund (Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit, Schwindelgefühl). Man unterscheidet zwischen subjektiven Beschwerden und objektiven Befunden. Subjektive Erscheinungen sind: Kopfschmerzen, Schwindel, Sehstörungen. Objektive Befunde sind psychische Störungen (Unruhezustände, Durchgangssyndrome, Verwirrtheitszustände, Bewußtseinsstörungen von Verhangensein bis zum tiefen Koma). Allgemeine vegetative Reaktionen, hervorgerufen durch eine Reizung des Nervus vagus, sind Erbrechen, Bradykardie und Schweißausbrüche. Je nach Ausbreitung kann es auch zu weiteren Hirnnervenschädigungen kommen, vor allem zu Augenmuskelstörungen (N. oculomotorius, N. trochlearis, N. abducens). Seltener sind Trigeminus- und Fazialisausfälle. Nur selten wird in der akuten Phase das Auftreten einer Stauungspapille beobachtet. Kommt es zu einer direkten Schädigung der Hirnsubstanz, werden je nach Lokalisation verschiedene Ausfallsmuster gesehen, wie Aphasien bei Einblutung links frontotemporal, Paresen bei Beteiligung der Zentralregion. Hierbei werden auch Krampfanfälle beobachtet. Weitere Allgemeinsymptome sind zentrale Dys-

154

W. J. Bock

regulationsstörungen, Hyperthermie, später auch subfebrile Temperaturen im Sinne von Resorptionserscheinungen. Auch Leukozytosen können vorkommen. In der akuten Phase wird man oft eine Erhöhung des Systemdruckes (Hypertonie) feststellen können. Es handelt sich hierbei um eine reflektorische Reaktion zur Aufrechterhaltung der Hirndurchblutung bei intrakranieller Druckerhöhung (Systemdruck — intrakranieller Druck = Perfusionsdruck). Eine unbedachte Senku'ng des Blutdruckes ist deshalb nicht angezeigt. Beim Notfalleinsatz sollte man auf die wichtigen Symptome Kopfschmerz, Erbrechen und Nackensteifigkeit achten, wobei stets ein plötzlicher Beginn zu finden ist. Treten die Gefäßrupturen beim Aneurysma in bestimmten Versorgungsgebieten auf, kommt es ebenfalls zu charakteristischen Ausfallsmustern, so z. B. bei Blutungen aus Aneurysmarupturen an der A. carotis interna zu Ausfällen des N. opticus und des N. oculomotorius. Ist die Blutungslokalisation am Ramus communicans anterior zu suchen, können Gesichtsfeldausfälle, aber auch hypothalamische Störungen auftreten, ebenso, wenn die Störung an der A. cerebri anterior zu suchen ist. Ist die Blutungsquelle im Stromgebiet der A. cerebri media zu suchen, so finden sich auf der linken Seite Sprachstörungen, oft auch ein Angularissyndrom (Schreiben, Lesen, Rechnen gestört). Außerdem ist häufiger eine ausgeprägtere Störung des Bewußtseins festzustellen. Sitzt das Aneurysma an der Abgangsstelle der A. ophthalmica, werden Schmerzen hinter dem Auge sowie Visusstörungen bis zur Blindheit, angegeben. Im Versorgungsgebiet der A. cerebri posterior kann eine homonyme Hemianopsie auftreten, während am Ramus communicans posterior vorhandene Aneurysmablutungen Störungen am N. oculumotorius, aber auch thalamische Störungen hervorrufen. Schwere klinische Ausfallsbilder werden beobachtet bei Blutungen im Stromgebiet der A. basilaris und der A. vertebralis. Hier werden Hirnstammsymptome sowie Kleinhirnstörungen zu suchen sein. Ist die Verdachtsdiagnose Subarachnoidalblutung' beim Notfalleinsatz gestellt worden, sollte man die Bewußtseinsstörungen auf jeden Fall registrieren. Man erleichtert der weiterbehandelnden Klinik die Beurteilung des Krankheitsbildes und hilft, zeitlich bessere Abläufe zu garantieren. Bewährt hat sich neben vielen anderen Einteilungen vor allem die nach Hunt und Hess. Hiernach werden 5 Grade eingeteilt: Grad I: Grad II:

Neurologisch unauffällig, leichte Kopfschmerzen Starke Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit, keine neurologischen Ausfälle Grad III: Neurologische Ausfälle, weckbar Grad IV: Nicht ansprechbar, Schmerzreaktion, schwere neurologische Ausfälle Grad V: Tiefes Koma, eventuell Enthirnungsstarre.

Die Subarachnoidalblutung

155

Für den Neurochirurgen wichtig sind auch die anamnestischen Angaben. Ist die Blutung unter körperlicher Anstrengung entstanden, z. B. bei der Defäkation, beim Geschlechtsverkehr? Häufig wird man ohne äußere Kennzeichen solche Blutungen finden. Als wichtigste Komplikationen im Frühstadium sind der Vasospasmus, das Hirnödem sowie frühe Rezidivblutungen zu nennen. Eine durch das Personal des Rettungswagens oder Notarztwagens veranlaßte Weiterleitung in die fachlich kompetente Klinik ist für den Patienten oft entscheidend. Die frühen Rezidivblutungen können so eher vermieden, Vasospasmus und Hirnödem früher und gezielter behandelt werden. Differentialdiagnostisch sind die Meningitis, spontane Blutungen anderer Ursache (z. B. Tumorblutungen), die traumatische Subarachnoidalblutung, Blutungen bei spinalen Angiomen und die hypertone Massenblutung sowie Gefäßverschlüsse zu nennen.

Akutversorgung Bei den ersten Maßnahmen unterscheiden wir zwischen einer präklinischen und der klinischen Frühphase. In der präklinischen Phase steht die Sicherung der Vitalfunktion im Vordergrund, wobei der schon erwähnte Erfordernishochdruck zur Sicherung der Hirndurchblutung beachtet werden muß. Der Transport sollte umsichtig durchgeführt werden. Blinder Rettungseifer führt eher zu zusätzlichen Schädigungen. Entscheidend ist darüber hinaus, daß die zur weiteren Versorgung geeignete Klinik angefahren wird, in der Regel die nächste neurochirurgische, die über eine entsprechende Intensivstation verfügt. Eine Therapie der Kopfschmerzen beim nichtbewußtseinsgetrübten Patienten ist in der Regel notwendig. Bei der Klinikaufnahme steht die Überwachung der Vitalfunktion im Vordergrund. Die Sicherung der Diagnose sollte mit der Computertomographie erfolgen. Ist hiermit keine Klärung zu erzielen, erfolgt eine Lumbalpunktion. Je nach Stadieneinteilung wird die angiographische Diagnostik aller Hirngefäße und die frühe Operation bei Aneurysmen angeschlossen (Stadium I —III). Bei Blutungen in den Stadien IV und V muß zuerst eine stabile Situation und eine Überlebenschance des Patienten erreicht sein. Für den Rettungssanitäter und den Notarzt vor Ort ist es unter Beobachtung dieser Kriterien möglich, mit einfachen klinischen Mitteln die Verdachtsdiagnose Subarachnoidalblutung' zu stellen und entsprechend zu handeln.

Dringliche Diagnostik und Therapie bei spinalen Querschnittslähmungen G. Lausberg Die Dringlichkeit diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen bei akuten Erkrankungen des Rückenmarks und der Cauda equina mit Querschnittserscheinungen liegt in der Intoleranz dieser Gewebsstrukturen gegen Alterationen jeder Art begründet. Versäumnisse von Stunden können irreversible Funktionsausfälle nach sich ziehen. Tagelange Versäumnisse sind insbesondere bei Kompressionsschäden des Rückenmarks kaum wiedergutzumachen. Dementsprechend sind alle eine Rückenmarkskompression verursachenden Erkrankungen als absolute Indikation nur durch frühe operativ entlastende Maßnahmen erfolgreich zu behandeln. Neben den Kompressionsschäden besteht eine Operationsindikation in der Akutphase in der Gruppe vaskulärer Störungen bei spinalen Angiomen, die in Abhängigkeit von Art und Beziehung zum Rückenmark durch Kompression oder durch Zirkulationsstörungen Querschnittssyndrome hervorrufen können. Die zahlenmäßige Bedeutung verschiedener Krankheitsgruppen aus neurochirurgischer Sicht zeigt eine Übersicht über 831 stationäre Behandlungsfälle (ohne Bandscheibenerkrankungen). Die größte Krankheitsgruppe zugleich mit der höchsten Operationsfrequenz bilden die Tumoren, gefolgt von dysrhaphischen Störungen einschließlich zystischer Dysrhaphien der Neugeborenen. Die entzündlichen Erkrankungen folgen in der Häufigkeit an 3. Stelle, in dieser Gruppe sind es nur die extraduralen Prozesse, die eine Rückenmarkskompression verursachen und einer operativ entlastenden Therapie zugänglich sind. In der zahlenmäßig großen Gruppe der traumatischen Schäden spielen operative Maßnahmen eine untergeordnete Rolle, weil unabhängig von einer möglichen Kompression die primäre unfallbedingte substantielle Schädigung des Rückenmarkes ganz im Vordergrund steht [2, 4, 5]. Unter den vaskulären Prozessen stellen die in verschiedener Beziehung zum Rückenmark stehenden Angiome eine relativ große Gruppe operativer Fälle dar. Die Wirbelsäulendeformitäten als kleinste Krankengruppe erfordern dagegen operative Maßnahmen unter neurochirurgischen Gesichtspunkten nur selten.

Verlaufsformen Die Entwicklung eines Querschnittsyndroms kann alle Verlaufsformen von chronisch bis perakut zeigen. Ohne chronische und subakute Formen in ihrer Bedeutung zurückstellen zu wollen, sind es die akuten Fälle, bei denen durch die

158

G. Lausberg

Differentialdiagnose die dringlich notwendige Therapieart festzulegen ist. Diese akuten oder sogar perakuten Verlaufsformen spinaler Querschnittserscheinungen sind ohne Präjudizierung ihrer Genese unter dem Begriff „spinale Apoplexie" zusammengefaßt. Von den Traumafällen abgesehen hat die Tumorgruppe mit 46 Fällen hier die größte Bedeutung, davon zu 95% die extradural gelegenen Sekundärtumoren, Retikuloendotheliosen und Leukosen. Mit 16% Häufigkeit in der Entwicklung der akuten Symptomatik folgen andere spinale Prozesse, wovon knapp die Hälfte extradural gelegene Abszesse sind. Entsprechend der Bedeutung dieser drei Krankengruppen soll nachfolgend der Schwerpunkt der Betrachtung erfolgen.

Symptomatik Aus der Vielzahl möglicher primärer Beschwerden und einzelner Befunde soll als relativ einheitliches Bild das akute Kompressionssyndrom bei malignen extraduralen Tumoren skizziert werden. Nur selten vermißt man in der Anamnese den Lokalschmerz der Wirbelsäule und radikuläre Beschwerden, die dem Spinalsegment entsprechen, halb- oder ganzgürtelförmig auftreten und oft schon Monate dem akuten Ereignis vorausgehen. Die neurologische Symptomatik beginnt je nachdem, ob die Kompression des Rückenmarks von ventral oder von dorsal erfolgt mit progredienten Paresen oder Parästhesien und Sensibilitätsstörungen. Blasenstörungen im Sinne der Retention gehören zum weiteren Verlauf des Querschnittsyndroms, das sich nach einem manchmal tagelang konstanten Befund innerhalb Stunden zur kompletten Querschnittslähmung unter Einschluß aller motorischen, sensiblen und vegetativen Funktionen kaudal des Kompressionsherdes ausweiten kann. Wenn erst im Stadium des kompletten neurologischen Querschnittes die diagnostischen und therapeutischen Bemühungen einsetzen, ist es meist zu spät, eine Restitution herbeizuführen. In gleicher Weise, nur in kürzerem anamnestischem Zeitraum verlaufen alle epiduralen Abszesse, bei denen sich neben allgemein entzündlichen Erscheinungen der Lokalbefund der Wirbelsäule mit radikulären Prodromen meist über mehrere Segmenthöhen der Wirbelsäule erstreckt, der neurologische Verlauf entspricht dem der malignen extraduralen Tumoren. Demgegenüber fehlen den spinalen Angiomen, die überwiegend in Form des arteriovenösen Angioms auftreten, die eindeutigen Merkmale der bisher aufgezeigten Krankheitsgruppe, auch beim apoplektischen Verlauf. Im Vordergrund steht in der Akutphase das rasch progrediente Querschnittssyndrom, welches innerhalb Stunden, ja sogar in Minutenschnelle komplett werden kann. In den 36 Fällen des eigenen Krankengutes trat bei jedem zweiten Kranken die Symptomatik akut oder rezidivierend apoplektisch auf, wovon besonders die epidural

Spinale Querschnittslähmungen

159

und intradural gelegenen Angiome betroffen waren. Die Wirbelangiome waren dagegen im eigenen Krankengut bei fünf näher untersuchten Fällen symptomlos, sechs Fälle mit vertebraler und epiduraler Ausbreitung des Angioms nahmen eine Mittelstellung im Verlauf ein. Diese Mittelstellung zeigt sich in gleicher Weise bei der Ursachenanalyse. Währenddem die intraduralen oder epiduralen AVAngiome infolge der Gefäßkurzschlüsse zu einer lokalen Mangeldurchblutung des Rückenmarkes führen, die früher oder später die Markerweichung hervorruft, kann es bei den epiduralen kavernösen Angiomen zum Kompressionssyndrom ähnlich dem bereits Dargestellten kommen. Neben den beiden bisher dargestellten Formen der akuten rückenmarksbedingten Querschnittserscheinungen sind alle akuten Verläufe auf entzündlicher, metabolischer, allergisch-toxischer und vaskulärer Grundlage möglich. Wenn die Kompression als Hauptursache des neurologischen Querschnittssyndroms so stark herausgestellt wird, dann deshalb, weil eine Frühoperation ebenso erfolgreich wie eine Spättherapie nutzlos ist. Die Ursachenanalyse operativ beeinflußbarer Rückenmarks- und Kaudaschäden soll darüber weitere Aufschlüsse geben. Die akute und chronische Rückenmarksund Kaudakompression ist der wichtigste Ursachenfaktor der neurologischen Querschnittssymptomatik. Die klinisch bekannten Beziehungen zwischen Dauer und Stärke dieser Kompression wurden von Tarlov [11] tierexperimentell erhärtet. In einem Kraft-Zeit-Diagramm (Abb. 1), welches auf klinische Erfahrungen beruht und durch die von Tarlov ermittelten Befunde gestützt ist, sind Zeitfaktor und Stärke der Kompression in Abhängigkeit zur Restitutionsfähigkeit des Rükkenmarks nach kompletter Querschnittslähmung dargestellt [4]. Die untere Abszisse gibt die Kompressionsdauer nach rechts ansteigend, die obere Abszisse die Kompressionskraft nach rechts abfallend an. Die Ordinate zeigt von P(max) Restitutionsfähigkeit 0%

K

Kraftfaktor

(Stärke der Kompression)

traumatische komplette Querschnittslähmung

100% Zeitfaktor (Dauer der Kompression) Abb. 1. Kraft-Zeit-Diagramm der Rückenmarkskompression und Restitutionsfähigkeit nach kompletter Querschnittslähmung.

160

G. Lausberg

oben nach unten die Restitutionsfähigkeit nach kompletter Querschnittslähmung, die laterale Diagonale deutet die Restitutionszeit an. Die linke Kurve stellte eine bestimmte Kraft P dar, die innerhalb einer bestimmten Zeit t auf das Rückenmark einwirkt und eine funktionelle Restitution ermöglicht. Die Einwirkung der gleichen Kraft P während einer längeren Zeit t' ergibt eine irreversible Schädigung des Rückenmarkes ohne funktionelle Restitution. Die Kraft-Zeit-Kurve verläuft nicht linear, sondern wie in vielen biologischen Abläufen nach Art einer Exponentialfunktion. Sie ist für die jeweilige Kraft Grenzlinie. Zusammengefaßt ergibt sich, daß mit Auftreten einer kompressionsbedingten kompletten Querschnittslähmung die Restitutionsfähigkeit von der Kompressionsgröße abhängig mit Zunahme der Einwirkungsdauer bis auf 0% absinkt, wobei der Zeitfaktor im Stundenbereich liegt. Darüber hinaus gilt grundsätzlich, daß, je langsamer sich eine Rückenmarkskompression entwickelt, desto besser die funktionelle Restitutionsmöglichkeit ist. Die Analyse eigener Operationsergebnisse bei 39 von 44 tumorbedingten Akutfällen mit inkompletter bis kompletter Querschnittslähmung, die bis maximal eine Woche bestanden, ehe sie der klinischen Therapie zugeführt wurden, bestätigen für die Fälle mit kompletter Querschnittslähmung voll und ganz die dargelegten Zeit-Kompressions-Beziehungen, denn nur einer unter 9 Fällen mit kompletter Querschnittslähmung wurde gebessert. Die Entlastungslaminektomie konnte bei diesem Patienten innerhalb weniger Stunden nach Komplettwerden der bis dahin langsam progredienten Querschnittssymptomatik erfolgen. Alle später operierten Fälle zeigten keinerlei Besserung des neurologischen Befundes. Die Bedeutung einer spinalen Restfunktion der Willkürmotorik für die funktionelle Prognose geht aus der Gruppe der fast kompletten Querschnittssyndrome hervor. Hier konnte durch die operative Entlastung unter sechs innerhalb einer Woche operierten Fällen dreimal Gehfähigkeit und zweimal eine deutliche Besserung erzielt werden. Bei Betrachtung dieser beiden Gruppen scheint die Kompression die alleinige Ursache für die Querschnittserscheinungen darzustellen. Dieser Eindruck ändert sich bei Einbeziehung der inkompletten Syndrome, die gleichfalls innerhalb einer Woche nach dem Auftreten operiert werden konnten. Unter 21 Operationsfällen erlangten nur V3 die volle Restitution, fast 50% konnten nicht oder nur gering restituiert werden. Diese Ergebnisse bei Anwendung moderner Anästhesieverfahren, prä- und postoperativer medikamentöser Stoffwechseldrosselung und bei komplikationslosem Operationsverlauf ließen den Verdacht von vaskulären Störungen als zusätzlichen Faktor der Rückenmarkskompression entstehen, wobei eine Strangulation oder Einengung der zuführenden Radikulararterien durch den Tumor zu vermuten war. Auch heute ist die funktionelle Anatomie des Rückenmarks insbesondere hinsichtlich Anzahl und Kaliber der Radikulararterien noch immer umstritten. Klinischen Studien mit der These sogenannter Grenzzonen der Durchblutung [3, 4, 6, 12] stehen anatomische Untersuchungen [7, 10] gegenüber, die die Grenzzonen zu widerlegen scheinen.

Spinale Querschnittslähmungen

161

Unabhängig davon zeigt eine entsprechende Analyse des eigenen Krankengutes, daß es bevorzugt die ventral beginnenden Querschnittssyndrome sind, die eine schlechtere funktionelle Prognose auch bei inkompletten Läsionen haben, womit der Nachweis des tumorbedingten vaskulären Faktors zusätzlich zur Kompression als gesichert gelten kann.

Diagnostik In der Diagnostik akuter spinaler Erkrankungen steht nach der neurologischen Untersuchung die Röntgenuntersuchung, eingeschlossen die Computertomographie, ganz im Vordergrund. Die Röntgenübersichtsaufnahmen der Wirbelsäule, erforderlichenfalls ergänzt durch eine Schichtuntersuchung, wird bei Nachweis einer Wirbelkörperdestruktion den entscheidenden Hinweis auf die betroffene Segmenthöhe geben. Durch die Myelographie — die Kontrastuntersuchung mit wasserlöslichem Jod — kann die Kompressionshöhe auch dann nachgewiesen werden, wenn auf der Übersichtsaufnahme noch keine Wirbelkörperdestruktion erkennbar war. Auch das ausgedehnte spinale Angiom ist im Myelogramm durch eine tropfenförmige Aussparung des Kontrastmittels erkennbar. Die früher in der klinischen Anwendung gut eingeführte diagnostische Methode der Wirbelangiographie über den venösen Schenkel — Ossovenographie — ist durch die Computertomographie entbehrlich geworden. Die Computertomographie läßt besonders bei bekannter Höhe der Destruktion oder Kompression — hier orientiert an sensibler Segmenthöhe bei der neurologischen Untersuchung und entsprechendem Befund der Röntgenübersichtsaufnahmen der Wirbelsäule — das Ausmaß des Tumors sehr gut erkennen. Die Myelographie hat aber gegenüber der Computertomographie noch den Vorteil, eine seltene zusätzliche Kompression in anderer Höhe nachweisen zu können.

Therapie Die Therapie der Rückenmarks- oder Kaudakompression ist durch die Notwendigkeit der Entlastung des komprimierten Rückenmarks- oder Kaudaabschnittes gekennzeichnet. Dementsprechend steht die Laminektomie mit Resektion der Wirbelbögen über mehrere Wirbelsegmente ganz im Vordergrund operativer Maßnahmen. Schwierigkeiten ergeben sich bei Wirbelzusammenbrüchen mit Kyphosierung, weil das Rückenmark über die Stelle der Abknickung angespannt wird und die dorsale Entlastung nicht ausreichend wirksam werden kann. Bei diesen Fällen muß durch Lagerungsbehandlung postoperativ versucht werden, möglichst schnell die Dislokation zu beseitigen. In den letzten Jahren haben sich

162

G . Lausberg

für die verschiedenen Ebenen der Wirbelsäule unterschiedliche Stabilisierungsverfahren zusätzlich zur dorsalen Entlastung durchgesetzt. An der Halswirbelsäule ist es der ventrale Zugang nach Cloward (1961). Durch diese Exposition gelingt ein direktes Angehen des Wirbeltumors. Ventrale Operationsverfahren im Bereich der BWS und LWS sind bisher nur vereinzelt durchgeführt worden, weil die Gefährdung der sich meist in schlechtem Allgemeinzustand befindlichen Kranken zu groß ist. In diesen Wirbelsäulenabschnitten bleibt daher die Entlastung und Fixation von dorsal mit postoperativer Lagerungstherapie zum Ausgleich einer möglichen Kyphose. Die aufgeführten Stabilisierungsmaßnahmen sind bei der Gruppe extraduraler Abszesse nicht erforderlich, hier genügt die ausreichende dorsale Entlastung des Rückenmarkes durch die Laminektomie. Die Therapie spinaler Angiome wurde unter anderem von Pia [8, 9] weiterentwickelt. Das rein vertebrale Angiom bedarf zumeist keiner Therapie, da es in der Regel als Nebenbefund erscheint. Bei Kompression durch Sinterung des Wirbels ist die Entlastungslaminektomie unter der Indikation der Dekompression des Rückenmarkes angezeigt. Bei der kombiniert vertebral-epiduralen und der isoliert epiduralen Form ist die Laminektomie mit Entfernung des Angioms die Methode der Wahl. Bei umschriebenen Formen gelingt dies ohne Schwierigkeiten, ausgedehntere Formen können teilweise ausgeschaltet werden. Da auch Teilresektionen bei langjährigen Verlaufsbeobachtungen befriedigende Ergebnisse erzielten, ist der Rückschluß gestattet, daß die Entlastung durch Laminektomie der entscheidende therapeutische Faktor ist. Die Operationsindikation der besprochenen Gruppen akut aufgetretener Rückenmarkssyndrome orientiert sich als gemeinsames Merkmal an der Rückenmarksund Kaudakompression. Die Einzelgruppen haben darüber hinaus zusätzliche, die Indikation beeinflussende Faktoren. Grundsätzlich gilt: die Entlastungslaminektomie so früh wie möglich durchzuführen um bei progredienter Symptomatik und nachgewiesener Segmenthöhe der Kompression nicht durch aufwendige Zusatzdiagnostik wertvolle Zeit zu verlieren, die eine funktionelle Restitution unmöglich macht. Für die Gruppe der malignen extraduralen Kompression orientiert sich die Indikation als Ergebnis einer epikritischen Betrachtung des eigenen Krankengutes [3] an folgenden Faktoren: — —

Dauer und Ausmaß des Querschnitssyndroms, Allgemeinzustand, Alter, Solitär- oder multipler Tumor.

Das nachgewiesene oder vermutete spinale Angiom mit Ausnahme des isolierten, symptomfreien Wirbelangioms ist immer als absolute Operationsindikation anzusehen. Die Dringlichkeit richtet sich nach der klinischen Symptomatik: je ausgedehnter die Querschnittssymptomatik und je akuter sie in Erscheinung tritt desto schnelleres Eingreifen ist erforderlich.

Spinale Querschnittslähmungen

163

Prognose Die Prognose akuter Kompressionssyndrome ist für die Gruppe extraduraler Tumoren schon angesprochen worden. Von 12 Operierten mit kompletten Querschnittssyndromen war Besserung jedoch ohne Gehfähigkeit nur bei 1 Fall zu erreichen. Bedenkt man, daß weitere 13 Patienten mit länger als 1 Woche bestehender kompletter Querschnittslähmung verspätet der Behandlung zugeführt wurden, so wird die große Verantwortung des erstbehandelnden Arztes bei der Erkennung und Weiterleitung des akuten und chronischen Querschnittssyndroms sichtbar. Bei den inkompletten Querschnittssyndromen gelang es unter 27 operierten Akutfällen bei rund einem Drittel die Restitution bis zur Gehfähigkeit zu erreichen, ein weiteres Drittel konnte gebessert werden, die übrigen blieben unverändert. Erwähnt sei noch die Letalität innerhalb des 1. Monats nach der Operation, die bei rund 10% lag. Die Todesfälle gingen zumeist zu Lasten der Grunderkrankung. Kritische Einwände über den Sinn operativer Maßnahmen bei Malignität der Grunderkrankung, die ohnehin bei rund 70% der Kranken innerhalb eines Jahres zum Tode führt, sollten mit der Tatsache konfrontiert werden, daß bei Frühbehandlung die restliche Lebenszeit ohne Paraplegie und Blasen-Mastdarm-Störungen ungemein erträglicher zu gestalten ist. Die operative Therapie wird in allen Fällen durch Zytostatika und, insbesondere bei in Restitution befindlichen Querschnittssyndromen durch die postoperative Strahlentherapie ergänzt. Die Gruppe der postoperativ beeinflußbaren entzündlichen extraduralen Kompressionssyndrome verhält sich hinsichtlich der funktionellen Restitution nicht anders als die Tumorgruppe. Verkannte oder zu spät der Therapie zugeführte komplette Syndrome bleiben irreversibel. Inkomplette Syndrome haben die besten Restitutionsaussichten. In der Angiomgruppe ist in rund 60% der Fälle abhängig vom Ausmaß der Rückenmarkschädigung eine Besserung der Ausfälle zu erzielen. Die neurochirurgischen Aspekte wurden ganz in den Vordergrund der Ausführungen gestellt, ohne dabei die große Bedeutung nicht operativ beeinflußbarer akuter Rückenmarksschäden schmälern zu wollen. Wenn die Betonung auf die Akutfälle gelegt wurde, dann wegen der großen Bedeutung des Zeitfaktors für die Restitution des Kompressionsschadens. Grundsätzlich sollte jede Form eines Querschnittssyndroms, auch wenn es intermittierend auftritt, schon im Frühstadium Veranlassung zur Spezialdiagnostik geben, um nicht durch vermeidbare Zeitverluste eine Restitution unmöglich werden zu lassen.

Literatur [1] Cloward, R.: Treatment of acute fractures and fracture dislocations of the cervical spine by vertebral body fusion. J Neurosurg 18 (1961) 201

164

G. Lausberg

[2] Lausberg, G.: Differentialtherapeutische Erörterungen bei Rückenmarks- und Caudaverletzungen. Dtsch Med Wochenschr 91 (1966) 1109 [3] Lausberg, G.: Therapie und Prognose maligner Wirbeltumoren. M M M 109 (1967) 122 [4] Lausberg, G.: Zur Pathophysiologie der Querschnittslähmung bei malignen Wirbeltumoren. Dtsch Med Wochenschr 93 (1968) 2424 [5] Lausberg, G.: Behandlung von Wirbelsäulenverletzungen mit Rückenmarksbeteiligung. Actuelle Chirurgie 3 (1968) 289 [6] Lazorthes, G., J . Poulhes, G. Bastide et al.: La vascularisation artérielle de la moelle. Neurochirurgie 4 (1958) 3 [7] Noeske, K.: Über die arterielle Versorgung des menschlichen Rückenmarks. Inaugural — Dissertation, Freie Universität Berlin 1959 [8] Pia, H. W.: Differentialdiagnose und operative Behandlung der spinalen Apoplexie. Dtsch Med Wochenschr 91 (1966) 925 [9] Pia, H. W., H. Vogelsang: Diagnose und Therapie spinaler Angiome. Dtsch Z Nervenheilkde 187 (1965) 74 [10] Roll, D.: Über die Arterien der Pars caudalis des menschlichen Rückenmarks und das Vorkommen arterio-venöser Anastomosen im Stromgebiet der Art. radicularis magna. Morph. J b 99 (1958) 425 [11] Tarlov, I. M . : Spinal Cord Compression. Mechanism of Paralysis and Treatment. Ch. C. Thomas, Springfield 1957 [12] Zülch, K. J.: Mangeldurchblutung an den Grenzzonen zweier Gefäßgebiete als Ursache bisher ungeklärter Rückenmarksschädigungen. Dtsch Z Nervenheilkde 172 (1954) 81

165

Notfälle im Kindesalter ]. G. Schöber Notfallsituationen im Kindesalter erfordern einerseits rasches, andererseits umsichtiges und behutsames Handeln, damit das Kind nicht in Angst und Panik gerät. Besonders störanfällig ist im frühen Kindesalter das kardiorespiratorische System. Etwas ausführlicher soll daher im folgenden auf Notfälle der Atmung und des Kreislaufs eingegangen werden.

Reanimation des asphyktischen Neugeborenen Bei kardiorespiratorischer Depression postpartum mit Zyanose, Apnoe und Bradykardie galt noch vor wenigen Jahren die „Blindpufferung" mit N a H C 0 3 als Mittel der ersten Wahl. Dies hat sich inzwischen in vielen Fällen als überflüssig und in einigen Fällen als gefährlich erwiesen (Provokation von Hirnblutung). Richtig ist heute folgendes Vorgehen [1]: — Atemwege kurz freisaugen (Mund vor Nase), — Maskenbeatmung mit reinem Sauerstoff, — Intubation und Beatmung, falls das Neugeborene unter Maskenbeatmung nicht rosig und vital wird, — Herzmassage im Wechsel mit Beatmung (2 Atemhübe, danach 6mal Herzmassage), — Bleibt das Kind weiterhin asystolisch oder bradykard ( < 60/min): Instillation von 0,5 ml/kg Adrenalinlösung 1 : 1 0 000 über den Tubus in die Trachea. — Blindpufferung mit 1 — 3 ml/kg 8,4% N a H C 0 3 , falls nach Adrenalin keine Reaktion erfolgt. Die Blindpufferung steht also im Maßnahmenkatalog an letzter Stelle und ist in den seltensten Fällen noch notwendig. Wenn erforderlich, so sollte die Pufferung langsam über eine Vene erfolgen, keinesfalls über die Nabelarterie und nur in verdünnter Lösung ( 1 : 1 mit 5% Glukose). In den allermeisten Fällen werden die Kinder nach kurzem Absaugen und Maskenbeatmung rosig, und es bedarf nicht noch weiterer invasiver Maßnahmen. Während und nach Beendigung der Reanimation sollte ein zweiter Helfer das Kind mit warmen Tüchern trockenreiben, und es sollte dann in einen vorgewärmten Inkubator gelegt werden. Auskühlung verschlechtert bei asphyktischen Früh- und Neugeborenen den Gasaustausch über die Lunge (Zunahme des Rechts-Links-Shunts) und sollte daher unbedingt vermieden werden [2].

166

J . G. Schöber

Die bei Früh- und Neugeborenen gebräuchlichen Tubengrößen sind aus Tabelle 1 ersichtlich. Um ein Vorschieben des Tubus bis in den rechten Hauptbronchus zu vermeiden, sollten nur Tuben verwendet werden, deren Spitze über 2 cm schwarz markiert ist. Schiebt man den Tubus nur so weit vor, daß die schwarze Markierung eben noch zu sehen ist, so liegt der Tubus korrekt. Die nasotracheale Intubation des Neugeborenen ist in Abbildung 1 dargestellt. Man intubiert mit einem kurzen, geraden Spatel und lädt sich im allgemeinen die Epiglottis auf den Spatel auf. Das schwarze Ende des Tubus wird mit der MacGill-Zange gefaßt und unter Sicht in die Trachea eingeführt. Der Vorgang wird durch sanften Druck des kleinen Fingers auf den Kehlkopf erleichtert. Tab. 1. Tubengrößen in Abhängigkeit vom Gewicht Gewicht (g)

< 1.000

Innerer Durchmesser (mm) 2,0-2,5

1.000 - 2.000

2,5

2.000 - 4.000

3,0

> 4.000

3,0-3,5

mit der MacGill-Zange gefaßt und in die unterhalb des Spatelendes sichtbare Trachea eingeführt.

Notfälle im Kindesalter

167

Notfälle mit akuter Atemnot beim Säugling und Kleinkind Eine Reihe von Noxen und Infektionen, die für den Erwachsenen harmlos sind, können den Säugling aufgrund der physiologischen Enge der oberen Luftwege in akute Gefahr bringen. Nur die wichtigsten können besprochen werden.

Schnupfen beim jungen Säugling Eine verlegte Nasenatmung bei akuter viraler Rhinitis kann den jungen Säugling in eine erhebliche Dyspnoe versetzen. Vorsichtiges Absaugen des Nasenschleimes mit einem entsprechend dünnen und weichen Absaugkatheter kann Abhilfe schaffen. Erst danach ist das Einträufeln von abschwellenden Nasentropfen sinnvoll (z. B. Nasivin 0,01%).

Insektenstich im Mund- oder Halsbereich Zum akuten Ersticken kann beim Kleinkind ein Insektenstich im Mund- oder Halsbereich führen. Als Sofortmaßnahme empfiehlt sich Rectodelt 100 mg und Beruhigen des Kindes. Sofortige Klinikeinweisung ist unumgänglich. Der Transport sollte unter ärztlicher Aufsicht und Intubationsbereitschaft erfolgen.

Fremdkörperaspiration Besonders bei Kleinkindern, mit einem Gipfel im 2. und 3. Lebensjahr, kommt es beim Spielen oder während der Mahlzeit zur Aspiration von kleinen Gegenständen, welche in den Mund gesteckt wurden. Besonders beliebt sind Erdnußkerne. Die Folgen können unterschiedlich sein und reichen vom symptomlosen Verlauf über Hustenanfälle bis hin zum akuten Ersticken. Bekommt das Kind ausreichend Luft, so sind die häufig empfohlenen Erste-Hilfe-Maßnahmen (Heimlich-Handgriff, in Kopfhängelage schütteln) unbedingt zu unterlassen, da durch solche Manöver der Fremdkörper in eine ungünstigere Lage rutschen kann und er dann zur völligen Obstruktion führt [4]. Bei akuter Erstickungsgefahr, zunehmender Zyanose lohnt sich die Racheninspektion: hat sich der Fremdkörper zwischen den Stimmritzen verkeilt, so kann er unter Umständen mit der MacGillZange gefaßt und entfernt werden. Läßt sich auf diese Weise die Ursache nicht beheben (fast immer befindet sich der Fremdkörper bereits tief in der Trachea), so hilft die sofortige Maskenüberdruckbeatmung und die nachfolgende Intubation. In jedem Fall — mit und ohne akute Atemnot — sollte ein Kind mit Verdacht auf Fremdkörperaspiration in die Kinderklinik eingewiesen werden.

