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German Pages 567 [566] Year 2006
Günter H. Willital · Alfred Holzgreve Definitive chirurgische Erstversorgung
Günter H. Willital · Alfred Holzgreve
Definitive chirurgische Erstversorgung 6. überarbeitete und erweiterte Auflage
≥
de Gruyter Berlin · New York
Autoren Prof. Dr. med. Günter H. Willital Forschungszentrum für chirurgische Neuentwicklungen beim Kind e. V. an der Universität Münster Hansaring 94 48268 Greven/Münster
Prof. Dr. Dr. A. Holzgreve Ärztlicher Direktor des VivantesKlinikums Neukölln Rudower Straße 48 12351 Berlin
Priv.-Doz. Dr. A. Samii Ltd. Oberarzt Neurochirurgie International Neuroscience Institut Hannover an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Alexis-Carrel-Straße 4 30625 Hannover Das Werk enthält 183 Abbildungen und 20 Tabellen. ISBN-13: 978-3-11-018551-5 ISBN-10: 3-11-018551-2 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
앝 Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt. 앪 쑔 Copyright 2006 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, 10785 Berlin. ⫺ Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany
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Vorwort
Was ist initial zu tun bei Unfällen, bei Schädel-Hirntraumata, bei Handverletzungen, bei akuten Erkrankungen im Thorax oder im Abdomen, sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen? Mit diesem Chirurgischen Mini Guide sind Sie stets schnell und umfassend orientiert. Er hilft in der täglichen chirurgischen Praxis, in der poliklinischen chirurgischen Notfallaufnahme und ⫺ wie in der Vergangenheit bewährt ⫺ in chirurgischen Abteilungen von Bundeswehrkrankenhäusern. Allen chirurgischen Fachvertretern sagen wir herzlichen Dank für die Bearbeitung und die Aktualisierung der einzelnen Spezialkapitel. Unser besonderer Dank geht an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verlages Walter de Gruyter, insbesondere an Herrn Wolfgang Böttner: für die ausgezeichnete Zusammenarbeit, klare zielgerichtete Durchführung und Umsetzung, Verlässlichkeit, präzise Bearbeitung und die gelungene Ausstattung des Werkes. Die größte Anerkennung für die Autoren wäre ein reger Gebrauch des Werkes in der täglichen Praxis. Münster, Berlin Dezember 2005
Günter H. Willital Alfred Holzgreve
Inhalt
1 1.1 1.2 1.3 1.3.1 1.3.2 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.4.5 1.4.6 1.4.7 1.4.8 1.4.9 1.4.10 1.4.11 1.5 1.5.1 1.5.1 1.5.2 1.5.3
Wundbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ziel der Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . Sofortmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . Wichtige Faktoren für den Heilungsablauf . . . . Lokale Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . Behandlung von speziellen Weichteilverletzungen Verletzungen am Auge . . . . . . . . . . . . . . . Ohrenverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Verletzungen der Wange . . . . . . . . . . . . . . Mundverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Verletzungen des Halses . . . . . . . . . . . . . . Weichteilverletzungen des Thorax . . . . . . . . . Weichteilverletzungen des Abdomens . . . . . . Verletzungen der Schleimbeutel . . . . . . . . . . Stichverletzungen der Fußsohle . . . . . . . . . . Eingewachsene Zehennägel . . . . . . . . . . . . Bursitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wundinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Furunkel, Karbunkel, Phlegmone, Abszess . . . Gasbrand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tollwut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.2 2.2.1 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.4 2.5 2.6
Tetanusprophylaxe und Initialtherapie bei Erreger . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inkubationszeit . . . . . . . . . . . . . . Vorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsymptome . . . . . . . . . . . . . . . Prophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . Aktive Immunisierung . . . . . . . . . . Vorgehen im Verletzungsfall . . . . . . . Grundimmunisierung . . . . . . . . . . . Auffrischimpfung . . . . . . . . . . . . . Passive Immunisierung . . . . . . . . . . Simultanimpfung . . . . . . . . . . . . . Therapeutisches Vorgehen bei Tetanus .
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1 1 1 8 8 9 9 9 9 10 10 10 10 11 11 11 12 13 15 15 16 18 20
Frischverletzten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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24 24 24 24 25 25 25 26 26 26 26 27 27 28
VIII
Inhalt
3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.4 3.5 3.6
3.11.1 3.11.2 3.11.3 3.11.4 3.11.5 3.11.6 3.12 3.12.1 3.12.2 3.12.3 3.12.4 3.12.5 3.12.6 3.12.7
Blutstillung bei Blutungen traumatischer Genese . . . . . . . . . . Blutungstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Primär traumatisch bedingte Blutungen . . . . . . . . . . . . . . Sekundäre Blutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Vorbemerkung zur Blutstillung . . . . . . . . . . . . . Sofortmaßnahmen bei venösen Blutungen . . . . . . . . . . . . . Anzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sofortmaßnahmen bei arteriellen Blutungen . . . . . . . . . . . . Durchführung der digitalen Gefäßkompression . . . . . . . . . . Durchführung der Arterienkompression durch Anlegen einer pneumatischen Binde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchführung der Arterienkompression mit einem Dreieckstuch oder mit Idealhaftbinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchführung der Gefäßkompression durch maximale Beugung Definitive operative Versorgung rupturierter Arterien . . . . . . . Art der Gefäßläsion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technik der Gefäßnaht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Versorgungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschlossene Gefäßverletzung ⫺ Essentials der initialen Sofortdiagnostik und Soforttherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsymptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sofortmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplikationen durch Ischämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akuter peripherer Gefäßverschluss ⫺ Essentials der initialen Sofortdiagnose und Soforttherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . Ursachen des akuten Gefäßverschlusses . . . . . . . . . . . . . . Leitsymptome bei arterieller Embolie und Thrombose . . . . . . Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sofortmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operationsindikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Venöse Gefäßverschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ursachen und Lokalisation der Thrombosen . . . . . . . . . . . . Vorbeugende Maßnahmen zur Verhütung einer Thromboembolie Symptomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konservative Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikation zur Operation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontraindikation zur operativen Ausräumung . . . . . . . . . . . Operationstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42 42 43 43 45 45 45 45 45 46 46 46 46 47 47
4 4.1 4.2
Schock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schockformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48 48 48
3.7 3.8 3.9 3.9.1 3.9.2 3.9.3 3.10 3.10.1 3.10.2 3.10.3 3.10.4 3.11
31 31 31 31 32 32 32 32 33 34 35 35 36 36 36 38 38 39 39 40 40 41
IX 4.3 4.4 4.5 4.6 4.6.1 4.6.2 4.6.3 4.6.4 4.7 4.7.1 4.7.2 4.7.3 4.7.4 4.7.5 4.7.6 4.7.7 4.7.8 4.7.9 4.7.10 4.8 4.8.1 4.8.2 4.8.3 4.8.4 4.9 4.9.1 4.9.2 4.10 4.11 4.11.1 4.11.2 4.11.3 4.12 4.12.1 4.12.2 4.12.3 4.12.4 4.13
Wesen des hypovolämischen Schocks . . . . . . . . . Typen des hypovolämischen Schocks . . . . . . . . . Sofortuntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erkennen des richtigen Schockstadiums . . . . . . . Einteilung der Stadien . . . . . . . . . . . . . . . . . Primärer Schock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sekundärer Schock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grauer Schock (dekompensierter Schock): . . . . . . Sofortmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Behandlungsrichtlinien beim Schock . . . . . . . . . Sicherung der ausreichenden Sauerstoffzufuhr . . . . Klärung der Schockursache und des Schockstadiums Lagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beseitigung des Volumendefizits . . . . . . . . . . . . Wärmeregulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schmerz und Unruhe beseitigen! . . . . . . . . . . . Vasokonstriktorische Medikamente . . . . . . . . . . Kortikosteroide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schocklunge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technik der zentralen Venendruckmessung . . . . . . Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Instrumentarium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchführung der Messung des ZVD . . . . . . . . . Beurteilung des ZVD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wichtige Kontrolluntersuchungen . . . . . . . . . . Urinmengenbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Kontrollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sofortmaßnahmen ohne Erfolg . . . . . . . . . . . . Anaphylaktischer Schock . . . . . . . . . . . . . . . Synonyme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kennzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sofortmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fettembolien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsymptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Soforttherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lagerungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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49 50 51 53 53 53 54 54 55 55 55 56 56 56 58 58 59 59 60 60 60 60 62 63 64 64 64 64 65 65 65 65 66 66 66 66 66 66
5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.4.1
Schädel-Hirn-Trauma (A. Samii) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkung ⫺ Einteilung des Schädel-Hirn-Traumas (SHT) Offene Schädel-Hirn-Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . Gedecktes Schädel-Hirn-Trauma . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beurteilung der Vigilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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69 69 69 69 72 72
X 5.4.2 5.5 5.6 5.6.1 5.6.2 5.6.3 5.6.4
Inhalt
5.8.4 5.8.5 5.8.6 5.8.7 5.8.8 5.8.9 5.9 5.9.1 5.9.2 5.9.3
Intrakranielle Druckmessung beim Schädel-Hirn-Trauma . . . . Allgemeine Sofortmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CCT-Untersuchungen (craniale Computertomographie) . . . . . Prinzipielle Indikationen zur CCT-Untersuchung nach SHT . . Notfallmäßige Indikation zur CCT-Untersuchung nach SHT . . Checkliste für das CCT nach SHT . . . . . . . . . . . . . . . . Typische pathologische Befunde im CCT/therapeutische Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikationen für das ICP-Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neurostatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . GCS 15 Punkte (leichtes SHT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . GCS 9⫺14 Punkte, Patient bewusstseinsgetrübt (mittelschweres SHT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . GCS 3–8 Punkte, Patient bewusstlos (schweres SHT) . . . . . . Kopfplatzwunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Penetrierende Fremdkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blut/Liquor aus Nase/Ohr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Monokel-/Brillenhämatom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kalottenfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Behandlung des posttraumatischen Hirnödems . . . . . . . . . Allgemeine Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Medikamentöse Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ultima Ratio bei therapierefraktärer Hirndrucksteigerung . . .
6 6.1 6.2 6.3 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.4.4 6.4.5
Herzstillstand ⴚ Kreislaufstillstand ⴚ Atemstillstand . Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkungen zur Therapie . . . . . . . . . . . . Therapie ⫺ Notfallmaßnahmen . . . . . . . . . . . . Schematischer Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . Beatmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technik der endotrachealen Intubation . . . . . . . . Herzmassage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intrakardiale Injektion . . . . . . . . . . . . . . . . .
7 7.1 7.2
Verbrennungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemein wichtige Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . Beurteilung der Verbrennungsausdehnung beim Erwachsenen und beim Kind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik der Verbrennungsgrade . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Sofortmaßnahmen beim Erwachsenen . . . . . . . Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erste Hilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sofortmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.7 5.8 5.8.1 5.8.2 5.8.3
7.3 7.4 7.4.1 7.4.2 7.4.3
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72 73 74 74 74 74
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75 77 78 78 78
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78 79 79 79 80 80 80 80 80 80 80
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82 82 83 84 84 84 85 88 90 92
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94 94
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94 95 96 96 97 98
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XI 7.5 7.6
7.8 7.8.1 7.8.2 7.8.3 7.9 7.9.1 7.9.2 7.9.3 7.10 7.10.1 7.10.2 7.10.3 7.11 7.11.1 7.11.2 7.11.3
Allgemeine Sofortmaßnahmen bei Kindern . . . . . . . . . . . . Ambulante Behandlung der Verbrennungen bei nicht schockgefährdeten Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stationäre Behandlung von Verbrennungen größeren Ausmaßes bei schockgefährdeten Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . Primärexzision (innerhalb der ersten 3 Tage) . . . . . . . . . . . Indikation zur Primärexzision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Open-air-Behandlung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbandbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sekundärexzision (nach 8⫺10 Tagen) . . . . . . . . . . . . . . . Indikation zur Sekundärexzision . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbereitung des Areals für die Hauttransplantation . . . . . . Indikation für die verschiedenen Hauttransplantate . . . . . . . Stromverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verletzungsausmaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überwachung und Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfrierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsymptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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102 102 102 103 106 106 106 107 107 107 107 108 108 109 109 109 109
8 8.1 8.2 8.3 8.3.1 8.3.2 8.3.3 8.4 8.4.1 8.4.2 8.5 8.5.1 8.5.2 8.5.3 8.6 8.6.1 8.6.2 8.6.3 8.6.4 8.7 8.8 8.8.1 8.8.2
Thoraxtrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikation zu Sofortmaßnahmen . . . . . . . . . . . Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verletzungen des knöchernen Thorax . . . . . . . . . Frakturen der Rippen . . . . . . . . . . . . . . . . . Frakturen des Sternums . . . . . . . . . . . . . . . . Hautemphysem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pneumothorax . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition und Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . Sofortmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hämatothorax . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sofortmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weiteres Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lungenverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sofortmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikation zur Thorakotomie/Thorakoskopie (Storz) Verletzungen der Trachea oder der Stammbronchien Verletzungen des Mediastinums . . . . . . . . . . . . Mediastinalemphysem . . . . . . . . . . . . . . . . . Herztamponade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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110 110 111 112 112 113 114 115 115 117 121 121 121 122 123 123 123 123 124 125 125 125 126
7.7
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. 100 . 101
XII
Inhalt
8.8.3 8.8.4 8.9 8.9.1 8.9.2 8.9.3 8.9.4 8.10 8.10.1 8.10.2
Aortenverletzungen . . . . . . . . Ösophagusrupturen . . . . . . . . Lungenembolie . . . . . . . . . . Leitsymptome . . . . . . . . . . . Ursache . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . Sofortmaßnahmen bei Ertrinken Pathophysiologie . . . . . . . . . Sofortmaßnahmen . . . . . . . .
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130 131 135 135 135 136 136 137 137 137
9 9.1 9.1.1 9.1.2 9.1.3 9.1.4 9.1.5 9.1.6 9.1.7 9.1.8 9.1.9 9.1.10 9.2 9.2.1 9.2.2 9.2.3 9.2.4 9.2.5 9.2.6 9.2.7 9.2.8 9.2.9 9.2.10 9.2.11 9.2.12
Akutes Abdomen im Erwachsenenalter (A. Holzgreve) . . . . . . . Sofortmaßnahmen bei akuten abdominellen Erscheinungsbildern Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Appendizitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gastrointestinale Blutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ösophago-gastro-duodenale Blutungen . . . . . . . . . . . . . . . Magen- und Duodenalperforationen . . . . . . . . . . . . . . . . Gallenkolik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akute Pankreatitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nierenkolik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mesenterialinfarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ileus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stumpfes Bauchtrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sofortmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technik der Bauchspülung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operationsindikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Sofortmaßnahmen (Intensivüberwachung) . . . . . . Intraabdominelle Organläsionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Milzruptur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Traumatische Schädigung des Magens . . . . . . . . . . . . . . . Traumatische Verletzungen des Dünndarms . . . . . . . . . . . . Traumatische Verletzungen des Dickdarms . . . . . . . . . . . . . Traumatische Verletzungen des Pankreas . . . . . . . . . . . . . . Traumatische Verletzungen der Leber . . . . . . . . . . . . . . . . Ruptur eines Aortenaneurysmas bzw. arterielle Blutung in die Bauchhöhle ⫺ Leitsymptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nierenruptur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blasenverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verletzungen der Harnröhre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwerchfellriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dringliche Hämorrhoidektomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsymptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gynäkologische Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
138 138 138 138 141 143 145 147 151 154 157 158 164 164 164 165 166 167 167 169 169 172 173 175
9.2.13 9.2.14 9.2.15 9.2.16 9.3 9.3.1 9.3.2 9.4
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177 178 180 181 183 184 184 184 185
XIII 9.4.1 9.4.2 9.4.3 9.4.4 9.4.5 9.4.6
Einteilung . . . . . . . . . . . . . Adnexentzündungen . . . . . . . Parametritis . . . . . . . . . . . . Tubarruptur . . . . . . . . . . . . Tubarabort . . . . . . . . . . . . Stieldrehung eines Ovarialtumors
. . . . . .
185 185 187 188 188 189
10 10.1 10.2 10.3 10.4 10.4.1 10.4.2
Akutes Abdomen im Kindesalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Symptomatik des akuten Abdomens bei Kindern . . . . . . . . . Untersuchungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akute Appendizitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frühdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Charakteristische Leitsymptome führen zur Diagnose Appendizitis und zur Operationsindikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikation zur Operation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie der Appendizitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Häufige Erreger einer Peritonitis bei Appendizitis . . . . . . . . . Komplikationen nach Appendektomie . . . . . . . . . . . . . . . Sonderformen der Appendizitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kennzeichen der Beckenappendizitis . . . . . . . . . . . . . . . . Retrozökale Appendizitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Appendizitis mit Netzkappe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Appendizitis bei Infektionskrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . Oxyuren- und Askaridenappendizitis . . . . . . . . . . . . . . . . Fehlposition der Appendix und Bauchsymptomatik an atypischer Stelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Appendizitisähnliche Krankheitsbilder mit Notfallcharakter . . . Krankheitsbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Meckel’sches Divertikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Yersiniose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Enteritis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsseitige Pneumonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Myokarditis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zystopyelitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ileussyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ileuszustände im Neugeborenenalter . . . . . . . . . . . . . . . . Ileuszustände im Säuglingsalter ⫺ Invagination . . . . . . . . . . Ileuszustände bei Kleinkindern und Schulkindern . . . . . . . . . Azetonämisches Erbrechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsymptomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
190 190 190 191 193 193
10.4.3 10.4.4 10.4.5 10.4.6 10.5 10.5.1 10.5.2 10.5.3 10.5.4 10.5.5 10.5.6 10.5.7 10.6 10.6.1 10.6.2 10.6.3 10.6.4 10.6.5 10.6.6 10.6.7 10.7 10.7.1 10.7.2 10.7.3 10.7.4 10.8 10.8.1 10.8.2 10.8.3
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194 196 197 197 197 197 197 197 198 199 199 200 200 200 200 201 202 202 203 204 204 205 205 205 213 214 217 217 217 217
XIV
Inhalt
10.8.4 10.9 10.9.1 10.9.2 10.9.3 10.9.4 10.10 10.10.1 10.10.2 10.11 10.11.1 10.11.2 10.12 10.12.1 10.12.2 10.12.3 10.12.4 10.12.5 10.12.6 10.12.7 10.13
Differentialdiagnosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Coma diabeticum ⫺ hyperglykämisches Koma . . . . . . . . . . Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auslösende Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsymptomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sofortmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Urolithiasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsymptomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapeutische Sofortmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . Hodentorsion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsymptome beim akuten Skrotum . . . . . . . . . . . . . . . Operationsindikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eingeklemmter Leistenbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitsymptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erkrankungsalter und Häufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bruchsackinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operationsindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Notfallendoskopie bei akuten Krankheitsbildern bei Kindern ⫺ Indikation ⫺ Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gastrointestinale Blutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gastrointestinale Blutungen im Neugeborenenalter . . . . . . . Gastrointestinale Blutungen im Alter von 1 bis 12 Monaten . . Gastrointestinale Blutungen im 1. bis 2. Lebensjahr . . . . . . . Gastrointestinale Blutungen nach dem 2. Lebensjahr . . . . . . Stumpfes Bauchtrauma im Kindesalter . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Symptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Milzruptur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Magen-Darm-Ruptur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verletzung der Leber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akute Pankreatitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ätiologie der Pankreatitis im Kindesalter . . . . . . . . . . . . . Leitsymptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnosesicherung der Pankreaszyste . . . . . . . . . . . . . . . Therapie der Pankreaszyste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Narbenprophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.14 10.14.1 10.14.2 10.14.3 10.14.4 10.14.5 10.15 10.15.1 10.15.2 10.15.3 10.15.4 10.15.5 10.15.6 10.16 10.16.1 10.16.2 10.16.3 10.16.4 10.16.5 10.16.6 10.16.7 10.16.8 10.17
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
217 218 218 218 218 218 219 219 220 220 220 220 221 221 222 223 223 224 224 224
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
225 226 226 226 228 228 229 230 230 231 231 231 232 233 234 234 235 235 236 236 237 237 237 237
XV 11 11.1 11.1.1 11.1.2 11.1.3 11.1.4 11.1.5 11.1.6 11.1.7 11.1.8 11.1.9 11.1.10 11.1.11 11.1.12 11.1.13 11.1.14 11.2 11.2.1 11.2.2 11.2.3 11.2.4 11.2.5 11.2.6 11.2.7 11.2.8 11.2.9 11.2.10 11.2.11 11.2.12 11.2.13 11.2.14 11.2.15 11.2.16 11.2.17 11.2.18 11.2.19 11.2.20 11.2.21 11.2.22 11.2.23 11.2.24 11.3 11.3.1 11.3.2
Frakturen und Luxationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung der geschlossenen Frakturen mit Weichteilschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung von offenen Frakturen . . . . . . . . . . . . . . . . Wichtige Behandlungsgrundsätze bei den Frakturen . . . . . . Behandlung des Verletzten als vordringlichste Maßnahme . . Kompartmentsyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie beschreibt man eine Fraktur? . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnose einer Fraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dislokationsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht über Osteosyntheseverfahren . . . . . . . . . . . . . Vorteile der stabilen Osteosynthese . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht über Frakturen und Eigennamen . . . . . . . . . . Überblick über Frakturtypen und Behandlungsrichtlinien . . Luxationstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Luxationsrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Behandlung der wichtigsten Frakturen . . . . . . . . . . . . . Wirbelkörperfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rippenfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klavikulafraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frakturen des proximalen Oberarms, Humeruskopffrakturen Humerusschaftfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Distale Humerusfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Radiusfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übrige Frakturen der oberen Extremität . . . . . . . . . . . . Skapulafrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beckenfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schenkelhalsfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oberschenkelfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oberschenkelkondylenfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patellafrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tibiakopffrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tibischaftfrakturen/Unterschenkelschaftfrakturen . . . . . . . Malleolarfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Talusfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kalkaneusfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frakturen der Ossa metatarsalia und Phalangen . . . . . . . . Allgemeine Richtlinien für die Behandlung offener Frakturen Konsolidationszeit bei unkomplizierten Brüchen . . . . . . . . Sudeck-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fettembolie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frakturen im Kindesalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klavikulafrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . 239 . . 239 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
239 239 239 242 242 245 247 247 249 251 251 252 273 273 274 274 280 282 287 289 290 290 292 293 294 298 300 300 301 302 303 304 307 308 310 312 314 314 316 318 318 321
XVI
Inhalt
11.3.3
Frakturen des proximalen Humerusabschnittes sowie Oberarmschaftfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.4 Suprakondyläre Humerusfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.5 Abriss des Epicondylus humeri medialis . . . . . . . . . . . . . 11.3.6 Fraktur des Epicondylus humeri lateralis . . . . . . . . . . . . . 11.3.7 Frakturen des Halses des Radiusköpfchens . . . . . . . . . . . . 11.3.8 Radius- und Ulnaschaftfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.9 Schenkelhalsfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.10 Femurschaftfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.11 Unterschenkelschaftfrakturen bei Kindern . . . . . . . . . . . . 11.4 Behandlung der wichtigsten Luxationen . . . . . . . . . . . . . 11.4.1 Klavikulaluxationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.2 Luxatio humeri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.3 Ellenbogenluxationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.4 Monteggia-Fraktur ⫺ Luxation des Radiusköpfchens und Ulnaschaftfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.5 Radiusköpfchen-Luxationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.6 Luxationen im Handgelenk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.7 Perilunäre Handgelenksluxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.8 Traumatische Hüftgelenksluxationen . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.9 Kniescheibenluxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.10 Luxation im Sprunggelenk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.11 Kniegelenksluxationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.5 Bandzerreißungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.5.1 Seitenbandzerreißungen am Kniegelenk (mediale und laterale) . 11.5.2 Kreuzbandrisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.5.3 Unhappy triad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.5.4 Außenbandverletzungen im Bereich des Sprunggelenks . . . . . 11.6 Distorsionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 12.1 12.2 12.2.1 12.2.2 12.3 12.3.1 12.3.2 12.4 12.4.1 12.4.2 12.5 12.5.1 12.5.2 12.6
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322 323 324 325 326 326 326 327 328 329 329 330 333
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333 334 335 336 336 338 338 339 340 340 341 343 344 345
Spezielle Verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Praktische Hinweise ⫺ Vermeidung von Komplikationen . . . . . Wundverbände ⫺ allgemeine Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . Verbände bei infizierten Wunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbände bei oberflächlichen epithelialen Defekten und Wunden Desault-Verband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Velpeau-Schulterverband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rucksackverband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stützverband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
346 346 347 348 348 348 348 348 349 349 349 349 349 349 349
XVII 12.6.1 12.6.2 12.7 12.7.1 12.7.2 12.8 12.9 12.10 12.10.1 12.10.2 12.10.3 12.10.4
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bei . . . . . . . . . . . .
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349 350 350 350 350 350 351 352 352 352 353
12.10.5 12.11 12.11.1 12.11.2 12.11.3
Beschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hauptindikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dachziegelverband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hauptindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kompressionsverband bei Narben . . . . . . . . . . . Wundverbände ⫺ spezielle Hinweise . . . . . . . . . Gipsverband ⫺ immobilisierender Verband . . . . . Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wichtige Hinweise beim Anlegen von Gipsverbänden Säuglingen und Kindern . . . . . . . . . . . . . . . Besonders zu beachten . . . . . . . . . . . . . . . . . Kunststoffverbände ⫺ immobilisierende Verbände . . Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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355 356 356 356 356 357
13 13.1 13.1.1 13.1.2 13.2 13.3 13.4 13.5 13.5.1 13.5.2 13.5.3 13.5.4 13.6 13.6.1 13.6.2
Meniskusverletzungen . . . . . . . . Chirurgische Anatomie . . . . . . . Innenmeniskus . . . . . . . . . . . Außenmeniskus . . . . . . . . . . . Unfallmechanismus/Ursachen . . . Leitsymptome . . . . . . . . . . . Meniskuszeichen ⫺ Meniskustests . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . Röntgendiagnostik . . . . . . . . . Kernspin-MRT-Untersuchungen . . Sonographie . . . . . . . . . . . . . Arthroskopie . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . Konservative Therapie . . . . . . . Operative Therapie . . . . . . . . .
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358 358 358 358 358 359 359 360 360 360 361 361 361 361 362
14 14.1 14.2 14.2.1 14.2.2 14.2.3 14.2.4 14.2.5 14.2.6
Handchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung der Handverletzungen . . . . . . . . . Allgemeine Vorbemerkungen zur Handchirurgie . Blutleere/Blutsperre . . . . . . . . . . . . . . . . . Anästhesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hautschnitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Atraumatische Naht, Operationstechnik . . . . . Ruhigstellung und Hochlagerung . . . . . . . . . Zusammenfassung der Behandlungsrichtlinien bei verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hand. . . .
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363 363 364 364 365 366 367 368
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. . . . . 369
XVIII 14.3 14.3.1 14.3.2 14.3.3 14.3.4 14.3.5 14.3.6 14.3.7 14.3.8 14.3.9 14.3.10 14.3.11 14.3.12 14.3.13
Inhalt
Infektiöse Erkrankungen der Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . Paronychie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die wichtigsten 7 Typen der Panaritien . . . . . . . . . . . . . . . Panaritium subunguale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Panaritium cutaneum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Panaritium subcutaneum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kragenknopfpanaritium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Panaritium tendinosum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Panaritium ossale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Panaritium articulare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fingerrückeneiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thenarabszess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schwielenabszess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phlegmone (Hohlhandphlegmone, Interditialphlegmone, Thenarphlegmone) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4 Oberflächliche Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4.1 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4.2 Hautläsionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4.3 Wunden mit Fremdkörperretention . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4.4 Subunguale Hämatome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.5 Tiefe Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.5.1 Schnittverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.5.2 Riss-Quetschwunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.6 Hauttransplantationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.6.1 Reverdin-Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.6.2 Wolf-Krause-Technik (Vollhauttransplantat) . . . . . . . . . . . . 14.6.3 Thiersch-Technik (Spalthauttransplantat) . . . . . . . . . . . . . . 14.7 Gestielte Plastiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.7.1 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.7.2 Cross-Finger-Plastik (Nahstiellappenplastik) . . . . . . . . . . . . 14.7.3 Verschiebeplastiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.8 Sehnenverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.8.1 Diagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.8.2 Allgemeine Behandlungsgrundsätze bei Sehnendurchtrennungen 14.8.3 Übersicht über die Operationstechnik bei Sehnendurchtrennung 14.8.4 Operationstechnik bei Strecksehnendurchtrennung . . . . . . . . 14.8.5 Operationstechnik bei Beugesehnendurchtrennung . . . . . . . . 14.9 Offene Nervenverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.9.1 Allgemeine Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.9.2 Allgemeine Behandlungsrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.9.3 Technik der primären Nervennaht (mikrochirurgische Nervennaht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.9.4 Nachbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.9.5 Anmerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.10 Fingeramputationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.10.1 Indikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
370 370 372 373 374 375 376 377 379 381 381 382 383 384 385 385 385 386 387 388 388 389 391 393 394 395 396 396 396 398 400 400 400 403 403 405 410 410 410 410 411 412 412 412
XIX 14.10.2 14.10.3 14.11 14.11.1 14.11.2 14.11.3 14.12 14.12.1 14.12.2 14.12.3 14.12.4 14.12.5 14.12.6 14.12.7 14.12.8 14.13 14.13.1 14.13.2 14.13.3 14.14 14.14.1 14.14.2 14.14.3 14.14.4 14.15
Allgemeine Behandlungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . Operationstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fingerkuppenverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapeutisches Vorgehen Typ I (oberflächliche Läsion) . Therapeutisches Vorgehen Typ II (tiefe Läsion) . . . . . . Frakturen im Bereich der Hand . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Behandlung der Navikulare-Fraktur . . . . . . . . . . . . Behandlung aller übrigen Handwurzelknochen-Frakturen Behandlung der Mittelhandfrakturen II⫺IV . . . . . . . . Behandlung der Bennett’schen Fraktur . . . . . . . . . . . Behandlung der Fraktur des Os metacarpale V . . . . . . Behandlung von Frakturen der Grund- und Mittelphalanx Behandlung der Frakturen der Endphalanx . . . . . . . . Luxationen im Bereich der Hand . . . . . . . . . . . . . . Perilunäre Handgelenksluxation . . . . . . . . . . . . . . . Fingerluxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Luxation des Daumengrundgliedes . . . . . . . . . . . . . Distorsionen im Bereich der Hand . . . . . . . . . . . . . Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Distorsionen im Handgelenk . . . . . . . . . . . . . . . . Distorsionen des Daumens . . . . . . . . . . . . . . . . . . Distorsionen der Finger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontusionen im Bereich der Hand . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
413 413 415 415 415 415 416 416 417 418 418 420 422 423 424 425 425 425 425 426 426 426 426 427 427
15 15.1
429
15.5 15.6 15.7 15.8 15.9 15.10 15.11 15.12
Vorbereitungen zur Narkose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Präoperatives Gespräch des Chirurgen mit dem Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einverständniserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nahrungskarenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Medikamentöse Narkosevorbereitungen des Patienten ⫺ Prämedikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allergien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Venenpunktionsschmerz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nahrungskarenz und Weiterführung einer Dauermedikation . . . Intravenöser Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tubusgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Basisüberwachungsprogramm bei Narkosen . . . . . . . . . . . . Blutvolumen ⫺ Blutverlust mit beginnender Schocksymptomatik Arten der Regionalanästhesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16 16.1 16.2
Antibiotikatherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 Definition der Antibiotika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 Indikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434
15.2 15.3 15.4
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
429 429 429 430 430 430 430 431 431 431 432 432
XX
Inhalt
16.3 16.3.1 16.3.2
Überblick der in Frage kommenden Antibiotika . . . . . . . . . . 435 Antibiotikatherapie ⫺ Dosierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 Besondere Hinweise für die Applikationen von Antibiotika im Kindesalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436
17 17.1 17.2 17.3 17.4 17.5 17.6 17.7 17.8 17.9 17.10 17.11 17.12 17.13 17.14 17.15 17.15.1 17.15.2 17.15.3 17.16
. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
438 438 438 439 440 441 442 442 442 443 443 444 445 445 445 447 447 447 447
17.16.1 17.16.2 17.16.3 17.16.4
Punktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Vorbereitungen zur Punktion . . . . . . . . . . . . Pleurapunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aszitespunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hämatompunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Punktion einer Hydrozele bei älteren Patienten . . . . . . . . Lumbalpunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kniegelenkspunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hüftgelenkspunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Punktion des oberen Sprunggelenks . . . . . . . . . . . . . . . Punktion des Schultergelenks . . . . . . . . . . . . . . . . . . Punktion des Ellenbogengelenks . . . . . . . . . . . . . . . . . Thoraxdrainagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostische Peritonealspülung . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollständig implantierbare zentrale Katheter ⫺ Port-A-CathSysteme oder Broviac-Katheter . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschreibung des Systems (Port-A-Cath) . . . . . . . . . . . . Implantationstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten der Implantation . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
. . . . .
449 449 449 450 452
18 18.1 18.2 18.3 18.3.1 18.3.2 18.3.3 18.3.4 18.3.5 18.3.6 18.3.7 18.3.8 18.3.9 18.3.10
Chirurgische Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgische Händedesinfektion . . . . . . . . . . . . . . . Vorbereitung des Operationsgebietes . . . . . . . . . . . . Lokalanästhesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lokalanästhesie als Leitungs- oder Infiltrationsanästhesie Kontraindikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung von Zwischenfällen bei der Lokalanästhesie . Symptomatik von Lokalanästhesie-Nebenwirkungen . . . Technik der Lokalanästhesie . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikation für eine Lokalanästhesie . . . . . . . . . . . . Oberst’sche Leitungsanästhesie an Fingern und Zehen . . Lokalanästhetikum im infizierten Bereich . . . . . . . . . Anwendung der Chloräthylsprays . . . . . . . . . . . . . . Anwendung von Oberflächenanästhetika . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . .
453 453 454 455 455 456 457 457 457 458 458 459 459 459
. . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . .
XXI 18.4 18.5 18.5.1 18.5.2 18.5.3 18.5.4 18.5.5 18.6 18.6.1 18.6.2 18.6.3 18.6.4 18.6.5 18.7 18.7.1 18.7.2 18.7.3 18.7.4 18.8 18.9 18.10 18.10.1 18.10.2 18.10.3 18.11 18.12 18.12.1 18.12.2 18.13 18.14 18.15 18.15.1 18.15.2 18.16 18.17 18.18 18.19 18.19.1 18.19.2 18.19.3 18.20 18.21 18.22 18.23 18.24
Abdecken des Operationsgebiets . . . . . . . . . . . . . . . . . Nahtmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Empfohlenes Nahtmaterial für Kinder . . . . . . . . . . . . . . Empfohlenes Nahtmaterial für Erwachsene . . . . . . . . . . . Instrumentarium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikation für eine atraumatische Naht . . . . . . . . . . . . . . Fadenmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technik der Hautnaht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfache Knopfnähte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blair-Donati-Naht (evertierende Naht) . . . . . . . . . . . . . . Intrakutane Naht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausstülpende U-Naht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technik des Knotens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der einfache Knoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der chirurgische Knoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Knoten mit dem Instrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entfernen des Nahtmaterials . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hautklebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbandtechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wundverband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bindenverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ruhigstellende Verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Narbenmanagement ⫺ Narbenprophylaxe und Narbentherapie Esmarch’sche Blutleere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intragluteale Injektionstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intravenöse Injektionstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Venae sectio / Subklaviapunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Infusionstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intrakardiale Injektionstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . Implantation von bioabbaubaren Patches . . . . . . . . . . . . Tracheotomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tracheotomia superior . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Koniotomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schockposition, Antiaspirationsstellung bei Bewusstlosen . . . . Präoperative Lagerung der Patienten . . . . . . . . . . . . . . . Katheterismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paraphimose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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461 461 461 462 462 463 464 465 465 466 466 467 467 467 467 468 470 471 471 472 473 473 474 478 479 480 480 480 481 482 484 484 484 485 486 486 487 487 487 488 488 489 489 491 493
XXII
Inhalt
18.25 18.26 18.27
Vorhaut im Reißverschluss fixiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 Hautschnitte ⫺ Schnittführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 Wunddrainagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495
19 19.1 19.1.1 19.1.2 19.1.3 19.1.4 19.1.5 19.1.6 19.1.7 19.1.8 19.1.9 19.1.10 19.1.11 19.1.12 19.1.13 19.1.14 19.1.15 19.1.16 19.1.17 19.1.18 19.1.19 19.2 19.3 19.4 19.5 19.6
Diagnostische Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Röntgentechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wichtige technische Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . Schädelaufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufnahmen der Wirbelsäule . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufnahmen der Rippen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sternumaufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klavikulaaufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schultergelenksaufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ellenbogengelenksaufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufnahmen von Handgelenk und Finger . . . . . . . . . . . Thoraxaufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beckenaufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abdomenübersichtsaufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . Hüftgelenksaufnahmen und Aufnahmen des Schenkelhalses Oberschenkelaufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kniegelenksaufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterschenkelaufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Knöchel- und Sprunggelenksaufnahmen . . . . . . . . . . . Mittelfuß- und Zehenaufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . CT-Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kernspintomographie/Magnetresonanztomographie . . . . . Sonographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endoskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thermographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20
Anhang: Normalwerte, Schnelltests, Infusionslösungen, Nahtmaterial, Schmerzdiagnostik, Laseranwendung, Proktologie Referenzbereiche für die Notfalldiagnostik (geordnet in alphabetischer Reihenfolge) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blutbild-Referenzwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Referenzwerte der Blutgasanalyse im arteriellen Blut . . . . . . Blutdruck-Referenzwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stufen der evidenzbasierten Medizin . . . . . . . . . . . . . . . Schnell- und Suchtests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Harn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stuhl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblick über die wichtigsten Infusionslösungen und ihre Indikationsgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20.1 20.2 20.3 20.4 20.5 20.6 20.6.1 20.6.2 20.6.3 20.7
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
496 496 496 496 497 498 498 499 499 499 499 500 500 500 500 500 501 501 501 501 502 502 504 504 505 506
. 508 . . . . . . . . .
508 509 510 510 511 511 511 512 512
. 513
XXIII 20.8 20.9 20.9.1 20.9.2 20.9.3 20.9.4 20.9.5 20.9.6 20.9.7 20.9.8 20.9.9 20.9.10 20.9.11 20.9.12 20.9.13 20.9.14 20.9.15 20.9.16 20.9.17 20.9.18 20.10 20.10.1 20.10.2 20.10.3 20.11 20.11.1 20.11.2 20.11.3 20.11.4 20.11.5
Nahtmaterial bei chirurgischer Erstversorgung . . . . . Vom Symptom „Schmerz“ zur Diagnose . . . . . . . . Kopfschmerz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Halsschmerzen nach Wirbelsäulenunfällen . . . . . . . Schulterschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ellbogenschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Handgelenksschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brustschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oberbauchschmerzen rechts . . . . . . . . . . . . . . . Oberbauchschmerzen links . . . . . . . . . . . . . . . . Mittelbauchschmerzen rechts . . . . . . . . . . . . . . Mittelbauchschmerzen links . . . . . . . . . . . . . . . Unterbauchschmerzen rechts . . . . . . . . . . . . . . Unterbauchschmerzen links . . . . . . . . . . . . . . . Skrotalschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lendenschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rückenschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hüftschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kniegelenksschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fußgelenksschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lasereinsatz bei chirurgischen Erstversorgungen . . . . Definition und Eigenschaften des Lasers . . . . . . . . Lasertypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Laserindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonders zu beachtende Hinweise bei proktologischen Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rektumpolyp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rektumprolaps/Analprolaps . . . . . . . . . . . . . . . Sphinkterachalasie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Analfissur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Analfistel/Analabszess . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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516 517 517 517 517 517 518 518 519 519 519 519 519 520 520 520 520 521 521 522 522 522 522 523
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525 525 526 528 529 529
Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533
1 Wundbehandlung
1.1 Ziel der Behandlung Heilung per primam intentionem (p. p.-Heilung), d. h. Wundheilung ohne Infektion (Phlegmone, Abszess, Wundstarrkrampf, Tollwut, Gasbrand) mit kosmetisch unauffälliger Narbe. Dies erreicht man durch: 1. Beseitigung von Keimen, Fremdkörpern und nekrotischem Gewebe aus der Wunde, durch exakte Friedrich’sche Wundexzision bzw. Wundkürettage und Spülung. 2. Verhütung einer Sekundärinfektion (Heilung per secundam intentionem, p. s.-Heilung) durch frühzeitige und spannungsfreie Readaptation der gesäuberten Wundränder. Dadurch erreicht man nach Abschluss der Wundheilung ein optimales funktionelles und kosmetisches Ergebnis. 51 % aller Wunden sind keimfrei. Die primäre Keimbesiedlung von Wunden besteht zu 20 % 15 % 8% 6%
aus aus aus aus
Gasbrand/Tetanus, Koli/Proteus/Pseudomonas, Staphylokokken, Bacteroides fragilis.
1.2 Sofortmaßnahmen Reanimation und Schockbehandlung haben immer absolute Priorität vor einer Wundversorgung. Beachte: Einverständniserklärung In jedem Fall ist eine präoperative Aufklärung des Patienten über den geplanten operativen Eingriff bzw. über die Form der Lokalanästhesie, über die Art des Eingriffes und über mögliche postoperative Komplikationen schriftlich festzulegen. Bei Kindern unter 18 Jahren ist die Einverständniserklärung der Eltern einzuholen.