168

J. G. Schöber

Kruppsyndrom Der wohl häufigste Notfall mit akuter Atemnot ist im Kindesalter das Kruppsyndrom, welches im wesentlichen zwei verschiedene Krankheitsbilder umfaßt, nämlich die stenosierende Laryngotracheitis, hervorgerufen durch Viren und die Epiglottitis, eine bakterielle Infektion. Die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale sind in Tabelle 2 zusammengefaßt. Bei beiden Krankheitsbildern kommt es akut zu einer Einengung der oberen Luftwege im subglottischen (stenosierende Laryngotracheitis) oder supraglottischen Bereich (Epiglottitis). Tab. 2. Kruppsyndrom: Unterscheidungsmerkmale [nach Butenandt, 5]

Erreger Befund Krankheitsbeginn Allgemeinzustand Inspiratorischer Stridor Husten Stimme Schluckschmerz Speichelfluß Haltung im Bett

Stenosierende Laryngotracheitis

Epiglottitis

Viren Subglottische Entzündung meist langsam befriedigend, kaum Fieber laut hörbar

Haemophilus influenzae Supraglottische Entzündung meist foudroyant schwerkrank, hohes Fieber leise, kombiniert mit exspiratorischem Schnarchen selten vorhanden

bellend rauh heiser keiner keiner unauffällig

leise, kloßig, nicht heiser häufig häufig sitzend, nach vorn gebeugt

Die Notfalltherapie ist für beide Krankheitsbilder zunächst gleich (Tab. 3): Das Kind muß auf dem schnellsten Wege in ein Kinderkrankenhaus gebracht werden, in welchem die notwendige Intensivbehandlung erfolgen kann. Bis dahin sollte zwar eine Beruhigung des Kindes — z. B. durch die Mutter - angestrebt werden, aber eine medikamentöse Sedierung nicht erfolgen, da sie zur akuten Atemnot führen kann. Gefährlich sind auch Maßnahmen, die das Kind aufregen, wie Injektionen oder eine Spatelinspektion zur Sicherung der Diagnose. Es sind Reflextodesfälle bei Spatelinspektion beschrieben worden. Man sollte jedoch ein Kortisonpräparat rektal verabfolgen. Bei der stenosierenden Laryngitis kann Tab. 3. Kruppsyndrom: Notfalltherapie 1. 2. 3. 4.

Beruhigung durch die Mutter, keine Injektion, keine Spatelinspektion, Rectodelt 100 mg,

5. Sauerstoffinhalation, 6. Reanimationsbereitschaft (0 2 -Maskenbeatmung, Mund-zu-Mund-Beatmung, Intubation).

Notfälle im Kindesalter

169

dieses einen günstigen, abschwellenden Effekt haben, bei der Epiglottitis schadet es zumindest nicht. Bei Zyanose sollte man das Kind Sauerstoff inhalieren lassen. Der Transport im Krankenwagen sollte in Reanimationsbereitschaft erfolgen. Bei einem Atemstillstand oder bei zunehmender Zyanose trotz Sauerstoffinhalation ist unverzüglich eine Sauerstoffmaskenbeatmung durchzuführen. Praktisch jede Epiglottitis läßt sich durch Maskenbeatmung ausreichend ventilieren. Hingegen kann die Intubation bei Epiglottitis — zumal für den wenig Geübten — schwierig bis unmöglich sein, da der Kehlkopfeingang durch die kirschgroß geschwollene Epiglottis völlig verdeckt ist. Erweist sich einmal, ganz gegen alle Erfahrung, die Maskenbeatmung als ineffektiv, so muß ein Intubationsversuch gemacht werden. Hierbei wird man sich den Tubus mit einem Führungsstab stabilisieren, die Epiglottis mit der Tubusspitze anheben und blind versuchen den Tubus in die Trachea einzuführen. In dieser schwierigen Situation hat sich zuweilen die Intubation mit einem Metallblasenkatheter (Außendurchmesser 4 — 5 mm) als lebensrettend erwiesen [6]. Hierzu muß der Metallkatheter vorher mit einem Ansatz für den Beatmungsbeutel versehen werden. Ist man sich sicher, daß eine stenosierende Laryngotracheitis vorliegt, so kann Micronephrin-Inhalation durch seine abschwellende Wirkung rasche Erleichterung verschaffen. Micronephrin enthält Adrenalin-Razemat. Es wird 1 : 7 mit Aqua dest. oder 0,9%iger NaCl-Lösung verdünnt und über einen Medikamentenvernebler vor der Nase des Kindes vernebelt. Bei der stenosierenden Laryngotracheitis sollte nur im äußersten Notfall intubiert werden, da durch den Tubusdruck auf das entzündet geschwollene Trachealgewebe bleibende, narbige subglottische Stenosen provoziert werden können.

Asthmaanfall Der akute Asthmaanfall macht beim Kind ähnliche Beschwerden wie beim Erwachsenen. Auffallendes Symptom ist das verlängerte Exspirium mit dem exspiratorisch hörbaren Giemen und Brummen. Der Klopfschall ist hypersonor, wegen der erschwerten Ausatmung sind die Lungen überbläht. Bei extremer Überblähung können die Geräuschphänomene wieder leiser werden, was nicht über den bedrohlichen Zustand hinwegtäuschen darf. Zu der Akuttherapie des Status asthmaticus (Tab. 4) wird man zunächst eine Infusion anlegen (z. B. Jonosteril Päd Tab. 4. Status asthmaticus: Notfalltherapie 1. Infusion anlegen, 2. Euphyllin 5 mg/kg langsam i. v. 3. Prednison 2 — 5 mg/kg i. v. 4. Bricanyl 0,01 mg/kg s. c. 5. Im Notfall: intermittierende Maskenbeatmung oder Beatmung nach Intubation

170

J. G. Schöber

II), wichtig für die notwendige Hydrierung und für die intravenöse Gabe der Medikamente. Das Medikament der 1. Wahl ist Euphyllin gefolgt von Prednison. Als drittes Medikament hat sich Bricanyl bewährt. Nimmt der Transport in die Klinik längere Zeit in Anspruch, so wird der Infusionslösung Euphyllin zugesetzt (1 mg/kg/h als Dauerinfusion). In extremen Fällen kann auch einmal die Intubation und Beutelbeatmung notwendig werden. Hierbei muß man sehr genau die Ausatmung beobachten: Kommt es durch die künstliche Beatmung mit positivem Druck zu einer zunehmenden Überblähung, so muß die Ausatmung durch manuelle Thoraxkompression unterstützt werden. Insbesondere dann kann dies notwendig werden, wenn im Rahmen der Intubation relaxiert wurde. Beim intubierten Kind wird man versuchen, das zähe Sekret durch 0,9% NaCl-Spülungen zu lockern und abzusaugen.

Kardiale Notfälle Hypoxämischer Anfall Bei angeborener Fallot-Tetralogie kann es durch akute Zunahme des RechtsLinks-Shunts und entsprechender Abnahme der Lungendurchblutung zum hypoxämischen Anfall mit tiefer Zyanose, ängstlichem Wimmern und Bewußtseinseintrübung kommen. Die Akuttherapie [7] besteht in Sauerstoffinhalation, die gebeugten Beine des Kindes an die Brust drücken (Zunahme des peripheren Widerstandes) und in der Gabe von Morphin 0,1 mg/kg s. c. oder i. m.

Supraventrikuläre Tachykardie Paroxysmale, supraventrikuläre Tachykardien (mehr als 220/min) können den Säugling innerhalb von Stunden in eine schwerze Herzinsuffizienz bringen. Die Herzinsuffizienz macht sich in Tachypnoe und allgemeiner Blässe bemerkbar. Es lohnt sich also, beim dyspnoeischen Kleinkind die Herzfrequenz auszuzählen. Als Faustregel gilt: Sind die peripheren Pulse noch tastbar, so ist genügend Zeit, das Kind in eine Kinderklinik zu bringen, wo dann die antiarrhythmische Therapie eingeleitet wird. Sind die Pulse jedoch nicht mehr tastbar und macht das Kind einen schockigen Eindruck, so muß sofort die Konversion in Sinusrhythmus versucht werden: 1. Diving Reflex [8]: Man füllt einen Plastikbeutel zur Hälfte mit Wasser und zur Hälfte mit Eisstückchen. Diesen Beutel legt man nun für 10—15 Sekunden über das Gesicht des Kindes. Stirn, Mund und Nase müssen bedeckt sein. Häufig kommt es durch diese Maßnahme zum Umschlag in Sinusrhythmus. 2. Eine einmalige, kräftige Sternumkompression (wie bei Herzmassage) kann den Umschlag bewirken. 3. Als ultima ratio die Elektrokonversion mit 1 — 2 Wattsec./kg. Man verwendet kleine Plattenelektroden. Vor der Elektrokonversion soll Chloralhydrat oder Diazepem verabreicht werden.

Notfälle im Kindesalter

171

Fieberkrämpfe, epileptische Anfälle Im Rahmen von hochfieberhaften Infekten kommt es bei den 1 —5jährigen häufig zu einem tonisch-klonischen „Fieberkrampf". Zur Krampfunterbrechung gibt man 0,5 mg/kg Diazepem i. v. Bei fehlendem venösen Zugang ist es sinnvoller, das Diazepam sofort rektal zu verabreichen. Dosierung: für Säuglinge 1 Diazepam Desitin rectal tube zu 5 mg für Kleinkinder 1 — 2 rectal tubes zu 5 mg für Schulkinder 1 - 2 Diazepam Desitin rectal tubes zu 10 mg Nach der Krampfunterbrechung sollte das Fieber durch physikalische Maßnahmen (feuchtkalte Wadenwickelt) oder Paracetamol Zäpfchen (125 mg für Säuglinge, 250 mg für Kleinkinder) gesenkt werden. Besonders bei epileptiformen Anfällen ist Rivotril (0,05 — 0,1 mg/kg) zur Krampfunterbrechung wirksamer als Diazepam.

Erbrechen, Durchfall, Toxikose Bei Säuglingen und Kleinkindern kann es im Rahmen einer akuten Gastroenteritis durch Erbrechen und Durchfall zu starken Wasserverlusten und zu Elektrolytentgleisungen kommen. Die Haut zeigt beim Anheben stehende Falten, Lippen und Schleimhäute sind trocken, die Augen liegen tief. Im fortgeschrittenen Stadium sind die Kinder apathisch und bewußtseinsgetrübt. Der bedrohlichste Zustand ist die hyperpyretische Toxikose, bei welcher der Stamm heiß (Rektaltemperatur über 40°C), die Extremitäten jedoch kühl sind. Die Haut wirkt bei diesen Kindern nicht exsikkiert, sondern eher teigig und gedunsen. Die Augen sind aber tiefliegend mit leerem Blick. Die entscheidende Notfalltherapie ist das Anlegen einer Infusion. Man infundiert initial 0,9% NaCl-Lösung in einer Geschwindigkeit von 20 ml/ kg/h, sowohl bei der hyponatriämischen wie auch bei der hypernatriämischen Dehydratation ist diese Therapie der ersten Stunde korrekt. Bei hohem Fieber gibt man Paracetamol Zäpfchen und bei Krampfbereitschaft Diazepam rektal. Die Kinder müssen dann auf dem schnellsten Wege in eine Kinderklinik gebracht werden, damit dort nach Bestimmung der Elektrolyte und des Säure-Basen-Status die weitere Therapie gezielt ablaufen kann. Bei unsachgemäßer Wasser- und Elektrolyttherapie droht besonders bei der hypernatriämischen Dehydratation die Gefahr des Hirnödems. Die vorliegende Übersicht konnte nur eine Auswahl von Notfällen im Kindesalter besprechen. Es wurden die wichtigsten ausgewählt und solche, die beim Erwachsenen nicht vorkommen. Wichtig ist, daß der Notfallkoffer die für Säuglinge und Kleinkinder geeigneten Medikamente und Bestecke enthält. An Medikamenten sollte vorhanden sein: Diazepam rectal zu 5 und zu 10 mg, Chloralhydrat Rek-

172

J. G. Schöber

tiolen, Paracetamol Zäpfchen. Als Infusionskanülen haben sich bewährt: Butterfly No. 19, 21, 23 und 25 sowie Teflon-Kanülen der Größen 20, 22 und 24. Auch sollte der Notfallkoffer Beatmungsmasken, Beatmungsbeutel, Tuben und Magensonden verschiedener Größen enthalten.

Literatur [1] Schöber, J. G.: Organisation, Aktionsradius und Aufgaben der Neugeborenennotarztdienste in Bayern. In: Präklinische Erstversorgung (Hrsg. J. G. Schöber und R. Strigl). Verlag Dr. C. Wolf und Sohn, München 1987 [2] Schöber, J. G.: Risikoneugeborene. Atmung, Kreislauf und ihre pharmakologische Beeinflussung. Verlag Urban & Schwarzenberg, München — Berlin — Wien 1975 [3] Kumlien, B.: Notfälle bei Neugeborenen einschließlich Reanimation. Vortrag: Aufbaukurs Blaulichtärzte Stufe II am 28.11.1987 in München. [4] Butenandt, I.: Fremdkörperaspiration. In: Lehrbuch der Kinderheilkunde (Hrsg. K. Betke und W. Künzer). Thieme Verlag, Stuttgart - New York 1984 [5] Butenandt, I.: Krupp-Syndrom. In: Lehrbuch der Kinderheilkunde (Hrsg. K. Betke und W. Künzer). Thieme Verlag, Stuttgart - New York 1984. [6] Mantel, K.: Persönliche Mitteilung 1987 [7] Schöber, J. G., K. Bühlmeyer: Hypoxämischer Anfall bei einem 2jährigen Kleinkind: Was tun? Herz und Gefäße 2 (1982) 4 6 4 - 4 6 7 [8] Schöber, J. G., K. Bühlmeyer: Supraventrikuläre Tachycardie beim Säugling — und was der Hausarzt machen kann und was nicht. Herz und Gefäße 2 (1982) 206 — 208

Gynäkologische und geburtshilfliche Notfälle R. Strigl In diesem Rahmen sämtliche geburtshilflichen und gynäkologischen Notfälle ausreichend abzuhandeln, ist nicht möglich. Es sollen die wichtigsten Krankheitsbilder aus dem Fachbereich vorgestellt werden. Diese wurden ausgewählt, weil sie entweder häufig sind oder weil das richtige Handeln vor Ort durch den Notarzt für die Prognose der Patientin von Bedeutung ist.

Geburtshilfliche Notfälle Bei Frauen im geschlechtsreifen Alter sollten geburtshilfliche Krankheitsbilder immer mit in Betracht gezogen werden (Tab. 1). Eine Besonderheit bei geburtshilflichen Notfällen besteht darin, daß zumindest bei fortgeschrittener Schwangerschaft häufig zwei Menschenleben gefährdet sind. Tab. 1. Die wichtigsten geburtshilflichen Notfälle Abort, Extrauteringravidität, Frühgeburts- und Geburtsbestrebungen, (Prä)Eklampsie, Blutung bei Placenta praevia, Vorzeitige Plazentalösung, Nabelschnurvorfall, Postpartale Uterusatonie

Abort 8% aller Schwangerschaften enden mit einer Fehlgeburt. Die Amenorrhoe weist darauf hin. Blutungen, eventuell mit Abgang von Gewebe und Schmerzen, deuten auf einen inkompletten Abort hin. Bei Zustand nach Schwangerschaftsabbruch und Schüttelfrost in der Anamnese ist an einen septischen Abort zu denken. Differentialdiagnostisch kommen in erster Linie die Extrauteringravidität und Verletzungen beim Schwangerschaftsabbruch in Betracht. Therapeutisch bleibt vor Ort bei starker Blutung primär nur die Kreislaufbehandlung. Uterotonika wie Oxytozin und Methergin sollten nur bei starker Blutung eingesetzt werden oder wenn man sicher ist, daß ein inkompletter Abort vorliegt (Nachweis von Abortmaterial).

174

R. Strigl

Extrauteringravidität Bei der Extrauteringravidität, die inzwischen in drei von 100 Schwangerschaften auftritt und somit kein seltenes Krankheitsbild mehr darstellt, wächst der Embryo außerhalb des Cavum uteri, meist in der Tube heran. Durch eine Tubenruptur oder einen Tubarabort kommt es zur intraabdominalen Blutung. Die klassische Trias Amenorrhoe, Blutung, Schmerz weist bei bestehender Schwangerschaft auf das Krankheitsbild hin. Im Gegensatz zur Fehlgeburt findet sich bei der blutenden Extrauteringravidität ein akutes Abdomen. Die Patientin gibt häufig Schulterschmerzen an; sie ist anämisch und eventuell im Schock. Die vaginale Blutung ist, wenn vorhanden, nur leicht ausgeprägt. Durch eine sofort einsetzende Schockbehandlung vor Ort kann man bei schweren Fällen die Patientin zur sofort notwendigen Operation vorbereiten und die Prognose insgesamt verbessern.

Frühgeburts- und Geburtsbestrebungen Immer wieder wird es dem Notarzt passieren, daß er auf eine Schwangere mit Frühgeburts- oder Geburtsbestrebungen trifft. Sie ist in der zweiten Schwangerschaftshälfte oder in Terminnähe, gibt eine regelmäßige Wehentätigkeit und manchmal zusätzlich Fruchtwasserabgang an. Die Grundspannung des Uterus ist erhöht und in Abständen von wenigen Minuten laufen schmerzhaft empfundene Kontraktionen ab. Eine gynäkologische Befunderhebung zur Beurteilung der Situation wäre erforderlich, kann aber nur durch den Geschulten durchgeführt werden. Das beste Transportmittel für das Kind ist nach wie vor die Gebärmutter. So ist es vor allem für das Frühgeborene von größtem Wert, wenn durch Bekkenhochlagerung, Sedierung (z. B. Diazepam 10 mg i. m.) und i. v. Tokolyse mit Beta-Sympathikomimetika (z. B. Partusisten nach beiliegender Vorschrift) die Geburt bis zum Eintreffen in einer entsprechend ausgerüsteten Klinik hinausgezögert werden kann. Bei Frühgeburtsbestrebungen (Terminangaben!) soll möglichst eine große geburtshilfliche Abteilung mit Neonatologen nach telefonischer Anmeldung angefahren werden.

(Prä)Eklampsie Die Eklampsie stellt eine für Mutter und Kind bedrohliche Komplikation der in ihrer Ätiologie ungeklärten, mit Hochdruck, Ödembildung und Proteinurie einhergehenden EPH-Gestose dar. Eher von den Angehörigen kann der Notarzt erfahren, daß die Patientin plötzlich unruhig war, Ohrensausen, Kopfschmerzen, Augenflimmern und eventuell auch Oberbauchschmerzen angab und schlimmstenfalls ein Krampfanfall abgelaufen sei. Die Patientin zeigt die aufgeführten Symptome. Den tonisch-klonischen Krampfanfall erlebt man eher selten. Danach ist die Patientin halb oder ganz bewußtlos. Ödeme, die starke Erhöhung vor

Gynäkologische und geburtshilfliche Notfälle

175

allem des diastolischen Blutdrucks und die Hyperreflexie weisen diagnostisch den Weg. Die Patientin soll möglichst von äußeren Reizen abgeschirmt werden. Ein Mundkeil kann bei einem erneuten Anfall den Zungenbiß verhindern. In seltenen Fällen besteht eine Ateminsuffizienz, die entsprechend behandelt werden muß. Da sich die Prognose für Mutter und Kind bei jedem weiteren Anfall verschlechtert, ist es von großer Bedeutung, diesen zu verhindern. Mit Magnesiumsulfat (1 — 4 g langsam i. v.) und weiter 1 g/h per infusionem kann in aller Regel ein weiterer Anfall verhindert werden. Eine Atemdepression ist durch Kalzium i. v. oder notfalls durch Beatmung zu behandeln. Auch bei der weiteren Behandlung in der Klinik stellt die Therapie mit Magnesium die entscheidende Maßnahme dar.

Blutung bei Placenta praevia In 0,5% aller Schwangerschaften liegt die Plazenta vor dem Muttermund. Vor allem bei einsetzender Wehentätigkeit kann es durch eine lokale Ablösung zu schweren Blutungen kommen. Häufig bestanden während der Schwangerschaft sogenannte annoncierende Blutungen oder die Placenta praevia war bereits durch eine Ultraschalluntersuchung bekannt. Die Patientin darf in keinem Fall gynäkologisch untersucht werden. Für die Diagnose reicht die Feststellung einer schweren, schmerzlosen vaginalen Blutung in der 2. Schwangerschaftshälfte, die natürlich zum Schock führen kann. Abdomen und Uterus sind weich. Differentialdiagnostisch ist vor allem an eine vorzeitige Plazentalösung zu denken. Vor Ort sollte als erstes die Volumentherapie einsetzen. Bei Wehentätigkeit und stabilen Kreislaufverhältnissen kann die Notfalltokolyse das Ausmaß der Blutung beträchtlich vermindern.

Vorzeitige Plazentalösung Die in der 2. Schwangerschaftshälfte bei 0,5% der Schwangeren auftretende akute, dramatisch verlaufende vorzeitige Plazentalösung ist häufig Folge einer EPH-Gestose. Anamnestisch gibt die Patientin einen Dauerschmerz im Unterbauch und oft auch zusätzlich schmerzhafte Kontraktionen an. Eine vaginale Blutung ist nicht obligat. Auch bei diesem Krankheitsbild ist eine vaginale Untersuchung untersagt. Ein Leitsymptom stellt der sehr harte und druckschmerzhafte Uterus dar. Eine vaginale Blutung kann, muß jedoch nicht bestehen. Häufig sind diese Patientinnen im Schock. Das Kind ist ebenfalls vital bedroht. Differentialdiagnostisch kommen vor allem die Placenta praevia, Frühgeburts- und Geburtsbestrebungen in Betracht. Während des sofortigen Transports in die Klinik ist bei häufig drohendem oder bestehendem Schock die Volumentherapie von Bedeutung.

176

R . Strigl

Nabelschnurvorfall In 0,3 — 0,7% aller SS, beim vorzeitigen Blasensprung und vor allem wiederum bei Beckenendlagen sowie bei Mehrlingsschwangerschaften gleitet die Nabelschnur am führenden Kindsteil vorbei nach unten. Beginnt die Wehentätigkeit und der führende Kindsteil tritt in das kleine Becken ein, komprimiert er die Nabelschnur gegen die Beckenwand, was durch eine Unterbrechung des Blutkreislaufs katastrophale Folgen für das Kind hat. Sollte die vor der Vulva sichtbare oder eventuell bei einer Hausgeburt von der Hebamme in der Scheide getastete Nabelschnur noch pulsieren, kann das Leben des Kindes durch Beckenhochlagerung, Eingehen in die Scheide und Hochdrängen des führenden Kindsteiles sowie durch die Notfalltokolyse mit Beta-Sympathikomimetika bis zur Schnittentbindung gerettet werden.

Postpartale Uterusatonie Bei der postpartalen Uterusatonie — von Bedeutung für den Notarzt bei der Hausgeburt — bleibt die Kontraktion der Gebärmutter nach der Geburt des Kindes aus. Dadurch entfällt der entscheidende Blutstillungsmechanismus und die Patientin kann aus der großen Plazentahaftstelle lebensbedrohlich bluten. Innerhalb von Minuten kommt sie dabei in den Schock. Der Uterus ist weich und der Fundus steht häufig schwer identifizierbar weit über dem Nabel. Differentialdiagnostisch kommen primär Weichteilverletzungen während der Geburt in Beracht. Die sofort durch den Notarzt einzuleitende Therapie besteht in der kräftigen Massage des Uterus, Gaben von Oxytozin (3 — 6 Einheiten i. v.) und weiter per infusionem mit 10 — 20 Einheiten in 500 ml sowie Methergin (0,2 —0,4mg i.V.). Die Volumenbehandlung versteht sich von selbst. Ist die

Abb. 1. Hamilton-Griff zur Blutstillung bei postpartaler Uterusatonie

Gynäkologische und geburtshilfliche Notfälle

177

Plazenta noch in utero, kann man versuchen, bei kontrahiertem Uterus durch „Kristellern", also Drücken von oben und Zug von unten diese zu lösen. Kontrahiert sich der Uterus nach all diesen Maßnahmen nicht, muß er notfalls bimanuell mit dem Hamilton-Griff komprimiert werden (Abb. 1). Im Extremfall hilft nur noch die Kompression der Aorta abdominalis, wobei nach 5 Minuten diese für 30 — 60 Sekunden unterbrochen werden sollte.

Gynäkologische Notfälle Von den gynäkologischen Notfällen sollen nur die wichtigsten Ursachen für die Entstehung eines akuten Abdomens, die Tumorblutung und die verschiedenen Verletzungen vorgestellt werden (Tab. 2). Tab. 2. Die wichtigsten gynäkologischen Notfälle Akutes Abdomen: — Blutungen in die Bauchhöhle, — Stieldrehung, — aszendierende Entzündung mit Peritonitis, —

Myomerweichung,

Tumorblutung, Verletzungen

Blutungen in die Bauchhöhle Blutungen in die Bauchhöhle werden verursacht zumeist durch die dargestellte Extrauteringravidität, durch Ruptur von Zysten, Myomkapselrisse, Perforation des Uterus beim Schwangerschaftsabbruch oder bei Insertion eines IUD und in seltenen Fällen durch große Leberadenome (Pilleneinnahme). Die Patientin bietet ein akutes Abdomen, gibt zusätzlich häufig Schulterschmerzen an, sie ist anämisch und oft auch im Schock. Spezifische Maßnahmen vor Ort können nicht ergriffen werden, jedoch durch die sofort eingeleitete Schockbehandlung wird die Prognose der Patientin, die in der Klinik bei diesem Zustand sofort zu laparotomieren ist, verbessert.

Stieldrehung Durch ruckartige Bewegungen, z. B. beim Sport oder beim Tanzen kann es, bevorzugt durch die Schwangerschaft, zur Torsion eines Adnextumors und seltener eines gestielten Myoms kommen. Die Folge ist eine hämorrhagische Infarzierung und Nekrose mit akutem Abdomen, eventuell mit Schocksymptomatik. Nur letztere kann vor Ort behandelt werden.

178

R. Strigl

Aszendierende Entzündung mit Peritonitis Zumeist durch eine komplizierte Adnexitis, aber auch nach Schwangerschaftsabbruch, Geburt und gynäkologischen Operationen kann es über eine weitere Keimaszension zur Pelveoperitonitis und im schlimmsten Fall auch zur VierQuadranten-Peritonitis kommen. Man findet eine schwer kranke Patientin mit akutem Abdomen, gegebenenfalls auch septischem Schock vor. Vor Ort kann nur eine notwendige Schockbehandlung eingeleitet werden.

Tumorblutung Zumeist bei fortgeschrittenem Zervixkarzinom, jedoch auch bei Scheiden- und Vulvakarzinom kommt es durch Arrosion von Gefäßen zu Blutungen nach außen. In der Regel, allerdings nicht immer, ist das Karzinom bekannt. Die helle, vaginale Blutung aus der Scheide kann lebensbedrohliche Ausmaße annehmen. Neben der Schockbehandlung kann der Geübte die dringend notwendige Scheidentamponade durchführen.

Verletzungen im Genitalbereich Nicht nur bei schweren Unfällen kann es zu lebensbedrohlichen Verletzungen im Bereich des Genitales kommen. Im Rahmen einer Kohabitation, vor allem auch bei Vergewaltigungen, treten manchmal schwere Rißverletzungen in der Scheide auf. Außerdem können schwere Blutungen bei Perforation durch unsachgemäße IUD-Einlage und Schwangerschaftsabbruchversuche, z. B. mit einer Stricknadel, entstehen. Äußere Verletzungen können bereits vor Ort behelfsmäßig versorgt werden. Dies gelingt nicht bei schweren vaginalen Blutungen. In manchen Fällen besteht zusätzlich ein akutes Abdomen. Außer einer Schockbehandlung ist vor Ort keine Therapie möglich. Die Wundversorgung, notfalls mit Laparotomie, hat in der Klinik zu erfolgen.

Literatur [1] Berkowitz, R. L.: Critical care of the obstetric patient. Churchill Livingstone, New York, Edinburgh, London, Melbourne 1983 [2] Cohen, A. W.: Notfälle in Gynäkologie und Geburtshilfe. Ferdinand Enke, Stuttgart 1987 [3] Käser, O., V. Friedberg, K. G. Ober: Gynäkologie und Geburtshilfe, Bd. II, Teil 2: Schwangerschaft und Geburt. 2. G. Thieme, Stuttgart, New York 1981 [4] Pschyrembel, W., J. W. Dudenhausen: Praktische Geburtshilfe mit geburtshilflichen Operationen. De Gruyter, Berlin, New York 1986 [5] Schöber, J. G., R. Strigl: Präklinische Erstversorgung. Universitätsdruckerei Dr. C. Wolf Sc Sohn, München 1987 [6] Taber, B. Z.: Manual of gynecologic and obstetric emergencies. 2nd Ed., W. B. Saunders, Philadelphia, London, Toronto 1984

Schmerztherapie im Rettungsdienst D. Blumenberg, P. Sefrin Dem verständlichen Wunsch von Patienten mit Schmerzen nach sofortiger und vollständiger Linderung ihrer Beschwerden kann der Notarzt trotz einer kaum zu überblickenden Fülle an Analgetika nur begrenzt gerecht werden, da es das ideale Analgetikum für den Notfall mit sofortigem Wirkungsbeginn, ausreichender Wirkungsstärke und fehlenden hämodynamischen und respiratorischen Nebenwirkungen noch nicht gibt. Neben der Wahl der Substanz kommt der Form der Applikation und der Dosierung Bedeutung zu. Bei der Applikation eines Analgetikums sind die pathophysiologischen Besonderheiten des Notfallpatienten zu berücksichtigen. Aufgrund von Schockzustand und Zentralisation sollten alle Substanzen ausschließlich langsam intravenös mit um 50% erniedrigter Dosis aufgrund des kleineren Verteilungsraumes injiziert werden. Bei Bedarf kann zu einem späteren Zeitpunkt fraktioniert nachinjiziert werden. Neben der medikamentösen Analgesie können bei isolierten Extremitätenfrakturen besondere Formen der Lokalanaesthesie wie interskalinäre Blockade nach Winnie und 3-in-l-Block eingesetzt werden. Bei schwersten Schmerzzuständen kann die Einleitung einer Narkose am Notfallort notwendig werden.

Peripher wirkende Analgetika Auf der 1. Stufe der Schmerztherapie stehen die peripher wirkenden Analgetika, die am Ort der Schmerzentstehung durch Hemmung der Prostaglandinsynthese wirken. Durch Erniedrigung der Konzentrationen der Prostaglandine wird die Erregbarkeit der Nozizeptoren herabgesetzt [7, 12]. Die wichtigsten Vertreter sind Azetylsalizylsäure (ASS) und Metamizol. Durch die peripheren Analgetika läßt sich in ca. 25% eine Analgesie erreichen. Metamizol und ASS zeichnen sich durch einen schnellen Wirkungsbeginn innerhalb weniger Minuten und ausreichender Wirkungsdauer aus (Tab. 1). Zentrale Effekte wie Sedierung und Atemdepression fehlen. Trotz der Möglichkeit einer allergischen Agranulozytose, die nach der Boston-Studie mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 : 1 , 1 Mio. auftritt [5], kann auf Metamizol im Rettungsdienst nicht verzichtet werden, da es die einzige intravenös applizierbare, peripher wirkende Substanz ohne Wirkung auf die Thrombozyten darstellt [13]. ASS zeigt bei Dosierungen von 0,5 —1,0 g bereits eine irreversible Thrombozytenaggregationshemmung [12], so daß diese Substanz bei traumatischen Notfällen

180

D. Blumenberg, P. Sefrin

Tab. 1. Pharmakologische Daten und Eigenschaften von Metamizol Metamizol 1. Dosierung: 10 — 20 mg/kg KG, 2. Wirkungsbeginn: 4 - 8 min, 3. Wirkungsmaximum: 15 min, 4. Wirkungsdauer: 3 — 4 h, 5. keine Atemdepression, 6. keine gastrointestinalen Nebenwirkungen, 7. geringe hämodynamische Beeinflussung, 8. keine Sedierung, 9. selten allergische Agranulozytose

Tab. 2. Pharmakologische Daten und Eigenschaften von Azetylsalizylsäure (ASS) ASS 1. Dosierung: 0 , 5 - 1 , 0 g, 2. Wirkungsbeginn: 4 — 8 min, 3. Wirkungsmaximum: 20 min, 4. Wirkungsdauer: 3 — 4 h, 5. keine Atemdepression, 6. gastrointestinale Nebenwirkungen, 7. Thrombozytenhemmung, 8. Vitamin-K-Antagonismus, 9. keine Sedierung

mit Schädelhirntrauma wegen der Gefahr der Blutungsverstärkung nicht eingesetzt werden sollte (Tab. 2). Andererseits deuten experimentelle Hinweise darauf, daß ASS in der Frühphase eines Myokardinfarktes den okkludierenden Thrombus wieder auflösen kann und somit die Reperfusion des ischämischen Areals wieder möglich wird. Hieraus läßt sich für ASS eine bevorzugte Indikation bei Infarktverdacht ableiten, zumal eine mögliche Lysetherapie in der Klinik davon unbeeinflußt bleibt.

Hypnoanalgetika Die Hypnoanalgetika beeinflussen die Schmerzempfindung auf verschiedenen Ebenen des zentralen Nervensystems [12]. Die Wirkung wird über die Bindung an spezifische Rezeptoren vermittelt. Bei ihrem Einsatz muß immer an mögliche Nebenwirkungen wie Atemdepression, Brechreiz und unerwünschte Einflüsse auf das Herz-Kreislauf-System gedacht werden. Die Ursache der Atemdepression ist

Schmerztherapie im Rettungsdienst

181

in einer verminderten Ansprechbarkeit des Atemzentrums gegenüber dem erhöhten pC0 2 -Wert bei unveränderter 0 2 -Empfindlichkeit zu sehen. Tramadol ist zum jetzigen Zeitpunkt das einzige Opioid, das als Hypnoanalgetikum nicht zu den verschreibungspflichtigen Betäubungsmitteln zählt und somit ohne Einschränkung im Rettungsdienst eingesetzt werden kann (Tab. 3). Es vermittelt eine gute Analgesie in etwa 6 0 - 7 0 % der Fälle. Der Einfluß auf das respiratorische und kardiozirkulatorische System ist klinisch nicht relevant, so daß Tramadol heute als das Opioid der Wahl für den Rettungsdienst bezeichnet werden kann, wenn auf verschreibungspflichtige Betäubungsmittelsubstanzen nicht zurückgegriffen werden kann [4, 8]. Die Dosierung beträgt 1,5 mg/kg Körpergewicht. Tab. 3. Pharmakologische Daten und Eigenschaften von Tramadol Tramadol 1. Dosierung: 1,5 mg/kg KG, 2. Wirkungsbeginn: 5 — 8 min, 3. Wirkungsmaximum: 20 min, 4. Wirkungsdauer: 3 - 4 h, 5. keine relevante Atemdepression, 6. keine relevante Blutdrucksenkung, 7. keine Pulmonalisdruckerhöhung, 8. leichte Sedierung, 9. analgetische Potenz geringer als Morphin

Durch Kombination mit dem peripher wirkenden Analgetika Metamizol oder ASS kann die Analgesierate auf ca. 80% gesteigert werden. Die Kombination von Tramadol und Metamizol bei traumatischen sowie von Tramadol und ASS beim Myokardinfarkt stellt heute die Methode der Wahl zur Analgesie im Notfall dar, solange verschreibungspflichtige Betäubungsmittel nicht verfügbar sind. Morphin ist unter den verschreibungspflichtigen BTM-Opioiden die Leitsubstanz (Tab. 4). Die hämodynamische Beeinflussung ist geringer als nach Pethidin und Pentazocin. Gegenüber Buprenorphin weist Morphin den Vorteil des schnelleren Wirkungseintrittes und Wirkungsmaximums auf. Ebenso liegt der Zeitpunkt der maximalen Atemdepression früher [9]. Die Einzeldosis beträgt 5 — 10 mg i. v. Die Analgesie ist auch bei stärksten Schmerzzuständen sehr gut. Der sedierende und leicht euphorisierende Effekt ist bei den Notfallpatienten erwünscht. Pethidin ist aufgrund der pharmakologischen Daten ebenfalls für die Analgesie im Notfall geeignet (Tab. 5). Es zeigt im Gegensatz zum Morphin einen ceilingEffekt. Die Kreislaufreaktion bei Patienten mit Myokardinfarkt verläuft biphasisch mit Blutdruckanstieg und einem -abfall nach etwa 15 Minuten [11]. Neben

182

D . Blumenberg, P. Sefrin

T a b . 4. Pharmakologische Daten und Eigenschaften von M o r p h i n Morphin 1. Dosierung: 5 — 10 mg, 2. Wirkungsbeginn: 3 - 5 min, 3. Wirkungsmaximum: 20 min, 4. Wirkungsdauer: 3 - 5 h, 5. M a x i m u m der Atemdepression: 7 min, 6. Sedierung, 7. konstantes H M V , 8. geringer Blutdruckabfall, 9. leichter Frequenzanstieg

T a b . 5. Pharmakologische Daten und Eigenschaften von Pethidin Pethidin 1. Dosierung: 5 0 - 1 0 0 mg, 2. Wirkungsbeginn: 1 —2 min, 3. W i r k u n g s m a x i m u m : 15 min, 4. Wirkungsdauer: 2 —3 h, 5. ceiling-Effekt, 6. fehlende hämodynamische Neutralität, 7.