2
1 Wundbehandlung
Jede Wundversorgung macht einen detaillierten OP-Bericht notwendig. 1. Vor jeder Wundversorgung immer Anamnese über den Unfallhergang erheben, um über die Art der Verletzung und Mitverletzung anderer Organe Aufschluss zu bekommen. 2. Vor jeder Wundversorgung Überprüfung von Motorik, Sensibilität und Durchblutung. 3. Bei Kindern vor jeder Untersuchung eine Chloralhydrat- oder Diazepam-ratiopharm“ Zäpfchen (0,5⫺0,8 mg/kg KG) zur Beruhigung verabreichen. 4. Eine Prämedikation ist in der Regel bei chirurgischen Eingriffen in Lokalanästhesie nicht notwendig. Handelt es sich hierbei jedoch um besonders ängstliche Patienten oder um Kinder und Jugendliche, so kann vor dem Eingriff eine Infusion angelegt und ca. 25⫺30 Minuten vorher ein Sedativum, z. B. Diazepam 5⫺10 mg i. v., verabreicht werden. Kurz vor dem Eingriff kann dann noch zusätzlich intravenös 1⫺2 mg/kg KG Tramadol-ratiopharm“ verabreicht werden. Die Prämedikation bei Operationen in Allgemeinnarkose erfolgt durch den Anästhesisten. 5. Verhinderung einer Sekundärinfektion durch eine adäquate Propyhlaxe: ⫺ Abnehmen des Verbandes erst dann, wenn anschließend die Möglichkeit einer operativen Versorgung gegeben ist. ⫺ Anlegen von Mundschutz, Kopfbedeckung, Plastikschürze und OP-Handschuhen (Peha-Taft). Die meisten Gelegenheitswunden sind frei von Eitererregern. Die Sekundärinfektion erfolgt durch unsachgemäße Behandlung der Wunde und durch Keime, die von außen an die Wunde herangetragen werden. 6. Vorbereitung des Wundgebietes für die Wundversorgung durch 2⫺ 3-malige Desinfektion (s. Abschn. 18.4). Ein 1⫺3 cm breiter Saum im Bereich der behaarten Kopfhaut muss rasiert werden, um später einen rutschfesten Schutzverband anlegen zu können. 7. Kleine, oberflächliche Schürfwunden (Erosionen) werden nach Wundreinigung mit physiologischer NaCl-Lösung und gegebenenfalls anschließender Applikation von Nebacetin-Spray steril, trocken und rutschfest verbunden. Bei allen Wunden größeren Ausmaßes geht man folgendermaßen vor: Stark verschmutzte Wunden werden präoperativ durch 0,9 %ige NaCl-Lösung gereinigt. Im Ope-
1.2 Sofortmaßnahmen
3
rationsbereich sollen je nach Alter des Patienten und Lokalisation der Wunde bzw. des Operationsgebietes die Haare entfernt werden. Dies kann präoperativ durch einen Einmalrasierer oder Applikation eines Haarentferners, z. B. Pilca“-Creme, erfolgen. Im Bereich der Augenbraue ist das Entfernen der Haare kontraindiziert. Nach erfolgter Haarentfernung kann ein endgültiges Entfernen abrasierter Haarteile durch Abtupfen mit einem Tape oder Pflasterstreifen erfolgen. Lange, nicht abrasierte Haare können aus dem Operationsfeld durch Anlegen von Operations-Tapes weggehalten werden. 8. Lagerung: Der operative Eingriff, ob in Lokalanästhesie oder in Narkose sollte immer am liegenden Patienten durchgeführt werden. Bei Operationen in Lokalanästhesie muss dafür gesorgt werden, dass das Abdecktuch im Kopfbereich so angebracht ist, dass der Patient damit nicht zugedeckt wird, sondern ungehindert atmen und den Kopf bewegen kann. Es ist weiterhin zweckmäßig, dass der Patient präoperativ seine Blase entleert hat. Bei operativen Eingriffen am Arm und an der Hand erfolgt eine gesonderte Lagerung der oberen Extremität auf einem Handtisch. Bei operativen Eingriffen an der Peripherie der Extremitäten ist darauf zu achten, dass die Hand bzw. der Unterarm, der Fuß und der Unterschenkel so desinfiziert und abgedeckt werden, dass sie jederzeit, ohne die Sterilität zu gefährden, angehoben und bewegt werden können. 9. Assistenz durch die Schwester: Vorbereitung des Operationstisches mit Nahtmaterial, Instrumenten und Abdeckfolien erfolgt durch die OP-Schwester. Fehlt eine Schwester, so wird die Lokalanästhesie vor der Händedesinfektion mit sterilen Handschuhen durchgeführt. In diesem Fall ist es wichtig, dass alles, was während der Operation benötigt wird, auf dem sterilen, abgedeckten Instrumententisch bereitgelegt ist, bevor die Handschuhe angezogen werden. Präoperativ sollen, wenn hierfür eine Indikation besteht, kleine Formalinbehälter für die Aufnahme von Biopsiematerial bzw. Abstrichröhrchen für bakteriologische Untersuchungen vorbereitet sein. 10. Anziehen der sterilen Gummihandschuhe: Nach erfolgter Händedesinfektion öffnet man die in sterilem Papier verpackten Gummihandschuhe. Zunächst wird der linke Handschuh angezogen (siehe Symbol auf den verpackten Handschuhen). Hier wird der im Handgelenk umgeschlagene linke Handschuh mit dem rechten Daumen und den Fingern so angefasst, dass man mit der linken Hand und gespreizten Fingern den linken Handschuh anziehen kann. Der Bund
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1 Wundbehandlung
des Gummihandschuhs wird dann über den Bund des Armes des sterilen Kittels gestülpt. Analog wird mit dem Anziehen des Gummihandschuhs auf der rechten Seite verfahren. 11. Lokalanästhesie (siehe auch unter Punkt 9): als Leitunganästhesie mit z. B. 1⫺2 % Xylonest“ oder als Infiltrationsanästhesie mit 0,5⫺ 1 % Xylonest“. Dann einige Minuten warten, bis die gewünschte Wirkung eintritt. 12. Abdecken: Abdecken des Operationsfeldes erfolgt durch sterile Tücher, Schlitztücher und durch Einmaltücher. Bei Operationen an der unteren Extremität bzw. an der Hand ist der Operationstisch bzw. der Handtisch zunächst mit einer wasserundurchlässigen Gummifolie und anschließend mit sterilen Abdecktüchern abzudecken. In vielen Fällen ist es notwendig, das Operationsfeld, insbesondere bei Kindern, mit Operations-Tapes steril einzugrenzen. Tuchklemmen sollten nicht verwendet werden, da die Einstichstellen nach der Operation schmerzhaft sind und Narben hinterlassen. Wenn die Tuchklammern nur dazu dienen, die Tücher selbst zusammenzuhalten, so kann es hierdurch leicht zu Verschiebungen, zum Verrutschen und damit zur Unsterilität kommen. 13. Operative Wundversorgung im Sinne einer Friedrich’schen Wundexzision innerhalb der ersten 6⫺8 Stunden nach der Verletzung (Abb. 1-1). An erster Stelle steht die Suche nach Fremdkörpern und ihre Entfernung sowie die Exzision bzw. die Kürettage von verschmutztem, devitalisiertem Gewebe mit Schere bzw. Skalpell, scharfem Löffel und Pinzette. Anschließend Wundexzision nach Friedrich im engeren Sinne, deren Ausmaß je nach Lokalisation wechselt; sparsame Wundexzision an den Fingern und im Gesicht. Aus topographisch-anatomischen Gründen kann deshalb oft die praktisch mögliche Wundversorgung der klassischen Friedrich’schen Wundausschneidung nicht entsprechen.
Abb. 1-1 Operative Wundversorgung.
1.2 Sofortmaßnahmen
5
Die Exzision hat im gesunden Gewebe zu erfolgen und darf nicht nur auf den Wundrand beschränkt sein. Richtig durchgeführte Wundexzision zeigt an allen Wundflächen frisches, gesundes Gewebe. Anfrischen der Wundränder ohne Exzision durch Kürettage mit scharfem, kleinem Löffel ist bei allen oberflächlichen, nicht verschmutzten, glattrandigen Wunden (Schnittwunden) erlaubt. 14. Es ist wichtig, sich einen genauen Überblick über die Wunde (Tiefe, Ausdehnung, Taschenbildung) zu verschaffen; nur so kann man verborgene Fremdkörper und Glassplitter erkennen und beseitigen und die Mitverletzung tiefer gelegener Schichten und Organe feststellen. Besonders wichtig: Gute, gezielte Beleuchtung durch die Schwester einstellen lassen und selbsthaltenden Wundhaken verwenden, wenn keine Assistenz verfügbar ist. 15. Spülen und Reinigen der Wunde mit physiologischer NaCl-Lösung, gegebenenfalls bei verschmutzten Wunden mit Nebacetinlösung“ (1 Flasche a` 0,1 g in 10 ml 0,9 % NaCl), um eine klare Übersicht im Wundbereich zu erhalten. Beachte: Verwendung von Wasserstoffperoxid als lokale Wundspülung ist kontraindiziert. Es gibt Komplikationen, wo es nach dieser Spülung zu irreversiblen Durchblutungsstörungen mit Thrombosen, Nekrosen und an den Extremitäten zu Gefäßverschlüssen gekommen ist. Wasserstoffperoxid soll aus der Praxis und aus der Poliklinik entfernt werden. 16. Sofortiger primärer Wundverschluss (Hautnaht) innerhalb der ersten 6⫺8 Stunden, maximales Zeitintervall 12 Stunden zur Verhütung einer Sekundärinfektion. Primäre Naht von Nerven, größeren Gefäßen und Strecksehnen. Hautnaht locker anlegen, Zug und Spannung vermeiden, was in besonderem Maß für die Handchirurgie gilt. Bei tiefen Wunden wenige subkutane, invertierende Nähte anlegen. Bei primär verschmutzten Wunden eine Minidrainage einlegen, um später infiziertes Wundsekret abzuleiten. Nahtmaterial: Atraumatisches Nahtmaterial, besonders für die Handchirurgie, bei Kindern und im Gesicht (Prolene 4-0 bis 7-0). Schleimhautwunden werden mit Vicryl versorgt (Ethicon). Alle übrigen Wunden können mit nicht-atraumatischen Nahtmaterial versorgt werden. Die Lokalanästhesie kleinster Bezirke erfolgt mit Xylocain“-Spray. Bei Wunden und Kopfschwartenwunden mit starker Blutungstendenz kann ein Drain zur Entlastung eingelegt und ein
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1 Wundbehandlung
Kompressionsverband angelegt werden. Bei flächenhaften oberflächlichen Schürfwunden, bei denen eine Wundnaht nicht angelegt werden kann, erfolgen eine Wundreinigung und ein Kompressionsverband mit Nebacetin“-Salbe. Beachte: Darf ein Fadenmaterial einmal oder mehrmals zur Naht verwendet werden? Nur einmal: wegen der Gefahr der Verschleppung der Infektion, wenn die Naht im sichtbar infizierten Bereich gesetzt wurde. Mehrmals: wenn saubere Wundverhältnisse und keine lokalen Infekte vorliegen. 17. Wundexzision und primäre Naht sind verboten, ⫺ wenn entzündliche Veränderungen sichtbar sind (6⫺8 Stunden Intervall überschritten; äußerste Grenze 12 Stunde). Operative Wundversorgung würde den Leukozytenwall zerstören und die Gewebsspalten für virulente Erreger öffnen. Man begnügt sich in solchen Fällen mit der Abtragung oberflächlicher Nekrosen ohne typische Wundexzision. ⫺ bei Wunden, aus denen Fremdkörper nicht restlos entfernt wurden. ⫺ bei taschenreichen Wunden, bei denen aus topographisch-anatomischen Gründen die erforderliche Friedrich’sche Wundexzision nicht möglich ist. ⫺ bei Berufsverletzungen von Personen, die mit infektiös-organischem Material (hochinfektiöse Keime) Kontakt haben (Chirurgen, Pathologen usw.). Wundexzision, aber kein primärer Wundverschluss. ⫺ wenn Bisswunden (gefährliche Mischinfektionen, tiefe Quetschungen) oder tiefe Stichverletzungen vorliegen. Wundexzision, aber kein primärer Wundverschluss. Hier gibt es Ausnahmen vor allem im Gesicht, am Hals und an den Händen. Exakte Wundreinigung, Wundspülung und lokale Applikation von Antibiotika sind notwendig. Primäre Wundnaht ist dann erlaubt. Intravenöse Antibiotikaapplikation empfehlenswert; täglich Wundkontrollen. Bei beginnender Abszessbildung Eröffnen der Wunde durch Entfernen von einigen Nähten und lokale Applikation von Kompressen, getränkt mit 3 %iger NaCl-Lösung im 3⫺5-stündigem Wechsel (osmotische Wundreinigung). ⫺ bei Kriegswunden und stark verschmutzten Wunden bei Verkehrsunfällen (hochinfektiöse Keime). Besondere Sorgfalt bei
1.2 Sofortmaßnahmen
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Riss-Platz-Wunden über dem Knie- und Ellenbogengelenk, da hier wegen des Unfallmechanismus meist starke Kontamination und Fremdkörperinkorporation vorliegen. Bei Eröffnung der Bursa erfolgt Exzision. Unerlässlich sind Sondierung, Wunddebridement, Spülung, Beurteilung von Sehnen, Gefäßen, Nerven und Knochen. Bei offenen Gelenksverletzungen und Eröffnung von Körperhöhlen Durchführung eines primären Wundverschlusses. Primäre Wundnaht ist nicht möglich. Was ist zu tun? In Fällen, bei denen eine primäre Naht kontraindiziert ist, wird eine primär verzögerte Naht zwischen dem 3. und 6. Tag durchgeführt. Bis dahin ⫺ muss ein ungestörter Sekretabfluss aus der Wunde nach außen gewährleistet sein. Ein luftdichter Salbenverband ist kontraindiziert. ⫺ müssen lokale Umschläge, angefeuchtet mit 0,9 % bzw. 3 % Kochsalzlösung, appliziert werden. ⫺ muss bei größeren Wundhöhlen ein Drain eingelegt werden. ⫺ muss der betreffende Gliedabschnitt ruhiggestellt werden (Ruhigstellung durch Gipsverbände (Cellona) einschließlich benachbarter Gelenke; s. Abschn. 12.1). ⫺ können Antibiotika je nach Lokalbefund, vor allem bei tiefen Penetrations- und Risswunden und bei Wundkontamination mit organischem Material, verabreicht werden. Bei Bisswunden und bei den erwähnten Berufsverletzungen ist eine Wundexzision, soweit möglich, innerhalb der erlaubten Zeitspanne gestattet, die primäre Naht ist gelegentlich erlaubt. Die primär verzögerte Naht wird zwischen dem 3. und 6. Tag ohne erneute Anfrischung der Wundränder durchgeführt, wenn entzündliche Veränderungen fehlen. Nach dem 3. Tag ist ein invasiver Infektionsprozess, der von der Wunde ausgehen könnte, nicht zu befürchten. Nach der Wundversorgung: Reinigung des Wundbereichs und Entfernung von Blutresten. Jeder Verband (Master-Aid“) muss ⫺ steril, ⫺ trocken, ⫺ rutschfest angelegt sein. Bei Wunden an Fingern und größeren Wunden an den übrigen Extremitäten muss eine Ruhigstellung und Hochlagerung erfolgen. Bei
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starker Schwellungstendenz Durchführung abschwellender Maßnahmen (lokale Kühlung, Hochlagerung auf Braun’scher Schiene). ⫺ Proxen Tabletten: Erwachsene 3 ⫻ 500 mg, Kinder 2⫺3 ⫻ 10 mg/ kg KG. ⫺ ASS⫹C-ratiopharm“: Erwachsene 1⫺2 Tbl., Kinder ½⫺1 Tbl. ⫺ Traumanase forte: Erwachsene 3 ⫻ 3 Tbl., Kinder 2⫺3 ⫻ 1 Tbl. Auch bei kleineren Wunden sollte, nachdem man einen sterilen Schutzverband, z. B. einen Stülpa-Verband, angelegt hat, eine kurzfristige Ruhigstellung erfolgen. 22. Immer die Frage der Tetanusprophylaxe klären! 23. Alle oberflächlichen Schürfwunden werden nach entsprechender Wundsäuberung und Reinigung mit einer Salbkompresse (z. B. Fucidine-Gaze) verbunden. Bei stark sezernierenden Wunden wird zur Aufnahme der Wundsekrete über die Kompresse eine Saugauflage (Master-Aid“) verwendet. Man beachte besonders die im folgenden Abschnitt aufgeführten Faktoren, um einen ungehinderten Heilungsverlauf zu gewährleisten.
1.3 Wichtige Faktoren für den Heilungsablauf 1.3.1 Lokale Faktoren 1. Alle Nekrosen und Fremdkörper müssen bei der Wundversorgung entfernt werden. 2. Blutende Gefäße müssen vor Wundverschluss ligiert, koaguliert oder durch kurzfristiges Abklemmen verschlossen sein; Verband muss unter leichter Kompression angelegt sein. Hämatome und Serome verzögern den Wundheilungsvorgang und begünstigen die sekundäre Wundinfektion. 3. Wundränder sollen durch Instrumente nicht traumatisiert werden, um keine Nekrosen zu riskieren bzw. Ödeme im Wundheilungsgebiet zu begünstigen. 4. Wundränder dürfen nicht unter zu starke Zugspannung gesetzt und müssen exakt adaptiert werden. 5. Verband muss zur Vermeidung einer Infektion steril, trocken und rutschfest angelegt sein (p.-s.-Heilung). 6. Ruhigstellung des versorgten Körperabschnitts durch Immobilisation (schnell abbindende Gipsbinden, Cellona) oder Bettruhe und Hochlagerung (antiödematöse Maßnahme).
1.4 Behandlung von speziellen Weichteilverletzungen
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1.3.2 Allgemeine Faktoren Bei ausgedehnten und multiplen Weichteilverletzungen: 1. Beseitigung von Hypoptroteinanämien (katabole Sauerstoffwechsellage) durch kalorien- und eiweißreiche Kost, gegebenenfalls unterstützt durch Bluttransfusion und Infusion von Humanalbuminlösungen (Behringwerke). 2. Beseitigung von Anämien, Flüssigkeits- und Elektrolytstörungen durch kausale Maßnahmen. 3. Beseitigung von Hypovitaminosen (Vitamin C trägt zur Kollagenbiosynthese bei) durch Applikation von ca. 1000 mg Vitamin C (Vitamin C-ratiopharm“) für 4⫺5 Tage bei Erwachsenen und 250⫺500 mg bei Kindern. Im Säuglingsalter ist die einmalige Gabe von 5 mg (200 000 E) Vitamin D (Vigantol) indiziert. 4. Vitamin-K-Mangel begünstigt Hämatome und gefährdet die Wundheilung (1 mg/kg KG Konakion p. o. oder i. v., max. 20 mg an drei aufeinanderfolgenden Tagen). 5. Vitamin A fördert die Wundepithelialisierung. 6. Vermeidung von Glukokortikoidapplikation, da sie katabol wirkt, die fibroblastische Tätigkeit hemmt und die Abwehrkräfte gegen Bakterientoxine blockiert. 7. Immunsuppressiva, Zytostatika, Hypoxie, zu viel Nahtmaterial mit mehr als drei Knoten pro Faden und zu tiefe subkutane Nähte (Fettnekrose) verzögern die Wundheilung ebenfalls.
1.4 Behandlung von speziellen Weichteilverletzungen 1.4.1 Verletzungen am Auge 1. Bei Verletzungen der Augenbraue werden zunächst die ersten Nähte durch die Augenbraue gesetzt, eine Rasur der Haare erfolgt nicht. 2. Bei Augenlidverletzungen erfolgt keine Exzision der Haut, da sonst ein unvollständiger Lidschluss mit Gefahr der Hornhautschädigung durch Austrocknung droht. 3. Bei Verletzungen im inneren Augenwinkel muss darauf geachtet werden, dass der Tränengang nicht eingeengt wird. Konsiliararzt hinzuziehen.
1.4.2 Ohrenverletzungen 1. Bei Verletzungen der Ohrmuschel erfolgt eine Infiltrationsanästhesie der Haut mit ganz dünner Nadel (Insulinnadel).
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2. Posttraumatische Hämatome der Ohrmuschel sollen punktiert werden, andernfalls kommt es zu einer bindegewebigen, postoperativen Organisation des Hämatoms mit Deformierung des Ohres.
1.4.3 Verletzungen der Wange 1. Bei tiefen Verletzungen der Wange ist auf Verletzungen des Nervus facialis und des Ductus parotideus zu achten, die bei stark verschmutzten Wunden nicht primär, sondern sekundär rekonstruiert werden müssen (im OP-Bericht vermerken). 2. Bei tiefen Verletzungen ist die Wunde genau zu revidieren, um Verletzungen der Mundschleimhaut zu erkennen und entsprechend zu versorgen. 3. Eine Markierung des Nervus facialis nach traumatischer Durchtrennung soll nicht erfolgen, da bei späterer Rekonstruktion ein Auffinden des Nervus facialis in der Regel keine Schwierigkeiten bereitet und durch die Markierungsnähte wertvolle Nervenareale verloren gehen können. Auch hier ist es wichtig, diesen Befund im OP-Bericht zu dokumentieren.
1.4.4 Mundverletzungen 1. Bei Verletzungen der Lippen ist auf eine stufenfreie Readaptation der Wundränder im Lippenbereich zu achten. Orientierung ist die Grenze des Lippenrots. An dieser Linie muss die erste Naht gesetzt werden (Hautnaht 5-0 atraumatisch monophiles Nahtmaterial). 2. Nahtmaterial im Mund mit 4-0 Dexon oder Vicryl. 3. Catgut ist ungeeignet, da dieses Nahtmaterial im Mund quillt und seine Reißfestigkeit unter Speicheleinwirkung zu früh verliert.
1.4.5 Verletzungen des Halses 1. Bei Durchtrennung der Vena jugularis externa erfolgt eine einfache Gefäßligatur. 2. Bei Stichverletzungen sind Begleitverletzungen von Ösophagus, Trachea, Arteria carotis genau zu überprüfen (Wundrevision, Endoskopie von Trachea und Ösophagus). Bei Carotisverletzungen ist eine spezielle gefäßchirurgische Revision und Gefäßversorgung indiziert.
1.4.6 Weichteilverletzungen des Thorax 1. Bei tiefen Läsionen des Thorax, insbesondere bei perforierenden Thoraxverletzungen mit der Gefahr einer Lungenverletzung darf kein
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luftdichter Verband angelegt werden (Gefahr des Spannungspneumothorax). Ein solcher Verband ist nur dann indiziert, wenn gleichzeitig eine Bülau-Drainage angelegt wird. 2. Lagerung des Verletzten auf der verletzten Seite und sofortiger Transport in die Klinik. 3. In situ befindliche perforierende Fremdkörper bleiben zunächst liegen und werden im Operationssaal entfernt.
1.4.7 Weichteilverletzungen des Abdomens 1. Bei allen Stichverletzungen und tieferen Verletzungen der Bauchdecke erfolgt eine genaue Revision der Wundhöhle in Narkose. 2. Bei perforierenden Verletzungen, die in das Abdomen reichen, ist in jedem Fall eine Laparotomie/Laparoskopie mit Revision der Bauchhöhle indiziert.
1.4.8 Verletzungen der Schleimbeutel Betroffen sind in erster Linie die Bursa olecrani und die Bursa praepatellaris. 1. Bei jeder Wundrevision in diesen Bereichen muss die Intaktheit der Schleimbeutel überprüft werden. 2. Bei der Revision in diesem Bereich ist es immer ratsam, eine Blutsperre anzulegen. Es ist in der Regel zweckmäßig, die Bursa bei Verletzungen in toto zu entfernen. 3. Ruhigstellung des betroffenen Gelenks für 8⫺10 Tage.
1.4.9 Stichverletzungen der Fußsohle 1. Revision der Wunde mit Entfernung des eingetretenen Fremdkörpers. 2. Wundreinigung und Wundspülung mit 0,9 %iger NaCl-Lösung. Wasserstoffperoxid ist kontraindiziert (s. o.). Bei Stichverletzungen, die nicht älter als 8 Stunden sind, primäre Wundnaht. Bei Wunden die älter sind, bleibt die Wunde offen und wird alle 6 Stunden mit einem feuchten Verband (3 %ige Kochsalzlösung ⫺ osmotische Wundreinigung) versehen. 3. Ruhigstellung auf einer Schiene. 4. Anlegen einer Infusion und Antibiotikaapplikation.