Arzneimittelinteraktionen,

8. Metabolisierung zu Norpethidin, 9. weniger Spasmen glatte Hohlorganmuskulatur

der fehlenden hämodynamischen Neutralität stört beim Einsatz von Pethidin im Notarztdienst die Arzneimittelinteraktion mit Barbituraten und die Metabolisierung von Pethidin zu Norpethidin, das ebenfalls hämodynamisch aktiv ist. Pentazocin ist ein partieller Agonist vom Morphintyp, der bereits ab Dosierungen von 1 mg/kg KG einen ceiling-Effekt zeigt (Tab. 6). Psychomimetische NebenT a b . 6. Pharmakologische Daten und Eigenschaften von Pentazocin Pentazocin 1. Dosierung: 3 0 —60 mg, 2. Wirkungsbeginn: 2 —6 min, 3. W i r k u n g s m a x i m u m : 20 min, 4. Wirkungsdauer: 3 — 4 h, 5. ceiling-Effekt, 6. psychomimetische Eigenschaften, 7 . Dysphorie, 8. sympathomimetische Effekte, 9. Pulmonalisdruckerhöhung

Schmerztherapie im Rettungsdienst

183

Wirkungen sind häufiger. Pentazocin zeigt sympathomimetische Effekte mit Blutdruckanstieg und erhöhter Pulsfrequenz. Ebenso sind in der Literatur PulmonaIisdruckanstiege beschrieben, so daß der Einsatz dieser Substanz bei Patienten mit kardio-pulmonalen Erkrankungen fragwürdig ist [6, 10]. Buprenorphin zeigt wie Pentazocin einen ceiling-Effekt (Tab. 7). Die hämodynamische Beeinflussung durch Buprenorphin ist gering und liegt in der Größenordnung von der des Morphins [1]. Im Gegensatz zum Morphin beginnt der Wirkungseintritt beim Buprenorphin bei intravenöser Gabe erst nach 10 bis 15 Minuten mit einem Wirkungsmaximum nach 45 Minuten. Das Maximum der Atemdepression wird erst nach 45 Minuten erreicht. Aufgrund der pharmakologischen Daten scheint Buprenorphin für den Einsatz im Notarztdienst nicht zu den bevorzugenden Substanzen zu gehören. Aufgrund des sehr schnellen Wirkungsbeginnes und der sehr guten Analgesie wird Fentanyl von manchen Anästhesisten dem Morphin vorgezogen (Tab. 8). Fraktionierte Nachinjektionen sind allerdings notwendig.

Tab. 7. Pharmakologische Daten und Eigenschaften von Buprenorphin Buprenorphin 1. Dosierung: 0 , 1 5 - 0 , 3 mg, 2. Wirkungsbeginn: 1 0 - 1 5 min, 3. Wirkungsmaximum: 45 min, 4. Wirkungsdauer: 6 — 8 h, 5. Maximum der Atemdepression: 45 min, 6. ceiling-Effekt, 7. konstantes HMV, 8. geringer Blutdruckabfall, 9. geringer Frequenzabfall, 10. kein Pulmonalisdruckanstieg

Tab. 8. Pharmakologische Daten und Eigenschaften von Fentanyl Fentanyl 1. Dosierung: 3 — 7 °ng/kg KG, 2. Wirkungsbeginn: 1—2 min, 3. Wirkungsmaximum: 5 min, 4. Wirkungsdauer: 2 5 - 3 5 min, 5. keine relevante Blutdrucksenkung, 6. keine Pulmonalisdruckerhöhung, 7. ausgeprägte Atemdepression, 8. Sedierung, 9. kein ceiling-Effekt

184

D. Blumenberg, P. Sefrin

Eine mögliche Alternative gegenüber dem Morphin stellt Piritramid dar, eine Substanz, die in der Intensivmedizin sehr häufig zur Analgesie eingesetzt wird (Tab. 9). Die pharmakologischen Daten entsprechen denen des Morphins. Fentanyl und Piritramid werden fast ausschließlich von Anästhesisten im Notarztdienst eingesetzt, so daß eine generelle Empfehlung zum Einsatz an allen Standorten Grenzen gesetzt sind. Ketamin wirkt ebenfalls zentral an einem bisher nicht bekannten Ort (Tab. 10). Bei intravenöser Gabe werden 0,25 — 0,5 mg/kg KG gegeben [3]. Die Wirkungsdauer beträgt 15 Minuten, so daß im Notarztdienst Nachinjektionen nötig werden. Von Vorteil sind bei Ketamin die erhaltene Spontanatmung und die erhaltenen Schutzreflexe. Durch sympathomimetische Effekte kommt es zu einer Steigerung des Blutdruckes und der Pulsfrequenz, so daß der myokardiale Sauerstoffverbrauch ansteigt. Die zentrale Stimulation mit Traumerlebnissen bis zum Alptraum soll in der niedrigen Dosierung von 0,25 - 0,5 mg nicht auftreten und kann durch gleichzeitige Gabe eines Benzodiazepinderivates fast immer verhindert Tab. 9. Pharmakologische Daten und Eigenschaften von Piritramid Piritramid 1. Dosierung: 7,5 —15 mg, 2. Wirkungsbeginn: 10 — 15 min, 3. Wirkungsmaximum: 20 —30 min, 4. Wirkungsdauer: 4 - 6 h, 5. keine relevante Blutdrucksenkung, 6. keine Pulmonalisdruckerhöhung, 7. Atemdepression, 8. Sedierung, 9. kein ceiling-Effekt

Tab. 10. Pharmakologische Daten und Eigenschaften von Ketamin Ketamin 1. Dosierung: 0,25 — 0,5 mg/kg KG, 2. Wirkungsbeginn: 2 — 3 min, 3. Wirkungsmaximum: 5 min, 4. Wirkungsdauer: 15 min, 5. erhaltene Spontanatmung, 6. erhaltene Schutzreflexe, 7. sympathomimetische Effekte, 8. zentrale Stimulation, 9. Tonuserhöhung der Skelettmuskulatur, 10. Verstärkte Salivation, 11. Einfluß auf ICP

Schmerztherapie im Rettungsdienst

185

werden. Die Tonuserhöhung der Skelettmuskulatur und die verstärkte Salivation haben einen negativen Einfluß bei respiratorisch eingeschränkten Patienten. Der Einfluß von Ketamin auf den intrakraniellen Druck ist Gegenstand der Diskussion. Gesichert scheint zu sein, daß bei Spontanatmung und Schädel-Hirn-Trauma mit einem kritischen Anstieg gerechnet werden muß.

Einsatz der Analgetika im Notdienst Aus pharmakologischer Sicht stellt sich die medikamentöse Schmerztherapie im Rettungsdienst als Stufenschema dar (Tab. 11). Auf der 1. Stufe stehen die peripher wirkenden Medikamente Metamizol und Azetylsalizylsäure (ASS). Bei stärkeren Schmerzen werden sie mit dem Opioid Tramadol kombiniert. Dabei ist die Kombination Tramadol und Metamizol bei Traumapatienten zu bevorzugen, während beim Myokardinfarkt der Kombination Tramadol und ASS wegen der Thrombozytenaggregationshemmung der Vorzug zu geben ist. Bei stärksten Schmerzzuständen muß auf verschreibungspflichtige Opiate zurückgegriffen werden. Dabei ist Morphin der Vorzug zu geben, da es neben Fentanyl und Piritramid dem idealen Analgetikum für den Rettungsdienst am nächsten kommt. Tab. 11. Stufenschema zur Analgesie im Notfall 1. Stufe

Metamizol Azetylsalizylsäure (ASS)

2. Stufe

Tramadol und Metamizol, Tramadol und ASS

3. Stufe

Morphin

Literatur [1] Albrecht, M . , K. van Ackern: Beeinflussung des Kreislaufverhaltens durch Gabe von Buprenorphin in der postoperativen Phase. Anaesth Intensivther Notfallmed 20 (1985) 6 5 - 6 8 [2] Cerletti, Ch., M . R. Carriero, G. Gaetano: Platelet-aggregation response to single or paired aggretin stimuli after lowdose aspirin. N Engl J Med 314 (1986) 3 1 6 - 3 1 7 [3] Dick, W., H. Gervais: Analgesie und Anästhesie bei Notfallpatienten. Anaesth Intensivmed 27 (1986) 1 - 8 [4] Fechner, R., E. Racenberg, G. Castor: Klinische Untersuchungen über die Wirkung von Morphin, Pentacozin, Pethidin, Piritramid und Tramadol auf die Atmung. Anaesth Intensivmed 26 (1985) 126-132 [5] International Agranulocytosis and Aplastic Anemia Study: Risks of Agranulocytosis and Aplastic Anemia. J A M A 256 (1986) 1 7 4 9 - 1 7 5 7 . [6] Jewitt, D. E., B. J . Maurer, P. J . Hubner et al.: Cardiovascular effects of Pentazocin in patients with acute myocardial infarction. Br Heart J 33 (1971) 145

186

D. Blumenberg, P. Sefrin

[7] Jurna, I.: Grundlagen der Schmerztherapie mit Analgetika und Nicht-Analgetika. In: Schmerz — eine interdisziplinäre Herausforderung (Hrsg. A. Doenicke). Springer Verlag Berlin, Heidelberg - New York - Tokio 1986 [8] Karsch, K. R., V. Wiegand, H. Blancke et al.: Wirkung eines neuen Analgetikums (Tramadol) auf die Hämodynamik bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit. Z Kardio 68 (1979) 5 9 9 - 6 0 3 [9] Kerr, F., K. W. Donald: Analgesia in moycardial infarction. Br Heart J 36 (1974) 117-121 [10] Miller, H. C., A. McLeod, B. J. Kirby et al.: Effect of Pentazocine on pulmonary circulation. Lancet II (1972) 1167-1170 [11] Rees, H. A., A. L. Muir, H. R. MacDonald et al.: Circulatory effects of Pethidine in patients with acute myocardial infarction. Lancet II (1967) 863 — 866 [12] Zimmermann, A.: Schmerz und Schmerzbehandlung. M M M 127 (1985) 806 - 811 [13] Ohne Verfasser: Wie gefährlich ist Metamizol? Arzneimittelbrief 21 (1987) 5 - 6

Reanimation

Reanimation in der präklinischen Phase G. H. Meuret,

A.

Meuret

Neue experimentelle und klinische Ergebnisse haben in den letzten Jahren zu Fortschritten bei der Therapie des Herz-Kreislauf-Stillstandes geführt. Dies betrifft die folgenden 3 Eckpfeiler: 1. Mechanische Maßnahmen, 2. Pharmakotherapie, 3. Elektrotherapie. Diese Übersicht hat zum Ziel, den derzeitigen Stand der Reanimation zusammenzufassen, wobei auf neue Empfehlungen und Erkenntnisse besonders hingewiesen wird.

Sofortdiagnostik des akuten Herz-Kreislauf-Stillstandes Die Symptome des akuten Herz-Kreislauf-Stillstandes sind: — — — — —

fehlender Puls in der A.carotis, Bewußtlosigkeit, Atemstillstand oder Schnappatmung, blasse oder zyanotische Haut, weite reaktionslose Pupillen.

Dabei gilt die Pulslosigkeit der A.carotis als das einzig verläßliche Zeichen. Weite, reaktionslose Pupillen gehören nicht obligat zur Diagnose Herz-Kreislauf-Stillstand. Bis die Pupillen nach akutem Herz-Kreislauf-Stillstand weit und lichtstarr werden, können 60 — 90 Sekunden vergehen. Vor allem bei älteren Personen kann die Pupillenerweiterung vollständig fehlen. Deshalb darf für die Pupillendiagnostik nicht zu viel Zeit aufgewendet oder die Pupillenerweiterung gar abgewartet werden, bevor mit den Basismaßnahmen der Reanimation begonnen wird [3]. Auf die diagnostischen Schritte ist bei der Ausbildung besonderer Wert zu legen! Jeder Schritt des bekannten ABC-Schemas der Basismaßnahmen der kardiopulmonalen Reanimation (CPR) beginnt mit der Überprüfung der entsprechenden Vitalfunktionen. Tab. 1. ABC-Schema der Basismaßnahmen der kardiopulmonalen Reanimation Sofortdiagnostik

Maßnahmen

A: Bewußtlosigkeit?

A temwege freimachen

B: Atemstillstand?

ß eatmung

C: Kreislaufstillstand?

Z irkulation des Blutes wiederherstellen

190

G. H. Meuret, A. Meuret

Durch Mitarbeit von ausgebildeten Laien kann die Dauer des Herz-KreislaufStillstandes bis zum Beginn der Basismaßnahmen verkürzt werden. Hierdurch sind signifikante Verbesserungen des Langzeiterfolges von Reanimationen außerhalb der Klinik nachgewiesen worden [15, 96, 97].

Therapeutische Maßnahmen Mechanische Basismaßnahmen Für die Schritte A und B der Basismaßnahmen hat die AHA in ihren „Standards and Guidelines" von 1986 geänderte Empfehlungen formuliert: A = Atemwege freimachen und freihalten 1. Das Überstrecken des Kopfes und gleichzeitige Anheben des Kinns (head-tilt/ chin-lift-Methode) - statt Anheben des Nackens - wird als wirksamste Technik zum Freimachen der Atemwege für Laien empfohlen. 2. Der Dreifachhandgriff, bestehend aus dem — Überstrecken des Kopfes, — Öffnen des Mundes, — Vorschieben des Unterkiefers, ist die sicherste Methode zum Freihalten der oberen Luftwege bei TraumaPatienten (z. B. Schädel-Hirn-Trauma, Verdacht auf Halswirbelverletzung). B = Beatmung 1. Die Mund-zu-Mund- und Mund-zu-Nase-Beatmung sind vergleichbar wirksam. Es gibt keine klare Empfehlung, welche Beatmungsmethode vorzuziehen ist. Einige Argumente aus der Praxis sprechen jedoch für die Mund-zu-Nase-Beatmung: Nur bei geschlossenem Mund des Notfallpatienten sind seine Atemwege vollständig frei. Zudem kann der Beatmende seinen Mund leichter und sicherer über der Nasenöffnung des Patienten aufsetzen und abdichten. Die Mund-zu-Nase-Beatmung verringert das Risiko einer Insufflation von Ösophagus und Magen, da die Strömungsgeschwindigkeit bei der Insufflation durch die engen Nasenlöcher vermindert wird. Es gibt auch Fälle (z. B. Trismus oder Verletzungen im Mundbereich), bei denen die Mund-zu-Mund-Beatmung nicht möglich ist, und die Mund-zu-Nase-Beatmung durchgeführt werden muß. 2. Neue Empfehlungen zur Beatmungstechnik zielen darauf ab, die Hauptkomplikation der Atemspende oder Beatmung ohne endotracheale Intubation zu vermeiden: Dies ist'die Überblähung des Magens mit der Gefahr der Regurgitation

Reanimation in der präklinischen Phase

191

und Aspiration [51]. Die ursprünglich 4 schnellen Atemstöße zu Beginn der Reanimation sind ersetzt worden durch 2 langsame Beatmungen von längerer Dauer (ca. 1 — 1,5 Sek. pro Insufflation). Mit der langsamen Insufflation von ca. 800 ml Volumen beim Erwachsenen soll zusätzlich eine optimale Gasverteilung erreicht werden. Dies ist deshalb wichtig, weil bei Herz-Kreislauf-Stillstand und Reanimation pathologische Lungenveränderungen mit Abnahme der Compliance auftreten. Für die 2. Insufflation ist das Ende der Exspirationsphase abzuwarten, damit der Beatmungsdruck nicht erhöht wird. Zusätzlich kann ein geübter Helfer während der Inspiration den Handgriff nach Sellick (Krikoid-Druck) durchführen, um durch Kompression des Ösophagus Luftinsufflation in den Magen zu verhindern [83]. Der Ösophagusverschlußdruck beträgt während der Reanimation weniger als 15 cm Wassersäule. Eine effektive Beatmung ohne Aspirationsgefahr ist erst nach endotrachealer Intubation möglich. Tabelle 2 faßt die neuen Empfehlungen zur Beatmung während der Reanimation zusammen. Tab. 2. Beatmung während der CPR — Beginn der CPR mit zwei langsamen Luftinsufflationen, — vor Beginn der zweiten Insufflation Ausatmung abwarten, — Einhalten einer Ventilationspause zwischen den Kompressionen, — eventuell Einsatz des Sellick-Handgriffes, — Intubation so rasch wie möglich

C = Zirkulation des Blutes Präcordialer Schlag. Mit dem präcordialen Schlag aus ca. 30 cm Höhe auf die Mitte des Sternums konnte in einigen Fällen ein Sinusrhythmus sofort nach Auftreten von ventrikulärer Tachykardie und Kammerflimmern wiederhergestellt werden [77]. Andererseits kann die Anwendung des präcordialen Schlags auch Kammerflimmern auslösen, wenn er bei ventrikulärer Tachykardie oder Bradykardie angewandt wird. Diese Gefahr besteht vor allem, wenn eine Ischämie des Myokards oder eine allgemeine Hypoxämie vorliegen [58]. Der präcordiale Schlag wird deshalb für die präklinische Reanimation nicht mehr empfohlen. Als Erstmaßnahme ist der präcordiale Schlag nur in der Klinik unter Monitorkontrolle in 2 speziellen Situationen anzuwenden: 1. sofort nach beobachtetem Auftreten einer ventrikulären Tachykardie oder Kammerflimmern, 2. bei schwerer Bradykardie oder Asystolie aufgrund eines AV-Blocks. Die gleiche Empfehlung gilt selbstverständlich auch für den gut überwachten Patienten im Rettungswagen. Bei Kindern wird der präcordiale Schlag ausdrücklich nicht empfohlen.

192

G. H. Meuret, A. Meuret

Wirkungsmechanismus der externen Herzmassage. Während externer Herzmassage beträgt das künstlich erzeugte Herzminutenvolumen etwa lA der Norm bei suffizienter Kreislauffunktion [18]. In den letzten Jahren gab es einige neue Erkenntnisse über den Wirkungsmechanismus der externen Herzmassage, die zu einer geänderten Betrachtungsweise geführt haben. Herzkompression. Kouwenhoven, Jude und Knickerbocker, die die externe Herzmassage ab 1960 weltweit bekannt gemacht haben, waren der Meinung, daß das Herz durch seine Lage im Thorax während der externen Herzmassage sozusagen wie ein flüssigkeitsgefüllter Ballon zwischen Sternum und Wirbelsäule ausgepreßt werde [42]. Voraussetzung für diesen Wirkungsmechanismus ist ein suffizienter Klappenschluß zwischen den Herzkammern und den großen Gefäßen, durch den — wie beim intakten Kreislauf — ein Vorwärtsströmen des Blutes bewirkt wird. An dieser Betrachtungsweise wurden bald Zweifel angemeldet, da auch Patienten mit großem Faßthorax und einem im Vergleich dazu kleinen Herzen erfolgreich reanimiert wurden [99]. Bei diesen Patienten war es nicht vorstellbar, daß das Herz direkt zwischen Sternum und Wirbelsäule komprimiert wird. Die aufgrund dieser Beobachtung durchgeführten tierexperimentellen Untersuchungen bestätigen, daß während externer Thoraxkompression nicht nur eine Drucksteigerung im Herzen, sondern im gesamten Thorax erfolgt [102]. Danach pflanzen sich die Druckerhöhungen während der Thoraxkompression gleichmäßig auf intrathorakale Arterien und Venen und auf die großen Arterien außerhalb des Thorax fort. Wegen des Druckausgleichs kann ein vollständiger Klappenschluß während der Herzmassage nicht vorhanden sein (Abb. 1). Thoraxpumpmechanismus. Die Wirksamkeit des Thoraxpumpmechanismus ist tierexperimentell, durch hämodynamische Untersuchungen an Patienten und durch die sogenannte „Hustenreanimation" gut belegt [17, 66]. Die Zirkulation entsteht nach diesen Befunden dadurch, daß im extrathorakalen Gefäßbett ein Druckgradient zwischen arteriellem und venösem Schenkel aufgebaut wird. Dieser Druckgradient ergibt sich aus der unterschiedlichen Auswirkung der intrathorakalen Druckerhöhung auf die großen intrathorakalen Gefäße. Die dickwandigen arteriellen Gefäße bleiben während der Kompression offen [102]. Dagegen werden die dünnwandigen großen Venen während der intrathorakalen Druckerhöhung teilweise verschlossen. Zusätzlich verhindern Venenklappen an der oberen Thoraxapertur, daß das Blut während der Kompressionsphase in die großen extrathorakalen Venen zurückfließt [22], Dieser Druckgradient gibt die Flußrichtung der Zirkulation während externer Herzmassage vor (Abb. 1). Aus den neueren Befunden zum Wirkungsmechanismus der externen Herzmassage ergibt sich insgesamt, daß bei Erwachsenen sowohl die direkte Herzkompression als auch die Druckerhöhung im Thorax einen Einfluß auf die Blutzirkulation während

Reanimation in der präklinischen Phase

Drucke w a h r e n d der

193

H e r z m a s s a g e , m m HG

CM

Abb. 1. Schema des Thoraxpumpmechanismus. Während der Kompressionsphase entstehen keine wesentlichen Druckgradienten im Herzen (Angaben in m m H G ) . Der vorwärts gerichtete Blutfluß wird durch den Druckunterschied zwischen arteriellem und venösem Schenkel des extrathorakalen Gefäßgebietes bewirkt (modifiziert nach Weisfeldt [102]).

der Reanimation haben. Je nach anatomischen Verhältnissen und in Abhängigkeit von der Phase des Kompressions-Relaxations-Zyklus steht der eine oder andere Mechanismus im Vordergrund [47, 66]. Modifikationen der mechanischen kardio-pulmonalen Reanimation Seit der Einführung der externen Herzmassage [42] wurde immer wieder nach Modifikationen der mechanischen Maßnahmen gesucht, um die koronaren und zerebralen Perfusionsdrucke anzuheben und die Perfusion der vitalen Organe Herz und Gehirn zu verbessern. Die meisten dieser Modifikationen der mechanischen Basismaßnahmen entstanden aus der neuen Erkenntnis, daß der Minimalkreislauf des Blutes während der CPR vor allem oder allein durch den sogenannten „ T h o r a x p u m p m e c h a n i s m u s " und nicht, wie früher angenommen, durch „direkte Kompression des Herzens" zustande kommt [11, 102], Folgende Modifikationen der CPR werden vorgeschlagen: 1. erhöhte Kraft und Frequenz der Kompression [27, 47], 2. kontinuierliche abdominale Kompression [28, 41, 73], 3. simultane Ventilation und Kompression („New CPR") [11, 28, 102], 4. interponierte abdominale Kompression (zwischen den Thoraxkompressionen) [5, 7, 49, 61, 66].

194

G. H. Meuret, A. Meuret

Außer der letzten sind diese Modifikationen nicht jederzeit in der präklinischen Praxis anwendbar, da sie die endotracheale Intubation voraussetzen. Da Verbesserungen (Langzeitüberleben) durch die modifizierten Methoden bisher nicht bewiesen sind, können diese derzeit noch nicht empfohlen werden. Unabhängig von der angewandten Methode ist bei der externen Herzmassage das Bestreben, daß das Zeitverhältnis von Kompression (künstliche Systole) zu Relaxation (künstliche Diastole) 1 : 1 beträgt. Durch Verlängerung der Kompressionsphase wird zwar die zerebrale Durchblutung verbessert, aber die koronare Perfusion vermindert, da diese nur in der Relaxationsphase stattfindet [95] (Abb. 2). Kombination von Beatmung und externer Herzmassage. Für Laien wird nur die Einhelfer-Methode empfohlen. Im allgemeinen ist davon auszugehen, daß sich zunächst nur ein Helfer am Unfallort befindet, deshalb soll die Ausbildung der Ersthelfer auf die Einhelfer-Methode konzentriert werden. Auch wenn ein zweiter Ersthelfer an die Notfallstelle hinzukommt, soll weiterhin die Einhelfer-Methode durchgeführt werden. In diesem Fall löst der zweite den ersten Helfer ab [4]. Zweihelfer-Methode. Die Zweihelfer-Methode ist technisch einfacher und wirksamer. Sie ist durchzuführen, wenn 2 ausgebildete Helfer am Notfallort anwesend sind (Ärzte, Rettungssanitäter, Pflegepersonal). Die Kompressionsfrequenz der externen Herzmassage beträgt zwischen 80 und 100/min. Da es bei dieser hohen Kompressionsfrequenz kaum möglich ist, den Patienten ausreichend zu beatmen, wird nach jeder 5. Kompression eine angedeutete Pause (1 — 2 Sek.) zur Beatmung empfohlen.

Tab. 3. Häufige Fehler und Gefahren bei der externen Herzmassage — Patient nicht flach auf harter Unterlage gelagert: Herzdruckmassage ineffektiv, — Beine nicht angehoben: Keine Autotransfusion zur Verbesserung des Minimalkreislaufs, — verzögerter Beginn durch ausführliche Diagnostik oder Herbeiholen irgendwelcher Hilfsmittel: irreversible Hirnschäden bei verzögertem Reanimationsbeginn, — falscher Druckpunkt: Gefahr von Pneumothorax, Hämatothorax, Lungenkontusion, Leber- und Milzruptur, — Herzmassage zu schnell und ruckartig: Kompressionsphase zu kurz, — längere Unterbrechungen als ca. 5 Sek. (Ausnahme Intubation): Minimalkreislauf erliegt und muß neu aufgebaut werden, — Handballen wird nach Kompression des Thorax hochgenommen und mit Schwung erneut auf den Thorax aufgesetzt: Verletzungsgefahr (Sternumfraktur, Kostochondrale Absprengung), — Druck wird mit Fingern auf Rippen übertragen: Ungenügende Kompression, Rippenfrakturen, — keine Kontrolle der Wirksamkeit der Maßnahmen: Maßnahmen bleiben unbemerkt ineffektiv, Korrekturen werden nicht vorgenommen, Wiedereinsetzen der spontanen Pumpfunktion des Herzens oder der Spontanatmung werden nicht wahrgenommen, — Herzmassage während Transport auf der Trage: Herzmassage ineffektiv, Transport erschwert (Transport erst nach Stabilisierung der Kreislauffunktion)

Reanimation in der präklinischen Phase

195

Fehler und Gefahren der externen Herzmassage sind in Tabelle 3 aufgeführt. Die derzeitigen Empfehlungen der mechanischen Maßnahmen faßt Tabelle 4 zusammen. Tab. 4. Mechanische Maßnahmen der Reanimation — aktuelle Empfehlungen 1. präkordialer Schlag nur in Klinik unter Monitorkontrolle, 2. externe Herzmassage: Druck- und Entlastungsphase 1 : 1 , 3. Frequenz der externen Herzmassage 80 —100/min, 4. Ein-Helfer-Methode: Herzmassage und Beatmung 15 : 2 , 5. Zwei-Helfer-Methode: Herzmassage und Beatmung 5 : 1 , 6. Beatmung: In angedeuteter Pause zwischen den Kompressionen, sonst Herzmassage nicht unterbrechen, 7. intubierte Patienten: Herzmassage und Beatmung unkoordiniert

Effizienzkontrolle während der CPR 1. Nach vier Reanimationszyklen, bestehend aus Thoraxkompression und Beatmung, ist durch Tasten des Karotispulses für ca. 5 Sek. festzustellen, ob bereits ein Spontankreislauf wiederhergestellt ist. 2. Ist der Puls nicht tastbar, wird mit der CPR ohne Verzögerung fortgefahren. 3. Wenn ein tastbarer Puls vorhanden ist, soll die Spontanatmung für etwa 3 — 5 Sek. kontrolliert werden. 4. Im Verlaufe einer längeren Reanimation sind Puls und Atmung im Abstand von einigen Minuten zu überprüfen. 5. Die Reanimationsmaßnahmen dürfen nicht länger als 7 Sek. zur Kontrolle unterbrochen werden. Hustenreanimation. Selbstdurchgeführte Reanimation durch Husten ist möglich [17]. Diese Möglichkeiten sind allerdings auf Situationen in der Klinik beschränkt, in denen der Herz-Kreislauf-Stillstand am Monitor beboachtet wird, bevor der Patient bewußtlos wird (10—15 Sek. nach Herz-Kreislauf-Stillstand) und überdies noch in der Lage ist, kräftig zu husten. Durch intrathorakale Druckerhöhung kann mit der selbstinduzierten Hustenreanimation eine zerebrale Perfusion für 1 — 2 min erreicht und dadurch das Bewußtsein erhalten werden. Derartige Fälle sind bei Herzkatheteruntersuchungen beschrieben worden [77].

Pharmakotherapie Die Pharmakotherapie ist ein notwendiger Bestandteil der Maßnahmen für eine erfolgreiche Reanimation. Ohne Pharmakotherapie kann eine spontane Kreislauffunktion nach Herz-Kreislauf-Stillstand nur dann wiederhergestellt werden,

196

G. H. Meuret, A. Meuret

wenn der Kreislaufstillstand beobachtet wurde oder nur wenige Minuten bestand [77], Dies ist im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß während der Reanimation zu niedrige Perfusionsdrucke von Herz und Gehirn erzeugt werden, um eine ausreichende Durchblutung dieser Organe sicherzustellen [59, 79]. Vor allem reicht die koronare Perfusion in der Regel nicht aus, um das Wiedereinsetzen der spontanen Pumpfunktion des Herzens zu ermöglichen [12, 19]. Die niedrigen Perfusionsdrucke während externer Herzmassage sind auf die periphere Vasodilatation bei Kreislaufstillstand und die Kompression der intrathorakalen arteriellen Gefäße durch die externe Herzmassage zurückzuführen. Die periphere Vasodilatation wird durch Azidose und Hypoxie bzw. Ischämie des Gewebes während des Herz-Kreislauf-Stillstandes hervorgerufen [68, 69]. Die großen intrathorakalen Gefäße (A.carotis und A.subclavia) kollabieren während längerer Reanimation infolge des erhöhten intrathorakalen Druckes. Dadurch wird die Druckübertragung in die extrathorakalen Arterien behindert und die zerebrale Durchblutung vermindert [57, 108]. Das Ziel der Pharmakotherapie in der Reanimation ist es, die ungünstigen Perfusionsverhältnisse von Herz und Gehirn zu verbessern und damit den Kurzund Langzeiterfolg der Reanimation zu sichern. Applikationswege für Medikamente. Eine periphere großlumige Vene am Unterarm ist der günstigste Zugangsweg, um die bei Reanimation notwendigen Medikamente zu applizieren [4]. Über die V.basilica kann ein Venenkatheter in den zentralen Venenbereich vorgeschoben werden. Hierdurch gelangen die Medikamente rascher an ihren Wirkungsort. Alle Medikamente werden durch eine Elektrolytinfusion eingespült. Zusätzlich ist es günstig, die betreffende Extremität anzuheben. Hand- und Fußrückenvenen sind wegen der extremen Kreislaufzentralisation bei Herz-Kreislauf-Stillstand als Zugangswege ungünstig. Wenn es nicht rasch gelingt, eine periphere Vene zu punktieren, ist die intratracheale Applikation eine gute Alternative [25, 70, 72]. Dies gilt für Adrenalin, Lidocain und Atropin [4], Die Medikamente werden dazu in mindestens 2facher Dosierung vorzugsweise in Wasser verdünnt. Bei Verdünnung in Wasser tritt die Wirkung ebenso rasch und sicher ein wie bei zentralvenöser Applikation [86]. Wegen der erheblichen Nachteile und Komplikationsmöglichkeiten (Tab. 5) wird das Einführen eines zentralen Venenkatheters während der Reanimation nicht empfohlen [1, 8, 34]. Die intrakardiale Injektion von Medikamenten bleibt den ungünstigen Ausnahmefällen vorbehalten, in denen weder ein peripherer noch ein zentraler venöser Zugang geschaffen werden kann, und auch eine endotracheale Intubation nicht möglich ist [4], Die Punktion der V.femoralis steht erst an letzter Stelle, da die Perfusion unterhalb des Zwerchfells während Reanimation wesentlich schlechter ist als im brachiozephalen Strömungsgebiet. Deshalb wird die V.femoralis am besten vermieden, es sei denn, ein Venenkatheter kann in den supradiaphragmalen

Reanimation in der präklinischen Phase

197

Bereich vorgeschoben werden. Tabelle 6 faßt die Rangfolge der empfohlenen Applikationswege für Medikamente in der Reanimation zusammen. Tab. 5. Nachteile der Punktion zentraler Venen während der Reanimation — fehlende asepetische Bedingungen, — Pneumothorax, Hämatothorax, — Herzmassage und Beatmung müssen unterbrochen werden, — erfolgloser Punktionsversuch: Kontraindikation für Thormbolysetherapie bei akutem Myokardinfarkt Zusätzliche Gefahren der intrakardialen Injektion: — Verletzung einer Koronararterie, — intramyokardiale Injektion, — Verschleppung eines Hautzylinders

Tab. 6. Rangfolge der Applikationswege für Medikamente bei der Reanimation 1. periphere Vene am Unterarm, V. basilica (Katheter), 2. Bronchoalveolär (durch Tubus), 3. V. jugularis externa, 4. V. femoralis (Katheter), 5. V. jugularis interna (Katheter), 6. V. subclavia (Katheter)

Phasen der Pharmakotherapie Entsprechend der unterschiedlichen pathophysiologischen Ausgangssituationen und der angestrebten Ziele sind 3 Perioden in der Pharmakotherapie während der Reanimation zu unterscheiden. Phase I: Wiederherstellung der suffizienten spontanen Zirkulation. Phase II: Erhaltung und Verbesserung der Herz- und Kreislauffunktion. Phase III: Pharmakologische Protektion der vitalen Organe vor weiterer hypoxisch-ischämischer Schädigung. Phase I: Wiederherstellung der suffizienten spontanen Pumpfunktion des Herzens Voraussetzung für die Wiederherstellung der spontanen Pumpfunktion des Herzens ist die Verbesserung der koronaren Durchblutung während der Reanimation und damit die Anhebung des diastolischen Aortendrucks durch periphere Vasokonstriktion [81]. Nur wenn es gelingt, den koronaren Perfusionsdruck über 30 mm HG während der Herzmassage anzuheben, bestehen gute Chancen für einen primären Reanimationserfolg. Die koronare Perfusion ist während der CPR abhängig vom koronaren Perfusionsdruck [33, 53, 57, 63, 70]. Der koronare Perfusionsdruck ergibt sich aus der Differenz der Drucke im rechten Vorhof und

198

G. H. Meuret, A. Meuret

dem diastolischen Aortendruck. Da während der Kompressionsphase die Drucke im rechten Vorhof und der Aorta gleich hoch sind, ist hier keine koronare Perfusion möglich. Das Myokard wird ausschließlich während der künstlichen Diastole perfundiert (Abb. 2).

RA und LA

Kompression

Relaxation

Abb. 2. Perfusionsdrucke bei externer Herzmassage. Während der Kompressionsphase entsteht der zerebrale Perfusionsdruck (CPP) aus der Differenz zwischen Aortendruck (Aorta) und Jugularvenendruck (V.jugularis). Der Aortendruck und der Druck im rechten Vorhof (RA) sind während der Kompressionsphase nahezu identisch, so daß eine myokardiale Perfusion nicht möglich ist. Das Myokard wird während der Entlastungsphase perfundiert. Der myokardiale Perfusionsdruck (MPP) ergibt sich aus der Differenz zwischen diastolischem Aortendruck und diastolischem Druck im rechten Vorhof. Z u Beginn der Relaxationsphase ist der myokardiale Perfusionsdruck am größten und damit die myokardiale Perfusion am höchsten (modifiziert nach Niemann [59]).

Adrenalin Adrenalin ist das Medikament der Wahl zur Wiederherstellung der Zirkulation. Die gute Wirksamkeit von Adrenalin in der Reanimation ist bereits seit 1906 bekannt. Damals schlössen Crile und Doley aus experimentellen Untersuchungen an Hunden, daß die Wirkung von Adrenalin in der Reanimation im wesentlichen auf der Herstellung eines ausreichenden koronaren Perfusionsdruckes von 30 —40 mmHg besteht [16]. Seitdem wurde die Wirksamkeit von Adrenalin in der Reanimation in zahlreichen experimentellen Untersuchungen belegt und hat sich in der klinischen und außerklinischen Praxis gut bewährt [4, 8, 64, 89]. In einer Reihe fundierter experimenteller Untersuchungen betrug die Erfolgsrate mit Adrenalin in der Reanimation sowohl beim asphyktischen Herzstillstand [52, 62, 68, 71] als auch beim Kammerflimmern [63, 65, 71] und der elektromechanischen Dissoziation [75] zwischen 80 und 100% bezüglich der Wiederherstellung der spontanen Kreislauffunktion.