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1.4.10 Eingewachsene Zehennägel Definition Diese Bezeichnung entspricht nicht dem eigentlichen Entstehungsmechanismus. Betroffen ist am häufigsten die große Zehe in ihrem medialen und lateralen Abschnitt. Die Ursachen sind häufig zu enges Schuhwerk und falsche Nagelpflege, wobei die seitlichen Nagelpartien zu kurz abgeschnitten werden. Verantwortlich für die Beschwerden ist der Druck des seitlichen Nagelwalls gegen den scharfkantigen Nagelrand mit chronischer Entzündung und Wuchern der Weichteile von der Seite her über den Nagel. Anhaltender Druck von der Seite verursacht Ulzerationen und eine chronische Infektion. Konservative Maßnahmen 1. Vermeidung von zu engem Schuhwerk. 2. Gerades, horizontales Abschneiden des Zehennagels (senkrecht zur Seitenkante) und der außerhalb des Nagelwalls im Freien die Zehenkuppen überragenden Nagelenden, so dass die lateralen Kanten des Nagels frei sind. 3. Anlegen von feuchten Verbänden mit 0,9 %iger Kochsalzlösung. 4. Lokale Applikation von antibiotischen Salben und antibiotischen Lösungen nach vorausgegangener antibakterieller Austestung. Operative Maßnahmen In den allermeisten Fällen reicht die konservative Therapie nicht aus. Eine absolute Indikation ist immer bei rezidivierenden Infekten und Phlegmonen gegeben. Die Operation erfolgt in folgenden Schritten: 1. Keilexzision ausgehend vom Nagelrand und Nagelbett mit Entfernung der Nagelmatrix. 2. Entfernung des Nagels allein stellt keine kausale Therapie dar, da der hypertrophierte Nagelwall dabei belassen bleibt. 3. Der operative Eingriff erfolgt in Blutsperre an der Großzehenbasis. Die Anästhesie erfolgt in Form einer Oberst-Leitungsanästhesie oder in Allgemeinnarkose bei Kindern. 4. Im lateralen Drittel des Großzehennagels wird der Nagel unterfahren und längsgespalten mit gerader Schere. Dann erfolgt die keilförmige Exzision des darunter liegenden Nagelbettes mit dem sich darüber
1.4 Behandlung von speziellen Weichteilverletzungen
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vorwölbenden, seitlich angrenzenden Nagelwall bis auf den Knochen. 5. Anschließend erfolgt die Extraktion dieses Nagelteils und der Weichteile mit einer Klemme. 6. Dann wird ein Salbenstreifen eingelegt, die Wunde bleibt komplett offen, Nähte erfolgen nicht. Die Nagelmatrix ist im gesamten Bereich der exzidierten Stelle zu entfernen. Sie reicht viel weiter nach proximal als man häufig annimmt. Bleiben Anteile der Nagelmatrix bestehen, so sind sie häufig Ursache für Rezidive. Die Nachbehandlung besteht in Applikation eines Salbenverbandes, täglichem Verbandswechsel und Fußbad.
1.4.11 Bursitis Definition Schleimbeutel sind synoviale Polster zum Schutz exponierter Körperstellen gegen äußere mechanische Einflüsse. Sie sind besonders häufig Verletzungen, Infektionen und chronischen Reizen ausgesetzt. Am meisten gefährdet sind die subkutan gelegenen Schleimbeutel im Bereich des Ellenbogens (Bursa olecrani) und des Kniegelenks (Bursa praepatellaris und Bursa infrapatellaris). Posttraumatisch oder durch chronische Entzündung kann es dann zu einer Ergussbildung kommen. Chronische Reizzustände führen zu einer Schleimbeutelwandverdickung mit Ausbildung von Zotten und Strängen, die später auch als harte mobile Knoten zu tasten sind. Diagnostik 1. Sorgfältige Inspektion von Ellenbogen und Kniegelenk im Hinblick auf Verletzungen. 2. Bei palpablen fluktuierenden Schwellungen genaue Anamnese erstellen im Hinblick auf vorausgegangene Verletzungen bzw. berufsbedingte Belastungen. 3. Bei akuter Bursitis: Druck- und Bewegungsschmerz, Rötung und Überwärmung. 4. Röntgen-Übersichtsaufnahme in zwei Ebenen zum Ausschluss alter Frakturen mit freien Gelenkkörpern. 5. Punktion und Aspiration des Schleimbeutelergusses und Untersuchungen des Punktates: ⫺ bakteriologischer Nachweis mit Resistenzbestimmung,
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⫺ Ausschluss einer Tuberkulose, ⫺ rheumaserologische Untersuchungen, ⫺ Nachweis von Harnsäure im Punktat. Konservative Maßnahmen 1. Kompressionsverband und Ruhigstellung des betroffenen Gelenkes auf einer Schiene, um die Resorption von Erguss bzw. Hämatom zu beschleunigen. 2. Falls keine ausreichende Rückbildung innerhalb von 3⫺4 Tagen erfolgt, so ist die Indikation zur Punktion unter streng aseptischen Voraussetzungen gegeben. 3. Anschließend erfolgt erneut ein Kompressionsverband und Ruhigstellung für 10⫺14 Tage. 4. Bei der eitrigen Bursitis ist zusätzlich eine Infusion mit Antibiotika anzulegen. Operationsindikationen 1. Traumatische Eröffnung der Bursa als Begleitverletzung. 2. Akute, eitrige Bursitis und akute abszendierende Bursitis. 3. Rezidivierende chronische Bursitis, insbesondere bei Vorliegen von Verkalkungen und zahlreichen freien flottierenden Körpern im Gelenk. Operative Maßnahmen 1. Die Exstirpation des Schleimbeutels wird entweder in Infiltrationsanästhesie oder in Plexusanästhesie oder Vollnarkose durchgeführt. 2. Inzisionslinie am Ellenbogen: bogenförmige Schnittführung um das Olecranon auf der radialen Seite, nicht auf der ulnaren Seite (Nervus ulnaris). 3. Inzision über dem Kniegelenk: medial oder lateral längs verlaufender Bogenschnitt, der je nach Ausdehnung der Bursa nach oben oder nach unten verlängert werden kann. 4. Abpräparieren des Haut-Subkutis-Anteils en-bloc von der Oberseite der Bursa. Die Haut wird mit scharfen Häkchen nach oben gehalten und die Bursa davon abpräpariert. 5. Abpräparieren der Bursa von ihrer Basis, die auf ihrer Unterlage, z. B. an der Olecranonspitze, relativ fest anhaftet. Es ist zweckmäßig, daß die Bursa möglichst geschlossen herauspräpariert wird, um so eine möglichst komplette Exzision zu sichern.
1.5 Wundinfektionen
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6. Nach Entfernen der Bursa erfolgt eine Reinigung der Wunde mit physiologischer Kochsalzlösung, anschließend wird eine Drainage eingelegt. Beachte: 1. Die dünne Haut über der Bursa ist immer nekrosegefährdet und schlecht durchblutet. Hier kommt es insbesondere auf eine atraumatische Präparation an. 2. Die Bursa sollte mit dem Skalpell so dicht wie möglich an der Schleimbeutelseite herauspräpariert werden, damit möglichst viel Subkutangewebe am Hautlappen verbleibt. 3. Eine unwillkürliche Öffnung der Haut wird mit einer dünnen atraumatischen Naht wieder verschlossen. Nachbehandlung Für die Dauer von 6⫺10 Tagen sollte ein Kompressionsverband angelegt werden. Die Redon-Drainage kann am dritten Tag entfernt werden, die Entfernung der Fäden erfolgt zwischen dem 14. und 21. Tag.
1.5 Wundinfektionen 1.5.1 Einleitung Ursachen Häufige Erreger von Wundinfektionen: 1. 2. 3. 4. 5.
Proteus Pyozyaneus E. coli Staphylococcus Klebsiella
Beachte: Bei allen infizierten Wunden Dreifachabstrich durchführen: 1. bakteriologisch 2. mykologisch 3. virologisch Begünstigende Faktoren einer Wundinfektion 1. Sterilitätsfehler bei der Wundversorgung. 2. Ungenügende Wundsäuberung bei stark verunreinigten Wunden.
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3. Nicht lege artis durchgeführte Friedrich-Wundexzision mit Belassen von Nekrosen und Gewebematerial. 4. Zurücklassen von Fremdkörpern in der Wunde durch unzureichende Wundrevision. 5. Zu dickes Nahtmaterial, zu viele Knoten, Nähte zu locker geknüpft, Nahtmaterial zu lang abgeschnitten (Fadenfistel). 6. Fehlende Drainage bei taschenreichen Wunden (PMMA-Ketten-Implantation bei primär infizierter Wunde). Leitsymptome 1. 2. 3. 4. 5.
Wundrötung (rubor) Wundschwellung (tumor) lokale Überwärmung (calor) lokaler Schmerz (dolor) Funktionseinschränkung (functio laesa)
Infektionen nehmen ihren Ursprung von stark verschmutzten Wunden mit ausgedehnten Weichteilnekrosen und taschenreichen Wunden. In jedem Wundareal kann es zu einer Vermehrung gramnegativer Keime und zu einer Mischinfektion kommen. Neben den allgemeinen klinischen Zeichen der Infektion kann bei putriden Entzündungen ein deutlich tastbares Knistern im Gewebe und in der Wundumgebung als Zeichen einer Gasbildung durch Anaerobier zu beobachten sein. Allgemeine Richtlinien zur Therapie 1. Eröffnung der Wunde, mit 3 %iger NaCl-Lösung angefeuchtete Verbände anlegen, dadurch wird aufgrund des osmotischen Druckgefälles eine Wundreinigung erzielt. 2. Entfernen von Nekrosen und devitalisiertem Gewebe bis zum gesunden Gewebe oder Kürettage. 3. Gewährleistung von Luftzutritt zu der gesamten Wundoberfläche. 4. Lokale und parenterale Antibiotikatherapie: z. B. Ampicillin-ratiopharm“, Piperacillin-ratiopharm“.
1.5.1 Furunkel, Karbunkel, Phlegmone, Abszess Definitionen Furunkel: umschriebene, akut eitrige Entzündung eines Haarbalges und seiner Talgdrüse als schmerzhafter bohnen- bis walnussgroßer Knoten
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mit gelblichem Zentrum und zentralem Eiterpropf. Als Erreger kommen meist Staphylokokken, seltener Streptokokken in Frage. Treten mehrere Furunkel gemeinsam auf, so spricht man von einer „Furunkulose“. Im Rahmen der Furunkulose muss immer ein Diabetes ausgeschlossen werden. Karbunkel: Hierbei handelt es sich um eine Gruppe von mehreren, dicht beieinander stehenden Furunkeln, die bis handtellergroß sein können. Abszess: Eiteransammlung in einer nicht vorgebildeten, allseitig abgeschlossenen Höhle. Der Abszess weist eine Fluktuation auf. Der Abszess ist von einer Abszessmembran umgeben. Man unterscheidet einen „heißen Abszess“, der mit einer akuten Entzündung und Fieber einhergeht und einen „kalten Abszess“, der bei chronischer Entzündung meist tuberkulös bedingt ist. Die häufigsten Formen von Abszessen sind: appendizitischer Abszess, Abszess im Douglas-Raum, Leberabszess, Hirnabszess, Iliakalabszess, intraabdomineller Schlingenabszess, paranephritischer Abszess, periproktitischer Abszess, Peritonsillarabszess, Lungenabszess, retromamillärer Abszess, retropharyngealer Abszess, subphrenischer Abszess, axillärer Schweißdrüsenabszess. Phlegmone: flächenhaft fortschreitende eitrige Entzündung des Zellgewebes. Häufige Erreger sind hämolysierende Streptokokken.
Diagnostik 1. Erhebung eines genauen topographisch-anatomischen Lokalbefundes 2. Untersuchung der Topographie der Entzündung in Bezug auf die Umgebung des Gewebes (Gesicht, Nacken, Achselhöhle, Leistengegend, Gesäß) 3. Ultraschalldiagnostik 4. Differentialblutbild und BSG 5. Ausschluss einer Leukämie 6. Ausschluss eines Diabetes durch Blutzuckerbestimmung Beachte: Bei Kindern kommt häufig nach einer Impfung eine einschmelzende abszedierende Lymphadenitis der Leistengegend oder in der Achselhöhle vor.
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Konservative Therapie Sie ist indiziert bei der Follikulitis und bei entzündlichen Infiltrationen ohne eitrige Einschmelzung. Es erfolgen Ruhigstellung, feuchtkalte Umschläge und Verbände mit antibiotischen Salben. Zugsalben sollen nicht appliziert werden, da daraus sehr leicht ein Abszess entstehen kann. Oberflächliche Eiterblasen können ohne Lokalanästhesie mit der Pinzette abgetragen werden und werden anschließend feucht verbunden. Bei Abszessen im Operationsbereich wird das Nahtmaterial entfernt, die Wunde gespreizt, der Eiter abgelassen, eine Lasche oder ein Streifen eingelegt und die Wunde mit einem feuchten Verband mit 3 %iger Kochsalzlösung für 3⫺4 Tage verbunden, wobei der Verband alle 3 Stunden gewechselt wird. Operative Therapie Jede eitrige Einschmelzung im Sinne eines Abszesses, eines Furunkels und eines Karbunkels wird durch Inzision und Gegeninzision in Lokalanästhesie oder in Allgemeinnarkose operativ versorgt. Die Inzision hat sich den jeweiligen lokalen Verhältnissen anzupassen, soll aber in der Regel nicht unter 10 mm lang sein und die Brücke ebenfalls eine Breite von 10 mm nicht unterschreiten. Abszessmembranen und abszedierende Lymphknoten müssen entfernt werden, sonst kann die Infektion rezidivieren. In allen Fällen erfolgen eine Spülung der Abszesshöhle, eine Entfernung von Nekrosen und eine bakteriologische Untersuchung. Beachte: Bei Infektionen im Gesichtsbereich droht die Gefahr einer Verschleppung von Bakterien über Gesichtsvenen in den Sinus cavernosus mit dort eintretender Sinus-cavernosus-Thrombose. Es ist eine sorgfältige Entleerung des Eiters durch Inzision zu erreichen, wiederholte Manipulationen wie Ausdrücken der Eiterblase sind daher kontraindiziert. In diesem Fall sind eine Infusion und eine lokale antibiotische Therapie angezeigt mit stationärer Behandlung.
1.5.2 Gasbrand Definition Hierbei handelt es sich um eine besondere Form der putriden Infektion, bedingt durch den Gasbrandbazillus Clostridium perfringens (anaerobes Bakterium, bildet 12 Toxine). Die Infektion kommt bevorzugt vor bei Weichteilverletzungen mit Hohlräumen, Nekrosen und tiefer greifen-
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den Wundläsionen. Diese Unfälle ereignen sich häufig in der Landwirtschaft: Verletzungen und Eindringen von Holzteilen und Erde in die Weichteile. Auch bei Schussverletzungen und ausgedehnten Verletzungen im Straßenverkehr ist mit Gasbrand zu rechnen. Diagnosestellung: Histologie von myolytischem Muskelgewebe, anaerobe Blutkulturen. Leitsymptome 1. Ausgeprägte Schmerzhaftigkeit im Bereich der Wunde (Myonekrosen). 2. Ausgedehntes Ödem im Wundbereich (Gewebszerstörung durch Toxine). 3. Bei Palpation stellt man ein Knistern im Wundbereich als Ausdruck der Gasbildung im Gewebe fest (Gasbildung durch Eiweißzerfall und Freisetzung von Kohlenwasserstoff und Kohlensäure). 4. Gründlich-bräunlich verfärbte oder schmutzige braun-grau verfärbte Haut im Bereich der Wunde, vor allem im Bereich des Wundrandes durch Haemolysin und Hyaluronidase. 5. Sekretion von bräunlich-wässrigem Exsudat mit charakteristischem Fäulnisgeruch als Ausdruck einer Mischinfektion durch Zerstörung der Zellmembranen durch Lezithinasen und Desoxyribonukleasen. 6. Im Röntgenbild sieht man spindelförmig länglich konfigurierte Luftareale, die zwischen den einzelnen Muskelfasern lokalisiert sind. 7. Regionale Lymphknoten sind geschwollen und schmerzhaft. 8. Im fortgeschrittenen Stadium deutliche Zeichen der Benommenheit und Zeichen einer schweren Intoxikation: Zyanose, fahle, blasse Gesichtshaut, hämolysebedingter Ikterus und Anämie. Beachte: Bei Gasbrand ist die erhebliche Diskrepanz zwischen dem Lokalbefund und dem Allgemeinbefund besonders charakteristisch. Die Schwere des Krankheitsbildes ist bedingt durch die Toxineinschwemmung der Gasbranderreger in die Blutbahn. Inkubationszeit: 24⫺72 Stunden, in seltenen Fällen wird eine Inkubationszeit bis zu 30 Tagen beobachtet. Die Letalität liegt bei 40⫺60 %. Bei foudroyantem Verlauf letale Ausgänge bereits nach 5⫺10 Stunden möglich. Sofortmaßnahmen Breiteste Eröffnung mit operativer Entfernung sämtlicher nekrotischer Gewebeanteile und Exzision bis in die gesunden Wundareale, Fasziotomie zur Gewebsdekompression.
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Bei Frakturen mit Gasbrandinfektion sind je nach Lokalbefund mehrere Drainagen anzulegen, in Extremfällen ist eine Amputation in Betracht zu ziehen. Behandlung der Gasbrandinfektion durch hyperbaren Sauerstoff (3 bar Sauerstoff, hyperbare Oxygenation): Dadurch wird den anaeroben Gasbranderregern ihre Lebensgrundlage, nämlich der anaerobe Zustand entzogen, so dass es relativ rasch zu einem Rückgang der Infektion kommt. Dazu ist eine vorübergehende Sauerstoffüberdruckbehandlung notwendig. Zur Neutralisation des Toxins wird ein polyvantes Antitoxin der Fa. Behringwerke verabreicht. Antibakterielle Therapie mit 20 Mega Ampicillin-ratiopharm“ i. v.
1.5.3 Tollwut Erreger Es handelt sich dabei um Rhabdoviren, die von allen warmblütigen Wirbeltieren mit manifester Erkrankung auf den Menschen übertragen werden können. Die Viren befinden sich im zentralen Nervensystem, im Speichel, im Urin und auch in der Milch der Tiere. Die Übertragung erfolgt durch Biss oder durch das Belecken von kleineren Hautverletzungen oder Epitheldefekten, z. B. Schürf- oder Kratzwunden.
Inkubationszeit 1⫺4 Monate, Extremwerte sind 10 Tage bis 1 Jahr. Die Letalität liegt zwischen 60⫺80 %.
Leitsymptome 1. Uncharakteristische Prodomalerscheinungen wie Kopfschmerz, Appetitmangel. 2. Schluckbeschwerden, Spasmen im Larynx-Pharynxbereich, Widerwillen gegen Aufnahme von Flüssigkeit, Schlingkrämpfe. 3. Vermehrte Speichelsekretion. 4. Motorische und sensible Ausfälle mit unterschiedlicher Lokalisation. 5. Im späteren Verlauf Symptome einer akuten Enzephalitis (konvulsive und paralytische Formen mit gesteigerter Reflexerregbarkeit).
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Symptome, die auf Tollwut hinweisen 1. Ungewohnt aggressive Haustiere, die mit wilden Tieren oder verendetem Wild vorher in Kontakt gekommen sind. 2. Auffallend zahme Tiere in der freien Wildbahn. 3. Charakteristisch ist der starke Speichelfluss der Tiere. 4. Gefährdet ist jeder, der von einem Tier ohne ersichtlichen Anlass in einem tollwutverseuchten Gebiet gebissen worden ist. Diagnostik 1. Es besteht bis jetzt keine Möglichkeit, beim Menschen nach entsprechender Bissverletzung die Verdachtsdiagnose Tollwut zu sichern. 2. Bei entsprechend begründetem Verdacht auf eine Übertragung muss immer eine Impfung und eine Lokaltherapie durchgeführt werden (s. u.). 3. Die Sicherung der Diagnose geschieht immer durch den Tierversuch. Histologisch lassen sich dabei im Gehirn der Tiere die sog. NegriKörperchen nachweisen. 4. Weiterhin lässt sich die Diagnose durch einen Fluoreszenz-Antikörpertest im Hirngewebe innerhalb von 24 Stunden stellen. Bei positivem Ausfall ist jedoch die Diagnose nicht hundertprozentig sicher. Deshalb sollte ein verdächtiges Tier nicht sofort getötet, sondern beobachtet werden. Bleibt es 10 Tage, bei Katzen und Hunden 5 Tage, symptomlos, so kann Tollwut mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Stirbt das Tier, so muss die histologische Untersuchung des Gehirns in einem entsprechenden Institut durchgeführt werden. Impfung 1. Aktive Impfung mit Humandiploid-Zell-Vakzine (HDC-Vakzine): Dabei handelt es sich um auf menschlichen fibroblastischen Gewebekulturen gezüchtete und inaktivierte Viren. Dosierung: 1 ml i. m. (Fläschchen mit Trockensubstanz für 1 ml Lösung). 2. Passive Immunisierung (humanes Rabies-Immunoglobulin): z. B. Hyperab“ (Fläschchen zu 2 ml und 10 ml mit 150 I. E. pro ml). Dosierung: 20 I. E./kg KG; davon soll die Hälfte i. m. gespritzt werden, die andere Hälfte wird lokal um die Wunde infiltriert. Die passive Immunisierung wird ausschließlich als Simultanimpfung durchgeführt.
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1 Wundbehandlung
Impfprophylaxe 1. Präexpositionelle Impfung bei erhöhtem Risiko z. B. bei Veterinärmedizinern, Tierpflegern und Förstern. Impfplan HDC-Vakzine 1 ⫻ 1 ml an 3 Tagen im Abstand von je 28 Tagen (1. Tag, 29. Tag und 57. Tag). Alternative: Vier Injektionen an den Tagen 1, 2, 4 und 22. Der Impfschutz hält 3⫺5 Jahre an, die Auffrischimpfung wird alle 3 Jahre empfohlen. 2. Postexpositionelle Impfung bei: ⫺ Biss durch sicher tollwütiges Tier. ⫺ Biss durch ein tollwutverdächtiges Tier, das kurze Zeit nach dem Biss eingeht. ⫺ Biss durch ein Tier ohne ersichtlichen Grund in tollwutverseuchtem Gebiet. ⫺ Bissverletzungen bei Kindern, wenn über den Unfallhergang keine Angaben zu gewinnen sind. ⫺ Personen, die Hautverletzungen aufweisen und mit Sekreten tollwütiger Tiere in Kontakt gekommen sind. ⫺ Personen, die mit Tierleichen unbekannter Todesursache, insbesondere mit Wild, in Kontakt gekommen sind. Impfplan bei fehlender Immunität Impfung mit 1,0 ml HDC-Vakzine an den Tagen 1, 4, 8, 15, 31 und 91 durchführen. In all diesen Fällen ist gleichzeitig eine passive Immunisierung mit Tollwut-Immunglobulin erforderlich. Bei vorhandener Grundimmunisierung, die nicht länger als 3 Jahre zurückliegt, erfolgen zwei Auffrischimpfungen am Tag 1 und 11. Liegt die Grundimmunisierung weniger als 1 Jahr zurück, so genügt eine einzige Impfung. Lokalbehandlung 1. Das kontaminierte Areal muss bei Tollwutverdächtigen zunächst mit Wasser und Seife gereinigt werden. Anschließend erfolgt die Desinfektion nicht nur der Haut in der unmittelbaren Umgebung, sondern der Wunde selbst mit Desinfektionsmitteln wie 40⫺70 %igem Alkohol, Merfen“ oder einer 0,1 %igen Lösung einer Ammoniumverbindung (Cefirol). Inaktivierung des lipidhaltigen Virus. 2. Infiltration der Wunde mit Immunglobulin (homologes RabiesImunglobulin). Infiltration der Hälfte der errechneten Gesamtim-
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munglobulindosis, also von 10 I. E./kg KG in die Umgebung der Wunde. Eine passive Immunisierung und eine postexpositionelle aktive Immunisierung sind anzuschließen. 3. Die Bisswunde soll grundsätzlich exzidiert und nicht genäht werden. In jedem Fall ist auch eine Überprüfung der Tetanusimmunisierung durchzuführen. Jeder Tollwutverdacht ist meldepflichtig.