Reanimation in der präklinischen Phase

199

Die alpha-mimetische, vasokonstriktorische Wirkungskomponente von Adrenalin ist für den ersten Schritt der Pharmakotherapie in der Reanimation von ausschlaggebender Bedeutung [106], da hierdurch die Koronarperfusion gesteigert wird [43, 57, 70]. Diese Wirkungskomponente überwiegt vollständig bei der hohen Dosis von Adrenalin (0,5 —1mg beim Erwachsenen), die in der Reanimation als Bolus appliziert wird. Die beta-mimetische Wirkungskomponente (positiv inotrope Wirkung und Steigerung der Schrittmacheraktivität) ergänzt die Alpha-Stimulation von Adrenalin sinnvoll, wenn der spontane Kreislauf in Gang gekommen ist. Voraussetzung für eine günstige Wirkung der Beta-Stimulation ist eine ausreichende koronare Perfusion (Tab. 7). Tab. 7. Wirkungen von Adrenalin bei der Reanimation Alpha-adrenerge

"Wirkung

1. Vasokonstriktion der Ateriolen, 2. Erhöhung des Tonus der thorakalen Aorta, A. subclavia und A. carotis, 3. Venokonstriktion: erhöhtes zentrales Blutvolumen Beta-adrenerge

Wirkung

1. Steigerung der Schrittmacheraktivität: — Stimulation der spontanen Kontraktion (Automatie), -

Erhöhung der Herzfrequenz,

2. elektromechanische Koppelung (indirekt über Ca +

+

),

3. Steigerung der Kontraktionskraft, 4. verstärkt Amplitude von Kammerflimmern

Adrenalin verbessert auch die Chancen der zerebralen Erholung, indem es verhindert, daß die A.carotis am intrathorakalen Abgang von der A.subclavia kollabiert und dadurch die zerebrale Durchblutung verbessert wird [57, 108]. Nach Wiederherstellung der spontanen Kreislauffunktion verhindert Adrenalin das sogenannte „No-Reflow-Phänomen" des Gehirns [79], indem es den arteriellen Blutdruck zu Beginn der Reperfusionsphase für etwa 10 —15 min erhöht. Die wichtigsten Richtlinien zur Adrenalin-Applikation in der Reanimation zeigt Tab. 8. Tab. 8. Adrenalin-Applikation in der Reanimation 1. erste Injektion ohne EKG-Diagnose (falls EKG nicht sofort verfügbar), 2. i. v.-Dosis 0,5 — 1 mg (Erwachsene), Verdünnung unnötig, 3. Repetition alle 3 — 5 Minuten, 4. intratracheale (Tubus) Applikation alternativ zu i. v.-Injektion: 1 — 2 mg in 10 ml Wasser oder NaCl (Erwachsene), 5. Mischung von Adrenalin und N a H C 0 3 vermeiden

200

G. H. Meuret, A. Meuret

Unerwünschte Wirkungen von Adrenalin in der Reanimation. 1. Adrenalin erhöht — wie alle Sympathikomimetika mit beta-mimetischer Wirkung — die Aktivität sämtlicher Schrittmacherzellen des Herzens, wodurch über ektopische Schrittmacher tachykarde Arrhythmien und Kammerflimmern ausgelöst werden können. 2. Adrenalin verstärkt die muskulären Kontraktionen bei Kammerflimmern, was einen Anstieg des Sauerstoffverbrauchs zur Folge hat. Experimentell ist ein derartiger Anstieg des Sauerstoffverbrauchs nach Sympathikomimetika mit überwiegender alpha-mimetischer Wirkung (z. B. Methoxamin) nicht vorhanden. Das verstärkte Kammerflimmern nach Adrenalin erhöht den linksventrikulären Druck, also den Druck auf das Endokard, wodurch die endokardiale Perfusion verschlechtert wird. Diese Verminderung des Verhältnisses von endokardialer zu epikardialer Perfusion wurde nach Methoxamin nicht gefunden [43], 3. Initial nach Adrenalininjektion tritt eine kurzdauernde Hyperkaliämie auf, die dann in eine Hypokaliämie übergeht [24a]. Während die Hyperkaliämie für die ventrikuläre Vulnerabilität ohne Bedeutung ist, wird die Flimmerschwelle durch die Hypokaliämie wahrscheinlich gesenkt, die Flimmerbereitschaft also gesteigert. Solange der Baro-Rezeptoren-Reflex intakt ist bzw. durch Drucksteigerung aktiviert wird, erhöht die adrenalininduzierte Hypokaliämie die Vulnerabilität des Herzens nur unerheblich. 4. Der Sauerstoffverbrauch des Herzens wird bei Reanimation mit Adrenalin auch unmittelbar nach der Wiederherstellung der Kreislauffunktion gesteigert. Dies beruht auf der Zunahme von Herzfrequenz und Kontraktionskraft des linken Ventrikels. 5. Der Blutdruckanstieg und die Erhöhung der myokardialen Kontraktion nach Wiederherstellung der autonomen Pumpfunktion des Herzens kann nach Adrenalininjektion in der Reanimation exzessive Ausmaße erreichen. Dies war insbesondere dann der Fall, wenn Adrenalin mit Kalzium kombiniert wurde [53]. Alpha-Sympathikomimetika Alpha-Sympathikomimetika sind ohne sichere Vorteile gegenüber Adrenalin. Da die alpha-mimetische, vasokonstriktorische Wirkungskomponente von Adrenalin in der Reanimation die überragende Rolle spielt, wird in letzter Zeit verstärkt die Frage erörtert, ob nicht reine Alpha-Sympathikomimetika gegenüber Adrenalin, das sowohl alpha- als auch beta-stimulierend wirkt, vorzuziehen seien [4, 64, 82]. Vor allem der erhöhte Sauerstoffverbrauch durch die Beta-Stimulation (positiv inotrope und chronotrope Wirkung) und die verstärkte Arrhythmieneigung von Adrenalin sind als nachteilig anzusehen. In experimentellen Untersuchungen waren die Vasopressoren Phenylephrin, Methoxamin und Metaraminol vergleichbar wirksam wie Adrenalin bezüglich der Wiederherstellung einer spontanen Kreislauffunktion [71]. Die Langzeiterfolge waren mit reinen Alpha-Sympathikomimetika jedoch schlechter als mit Adrenalin [74]. Ursachen hierfür können die verminderte Organperfusion und eine sekundäre Herzinsuffizienz

Reanimation in der präklinischen Phase

201

aufgrund des hohen peripheren Widerstandes unmittelbar nach Wiederherstellung der spontanen Kreislauffunktion sein [53]. Alpha-Sympathikomimetika erhöhen ferner die koronare und zerebrale Durchblutung während der Reanimation im Gegensatz zu Adrenalin nicht [30]. In neueren kontrollierten tierexperimentellen und klinischen Studien ergab sich im Vergleich von Adrenalin und Phenylephrin kein Unterschied bezüglich des Reanimationserfolgs [10, 84]. Dopamin. Die stimulierende Wirkung von Dopamin auf Alpha-, Beta- und Dopamin-Rezeptoren ist dosisabhängig unterschiedlich [45]. Die Erfahrungen mit Dopamin als Medikament zur Wiederherstellung der spontanen Pumpfunktion des Herzens sind sowohl experimentell als auch klinisch gering. Ausführliche hämodynamische Untersuchungen in der Reanimation fehlen bisher. Tierexperimentell war Dopamin hochdosiert in der Reanimation nach asphyktischem Herzstillstand und Kammerflimmern ebenso wirksam wie Adrenalin [62], In der Reanimation sind bisher keine Vorteile von Dopamin gegenüber Adrenalin beschrieben worden, aber denkbar. Aus pharmakologischer Sicht ist Dopamin wegen seines komplexen Wirkungsmechanismus für alle Phasen der Pharmakotherapie in der Reanimation geeignet. Seine vasokonstriktorische, alpha-mimetische Wirkung wird zusätzlich im wesentlichen über eine sekundäre Noradrenalinfreisetzung bewirkt. Deshalb ist diese Wirkungskomponente vom Funktionszustand der peripheren Nervenendigungen abhängig und durch Grunderkrankungen und Pharmaka leicht störbar [45]. Die Argumente, die für und gegen Dopamin als Medikament zur Wiederherstellung der Kreislauffunktion in der Reanimation sprechen, sind in Tabelle 9 zusammengefaßt.

Tab. 9. Dopamin in der Reanimation

Pharmakotherapie in der CPR mit einem Phase

I. a-Stimulation II. ß-Stimulation III. Niere

Medikament 1. Steuerbarkeit? Komplexe Wirkung sekundär über Noradrenalin 2. Wirkung in der CPR tierexperimentell nicht eindeutig 3. Klinische Erfahrung gering

202

G. H. Meuret, A. Meuret

Nach dem aktuellen Wissensstand erscheint Dopamin dem Adrenalin in der Reanimation gleichwertig. Zu den Anwendungsmöglichkeiten von Dopamin sind weitere Studien und klinische Erfahrungen erforderlich. Beta-Sympathikomimetika Beta-Sympathikomimetika sind in der Reanimation unwirksam. Alle bisherigen experimentellen Untersuchungen haben ergeben, daß überwiegend beta-stimulatorisch wirksame Katecholamine die primär erfolgreiche Reanimationsrate nicht verbessern. Die Unwirksamkeit von Isoprenalin in der Reanimation wurde bereits 1963 von Redding und Pearson [71] aufgezeigt und später die Ursachen von (a)

mit

Adrenalin

Lmksventrikularer

Spitzendruck

L°°„3I Si

p Aorta

il

(b)

mit Orciprenalin und

Adrenalin

Unksventrikutarer S p i t z e n d r u c k

nHgTl JLn J

p Aorta

™h,I j i

, — •

•—t 0 11 | '«M



1 3



1 5



1 7

a

1-/ II |

a H 13 Um.nl

IFO

RA

Abb. 3. Linksventrikulärer Spitzendruck und Aortendruck (p-Aorta) während interner Herzmassage bei zwei Hunden (Originalregistrierungen; Messung der Drucke mit Mikrotipkathetern). Zu Beginn der Herzmassage stimmen die Drucke bei beiden Hunden überein. a. Nach Adrenalininjektion (1 mg) steigt der Druck in der Aorta von 45/10 m m H G an. Die spontane Zirkulation ist nach eineinhalb Minuten wiederhergestellt. b. Dagegen fällt der Druck in der Aorta von 42/16 mm H G auf 20/5 mm H G nach viermaliger Orciprenalinapplikation (0,5 mg) ab. Der linksventrikuläre Druck steigt nach der ersten Orciprenalingabe kurzfristig an und bleibt danach etwa auf dem Ausgangsniveau vor Injektion. Die Adrenalininjektion nach 11 Minuten hebt den Aortendruck auf 67/ 37 mm H G an. Ein anhaltender Spontankreislauf kann aber nicht wiederhergestellt werden (aus [52]).

Reanimation in der präklinischen Phase

203

Yakaitis [106] analysiert. In den „Standards and Guidelines" der American Heart Association von 1980 und 1986 wird Isoprenalin für die primäre Reanimation abgelehnt [3, 4, 64]. Das früher in Deutschland für die Reanimation empfohlene Beta-Sympathikomimetikum Orciprenalin hat sich in experimentellen Untersuchungen nicht als ausreichend wirksam herausgestellt [52]. Adrenalin ist inzwischen auch in deutschsprachigen Ländern unbestritten das Mittel der ersten Wahl bei der Reanimation [45, 87]. Die fehlende Wirkung von Beta-Sympathikomimetika beruht darauf, daß der diastolische Aortendruck und damit der koronare Perfusionsdruck aufgrund der peripheren Vasodilatation nicht angehoben wird, sondern sogar absinkt (Abb. 3). Damit nimmt auch die koronare Durchblutung nach Applikation von Beta-Sympathikomimetika während der CPR ab [30]. Hierdurch entsteht ein Mißverhältnis zwischen Sauerstoffbedarf und -angebot. Wegen des fehlenden Sauerstoffangebots für das Myokard bleibt die Herzaktion auch bei Verbesserung der elektrischen Aktivität (EKG) hämodynamisch wirkungslos. Ein zusätzlicher Anstieg des Sauerstoffverbrauchs wird bewirkt, wenn durch die Beta-Stimulierung die Frequenz der unwirksamen Herzkontraktionen ansteigt und feines Kammerflimmern in „grobes" Kammerflimmern umgewandelt wird [43, 53]. Azidose Bisher ist weder experimentell noch klinisch nachgewiesen worden, daß ein Azidoseausgleich mit Natriumbikarbonat den Reanimationserfolg verbessert [34]. Dagegen wurde in den letzten Jahren über vielfältige ungünstige Birkungen von Natriumbikarbonat berichtet (Tab. 10). Tab. 10. Gefahren der Bikarbonatapplikation — Behinderung der Sauerstofffreisetzung von Hämoglobin, — Hypernatriämie und Hyperosmolarität [50, 85], — paradoxe Azidose im ZNS [6], — Auslösung maligner Arrhythmien (irreversibles Flimmern) [53, 101], — Myokarddepression [13], — Myokardkontraktur („stone heart") [14], — Wirkverlust von Katecholaminen, — Blutdruckabfall durch periphere Vasodilatation [32]

Aufgrund von alarmierenden Angaben über negative Auswirkungen einer Überkompensation der Azidose [9, 50, 101] wurde in den Empfehlungen der American Heart Association von 1980 zunächst die vorgeschlagene Dosis von Natriumbikarbonat für die Blindpufferung erniedrigt. Nach den neuesten Empfehlungen von 1986, die eine Reihe weiterer Befunde berücksichtigen, soll Natriumbikarbonat beim Herz-Kreislauf-Stillstand in den ersten 5 - 1 0 Minuten der Reani-

204

G. H. Meuret, A. Meuret

mation nicht mehr eingesetzt werden [4]. Eine Ausnahme bildet eine vorbestehende schwere metabolische Azidose, z. B. bei Koma diabeticum oder hypovolämischem Schock. Bei länger bestehendem Herz-Kreislauf-Stillstand ( > 5 Minuten) und längerer Reanimationsdauer als 10 Minuten ist mit einer behandlungsbedürftigen metabolischen Azidose zu rechnen [38, 69]. Die empfohlene Dosis für die Natriumbikarbonatinfusion beträgt dann 1 mval/kg Körpergewicht. Wegen der Gefahren einer metabolischen Alkalose und Hyperosmolarität wird von höheren Dosen abgeraten [4, 34], In der Dosis von 1 mval/kg KG als Blindpufferung während der Reanimation sind durch Natriumbikarbonat keine nachteiligen Wirkungen zu erwarten [44, 60, 103]. Bei primärem Kammerflimmern ohne vorbestehende Azidose ist die Ausbildung einer ausgeprägten metabolischen Azidose nicht zu erwarten [9, 21, 26, 44, 80]. In diesen Fällen ist ein ausreichender Azidoseausgleich allein durch adäquate Beatmung zu erreichen [21]. Die derzeitigen Empfehlungen zum Azidoseausgleich zeigt Tabelle 11. Die Infusion von Natriumbikarbonat-Puffern ist lediglich eine unterstützende Maßnahme zum Azidoseausgleich während und nach der Reanimation. Der intrazelluläre pHWert wird am sichersten aufrechterhalten durch adäquate Beatmung und zelluläre Oxygenation über einen suffizienten Spontankreislauf. Sobald ein aerober Stoffwechsel wieder möglich ist, wird die intrazelluläre Laktatproduktion als Ursache der metabolischen Azidose gestoppt. Tab. 11. Empfehlungen zur Azidosepufferung Azidosepufferung nur, wenn Kreislaufstillstand > 5 min oder CPR > 10 min Dauer, Defibrillation, adäquate Ventilation und Adrenalin haben Vorrang vor N a H C 0 3 - G a b e , Dosis: 1 mval/kg KG (Infusion markieren), Repetition: frühestens nach 10 Minuten: 0,5 mval/kg KG, Säure-Basen-Status so früh wie möglich, verstärkte Ventilation während der Bikarbonatinfusion

Kalzium Kalzium ist wegen seiner „positiv inotropen und automatizitätssteigernden Effekte" in der Reanimation empfohlen und lange Jahre angewandt worden [36]. In neueren retrospektiven und prospektiven Studien konnte jedoch eindeutig nachgewiesen werden, daß Kalzium keine günstige Wirkung beim Herz-KreislaufStillstand besitzt [29, 75, 92], Eine Reihe experimenteller und klinischer Studien geben Hinweise dafür, daß die Anwendung von Kalzium in der Reanimation gefährlich und der Reanimationserfolg vermindert werden kann [54, 93]. Kalziumüberladung gilt als anerkanntes pathogenetisches Prinzip bei der Entstehung hypoxischer und ischämischer Zellschäden des Myokards [23]. Wahrscheinlich

Reanimation in der präklinischen Phase

205

spielt Kalzium auch eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung postischämischer zerebraler Schäden [90], Die American Heart Association hat in ihren neuen Empfehlungen Kalzium im Rahmen der Reanimation gestrichen. Danach sollte Kalzium nur noch bei nachgewiesener Hypokalziämie, Hyperkaliämie und Überdosierung von Kalzium-Antagonisten eingesetzt werden [4].

Phase II: Verbesserung und Stabilisierung der Herz- und Kreislauffunktion Sympathikomimetika. Über die Anwendung von Sympathikomimetika zur Stabilisierung der Kreislauffunktion nach hämodynamisch erfolgreicher Reanimation gibt es nur wenig Information in der Literatur [65]. Deshalb müssen Regeln der Behandlung von Patienten im Schock und Herz-Kreislaufinsuffizienz auf die Stabilisierungsphase der Reanimation übertragen werden. Zur Verbesserung und Aufrechterhaltung der Herz-Kreislauffunktion werden demnach die neueren Katecholamine Dopamin und Dobutamin eingesetzt [45]. Dopamin ist vor allem dann indiziert, wenn nach erfolgreicher Reanimation ein manifester Schock mit hypotonen Blutdruckwerten (systolisch < 90 mm Hg) vorliegt. Beim frischen Myokardinfarkt kann die Freisetzung endogener Katecholamine ungünstig sein [46]. Wenn der Blutdruck über 90 mm Hg angestiegen ist, empfiehlt sich die Kombination von Dopamin und Dobutamin vor allem bei kardialen Ursachen des Herz-Kreislauf-Stillstandes [24]. Der positiv inotrope Effekt des Dobutamins wird dabei günstig kombiniert mit der spezifisch renalen Wirkung des Dopamins [76], Antiarrhythmika. Lidocain ist das Mittel der ersten Wahl bei ventrikulären Tachykardien [34]. Auch bei Kammerflimmern und Kammerflattern kann Lidocain versucht werden, wenn eine Defibrillation nicht möglich ist. Die routinemäßige Applikation von Lidocain bei vermehrten ventrikulären Extrasystolen und nach erfolgreicher Defibrillation wird nicht empfohlen. Nach akutem Myokardinfarkt wird die prophylaktische Gabe von Lidocain zur Verhinderung von Kammerflimmern dann befürwortet, wenn ein längerer Transport ohne ausreichende Überwachungs- und Therapiemöglichkeiten bevorsteht [4]. Die Dosis von Lidocain beträgt 1 mg/kg Körpergewicht als Bolusinjektion. Nach erfolgreicher Reanimation wird ein therapeutischer Spiegel von Lidocain durch die Infusion von 2 — 4 mg/min aufrechterhalten. Unerwünschte Wirkungen von Lidocain. Wiederholte Bolusinjektionen (größer 300 mg) in kurzen Abständen erzeugen während des Minimalkreislaufes bei Reanimation rasch toxische Spiegel [4]. Dadurch tritt eine periphere Vasodilatation und eine Erhöhung der Defibrillationsschwelle ein.

206

G. H . Meuret, A. Meuret

Phase III: Pharmakologische Protektion der vitalen Organe vor weiterer hypoxisch-ischämischer Schädigung Neuere Untersuchungen haben gezeigt, daß auch nach 10 — 20minütigem HerzKreislauf-Stillstand bei Normothermie eine Langzeiterholung ohne neurologische Restschäden möglich ist [2, 39, 79]. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß nicht nur die Zeitspanne bis zur Wiederherstellung eines Spontankreislaufes von Bedeutung ist, sondern auch in der Erholungsphase nach erfolgreicher Reanimation zusätzliche Schäden entstehen können, die den primären Reanimationserfolg zunichte machen [79]. Maßnahmen zur „Protektion" der vitalen Organe (vor allem Herz und Gehirn) vor zunehmender ischämischer oder hypoxischer Schädigung nach Reanimation müssen in die therapeutischen Überlegungen einbezogen werden [77], Bei Herz-Kreislauf-Stillstand aufgrund eines akuten Myokardinfarktes spielen nach erfolgreicher Reanimation Medikamente zur „Infarktbegrenzung" eine zunehmende Rolle [4, 67]. Zur Verhinderung beziehungsweise Minderung zerebraler Schäden nach Reanimation ist eine Reihe von Maßnahmen und Pharmaka experimentell untersucht und teilweise für die Klinik empfohlen worden [56, 79]. Klinische Untersuchungen konnten die hochgesteckten Erwartungen jedoch nur teilweise erfüllen. Dies trifft z. B. für die in den siebziger Jahren von der Pittsburgher Arbeitsgruppe um Safar erarbeitete Barbiturat-Therapie zu [77]. Die Ergebnisse neuerer experimenteller Studien [40] sowie die multizentrische kontrollierte klinische Pittsburgh-Studie zeigten, daß die Barbiturat-Therapie die postischämische zerebrale Funktion nicht eindeutig verbessert [2]. Die häufig empfohlenen Kortikosteroide verbessern experimentell zytotoxische Hirnödeme, wie sie bei kompletter Ischämie auftreten, nicht [31]. Eine positive Wirkung von Kortikosteroiden in der Reanimation ist bislang weder experimentell noch klinisch nachgewiesen worden, und Steroide werden deshalb von der American Heart Association nicht empfohlen [65]. Kalzium-Antagonisten sind in den letzten Jahren in der Reanimation experimentell untersucht worden aufgrund ihrer bekannten myokardialen und vaskulären Wirkungen sowie der nachgewiesenen Abschwächung der zellulären Kalziumakkumulation nach Hypoxie und Ischämie [23]. Grundlage ist dabei die Arbeitshypothese, daß Kalzium-Antagonisten die Auswirkungen der intrazellulären Kalziumakkumulation in der Reperfusionsphase nach Reanimation zumindest teilweise verhindern müßten [35, 55, 90]. Im Experiment waren Kalzium-Antagonisten tatsächlich in der Lage, die Phase der zerebralen Hypoperfusion nach Wiederherstellung der Kreislauffunktion fast vollständig zu vermeiden und die neurologische Erholung zu verbessern [53, 91, 98, 103, 104]. Erste klinische

Reanimation in der präklinischen Phase

207

Studien mit Kalzium-Antagonisten in der Reanimation ergaben kein eindeutiges Ergebnis hinsichtlich des Reanimationserfolges [48, 88]. Kalzium-Antagonisten werden in der Reanimation weiter experimentell und klinisch erprobt. Aufgrund der Ergebnisse der bisherigen tierexperimentellen Untersuchungen und der teilweise unkontrollierten klinischen Anwendung hat die Pittburgher Arbeitsgruppe eine kontrollierte multizentrische Studie mit dem Kalzium-Antagonisten Lidoflaszine begonnen [79]. Von den medikamentösen Maßnahmen zur zerebralen Reanimation hat lediglich die Anhebung des zerebralen Perfusionsdruckes durch Sympathikomimetika (in der ersten Phase Adrenalin, nach Stabilisierung des Kreislaufes Dopamin und Dobutamin) eine nachgewiesene positive Wirkung hinsichtlich der zerebralen Erholung nach Reanimation. Die induzierte Hypertension zu Beginn der Reperfusionsphase durchbricht die initiale Stase im Bereich der Mikrozirkulation („NoReflow-Phänomen") [31, 79]. Alle übrigen auf Tabelle 12 zusammengefaßten Maßnahmen sind entweder unwirksam oder noch zu wenig untersucht. Tab. 12. Zerebrale Reanimation — Anhebung des Blutdrucks in der Reperfusionsphase (No Reflow), — Osmotherapie vermindert zytotoxisches Hirnödem (experimentell), — Steroide bei zytotoxischem Hirnödem unwirksam, — Barbiturate klinisch nicht zerebroprotektiv, — Kalzium-Antagonisten in Erprobung

Elektrotherapie Die rasche Defibrillation ist bei tachykarden Rhythmusstörungen wie Kammerflimmern und Kammerflattern das erfolgreichste Vorgehen [20, 94,100, 105, 107]. Der spontane oder medikamentös induzierte Ubergang von Kammerflimmern in einen Rhythmus mit ausreichender Kreislauffunktion ist ohne Defibrillation beim Menschen extrem selten [4], Hinter einer Asystolie im EKG kann sich Kammerflimmern verbergen. Deshalb kann bei Unsicherheit der Diagnose auch bei Asystolie defibrilliert werden. Die Elektroden sind so zu plazieren, daß der Strom durch eine möglichst große Myokardmasse fließt [37]. Sie dürfen deshalb nicht zu nahe beieinanderliegen. Für die Defibrillation sind 2 Elektrodenpositionen möglich: 1. Eine Elektrode wird rechts parasternal unterhalb der Clavicula, die andere über der Herzspitze im 5. ICR in der vorderen Axillarlinie aufgesetzt. 2. Für die anterior-posteriore Defibrillation wird eine Elektrode links präkordial und die zweite Elektrode am Rücken links paravertepral in Höhe des Herzens aufgesetzt.

208

G. H . Meuret, A. M e u r e t

Entscheidend für den Defibrillationserfolg ist die Strommenge, die durch das Herz fließt, nicht die abgegebene Energie des Defibrillators. Eine außerklinische Studie hat ergeben, daß die Defibrillation mit 175 J ebenso erfolgreich ist wie mit 320 J. Die Defibrillation mit höherer Energie kann eher Arrhythmien und myokardiale Schäden verursachen. Deshalb wird bei der ersten Defibrillation mit 200 J begonnen. Erst nach dem dritten Defibrillationsversuch wird die Stromstärke bis auf 400 J erhöht. Stromstöße, rasch hintereinander appliziert, vermindern den transthorakalen Widerstand [37]. Tritt Kammerflimmern im Verlauf einer Reanimation wiederholt auf, sollte mit der Stromstärke defibrilliert werden, die vorher zum Erfolg führte [4]. Blinde Defibrillation. Defibrillation ohne EKG-Diagnose ist heute nicht mehr häufig nötig, da Rettungsdienste und Krankenhäuser ausreichend mit EKGMonitoren ausgestattet sind. Wenn kein EKG-Monitor vorhanden ist, wird die blinde Defibrillation empfohlen. Die möglichst frühe Defibrillation verbessert den Reanimationserfolg bei Patienten mit Kammerflimmern entscheidend [20]. Beim Auftreten von ventrikulären Tachykardien oder Kammerflimmern während einer EKG-Überwachung auf einem Monitor ist die frühe elektrische Defibrillation ganz entscheidend (Tab. 13). Tabelle 14 enthält Empfehlungen zur Technik der Defibrillation. Tab. 13. Vorgehen bei ventrikulärer Tachykardie oder Flimmern während der E K G - Ü b e r w a c h u n g 1. Defibrillation innerhalb einer halben Minute, 2. primäre Energie: 2 0 0 Ws, 3. bei Mißerfolg: 2 weitere Defibrillationsversuche rasch hintereinander, beim dritten Defibrillationsversuch Stromstärke bis 4 0 0 Ws erhöhen, 4. bei Mißerfolg: mechanische M a ß n a h m e n , 5. Adrenalin 0 , 5 — 1 mg i. v. oder 1 — 2 mg endotracheal, 6. weitere Defibrillationsversuche mit hoher Stromstärke (bis 4 0 0 Ws), 7. N a H C 0 3 1 mval/kg KG: nur, wenn Kreislauf-Stillstand länger als 3 — 5 min, 8. Lidocain 100 mg als Bolus, nach Wiederherstellung des Spontankreislaufs Infusion: 2 — 4 m g / m i n (nicht routinemäßig)

Tab. 14. Elektrische Defibrillation 1. Basismaßnahmen korrekt durchführen, um bestmögliche Oxygenierung des M y o k a r d s zu erreichen, 2. Elektrodengel verwenden, um Hautwiderstand herabzusetzen, 3. korrekte Plazierung der Defibrillationselektroden ermöglicht optimalen Stromdurchfluß durch das Herz, 4 . festes Anpressen der Elektroden und kurzer Zeitabstand zwischen den Defibrillationen erniedrigen den transthorakalen Widerstand.

Reanimation in der präklinischen Phase

209

Elektrische Stimulation. Die elektrische Stimulation des Herzens (extern oder intern) ist bei Herz-Kreislauf-Stillstand der Pharmakotherapie meist nicht überlegen. Die elektrische Stimulation ist nur dann wirksam, wenn die myokardiale Funktion erhalten ist und lediglich primäre Störungen der Erregungsbildung oder -leitung vorliegen (schwere Bradykardie bei noch tastbarem Puls). Bei außerklinischer Reanimation wird die elektrische Stimulation nicht empfohlen, wegen der aufwendigen Technik und der geringen Effektivität [4], Neuerdings sind großflächige externe Schrittmacherelektroden verfügbar, die auch außerhalb der Klinik einfach angewandt werden können.

Empfehlungen zum praktischen Vorgehen bei einer außerklinischen Reanimation Basismaßnahmen 1. Durch die Mitarbeit von ausgebildeten Laien können die eher begonnen werden, wodurch signifikante Verbesserungen des Langzeiterfolges von Reanimationen möglich sind. 2. Suffiziente Durchführung der Basismaßnahmen (externe Herzmassage und Beatmung, möglichst mit Sauerstoffgerät) ist die Voraussetzung für einen dauerhaften Reanimationserfolg. 2 langsame Beatmungen statt der früher empfohlenen 4 schnellen Insufflationen zu Beginn der Reanimation vermindern das Risiko der Regurgitation und Aspiration von Mageninhalt. Nach Intubation wird die Beatmung erleichtert, die Aspirationsgefahr ausgeschaltet und die Möglichkeit zur Applikation von Adrenalin geschaffen. 3. Die Pharmakotherapie hat zum Ziel, die suffiziente Pumpfunktion des Herzens wiederherzustellen. Hierzu ist Adrenalin das Mittel der Wahl. Adrenalin übertrifft alle anderen Katecholamine an Effizienz aufgrund seiner kombinierten alphaund beta-sympathikomimetischen Wirkungen. 4. Ist ein venöser Zugang nicht rasch verfügbar, so kann Adrenalin mit gutem Erfolg endotracheal (verdünnt mit Wasser) nach Intubation verabfolgt werden. Aufgrund dieser hervorragenden Alternative ist das komplikationsträchtige Anlegen eines zentralvenösen Zuganges oder die intrakardiale Injektion nur sehr selten notwendig und gerechtfertigt. 5. Die Azidose-Pufferung mit Natriumbikarbonat erfolgt zurückhaltend, da ein Zuviel nachteiliger ist als ein Zuwenig. Die empfohlene Dosis beträgt maximal 1 mval/kg KG als Blindpufferung. Ausreichende Ventilation muß zum Azidoseausgleich gewährleistet sein.

210

G. H. Meuret, A. Meuret

6. Orciprenalin sowie Kalzium haben in der ersten Phase der Pharmakotherapie bei Herz-Kreislauf-Stillstand keinen Platz mehr (Ausnahme für Kalzium: Hypokalziämie, Hyperkaliämie, Überdosierung von Kalzium-Antagonisten). 7. Dobutamin und Dopamin sind die Pharmaka der Wahl in der Phase der Stabilisierung und Verbesserung der Kreislauffunktion nach erfolgreicher Reanimation. 8. Eine wirksame Pharmakotherapie zur zerebralen Reanimation gibt es bisher nicht. Kalzium-Antagonisten sind derzeit zur Protektion zunehmender ischämischhypoxischer Schäden des Herzens und des Gehirns in der Phase der Erprobung. 9. Die elektrische Defibrillation wird bei Erwachsenen primär mit 200 J durchgeführt. Lidocain wird nach Defibrillation zur Verhinderung von wiederholtem Kammerflimmern bzw. zur Flimmerprophylaxe beim Myokardinfarkt und längerem Transport in die Klinik eingesetzt. Es ist dringend erforderlich, daß die Polypragmasie in der Reanimation abgelöst wird durch ein klares, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhendes Konzept. Deshalb ist zu fordern, daß auch im deutschen Sprachraum eindeutige Empfehlungen in der Art der „Standards and Guidelines" der American Heart Association erarbeitet und in die Praxis umgesetzt werden.