2 Tetanusprophylaxe und Initialtherapie bei Frischverletzten
2.1 Erreger Clostridium tetani, ein streng anaerober Sporenbildner (Trommelschlegelform), von dessen Toxinen die krankheitsauslösende Wirkung herrührt.
Tetanospasmin (verursacht Krämpfe) Tetanustoxin Tetanolysin (verursacht Hämolyse)
2.1.1 Inkubationszeit Sie beträgt 24 Stunden bis 60 Tage, in der Mehrzahl der Fälle 4⫺14 Tage; je kürzer der Zeitraum vom Beginn erster Symptome bis zum Vollbild des Tetanus (tonisch-klonische Krämpfe), desto gefährlicher und schwerer die Erkrankung. Letalität 30⫺40 %. Eine durchgemachte Infektion mit Clostridium tetani hinterlässt keine Immunität, Zweiterkrankungen sind möglich.
2.1.2 Vorkommen Der Erreger kommt ubiquitär vor. Clostridium tetani lebt auch im Darm von Rindern und Pferden parasitär und wird mit deren Kot ausgeschieden. Kinder sind besonders gefährdet, erkranken aber seltener als Erwachsene. Mit einer Tetanusinfektion muss grundsätzlich bei allen Bagatellverletzungen der Haut und der Schleimhaut, bei allen tiefen, verschmutzten Wunden, bei allen Straßenunfällen und Landwirtschaftsinfektionen, sowie bei Verbrennungen und Erfrierungen gerechnet werden. Beachte: bei Kindern besondere Tetanusgefährdung durch Verbrennungen, Nabelinfektionen, Bagatellverletzungen an den Extremitäten.
2.2 Leitsymptome
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2.1.3 Pathogenese Schädigung der motorischen Vorderhornzellen auf hämatogenem Weg oder entlang der Perineuralscheide oder entlang der Achsenzylinder (drei Theorien). Schädigung der motorischen Endplatten der peripheren Nerven wird angenommen.
2.2 Leitsymptome Risus sardonicus ⫽ Facies tetanica, Trismus (Kieferklemme), Opisthotonus Schweregrad II: generalisiert tonisch-klonische Krämpfe mit Priorität der befallenen Muskeln; Kau-, Gesichts-, Nacken-, Rücken-, Extremitätenmuskulatur Schweregrad III: Spasmus der Zwerchfell- und Atemmuskulatur, Dyspnoe, Ateminsuffizienz Leitsymptom: Spasmen der Kau- und Gesichtsmuskulatur Schweregrad I:
2.2.1 Prophylaxe Alle Maßnahmen, die im Verletzungsfall zur Tetanusprophylaxe ergriffen werden, können das Risiko der Tetanuserkrankungen vermindern, jedoch nicht mit genügender Sicherheit völlig ausschließen. Da sich jeder Bagatellverletzungen zuziehen kann, soll die Tetanusprophylaxe durch eine Grundimmunisierung erreicht werden. Bei allen Weichteilverletzungen ist die frühzeitige Wundausschneidung (innerhalb der ersten 6 Stunden) die sicherste Tetanusprophylaxe. Die zwei Kardinalfragen bei tetanusprädisponierten Patienten (keine Tetanusimpfung ohne Klärung dieser Fragen anhand des Impfpasses oder durch die Patienten): 1. Ist der Patient gegen Tetanus grundimmunisiert (mindestens drei Impfungen)? Impfpass zeigen lassen! 2. Wann ist die letzte Impfung gegen Tetanus verabreicht worden? Die Beantwortung dieser Fragen ergibt die Richtlinien für das prophylaktische Vorgehen. Sobald die Bindung des Tetanustoxins an die Nervensubstanz erfolgt ist, ist jede Prophylaxe erfolglos. Man kennt drei Maßnahmen: ⫺ aktive Immunisierung ⫺ passive Immunisierung ⫺ Simultanimpfung
26
2 Tetanusprophylaxe und Initialtherapie bei Frischverletzten
2.3 Aktive Immunisierung Impfung mit einem Tetanus-Adsorbatstoff (Tetanustoxoid), z. B. Tetanol“, zum Aufbau der Immunität.
2.3.1 Vorgehen im Verletzungsfall vorausgegangene Injektionen mit Tetanol (lt. Impfausweis) in vorschriftsmäßigen Abständen
Abstand zur letzten Injektion am Verletzungstag
keine 1 1 1 2 2
⫺ bis 2 Wochen 2⫺8 Wochen über 8 Wochen bis 2 Wochen 2 Wochen bis 6 Monate 6⫺12 Monate über 12 Monate bis 5 Jahre 5⫺10 Jahre über 10 Jahre
2 2 3 3 3
am Verletzungstag Tetagam Tetanol 250 IE. i. m. 0,5 ml i. m.
Abstände zu weiteren Injektionen mit Tetanol (0,5 ml i. m.) zur Vervollständigung des aktiven Schutzes
gleichzeitig an kontralateralen Körperstellen
2⫺4 6⫺12 alle 10 Jahre Wochen Monate (Auffrischimpfung)
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2.3.2 Grundimmunisierung
Im Abstand von 6⫺12 Wochen 2. Impfung; nach 6⫺12 Monaten 3. Impfung; Auffrischimpfung alle 10 Jahre.
2.3.3 Auffrischimpfung
2.5 Simultanimpfung
27
Indikation: Bei Kindern im 4., 5. oder 6. Monat als Schutzimpfung im Rahmen der Dreifach- bzw. Vierfach-Impfung. Bei Erwachsenen sog. Freiwilligen-Impfung nach obigem Schema. Immunisierung der Mutter (zwei Impfungen im Abstand von 6 Wochen) am Anfang der 2. Schwangerschaftshälfte verhindert Neugeborenen-Tetanus. Nur einmal Geimpfte sind als Nichtgeimpfte zu betrachten, da ausreichender Schutz erst nach mindestens zwei Injektionen (besser drei Injektionen) zu erwarten ist (Grundimmunität). Sie lässt sich im Verletzungsfall innerhalb der folgenden 10 Jahre zu einem rechtzeitigen Schutz auffrischen. Indikation zur Auffrischimpfung: Patienten, die eine vollständige Grundimmunisierung haben und deren Verletzung sich innerhalb der daran anschließenden 10 Jahre ereignet. Durch die Wiederauffrischung (Booster-Injektion) wird ein ausreichender Antitoxintiter erreicht. Sicherer Schutz ist ein Antitoxintiter von 0,01 I. E./ml, dieser wird auch über einen Zeitraum von 4 Wochen nach Applikation von 250 I. E. homologen Antitoxins (Tetagam“) gewährleistet.
2.4 Passive Immunisierung Die passive Serumprophylaxe allein wird heute nicht mehr angewendet. Die Simultanimpfung, das ist die gleichzeitige Verabreichung von homologem Antitoxin (Tetagam“) und Tetanustoxoid (Tetanol“), ist die beste Methode zum Schutz nichtimmunisierter bzw. nichtgrundimmunisierter Verletzter. Da dem tierischen Serum als Fremdeiweiß das Risiko bekannter Nebenreaktionen wie Serumschock, Serumkrankheit, Sensibilisierung anhaftet, ist dieses heterologe Antitoxin zur Erzielung eines Sofortschutzes abzulehnen. Das heterologe Serum besitzt eine vergleichsweise kürzere Halbwertszeit, somit einen weniger lang anhaltenden Schutz. Diese Nachteile sowie das bei einer Simultanimpfung mit heterologem Serum auftretende schutzlose Intervall werden durch das Tetanus-Hyperimmunglobulin beseitigt bzw. überbrückt.
2.5 Simultanimpfung Die kombinierte aktive und passive Immunisierung ist der beste Schutz nicht oder unvollständig immunisierter Verletzter. Beachte: Impfung auf der kontralateralen Seite.
28
2 Tetanusprophylaxe und Initialtherapie bei Frischverletzten
Erwachsene und Kinder erhalten 250 I. E. Hyperimmunglobulin (Tetagam“). Durch die passive Zufuhr von Antikörpern ist ein Schutz von 4 Wochen gegeben.
Die zweite Impfung im Rahmen der Grundimmunisierung erfolgt am 14. Tag zu einem Zeitpunkt, wo die aktive Immunkörperbildung einsetzt. Dadurch wird der passive Schutz bei gleichzeitig eingeleiteter aktiver Immunisierung lückenlos in einen bleibenden Schutz übergeführt; die dritte Impfung (vollständige Immunisierung) erfolgt frühestens 6 Wochen, spätestens 12 Monate nach der Verletzung. Indikation zur Simultanimpfung: Nur diese Simultanimpfung ist als Sofortmaßnahme für den nicht-immunisierten Frischverletzten vertretbar. Kontraindikationen bestehen keine. Beachte: 1. Nach Pockenerst- und BCG-Impfung ist eine Impfsperrfrist von 6 bzw. 12 Monaten einzuhalten. 2. Mit nicht ausreichender Antitoxinbildung durch Toxoidgabe ist bei Störungen im Immunsystem, Strahlenschäden und Patienten mit großen Eiweißverlusten (Verbrennungen, Blutverlust) zu rechnen. Hier sind wiederholte Applikationen von Tetanusimmunglobulin indiziert. 3. Keine Impfung durchführen, ohne einen Impfpass auszustellen bzw. die vollzogene Impfung in den bereits angelegten Impfpass einzutragen!
2.6 Therapeutisches Vorgehen bei Tetanus Die wichtigste Sofortmaßnahme in der Tetanusprophylaxe ist die sorgfältige Wundbehandlung in Form der Friedrich’schen Wundexzision. Tetanuserreger können in inaktiver Form jahrelang im Gewebe liegen-
2.5 Simultanimpfung
29
Tab. 2-1 Tetanus-Prophylaxe bei Verletzung nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO); Stand: Juli 2003. (aus: Pschyrembel“, Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter, Berlin, 2004; mit freundlicher Genehmigung von B. Stück, Berlin). Anzahl der Vorimpfungen
saubere, geringfügige Wunden Td oder DT1)
alle anderen Wunden Td oder DT
TIG5)
unbekannt 0⫺1 2 x3
ja ja ja nein3)
ja ja ja nein4)
ja ja nein2) nein
1
) Kinder unter 6 Jahren DT, ältere Personen Td (d. h. Tetanus-Diphterie-Impfstoff mit gegenüber dem DT-Impfstoff verringertem Diphterietoxidgehalt) 2 ) ja, wenn die Verletzung länger als 24 Stunden zurückliegt 3 ) ja (eine Dosis), wenn seit der letzten Impfung > 10 Jahre vergangen sind 4 ) ja (eine Dosis), wenn seit der letzten Impfung > 5 Jahre vergangen sind 5 ) Tetanus-Immunoglobulin (im Allgemeinen 250 I. E.)
bleiben und bei Operationen aktiviert werden. Deshalb: Bei jeder Entfernung von Splittern Überprüfung des Tetanusschutzes und ggf. vorher eine entsprechende Impfung durchführen. 1. Behandlung der tetanusinfektionsverdächtigen Wunde durch Wundexzision (s. o.), Wunde breit eröffnen und offen lassen. 2. Bekämpfung der Krämpfe je nach Stadium durch Diazepam-ratiopharm“. Bei stärkeren, schweren und unvermittelt auftretenden Spasmen und Konvulsionen: Intubation, Relaxieren, Beatmung, Tracheotomie. 3. Neutralisierung des etwa noch nachgebildeten und noch ungebundenen, im Blut kreisenden Tetanustoxins durch Applikation einer einmaligen Dosis von 10 000 I. E. (bei Kindern je nach Alter 5⫺ 10 000 I. E.) Tetanusantitoxin (Tetagam-Hyperimmunglobulin) sowie durch Verabreichung von jeweils 3000 I. E. an den folgenden Tagen. 4. Sicherung einer hochkalorischen Ernährung (4000⫺5000 kcal) entweder über eine weiche Ernährungssonde oder durch Einleitung einer Dauertropfinfusion, ca. 2500⫺3000 ml bei Erwachsenen und bei Kindern 80⫺130 ml/kg KG/d, zur Deckung des Kalorienbedarfs, des Flüssigkeits- und Elektrolytbedarfs (Baxter Infusionslösungen) sowie Humanalbuminlösung. Vorsicht vor Überwässerung bei Säuglingen. 5. Verhütung und Bekämpfung von Infekten durch Antibiotika, je nach Schwere des Falles. Antibiotika sind gegen die vegetativen Formen der Tetanuserreger wirksam, nicht gegen die Sporen oder gegen das
30
2 Tetanusprophylaxe und Initialtherapie bei Frischverletzten
Tetanustoxin. Hauptindikation sind Sekundärinfektionen. Kortikosteroide während der ersten Tage, bei Erwachsenen 50 mg, bei Kindern 1⫺3 mg/kg KG. Wirkung fraglich. 6. Zur Vermeidung von Stressulzera Ranitidin-ratiopharm“ i. v. als H⫹Blocker; 20 mg/kg. 7. Allgemeine pflegerische Maßnahmen: Das Grundprinzip besteht im Fernhalten jeglicher Reizmomente; Patienten sollen ruhig, dunkel und kühl untergebracht werden. Wichtig ist die Freihaltung der Atemwege durch wiederholte Bronchialtoilette (Absaugen, Bronchiallavage). Alle Patienten müssen auf einer Intensivstation überwacht werden.
3 Blutstillung bei Blutungen traumatischer Genese
3.1 Blutungstypen 3.1.1 Primär traumatisch bedingte Blutungen Blutung nach außen ⫺ venös ⫺ arteriell Blutung nach innen ⫺ intraabdominelle Blutung ⫺ intrathorakale Blutung ⫺ intrakranielle Blutung ⫺ retroperitoneale Blutung ⫺ interstitielle Blutung (z. B. Lunge) ⫺ Kontusionshämatome ⫺ Frakturhämatome
3.1.2 Sekundäre Blutungen Spätblutung Sekundäre Blutung durch Lösung des Thrombus, nachdem zunächst durch körpereigene Sofortmaßnahmen die Blutung zum Stillstand gekommen war. Nachblutung Nachträgliche Blutung nach chirurgischer Versorgung einer Wunde. Beachte: Bei allen sekundären Blutungen muss ein vollständiger Blutgerinnungsstatus einschließlich der Bestimmung des Faktor XIII bestimmt werden, um mögliche Gerinnungsstörungen als Ursache der Blutung kausal zu behandeln.
32
3 Blutstillung bei Blutungen traumatischer Genese
3.2 Allgemeine Vorbemerkung zur Blutstillung Eine Blutstillung als Sofortmaßnahme bei Blutungen nach außen setzt voraus, dass man: 1. die Blutungsquelle/den Blutungstyp erkennt, 2. den Gefäßstamm komprimieren kann, 3. das blutende Gefäß abdrücken und dann chirurgisch versorgen kann. Stufenweise Versorgung einer Blutung: 1. Provisorisch: Ziel jeder Sofortmaßnahme zur Behebung der Blutung ist es, die Blutungsquelle zum Stehen zu bringen, gleichgültig auf welche Art und Weise. 2. Vorbereitend: Therapie schockgefährdeter Patient (s. Abschn. 4.7). Blut verabreichen, im Notfall Blutgruppe 0 rh negativ, Blutkonserven kreuzen. 3. Vorbereitung zur Operation (definitive Versorgung der Blutungsquelle).
3.3 Sofortmaßnahmen bei venösen Blutungen 3.3.1 Anzeichen Blut ist dunkel, geringe oder keine Pulsation im Bereich der Blutungsquelle.
3.3.2 Vorgehen Direkte, örtliche Blutstillung durch sofortige Kompression mit sterilen Kompressen. Ein frisches Taschentuch ist praktisch steril zur sofortigen Blutstillung am Unfallort. Lagerung des betreffenden Abschnitts über Herzhöhe und damit Verminderung der Schwerkraft der Blutsäule. Diese Lagerung zur Verminderung der Blutungstendenz bei Läsionen im venösen Bereich ist bei herznahen Venen (Hals, Oberarme), in denen ein Sog herrscht, wegen der Entstehung von Luftembolien nicht angebracht. 1. Bei stark blutenden Wunden wird mit Kompressen und Druckverband die Blutung eingedämmt. Eine venöse Blutung steht vorübergehend immer durch Kompression oder an unzugänglichen Stellen, z. B. unterhalb des Leistenbandes, durch Tamponade. Entscheidend ist die rasche operative Versorgung stark blutender Gefäße. Blutungen aus Venen distal des Ellenbogengelenks oder Kniegelenks, kleine intrathorakale oder abdominelle Venen werden durch Gefäßligatur zum
3.4 Sofortmaßnahmen bei arteriellen Blutungen
33
Stillstand gebracht. Größere Venen sollen immer rekonstruiert werden. Bei kritischem Blutverlust (s. Abschn. 4.3⫺4.5) müssen Blutersatzmittel (z. B. Expafusin“) oder ungekreuztes Blut der Blutgruppe 0 rh negativ verabreicht werden. Abklemmen von größeren venösen Gefäßen soll nach Möglichkeit unterbleiben, da dadurch zusätzlich eine Gefäßwandläsion gesetzt und die Gefäßrekonstruktion erschwert wird. 2. Bei eher diffusen Blutungen und Blutungen geringen Grades wird ein steriler, komprimierender Schnellverband (Idealhaftbinden z. B. Idealast“) angelegt. Wenn eine Unterbindung nicht möglich ist, erfolgt eine passagere Blutstillung durch Kompressionsverband bei gleichzeitiger Hochlagerung der Blutungsquelle. Beachte: Geschlossene Venenverletzungen können zu lokalisierten Thrombosen führen. Hier ist dann nach Erstellung bildgebender Verfahren eine venöse Thrombektomie angezeigt.
3.4 Sofortmaßnahmen bei arteriellen Blutungen Austritt von hellrotem Blut, das aus der Verletzungsstelle des Gefäßes spritzt oder stoßweise herauspulsiert. 1. Direkte Blutstillung durch Abklemmen: Bei allen breit offenen Wunden, bei denen man das lädierte Gefäß sehen oder durch lokale Kompression kurz sichtbar gemacht werden kann, versucht man, das Gefäß, wenn es sich um ein kleines Gefäß handelt, mit einer Gefäßklemme zu fassen. Da dies meist nicht gelingt, erfolgt die 2. indirekte Blutstillung durch Gefäßkompression digital oder instrumentell: Die Gefäßkompression erfolgt immer proximal der arteriellen Blutungsquelle. Die mechanische Gefäßkompression kann durch ⫺ pneumatische Binde, ⫺ Dreieckstuch, ⫺ maximale Beugung entsprechender Körperabschnitte erfolgen. Gleichzeitiges Anheben der Blutungsquelle über Herzniveau vermindert das Blutungsausmaß. Sobald das Gefäß komprimiert ist, soll, um die Ischämie der Extremität nicht noch weiter zu verstärken, der betreffende Körperabschnitt flach gelagert werden. 3. Ist die Blutung durch Kompression der Arterie nicht zu stillen, so wird als Notmaßnahme am Unfallort die Kompression der Blutungs-
34
3 Blutstillung bei Blutungen traumatischer Genese
quelle durch kräftige und massive Drucktamponade (z. B. mit Taschentuch oder mit 50 ∞C heißen, durchfeuchteten, zusammengedrückten Kompressen) und gleichzeitige Hochlagerung der Blutungsquelle durchgeführt. Anlegen eines Druckverbandes mit elastischer Binde, dann als Zwischenlager ein Plastikkissen verwenden und nochmals Anlegen einer elastischen Binde (so genannter doppelter, isolierender Druckverband). Auch hier gilt: Abklemmen von größeren Gefäßen soll nach Möglichkeit unterbleiben, da dadurch zusätzlich ein durch die Klemme bedingter Gefäßschaden gesetzt wird, der die anschließende Gefäßrekonstruktion erschwert.
3.5 Durchführung der digitalen Gefäßkompression Eine erfolgreiche Arterienkompression ist an all den Stellen möglich, an denen das zu komprimierende Gefäß von nur wenigen Weichteilen bedeckt ist, dicht unter der Haut liegt und gegen ein knöchernes Widerlager gepresst werden kann (zur Topographie der Arterien siehe Abb. 3-1). Technische Durchführung der Kompression der 1. Arteria temporalis: durch Druck gegen das Os temporale; 2. Arteria facialis: durch Kompression der Arterie am Ramus mandibulae;
Abb. 3-1 Überblick über die Topographie der Arteria temporalis, Arteria facialis und Arteria carotis mit den Stellen, an denen eine Kompression erfolgt.
3.7 Durchführung der Arterienkompression
35
3. Arteria carotis: durch Daumendruck auf das Gefäß im Trigonum caroticum des Halses gegen die Halswirbelsäule, während die übrigen vier Finger den Musculus sternocleidomastoideus um den Hals umfassen; 4. Arteria subclavia: durch Abdrücken des Gefäßes hinter der Mitte der Klavikula gegen die 1. Rippe mit vier Fingern; 5. Arteria femoralis: durch Druck auf das Gefäß, indem beide Hände von oben her den Oberschenkel umfassen und beide Daumen das Gefäß in Höhe des Leistenbandes gegen das Os pubis drücken.