Literatur [1] Abraham, E., M . Shapiro, S. Podolsky: Central venous catheterisation in the emergency setting. Crit Care Med 11 (1983) 5 1 5 - 5 1 7 [2] Abramson, N. S., P. Safar, K. Detre et al.: Brain Resuscitation Clinical Trial I Study Group (Steering Committee) and 22 Hospital Invertigators: Randomized clinical study of thiopental loading in comatose survivors of cardiac arrest. N Engl J Med 314 (1986) 397 [3] American Heart Association Standards and guidelines for cardiopulmonary resuscitation (CPR) and emergency cardiac care (ECC) J Am Med Assoc 244 (1980) 453 — 508 [4] American Heart Association Standards and guidelines for cardiopulmonary resuscitation (CPR) and emergency cardiac care (ECC). J Am Med Assoc 255 (1986) 2 9 0 5 - 8 [5] Babbs O. H. F., W. A. Tacker: Cardiopulmonary resuscitation with interposed abdominal compression. Circulation 74 (Suppl. IV) (1986) IV 3 7 - 4 1 [6] Berenyi, K. J . , M . Wolk, T. Killip: Cerebrospinal fluid acidosis complicating therapy of experimental cardiopulmonary arrest. Circulation 52 (1975) 3 1 9 - 3 2 4 [7] Berryman, Ch. R . , G. M . Phillips: Interposed abdominal compression CPR in human subjects. Ann Em Med 13 (1984) 2 2 6 - 2 2 9 [8] Billi, J . E., J . K. Stross: Cardiopulmonary resuscitation: An update. Cardiology Clinics 2 (1984) 153 - 1 6 2 [9] Bishop, R . L., M . L. Weisfeldt: Sodium bicarbonate administration during cardiac arrest. J Am Med Assoc 235 (1976) 506 - 509 [10] Brillmann, J . C., A. B. Sanders, C. W. Otto et al.: Outcome of resuscitation from fibrillatory arrest using epinephrine and phenylephrine in dogs. Crit Care Med 13 (1985) 912 [11] Chandra, N., M . T. Rudikoff, M . L. Weisfeldt: Simultaneous chest compression and ventilation at high airway pressure during cardiopulmonary resuscitation. Lancet 1 (1980) 1 7 5 - 1 7 8 [12] Chandra, N., J . Tsitlik, M . L. Weisfeldt: Coronary flow during cardiopulmonary resuscitation in the dog. Crit Care Med 9 (1981) 165

Reanimation in der präklinischen Phase

211

[13] Clancy, R. L., H. E. Cingolani, R. R. Taylor et al.: Influence of sodium bicarbonate on myocardial performance. Am J Physiol 212 (1967) 917 — 923 [14] Cooley, D. A., G. J. Reul, D. C. Wukasch: Ischemic contracture of the heart: „stone heart". Am J Cardiol 29 (1972) 575 - 577 [15] Copley, D. P., J. A. Mantle, W. J. Rogers et al.: Improved outcome for prehospital cardiopulmonary collapse with resuscitation by bystanders. Circulation 56 (1977) 901 — 905 [16] Crile, G., D. H. Dolley: Experimental research into resuscitation of dogs killed by anesthetics and ashphyxia. J Exp Med 8 (1906) 713 [17] Criley, J. M., J. T. Niemann, J. P. Rosborough, M. Hansknecht: Modifications of cardiopulmonary resuscitation based on the cough. Circulation 74 (Supp. IV) (1986) 4 2 - 5 0 [18] Del Guercio, L. M. R., N. R. Feins, J. D. Cohn et al.: Comparison of blood flow during external and internal cardiac massage in man. Circulation (Suppl I) 31 u. 32 (1965) 171 —180 [19] Ditchey, R. V., J. V. Winkler, C. A. Rhodes: Relative lack of coronary blood flow during closed-chest resuscitation in dogs. Circulation 66 (1982) 297 [20] Eisenberg, M. S., L. Bergner, A. Hallstrom: Out-of-hospital cardiac arrest: improved survival with paramedic services. Lancet 1 (1980) 812 — 815 [21] Fillmore, S. J., M. Shapiro, T. H. Killip: Serial bloodgas studies during cardiopulmonary resuscitation. Ann Intern Med 72 (1970) 465 - 469 [22] Fisher, Y., F. Vaghaiwalla, J. Tsitlik et al.: Determinants and clinical significance of jugular venous valve competence. Circulation 65 (1982) 188 [23] Fleckenstein, A.: Calcium antagonism in heart and smooth muscle. Wiley & Sons, New York — Chichester - Brisbane — Toronto — Singapore 1983 [24] Francis, G. S., B. Sharma, M. Hodges: Comparative hemodynamic effects of dopamine and dobutamine in patients with acute cardiogenic circulatory collapse. Am Heart J 103 (1982) 995 [24a] Goodmann, L. S., A. Gilman: The pharmacological basis of therapeutics. Macmillan Publishing, p. 157. New York 1985 [25] Greenberg, M. J.: The use of endotracheal medication in cardiac emergencies. Resuscitation 12 (1984) 155-165 [26] Greenwood, P. V., R. E. Rossall, C. T. Kappagoda: Acid-base changes after cardiopulmonary arrest in the dog. Clin Sci 58 (1980) 127-133 [27] Harris, L. C., B. Kirimli, P. Safar: Ventilation-cardiac compression rates and ratios in cardiopulmonary resuscitation. Anesthesiology 28 (1967) 806 [28] Harris, L. C., B. Kirimli, P. Safar: Augmentation of artifical circulation during cardiopulmonary resuscitation. Anesthesiology 28 (1967) 730 [29] Harrison, E. E., B. D. Amey: Use of calcium in electromechanical dissociation. Ann Em Med 139 (1984) 844 - 845 [30] Holmes, H. R., C. F. Babbs, W. D. Voorhees et al.: Influence of adrenergic drugs upon vital organ perfusion during CPR. Crit Care Med 8 (1980) 137-140 [31] Hossmann, K. A.: Treatment of experimental cerebral ischemia. I Cereb Blood Flow Metabol 2 (1982) 275 - 297 [32] Huseby, J. S., D. G. Gumbrecht: Hemodynamic effects of rapid bolus hypertonic sodium bicarbonate Chest 79 (1981) 5 5 2 - 5 5 4 [33] Joyce, S. M., W. G. Barsan, L. A. Doan: Use of phenylephrin in resuscitation from asphyxiai arrest. Ann Emerg Med 12 (1983) 418 - 421 [34] Jaffe, A. S.: Cardiovascular pharmocology I. Circulation 74 (Suppl IV) (1986) 70 - 74 [35] Kato, H., H. Goto, J. V. Mangold et al.: Effects of Diltiazem on Hemodynamics After Resuscitation From Circulatory Arrest in Dogs. Anesthesiology 59 (1983) A 121 [36] Kay, J. H., A. Blalock: The use of calcium chloride in the treatment of cardiac arrest in patients. Surg Gynecol Obstet 93 (1951) 9 7 - 1 0 2 [37] Kerber, R. E.: Energy requirement for defibrillation Circulation 74 (Suppl. IV) (1986) 117-119 [38] Kirimli, B., L. C. Harris, P. Safar: Evaluation of sodium bicarbonate and epinephrine in cardiopulmonary resuscitation. Anesth Analg 48 (1969) 649 — 658 [39] Klôss, T. H.: Erfolgsrate und Langzeitergebnisse der Reanimation. Vortrag. 6. Internationales Symposion fiir Anaesthesie-, Reanimations- und Intensivbehandlungsprobleme, Flims 1985

212

G. H. Meuret, A. Meuret

[40] Koch, K. A., D. L. Jackson, M . Schmiedl et al.: Effect of Thiopental Therapy on Cerebral Blood Flow After Total Cerebral Ischemia. Crit Care Med 12 (1984) 9 0 - 9 5 [41] Koehler, R . C., N. Chandra, A. D. Guerci et al.: Augmentation of cerebral perfusion by simultaneous chest compression and lung inflation with abdominal binding after cardiac arrest in dogs. Circulation 67 (1983) 266 - 275 [42] Kouwenhoven, W. B., J . R . Jude, G. G. Knickerbocker: Closed chest cardiac massage. J Am med Assoc 173 (1960) 1 0 6 4 - 1 0 6 7 [43] Livesay, J . J . , D. M . Follette, K. H. Fey et al.: Optimizing myocardial supply/demand balance with alpha-adrenergic drugs during cardiopulmonary resuscitation. J Thorac Cardiovasc Surg 76 (1978) 244 [44] Lindner, K. H., F. W. Ahnefeld, W. Dick et al.: Natriumbikarbonatgabe während der kardiopulmonalen Reanimation. Anaesthesist 34 (1985) 37 — 45 [45] Löllgen, H., G. Meuret, H. Just et al.: Sympathikomimetika in der Notfall- und Intensivmedizin. Deutsches Ärzteblatt 82 (1985) 1951 - 1955 [46] Maekawa, K., C. S. Liang, W. B. Hood: Comparison of Dobutamine and Dopamine in acute myocardial infarction. Effects of systemic hemodynamics, plasma catecholamines, blood flow, and infarct size. Circulation 67 (1983) 7 5 0 - 7 5 9 [47] Maier, G. W., J . R . Newton, J . A. Wolfe et al.: The influence of manual chest compression rate on hemodynamic support during cardiac arrest: highimpuls cardiopulmonary resuscitation. Circulation 74 (Suppl. IV) (1986) 5 1 - 5 9 [48] Martin, G. B., R. M . Nowack, C. H. L. Emerman et al.: Verapamil in the treatment of asystolic and pulseless idioventricular rhythm cardiopulmonary arrest: a preliminary report. Ann Emerg Med 13 (1984) 2 2 1 - 2 2 5 [49] Mateer, J . , H. Stueven, B. Thompson et al.: Interposed abdominal compression CPR versus standard CPR in prehospital cardiopulmonary arrest: Preliminary results. Ann Em Med 13 (1984) 7 6 4 - 7 6 6 [50] Mattar, J . A., M . H. Weil, H. Shubin et al.: Cardiac arrest in the critically ill. Hyperosmolal states following cardiac arrest. Am J Med 56 (1974) 1 6 2 - 1 6 8 [51] Melker, R. J.: Alternative methods of ventilation during respiratory and cardiac arrest. Circulation 74 (Suppl. IV) (1986) 6 3 - 6 5 [52] Meuret, G. H., M . Mussler, H. G. Lenders et al.: Ist Orciprenalin (Alupent) in der Reanimation kontraindiziert? Intensivmed 20 (1983) 2 6 3 - 2 6 7 [53] Meuret, G. H.: Pharmakotherapie in der Reanimation nach Herz-Kreislauf-Stillstand. Bd. 162 Anaesthesiologie und Intensivmedizin. Springer Verlag, Berlin — Heidelberg - New York 1984 [54] Meuret, G. H., H. F. O. Schindler, K. L. Scholler: Hat Calcium in der Reanimation eine Berechtigung? Experimentelle Untersuchungen an Hunden. Anaesthesist 33 (1984) 108 — 114 [55] Meuret, G. H., H. Schindler: Calcium-Antagonismus — ein neues pharmakologisches Prinzip in der Reanimation. Vergleich von Calcium und Calcium-Antagonisten. Schweiz Med Wschr 113 (1983) 1 1 5 3 - 1 1 5 7 [56] Michenfelder, J . D.: Current concepts in cerebral resuscitation. ASA Refresher courses in Anaesthesiology 9 (1981) 9 7 - 1 0 8 , Lippincott Philadelphia [57] Michael, J . R., A. D. Guerci, R . C. Koehler et al.: Mechanisms by which epinephrine augments cerebral and myocardial perfusion during cardiopulmonary resuscitation in dogs. Circulation 69 (1984) 8 2 2 - 8 3 5 [58] Miller, J . , D. Tresch, L. Horwitz et al.: T h e precordial thump. Ann Em Med 13 (1984) 7 9 1 - 7 9 4 [59] Niemann, J . T.: Differences in cerebral and myocardial perfusion during closed chest resuscitation. Ann Em Med 13 (1984) 8 4 9 - 8 5 3 [60] Niemann, J . T., J . P. Rosborough: Effects of acidemia and sodium bicarbonate therapy in advanced cardiac life support. Ann Em Med 13 (1984) 7 8 1 - 7 8 4 [61] Ohomoto, T., I. Mura, S. Konno: A new method of external cardiac massage to improve diastolic augmentation and prolong survival time. Ann Thorac Surg 21 (1976) 284 [62] Otto, C. W., R. W. Yakaitis, J . S. Redding et al.: Comparison of dopamine, dobutamine and epinephrine in C P R . Crit Care Med 9 (1981) 36 [63] Otto, C. W., R . W. Yakaitis: T h e role of epinephrine in CPR: A reappraisal. Ann Em Med 13 (1984) 8 4 0 - 8 4 3

Reanimation in der präklinischen Phase

213

[64] Otto, C. W., R. W. Yakaitis, G. A. Ewy: Effects of epinephrine on defibrillation in ischemic ventricular fibrillation. An J Emerg Med 3 (1985) 285 [65] Otto, C. W.: Cardiovascular pharmacology II: The use of catecholamines, pressor agents, digitalis, and corticosteroids in CPR and emergency cardiac care. Circulation 74 (Suppl. IV) (1986) 80 [66] Parakos, J. A.: External compression without adjuncts Circulation 74 (Suppl. IV) (1986) 33 — 36 [67] Parakos, J. A.: Cardiovascular pharmacology III: atropine, calcium, calciumblockers, and Betablockers. Circulation 74 (Suppl. IV) (1986) 8 6 - 8 9 [68] Pearson, J. W., J. S. Redding: Influence of peripheral vascular tone on cardiac resuscitation. Anesth Analg 44 (1965) 752 - 764 [69] Rackwitz, R., J. Jahrmärker, K. Theisen et al.: Pathogenese und Therapie der Azidose bei Reanimation. Intensivmedizin 12 (1975) 1 - 2 3 [70] Ralston, S. H., W. D. Voorhees, C. Babbs: Intrapulmonary epinephrine during prolonged cardiopulmonary resuscitation: Improved regional blood flow and resuscitation in dogs. Ann Em Med 13 (1984) 7 9 - 8 6 [71] Redding, J. S., J. W. Pearson: Evaluation of drugs for cardiac resuscitation. Anesthesiology 24 (1963) 2 0 3 - 2 0 7 [72] Redding, J. S., J. S. Asuncion, J. W. Pearson: Effective routes of drug administration during cardiac arrest. Anesth Analg 46 (1967) 253 - 258 [74] Redding, J. S.: Drug therapy during cardiac arrest. In: Advances in cardiopulmonary resuscitation, (Ed. P. Safar), pp. 113 - 117, 1 3 7 - 1 3 8 , Springer Verlag, Berlin - Heidelberg - New York 1970 [75] Redding, J. S., R. R. Haynes, J. D. Thomas: Drug therapy in resuscitation from electromechanical dissociation. Crit Care Med 11 (1983) 6 8 1 - 6 8 4 [76] Richard, C., J. L. Ricome, A. Rimailho et al.: Combined hemodynamic effects of dopamine and dobutamine in cardiogenic shock. Circulation 67 (1983) 620 — 626 [77] Safar, P.: Wiederbelebung. Thieme Verlag, Stuttgart - New York 1984 [78] Safar, P.: Recent advances in cardiopulmonary-cerebral resuscitation: A review. Ann Em Med 13 (1984) 8 5 6 - 8 6 2 [79] Safar, P.: Cerebral resuscitation after cardiac arrest: a review Circulation 74 (Suppl. IV) (1986) 138-153 [80] Sanders, A. B., G. A. Ewy, T. V. Taft: Resuscitation and arterial blood gas abnormalities during prolonged cardiopulmonary resuscitation. Ann Em Med 13 (1984) 676 — 679 [81] Sanders, A. B., G. A. Ewy, T. W. Taft: Prognostic and therapeutic importance of the aortic diastolic pressure in resuscitation from cardiac arrest. Crit Care Med 12 (1984) 871 [82] Sanders, A. B.: The roles of methoxamine and norepinephrine in electromechanical dissociation. Ann Em Med 13 (1984) 8 3 5 - 8 3 9 [83] Sellick, B. A.: Cricoid pressure to control regurgitation of stomach contents during induction of anaesthesia. Lancet 2 (1961) 404 [84] Silfast, T., L. Saarnivaara, A. Kinnunen et al.: Comparison of adrenaline and phenylephrine in out-of-hospital cardiopulmonary resuscitation. A double-blind study. Acta Anaesthesiol Scand 29 (1985) 610 [85] Simmons, M . A., E. W. Adcock, H . Bard: Hypernatremia and intracranial hemorrhage in neonates. N Engl. J Med 291 (1974) 6 - 1 0 [86] Schüttler, J., U. Hörnchen, H . Stoeckel: Bronchopulmonale Applikation von Adrenalin. Pharmakokinetische und -dynamische Untersuchungen am H u n d . Anaesthesist 33 (1984) 468 [87] Schuster, H . P., A. Dönhardt: Katecholamine in der kardiopulmonalen Reanimation. Ergebnis einer Umfrage. Notfallmedizin 10 (1984) 813 - 825 [88] Schwarz, A. C.: Neurological recovery after cardiac arrest: clinical feasibility trial of calcium blockers. Am J Emerg Med 3 (1985) 1 [89] Schwartz, A. J.: Current concepts in cardiopulmonary resuscitation. ASA refresher courses in anesthesiology. Lipincott, Philadelphia 1983 [90] Siesjö, B. K.: Cell demage in the brain. A speculative synthesis. J Cereb Blood Flow Metabol. 1 (1981) 1 5 5 - 1 8 5

214

G. H. Meuret, A. Meuret

[91] Steen, P. A., L. A. Newberg, J. H. Milde: Cerebral blood flow and neurologic outcome when nimodipine is given after complete cerebral ischemia in the dog. J Cereb Blood Flow Metabol 4 (1984) 8 2 - 8 7 [92] Stueven, H., B. M . T h o m p s o n , C. H. Aprahamian: Use of calcium in prehospital cardiac arrest. Ann Emerg Med 12 (1983) 1 3 6 - 1 3 9 [93] Stueven, H . A., B. M. T h o m p s o n , C. H. Aprahamian: Calcium chloride: Reassessment of the use in asystole. Ann Em Med 13 (1984) 820 - 822 [94] Stults, K. R., D. D. Brown, V. L. Schug: Prehospital defibrillation performed by emergency medical technicians in rural communities. N Engl J Med 310 (1984) 219 - 223 [95] Taylor, G. J., W. M . Tucker, H. L. Green: Importance of prolonged compression during cardiopulmonary resuscitation in man. N Engl J Med 296 (1977) 1 5 1 5 - 1 5 1 7 [96] Thompson, R. G., A. P. Hallstrom, L. A. Cobb: Bystander initiated cardiopulmonary resuscitation in the management of ventricular fibrillation. Ann Intern Med 90 (1979) 737 - 740 [97] Tweed, W. A., E. W. Wilson: Is CPR on the right track? Can Med Assoc J 131 (1984) 4 2 9 - 4 3 3 [98] Vaagenes, P., R. Cantadore, P. Safar: Amelioretion of brain damage by lidoflazine after prolonged ventricular fibrillation cardiac arrest in dogs. Crit Care Med 12 (1984) 846 — 855 [99] Weale, F. E., R. L. Rothell-Jackson: The efficiency of cardiac massage. Lancet I (1962) 990 - 992 [100] Weaver, W. D., M . K. Copas, D. Bufi: Improved neurologic recovery and survival after early defibrillation. Circulation 69 (1984) 943 - 948 [101] Weil, M . H., W. Grundler, E. C. Rackow: Blood gas measurements in human patients during CPR. Chest 86 (1984) 282 [102] Weisfeldt, M . L., N. Chandra: Physiology of cardiopulmonary resuscitation. Ann Rev Med 32 (1981) 4 3 5 - 4 4 2 [103] White, B. C., J. E. Tintinalli: Effects of sodium bicarbonate administration during cardiopulmonary resuscitation. JACEP 6 (1977) 187 [104] Winegar, C. P., O. Henderson, C. Blaine: Early amelioration of neurologic deficit by lidoflazine after fifteen minutes of cardiopulmonary arrest in dogs. Ann Em Med 12 (1983) 471—477 [105] Yakaitis, R. W., J. D. Thomas, J. E. Manhaffey: Influence of p H and Hypoxia on the success of defibrillation. Crit Care Med 3 (1975) 3 9 - 1 4 2 [106] Yakaitis, R. W., C. W. Otto, C. D. Blitt: Relative importance of alpha and beta-adrenergic receptors during resuscitation. Crit Care Med 7 (1979) 293 — 296 [107] Yakaitis, R. W., G. A. Ewy, C. W. Otto: Influence of time and therapy on ventricular defibrillation in dogs. Crit Care Med 8 (1980) 1 5 7 - 1 6 3 [108] Yin, F. C. P., J. J. Cohen, J. Tsitlik: Role of carotid artery resistance to collapse during high intrathoracic pressure CPR. Am J Physiol 243 (1982) H 259

Aufgaben des Notarztes und der Rettungssanitäter bei der Reanimation H.

Hochrein

Im Rahmen der intensiv- und notfallmedizinischen Entwicklung konnten bei Reanimationen in den beiden letzten Jahrzehnten in zunehmendem Maße nicht nur Erfahrungen gesammelt, sondern auch organisatorische und wissenschaftliche Erkenntnisse erarbeitet werden. Die Tendenz geht permanent in Richtung Zeitgewinn und somit aus der klinischen Medizin heraus in den präklinischen Bereich zum Notfallort. Je schneller, desto erfolgreicher, ist die Devise, wobei aber nicht die allein erfolgversprechende richtige Handlungsweise der Geschwindigkeit zum Opfer fallen darf. Jeder Beteiligte muß wissen was er zu tun hat, was er tun kann und ob er in der Lage ist, jede Situation korrekt einzuschätzen. Etwa 10% aller Einsätze mit dem Notarztwagen in einer Großstadt sind Reanimationen, die in 35% erfolgreich verlaufen (Tab. 1). Nach einer 10-Jahres-Statistik des am RudolfTab. 1. NAW-Statistik des Rudolf-Virchow-Krankenhauses Berlin ( 1 9 7 4 - 8 4 ) Einsätze insgesamt

25000

Reanimationen

10%

davon erfolgreich

35%

bei kardio-pulmonalen Erkrankungen

46,4%

50

n = 2337

49,7%

V.

40

30

20 -

25,8 % iiSpisg

20,5 %

3,5%

Bewußt-

Brust-

losigkeit

schmerz

Atemnot

Blutung

0,3%

0,2%

Schock

Vergiftung

Abb. 1. Reanimationseinsätze in Abhängigkeit von Alamierungsstichworten (NAW am Rudolf-Virchow-Krankenhaus 1 9 7 4 - 8 4 , u = 2337)

216

H. Hochrein

Virchow-Krankenhaus Berlin stationierten Notarztwagens betreffen 46,4% der Reanimationen kardio-pulmonale Grunderkrankungen [3]. Nach Alarmierungsstichworten steht bei der Reanimation die akute Bewußtlosigkeit mit 49,7% eindeutig im Vordergrund, die schwere Atemnot (25,8%) und der anhaltende Brustschmerz (20,5%) haben ebenfalls einen beachtenswerten Anteil. Andere Alarmierungsgründe, wie Blutung, Schock, Vergiftung, treten vergleichsweise in den Hintergrund (Abb. 1). Die häufigsten kardio-pulmonalen Störungen und Leiden, die kurzfristig und oft nicht vorausberechenbar zu Reanimationssituationen führen, sind besonders der akute Herzinfarkt, die Lungenembolie und das -ödem (Abb. 2). Hierbei kann auf unterschiedliche Weise, durch Asystolie, Kammerflimmern oder kontraktile Funktionsstörung des Myokards ein Kreislaufstillstand auftreten, der dann die Reanimationssituation auslöst.

Abb. 2. Häufige kardio-pulmonale Ursachen für eine Reanimation.

Beurteilung der Reanimation Der Erfolg einer Reanimation hängt nun nicht nur von der Art der zugrundeliegenden Erkrankung und deren richtigen Einschätzung, sondern auch von den entsprechenden Maßnahmen, deren Koordination und rechtzeitigen Einsatz ab. In einer prospektiven intensivmedizinischen Studie [6] wurden 202 Reanimationen (15% aller während eines Jahres behandelten Patienten) untersucht (Tab. 2). 73% waren primär, 34% letztendlich (Klinikentlassung) erfolgreich. Besonders deutlich zeigte sich, daß die Zeitdauer des Kreislaufstillstandes und auch die personelle Zusammensetzung für den Erfolg der Reanimation verantwortlich zu machen sind. Wird die Reanimation durch entsprechend ausgebildete Ärzte durchgeführt, waren 75% der Reanimationen primär und 36% letztendlich erfolgreich. Wurde die Reanimation durch intensivmedizinisch trainiertes, paramedizinisches Personal begonnen, waren es nur 47% bzw. 16%, die erfolgreich verliefen. Daraus

Aufgaben des Notarztes und der Rettungssanitäter Tab. 2. Erfolgreiche Reanimationen — Intensivmedizinische Abteilung

217

-

primär

sekundär

gesamt

73%

34%

Defibrillation

92%

48%

Dauer des Herz-Kreislauf-Stillstandes: kurz (16 sec)

74%

40%

Minuten ( < 4 min)

75%

27%

länger anhaltend

68%

20%

75%

36%

ausgeführt durch Ärzte medizinisches Hilfspersonal

47%

16%

primär reagierend

87%

53%

bewußtlos

64%

20%

ergibt sich eben auch die strenge Beziehung zum Ausbildungs- und Informationsstand derjenigen, die die Reanimation durchführen. Zur schnellen Beurteilung einer Reanimationssituation gehört neben anamnestischen Hinweisen die sofortige Prüfung von Reaktion und Reflexen und die elektrokardiographische Kontrolle der kardialen Funktion (Abb. 3). Der Notruf durch den Laienhelfer und die Defibrillation durch den ausgerüsteten Notarzt sind die ersten lebensrettenden Maßnahmen, die beachtet und befolgt werden müssen — denn keine Laienreanimation wird erfolgreich verlaufen, wenn sie nicht durch den kundigen Notarzt vollendet wird. Notruf Reaktion-Reflexe

EKG

Reanimation i Defibrillation

primäre Maßnahmen 1. präKord. Faustschlag 2. ext. Herzmassage 3. Beatmung 4. Sauerstoffzufuhr

differenzierte Maßnahmen 1. Intubation 2. Venenpunktion-Infusion 3. Adrenalin 4. Antiarrhythmika 5. Bikarbonat

Abb. 3. Durchführung der Reanimation und ihre Kontrolle.

Durchführung der Reanimation Primäre Reanimationsmaßnahmen, die auch ohne medizinischen Sachverstand angewandt werden können, sind folgende: der präkordiale Faustschlag, die ex-

218

H . Hochrein

terne Herzmassage, die Beatmung und die Sauerstoffzufuhr. Differenzierte Reanimationsmaßnahmen, die schon spezielle Kenntnisse und ärztlichen Sachverstand voraussetzen, sind: Intubation, Venenpunktion und Infusion, Anwendung von Katecholaminen, Antiarrhythmika und Natriumbikarbonat. Die Defibrillation steht in Abhängigkeit von Ausbildung, Organisation und Überwachung irgendwo dazwischen als die Wiederbelebungsmaßnahme erster Ordnung beim Kammerflimmern, die ohne Verzögerung überall dort, wo sie möglich ist zum Einsatz kommen sollte. Wenn man aber einem Nichtarzt den Defibrillator in die Hand gibt, muß man wissen was man tut, muß die ärztliche Verantwortung mit einbringen und sicher sein, daß auch der noch so gut ausgebildete Rettungssanitäter genau weiß, welche Komplikationen und Gefahren damit verbunden sind [5] — vor allem, wenn das Kammerflimmern als Ursache des Kreislaufstillstandes nicht korrekt erkannt werden kann [2]. Die Bedeutung der einfachen Thoraxkompression im Sinne der externen Herzmassage, als wichtigste Maßnahme der Laienreanimation, wird dadurch unterstrichen, daß es hiermit möglich ist, die Defibrillationsfähigkeit eines flimmernden Herzens von normal 3 Minuten auf ca. das lOfache zu verlängern (Tab. 3). Dies zu wissen und zu beachten, kann als bedeutendste Grundregel aller Reanimationsbemühungen gelten und sollte von Ärzten und Rettungssanitätern in gleicher Weise beachtet werden. Die einfache externe Herzmassage bei einem HerzKreislauf-Stillstand kann nämlich einen lebenserhaltenden Minimalkreislauf aufrechterhalten und bewirkt ca. 10% des normalen Karotisflusses und ca. 5% des normalen Koronarflusses. Dieser Umstand bedeutet den entscheidenden Zeitgewinn bis ein Notarzt zur Stelle ist, der dann immer noch gezielt und erfolgreich defibrillieren kann (Tab. 4). Tab. 3. Spontane Herzaktion durch Defibrillation bei Kammerflimmern Innerhalb von 3 Minuten möglich, bei T h o r a x k o m p r e s s i o n bis 3 0 Minuten Tab. 4. Die einfache T h o r a x k o m p r e s s i o n bei Herz-Kreislauf-Stillstand Bewirkt 1 0 % des normalen Karotisflusses und 5 % des normalen Koronarflusses

Durch US-amerikanische Studien [4] konnte nachgewiesen werden, daß die Überlebensrate bei Herz-Kreislauf-Stillstand außerhalb der Klinik wesentlich größer (34,9%) ist, wenn sofortige einfache Wiederbelebungsmaßnahmen durch Laien eingeleitet wurden, im Vergleich zur verzögerten Wiederbelebung durch Rettungspersonal nach Notruf (12,6%) (Tab. 5). So gesehen bedeuten Wiederbelebungsversuche durch Laien einen lebensrettenden Zeitgewinn und nicht Lebensrettung per se. Die entscheidenden Maßnahmen, die das Überleben bei einem Herz-

Aufgaben des Notarztes und der Rettungssanitäter

219

Tab. 5. Überlebensrate bei Herz-Kreislauf-Stillstand außerhalb der Klinik (Mittelwerte aus 9 USamerikanischen Studien [4]) 1. Sofortige Wiederbelebung durch Laien (Bystanders)

34,9%*

2. Verzögerte Wiederbelebung nach Notruf durch Rettungspersonal (Paramedics)

12,6%*

* Entlassung aus klinischer Behandlung

Kreislauf-Stillstand letztendlich ermöglichen, sind 3 Komponenten, die ärztliches Wissen und Können voraussetzen: 1. Defibrillation, 2. Intubation und Beatmung, 3. Pharmakologische Maßnahmen. Um als Notarzt im Rettungsdienst erfolgreich tätig sein zu können, ist das Erlernen und Behandeln akuter lebensbedrohlicher Zustände eine Grundvoraussetzung [7], Dies gilt in gleicher Weise auch für die Reanimation, die ja die letzte therapeutische Gesamtmaßnahme darstellt, vor der ein breites medizinisches Spektrum steht und nach der nichts mehr kommt, wenn sie nicht erfolgreich war. Hier entscheidet sich im Grenzbereich zwischen Leben und Tod, ob alle Voraussetzungen organisatorischer, technischer und medizinischer Art gegeben sind. Kompetenzprobleme haben hier keinen Platz, sie sind eher schädlich. Das ärztliche Rüstzeug ist zwar begrenzt und technisch überschaubar und trotzdem sehr umfangreich, da das gesamte interdisziplinäre Spektrum der Medizin abgedeckt werden muß und das erstickende Kleinkind ebenso betroffen sein kann wie die kompliziert Gebärende oder der von einem akuten Herzinfarkt betroffene Mann in den besten Lebensjahren (Tab. 6). Um dies zu überblicken, sind ärztliche Grundvoraussetzungen erforderlich, die nach einem 5jährigen Medizinstudium mit Examensabschluß und Approbation noch zusätzlich eine mindestens einjährige Weiterbildung auf dem Gebiet der Notfallmedizin, eine mindestens halbjährige Tätigkeit im Bereich der Intensivmedizin und eine spezielle Fortbildung nach den Empfehlungen der Sektion Rettungswesen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensivmedizin beinhalten [8]. Tab. 6. Notärztliche Maßnahmen 1. Reanimation, 2. Intubation, Beatmung, 3. Venenpunktion, 4. Defibrillation, 5. Sedierung und Kurznarkose, 6. Sondenlegung, 7. Transtracheale Kanülierung, 8. Thoraxpunktion, 9. Blutstillung, 10. Medikamentöse Notfalltherapie, 11. Rettung, Lagerung, Transport, 12. Organisation, Sichtung, Kommunikation

220

H. Hochrein

Aufgaben des Rettungssanitäters Der Rettungssanitäter (oder Rettungsassistent) soll im Rahmen aller im Rettungswesen anfallenden Aufgaben mit einer ärztlich überwachten qualifizierten Ausbildung seine Funktionen und seinen Platz an der Seite des Notarztes erkennen. Er soll Helfer sein und nicht eigenverantwortlich Maßnahmen der wissenschaftlich fundierten Heilkunde ausüben. Dies entspricht auch einem Gesetzentwurf über den Beruf des Rettungssanitäters vom März 1987. Bei der Reanimation bedeutet dies konkret, wenn noch kein Notarzt anwesend ist: 1. präkordialer Faustschlag, 2. externe Herzmassage, 3. Beatmung (Mund zu Mund, bzw. über Ventil), 4. Sauerstoffzufuhr. Die Defibrillation ist in der Hand des kundigen und geübten Rettungsassistenten eine Maßnahme, die unter ärztlicher Kontrolle und Überwachung nur dort angewandt werden sollte, wo es bei weiten Wegen noch kein schnell einsatzbereites Notarztsystem gibt. Alle anderen notfallmedizinischen Eingriffe bei Reanimationen müssen Ärzten vorbehalten bleiben und es ist Sorge zu tragen, daß das Notarztsystem komplett und lückenlos ausgebaut wird und damit gefährliche Aktionen paramedizinischer Dienste überflüssig werden. Dies hat man auch inzwischen in den USA erkannt, wo der außerklinische Notfalldienst fast ausschließlich noch von Rettungssanitätern (Paramedics) getragen wird. Hier wird mehr ärztliches Engagement und ärztliche Kontrolle dieses wichtigen Teilgebietes moderner Medizin gefordert, denn nur so kann die volle Leistungsfähigkeit und Effektivität gerade bei Reanimationen erreicht werden [1]. Es ist somit höchste Zeit, daß alle Ärzte und auch schon die Medizinstudenten eine bessere Ausbildung in Notfallmedizin erhalten und sich weiter fortbilden. Es kann auf die Dauer nicht hingenommen werden, daß Rettungssanitäter die volle Verantwortlichkeit für alle Reanimationsmethoden anstreben und die Ärzteschaft bis auf einige wenige zufällig ausgebildete Notärzte, die Augen vor diesen „ärztlichen" Aufgaben verschließt. Das Miteinander ist gefordert, jeder an seinem Platz, mit seinen Aufgaben und seiner Verantwortung. Im Zweifelsfalle aber ist immer der sofortige Notruf mit der unmittelbar einsetzenden externen Herzmassage eine erfolgversprechendere Methode als die frustrane Intubation und ungezielte oder ineffektive Defibrillation und die falsch verstandene Infusion mit Arzneimittelanwendungen. Hier liegen alle Probleme eng zusammen, sie sollten nicht durch Kompetenzstreitigkeiten um berufliche Anerkennung und Profilierung versucht gelöst zu werden. Wir sind ja bereits auf dem besten Weg — und in den Vereinigten Staaten wäre man froh, wenn der bei uns inzwischen erreichte Standard durchgesetzt werden könnte.

Aufgaben des Notarztes und der Rettungssanitäter

221

Literatur [1] Atkins, J . M.: Emergency medical service systems in acute cardiac care. Circulation 74 (1986) (suppl IV), I V - 4 [2] Bodemann, T h . , C. Langescheid, H. Hochrein: Kammerflimmern durch Elektrodefibrillation. Dtsch Med Wochenschr 111 (1986) 1779 [3] Brauer, C., H.-U. Lehmann, J . Lehnert et al.: Ubersicht und Aufteilung von 24 861 NAWEinsätzen (Teil IV): Kardiopulmonale Reanimationen. Intensivmed 23 (1986) 369 [4] Cummins, R . O., M . S. Eisenberg: Prehospital cardiopulmonary resuscitation: is it effective? J A M A 253 (1985) 2408 [5] Hochrein, H.: Frühdefibrillation durch Rettungssanitäter. Notarzt 2 (1986) 69 [6] Lange, P.: Möglichkeiten und Grenzen der kardiopulmonalen Reanimation. Dissertation, FU Berlin 1987 [7] Lasch, H. G., H. Hochrein: Qualifikation des Arztes im Rettungsdienst. Notfallmed 10 (1984) 117 [9] Lasch, H. G., H. Hochrein, P. Sefrin: Empfehlungen zur Aus-, Weiter- und Fortbildung auf dem Gebiet der Notfallmedizin. Notfallmed 11 (1985) 986

Lebensrettende Maßnahmen bei Tauchunfällen S. John, L. Hock, M. Hahn Die Tatsache, daß das Sporttauchen sich immer größerer Beliebtheit erfreut, hat zu einer sprunghaft angestiegenen Zahl von Tauchsportvereinen und Tauchklubs geführt. Man rechnet in der Bundesrepublik Deutschland mit ca. 200000 Sport-, Schnorchel- und Gerätetauchern. Davon sind über 25 000 Personen Mitglied in den Vereinen des Verbandes Deutscher Sporttaucher (V. D. S. T.) e. V. Die VDSTRichtlinien für Tauchausbildung und -prüfung in den Disziplinen, — — -

Tauchtheorie, Prüfung mit ABC-Ausrüstung, Prüfung mit Preßlufttauchgerät sowie Prüfungen zur Erlangung der Deutschen Tauchsportabzeichen vom Weltverband (C. M. A. S.)

sind allgemein anerkannt.

Taucherkrankheit Angesichts des zusätzlich einwirkenden hydrostatischen Drucks verändern sich unter Wasser für den Menschen physikalische, physiologische und psychologische Bedingungen. Gefährdet sind hier Menschen, die diesen veränderten Umweltverhältnissen physisch, psychisch, organisch nicht gerecht werden, besonders dann, wenn sie die zu fordernde Ausbildung nicht absolviert haben. So nehmen die Tauchunfälle, insbesondere die schweren Tauchunfälle, einhergehend mit pulmonaler, kardiovaskulärer und ZNS-Symptomatik zu. Sowohl Lungenbarotraumen nach Panik-Aufstiegen ohne Ausatmung wie auch Nichteinhaltung vorgeschriebener Dekompressionsstops nach längeren Tauchgängen führen zu Gasblasenbildungen in Blut und Gewebe. Das Vorhandensein dieser Gasblasen kann und wurde u. a. auch an unserem Institut mittels UltraDoppler-Sonographie dargestellt. Danach handelt es sich um ein recht komplexes Geschehen. Je nach der Ansiedlung dieser Gasblasen kann es dann zu den verschiedensten Krankheitserscheinungen kommen, die sich über das venöse System, beispielsweise zu Lungenembolien oder bei hoher pulmonaler Hypertension über arteriovenöse Shunts zu arteriellen Embolien entwickeln und in Hemiparesen, Seh-, Hör- und Sprachstörungen einmünden und sich rasch manifestieren. In jedem Falle stellt diese Form der Dekompressionserkrankung ein schweres polytraumatisches Geschehen dar, das im weiteren Verlauf auch zu erheblichen Verbrauchskoagulopathien führen kann.

224

S. John, L. Hock, M. Hahn

Klassifikation der Taucherkrankheit Zum Verständnis der bestehenden Kategorisierung der Tauchkrankheiten nach Typ I und II eine vereinfachende Erläuterung: Man ordnet dem Typ I Dekompressionserscheinungen zu, die mit Schmerzen in Gelenken, Bewegungseinschränkungen, Hautjucken, rötlichen Hautmarmorierungen und lokalen Ödemen einhergehen. Beim Typ II handelt es sich dann um Störungen am zentralen Nervensystem, u. a. mit para- und tetraplegischen Erscheinungen, Vestibulär-, Hör-, Seh-, Sprachund Herzrhythmusstörungen sowie pulmonalen Erscheinungen und Sensibilitätsausfällen. Die Krankheitserscheinungen vom Typ I schwinden im allgemeinen nach Stunden bis zu einigen Tagen ohne Druckkammerbehandlung. Dabei darf jedoch nie außer acht gelassen werden, daß sich aus der Symptomatik Typ I oft der Typ II entwickeln kann. Völlig anders stellen sich die Symptome beim Auftreten von akuten Krankheitserscheinungen des Typs II dar. Nach A. Bühlmann werden folgende Symptome für den Tauchunfall vom Typ II zugeordnet: 1. Rückenmark- und Hirnschädigungen: — Lähmungen, — Muskelschwächen, — Harnverhaltung, — gürtelförmige Schmerzen, — Sehstörungen, — starkes Kopfweh, — Bewußtlosigkeit. 2. — — — — —

Innenohrschädigungen: Schwindel, Gleichgewichtsstörungen, Übelkeit, Erbrechen, Ohrgeräusche, Hörverlust.

3. — — — —

Lungenschädigungen: extreme Kurzatmigkeit, schneller Puls, blaue Lippen und Finger, Schmerzen in der Brust.