3.6 Durchführung der Arterienkompression durch Anlegen einer pneumatischen Binde Die Binde muss proximal der Blutungsquelle liegen, wobei der Manschettendruck knapp oberhalb des systolischen Blutdrucks liegen soll. Die Binde darf höchstens 1½⫺2 Stunden liegen bleiben.
3.7 Durchführung der Arterienkompression mit einem Dreieckstuch oder mit Idealhaftbinden Diese Art der Gefäßkompression ist vor allem bei Ober- und Unterarmblutungen indiziert (Abb. 3-2).
Abb. 3-2 Blutstillung durch mechanische Gefäßkompression.
36
3 Blutstillung bei Blutungen traumatischer Genese
Dabei wird das Dreieckstuch so gefaltet, dass es ca. 8 cm breit ist. Nun wird das Tuch auf die Hälfte zusammengelegt und in dieser Lage so um die Zirkumferenz des Oberarmes gelegt, dass schließlich die beiden Enden des Tuches durch die Umschlagstelle hindurch gezogen werden und in entgegen gesetzter Richtung unter entsprechendem Zug um die vorher gesetzte Tour laufen und anschließend gebunden werden.
3.8 Durchführung der Gefäßkompression durch maximale Beugung Diese Form der Blutstillung hat sich vor allem bei Blutungen aus der Ellenbeuge und Kniekehle bewährt. Vorgehen: ⫺ Extremität hochlagern; ⫺ in die Fossa poplitea oder cubiti eine oder mehrere Kompressen als Tamponade einlegen; ⫺ Gelenk dann in maximale Beugung bringen; ⫺ Fixation dieser Gelenkstellung mit Dreieckstuch oder elastischer Binde (Idealhaftbinde, z. B. Idealast“).
3.9 Definitive operative Versorgung rupturierter Arterien 3.9.1 Art der Gefäßläsion Grundsätzlich ist die Gefäßrekonstruktion an Hals, Oberarm, Ellenbeuge und Unterarmbereich sowie an Becken, Leistenbeuge, Kniekehle und Unterschenkel anzustreben. Die Rekonstruktion kann durch direkte Naht oder durch Interposition eines Saphenasegments (autologe Vene) erfolgen (Abb. 3-3). Eine Gefäßunterbindung größerer arterieller Gefäße sollte immer unterbleiben. Sie ist in jedem Fall kontraindiziert an den in Abb. 3-4 dargestellten Arterien des Oberarms, des Oberschenkels und der Kniekehle. Im Bereich der oberen und unteren Extremitäten gibt es drei Stellen, in deren Bereich eine Gefäßligatur zu einem funktionellen Durchblutungsstop des peripheren Gliedabschnitts infolge ungenügender Ausbildung des Kollateralkreislaufs führt. (Abb. 3-4). Möglichkeiten der Gefäßrekonstruktion bei Gefäßverletzungen: 1. Gefäßverletzungen durch Einriss oder Ausriss eines Gefäßabganges: direkte Naht, wenn die Gefäßstümpfe sich nach Resektion der verletzten Gefäßstrecke mobilisieren lassen und spannungsfrei eine Anastomose möglich ist.
3.9 Definitive operative Versorgung rupturierter Arterien
37
Abb. 3-3 (a) Arterienligatur. (b) Naht einer komplett rupturierten Arterie: Anlegen der beiden Eckfäden (Prolene 6-0), Nähte im Kindesalter Prolene 7-0 oder 8-0. Die Gefäßhinterwand wird fortlaufend genäht. An den Enden wird der Faden mit dem liegenden Eckfaden verknüpft. Analoges Vorgehen bei der Naht der Gefäßvorderwand. (c) Naht eines Gefäßlängsrisses, atraumatische Gefäßnaht mit Prolene.
Abb. 3-4 Arterien, die im Verletzungsfalle immer rekonstruiert werden müssen.
38
3 Blutstillung bei Blutungen traumatischer Genese
2. Subtotaler Einriss der Gefäßwand: Resektion und End-zu-End-Anastomose. 3. Axiale Verletzung des Gefäßes: Patcherweiterung des Gefäßes. 4. Verletzungen des Gefäßes über eine größere Strecke: Veneninterposition. Wenn eine spannungsfrei End-zu-End-Anastomose wegen langstreckiger Defekte der Arterien nicht möglich ist, erfolgt die Interposition einer körpereigenen Vene. Verwendet wird die Vena saphena magna der kontralateralen Seite.
3.9.2 Technik der Gefäßnaht Die Anastomose wird mit dünnen, atraumatischen Gefäßnahtmaterial (z. B. Prolene 6-0) durchgeführt. Die Naht erfolgt in evertierender Form, so dass Intima auf Intima zu liegen kommt. Nur bei ganz peripheren Gefäßverletzungen ist eine Ligatur der Gefäße indiziert, insbesondere dann, wenn es sich um keine funktionellen Endarterien handelt.
3.9.3 Weitere Versorgungsmaßnahmen 1. Hochdosierte Antibiotikatherapie i. v. (z. B. Amoxicillin-ratiopharm“). 2. Low-dose-Heparinapplikation (Heparin-Natrium-ratiopharm“) 10 000⫺ 15 000 I. E./24 h (2⫺3 Einzeldosen). 3. Geschlossene, nicht perforierende Arterienverletzungen (Erkennungszeichen: häufig bei Extremitätenfrakturen und Luxationen mit sekundärer peripherer Ischämie) werden häufig verkannt. Therapie: Probefreilegung, Überprüfung der peripheren Gefäßdurchgängigkeit mit Fogarty-Katheter und gegebenenfalls Entfernen von Thromben, Gefäßrekonstruktion. 4. Frühzeitige Diagnose traumatisch bedingter arteriovenöser Fisteln (Ursache: penetrierendes Trauma oder stumpfe Gewalteinwirkung von außen mit simultaner Verletzung von Arterie und Vene durch ein Knochenfragment). Leitsymptome sind: Ödem, ausgeprägte Varikosis, tastbarer schwirrender Tumor mit Hyperthermie, auskultatorisch systolisches Dauergeräusch, das bei arterieller Kompression erlischt, kardiale Dekompensation, periphere Mangeldurchblutung, angiographischer Befund. Ein Spontanverschluss tritt außerordentlich selten ein; operative Korrektur: 3⫺4 Wochen nach erfolgtem Trauma. Häufig können bei Frakturen des Beckens und der Extremitäten Gefäßverletzungen vorliegen. Die Sicherung einer Gefäßläsion erfolgt durch digitale Subtraktionsangiographie (DSA), CT-/MRT-Untersuchungen.
3.10 Geschlossene Gefäßverletzung
39
Die stabile Osteosynthese erleichtert und gewährleistet die Wiederherstellung der lädierten Gefäße (Operation simultan). Verletzungen venöser Stammgefäße sollten nach erfolgter Thrombektomie rekonstruiert werden. Demgegenüber sind arterielle Verletzungen im Kindesalter auf Grund der hohen Elastizität der Gefäßwand selten und nur bei schweren Verletzungen und Frakturen als Kombinationsverletzungen bekannt. Von der Gefäßrekonstruktion hängt die Revitalisierung der traumatisierenden Extremität allein ab. Über intrakranielle Blutungen (s. Abschn. 5.2 und 5.3), intrathorakale Blutungen (s. Abschn. 8.5) und intraabdominellen Blutungen (s. Abschn. 9.2) ist in den entsprechende Kapiteln nachzulesen. Einen Überblick über die Behandlungsrichtlinien und Priorität der Behandlung bei Begleitverletzungen im Zusammenhang mit Gefäßverletzungen der Extremität gibt Tab. 3-1. Tab. 3ⴚ1 Behandlungsrichtlinien der Begleitverletzungen bei Läsionen der Extremitätenarterien (W. J. Stelter, H. Kortmann). Gehirn thorakale Organe abdominale Organe Hauptvenen proximal des Ellenbogens bzw. Kniegelenks
Venen distal des Ellenbogenoder Kniegelenks Knochen
Nerven
Diagnostik und Therapie absolut vorrangig Diagnostik und Therapie absolut vorrangig Diagnostik und Therapie absolut vorrangig Versuch der Rekonstruktion durch Naht, End-zu-End-Anastomose oder Interposition einer autologen Vene nach Wiederherstellung der arteriellen Strombahn Ligatur Osteosynthese vor der Gefäßrekonstruktion (bei Ischämie von mehr als 6 Stunden umgekehrtes Vorgehen möglich) nach Arterienrekonstruktion primäre Nervennaht bei sauberer Wunde und gutem Allgemeinzustand, sonst frühsekundäre Nervennaht nach Ablauf von 3⫺6 Wochen
3.10 Geschlossene Gefäßverletzung ⫺ Essentials der initialen Sofortdiagnostik und Soforttherapie 3.10.1 Leitsymptome 1. Vorausgegangene Frakturen oder Luxationen, z. B. Kniegelenksluxation, Humerusfraktur, Schulterluxation, Oberschenkelfrakturen
40
3 Blutstillung bei Blutungen traumatischer Genese
2. Richtungsweisende Leitsymptome sind das akute Ischämiesyndrom und das beginnende Kompartmentsyndrom. ⫺ Schmerz (Ischämieschmerz) ⫺ Pulsverlust ⫺ Blässe ⫺ Sensibilitätsstörungen ⫺ Lähmung und Schock
3.10.2 Diagnostik 1. Der Ischämieschmerz kann durch den Frakturschmerz überlagert sein, diese beiden Schmerztypen sind oft schwer voneinander trennbar. 2. Auch die periphere Mangeldurchblutung kann beim Polytraumatisierten durch Minderperfusionen in der Peripherie überdeckt sein. 3. Lässt sich der Puls im Distalbereich nicht tasten oder durch DopplerSonographie nicht nachweisen, so sollte nicht die Diagnose Gefäßspasmus gestellt werden, sondern folgende Untersuchungen durchgeführt werden, um die Durchblutungsstörungen zu objektivieren: ⫺ Oszillographie, ⫺ Plethysmographie, ⫺ Doppler-Druckmessung (wiederholen). 4. Lässt sich durch diese nicht invasiven Untersuchungsverfahren die Diagnose nicht eindeutig stellen, so muss vor der Frakturstabilisation immer eine CT- oder MR-Angiographie durchgeführt werden.
3.10.3 Sofortmaßnahmen Ziel der Behandlung ist die sofortige Rekonstruktion der arteriellen und venösen Gefäßwand. Bei kombinierter Knochen-Gefäß-Verletzung wird zunächst eine Adaptationsosteosynthese des Knochens durchgeführt, so dass nach Wiederherstellung der Extremitätensituation in der gleichen Operation die arterielle bzw. die venöse Strombahn rekonstruiert werden kann. Zur Wiederherstellung der arteriellen Strombahn dient die direkte Naht oder eine Patch-Interposition oder eine Bypass-Operation. Läsionen der Vena cava und ihrer unmittelbaren Äste werden durch direkte Naht verschlossen. Analog dazu werden Läsionen der Vena femoralis und der Vena jugularis ebenfalls durch primäre Naht direkt versorgt. Bei Verletzungen der Venen am Oberarm kann aufgrund der Ver-
3.10 Geschlossene Gefäßverletzung
41
zweigungen des Venennetzes die verletzte Vene durch Ligatur ohne Folgen behandelt werden.
3.10.4 Komplikationen durch Ischämie Man unterscheidet zwischen Früh- und Spätkomplikationen. Die Frühkomplikation ist bedingt durch die Ischämie der entsprechenden Extremitäten, die dann in seltenen Fällen zu einem Extremitätenverlust führen kann. Spätkomplikationen (im venösen/arteriellen Bereich) sind: ⫺ Gefäßverschluss, ⫺ arteriovenöse Fistel, ⫺ traumatisch bedingtes Aneurysma. Alle diese Komplikationen sind Folgen einer primär nicht adäquaten chirurgischen Versorgung. Der sekundäre Gefäßverschluss muss im Hinblick auf die optimale funktionelle Gebrauchsfähigkeit der Extremität mit gefäßchirurgischen Mikromethoden durchgeführt werden. Posttraumatische Aneurysmen sind sog. falsche Aneurysmen, da in ihre Wandaufbau Teile einer normalen Gefäßwand fehlen. Die Wand des falschen Aneurysmas ist in wesentlichen Abschnitten durch beschichtetes Bindegewebe ersetzt worden. Diese falschen Aneurysmas zeigen aber auch alle Komplikationsmöglichkeiten des Aneurysmas: Penetration, Perforation, Druck auf Nachbarorgane, Thrombosierung und Embolisierung, so dass auch in diesem Fall eine operative Korrektur nach Diagnosestellung dringend indiziert ist. Die arteriovenöse Fistel führt durch die hämodynamische Kurzschlußsituation zu einer Volumenbelastung des Herzens. Bei Vorliegen einer arteriovenösen Fistel kann die bestehende gesteigerte Herzfrequenz durch Kompression der Fistel nahezu völlig beseitigt werden. Längerbestehende arteriovenöse Fisteln führen zu einer extremen Erweiterung der Arterien und Venen proximal der Fistel und zu einer Ischämie (Lumenabnahme der Arterie) peripher davon. Besonders zu beachten: mögliche Komplikation durch Kompartmentsyndrom. Leitsymptom (Blickdiagnose) ist nach Extremitätentrauma/ Frakturen die deutlich zu erkennende gespannte, livide, glänzende und druckschmerzhafte Haut mit Sensibilitätsstörungen. Ursache sind Hämatom und Ödem in der Faszienloge mit pathologischer Druckerhöhung auf Muskulatur, Nerven und Gefäße.
42
3 Blutstillung bei Blutungen traumatischer Genese
Die Therapie besteht in einer tiefen Inzision von Haut, Subcutis und Faszie in ganzer Länge. Dies führt zu einer sofortigen Druckentlastung und zu einer Wiederherstellung von Sensibilität, Motilität und Durchblutung der betroffenen Extremitäten. Das Frakturhämatom kann abgesaugt werden, die Fragmente achsengerecht reponiert werden und Gefäßkompressionen durch Knochenfragmente aufgehoben werden.
3.11 Akuter peripherer Gefäßverschluss ⫺ Essentials der initialen Sofortdiagnose und Soforttherapie 3.11.1 Ursachen des akuten Gefäßverschlusses Die häufigsten Ursachen des akuten arteriellen Gefäßverschlusses sind die Embolie (80⫺90 %) und die arterielle Thrombose (10⫺20 %). Die häufigsten Emboliequellen können 1. rheumatische Herzklappenfehler (Mitralvitium mit Flimmerarrhythmie), 2. koronare Herzkrankheit mit/ohne Infarkt und Herzaneurysmen, 3. offenes Foramen ovale, 4. zentrale oder periphere Aneurysmen, 5. ulzeröse Plaques der Aorta sein. Ursache der arteriellen Thrombose sind präexistente arteriosklerotische Stenosen oder durchgeführte Gefäßrekonstruktionen. Dabei kommt es sukzessive durch Appositionsthrombosen zu einem kompletten thrombotischen Verschluss eines bereits vorher stenosierten Gefäßsegmentes. Lokalisation ist am häufigsten die Becken- bzw. Oberschenkeletage. Man unterscheidet vier verschiedene Typen der arteriellen Verschlusskrankheit an der unteren Extremität: Typ I:
Aortentyp, Verschluss der Aorta, Klaudiakatiobeschwerden in der Hüfte und der Oberschenkelmuskulatur Typ II: Beckentyp, Verschluss aortoiliakal, Klaudikatiobeschwerden in der Oberschenkelmuskulatur Typ III: Oberschenkeltyp, Verschluss femuropopliteal, Klaudikatiobeschwerden in der Wadenmuskulatur Typ IV: Unterschenkeltyp, Verschluss popliteotibial, Klaudikatiobeschwerden im Bereich des Fußes
3.11 Akuter peripherer Gefäßverschluss
43
3.11.2 Leitsymptome bei arterieller Embolie und Thrombose Der arterielle Gefäßverschluss ist gekennzeichnet durch eine mehr oder weniger hochgradige Gewebeischämie. Symptomatik beim akuten arteriellen Gefäßverschluss (arterielle Embolie) ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Plötzlich einsetzender Schmerz (in ca. 50 %); Motilitätsverlust der entsprechenden Extremität; Sensibilitätsverlust der entsprechenden Extremität; Dauerschmerz wird bei Hochlagerung der Extremität verstärkt; schmerzbedingter Schockzustand (der Schock ist am ausgeprägtesten bei einem Aortenbifurkationsverschluss); ⫺ Lokalbefund: pulslose Extremität, die kalt, blass, später marmoriert ist. Die Grenze zwischen warm und kalt an den Extremitäten ist in der Regel eine handbreit unterhalb des Arterienverschlusses lokalisiert. Symptomatik der arteriellen Thrombose Die Symptomatik wird wesentlich von der Kompensationsfähigkeit des Kollateralkreislaufs bestimmt. Wegen der präformierten Kollateralen verläuft der thrombotische Verschluss einer Extremitätenarterie meist weniger dramatisch als bei der arteriellen Embolie. Anamnestische Angaben über eine Claudicatio intermittens und der Nachweis obliterativer Prozesse im arteriellen Gefäßsystem. In 15 % ist eine Embolie von einer Arterienthrombose nicht zu unterscheiden. In diesen Fällen sollte eine Doppler- und Duplexsonographie durchgeführt werden oder plethysmographische oder nuklearmedizinische Untersuchungen erfolgen oder eine digitale Subtraktionsangiographie (DSA), eine CT- oder MRT-Untersuchung durchgeführt werden, die dann über das weitere therapeutische Vorgehen Aufschluss geben.
3.11.3 Differentialdiagnose Einen Überblick über die Differentialdiagnose akuter Gefäßverschlüsse gibt die Übersicht nach D. Raithel (Tab. 3-2).
Herzkranke mit meist gesunden Arterien, Ursprungsort: linkes Herz
akute Gefäßverlegung stark, Linderung durch Tieflagerung
Anamnese
Beginn
verminderte oder aufgehobene Pulse
Pulse
verminderte oder aufgehobene Pulse
⫺ (kein Ödem)
⫺ (kein Ödem)
Ödem
Hautvenen
Hautfarbe
blass, später marmoriert kollabiert
akut, Ischämiesyndrom
akut bis subakut
Gefäßkranke mit Arteriosklerose, schlechter Gesundheitszustand
arterielle Thrombose
Unterkühlung durch arterielle Minderdurchblutung blass, später marmoriert kollabiert
Hauttemperatur kühl
Schmerzen
arterielle Embolie
normal
überwärmt durch Entzündung leichte Rötung, Zyanose gestaut, Varikophlebitis ⫹ (an zirkumskripter Stelle)
lokalisiert
akut
rezidivierende Thrombophlebitis
gestaut, thrombotisch ⫹⫹ (rasche Anschwellung der Extremität) reflektorische arterielle Minderdurchblutung
zyanotisch
proximal warm, distal kühl
stark
starker Schmerz in der Wade durch fulminante tiefe Beinvenenthrombose akut
Venenthrombose Phlegmasia coerulea dolens
Differentialdiagnose des Beinschmerzes (nach D. Raithel).
Parameter
Tab. 3-2
normal, bei Hämatom eingeschränkt
⫹ umschrieben
normal
normal
warm
bei Bewegung, Anspannung und Dehnung
akut
akute oder chronische Überforderung eines Muskels
Muskelriss
normal
⫺ (kein Ödem)
normal
normal
Reizung oder Kompression des N. ischiadicus akut/ subakut vom Rücken ins Bein bis zum Fuß warm
Ischialgie
44 3 Blutstillung bei Blutungen traumatischer Genese
3.12 Venöse Gefäßverschlüsse
45
3.11.4 Sofortmaßnahmen 1. Sofortige Klinikeinweisung zur Beseitigung des Strombahnhindernisses, um die ischämische Extremität zu erhalten. Für den Transport in die Klinik sind folgende Maßnahmen zu ergreifen: 2. Schmerzlinderung durch Analgetika i. v. (z. B. Tramadol-ratiopharm“); 3. Heparinisierung (Heparin-Natrium-ratiopharm“) zur Prophylaxe einer Appositionsthrombose (10 000⫺20 000 I. E. Heparin i. v.); 4. Infusion bei bestehendem Schockzustand (z. B. Expafusin“); 5. Tieflagerung der gepolsterten Extremität zur Vermeidung von Drucknekrosen.
3.11.5 Kontraindikationen ⫺ gefäßerweiternde Substanzen, da sie die bereits verminderte Durchblutung weiter verschlechtern, ⫺ externe Wärmezufuhr, ⫺ Hochlagerung der Extremität.
3.11.6 Operationsindikation Ein chirurgisches Vorgehen ist bei allen Verschlüssen mit nicht mehr tastbaren Pulsen indiziert. Es erfolgt die Entfernung des Embolus zusammen mit einer Anschlussthrombose mit dem Fogarty-Katheter. Die arterielle Thrombose zwingt in der Regel zur Rekonstruktion, d. h. zur definitiven Wiederherstellung der arteriellen Strombahn. Konservativ darf nur bei ganz peripher gelegenen Obliterationen vorgegangen werden (D. Raithel).
3.12 Venöse Gefäßverschlüsse 3.12.1 Ursachen und Lokalisation der Thrombosen Die häufigste Lokalisation der Thrombosen sind die Beckenvenen, die Oberschenkelvenen und die Venen im Bereich der Kniekehle. In einem Fünftel der Fälle ist die Ursache der Thrombose unbekannt. Hauptursachen sind: frühere Thrombophlebitiden oder Thrombosen, Bettlägerigkeit der Patienten in der postoperativen Phase, Traumen, Tumoren, Gravidität, Post-partum-Sepsis und lokale Infektionen. Hauptkompli-
46
3 Blutstillung bei Blutungen traumatischer Genese
kationen bei Frakturen ist die posttraumatische Thromboembolie zwischen dem 7. und 12. Tag. In 56 % ist die linke, in 44 % die rechte Seite betroffen (Raithel).
3.12.2 Vorbeugende Maßnahmen zur Verhütung einer Thromboembolie 1. physikalische Therapie, 2. Vermeidung von Blutstase im Wundbereich bzw. in den Extremitäten durch intensive krankengymnastische Übungsbehandlung, 3. Low-Dose-Heparin (Clexane“).