Therapie Mit wenigen Ausnahmen ist hier die schnelle Rekompression mit entsprechender anschließender Dekompressionsbehandlung in einer begehbaren Großdruckkam-

Lebensrettende Maßnahmen bei Tauchunfällen

225

mer dringendst angezeigt. Mehr noch stellt diese Art der Behandlung gewissermaßen die ultima ratio dar. Das Wissen um diese Behandlung muß zum Repertoire eines jeden Arztes und insbesondere des Notarztes gehören. Die hier dargelegten Ausführungen sollen nicht der Differentialdiagnose der Krankheitserscheinungen der Tauchunfälle dienen, wie sie beispielsweise in den einzelnen Tauchphasen, — der Kompressions-, der Isopressions-, der Dekompressionsphase — auftreten, sondern den zu ergreifenden Sofortmaßnahmen am Unfallort. Naturgemäß ereignen sich Tauchunfälle mit Typ Ii-Symptomatik überwiegend weitab von Druckkammeranlagen, die nicht mit entsprechenden Klinikhintergrund versehen sind, sondern eben in den zitierten verlockenden Tauchparadiesen mit teilweise abenteuerlichen Tauchbasen. Dabei soll nicht verschwiegen werden, daß große Anstrengungen renommierter Tauchbasenbetreiber gemacht werden, Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die zumindest der Notfallsituation gerecht werden, indem in stark frequentierten Tauchgebieten größere Druckkammern vorgehalten werden. All diese Bemühungen ändern nichts an der Tatsache, daß ein Tauchverunfallter vom Typ II eben als ein schwer Polytraumatisierter angesehen werden muß und danach einzuschätzen und zu behandeln ist. So gesehen und aus unserer Erfahrung sollte eine Einrichtung in Anlehnung oder direkt als selbständige wissenschaftliche Einheit an einer Universität oder einem Großkrankenhaus geschaffen werden, die in der Lage ist, auch höhere Rekompressionsdrucke in entsprechenden Kammern, u. U. durch Mischgasanwendung zu fahren, um parallel intensivmedizinischen, neurologischen und Rehabilitationsansprüchen voll gerecht zu werden. Derzeitig arbeiten unseres Wissens zumindest im europäischen Raum alle Druckkammerbehandler nach Rekompressionstabellen gemäß der VBG 39 (Verordnung der Berufsgenossenschaften) respektive nach modifizierten Behandlungstabellen der amerikanischen Marine. Exemplarisch soll deshalb ein in unserem Institut — der Bundeslehr- und Forschungsstätte der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft in Berlin — in Zusammenarbeit mit der Freien Universität Berlin behandelter Tauchunfall kasuistisch skizziert werden. Vorausgeschickt werden darf, daß von uns bereits mehrere und zum Teil noch nicht veröffentlichte Fälle erfolgreich behandelt werden konnten. Hier muß zum Ausdruck gebracht werden, daß „unsere Methode" bereits vom Franzosen Cabarrou 1966 inauguriert wurde und von uns mit seiner Unterstützung und einem optimalen apparativen Equipment und guter fachärztlicher Personalbesetzung zu den zitierten Restitutionen geführt hat. In diesem Zusammenhang gilt der Erfahrungssatz: Je später nach einem Tauchunfall mit der Therapie begonnen wird, desto geringer sind die Aussichten der Heilung zur Restitutio ad integrum. In der einschlägigen Literatur werden 24

226

S. John, L. Hock, M. Hahn

Stunden nach dem Tauchuniallereignis die Chancen auf Heilung allgemein als recht gering beschrieben (1%).

Kasuistik 18jähriger Patient, Dekompressionserkrankung nach Tauchunfall am 16.7., Typ II, Querschnittsydrom mit Tetraparese. Aus der Anamnese: Nach einem 30 m-Tauchgang bei Tavolara/Sardinien und einem angeblich korrekten Aufstieg kam es kurz unter der Wasseroberfläche (1 m) zu einer kurzzeitigen Bewußtlosigkeit. Nach der Bergung des Verunglückten ins Taucherboot durch Helfer entschloß sich der verantwortliche Tauchlehrer zu einer sogenannten „nassen Rekompression" auf eine Wassertiefe von 9 m. Vorübergehend stellte sich danach eine subjektive Besserung der Beschwerden ein, die jedoch 30 Minuten später wiederkehrten und nach 5 Stunden das Maximum bishin zur Querschnittsymptomatik mit Tetraparese, einhergehend mit Miktionsund Defäkationsstop, erreichten. Hubschraubertransport nach Madalena. Nach ca. 5 Stunden wurde eine Rekompression mit anschließender Dekompressionsbehandlung bis zu 6 bar insgesamt fünfmal innerhalb von 3 Tagen durchgeführt. Eine geringgradige Besserung des Krankheitsbildes verschlechterte sich jedoch wieder, so daß nach 4 Tagen ein Transport per Wohnmobil nach Berlin zunächst in das Klinikum Steglitz erfolgte. Am 5. Tag nach dem Tauchunfall wurde nach neurologischer und internistischer Untersuchung bei liegendem Kavakatheter, Dauerinfusion, Blasenkatheter und Darmrohr eine erneute sogenannte späte Rekompressionsbehandlung mittels 0 2 — N 2 — He-Atemgasgemisch mit einem Behandlungsdruck von 9 bar begonnen und durchgeführt. Die Gesamtdauer der Druckkammerbehandlung erfolgte über 9 Tage mit dem Ergebnis der Rückbildung der geschilderten Symptomatik.

Schlußfolgerungen 1. Wenn die Diagnose Tauchunfall Typ II gestellt ist (und nicht nur in die Tauchmedizin eingewiesene Ärzte sind dazu in der Lage, sondern auch Tauchbasenleiter, die im Besitz der internationalen Moniteurbrevets sind), dann ist sofortige Atmung von reinem Sauerstoff und die schnellstmögliche Verbringung in eine Druckkammeranlage angezeigt, gegebenenfalls durch Hubschraubertransport oder Repatriierungsflug. Die schnelle Repatriierung stellt unter den heutigen und gegenwärtigen Möglichkeiten kein Problem mehr dar. Beispielsweise kann über die Alarmzentrale der DRF (Deutsche Rettungsflugwacht) in Stuttgart, die rund um die Uhr besetzt ist, über den

Lebensrettende Maßnahmen bei Tauchunfällen

-

227

Notruf (0711) 70 10 70 oder Telex 7255447 drfd oder Flugfunk „Airambulance Stuttgart" VHF 129,90 MHz

die Repatriierung auf dem Luftwege mittels Düsenambulanz-Jet (Typ Lear Jet 35) aus allen Teilen der Welt erfolgen. Ein Notarzt und ein Intensivpfleger mit voller Notarztausrüstung sind immer an Bord. 2. An Bord des Ambulanzflugzeuges kann nun bereits die Intensivversorgung entsprechend der vorliegenden Symptomatik begonnen werden. Ob reine 100% ige Sauerstoffapplikation, Kortisongaben, Dextraninfusionen oder Plasmainfusionen 500 —1000 ml zur Anwendung kommen, entscheidet der mitfliegende Notarzt. 3. Anbehandlungen in vorgehaltenen „Einmanndruckkammern" bleiben Stückwerk. Diese Kammern sind lediglich als Transportkammern geeignet. Insofern stellen derartige Kammern, die weitab von einer Großkammerdruckanlage vorgehalten werden, bestenfalls ein Behandlungssystem für Typ I-Erkrankungen dar, wenn Preßluft ausreichend für einige Stunden zur Verfügung steht. Es sei denn, für die transportable Einmanndruckkammer im Learjet ist für den gesamten Repatriierungsflug ausreichend Luftvorrat (Reserveflaschen) bis zur Anflanschung an die große Therapiekammer vorhanden. 4. Unsere Rekompressionen können wir mit hohen Rekompressionsdrücken von 9 bar unter Anwendung von N 2 - 0 2 - He- respektive He - 0 2 -Atemgasgemischen durchführen. Ausgehend von der Überlegung, daß das Gasblasengeschehen — folgend dem Boyle-Mariotte-Gesetz — unter einer Rekompression bei 50 m Wassersäule (6 bar) auf ein Sechstel des Volumens zurückgeht, der Radius der Blasen jedoch nur durch die Kubikwurzel aus 6 (1,82) geteilt wird, hat uns bewogen, Rekompressionen von über 8 bar entsprechend 70 m Wassersäule anzuwenden, denn erst dann ist der Radius der Blasen halb so groß wie an der Oberfläche. Je höher also der Rekompressionsdruck desto kleiner die Radien der Gasblasen, so daß die Gase dieser Blasen wieder in Lösungen übergehen. Die erneute N 2 -Sättigung der Gewebe durch den hohen Rekompressionsdruck muß allerdings in Kauf genommen werden. Die nunmehr langsam durchgeführte Dekompression, in unseren Fällen bis zu 10 Tagen, hat Rezidive der schweren Symptomatik am zentralen Nervensystem sowie den anderen Organen und somit die sichere Invalidität verhindert. Die hier dargelegten Ausführungen sind nur informativ zu betrachten. Denn zum Rüstzeug eines Notarztes sollte ein Einweisungsseminar in die Tauchmedizin gehören, das nunmehr im universitären Rahmen in der orthopädischen Klinik und Poliklinik der Freien Universität Berlin im Oskar-Helene-Heim, Institut für hyperbare und Tauchmedizin, angeboten wird.

Reanimation durch Laien C. Busse, J. Bahr Aus Gründen der größeren Klarheit wird in den folgenden Ausführungen der Begriff „Laie" bzw. „Laienhelfer" durch den des „Ersthelfers" ersetzt. Hier soll nicht über den Einsatz von Menschen ohne Fachkenntnisse in der kardio-pulmonalen Wiederbelebung gesprochen werden, sondern über den Sinn und die Durchführung einer Ausbildung, die den Bürger zu einem Helfer qualifiziert und ihn befähigt, mit seinem Einsatz als „Ersthelfer" im wahrsten Sinne des Wortes ein wichtiges Glied in der Rettungskette darzustellen. Weitgehend unabhängig von gesellschaftlichen oder regionalen Einflüssen und Strukturen gibt es eine Reihe von Fakten, die dazu zwingen, sich mit der Frage der Breitenausbildung von Ersthelfern in den Basismaßnahmen der kardio-pulmonalen Reanimation auseinanderzusetzen. So wird geschätzt, daß jedes Jahr in der Bundesrepublik 350000 Menschen einen Herzinfarkt erleiden und etwa 100000 daran sterben — ein Vielfaches der jährlichen Verkehrstoten. Setzt man die Infarkttoten, die in den ersten 24 Stunden versterben, gleich 100%, so sterben 51% in den ersten 15 Minuten nach dem Infarktereignis, weitere 30% innerhalb der ersten 60 Minuten und 19% innerhalb des ersten Tages. Der limitierende Faktor für den Erfolg einer Wiederbelebung liegt in der geringen Ischämietoleranz bzw. der adäquaten Sauerstoffversorgung des Gehirns innerhalb kürzester Zeit: In Normothermie muß schon 3 Minuten nach Eintritt des AtemHerz-Kreislauf-Stillstandes mit irreversiblen Schäden durch Sauerstoffmangel gerechnet werden und nach 5 Minuten mit dem biologischen Tod des Patienten. Innerhalb dieser kurzen Zeit erreicht jedoch der professionelle Rettungsdienst trotz des Einsatzes schneller Rettungsmittel Patienten mit einem akut aufgetretenen Herz-Kreislauf-Versagen nur in Ausnahmefällen so rechtzeitig, daß die Reanimationsmaßnahmen zu einem Erfolg führen können. Dieses Problem ist seit langem bekannt; es wird im Notarzt- und Rettungsdienst fast täglich aufs neue deutlich. Nach der zufälligen Entdeckung eines Notfalls ist die Alarmierung des Rettungsdienstes häufig die einzig sinnvolle Hilfeleistung eines an sich potentiellen Helfers — wegen fehlender Ausbildung ist er zu mehr meist nicht in der Lage. Hier gilt es anzusetzen, um das therapiefreie Intervall, dessen Länge sowieso nur zum Teil beeinflußbar ist, zu verkürzen. Da auf der Seite des professionellen Rettungsdienstes die Möglichkeiten weitgehend ausgereizt sind, muß die Forderung lauten: Aktivierung des brachliegenden Helferpotentials durch Breitenausbildung in den Basismaßnahmen der Herz-Lungen-Wiederbelebung. Die Idee, das vorhandene Helferpotential zur Verkürzung des therapiefreien Intervalls zu nutzen, ist keineswegs neu; beispielhaft sei hier nur auf die Wieder-

230

C. Busse, J. Bahr

belebungsprojekte in Seattle und King County (USA) hingewiesen. Diese und andere umfangreiche Studien haben klar gezeigt, daß die Prognosen von Patienten mit einem außerklinischen Herz-Kreislauf-Stillstand dann am günstigsten sind, wenn innerhalb von 4 Minuten nach Eintritt des Ereignisses durch Ersthelfer mit den Basismaßnahmen und innerhalb von 8 Minuten durch den Rettungsdienst mit den erweiterten Maßnahmen der Herz-Lungen-Wiederbelebung begonnen wird. Daraus folgt, daß einerseits alle Anstrengungen auf dem Gebiet der Ersthelfer-Reanimation nicht zu einem Nachlassen der Bemühungen um weitere Verbesserungen des Rettungsdienstes führen dürfen; andererseits würde das „Reanimationssystem" ohne Breitenausbildung von Ersthelfern in der Wiederbelebungstechnik aber unvollständig und ineffektiv bleiben.

Ausbildung von Ersthelfern In der Bundesrepublik war man mit der Ausbildung von Ersthelfern in der Technik der äußeren Herzdruckmassage wesentlich zurückhaltender als in anderen westlichen Staaten. In der Breitenausbildung wird derzeit noch als einzige Wiederbelebungsmaßnahme nur die Atemspende gelehrt. Als Begründung hierfür wird im wessentlichen die Furcht vor der unsachgemäßen Anwendung der Herzdruckmassage angeführt, die möglicherweise dadurch entstehenden Komplikationen sowie Fehler bei der Diagnose des Atem- und Herz-Kreislauf-Stillstandes. Diese Befürchtungen um eine Steigerung der Letalitätsrate durch Reanimationsverletzungen sind aber — wie die amerikanischen Untersuchungen gezeigt haben — unbegründet. Während in den Vereinigten Staaten die forensische Problematik eindeutig gesetzlich geregelt ist, etwa durch das „Washington State Samaritan Law", finden in der Bundesrepublik für die Beurteilung dieser Frage mehrere Rechtsgrundsätze Anwendung: 1. Einerseits ist nach § 3 2 3 c StGB grundsätzlich jeder Bürger im Rahmen seiner individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Hilfeleistung verpflichtet; 2. andererseits setzt sich derjenige dem Vorwurf eines Übernahmeverschuldens aus, der eine Leistung übernimmt, die seine Fähigkeiten übersteigt, und der dabei Schäden verursacht. Daraus ergeben sich für den Helfer zwei rechtliche Risiken, von denen nach Abwägung das der unterlassenen Hilfeleistung das weitaus höhere sein dürfte. Wenn unsere Rechtsordnung jeden verpflichtet, in Notsituationen zu helfen, dann können Ersthelfer schwerlich dafür belangt werden, daß sie in bester Absicht eventuell etwas Falsches tun. Ein weiterer Ansatzpunkt ergibt sich aus § 680 BGB. Da der Ersthelfer in der Regel ohne Aufforderung durch den Patienten oder einen Vertreter tätig wird, handelt er als „Geschäftsführer ohne Auftrag". Seine Haftung ist dann lediglich auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt.

Reanimation durch Laien

231

Zusammenfassend muß festgestellt werden, daß auch für die Bundesrepublik die Frage, ob Bürger als Ersthelfer in den Maßnahmen der kardio-pulmonalen Reanimation ausgebildet werden sollten, kein primär juristisches, sondern ein medizinisches Problem ist.

Ergebnisse Es muß davor gewarnt werden, alle Ergebnisse ausländischer Reanimationsprojekte unkritisch auf die z. T. sehr unterschiedlichen soziokulturellen Bedingungen der Bundesrepublik zu übertragen. In Pilotstudien - im folgenden dargestellt am Beispiel von Göttingen — müssen den jeweils vorherrschenden Verhältnissen angemessene Ideen und Konzepte entwickelt und wissenschaftlich überprüft werden, um damit Grundlagen für ein breit angelegtes, flächendeckendes Ersthelferausbildungsprogramm zu schaffen. In Göttingen haben wir es uns im Rahmen eines Pilotprojektes, das von der Bundesregierung, dem Land Niedersachsen, der Stadt und dem Landkreis Göttingen sowie einer Reihe privater Förderer unterstützt wird, zum Ziel gesetzt, innerhalb von 4 Jahren 2 0 0 0 0 Menschen, das entspricht etwa 10% der Bevölkerung in der Projektregion, in den Basismaßnahmen der kardio-pulmonalen Reanimation zu Ersthelfern auszubilden. Damit soll ein wichtiger Beitrag geleistet werden zur Beurteilung der Effektivität einer Breitenausbildung, der Motivation und des Anmeldeverhaltens der Bürger in städtischen und ländlichen Bereichen sowie der notwendigen organisatorischen Voraussetzungen. Die Projektregion — Stadt und Landkreis Göttingen - bietet dafür geeignete soziodemographische und strukturelle Bedingungen, so daß übertragbare Ergebnisse erwartet werden können. Wir konnten bereits sehen, daß neben einer breit angelegten Öffentlichkeitsarbeit auch die gezielte Ansprache sogenannter Prioritätsgruppen sowie die Zusammenarbeit mit organisatorisch leicht zugänglichen Institutionen wichtig und nötig ist: Von den 6000 bis Ende des Jahres 1986 von uns ausgebildeten Ersthelfern konnten weit mehr als 80% über bestehende Kommunikations- und Organisationsstrukturen angesprochen und für die HLW-Ausbildung interessiert werden. Diese Zahlen beweisen einerseits die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit Vereinen, Verbänden, Betrieben, Verwaltungen und anderen Organisationen, zeigen andererseits aber auch die große Schwierigkeit, Einzelpersonen für die Teilnahme an einer solchen Ausbildung zu motivieren. Das Bewußtsein für den Problemkreis des kardialen Notfalls ist in der Bevölkerung kaum vorhanden.

Ausbildungskonzept Das entwickelte Ausbildungskonzept sieht 6stündige Kurse vor, die in der Regel an zwei Terminen ( 2 x 3 Stunden) durchgeführt werden. Der Inhalt orientiert

232

C. Busse, J. Bahr

sich weitgehend an den „Standards and Guidelines" der American Heart Association. Davon abweichend jedoch wird, aus didaktischen Gründen, die Diagnostik im Block behandelt. Der Schwerpunkt in den Kursen liegt eindeutig in praktischen Übungen; an Theorie wird nur das Notwendigste vermittelt. Hauptübungsmaterial ist das System „Recording Resusci Anne" (Fa. Laerdal), ergänzt durch eine selbstverfaßte Broschüre, die von den Teilnehmern erworben werden kann, und einen Video-Lehrfilm, der in Zusammenarbeit mit dem Institut für den Wissenschaftlichen Film produziert wurde. Die eigentliche Ausbildung der Ersthelfer wird begleitet von einer Studie, die sowohl das Projekt selbst als auch das soziale Umfeld sorgfältig evaluiert. So werden beispielsweise von den Kursteilnehmern einige Daten erhoben, um in regelmäßigen Abständen grobe Profile der Ausgebildetenpopulation zeichnen zu können. Aus der Altersstruktur und dem Geschlechterverhältnis der bisherigen Kursteilnehmer — jeweils über 60% waren männlich und unter 30 Jahre — darf nicht geschlossen werden, ältere Menschen und Frauen seien nur schwer für einen Herz-Lungen-Wiederbelebungskurs zu motivieren. Hier spiegelt sich eher das Geschlechterverhältnis und die Altersstruktur der Vereine, Verbände und Organisationen wieder, deren Mitglieder bisher den weitaus größten Anteil der Ausgebildetenpopulation gestellt haben. Andererseits zeigen diese Zahlen, daß verstärkte Bemühungen nötig sind, um die vorrangige Zielgruppe zu erreichen: die Angehörigen von Risikopatienten und Frauen über 50. Neben der sozialwissenschaftlichen hat die Evaluation auch eine medizinische Dimension. Seit Beginn des Jahres 1986 werden in der Göttinger Projektregion sämtliche außerklinischen Reanimationsversuche erfaßt. Da eingehende statistische Analysen wegen der kurzen Zeitspanne und der geringen Fallzahl noch nicht sinnvoll sind, hier nur einige Trends: — Je früher mit den Basismaßnahmen der kardio-pulmonalen Wiederbelebung begonnen wird, wenn auch mit z. T. höchst unterschiedlicher Qualität, desto günstiger ist die Prognose für die betroffenen Patienten. Der primäre Reanimationserfolg (Kriterium: Patient kann lebend in die Klinik eingeliefert werden) ist bei Wiederbelebungen mit Ersthelferbeteiligung fast doppelt so hoch wie bei den Versuchen, die ausschließlich durch den Rettungsdienst durchgeführt werden (64% versus 34%). Beim sekundären bzw. endgültigen Reanimationserfolg kann von noch gravierenderen Unterschieden ausgegangen werden: etwa 30% der Patienten, bei denen Ersthelfer mit der Wiederbelebung beginnen, können ohne neurologische Defizite aus der Klinik entlassen werden, während dieser Anteil bei den ausschließlich durch den Rettungsdienst Wiederbelebten bei etwa 4% liegt. — die Geschlechter- und Altersstruktur reanimierter Patienten entspricht der Erkrankungshäufigkeit: 68% sind männlich, etwa 60% über 60 Jahre alt. — Über 70% der Notfälle haben eine kardiale Ursache.

Reanimation durch Laien

233

- Fast zwei Drittel der Notfälle ereignen sich im Hause der Patienten. — Mehr als zwei Drittel der Notfälle werden beobachtet, d. h. in diesen Fällen sind Personen anwesend, die potentiell mit Wiederbelebungsmaßnahmen beginnen könnten. Die Ausbildung von bis heute etwa 7500 Menschen zu HLW-Ersthelfern hat sich noch in keinem nennenswerten Umfang bei den außerklinischen Reanimationsversuchen niedergeschlagen. Der in Göttingen beobachtete Anteil von etwa 11% Ersthelferreanimationen muß z. Z. als fester Sockel betrachtet werden, der sich erst nach Schulung größerer Bevölkerungskreise steigern dürfte. Ob wir allerdings die amerikanischen Relationen erreichen, wo nach Ausbildung von etwa 30% der erwachsenen Bevölkerung in rund einem Drittel aller außerklinischen HerzKreislauf-Stillstände von Ersthelfern mit der Reanimation begonnen wird, bleibt abzuwarten.

Ausblick Zum Abschluß sei noch ein Blick in die Zukunft gestattet. Man muß sich darüber im klaren sein, daß die flächendeckende Ersthelferausbildung in den Basismaßnahmen der kardio-pulmonalen Reanimation zwar eine Notwendigkeit, aber nur ein Schlüssel zum Beherrschen des extrahospitalen Reanimationssystems ist. Nur wenn es gelingt, durch Zusammenschluß aller notfallmedizinisch interessierten und engagierten Fachverbände zu gemeinsam getragenen Empfehlungen, vergleichbar denen der American Heart Association, in den Bereichen Präventivmaßnahmen, kardio-pulmonale Reanimation und Ersthelferausbildung zu kommen, wird es möglich sein, auch langfristig die Morbidität und Mortalität von Kreislauferkrankungen zu senken.

Weiterführende Literatur [1] American Heart Association: Standards and guidelines for cardiopulmonary resuscitation (CPR) and emergency cardiac care (ECC). Jama 255 (1986) 2841 — 3044 [2] Bahr, J., C. Busse, D. Kettler: Göttinger Pilotprojekt „Herz-Lungen-Wiederbelebung durch Ersthelfer" - Der erste Zwischenbericht. Notfallmedizin, in Vorbereitung [3] Busse, C., J. Bahr: Bisherige Erfahrungen und Ergebnisse des Göttinger Pilotprojektes „HerzLungen-Wiederbelebung durch Ersthelfer". Unveröffentlichter Vortrag auf dem Göttinger Workshop „Herz-Lungen-Wiederbelebung durch Ersthelfer", 31. Januar 1986 [4] Cobb, L. A., A. P. Hallstrom, R. G. Thompson et al.: Community cardiopulmonary resuscitation. Ann Rev Med 31 (1980) 453 [5] Eisenberg, M. S., L. Bergner, A. P. Hallstrom: Sudden cardiac death in the Community. New York 1984 [6] Lund, J., A. Skulberg: Cardiopulmonary resuscitation by lay people. Lancet 2 (1976) 702

IV

Rettungswesen

Das Rettungswesen in Nordrhein-Westfalen Ch. Biesing, G. H. Engelhardt, D. Stratmann Der Rettungsdienst ist eine Gemeinschaftsaufgabe der Gesellschaft im Bereich der Daseinsvor- und Daseinsfürsorge und als öffentliche Aufgabe zu erfüllen. Verpflichtet dazu sind die Bundesländer nach dem Grundgesetz (Artikel 30, 70, 83). Die Bundesländer bemühen sich um ein bedarfsgerechtes Gesamtsystem eines ständig einsatzbereiten und leistungsfähigen Rettungsdienstes. Aufgabe und Ziel des Rettungsdienstes ist bei Notfallpatienten Maßnahmen zur Erhaltung des Lebens oder zur Vermeidung gesundheitlicher Schäden einzuleiten, sie transportfähig zu machen und unter sachgerechter Betreuung in ein für die weitere Versorgung geeignetes Krankenhaus zu transportieren, sowie anderen Kranken, Verletzten oder sonstwie Hilfsbedürftigen 1. Hilfe zu leisten und sie unter sachgerechter Betreuung zu befördern (Lippert). In Erfüllung dieser Aufgabenstellung hat in Nordrhein-Westfalen (wie Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, das Saarland und Schleswig-Holstein) ein besonderes Rettungsdienstgesetz verabschiedet, das am 1.1.1975 in Kraft trat und zuletzt durch Gesetz vom 24.11.1982 geändert wurde. Darin werden als Träger des Rettungsdienstes die Kreise und kreisfesten Städte bestimmt, des weiteren werden die Einrichtungen des Rettungsdienstes definiert und festgelegt. Dies sind im einzelnen: 1. Rettungsleitstellen Sie werden vom Träger des Rettungsdienstes errichtet und betrieben. Nach Entwurf der DIN 13050, Teil 1, sind sie „ständig besetzte Einrichtungen zur Annahme von Meldungen, sowie zum Alarmieren, Koordinieren und Lenken von Einsatzkräften des Rettungsdienstes oder gelegentlich auch anderer Einrichtungen. Sie führen einen Nachweis über Bettenkapazitäten und Versorgungseinrichtungen". Den Rettungsleitstellen unterstehen jeweils eine Anzahl von Rettungswachen, sie sind bei einer Anzahl von 54 für Nordrhein-Westfalen flächendeckend. Sie bedienen sich moderner Technologie wie modularer Leitstellensysteme oder sogenannter integrierter Leitstellen mit den zusätzlichen Aufgaben des Brandund Katastrophenschutzes. Die mittlere Bearbeitungsdauer eines Notrufes bis zur Alarmierung eines Rettungsmittels liegt unter 1 Minute. 2. Rettungswachen Sie halten die mobilen Rettungsmittel, insbesondere Rettungswagen, Krankentransportwagen sowie das notwendige Personal einsatz- und abrufbereit. So wurden Ende 1985 355 Rettungswachen betrieben, wobei die endgültige Anzahl bis jetzt noch nicht festgelegt wurde.

238

Ch. Biesing, G. H. Engelhardt, D. Stratmann

3. Rettungswagen (RTW) Sie dienen nach DIN 75080 dazu, die Transportfähigkeit von Notfallpatienten vor und während der Beförderung herzustellen und aufrecht zu erhalten. Rettungswagen, die mit einem Notarzt besetzt sind, werden Notarztwagen genannt. Allen Versuchen, die in vielen Einsätzen bewährten Normenmaße der DIN 75 080 zu verändern, hat sich Nordrhein-Westfalen entschieden widersetzt. In NordrheinWestfalen sind etwa 650 Rettungswagen im Einsatz, eine weitestgehend befriedigende, regional angepaßte und flächendeckende Ausstattung. Ebenfalls in ausreichender Anzahl flächendeckend vorhanden sind KTW (1157, Stand 1985). Große Fortschritte hat in Nordrhein-Westfalen der Einsatz von Notärzten gemacht. Nicht von ungefähr wurde in Köln bereits vor fast 30 Jahren der erste RTW mit Notarztbesetzung betrieben, beispielgebend für die gesamte Entwicklung auf diesem Sektor in der Bundesrepublik. In Nordrhein-Westfalen werden 175 Notarztstandorte unterhalten, wobei 120 im Rendevouz-System unter Einsatz eines NEF betrieben werden, 55 Notarztdienste werden im sogenannten Stationssystem betrieben. Dies ist Ausdruck sehr flexibler Organisationsformen, über deren Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit meist von den regionalen Planungsträgern entschieden wird. Große Anstrengungen der beiden Ärztekammern in Nordrhein-Westfalen, in enger Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft der Notärzte in Nordrhein-Westfalen, führen zu einer kontinuierlichen Qualitätsverbesserung des notärztlichen Angebotes, unter anderem durch Fortbildungsmaßnahmen nach den Richtlinien der DIVI und der Bundesärztekammer. 4. RTH-Stützpunkte In Köln wurde bereits 1971 im Rahmen eines Modellversuches der erste Katastrophenschutzhubschrauber des Bundes in Betrieb genommen. Wichtige Erkenntnisse, die hierbei gewonnen wurden, flössen in das Konzept eines flächendeckenden Rettungshubschraubernetzes in der Bundesrepublik ein. In Nordrhein-Westfalen sind 7 Rettungshubschrauberstützpunkte errichtet, überwiegend Katastrophenschutzhubschrauber, aber auch Hubschrauber der SAR und ADACLuftrettung. Überlebungs- und Heilungschancen von Notfallpatienten sind umso größer je kürzer die Zeitspanne zwischen Notfalleintritt und medizinischer Versorgung ist. Die weitere Verkürzung des therapiefreien Intervalls ist eine wesentliche Aufgabe des gesamten Rettungswesens, so auch in Nordrhein-Westfalen. Durch die Zeitvorgabe der „Toleranzzeit", d. h. der Zeit zwischen Einsatzbefehl und Eintreffen am Notfallort von 5 — 8 Minuten, setzt das Land Mindestbedingungen für die Durchführung des Rettungsdienstes. Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, daß Nordrhein-Westfalen ein Ballungsraum darstellt, ist diese Zeit im Vergleich zu ähnlichen Vorgaben anderer Bundesländer bereits sehr kurz, beweist aber u. a. auch den hohen Stand von Einrichtungen und Ausrüstungen des Rettungsdienstes

Das Rettungswesen in Nordrhein-Westfalen

239

in Nordrhein-Westfalen. Trotzdem sind hier noch weitere Verbesserungen nötig und möglich, zeigt sich doch z. B., daß Notfalleinsätze ohne Notarzt deutlich geringere Eintreffzeiten haben als Einsätze mit Notarzt, da das Netz der Rettungswachen dichter ist als das der Notarztstationen. Über diesen organisatorischen Regelungen ist nicht zu vergessen, daß der Rettungsdienst nur dann seinen Anforderungen gerecht werden kann, wenn der Finanzbedarf sichergestellt ist. Dazu kam es erst 1986 auf Empfehlung des Landesfachbeirates für den Rettungsdienst zu einer Übereinkunft zwischen den Verbänden der Krankenkassen und den kommunalen Spitzenverbänden, mit dem Ziel, in möglichst enger Zusammenarbeit anstehende Probleme in jährlich mindestens einmal stattfindenden Gesprächen einer einvernehmlichen Lösung zuzuführen. Sicher ist das Rettungswesen auch in Nordrhein-Westfalen weiter auszubauen und zu verbessern. Betont werden muß aber, daß der gegenwärtige Stand bereits einen hohen Standard sicherstellt, der beispielhaft sein kann für andere Bundesländer.

Der leitende Notarzt und seine Qualifikation D.

Stratmann

Nahezu völlig übereinstimmend wird es als Aufgabe des sogenannten „Leitenden Notarztes" (LNA) angesehen, auch unter den Bedingungen des Massenanfalls Verletzter/akut Erkrankter, also unterhalb der Einsatzbedingungen für die Einheiten des Katastrophenschutzes, eine möglichst optimale, d. h. den Behandlungsmöglichkeiten der Individualmedizin weitestgehend nahekommende, notfallmedizinische und rettungsdienstliche Versorgung sowohl am Schadensort als auch hinsichtlich der Durchführung des Transportes und der Auswahl der geeigneten Zielklinik/Praxis sicherzustellen, um nicht lediglich den rettungsdienstlichen Versorgungsnotstand durch raschen und unqualifizierten Transport in die Klinik zu verlagern [1—7]. Einzuordnen ist demnach der LNA dann in die rettungsdienstliche Versorgungskette, wenn in quantitativer Hinsicht durch den ,Massenanfall' und/oder in qualitativer Hinsicht durch besondere Gefahrenlagen oder schwierige, langdauernde Versorgungsaufgaben die reguläre rettungsdienstliche und notärztliche Kapazität des regionalen Rettungsdienstes überschritten wird. Dies erfordert nicht nur im rettungsdienstlichen Bereich umfangreiche und qualifizierte organisatorische und einsatztaktische Maßnahmen sondern auch in der Zusammenarbeit mit den anderen am Schadensort tätigen Diensten Feuerwehr, Polizei, Hilfsorganisationen usw. eine enge Kooperation und Koordination und diese „Zusammenarbeit erfordert ein funktionsfähiges Führungssystem" [5] unter Einschluß des „Leitenden Notarztes" [3, 6], Während Führungsstrukturen und -befugnisse sowie einsatztaktische Überlegungen zur organisatorischen und praktischen Bewältigung solcher Schadenslagen bei den mit der rettungsdienstlichen Versorgung kooperierenden Diensten bestehen, sind sie für den Rettungs- und Notarztdienst, bis auf Ausnahmen, noch nicht umfassend geregelt. Zu ihrer Regelung bedarf der LNA neben seiner notfallmedizinischen Qualifikation profunder organisatorischer und einsatztaktischer Kenntnisse und Begabungen, die in der praktischen Bewältigung des Massenanfalls durchaus entscheidend sein können. Zu den notärztlichen und organisatorischen Aufgaben des LNA (Tab. 1) am Einsatzort gehört zunächst die einsatztaktische Beurteilung der tatsächlichen Lage. Er verschafft sich einen Überblick über Art, Anzahl, Intensität und Ausmaß der Schädigung Betroffener („Sichtung"), um sodann im notärztlichen Bereich Schwerpunkt und Art des notfallmedizinischen Einsatzes zu bestimmen. In Absprache mit dem rettungsdienstlichen Einsatzleiter und in Koordination mit den anderen beteiligten Diensten sind Fragen der Behandlungs- und Transportpriorität, der

242

D. Stratmann

Tab. 1. Aufgaben des leitenden Notarztes 1. Beurteilung der Lage notfallmedizinisch, einsatztaktisch 2. Bestimmung des Schwerpunktes und der Art des notfallmedizinischen Einsatzes 3.

Koordination der notfallmedizinischen Versorgung mit der organisatorischen Einsatzleitung

Ersatzbeschaffung, der Delegation von Aufgaben, der Einrichtung von Versorgungsplätzen, der Koordination mit benachbarten Rettungsdiensten und der Luftrettung, der Vorinformation, Auswahl von und Transportart zu Zielkliniken/ Praxen, der Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft im Restversorgungsgebiet und der Dokumentation ständig zu klären. Diese umfangreiche Aufgabenstellung bedarf einer Qualifikation (Tab. 2), die in notfallmedizinischer Hinsicht den Erwerb einer Gebietsbezeichnung eines solchen Fachgebietes beinhalten sollte, das Bezug zur Intensivmedizin hat, in der notärztlichen Praxis sind dies in der Regel Anästhesisten, Chirurgen oder Internisten. Den Erwerb als Eingangsvoraussetzung zwingend vorzuschreiben, halte ich — bei der Länge einiger Weiterbildungszeiten — für nicht notwendig, es muß jedoch intensivmedizinische und eine etwa 4jährige kontinuierliche notärztliche Einsatzerfahrung vorliegen, um die notfallmedizinischen Bedingungen und Möglichkeiten rettungsdienstlicher Versorgungsstrategien sicher und realistisch beurteilen und durchführen zu können. Tab. 2. Eigungskriterien des leitenden Notarztes 1. Weiterbildung/Gebietsbezeichnung (Fachgebiet mit Bezug zur Intensivmedizin) 2. kontinuierlich als N o t a r z t tätig 3. „Fachkundenachweis" und spezielle rettungsdienstliche Fortbildung (Einsatztaktik u. a.) 4. regionale rettungsdienstliche Kenntnisse (Träger, Organisation, Kapazität u. a.)