3.12.3 Symptomatik 1. Bläulich livide verfärbte, geschwollene Extremität. 2. Lokal zunehmende Schmerzen in der betroffenen Region. 3. Pulse der entsprechenden Extremität tastbar. Da die klinische Diagnose mit einer Fehlerquote von über 30 % behaftet ist, ist zur Sicherung der Diagnose immer eine Gefäßdarstellung angezeigt.
3.12.4 Konservative Behandlung Fibrinolyse und Thrombektomie können als gleichwertige Behandlungsverfahren angesehen werden. Die Fibrinolyse stellt in der Regel das primär anzustrebende Behandlungsverfahren dar. Durchführung: ⫺ 50 mg Prednisolon ⫹ 1 Ampulle Clemastin (z. B. Tavegil“), ⫺ anschließend Initialdosis von 250 000 Einheiten Streptase“ in 30 Minuten, ⫺ weitere Dosierung: in den ersten 24 Stunden 100 000 Einheiten Streptase“ pro Stunde. Beachte: Bestimmung der Thrombinzeit, die auf das 2- bis 4-fache verlängert sein sollte.
3.12.5 Indikation zur Operation Bei bekannten Kontraindikationen zur Fibrinolyse, wie floride Magen-/ Duodenalulzera, Hypertonie, Endokarditis, Streptokokkeninfektionen,
3.12 Venöse Gefäßverschlüsse
47
Gravidität, hohes Alter, vorausgegangene chirurgische Eingriffe bis etwa 10 Tage postoperativ, Phlegmasia coerulea dolens.
3.12.6 Kontraindikation zur operativen Ausräumung Septische Thrombosen, Thrombosen infolge Tumorkompression, moribunde Patienten, rezidivierende Lungenembolien und gesicherte flottierende Thromben. Nach Raithel sind die venösen Thrombektomien bis zu einer gesicherten Thrombosedauer bis zum 4. Tag gerechtfertigt.
3.12.7 Operationstechnik Operation in Vollnarkose. Zur Vermeidung eines intraoperativen Blutverlustes wird eine Autotransfusionspumpe verwendet. Zur Ausräumung der Beckenetage wird in der Regel ein Ballonkatheter verwendet und vorher durch einen Ballonkatheter eine Blockade der Vena cava inferior durchgeführt. Dieser Ballonkatheter wird durch einen Seitenast der Vena saphena magna von der Gegenseite aus eingeführt. Isolierte Thrombosen der Vena poplitea bzw. isolierte Unterschenkelvenenthrombosen werden durch direkte Freilegung in der Fossa poplitea entfernt. Auf dem Operationstisch wird ein Kompressionsverband angelegt. In den ersten 24 Stunden postoperativ wird mit 4 ⫻ 5000 Einheiten Liquemin“ heparinisiert, überlappend wird dann auf Antikoagulantien übergegangen. Die Antikoagulantientherapie wird für 6 Monate fortgesetzt. Die Patienten dürfen 24 Stunden nach der Operation aufstehen und werden elastokompressiv versorgt. Tab. 3-3 Häufigkeit der AB0-Blutgruppen in Mitteleuropa (aus: Pschyrembel“, Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter, Berlin, 2004). Blutgruppe
Erythrozyteneigenschaften
Häufigkeit
Alloagglutinine
0 A
[H] A1 A2 (AX) B A1B A2B (AXB)
⬇ 40,5 %
Anti-A1), Anti-B
⬇ 44,5 %
Anti-B
⬇ 10,5 %
Anti-A1)
⬇ 4,5 %
keine
B AB
1
⬇ 37 % ⬇ 7,5 % (selten)
¸ ˝ ˛
⬇ 3,5 % ⬇ 10 % (selten)
¸ ˝ ˛
) Individuen der Blutgruppen 0 und B besitzen regelmäßig A1-Antikörper, der Titer gegen das Antigen A2 ist dagegen variabel und meist niedrig.
4 Schock
4.1 Definition Unter Schock versteht man ein Kreislaufversagen aufgrund eines Missverhältnisses zwischen peripherem Stromzeitvolumen und Herzzeitvolumen. Nicht primär der Blutdruck, sondern die Minderdurchblutung der Organe dirigiert den Ablauf dieses pathologischen Vorgangs, der als Schock bezeichnet wird. Objektivierung und Quantifizierung des Schocks: Schockindex (SI) ⫽
Pulsfrequenz (Normalwert 0,5) syst. Blutdruck
Beispiele: 1. Normalwert:
60 ⫽ 0,5 (SI) 120
2. drohender Schock:
100 ⫽ 1,0 (SI) 100
3. manifester Schock:
120 ⫽ 1,5 (SI) 80
Schockindex: 1,0: ca. 30 % Volumenverlust Schockindex: 1,4: ca. 40 % Volumenverlust Ein wichtiger Kreislaufparameter neben Pulsfrequenz und arteriellem Blutdruck ist der zentralvenöse Druck (ZVD). Normalwert: 4⫺10 cm Wassersäule.
4.2 Schockformen 1. Volumenmangelschock (Abb. 4-1) ⫺ hämatogener Schock ⫺ Verbrennungsschock ⫺ Operationsschock ⫺ Dehydratationsschock
4.3 Wesen des hypovolämischen Schocks
49
2. vaskulärer Schock ⫺ anaphylaktischer Schock ⫺ chirurgischer oder Wundschock ⫺ Narkoseschock ⫺ neurogener Schock ⫺ septischer Schock ⫺ toxischer Schock ⫺ Endotoxinschock 3. kardiogener Schock ⫺ kardiale Ursachen: Myokardinfarkt, Rhythmusstörungen, Myokarditis ⫺ extrakardiale Ursachen: Perikardtamponade, Spannungspneumothorax, Lungenembolie 4. metabolischer Schock ⫺ hyperglykämischer Schock ⫺ hypoglykämischer Schock
Abb. 4-1 Volumenmangelschock, z. B. als hämatogener Schock, Verbrennungsschock und Dehyratationsschock. Vaskulärer Schock, z. B. als infektiös-toxischer Schock (Endotoxine) und als anaphylaktischer Schock.
4.3 Wesen des hypovolämischen Schocks Verminderung der zirkulierenden Kreislaufsubstanz durch Verlust von Blut, Plasma, H2O, Elektrolyten. Es handelt sich um eine Minusdekompensation des Kreislaufs, die bei fast allen mittelschweren bis schweren Blutungen (Verkehrsunfällen) vorkommt. Bei einem Blutverlust von 20⫺30 % der Gesamtblutmenge wird eine kritische Grenze erreicht, bei der die Zentralisation des Kreislaufs, d. h. Konzentrierung der vorhandenen Blutmenge auf die für das Überleben wichtigen Organ, wie Herz und zentrales Nervensystem, erfolgt. Die Durchblutung der Peripherie wird reduziert, ebenfalls die Durchblutung bestimmter Abdominalorgane, wie z. B. der Nieren. Deshalb kommt es bei längerer Dauer der Zentralisation zur Schädigung dieser parenchymatösen Organe.
50
4 Schock
Besonders gefährdet im Hinblick auf einen hypovolämischen Schock sind Säuglinge und Kleinkinder (Abb. 4-3). Blutvolumenverluste bei Neugeborenen und Säuglingen von über 10 % müssen aufgrund der damit zusammenhängenden verminderten Sauerstoffaustauschkapazität durch Blut ersetzt werden (Tab. 4-1). Tab. 4-1 Überblick über durchschnittliche Blutmengen in verschiedenen Altersstufen. Alter
Blutmenge
Frühgeborene Neugeborene Kleinkinder Erwachsene
100 ml/kg 90 ml/kg 80 ml/kg 70 ml/kg
Durchschnittlicher Blutverlust bei Frakturen: Oberarm 300⫺900 ml, Unterarm 100⫺400 ml, Becken 500⫺5000 ml, Oberschenkel 1000⫺ 2500 ml, Unterschenkel 500⫺900 ml.
4.4 Typen des hypovolämischen Schocks Blutverlust
Plasmaverlust
Wasserverlust
nach außen: ⫺ Ulkusblutung ⫺ Blutung aus Ösophagusvarizen
⫺ Verbrennungen ⫺ Durchfälle
⫺ ⫺ ⫺ ⫺
in Körperhöhlen: ⫺ intraabdominelle Blutung ⫺ intrathorakale Blutung
in ⫺ ⫺ ⫺
die Gewebe: schwere Kontusionen große Frakturen Crush-Syndrom Blutverdünnung
Erbrechen Durchfälle Schwitzen Fisteln
⫺ ⫺ ⫺ ⫺
peritonitisches Exsudat ⫺ Stenosen im Pankreatitis Verdauungstrakt Ileus pleuritisches Exsudat/ Transsudat
⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Wundtrauma große Frakturen schwere Infektion Verbrennungsgebiet Bluteindickung
Beachte: Mit abnehmender Fließgeschwindigkeit des Blutes tritt eine Bluteindickung und damit eine Erhöhung der Blutviskosität ein.
4.5 Sofortuntersuchung
51
4.5 Sofortuntersuchung Man achte auf: 1. Temperatur und Hautfarbe der Körperperipherie: Periphere Zirkulation nimmt ab (Hypovolämie). Kälte, Zyanose besonders an Fingern, Zehen, Nasenspitze zu beobachten. 2. Blutdruck, Puls und Venendruck (Abb. 4-2). Die Blutdruckmessung beim Neugeborenen erfolgt entweder mit Ultraschalldopplergefäßindikator oder mit einer Manschette. Die Manschettenbreite ergibt sich aus dem Oberarmdurchmesser multipliziert mit 1,2. 3. Urinausscheidung (1 ml/kg/h), Urinosmolarität (normal 800⫺ 900 mmol/kg). Urinuntersuchung durch Schnelltest (Boehringer). 4. Thoraxübersichtsbild zum Ausschluss eines Pneumothorax, einer Perikardtamponade oder einer Lungenembolie. 5. Abdomineller Ultraschall zur Diagnose von intraabdominellen oder retroperitonealen Blutungen oder Organrupturen. Ergänzend können CT- oder MRT-Untersuchungen durchgeführt werden. 6. EKG (Diagnose von Rhythmusstörungen, Herztamponade). 7. Sofortiges Entfernen von liegenden Kathetern bei Verdacht auf einen septischen Schock (z. B. zentraler Venenkatheter, Thoraxschläuche, Drainagen, Blasenkatheter). Abstriche und bakterielle, virologische und mykologische Untersuchungen der Katheterspitze. Arterielle Blutabnahmen bei Hyperthermie infolge Sepsis. Gramnegative Bakterien führen in 20 %, grampositive Bakterien in 5 % der Fälle zu einer Sepsis. 8. Hypoxämie bis anoxämische Parenchymschäden: ⫺ Hypoxämie an Gehirn, Leber und Niere durch zentrale Regulationsstörung. Drosselung der arteriellen Nierendurchblutung führt zu einem Niervenversagen. Daraus resultiert eine Anurie, die sich unter Umständen während einer polyurischen Phase wiederholen kann. ⫺ Herzmuskel-Schädigungen. 9. Angstgefühl und Unruhe stehen in direkter Relation zu dem erlittenen Blutvolumenverlust. 10. Lufthunger und Bewusstseintrübung sind umso größer, je massiver der Blutverlust ist. 11. Brechreiz und Erbrechen als Folge schwerer Schockformen durch Blutvolumenverlust. 12. Pupillenweite: Sauerstoffmangel führt zu einer Erweiterung der Pupillen.
52
4 Schock
Abb. 4-2 Blutverlust-Blutdruckamplitude-Puls-Diagramm im hypovolämischen Schockzustand. Schockindex: Quotient aus Pulsfrequenz und systolischem Blutdruck ist größer als 0,5 bedeutet, dass ein Schockzustand existiert. Das untere Diagramm veranschaulicht die Gesamtblutmenge altersabhängig.
4.6 Erkennen des richtigen Schockstadium
53
Beachte: Folgen des Schocks bei nicht rechtzeitig erfolgter Beseitigung der Schocksituation: 1. Gefäßperipherie: Thrombozytenaggregation, Mikrothromben, Verlegung peripherer Abschnitte der Endstrombahn, lebensbedrohliche periphere kapilläre Zirkulationsstörungen. 2. Lunge: Störung der Ventilation. 3. Niere: Rückgang der stündlichen Urinausscheidung. Der bei ausgedehnten Quetschungen vermehrte Anfall von Myoglobin kann bei zusätzlicher Minderdurchblutung der Nieren zu einem Ausfall von Myoglobin in den Nierenkanälchen und zu sekundärer Verstopfung führen. Durch Verlegung der Nierentubuli kommt es zur Oligurie und Anurie sowie zum sogenannten Crush-Syndrom.
Abb. 4-3 Unterschiedliches Verhalten von Säuglingen und Erwachsenen im Schockzustand.
4.6 Erkennen des richtigen Schockstadiums 4.6.1 Einteilung der Stadien 1. Stadium der Vasokonstriktion, 2. Stadium der Vasodilatation, 3. Stadium der Vasoatonie.
4.6.2 Primärer Schock Kompensierter Schock: physiologische Reaktion auf Hypovolämie durch Kontraktion der Arteriolen und präkapillären Sphinkteren, auch als weißer Schock bezeichnet: Zentralisation des Kreislaufs.
54
⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
4 Schock
Auftreten kurz nach dem Unfall, Blässe und Kälte (Zustand der Hypothermie), Gesicht mit kaltem Schweiß bedeckt, Tachykardie oder verlangsamter Puls, relative Bradykardie, Vagusreizung (vasovagale Traumareaktion), Blutdruck normal oder wenig erniedrigt, Atmung normal, oberflächlich oder verlangsamt, Pupillen eng und reagieren gut, Durst fehlt oder nur geringgradig, Patient ist gut ansprechbar.
Reicht die Kompensation nicht aus, so wird die Umlaufgeschwindigkeit des Blutes erhöht; Folge: Tachykardie. Wenn Tachykardie und Vasokonstriktion versagen, beginnt der Blutdruck zu fallen. Das reduzierte zirkulierende Blutvolumen führt zur Hypoxie.
4.6.3 Sekundärer Schock Zyanotischer, blauer Schock, Stadium der Vasodilatation (Nachlassen kompensierender Mechanismen in den peripheren Gefäßen): ⫺ blasser Patient wird zyanotisch (Lippen, Fingernägel), ⫺ Puls steigt über 100/min, ⫺ Blutdruck sinkt unter 100 mm Hg systolisch, systolischer Blutdruck sinkt rascher als diastolischer, ⫺ Atemfrequenz erhöht, Atemtyp oberflächlich, ⫺ Pupillen weit und reagieren langsam, ⫺ Bewusstsein getrübt, ⫺ periphere Venen kollabieren, ⫺ venöser Rückfluss zum Herzen nimmt ab, Abnahme von Schlagvolumen und Herzminutenvolumen, ⫺ Koronarinsuffizienz infolge Hypotonie (J Schocktod), ⫺ Strömungsgeschwindigkeit der Peripherie nimmt ab (Sludge-Phänomen): ⫺ Thrombosegefahr, ⫺ Ischämiereaktionen, ⫺ Nekrosen peripherer Gewebe.
4.6.4 Grauer Schock (dekompensierter Schock) ⫺ Hautfarbe grau-zyanotisch, ⫺ Puls nicht mehr tastbar,
4.7 Sofortmaßnahmen
⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
55
Blutdruck nicht mehr registrierbar, Atemfrequenz weiter erhöht, Atemtyp ganz oberflächlich, Pupillen weit, reagieren nicht, Patient bewusstlos, direkte Organschädigung: Gehirn, Herz, Leber, Niere.
4.7 Sofortmaßnahmen Behandlungsprinzip: Klärung der Blutungsquelle (abdominelle Lavage, Thoraxpunktion) bzw. Klärung der Schockursache. Auffüllen der Blutstrombahn, Sauerstoffzufuhr, Beseitigung der Azidose, Normalisierung von Elektrolytstörungen.
4.7.1 Behandlungsrichtlinien beim Schock ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Blutersatz Plasmaersatz Flüssigkeitsersatz Sauerstoffzufuhr Wärmeregulation Schmerz- und Unruhebeseitigung Kortikoidapplikation Antibiotikaapplikation vasokonstriktorische Medikamente
Das wichtigste Medikament bei der Schockbehandlung ist das Volumenersatzmittel.
4.7.2 Sicherung der ausreichenden Sauerstoffzufuhr ⫺ Freilegen der Atemwege ⫺ Freihalten der Atemwege ⫺ Beatmen Ist ein Hindernis im Larynxbereich nicht zu beseitigen, wird eine Tracheotomie (s. Abschn. 18.19) durchgeführt. Hypoxie verschlimmert den Schockzustand. ⫺ Primäre Versorgung großer Blutungsquellen. Bei Aspiration: endobronchiales Absaugen und Lavage mit dem Bronchoskop (Storz) über eine IHN-Maske.
56
4 Schock
4.7.3 Klärung der Schockursache und des Schockstadiums Siehe oben. Einleiten der Sofortmaßnahmen und Beseitigung dieses Zustands (s. u.).
4.7.4 Lagerung Patient flach lagern, eventuell leichte Trendelenburg-Position (Schockposition, wenn schwere Kopf- und Thoraxverletzungen fehlen): Verhinderung der Aspiration, Verbesserung der Gehirndurchblutung. Wichtig: Jede unnötige Bewegung vermeiden; sie vertieft den Schock.
4.7.5 Beseitigung des Volumendefizits Blutverlust wird in den meisten Fällen unterschätzt. Blutverlust bei Oberschenkelfrakturen bis zu 1500⫺2500 ml Blut. ⫺ Venae sectio oder zentralvenöser Katheter (durch den Anästhesisten) zur sofortigen Transfusion, besonders vorteilhaft bei Kindern; gleichzeitig Plasmaersatzlösung infundieren. Je schneller der Ersatz der verlorengegangenen Kreislaufsubstanz erfolgt, umso besser die Wirkung. Verabreichung von z. B. Expafusin“. ⫺ Blutentnahme, nach Freilegung der Vene, vor Infusionsbeginn für Hämoglobin-, Hämatokrit-, Erythrozyten- und Blutgruppenbestimmung. ⫺ Indikationsrichtlinien für die Substitution: Blut (Frischblut, gewaschene Erythrozyten sowie Fresh-FrozenPlasma in Kombination mit Erythrozytenkonzentrat) bei hämorrhagischem Schock des polytraumatisierten Patienten; dies ist indiziert, wenn der Blutverlust mehr als 20⫺30 % der Gesamtblutmenge beträgt, der Hämoglobingehalt unter 10 g% und der Hämatokrit unter 30 % liegt. Ist dieser kritische Wert unterschritten und die Blutungsquelle noch nicht versorgt und kein gekreuztes Blut vorhanden, so ist in jedem Fall ungekreuztes Blut der Blutgruppe 0 rh negativ zu verabreichen. Traumatisch bedingte Blutungen können intrakraniell, intrathorakal, intraabdominell oder bei Frakturen in die Weichteile erfolgen. Elektrolytlösungen (z. B. Baxter-Lösungen) bei allen hypovolämischen Schockzuständen zur vorübergehenden Auffüllung der verlorengegangenen Kreislaufsubstanz. 0,9 % NaCl oder 5 % Glucoselösung (z. B. Tutofusin“) als vorübergehende Auffüllung des Kreislaufs (max. 2 l beim Erwachsenen).
4.7 Sofortmaßnahmen
57
Niedermolekulare Infusionslösungen wie z. B. Expafusin“ zur raschen Wiederherstellung von Blut- und Herzzeitvolumen und entscheidenden Verbesserung des peripheren Stromzeitvolumens durch desaggregierende Wirkung, Verminderung der Blutviskosität und Vermeidung einer durch Azidose und Gewebeschäden zusätzlich begünstigten Fettembolie. ⫺ Infusionsmenge Um den Blutdruck um 20 mm Hg zu steigern und den Puls um 20/ min zu senken, braucht der Verletzte durchschnittlich 1/10⫺1/7 seines Blutvolumens als Infusionsmenge, d. h. mindestens 500 ml Blut, zur Aufrechterhaltung dieses Zustandes aber meist mehr. Man gibt innerhalb von 5⫺10 Minuten 500 ml Blut oder Blutderivate. Bei ungenügender Reaktion: 2⫺3 mal 300 ml Blut von verschiedenen Trans- bzw. Infusionsstellen aus. Bei ungenügender Reaktion Wiederholen der Trans- bzw. Infusion. Zur Aufrechterhaltung des gebesserten Zustandes langsam weitere 500⫺1000 ml infundieren. Kontinuierliche Blutdruckmessung und zentralen Venendruck prüfen (Venenkanüle mit Glasrohr liegt in Höhe zwischen vorderem und mittlerem Drittel des Thoraxdurchmessers in Atriumhöhe; MedifixSchlauchsystem zur Venendruckmessung). Blutdruck als Funktion der Schwere des Schockzustandes genügt nicht, da kompensatorische Mechanismen einen Einfluss haben. Stündliche Kontrolle von Urinausscheidung ist ein wichtiger Maßstab für die Substitutionstherapie an Flüssigkeit. Eine Urinmenge von 30⫺40 ml/h bei Erwachsenen und 1 ml/kg/h als unterer Grenzwert bei Kindern genügen, da zunächst das System der Antidiurese wirksam ist. Nicht exakter Blutvolumenersatz im Kindesalter kann sich auf Grund des sehr knappen Kompensationsspielraums rasch deletär auswirken. Aldosteron-Antagonisten: Schockzustände stellen für den Organismus schwere Stresssituationen dar, die von einem Hyperaldosteronismus begleitet sind. Zur Besserung des Elektrolytgleichgewichtes und Vermeidung schwerer Kalium-Verluste: zwei Ampullen Aldactone pro injectione (400 mg) nacheinander langsam i. v. injizieren oder in Form einer Kurzinfusion verabreichen ⫺ zusätzlich zu der erforderlichen Volumen- und Elektrolytsubstitution. Nach 4⫺6 Stunden können 2 weitere Ampullen Aldactone pro injectione verabreicht werden. Tagesdosis: 800 mg Aldactone. Dosierung bei Säuglingen 25 mg, bei Kleinkindern 50 mg und bei Schulkindern 75 mg. Aldactone pro in-
58
4 Schock
jectione kann die Kreislaufsituation auch über seine positiv inotrope Herzwirkung bessern. Bei Azidose: 8,4 % Natriumbikarbonat (NaHCO3)-Lösung; Dosis: Basendefizit ⫻ 0,3 ⫻ kg KG. Beachte: ⫺ Bei Herz- und Nierenerkrankungen können größere Infusionsmengen von Plasmaexpandern zum Lungenödem führen. ⫺ Blutentnahme für Laborbestimmungen immer vor Infusionsbeginn mit Plasmaexpandern durchführen (Blutgruppenbestimmung kann gestört werden). ⫺ Hyperonkotische Plasmaexpander können als Antikoagulans wirken. ⫺ Vermeidung einer Hämodilution und resultierender therapiebedingter Anoxie infolge Auffüllung des Kreislaufs mit blutfreier Flüssigkeit durch intermittierende Bluttransfusionen. ⫺ Heparinisierung: Zur Verbesserung der Kreislaufsituation im peripheren Bereich und zur Verminderung der Hyperkoagulopathie werden bei Erwachsenen 500 I. E. Heparin/h (Liquemin) appliziert. Bei Kindern verabreicht man eine low-dose in Form von 100 I. E. Heparin pro kg KG und Tag. Falls beide unteren Extremitäten mobilisiert werden können, erfolgt eine Mobilisierung des liegenden Patienten im Bett durch passive Bewegung der Beine.