Diese Eignungskriterien setzen ohnehin den Nachweis des „Fachkundenachweises" oder einer gleichwertigen Fortbildung voraus. In zusätzlichen speziellen Fortbildungsveranstaltungen müssen sowohl notfallmedizinische Kenntnisse über die Besonderheiten der Versorgung unter den Bedingungen des Massenanfalls Verletzter/akut Erkrankter erworben werden als auch Kenntnisse über gesetzliche Grundlagen sowie Aufgaben und Möglichkeiten in einsatztaktischer, fernmeldetechnischer und tatsächlicher Hinsicht des Rettungsdienstes und der beteiligten anderen Dienste unter Einschluß von Übungen oder Planspielen. Derartige Fortbildungsinhalte festzulegen und entsprechende Veranstaltungen durchzuführen wird eine Aufgabe der DIVI bzw. der Notarzt-Arbeitsgemeinschaften sein.

Der leitende Notarzt und seine Qualifikation

243

Im regionalen Bereich muß der LNA Kenntnisse sowohl der rettungsdienstlichen Strukturen, Kapazitäten und Möglichkeiten haben wie auch der klinischen und ambulanten Behandlungskapazitäten, der Leistungsfähigkeit der kooperierenden Organisationen, des ärztlichen Notfalldienstes und über Lagerung, Umfang und Beschaffung zusätzlicher notärztlicher und sanitätsdienstlicher Hilfsmittel. Die Stellung des LNA (Tab. 3) bedarf zur Einbringung (not-)ärztlicher Fachkompetenz in die rettungsdienstliche Versorgung beim 'MassenanfalP oder besonderer Gefährdung auch im rechtlichen Sinne hinsichtlich tatsächlicher Kompetenz und Einordnung einer in allen Bundesländern möglichst einheitlichen Regelung für möglichst alle Rettungsdienstbezirke. Tab. 3. Stellung des leitenden Notarztes 1. im Rettungsdienst tätig 2. Bestellung durch den ,Träger' des Notarztdienstes 3. fachliche Weisungsbefugnis 4. ständige Einsatzbereitschaft

Der LNA soll seiner Stellung nach im Rettungsdienst tätig werden und aus dem Kreis der im Notarztdienst tätigen und verantwortlichen Notärzte durch den rechtlich und organisatorisch verantwortlichen Träger bestellt werden, denn nur so kann ihm die unstrittig fachlich notwendige Weisungsbefugnis übertragen werden. Eine Stellung als Fachberater entspricht nicht der fachlichen Kompetenz und Verantwortung. Zweifellos ist ein ständig einsatzbereiter LNA-Dienst einzurichten. Es ist Aufgabe der ärztlichen Gesellschaften, Organisationen und Verbände, notärztliche Kompetenz auch in diesen Bereich der außerklinischen Notfallmedizin zu etablieren.

Literatur [1] Ahnefeld, F. W., W. K. Hirlinger, H. H. Mehrkens: Leitender Notarzt - Stellung, Aufgabenbereich, Ausbildung. Notfallmedizin 12 (1986) 338 - 345 [2] Huber, J.: Die Führungsorganisation im Rettungsdienst. Rettungsdienst 9 (1986) 6 9 2 - 6 9 6 [3] Sefrin, P., A. W. de Pay: Leitender Notarzt — eine neue Funktion im Rettungsdienst? Notarzt 2 (1986) 1 7 9 - 1 8 2 [4] Voeltz, P.: Die Aufgabe des Leitenden Notarztes bei Großunfällen in der Freien und Hansestadt Hamburg. Rettungsdienst 9 (1986) 424 - 427 [5] Zusammenarbeit von Rettungsdienst und Katastrophenschutz beim Massenanfall von Verletzten. Bekanntmachung des Bayrischen Staatsministeriums des Innern vom 2 4 . 7 . 1 9 8 4 (MABl. S. 413) [6] Gemeinsame Hinweise des Innenministeriums und des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit, Familie und Sozialordnung für Planungen zur Bewältigung eines Massenanfalls von Verletzten vom 8 . 7 . 1 9 8 5 (GABI, des Landes Baden-Württemberg, S. 686) [7] 13. Sitzung der Sektion Rettungswesen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensivmedizin (DIVI) vom 1 2 . 1 1 . 1 9 8 6 . Notarzt 3 (1987) 6 8 - 6 9

Das bundeseinheitliche Notarztprotokoll P. Sefrin, D.

Blumenberg

Ausgehend von der geänderten Aufgabenstellung des Rettungsdienstes vom reinen Transport zur primären Behandlung eines Notfallpatienten war der präklinische Einsatz eines qualifizierten Arztes zwingend. Die Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet des notärztlichen Einsatzes befinden sich momentan in einem Stadium unsystematischer Informationserhebung, -auswertung und -Übermittlung [3]. Es überwiegen bei entsprechenden Publikationen rein deskriptive Studien, die dem internationalen Standard nicht genügen (Übersicht bei [1]). Die Tatsache, daß im Rahmen des Notarztdienstes eine vorgezogene intensivmedizinische Therapie erforderlich wird, hatte nicht nur eine definierte Grundqualifikation des Notarztes zur Folge, sondern auch eine gestiegene Invasivität der ärztlichen Maßnahmen. Damit sind aber auch andererseits die rechtlichen Anforderungen an den Notarzt gestiegen. Je mehr die Notfallmedizin den Bereich der Erste-Hilfe-Maßnahmen verläßt und in den Bereich der frühzeitigen intensivmedizinischen Maßnahmen eindringt, desto näher gelangen Notärzte in den Bereich der für die ärztliche Behandlung geltenden Rechtsregeln [2], Sowohl für den Notarzt wie auch den ärztlichen Notfalldienst gilt § 11 der Ärztlichen Berufsordnung, wonach der Arzt über die in Ausübung seines Berufes gemachten Feststellungen und getroffenen Maßnahmen die erforderlichen Aufzeichnungen zu führen hat. Die ärztlichen Aufzeichnungen sind nicht nur Gedächtnisstützen für den Arzt, sondern dienen auch dem Interesse des Patienten. Seit der Bundesgerichtshof (BGH) festlegte, daß der Arzt dem Patienten gegenüber zur Dokumentation der wesentlichen Befunde und Behandlungsmaßnahmen verpflichtet ist [5], steht auch für den Notarzt fest, daß er seine Befunde und Maßnahmen im Rettungsdienst dokumentieren muß. Der BGH bezeichnet dies „als selbstverständliche therapeutische Pflicht" des Arztes und als „Bestandteil einer sorgfältigen Behandlung", die ihren Grund darin habe, daß die weitere Behandlung des Patienten durch einen anderen Arzt infolge einer unzulänglichen Dokumentation entscheidend erschwert werden könne. Es gehört demnach zu den Sorgfaltspflichten des Notarztes sicherzustellen, daß der weiterbehandelnde Arzt die relevanten, an der Notfallstelle erhobenen Befunde mitgeteilt bekommt. Das Urteil des BGH bezieht sich zwar auf eine Dokumentation unter normalen medizinischen Verhältnissen, die ärztliche Tätigkeit im Rettungsdienst dagegen findet unter Notfallbedingungen statt, denen die Rechtssprechung noch einen Ausnahmezustand zubilligt. Selbst unter diesen spezifischen Bedingungen entfällt jedoch die Dokumentationspflicht nicht.

246

P. Sefrin, D. Blumenberg

Wegen der Beweisfunktion der Krankenunterlagen räumt die Rechtssprechung darüber hinaus dem Patienten einen weitgehenden Anspruch auf Einsichtnahme in seine Krankenunterlagen ein. Wird die erforderliche Dokumentation nicht oder nur unzureichend geführt, bedeutet dies bei juristischen Auseinandersetzungen eine Erleichterung der Beweisführung für den Patienten bis hin zur Beweisumkehr für den Arzt. An der Notwendigkeit und Verpflichtung zur Dokumentation besteht demnach kein Zweifel. Das Problem ist das Ausmaß: Zu wenig kann schaden, zu ausführlich ist zu zeitaufwendig und damit unpraktikabel, eventuell werden sogar datenschutzrechtliche Probleme entstehen, wenn eine Weitergabe an Dritte (Rettungsorganisationen) erfolgt. Vielerorts begegnet man Bemühungen um eine Verbesserung oder sogar Neukonzeption einer Notarztdokumentation (Abb. 1). Mit geringem Zeitaufwand, in möglichst kurzer Zeit, möglichst viele Informationen, möglichst sicher an die richtige Stelle vermitteln.

Abb. 1. Grundforderungen an ein Notarztprotokoll

Einführung des einheitlichen Notfallprotokolls Bereits 1978 wurde im Rahmen des 4. Rettungskongresses des DRK die Bedeutung eines bundeseinheitlichen Notfallprotokolls erkannt und dessen Einführung gefordert [6]. Es wurde betont, daß nur so eine Vergleichbarkeit medizinischer und organisatorischer Ergebnisse möglich sei. Der Schaffung eines derartigen einheitlichen Notarztprotokolles stehen bis heute persönliche, regionale und organisatorische Schwierigkeiten entgegen [4], Häufig sind die bisher in vielen regionalen Varianten verwandte Dokumentationen ohne Bezug „nach außen"; sie kranken an der Tatsache einer fehlenden Konzeption der Datenerhebung und einer genauen Umschreibung einer spezifischen Fragestellung. In vielen Fällen ist die Person und die Ansicht des Erstellers eines derartigen Protokolls für die Gestaltung dominierend. Handelte es sich um einen Kardiologen, so wird die kardiologische Diagnostik hervorgehoben, während andere Notfälle nur grob erfaßt werden. War an der Konzipierung ein Unfallchirurg beteiligt, stehen eine Differenzierung der verschiedenen Unfalltypen und die chirurgischen Maßnahmen im Vordergrund, während internistische Informationen kaum berücksichtigt sind. Bei einem bundeseinheitlichen Notarzteinsatzprotokoll ist daher eine Monodisziplinarität und das Vorherrschen von Einzelgesichtspunkten nicht angebracht (Abb. 2). Unerläßlich ist eine einheitliche Nomenklatur und eine eindeutige Sprachregelung, wozu

Das bundeseinheitliche Notarztprotokoll

247

1. umfangreiche Information, 2. übersichtliche Unterteilung der Einzelrubriken, 3. klare Erfassung vieler Fakten, 4. zeitsparende Dokumentation, 5. Minimierung der handschriftlichen Eintragungen, 6. Durchschreibeverfahren mit Ankreuzsystem, 7. Garantie der Maschinenlesbarkeit

Abb. 2. Weitere Anforderungen an ein Notarztprotokoll

der eingeschlagene Weg über die DIN gangbar erscheint (DIN 13050, Teil 1). Als Beispiel für die divergierenden Aussagen — und damit für die fehlende Vergleichbarkeit — sei auf das Ergebnis bei Reanimationen verwiesen: Hier werden Kriterien wie „Rate der Krankenhausentlassungen", „Wiedererlangen der Arbeitsfähigkeit", aber auch Beurteilungen neurologischer Defizite zugrundegelegt.

Einsatz-, Übergabe- oder Verlaufsprotokoll? Das Hauptproblem bei den verschiedenen Bemühungen zur Könzeption eines bundeseinheitlichen Protokolls ist das Fehlen einer klaren Zielvorstellung. Schwierigkeiten in der Gestaltung ergeben sich auch aus der Hauptaufgabenstellung eines derartigen Einsatzprotokolls, wobei 3 Möglichkeiten bestehen und teilweise miteinander konkurrieren: 1. Einsatzdokumentation, 2. Übergabeprotokoll, 3. Verlaufsbericht. Alle diese Aufgaben in einer Dokumentation zu vereinen, würde nicht nur den Zeitaufwand für den Notarzt immens steigern, sondern auch die Praktikabilität erheblich einschränken. Aus diesem Grunde ist eine genaue Definition eines bundeseinheitlichen Notarztprotokolls unerläßlich. Die Entscheidung bezüglich der Gestaltung des Dokumentationsbogens und die Auswahl der Informationen, die erfaßt werden müssen, hängt in erster Linie von dieser Zielbestimmung des Dokumentationsvorhabens ab [1]. Einen reinen Übergabebogen, der dem übernehmenden Klinikarzt die erhobenen Daten vermittelt, akzeptieren viele Klinikärzte als Informationsquelle kaum (Tab. 1). Vieles deutet darauf hin, daß der Tab. 1. Notarztprotokoll als Übergabebogen Typ Übergabeprotokoll

Vorteil

Nachteil

Kurze und übersichtliche

Geringe Akzeptanz;

Befunddokumentation;

unzureichende Verlaufsdarstellung.

Rückmeldung an Notarzt bei Beendigung der Behandlung.

248

P. Sefrin, D. Blumenberg

mündlichen Information bei der Patientenübergabe ein größerer Stellenwert beigemessen wird. Durch die Festlegung der Befunde des einweisenden Notarztes und die verbindliche Aufnahme in die Klinikunterlagen könnte bei Abschluß der stationären Behandlung Basis für eine obligatorische Unterrichtung des Notarztes mit einem Schlußbericht werden; ein Manko, das in der Vergangenheit vielfach beklagt wurde. Hintergrund dieses berechtigten Wunsches des Notarztes ist nicht so sehr die Neugier als vielmehr die Rückkopplung der Befunderhebung und des Gesamttherapieverlaufes. Verlaufsberichte dienen der Dokumentation der verschiedenen vitalen Parameter bei länger dauernden Einsätzen, was für die Prognose eines Patienten von ausschlaggebender Bedeutung sein kann (Tab. 2). Allerdings sollten wegen der AufTab. 2. Notarztprotokoll als Verlaufsbericht Typ

Vorteil

Nachteil

Verlaufsbericht

gute Darstellung des Verlaufs als Basis für definitive Diagnose und Prognose

hoher Zeitaufwand, Schwierigkeiten beim Ausfüllen

wendigkeit der Dokumentation diese Berichte von den üblichen Protokollen abgegrenzt werden. In den Bereich der Verlaufsberichte gehören auch Spezialblätter für Patienten mit bestimmten Schädigungen wie z. B. Schädelhirntrauma und Verbrennung. Für die exakte Protokollführung wird nicht nur Zeit, sondern auch die technische Möglichkeit dazu vonnöten sein. Dies während der Fahrt im NAW anfertigen zu wollen, ist fast unmöglich und wird die Reproduzierbarkeit der Parameter in Frage stellen. Andererseits erlaubt eine exakte Verlaufsdokumentation auch zu einer besseren definitiven Diagnose und Prognose bezüglich des Gesamtkrankheitsverlaufes zu kommen. Eine reine Einsatzdokumentation wird sich dagegen auf einfache Daten beschränken, ohne dabei wissenschaftliche Gesichtspunkte einer nachträglichen Auswertung berücksichtigen zu können (Tab. 3). Durch ein Notarzteinsatzprotokoll, das alle genannten Vorteile der 3 verschiedenen Typen auf sich vereinen könnte, bestünde die Möglichkeit nicht nur epidemiologische Daten für den gesamten medizinischen Bereich des RetTab. 3. Notarztprotokoll als Einsatzdokumentation Typ

Vorteil

Nachteil

Einsatzdokumentation

Beschränkung auf wesentliche Daten (vitale Parameter, Rettungsablauf), ausreichend für die juristisch geforderte Dokumentation (§11 Berufsordnung)

keine ausreichende Verlaufsbeobachtung, keine retrospektive wissenschaftliche Auswertung, keine ausreichende Übergabeinformation

Das bundeseinheitliche Notarztprotokoll

tungsdienstes zu evaluieren, sondern auch retrospektive Aufschlüsse Schwachpunkte der notärztlichen Versorgung aufzuzeigen (Tab. 4).

249

über

Tab. 4. Notarztprotokoll als Übergabe-, Einsatz- und Verlaufsbericht Typ

Vorteil

Nachteil

Übergabeprotokoll

kurze und übersichtliche Befunddoku-

geringe Akzeptanz,

mentation,

unzureichende Verlaufsdarstellung

Rückmeldung an N o t a r z t bei Beendigung der Behandlung Einsatzdokumenta-

Beschränkung auf wesentliche Daten so-

keine

tion

wohl der vitalen Parameter wie des Ret-

achtung

ausreichende

tungsablaufes

keine

ausreichend für die juristisch geforderte

che Auswertung

retrospektive

Dokumentation ( § 1 1 Berufsordnung)

keine ausreichende

VerlaufsbeobwissenschaftliÜbergabeinfor-

mation Verlaufsbericht

gute Darstellung des Verlaufs als Basis

hoher Zeitaufwand,

für definitive Diagnose und Prognose

Schwierigkeiten beim Ausfüllen

Trotz dieses unbestrittenen Vorteils für die gesamte präklinische, notärztliche Therapie ist die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns inzwischen für ihren Bereich einen anderen Weg gegangen. Seit dem 0 1 . 0 4 . 1 9 8 7 wurde für ganz Bayern — vorerst auf Probe — eine Einsatzdokumentation eingeführt, die es dem Notarzt erlaubt, den gesetzlichen Auflagen gerecht zu werden. Die in § 11 der Ärztlichen Berufsordnung geforderten Aufzeichnungen über die in der Ausübung seines Berufes gemachten Feststellungen und getroffenen Maßnahmen sind hierbei ausreichend berücksichtigt. Aus diesem Grunde dient das bayerische Notarztprotokoll in erster Linie als reine Einsatzdokumentation für den behandelnden Arzt und erst in zweiter Linie als Übergabeprotokoll für den weiterbehandelnden Arzt. Der Schwerpunkt der Dokumentation liegt daher auf den am Notfallort erhobenen medizinischen Feststellungen, auf der Art und dem Umfang der Schädigung, auf dem vom Arzt oder dem Rettungspersonal am Notfallort getroffenen Maßnahmen, den Anordnungen des Arztes bezüglich des Transportes und den während des Transportes durchgeführten Maßnahmen. Damit ist allen Anforderungen, die aus der Rechtssprechung resultieren, Genüge getan. Grundgedanke auch des bundeseinheitlichen Notarztprotokolls — sowohl von Seiten des Notarztes wie auch des übernehmenden Arztes — sind Übersichtlichkeit und Aussagekraft. Bei der Anwendung durch den Notarzt bleibt zu beachten, daß keine zeitaufwendigen Schreibarbeiten möglich sind, da einmal der Einsatzablauf unter einem stetigen Zeitdruck steht und andererseits bei der Abgabe des Patienten das Protokoll bereits fertiggestellt sein sollte. Inzwischen hat sich deshalb in vielen Modellversuchen die Ankreuzmethode für wesentliche Befund-

250

P. Sefrin, D . Blumenberg

vorgaben bewährt. Der schnellen Übersichtlichkeit halber sollte das Notarztprotokoll auf eine Seite beschränkt bleiben und im Durchschreibeverfahren angelegt sein. N u r so ist der Zielkonflikt: mit möglichst geringem Zeitaufwand, möglichst viele Informationen zu erstellen, zu lösen.

Bedeutung des einheitlichen Protokolls Eine einheitliche Einführung eines bundesweiten Notarztprotokolls könnte die einmalige Gelegenheit bieten, nicht nur wissenschaftlich fundierte Daten zu gewinnen, sondern auch den Beweis für die Effektivität der präklinischen ärztlichen Versorgung zu erbringen (Abb. 3). Ein Grund für die eingeschränkte Aussagekraft 1. definitive Reanimationen, 2. Minderung der Letalität, 3. Dauer der Wiederherstellung und des Heilungsverlaufs, 4. Einfluß auf klinische Komplikationen, 5. Aufwand-Nutzen-Verhältnis, 6. Bedarfsplanung und -kontrolle, 7. Auswirkung bestimmter Therapiekonzepte (z. B. Einsatz von Medikamenten)

Abb. 3. Fragestellungen für die Auswertung einer präklinischen Dokumentation

der bisherigen Darstellungen über die präklinische Versorgung liegt in der Tatsache, daß die Notfallrettung isoliert von den übrigen Bereichen des Gesundheitswesens gesehen wird. Es wäre unbedingt erforderlich, die präklinische Dokumentation bis zur Beendigung, dem Abbruch der Therapie oder bis zu einer definitiven Wiederherstellung des Notfallpatienten fortzuführen. Somit könnten offenstehende Fragen grundsätzlicher Natur geklärt werden, die momentan nur mit groben Schätzungen beantwortet werden. Ein derartiges Ansinnen muß aber an den differenten Zuständigkeiten und den individuellen Aktivitäten sowie an den Finanzierungsmöglichkeiten zwangsläufig scheitern. Es würde voraussetzen, daß sich eine bundeseinheitliche Stelle der gewonnenen Daten annimmt und unter medizinischer Anleitung eine entsprechende Auswertung vornimmt. Davon sind wir jedoch nach wie vor noch weit entfernt, so daß die Forderung nach einer Dokumentation ins Leere stoßen muß. Eine weitere Voraussetzung ist derzeit in weiter Ferne: die verbindliche Verpflichtung für den Notarzt, ein derartiges Protokoll anzufertigen. Im stationären Bereich besteht für die Erstellung einer Leistungsstatistik über das Krankenhausfinanzierungsgesetz und die Bundespflegesatzverordnung eine juristisch verankerte Verpflichtung, die dann in ähnlicher Weise auf den präklinischen Bereich übertragen werden müßte.

D a s bundeseinheitliche N o t a r z t p r o t o k o l l RTWC1 NAWO KTWn RTHG NEF •

NOTARZT —

EINSATZBERICHT

NOTFALLKATEGORIE

Dalum: Noter*:

Lfd. Nr.:

(Nam«)

Notfallon

(Wohnung dés Patienten)



Akute Erkrankung



Verkehrsunfall



ArbeitS'/Wegeunfall



Suicid/Krimin. Delikt



Gyn Notfall



Sekundärtransport



Sonstiges

Transportziel: .

Zustand des Patienten am Notfallort bzw. bei Übernahme: Atmung:

Herz/Kreislauf

unauffällig



Dyspnoe



Tachypnoe





unauffällig RR:

Neurologie Glasgow Coma Scale

Reflexe

öffnet Augen:

unauffällig

spontan

Pulsdefizit/mm

141

Verletzungen •



pathologisch •



Schädigungen

keine



keine

Kopf



ZNS-Prozess



ZNS



Psyche



Herz





auf Aufforderung 131

Apnoe • Atemwegsverlegung •

Tachykardie

/min •

auf Schmerzreiz 121

HWS



Bradykardie

/min •

P'Cht

Arme

li.Dre.D

Aspiration Stridor insp. • exsp. • Spastik

Asystolie Kammerflimmern



orientiert. p r o m p t S U L

Pneumothorax

li.Dre.D

Ersticken



Arrhythmie



inadäquat

¡31

Haemithorax

ii.DreO

Stoffwechsel

Zyanose



Extrasystolen



unverständlich

121

Abdomen

atyp. Ausk.-befund



Stenokardie



Schock



keine iTI motorische Reaktion

eng

art. Hypertension





• •

Spontatmung AF . AZV



Pupillen:



BWS/LWS



Lunge/Bronchien



Infektion

O





Becken

li.OreD li.Dre

gezielt auf Aufford. 161

mittelweit





Beine

Blutung

gezielt auf Schmerz 1$!. .

weit





Gefäße

Schrittmacher

ungezielt auf Schm. Í3E"..

entrundet





periph Nerven

Beugemechanismen 131

Lichtreakt. neg •



Weichteile

Streckmechanismen 121

Blickwend.nachD



Knochen



keine

stumpfes Trauma



Punktzahl:

offenes Trauma



ml. AMV „

Kreislauf

instabiler Thorax l i D r e D



• •

Vergiftung



Ertrinken



Strom





Hitze/Kalte





Säure/Lauge





Erstdiagnose(n) (auch Verdachtsdiagnosen):

Maßnahmen (Zeit

)

Atmung:

Herz/Kreislauf:

keine Maßnahmen •

EKG-Monitoring

Freihalten der Atemwege



Herzdruckmassage

Intubation: Ch Beatmung

oral

assistiert •

Sauerstoffgabe Thoraxdrainage Ch



nasal •

Defibrillation

ma Herzschrittmacher

kontrolliert • l/min Ii. •

sonstige Maßnahmen:

• • •

keine Maßnahmen

Freimachen der Atemwege/Absaugen

keine Glukotest (BZ)

mg %

Medikament(e)

via Tubus

. J(Wsec)



oral •

intern



Infusionen(en) peripher

.



zentral:

Verband



Schienung



iv. • •

• re D



• obere Extr.D untere Extr.D

Blutstillung

Zeit

RR

Puls

Medikament

Dosis (mg)

Zustand des Patienten vor Transport: Zustand des Patienten nach Transport

• •

Ergebnis:



Magenspülung



• •

gebessert gebessert •



Einsatz während der Anfahrt abgebrochen



Fehlemsatz/keine Maßnahmen



Untersuchung und Beratung



Todesfeststellung ohne Reanimation



Reanimation



Übergabe an andere Rettungsmittel



Sonstiges

erfolglos •

erfolgreich

Chirurg. Noteingriff

Zusätzliche Maßnahmen

unverändert unverändert

• •



Magensonde Blasenverweilkath Sedierung Analgesierung



Magenspülung Speziallagerung/Gesamtimmob.

verschlechtert verschlechtert

Patient lehnt nach eingehender Aufklärung c Behandlung ab

• Unterschrift Notarzt

1. Ausfertigung — Krankenhaus/weiterbehandelnder Arzt

Abb. 4. Einheitliches N o t a r z t p r o t o k o l l der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns

• •



252

P. Sefrin, D. Blumenberg

Gemessen an dem Interesse für die methodische Seite der Erhebung der Daten auf dem Gebiet der notärztlichen Tätigkeit [1], besitzen momentan die Fragen nach der Verwendung der Daten und die Umsetzung der Datenauswertung eine nach- oder untergeordnete Bedeutung. Es kann nicht Sinn einer derartigen Forderung sein, einen neuen Datenfriedhof zu schaffen, ohne die entsprechenden Auswertemöglichkeiten zu schaffen oder zu besitzen. Hierfür gibt es bereits ein Beispiel bei der einheitlichen Dokumentation der Daten der Luftrettung, die sich vorrangig auf eine Darstellung der Aktivitäten beschränkt, ohne auf die Auswirkungen wissenschaftlich fundiert einzugehen. Zu den Vorbereitungen eines bundeseinheitlichen Notarztprotokolls gehört vor der Diskussion um die Gestaltung eines Erhebungsbogens die grundsätzliche Klärung der Datensammlung, der Datenorganisation und -kontrolle. Von diesen Schritten sind wir noch weit entfernt und diskutieren vielfach über Teilbereiche, die sekundärer Natur sind. Andererseits darf die Trägheit eines Großteiles der Ärzteschaft nicht unterschätzt werden. Einen finanziellen Anreiz durch die Einführung einer Abrechnungsziffer kann ebenfalls nicht bundesweit umgesetzt werden, da bei vielen Notarztdiensten eine pauschale Vergütung erfolgt. Solange keine Möglichkeit besteht, einen verbindlichen Druck auszuüben, werden Dokumentationen auf Bereiche und Personen beschränkt bleiben, die — unter welchem Aspekt auch immer — ein allgemeines oder persönliches Interesse an den Daten haben. Unter diesen Einschränkungen und bei den bisherigen Erfahrungen mit der Umsetzung von kosteninvasiven Innovationen erscheint zumindest der Schritt der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns als ein Anfang in die richtige Richtung (Abb. 4). Dem einzelnen Notarzt werden Daten vorgegeben, die er zum eigenen Schutz benötigt, um seiner beruflichen Pflicht Genüge zu tun. Daß dieser eine Schritt noch nicht zum angestrebten Endziel führen kann, ist jedem Insider verständlich. Immerhin ist aber ein Schritt über den regionalen Standort hinaus gewagt worden und die anfallenden Kosten werden übernommen. Es liegt nun an uns Ärzten, dieses Angebot für unsere Zwecke zu nutzen und über weitere Umsetzungsmöglichkeiten nachzudenken.

Addendum Die Anregung, ein bundeseinheitliches Notarztprotokoll zu schaffen, wurde inzwischen von der Sektion „Rettungswesen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensivmedizin (DIVI)" und der „Deutschen Gesellschaft für Anaesthesiologie und Intensivmedizin (DGAI)" aufgegriffen und ein Entwurf für ein solches Protokoll erstellt. Dieser Entwurf wurde von der DIVI genehmigt und dient als Muster und Basis für regionale Dokumentationen.

D a s bundeseinheitliche N o t a r z t p r o t o k o l l Datum: I I I I I I I N O T A R Z T E I N S A T Z - P R O T O K O L L Name des Patienten

HERZ/KREISLAUF

geb. am

-

Sinusrhythmus absolute Arrhythmie - Pulsdefizit - SVES - monotope VES polytope VES - Salven - Supraventrikuläre Tachycardie - Kammertachycardie Kammerflimmern - Kammertlattern - Asystolie Elektromech Dissoziation Schrittmacheraktion

Wohnort des Patienten

RETTUNGSTECHNISCHE DATEN Alarmierungszeit:I

I I i

iStandortkrankenhaus:

Einsatzort:

Rettungsmittelbezeichnung:.

Ankunft am Einsatzort:

Notarzt: Rettungssanitäter: _

ATMUNG

O O O 0 o o o o o o o o

M M

ERSTDIAGNOSE

NEUROLOG. BEFUND Uhrzeit:

Uhrzeit:

keine

O

ZNS Bewußtseinslage orientiert getrübt bewußtlos

• • •

• • •

-

• •

-

6

3

Arm Bein

Meningismus

ja: X

nein:

-

2 1

Othostase Herzinfarkt Angina Pectoris (akuter) Brustschmerz Aorten-Aneurysma Rhythmusstörungen (bedrohlich Linksherz-Insuffizienz Hypertensive Krise Lungenembolie art. Embolie venöse Thrombose

O O O O O O O O O O O

O O O O

INTOXIKATION -

Medikamente Alkohol Drogen Gas Andere

O O O

O O

STOFFWECHSEL -

Blutzuckerentgleisung Endokrine Krise Nierenversagen Leberversagen

O O O O

PÄDIATRISCHE ERKR. -

Fieberkrampf Pseudokrupp Epiglottitis Toxikose Andere

O O O O O

GYN. ERKR./ GEBURTSHILFE -

Geburt Abort Eklampsie vaginale Blutung Andere

O O O O O

SONSTIGES

Akutes Abdomen Kolik Gastrointestinale Blutung

O O O

-

Anaphylaxie Ertrinken Stromunfall Hitzeschlag/Insolation Unterkühlung Andere

O O O O O O

VERLETZUNGEN

R L

• • • •

^

O O O O

ABDOMEN

Extremitätenbewegung (Kraftgrad) normal 3 leicht vermindert 2 Arm stark vermindert 1 Bein

Lichtreaktion ja: X "ein: 0 "

TIA/cerebraler Insult Krampfleiden Psych. Erkrankung Andere

ATMUNG - Asthma - Aspiration - Pleuraerguß - Pneumonie - Pneumothorax

5 4

-

HERZ/KREISLAUF

• •

4 3 2 1

konversationsfähig, orientiert konversationsfähig, desorientiert inadäquate Äußerung (Wortsalat) unverständliche Laute keine

Pupillenfunktion eng mittel weit entrundet

Atemfrequenz

Glucoseschnelltest

I M I

auf Aufforderung auf Schmerzreiz gezielt normale Beugeabwehr Beugesynergismen Strecksynergismen keine

O o o o 0 0 o o o o 0

I M I

Herzfrequenz

Beste motorische Reaktion

- unauffällig (spontan/frei) - flache Atmung - Hyperventilation - Dyspnoe - Apnoe - Atemwegsverlegung - Stridor - Spastik - Rasseln Zyanose - beatmeter Patient

o o

syst./diast.

I M I

NOTFALLGESCHEHEN

Beste verbale Reaktion

M I M

MESSWERTE Blutdruck

Glasgow-Koma-Skala Augenöffnen spontan auf Aufforderung auf Schmerzreiz kein

i

• • • •

R L

• • • •

• • • •

O o o o 0 0 o 0

Keine SHT Gesichts-Schädel Augen Hals HWS-Verletzung BWS-Verletzung LWS-Verletzung

re

• •

• •









Thoraxtrauma, offen Thoraxtrauma, geschlossen Spannungspneumothorax

Ii.

o o o o 0 0

Stumpfes Bauchtrauma o penetrierendes Bauchtrauma O urogenitale Verletzung O - Polytrauma O - Verbrennung/ Verbrühung (2. und 3. Grades) bis 15% (2. und 3. Grades) bis 40% (2. und 3. Grades) mehr - Verätzung Haut - Verätzung Schleimhaut - Erfrierung Besonderheit

254

P. Sefrin, D. Blumenberg Kontuoffene geschl. Gefäß- Nerven- Ampusion/ Fraktur Fraktur verletz, verletz- tation Prellung re.

Ii.

re.

Ii.

re.

Ii.

Schulter

Schrittmacher

O

Art Peripherer ven. Zugang

O

Anzahl/Ort Zentraler ven. Zugang

O

Anzahl/Ort

O.A.

WEITERE MASSNAHMEN

U.A.

-

Hand Becken O. S.

-

Knie U.S.

Keine Blutstillung Reposition Besondere Lagerung Art Verband Magensonde Magenspülung Blasenkatheter

O O O

o o o o o

MEDIKAMENTE

Fuß

MEDIKAMENTE

PÄPARAT-GRUPPE

DIAGNOSE

Keine

VERLAUF

Bronchodilatantien

1

Kortikostereoide

2

Antiarhythmika

3

Katecholamine

4

Vasodilatantien

5

Antihypertensiva

6

Diuretika

7

Glucose

8

Analgetica

9

Sedativa

10

Narkotika

11

Relaxantien

12

Antidota

13

Sonstige

14

Pufferlösung

15

Kristalloide Lösungen Kollodialer Volumenersatz 15 V

RR-Syst.

A

RR-Diast.

30

45

15

30

| Intubation

45 #

#

ERGEBNIS

15

-

Pu(s

Defibrillation

Bemerkungen zum Verlauf

Einsatz abgebrochen Fehleinsatz Nur Untersuchung Reanimation erfolgreich Reanimation erfolglos Todesfeststellung

Tod festgestellt um:

MASSNAHMEN ATMUNG

-

Keine Sauerstoffgabe Freimachen - Freihalten der Atemwege Intubation oral Intubation nasal

O O O O O

-

Tubusgröße Beatmung manuell Beatmung maschinell

O O

_„

AMV

AF

Fl(02)

PEEP

I N I

LJJ

I N I

L_LJ

-

Beatmungsgerät Koniotomie Thoraxdrainage/Punktion

O O

-

Keine EKG Herzmassage

O O O

-

Defibrillation

O

Zahl (max) Joule

-

NACA

I

I

I

I

I

l

o o o o

NACA-Klartext 1 2 3 4

geringfügige Störung ambulante Abklärung/Behandlung stationäre Behandlung notwendig akute Lebensgefahr nicht auszuschließen 5 = akute Lebensgefahr 6 = Reanimation 7 = Tod

= = = =

Transportziel: Ankunft:

HERZ/KREISLAUF

l

- Kein Transport - Patient lehnt Transport ab - Übergabe an andere Rettungsmittel - Art: _ Zustand bei Übergabe verbessert gleich verschlechtert - Tod auf dem Transport

|

J_l

[_

Einsatzende: | Gefahrene km

Unterschrift

|

[

Das bundeseinheitliche Notarztprotokoll

255

Es ist darüber hinaus geplant, in einer Studie, die in diesem Protokoll erhobenen Daten per EDV auszuwerten, um damit einen entsprechenden Überblick über die notärztliche Tätigkeit zu erhalten. Vorläufer des bundeseinheitlichen Notarztprotokolls der DIVI war das Notarztprotokoll der Arbeitsgemeinschaft der Norddeutschen Notärzte (AGNN), das an der Universität Lübeck zwischenzeitlich per EDV erfaßt und ausgewertet wurde.

Literatur [1] Garms-Homolovä, V., U. Hütter: Konzeptionelle und technische Aspekte der Evaluation im Notarztdienst. Notarzt 3 (1987) 42 [2] Hirsch, G.: Rechtliche Aspekte der Behandlung und Dokumentation in der Prähospitalphase. Notarzt 2 (1986) 46 [3] Riediger, G.: Bundeseinheitliche Dokumentation — notwendig oder entbehrlich? In: Praktische Notfallmedizin 1 (Hrsg. G. H. Engelhardt), S. 43. Walter de Gruyter B e r l i n - N e w York 1983 [4] Sefrin, P., D. Blumenberg: Notarzteinsatzprotokoll. Notfallmedizin 7 (1981) 244 [5] B G H : N J W 1978, 2337; B G H MedR 1983, 62 [6] 4. Rettungskongress des D R K . DRK-Schriftenreihe Nr. 55, 1979

Ist eine Änderung der DIN 75 080-Teil 2/RTW erforderlich? Tb. Uhr In freiwilliger Übereinkunft zwischen Erzeugern, Händlern, Betreibern und Anwendern sind in der „Deutschen Industrie Norm" (DIN) Grundlagen erarbeitet worden, die Definitionen, Werkstoffbezeichnungen, Qualitäten, Abmessungen u. a. mehr festlegen. In dieser Art ist auch die DIN 75 080, Teil 2/RTW festgeschrieben. Die zur Zeit gültige Fassung stammt aus dem Jahre 1982. Alle 5 Jahre werden diese Normblätter überarbeitet; technischer Fortschritt und die Entwicklung der Notfallmedizin ändern die Mindestanforderungen, die in der DIN festgelegt sind. Diese Mindestanforderungen verstehen sich als ein Kompromiß aus technischen, wirtschaftlichen und medizinischen Daten, die sich letztendlich an den Bedürfnissen einer optimalen Versorgung von Notfallpatienten auszurichten haben. Der hierfür zuständige Normenausschuß Rettungsdienst und Krankenhaus bearbeitet zur Zeit die fälligen Änderungen. Eine Änderung der DIN hat den Charakter eines Normentwurfes und durchläuft den in Abbildung 1 festgelegten Weg bis zum Erreichen der Gültigkeit. — etwa 4 Monate vom Einreichen bis zum Druck der Änderung als Vorlage — nur die Änderung bzw. Ergänzung wird der Öffentlichkeit zur Stellungnahme vorgelegt 4monatige Einspruchsfrist, dann Einspruchsberatung 4 Monate vom Einreichen bis zum Druck als Norm

Abb. 1. Zeitspanne für die Veröffentlichung einer Änderung der Norm (Norm-Entwurf)

Welche Änderungen fordern der aktuelle Wissensstand der Notfallmedizin und die technische Fortentwicklung bei der jetzt zeitlich anstehenden Neubearbeitung der DIN für Rettungswagen? 1. Krankentrage und Zubehör: Hier ist eine fahrbare Krankentrage mit Festschreibung nach DIN in Vorbereitung. 2. Beatmung: Der elastische, kurze Mundtubus für die Mund-zu-Mund-Beatmung ist aus der DIN herausgenommen. Dafür sind RTW zukünftig mit Nasopharyngealtuben nach Wendel bestückt. Die Absaugkatheter sind keimfrei verpackt vorzuhalten in vorgeschriebenen Größen und Mengen. Es werden zukünftig auch drei Größen von Laryngoskopspatel vorgeschrieben sein, ebenso eine MagillZange.

258

T h . Uhr

3. Kreislauf: U. a. sind jetzt die Größen und Anzahl der mitzuführenden Venenverweilkanülen vorgeschrieben. 4. Ärztliches Gerät: Hier wird nach DIN 13 232 ein genormter Notfallarztkoffer und ein nach DIN 13 233 genormter Notfallarztkoffer für Säuglinge und Kleinkinder in jedem R T W mitgeführt. Man darf hoffen, daß beide DIN-Entwürfe bald die Zustimmung aller Beteiligten erhalten. Da es keine DIN für Notarztwagen gibt, empfiehlt die DIN 75 080/RTW in ihrem Ausstattungskatalog folgende Geräte, wenn der R T W vorwiegend mit einem Notarzt besetzt ist: Peep-Ventil, motorbetriebene Spritzenpumpe, EKG-Sichtgerät, Defibrillator. 5. Pflegegerät: Bei der Rubrik Pflegegerät wird zwar eine höhere Anzahl von Einweghandschuhen festgelegt; nach dem jetzigen Wissensstand der HIV-Epidemiologie-Forschung sollte die Vorhaltung jedoch noch höher angesetzt werden. Die Präzisierung „nahtlos" (z. B. Polyvinyl) soll verhindern, daß die zur Zeit häufig anzutreffenden geschweißten, dünnen Handschuhe mitgeführt werden: Diese sind nicht ausreichend reißfest und verlieren so recht schnell ihre Schutzfunktion vor Infektionen. Möglicherweise wäre der Normänderungsentwurf durch die Zustimmung aller Beteiligten bereits veröffentlicht und damit gültig. Aber buchstäblich in letzter Minute erkannten (aufmerksame) Mitglieder des Normenausschusses die Tragweite einer zweizeiligen „Darf-Bestimmung" in der Rubrik Krankenraum des zweiten Entwurfes (s. Abb. 2). Einige Abschnitte weiter war dann zu entdecken (Abb. 3): die lichte Höhe der seitlichen Einstiegstüre muß jetzt nur noch eine „lichte Höhe von mindestens 1450 mm" (statt bisher 1500 mm) haben.

5 . 3 . 1 . 1 ... „In den Krankenraum, bestimmt durch die M a ß e nach Bild 2 u. 3 sowie nach den M a ß e n der Tab. 2, dürfen keine Teile hineinragen, die das Personal gefährden oder es in seiner Arbeitsmöglichkeit behindern. : Festhaltevorrichtungen nach Abschnitt 5 . 4 . 5 . und die obere : Führung einer seitlichen Schiebetür dürfen m a x i m a l 5 0 m m : in den Freiraum nach Bild 2 hineinragen."

Abb. 2. N o r m - V o r l a g e 0 1 . 8 7 D I N 7 5 0 8 0 / T e i l 2

5 . 3 . 3 „Die seitliche Einstiegsöffnung auf der rechten Fahrzeugseite ( . . . ) muß eine lichte Breite von mindestens 6 6 0 m m und eine lichte H ö h e von mindestens 1450 m m haben; . . . " (bisher 1500 mm)

Abb. 3. Norm-Vorlage 0 1 . 8 7 D I N 7 5 0 8 0 / T e i l 2

Änderung der DIN 7 5 0 8 0 -

Teil 2 / R T W ?

259

Hier ist nun zu fragen: Welche Gründe des technischen Fortschrittes, der Entwicklung der Notfallmedizin oder Wirtschaftlichkeit mit dem Ziele der optimalen Versorgung von Notfallpatienten hat diese Änderung im Freiraum der Innenmaße bewirkt? Leider konnte ich keine an der Maxime „optimale Patientenversorgung" orientierte Erklärung finden: 1. Die reduzierte Innenhöhe des Mercedes-Benz-Types 310 (hier scheint der Interessenskonflikt seinen Ursprung zu haben) von 178 cm gestattet es vielen Mitarbeitern des Rettungsdienstes nicht, ohne ständig gebeugten Kopf zu arbeiten. Die 95%-Perzentile der Männer liegt bei 184 cm. Der nicht mehr auslieferbare R T W (MB-Typ 410) hatte als Innenhöhe 189 cm. 2. Zu dieser reduzierten Innenhöhe soll nun die Haltestange und eine (bei dem MB-Typ 310) erforderliche) Führung einer seitlichen Schiebetüre „maximal 50 mm" in den Innenfreiraum hereinragen dürfen. 3. Der durch die DIN beschriebene ergonomische Freiraum würde bei diesem Fahrzeug sodann weiterhin unterlaufen, wenn ein anderes Gerät der elektrokardialen Versorgung als der „Life-pack" benutzt würde: alle anderen Geräte ragen bei zweckmäßiger Montage an der Seitenwand über das zulässige Maß in den Arbeitsraum hinein. 4. Bei zusätzlicher Belegung der Ersatztrage wird alsdann die Benutzung des Betreuersitzes an der linken Seitenwand unmöglich gemacht. 5. Die reduzierte Einstieghöhe kann bereits bei Personen mit einer Größe von 1,75 m problematisch werden. Diese also mit 50 mm auf den ersten Blick vermeintlich geringfügige Abweichung der absoluten und der ergonomischen Freiraummaße im Innenraum sind in der Praxis viel erheblicher. Nach dem zur Zeit vorliegenden Änderungsentwurf soll es also zulässig werden, das Höhenmaß insgesamt um 10 cm zu reduzieren. Sachliche Gründe einer patientenorientierten Versorgung kann ich hier nicht erkennen. Durch meine Mitarbeit im Rahmen des SAVE-Projektes sind mir die durchgeführten Untersuchungen über ergonomische Freiraummaße erinnerlich. Wir erkannten damals, daß die in der heute gültigen DIN-RTW angegebenen Mindestmaße eher als zu gering anzusetzen sind. Auch die Innenmaße des Ihnen allen bekannten Mercedes-Benz-Types der 400-Reihe liegt über diesen DINMaßen. Umso mehr erstaunen mich die Änderungsaktivitäten innerhalb des DINAusschusses, die diesen damaligen Erkenntnissen vollständig entgegenlaufen. Zum besseren Verständnis (oder Mißverständnis) hierfür diente mir zumindest die Information, daß eine Rettungsdienstorganisation bereits über 1000 Fahrzeuge

260

Th. Uhr

dieses Mercedes-Benz-Types der 300-Reihe gekauft hat, also Fahrzeuge beschafft hat, die nicht der gültigen DIN entsprechen. Hier scheinen also Interessen eines Herstellers und eines Betreibers in einer Frontlinie zusammenzulaufen; wir Notärzte und auch die Rettungssanitäter sind sicherlich zur vermehrten Wachsamkeit aufgerufen.

Das DRF-Ambulanzhubschraubersystem — Erfahrungen und Ergebnisse A. F. Köhler Die DRF ist seit 15 Jahren im regionalen und überregionalen Luftrettungsdienst tätig. An fünf Luftrettungszentren betreiben wir im staatlichen Auftrag den regional tätigen Rettungshubschrauber. Mit unseren Reservehubschraubern haben wir in den vergangenen Jahren schon immer planbare Verlegungsflüge übernommen, damit die Rettungshubschrauber für die Durchführung ihrer eigentlichen Aufgabe present sind. Aufgaben der

Rettungshubschrauber:

1. Schneller Transport von Notarzt und Rettungssanitäter an die Notfallstelle, um lebensrettende Sofortmaßnahmen unverzüglich durchzuführen sowie die Transportfähigkeit des Patienten herzustellen und aufrechtzuhalten. 2. Transport von Notfallpatienten in ein geeignetes Krankenhaus. 3. Unter Wahrung von 1. und 2. Durchführung von zeitlich dringenden Sekundärtransporten. Der Rettungshubschrauber sollte hierbei seinen Einsatzbereich nicht verlassen und nicht länger als 30 Minuten fest für die Einsatzdurchführung gebunden sein. Aus der Darstellung der Aufgaben des Rettungshubschraubers leitet sich nach unserer Ansicht die Aufgabe des Ambulanzhubschraubers und seine Notwendigkeit ab. Dieser hat die Aufgabe, planbare Sekundärtransporte durchzuführen und dadurch den Rettungshubschrauber für seine Aufgabe freizuhalten. Die Durchführung planbarer Sekundärtransporte ergibt sich aus der Tatsache, daß sich in den letzten Jahren eine Gerätemedizin entwickelt hat, die noch nicht am Ende ihrer Möglichkeiten ist. Die Einzelgeräte sind sehr teuer und daher nicht in größerer Stückzahl regional verfügbar. Bei diesen Geräten müssen aber auch die entsprechenden Spezialisten verfügbar sein, um die diagnostischen Möglichkeiten ausnutzen sowie erforderliche Therapien durchführen zu können. Die Maximalmedizin ist somit in Zentren zusammengezogen. Das heißt aber, der Patient muß zum Zentrum gebracht werden, das für eine spezielle Diagnostik und Therapie besonders geeignet ist. Hier sehen wir aus zeitlichen und medizinischen Gründen die Notwendigkeit für den Einsatz von Ambulanzhubschraubern. Auf unserer Ambulanzhubschrauberstation Hamburg haben wir im vergangenen Jahr 179 Einsätze statistisch im Detail ausgewertet. Die hier ermittelten Zahlen bestärken uns in der Fortführung unserer begonnenen Aufgabe.

262

A. F. Köhler

Planbare Sekundärtransporte nehmen hier im statistischen Mittel einen Zeitfaktor von 199,17 Minuten (3 Stunden, 19 Minuten) in Anspruch. Einsatzzeiten (Auszug): 60 bis 120 Minuten 120 bis 180 Minuten 180 bis 240 Minuten -

14,5% 35,8% 22,4%

Von besonderer Bedeutung sind hierbei für uns die Zeiten für die Übernahme und die Übergabe eines Patienten in der Klinik. Übernahmezeit eines Patienten: 10 bis 20 bis 30 bis über

20 30 40 40

Minuten Minuten Minuten Minuten

-

10,00% 25,00% 32,00% 30,00%

Der Minutenwert bei der Übernahme

eines Patienten beträgt 36,89

Minuten.

Übergabezeit eines Patienten: 10 bis 20 Minuten 20 bis 30 Minuten 30 bis 40 Minuten -

12,00% 29,00% 23,00%

Der Mittelwert bei der Übergabe beträgt 37,06 Minuten.

eines Patienten in der aufnehmenden Klinik

Die Übernahme der durch uns transportierten Patienten erfolgt zu 67% von einer intensivmedizinischen Abteilung. Die von uns transportierten Patienten kommen aus allen Fachgebieten: Traumatologie Innere Medizin Chirurgie Neurologie Kinderheilkunde

12,6% 31,9% 17,6% 21,4% 13,2%

Einsatzzahlen 1986: AHS-Station

Baden-Baden (12 Monate) Hannover (12 Monate) Hamburg (12 Monate) Bremen (11 Monate) Köln (10 Monate)

213 544 184 176 167

Einsätze Einsätze Einsätze Einsätze Einsätze

Das DRF-Ambulanzhubschraubersystem

Freiburg (5 Monate) Mannheim (6 Monate) Gesamt

263

85 Einsätze 74 Einsätze 1443 Einsätze

In den ersten vier Monaten dieses Jahres haben die D R F Ambulanzhubschrauber 502 Einsätze durchgeführt. Im gleichen Zeitraum 1986 waren es 265 Einsätze. Diese Einsatzzahlen sind nicht direkt vergleichbar, da 1986 noch nicht alle Stationen voll in Betrieb waren. Tab. 1. Einsatzzahlen von 3 norddeutschen Luftrettungszentren, in deren Bereich D R F Ambulanzhubschrauber tätig sind.

L R Z Hamburg: L R Z Hannover: L R Z Bremen:

1985

1986

RTH

1330 Einsätze

1629 Einsätze

AHS

90 Einsätze

184 Einsätze

RTH

1213 Einsätze

1703 Einsätze

AHS

295 Einsätze

544 Einsätze

RTH

787 Einsätze

953 Einsätze

AHS

-

+ 22,5% + 40,3% + 21,1%

176 Einsätze

Aufgrund der hier dargestellten Einsatzzahlen und der subjektiven Erfahrungen aus der täglichen Arbeit halten wir ein Nebeneinander dieser beiden Systeme für erforderlich und machbar. Eine Existenzgefährdung eines dieser Systeme ist nach unserer Auffassung nicht gegeben. Die Konzeption und die medizinische Ausrüstung eines Ambulanzhubschraubers unterscheidet sich von der eines Rettungshubschraubers. Ist der Rettungshubschrauber für die erste schnelle medizinische Hilfeleistung ausgerüstet, so werden im Ambulanzhubschrauber Intensivpatienten transportiert. Bei dieser Patientengruppe muß die Betreuung und Behandlung während des Transportes weitgehendst aufrechterhalten werden. Ein Anspruch, der einen hohen Qualitätsstandard bei dem begleitenden medizinischen Personal als auch bei der medizinischen Ausrüstung des Ambulanzhubschraubers verlangt. Ein therapiefreies Intervall bedeutet eine Minderung des bereits erzielten Behandlungserfolges und für die aufnehmende Klinik eine zusätzliche Zeitspanne von mehreren Tagen, um den Patienten wieder aufzubauen und mit der speziellen Therapie weitere Behandlungserfolge zu erzielen. Zeit in einer Klinik bedeutet Kosten bis zu mehreren 100 D M täglich plus Kosten für speziell notwendige Untersuchungen und Medikamente. Das Patientengut, das mit dem Ambulanzhubschrauber befördert wird, verlangt eine spezielle medizinische Ausrüstung. Selbstverständlich ist die Grundausrüstung

264

A. F. Köhler

gemäß DIN 13 230 Blatt 1 und 2 für Rettungshubschrauber verbindlich. Darüber hinaus müssen jedoch spezielle medizinische Geräte und Ausrüstungen vorhanden sein, um den hohen Anforderungen gerecht werden zu können. Als Zusatzausrüstung unbedingt erforderlich sind nach unserer Auffassung: — — — — — — — — —

zusätzlicher Sauerstoffvorrat, zusätzlicher Druckluftvorrat, oszillometrisches Blutdruckmeßgerät, 3 Injektomaten (Minimum) 1 Infusomat, EKG-Sichtgerät zur Dauerüberwachung, Defibrillator mit externem Herzschrittmacher, Intensivbeatmungsgerät, Verbrennungsset u. a.

Bei dieser Auflistung sind wir absichtlich nicht auf zusätzliche Medikamente und medizinische Ausrüstungsgegenstände eingegangen. Eine Diskussion über dieses Material sollte in dem dafür vorgesehenen DIN Ausschuß erfolgen. Da es im Bereich der planbaren Sekundärverlegungen verschiedene Anbieter gibt, halten wir es für dringend erforderlich, daß eine Standardisierung der Zusatzausrüstung eines Ambulanzhubschraubers vorgenommen wird. Der anfordernde Arzt aus einem Krankenhaus muß ohne Rückfragen bei dem jeweiligen Anbieter wissen, welche Geräte ihm im Ambulanzhubschrauber zur Verfügung stehen. Einen Hubschrauber mit einer Trage und einem Notfallkoffer halten wir für einen untragbaren Zustand.

Zusammenfassung Der Ambulanzhubschrauber hat die Aufgabe, planbare Sekundärtransporte durchzuführen und dadurch den Rettungshubschrauber für seine primären Aufgaben freizuhalten. Die Konzeption der medizinisch-technischen Ausstattung eines Ambulanzhubschraubers unterscheidet sich von der des Rettungshubschraubers. Bei Transporten mit Ambulanzhubschrauber müssen Patienten über einen längeren Zeitraum qualifiziert medizinisch versorgt werden können. Die zeitlichen und medizinischen Gründe für den Einsatz von Ambulanzhubschraubern ergeben sich daraus, daß spezielle medizinische Einrichtungen in Fachzentren angesiedelt sind. Eine qualifizierte Einsatzsteuerung der Ambulanzhubschrauber ist für deren Effizienz unbedingt notwendig.

Autorenverzeichnis Bahr, Dipl.-Sozialwirt J., Zentrum für Anaesthesiologie, Univ.-Klinik Göttingen, Robert-Koch-Str. 4, D-3400 Göttingen Biesing, Dr. Ch., SANA-Krankenhaus, Krankenhausstr. 42, D-5030 Hürth Blumenberg, Dr. D., Institut für Anaesthesiologie der Universität Würzburg, Josef-Schneider-Str. 2, D-8700 Würzburg Bock, Prof. Dr. W. J., Neurochirurgische Klinik der Universität, Moorenstr. 4, D-4000 Düsseldorf Braakman, Prof. Dr. R., Academisch Ziekenhuis Rotterdam, Dr. Molewaterplein 40, Neurochirurgie, NL-3015 GD Rotterdam Busse, Dr. C., Zentrum für Anaesthesiologie, Univ.-Klinik Göttingen, RobertKoch-Str. 4, D-3400 Göttingen Engelhardt, Prof. Dr. G. H., Klinikum Barmen, Heusnerstr. 40, D-5600 Wuppertal 2 Firsching, Priv.-Doz. Dr. R., Neurochirurgische Univ.-Klinik Köln, Joseph-Stelzmann-Str. 9, D-5000 Köln 41 Frowein, Prof. Dr. R. A., Neurochirurgische Univ.-Klinik, Joseph-StelzmannStr. 9, D-5000 Köln 41 Grosser, Prof. Dr. K.-D., Städt. Krankenanstalten Krefeld, Lutherplatz 40, D-4150 Krefeld Hahn, Dr. M., Med. Einrichtungen der Universität Düsseldorf, Institut für Biophysik, Moorenstr. 5, D-4000 Düsseldorf 1 Heiss, Prof. Dr. W.-D., Univ.-Nervenklinik Köln, Joseph-Stelzmann-Str. 9, D-5000 Köln 41 Herholz, Dr. K., Universitäts-Nervenklinik Köln, Joseph-Stelzmann-Str. 9, D-5000 Köln 41 Hierholzer, Prof. Dr. G., Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Duisburg-Buchholz, Großenbaumer Allee 250, D-4100 Duisburg 28 Hochrein, Prof. Dr. H., III. Med. Klinik - Kardiologie - Rudolf-VirchowKrankenhaus, Augustenburger Platz 1, D-1000 Berlin 65 Hock, Dr. L., Deutsches Herzzentrum, Augustenburger Platz 1, D-1000 Berlin 65 John, Prof. Dr. S., Institut für Sportwissenschaft, Sportmedizin Lankwitz der Freien Universität Berlin, Malteserstr. 7 4 - 1 0 0 , D-1000 Berlin 46 Jostkleigrewe, Dr. F., Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Duisburg-Buchholz, Großenbaumer Allee 250, D-4100 Duisburg 28 Karimi, Prof. Dr. A., Neurochirurgische Univ.-Klinik Köln, Joseph-StelzmannStr. 9, D-5000 Köln 41 Klaus, Prof. Dr. W., Pharmakologisches Institut der Universität zu Köln, Gleueler Str. 24, D-5000 Köln 41

266

Autorenverzeichnis

Köhler, Dr. A. F., Deutsche Rettungsflugwacht, Dieselstr. 1, D-7000 StuttgartBernhausen Lange-Braun, Dr. P., III. Med. Klinik — Kardiologie —, Rudolf-Virchow-Krankenhaus, Augustenburger Platz 1, D-1000 Berlin 65 Lausberg, Prof. Dr. G., Neurochirurgische Klinik der Universität, In der Schornau, D-4630 Bochum-Langendreer Lemburg, Prof. Dr. P., Univ.-Kinderklinik I, Abt. für Pädiatr. Intensivmedizin, Moorenstr. 5, D-4000 Düsseldorf 1 Martens, Dr. U., III. Med. Klinik — Kardiologie —, Rudolf-Virchow-Krankenhaus, Augustenburger Platz 1, D-1000 Berlin 65 Meuret, Dr. A., Klinikum der Albert-Ludwig-Universität, Institut für Anaesthesiologie, Hugstetter Str. 55, D-7800 Freiburg i. Br. Meuret, Prof. Dr. G. H., Klinikum der Albert-Ludwig-Universität, Institut für Anaesthesiologie, Hugstetter Str. 55, D-7800 Freiburg i. Br. Pape, Prof. Dr. Dr. H.-D., Abt. für zahnärztliche Chirurgie und Abt. für Mundund Kieferchirurgie der Universität zu Köln, Kerpener Str. 32, D-5000 Köln 41 Pichlmaier, Prof. Dr. Dr. H., Chirurgische Klinik und Poliklinik der Universität zu Köln, Joseph-Stelzmann-Str. 9, D-5000 Köln 41 Richard, Prof. Dr. K.-E., Neurochirurgische Univ.-Klinik Köln, Joseph-StelzmannStr. 9, D-5000 Köln 41 Schöber, Prof. Dr. J . G., Kinderkrankenhaus an der Lachnerstr. 38, D-8000 München 19 Schuster, Prof. Dr. H. P., Krankenhaus Hildesheim, Med. Hochschule Hannover, Weinberg 1, D-3200 Hildesheim Sefrin, Prof. Dr. P., Institut für Anaesthesiologie, Universität Würzburg, JosefSchneider-Str. 2, D-8700 Würzburg Stammler, Dr. U., Orthopädische Univ.-Klinik Köln, Joseph-Stelzmann-Str. 9, D-5000 Köln 41 Stratmann, Dr. D., Klinikum Minden, Abt. für Anaesthesiologie, Friedrichstraße, D-4950 Minden Strigl, Prof. Dr. R., Klinikum Rechts der Isar, Frauenklinik der T U , Ismaninger Str. 22, D-8000 München 80 Sturm, Priv.-Doz. Dr. J., Med. Hochschule Hannover, Unfallchirurgische Klinik, Karl-Wiechert-Allee 9, D-3000 Hannover 61 Uhr, Dr. Th., Ev. Jung-Stilling-Krankenhaus, Wichernstr. 40, D-5900 Siegen 1 Ungeheuer, Prof. Dr. E., Chirurgische Klinik, Krankenhaus Nordwest, Steinbacherhohl 2 - 2 6 , D-6000 Frankfurt 90 Zieren, H.-U., Chirurgische Klinik und Poliklinik der Universität zu Köln, D-5000 Köln 41

Sachverzeichnis Abdominaltrauma, Begleitverletzung, extraabdominale 50 - Behandlung, chirurgische 58 präklinische 55 - Definition 49 - Diagnostik, präklinische 52 in der Klinik 56 - Inzidenz, relative 51, 52 - kindliches, Besonderheiten 79 Diagnose 80 - Mortalität 58 - Organverletzungen, intraabdominale, H ä u figkeit 51, 52, 80 penetrierende 52, 79 - Symptominzidenz, relative 53 - Übersicht 56 - Ursache 49 Adrenalin, Reanimation, in der 198 akutes Abdomen, nicht traumatisches 53, 79, 121 akuter linker Oberbauch 124 akuter linker Unterbauch 127 akuter rechter Oberbauch 124 akuter rechter Unterbauch 126 Aortenaneurysma 127 Diagnostik, präklinische 122 gynäkologisches 177 - - Ileus 128 - traumatisches, s. Abdominaltrauma Ambulanzhubschrauber 261 Amputation, Behandlung 65 Analgetika, Hypnoanalgetika 180 - peripher wirkende 179 - Stufenschema 185 Angina pectoris, instabile 104 - Myokardinfarkt, akuter 106 - stabile 105 Antiarrhythmika 205 Antischockhosen 100 Asthmaanfall beim Kind 169 Atlasfraktur 70 Azetylsalizylsäure 179 Azidose 203 Beatmung, Herz-Kreislauf-Stillstand, bei 190 Bellocq-Tamponade 33 Blutung, Extremitätenverletzung, bei 62 - geburtshilfliche 175 - gynäkologische 177 - intrakranielle, s. H ä m a t o m , intrakranielles - Placenta praevia 175 - postpartale Uterusatonie 176

— Subarachnoidalblutung, s. dort — Tumorblutung 178 Buprenorphin 183 CT, Abdominaltrauma, bei 57 — Bewußtlosen, bei 24 — Hirnödem 19 — Hyperämie, zerebrale 19 — Kontusionsblutung 12 — Schlaganfall 139 — Subarachnoidalblutung 155, 161 Densfraktur 68 DIVI 1 — Sektion Rettungswesen 2 Dopamin, Reanimation, in der 201 Druck, intrakranieller — Behandlung Eklampsie 174 Elektrotherapie, Herz-Kreislauf-Stillstand, 207 Epilepsie 171 Extremitätenverletzung, Behandlung Erstversorgung 63 — Blutverlust 62 — Diagnostik 61

bei

Fentanyl 183 Fibrinolyse 117 — Komplikation 118 Fieberkrämpfe 171 Fremdkörperaspiration 167 Frühlyse, Komplikation 118 — Myokardinfarkt 115 — Notarztwagen, im 117 Geburtsbestrebungen 174 Gefäßsyndrom 142 Gesichtsschädelverletzung, Behandlung 30, 37 — Diagnostik 27 — - Oberkiefer 29 Unterkiefer 28 — Mittelgesichtsfraktur 28, 38 — Sofortmaßnahmen, s. Behandlung H ä m a t o m , intrakranielles 9, 13 — epidurales 10 — kindliches 82 — Schädelgrube, hintere 15 — subdurales 11 — Wachstum 11

268

Sachverzeichnis

Herz-Kreislauf-Stillstand, Behandlung 219 Empfehlungen 209 Elektrotherapie 207, 218 mechanische Maßnahmen, Beatmung 190 kardio-pulmonale Reanimation 193 Pharmakotherapie 195 — Diagnostik, Sofortdiagnostik 189 Herztamponade, Perikardpunktion 46 Hirnkontusion 11 Hirnödem 19 Hirnschaden, sekundärer, hypoxischer 13 Hirnverletzung, offene 8 HWS-Verletzung, s. Wirbelsäulenverletzung Ischämie, zerebrale 145 Kalzium 204 kardiologischer Notfall, s. Notfall, kardiologischer kardio-pulmonale Reanimation 193 Kiefer-Gesichts-Verletzung, s. Gesichtsschädelverletzung Kindesmißhandlung, Anzeichen 81 — ärztliches Verhalten 84 Ketamin 184 Koma, Komaskala 22 — Stadien 6, 22 Kruppsyndrom 168 Kurzzeitlyse 115 Laienreanimation 2, 229 Laminektomie 161 Laugen- und Säureverätzung, Kindesalter, im 80 Leitsymptome, Abdominaltrauma 53 — Thoraxverletzung 41 — Extremitätenverletzung 62 — Herzerkrankung 103, 107 — Herz-Kreislauf-Stillstand 189 — kardiologischer Notfall 103 — Subarachnoidalblutung 153 Metamizol 179 Mittelgesichtsfraktur 28 Morphin 182 Myokardinfarkt, akuter 106 — Behandlung, allgemeine 107 Frühlyse 115 kardiogener Schock 111 Lungenödem 110 Rhythmusstörungen 108 neurologischer Befund, Schädel-Hirn-Trauma 21 — - EDV-Protokoll 23 — Wirbelsäulenverletzung, bei 67, 75 Notarzt, leitender, Aufgaben 242 — Qualifikation 241

- Stellung 243 Notarztprotokoll 245 — bundeseinheitliches 253 Notfall, geburtshilflicher, Abort 174 — Eklampsie 174 — Extrauteringravidität 174 - Geburtsbestrebungen 174 — Nabelschnurvorfall 176 - Placenta praevia 175 — Plazentalösung, vorzeitige 175 - postpartale Uterusatonie 176 - Übersicht 173 Notfall, gynäkologischer, Blutung, intraabdominale 177 — Genitalverletzung 178 - Peritonitis 178 - Stieldrehung 177 — Tumorblutung 178 Notfall, kardiologischer, Angina pectoris, instabile 106 - - Behandlung 106 - Angina pectoris, stabile 105 Differentialdiagnose 104 - kindlicher 170 — Myokardinfarkt, akuter, Behandlung, Allgemeinmaßnahmen 107 kardiogener Schock 111 Lungenödem 110 Rhythmusstörungen 108 — Schock, kardiogener 111 — Thoraxschmerz, Übersicht 103 Differentialdiagnose 104 — Ursachen 113 Notfall, nicht traumatischer, im Kindesalter 165 asphyktisches Neugeborene 165 Säugling und Kleinkind, Asthmaanfall 169 Erbrechen, Durchfall, Toxikose 171 Fieberkrampf, epileptischer Anfall 171 Fremdkörperaspiration 167 kardiale 170 Kruppsyndrom 168 Notfall, nicht traumatischer 101 ff. - traumatischer 3 ff. Notfallmedizin, Ausbildung 2 — Entwicklung 1 - Pädiatrie 79 — Problem 1 - Rettungswesen, im 1 Oberkieferfraktur 29 Pentazocin 182 Perikardpunktion, Technik 46 Peritoneallavage, Abdominaltrauma 57 Pethidin 181

Sachverzeichnis P h a r m a k o t h e r a p i e , Herz-Kreislauf-Stillstand, bei 195 — Schmerzbehandlung 179 Piritramid 184 Placenta praevia 175 Plazentalösung, vorzeitige 175 Polytrauma 8, 85 — A b d o m i n a l t r a u m a 58 — Behandlung 88 — Klassifikation 85 Punkteschema 87 — Schockfolgeerkrankungen 86 — - Behandlung 88 Beatmung 90 chirurgische 92 Volumentherapie 88 Querschnittslähmung, spinale, Behandlung 161 — Diagnostik 161 — Prognose 163 — Symptomatik 158 — Verlaufsformen 157 Reanimation 187 ff. — Laienreanimation 2, 229 — N o t a r z t r e a n i m a t i o n 215 — Rettungssanitäterreanimation 220 Reanimation, präklinische Phase 189 — Beurteilung 216 — D u r c h f ü h r u n g 217 — Herz-Kreislauf-Stillstand 190 — Laienreanimation 2, 229 — N o t a r z t , Aufgaben 215 — präklinisches Vorgehen 209 — Rettungssanitäter, Aufgaben 220 Reanimation, zerebrale 207 Rettungshubschrauber, A b d o m i n a l t r a u m a 50 — Aufgaben 261 — Ausrüstung 264 Rettungssanitäter, Aufgaben, Reanimation 220 Rettungswagen, D I N 238 Rettungswesen, Nordrhein-Westfalen 237 R h y t h m u s s t ö r u n g e n 207 Sauer-Notverband 33 Säure- und Laugenverätzung, Kindesalter 80 Schädel-Hirn-Trauma, Behandlung, präklinische in der Klinik 13 — Diagnostik, präklinische 5 1 in der Klinik 13 — Druck, intrakranieller 7 Behandlung 17 — Koma 5 — Komplikationen, Diagnostik 20 — neurologischer Befund 21 — - EDV-Protokoll 23

269

- Polytrauma 87 - Transport 6 - vitale Funktionen 14 Schlaganfall 139, s. zerebrovaskuläre E r k r a n k u n g Schleudertrauma 76 Schmerzbehandlung 179 Schock, hypovolämisch-traumatischer, Behandlung S o f o r t m a ß n a h m e n 98 - Definition 95 - Diagnose 97 - Pathophysiologie 96 - Symptomatik 97 Schock, kardiogener 111 - Behandlung 113 - M y o k a r d i n f a r k t 106, 112 - Prähospitalphase 112, 113 - Schockzeichen 112 - Ursachen 113 Schock, N o m e n k l a t u r 95 - Formen 95 Schock, hämorrhagischer, A b d o m i n a l t r a u m a 54 Schockfolgeerkrankungen 86 - Behandlung 88 Beatmung 90, 100 chirurgische 92 S c h m e r z b e k ä m p f u n g 99 Volumentherapie 88, 99 Schockindex 53 - A b d o m i n a l t r a u m a 54 Schockzeichen 97, 112 Sonographie, A b d o m i n a l t r a u m a 57 - Schlaganfall 143 S p a n n u n g s p n e u m o t h o r a x 42 - D y s p n o e 43 Stieldrehung 117 Subarachnoidalblutung, Behandlung 155 - Diagnostik 153 - Symptomatik 153 Taucherkrankheit, Behandlung 224, 226 - Kasuistik 226 - Klassifikation 224 Tauchunfälle, s. Taucherkrankheit 223 T h o r a x d r a i n a g e 44 T h o r a x s c h m e r z , Differentialdiagnostik 104 - Ursache 103 T h o r a x t r a u m a , s. T h o r a x v e r l e t z u n g T h o r a x v e r l e t z u n g , Behandlung, Erstversorgung 41 Drainage 44 - Diagnostik, prästationäre 41 - H e r z t a m p o n a d e 46 - Leitsymptome, respiratorische Insuffizienz 41 - S p a n n u n g s p n e u m o t h o r a x 42 - T h o r a x , instabiler

270

Sachverzeichnis

offener 44 Thrombolyse 117 Tramadol 181 Unterkieferfraktur 28, 33 Vergiftungen, Behandlung, allgemein 132 speziell 134 - Diagnostik 131 - Häufigkeit 132 - Ursachen 80, 132 Verletzungsinzidenz, Traumatisierte 49 vitale Funktionen, Atemstörung, zentrale 14 - Behandlung 14 - hyper- und hypotonisches Syndrom 16 - Kreislaufstörung 15 - Tonusstörung 17 Wirbelsäulenverletzungen - Atlasfraktur 70 - Behandlung, präklinische 72

Gefahren 67 — Densfraktur 68 — Diagnostik 69 bei Bewußtlosen 71 — neurologischer Befund 75 — Querschnittssyndrom, inkomplettes 73 komplettes 73 spinales 157 — Schleudertrauma 76 Zervikalsyndrom, posttraumatisches 77 Zerebrovaskuläre Erkrankung 139 — Behandlung 145 — Diagnostik, klinische 140 Angiographie 142 — - C T 141 Funktionsdiagnostik 144 Liquoruntersuchung 141 — Differentialdiagnose 139 — zerebraler Insult, Akutmaßnahmen 149 Zervikalsyndrom, posttraumatisches 77