4.7.6 Wärmeregulation Patient zudecken, um Wärmeverlust zu vermeiden. Keine lokale Wärme! Grund: Vasodilatation B periphere Stase B Erhöhung des örtlichen Stoffwechsels B Erhöhung des Sauerstoffdefizits
4.7.7 Schmerz und Unruhe beseitigen! Patienten, die unruhig sind (ohne starke Schmerzen), erhalten z. B. Diazepam-ratiopharm“. Als Analgetika werden z. B. Tramadol-ratiopharm“ verabreicht. Man muss für schmerzfreie Lagerung sorgen. Im-
4.7 Sofortmaßnahmen
59
mobilisation von Wundgebieten und Frakturen durch fixierende, schienende Verbände (Applikation von Luftkissenschienen, die auf schonendste Weise Frakturen vorübergehend immobilisieren), Herstellung äußerer Ruhe. Morphium ist kontraindiziert bei: ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Patienten, die komatös oder deutlich zyanotisch sind, Patienten mit Atmungsbehinderung, Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma, Patienten mit stumpfem Bauchtrauma.
4.7.8 Vasokonstriktorische Medikamente Vasokonstriktorische Medikamente sind bei hämorrhagisch-traumatischem Schock kontraindiziert. Vasoaktive Substanzen ohne primäre Volumentherapie bleiben wirkungslos. Die Infusion bzw. Transfusion ist in diesem Fall durch kein Medikament zu ersetzen. Sobald der Venendruck ansteigt, der arterielle Druck aber noch ungenügend ist, kann man verabreichen: ⫺ Noradrenalin (Arterenol“, 1 ml 1:1000 ⫽ 1 mg) 0,2⫺0,5 ml langsam i. v. oder 16 mg/1000 ml 0,9 % NaCl-Lösung. So viel von der Infusion geben, bis der Blutdruck auf der gewünschten Höhe ist. Bei Säuglingen 0,1⫺0,3 ml, bei Kleinkindern 0,3⫺0,5 ml, bei Schulkindern 0,5⫺ 0,7 ml in 10facher Verdünnung i. v. Hautnekrosen bei paravenöser Infusion. ⫺ Katecholamine zur Stabilisierung des Kreislaufs. Dopamin-ratiopharm“ hebt den Blutdruck vor allem in den Nieren. Dosierung: Nierendosis: 3 μg/kg KG/min, Kreislaufdosis: bis 10 μg/kg KG/min. Dobutamin-ratiopharm“ erhöht vor allem die Kontraktilität des Herzens (positiv inotrop). Hirnödemprophylaxe: initial 48 mg Dexamethason i. v., dann alle 2 Stunden 8 mg beim anaphylaktischen Schock.
4.7.9 Kortikosteroide Anhaltende Schockzustände gehen immer mit einer Nebenniereninsuffizienz einher. Ferner stabilisieren Kortikoidsteroide die Zellmembran und beugen so einer respiratorischen Insuffizienz vor. Urbason-Solubile“ 30 mg/kg KG i. v. in 30 Sekunden injizieren, besonders im Behand-
60
4 Schock
lungsbeginn anhaltender Schocksituationen. Wiederholung nach einigen Stunden ohne Gefahr möglich.
4.7.10 Schocklunge Die respiratorische Insuffizienz ist ein Hauptproblem in der Intensivmedizin. Bei Volumenmangel- und vaskulär bedingtem Schock müssen die intensivmedizinischen Maßnahmen alle Möglichkeiten beinhalten, die das Entstehen einer respiratorischen Insuffizienz (Schocklunge) verhindern. Die Bildung und Freisetzung toxischer Peptide und Kinine im Schock und die daraus folgenden strukturellen Veränderungen in Lunge und anderen Organen können durch die frühzeitige intensivmedizinische Therapie verzögert oder verhindert werden. Endotheldefekte und Ödem bleiben begrenzt, die gestörte Mikrozirkulation und damit die azidotische Stoffwechsellage werden normalisiert. 1. Herzmittel: Schock ist ein primäres Versagen der peripheren Zirkulation, nicht des Herzens. Stützung des Herzens durch herzwirksame Medikamente i. v. (internistische und intensivmedizinische Konsiliartherapie). 2. Bei schweren Schockzuständen sollte immer zur Prophylaxe von Stressulzera im Magen ein H⫹-Blocker, z. B. Ranitidin-ratiopharm“, verabreicht werden.
4.8 Technik der zentralen Venendruckmessung 4.8.1 Definition Unter zentralem Venendruck (ZVD) versteht man den Druck im klappenlosen oberen Hohlvenensystem. Er wird durch Flüssigkeitsmanometrie mit Hilfe eines in die Vena cava superior vorgeschobenen Kunststoffkatheters bestimmt. Die Messung des zentralen Venendrucks ist der wichtigste Parameter für die Korrektur von Hypo- bzw. Hypervolämien. Eingehende Untersuchungen hierüber erfolgten von C. Burri.
4.8.2 Instrumentarium Die Messung des ZVD erfolgt entweder mit Messlatte oder Statham und Monitor.
4.8 Technik der zentralen Venendruckmessung
61
Messung mit Messlatte Benötigtes Material: a) Venenkatheter mit „Splitkanüle“, b) Thoraxschublehre, c) Filzstift zur Markierung des Nullpunktes am Thorax des Patienten, d) Venendruckbesteck, e) Messskala. Zu a) Venenkatheter. Länge der Katheter: vier verschiedene Größen von 15 cm bis 60 cm Länge. Nadel: so genannte „Splitkanüle“, die durch Auseinanderklappen entfernt werden kann. Sie hat eine Länge von 65 mm für Erwachsene und 30 mm für Kinder. Zu b) Thoraxschublehre: Sie dient zur Bestimmung des Nullpunkts für die Messskala. Diese Thoraxschublehre besteht aus einem oberen und einem äußeren Schenkel, der bei liegendem Patienten den äußeren sternovertebralen Abstand abnimmt. Der Zeiger in der Mitte teilt die umgriffene Strecke in 2/5 (oberer Abschnitt) und 3/5 (unterer Abschnitt) ein und gibt somit automatisch die Lage der Katheterspitze im Brustkorb und somit den äußeren Nullpunkt für die Messskala an. Zu d) Venendruckbesteck: Das Venendruckbesteck wird an den Venenkatheter angeschlossen und dient zur Messung des zentralen Venendrucks. Es besteht aus einem Y-Schlauch, wobei der eine Schenkel als flüssigkeitszuführender Schlauch, der andere als Messschenkel dient und der abführende Schenkel mit dem zentral liegenden Venenkatheter verbunden wird. An der Teilungsstelle der drei Schläuche befindet sich ein Dreiwegehahn, der das Umstellen von Infusion auf Messungen in einfacher Weise gestattet. Zu e) Messskala: Die Messskala kann an jedem Infusionsständer durch zwei an der Rückseite befestigte Greifarme befestigt werden. Der Messschenkel des Venendruckbestecks kann neben der Messskala in entsprechender Höhe fixiert werden. Messung über Druckwandler Man benötigt: a) zentralen Venenkatheter, b) Druckwandler, c) Monitor. Zu a) Die Spitze des Venenkatheters muss im oberen Vorhof bzw. in der Vena cava superior liegen.
62
4 Schock
Zu b) Die Flüssigkeitssäule des ZVK muss blasenfrei mit dem Druckwandler verbunden sein. Zu c) Der Monitor zeigt die vom Druckwandler übermittelten Werte graphisch und digital an.
4.8.3 Durchführung der Messung des ZVD (Abb. 4-4) 1. Zugang: Vena basilica in der Ellbeuge, Vena jugularis externa oder interna, Vena subclavia. 2. Vorbereitungen: ⫺ Reinigen, Säubern und Desinfektion der Haut mit Äther, Alkohol oder Kodan“, ⫺ Vorbereitung des Instrumentariums auf einem sterilen Anreichtisch, ⫺ Anziehen von Kopfbedeckung, Mundschutz und sterilen Handschuhen, ⫺ Abdecken des Operationsfeldes mit Operationstapes. 3. Punktion der Vene: zur Venenpunktion s. Abschn. 18.14, 18.15. Beim Einfließen von Blut in den Katheter wird die Staubinde gelöst. Der Verschlussstopfen am Ende des Katheters verhindert das Ausfließen von Blut. 4. Einführen des Katheters: Bei liegender Kanüle wird nun der im Plastikschutzschlauch liegende Venenkatheter vorgeschoben und durch Röntgenkontrolle der richtige Sitz der Katheterspitze überprüft. Der Schutzschlauch wird dann entfernt. Der Mandrin wird zurückgezogen, die Infusion angeschlossen. Die beiden Kunststoffflügel werden auseinandergeklappt, die Nadel entfernt. 5. Versorgung der Kathetereintrittsstelle: lokale Applikation von Nebacetin-Puder-Spray“. Abdecken der Eintrittsstelle mit sterilen Kompressen und Befestigung des Katheterschlauches mit Heftpflasterstreifen. Anmerkung: Unter zentralem Sitz der Katheterspitze versteht man die Lage des Katheters im klappenlosen oberen Hohlvenensystem. 6. Bestimmung des äußeren Nullpunkts: Hierzu dient die Thoraxschublehre. Der Patient befindet sich in der Rückenlage. Der äußere sternovertebrale Abstand wird mit der Schublehre in der Mitte zwischen Manubrium und Xiphoid bestimmt. Dabei weist der Zeiger auf den äußeren Nullpunkt, der an der seitlichen Thoraxwand des Patienten mit einem Filzstift markiert wird.
4.8 Technik der zentralen Venendruckmessung
63
7. Einrichten der Messskala: Entsprechend der Nullpunktbestimmung wird die Messskala mit der Halterungsvorrichtung am Infusionsständer in der gleichen Höhe angebracht, an der die Nullpunktbestimmung mit Hilfe der Thoraxschublehre ermittelt wird. 8. Zentrale Venendruckmessung: Prüfung der Durchgängigkeit des ganzen Systems durch rasches Einlaufen lassen aus dem Infusionssystem. Über den Dreiwegehahn lässt sich der Infusionsschenkel abstellen und auf Messung einstellen. Je nach Höhe des zentralen Venendrucks pendelt sich die Flüssigkeitssäule im Venenkatheter auf einen bestimmten Wert ein, der dann als zentraler Venendruck abgelesen wird.
Abb. 4-4 Zentrale Venendruckmessung. Schema zur Ermittlung der Höhe des rechten Vorhofs bei liegenden Patienten (aus: Pschyrembel“, Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter, Berlin, 2004; mit freundlicher Genehmigung von G. Kaczmarczyk, Berlin).
4.8.4 Beurteilung des ZVD Normalwert: 4⫺10 cm Wassersäule. Abnahme bis in den Negativbereich: Hypovolämie. Anstieg: ⫺ Hypervolämie, ⫺ Herzinsuffizienz, ⫺ mechanische Behinderung der zentralen Strombahn durch Thrombose, ⫺ Veränderungen der Lungenstrombahn (Lungenembolie, Fettembolie, Luftembolie), ⫺ Herztamponade. Beachte: Beim traumatisierten Patienten mit erhöhtem intraabdominellen Druck oder bei Thoraxverletzungen (Pneumothorax, Hämatothorax) kann ein „normaler ZVD“ eine Normovolämie vortäuschen.
64
4 Schock
4.9 Wichtige Kontrolluntersuchungen 4.9.1 Urinmengenbestimmung Einlegen eines Blasenkatheters ist besonders wichtig bei Kindern. UrinStundenportionen sind in Tab. 4-2 aufgeführt. Minimale Stunden-Urinproduktion: bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkinder 1 ml/kg/h. Tab. 4-2 Tagesurinproduktion in verschiedenen Altersstufen. Alter
Tagesurinproduktion in ml/24 h
1⫺2 Tage 3⫺10 Tage 10 Tage⫺2 Monate 2 Monate⫺1 Jahr 1⫺3 Jahre 3⫺5 Jahre 5⫺8 Jahre 8⫺14 Jahre über 15 Jahre
30⫺60 100⫺300 250⫺450 400⫺500 500⫺600 600⫺700 650⫺1000 800⫺1400 1000⫺1600
4.9.2 Weitere Kontrollen ⫺ Kontinuierliche Kontrolle von Blutdruck und Venendruck bis Werte im Bereich der Norm erreicht sind, dann über weitere 24 Stunden laufende Kreislaufüberwachung. ⫺ Kurzfristige Kontrollen von Hämoglobin, Hämatokrit und Erythrozyten, um die Frage der Hämokonzentration und Hämodilution zu klären. Urinmengenbestimmung s. o.
4.10 Sofortmaßnahmen ohne Erfolg Bei fehlender Besserung trotz Infusionstherapie muss man an: 1. intraabdominelle Blutung (abdominelle Lavage, abdomineller Ultraschall, CT, MR, Laparoskopie), 2. Spannungspneumothorax, Hämatothorax (thorakale Punktion), 3. Herztamponade, 4. (vorher bestehende) Herzinsuffizienz, 5. Stammhirnschädigung, intrakranielle Blutung,
4.11 Anaphylaktischer Schock
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6. infektiös-toxischen Zustand, 7. starke Störung des Elektrolytgleichgewicht, 8. Gewebehypoxie großen Ausmaßes: irreversiblen Schock denken.
4.11 Anaphylaktischer Schock 4.11.1 Synonyme Normovolämischer Schock (Entspannungskollaps) mit Vasodilatation und Verlust des peripheren Gefäßwiderstands.
4.11.2 Kennzeichen 1. Patient reagiert auf Seruminjektion, Penicillin oder andere Medikamente (Kontrastmittel) innerhalb von Sekunden oder Minuten (auch Stunden z. B. nach Kontrastdarstellungen parenchymatöser Organe ⫺ i. v. Pyelogramm, Angiogramm), 2. Hautveränderung: Urtikaria, Ödeme (Gesicht), 3. akuter Blutdruckabfall, 4. Krämpfe, 5. Würg- und Erstickungsgefühl, 6. Status asthmaticus, 7. zunehmende Bewusstlosigkeit, 8. weite Pupillen, 9. Stuhl- und Urininkontinenz.
4.11.3 Sofortmaßnahmen 1. Patienten flach lagern, Schockposition, Trendelenburg’sche Lagerung. 2. Sofort Vasopressoren verabreichen: Noradrenalin (Arterenol“ 1:1000) 0,5 ml sublingual oder Suprarenin (1:1000) 0,2⫺0,8 ml s. c. 3. Sicherung einer ausreichenden Sauerstoffzufuhr durch Freilegen, Freihalten der Atemwege und Beatmung bei Atemstillstand. 4. Ferner: Urbason-Solubile“: bis zu 250 mg i. v. innerhalb von 30 Sekunden. Bei Kindern bis zu 5 mg/kg Körpergewicht. 5. Bei asthmoidem Bronchospasmus: Euphylong“ 200⫺400 mg langsam i. v., Wiederholung nach 3⫺4 Stunden. Dosierung bei Säuglingen
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4 Schock
20⫺30 mg, bei Kleinkindern 30⫺50 mg und bei Schulkindern 50⫺ 100 mg i. v. (über eine Infusionslösung, z. B. Tutofusin“).
4.12 Fettembolien 4.12.1 Definition Okklusion von Gefäßen, meist im kleinen Kreislauf (Lunge) durch Lipidglobuli und daraus resultierenden Zirkulationsstörungen.
4.12.2 Ursachen 1. Fettembolien nach Traumen (Frakturen, Weichteilverletzungen, Verbrennungen) 2. Fettembolien nach Pankreatitis, Verbrauchskoagulopathien, Infektionen, Vergiftungen und Eklampsie.
4.12.3 Leitsymptome ⫺ akut auftretende Leitsymptome: motorische Unruhe, Beklemmungsgefühl, Tachykardie, Blutdruckabfall, Dyspnoe, Zyanose, Husten, Sehstörungen, Bewegungsstörungen, röntgenologische Verschattung der Lunge, EKG mit Rechtsherzbelastung, ZVD Erhöhung, Hypoxämie in der Blutgasanalyse ⫺ protrahiert auftretende Leitsymptome: petechiale Blutungen, zerebrale Symptome (Bewusstlosigkeit, Apoplexiebild), Oligurie, Anurie
4.12.4 Soforttherapie Prophylaktische Maßnahmen sind wichtig: 1. Schockbehandlung (Volumentherapie, Verbesserung der Mikrozirkulation), 2. Beseitigung von Azidose und Hypoxie, 3. Patientenmobilisation.
4.13 Lagerungsformen Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Lagerung von Patienten bei bestimmten Verletzungen und Erkrankungen (Abb. 4-5).
4.13 Lagerungsformen Indikation
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Lagerung
Unfallverletzte
stabile Seitenlage zur Freihaltung der Atemwege, Verhütung der Aspiration Schädel-Hirn-Trauma stabile Seitenlage mit erhöhtem Oberkörper, Kopf in Mittelstellung, Lagerung auf der gesunden Seite zur Verbesserung des venösen Abflusses und Verminderung des Hirndrucks Volumenmangelschock stabile Seitenlage, Kopf-Tieflage zur Freihaltung der Atemwege, Vermeidung einer Aspiration, Hochlagerung der Beine zur Verbesserung des venösen Rückflusses Thoraxtrauma
stabile Seitenlage mit erhöhtem Oberkörper und Lagerung auf der verletzten Seite, um die Belüftung des unverletzten Lungenflügels zu verbessern, Atemwege freizuhalten, Vermeidung einer Aspiration Wirbelsäulentrauma Flachlagerung, Kopf in Mittelstellung; besonders zu beachten: Vermeidung von weiteren Umlagerungen und unnötigen Bewegungen im Wirbelsäulenbereich Atemnot erhöhter Oberkörper zur Erleichterung der Atmung Lungenödem aufrechte Lagerung mit herabhängenden Beinen zur Erleichterung der Atmung und Entlastung des Lungenkreislaufs kardiogener Schock Lagerung mit erhöhtem Oberkörper zur Verminderung des venösen Rückflusses zum insuffizienten Herzen Vena-cavaLinkslagerung zur Entlastung der unteren Hohlvene, Kompressionssyndrom dadurch wird der venöse Rückfluss gefördert akuter peripherer Arterienverschluss akuter peripherer Venenverschluss hypertone Krise
Tieflagerung der entsprechenden Extremitäten zur Verbesserung des arteriellen Zuflusses über Kollateralen Hochlagerung der betreffenden Extremität zur Erleichterung des venösen Abflusses über Kollateralen Lagerung des Oberkörpers in erhöhter Position zur Verminderung des arteriellen Zuflusses zum Gehirn
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4 Schock
Abb. 4-5 Lagerungsformen. 1: Flachlagerung, z. B. bei Wirbel- oder Beckenfraktur; 2: Hochlagerung des Kopfes, z. B. bei Schädel-Hirn-Trauma; Flachlagerung in Kopftieflage, z. B. bei Hypovolämie (a), ggf. mit Anheben der Beine (b); 4: Oberkörperhochlagerung, z. B. bei kardiorespiratorischer Erkrankung; 5: Fowler-Lagerung: z. B. bei Abdominaltrauma oder Peritonitis (aus: Pschyrembel“, Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter, Berlin, 2004).
5 Schädel-Hirn-Trauma
5.1 Vorbemerkung ⫺ Einteilung des Schädel-HirnTraumas (SHT) Ein SHT liegt vor, wenn eine äußere Gewalteinwirkung zu einer strukturellen Verletzung des Schädels und/oder zu einer strukturellen und/ oder funktionellen Läsion des Gehirns führt. Hierbei ist zu beachten, dass sich strukturelle Läsionen auf zellulärer Ebene den herkömmlichen bildgebenden Verfahren (CT und MRT) entziehen können. Prinzipiell muss zwischen der Primärläsion (Hirngewebsverletzung und Gefäßschäden) mit deren unmittelbaren Folgen (Hämatom und zelluläre pathophysiologische Kaskade) und Sekundärläsion (Ödem, Ischämie) mit deren Folgen unterschieden werden. Dies hat eine bedeutende klinische Rolle, da das übergeordnete Therapiekonzept beim SHT darin besteht, das traumatisierte und somit vulnerable Gehirn vor sekundären Schäden zu bewahren.
5.2 Offene Schädel-Hirn-Verletzungen Infolge Gewalteinwirkung auf den Schädel mit resultierenden Duradefekt und offener Verbindung nach außen. Bei basaler Fraktur auch ohne Hautverletzung möglich. Es besteht stets die Gefahr einer Infektion (Meningitis, Enzephalitis). Einteilung: 1. Impressionsfraktur 2. frontobasale Schädelfraktur (Fraktur im Bereich des Sinus frontalis und Os ethmoidale; typische Fraktur bei Auffahrunfällen) 3. Schussverletzungen
5.3 Gedecktes Schädel-Hirn-Trauma 1. Commotio (gedeckte Hirnschädigung) Definition: vorübergehende Störung der Gehirnfunktion ohne nachweisbare morphologische Veränderungen.
70
5 Schädel-Hirn-Trauma
Symptome: vorübergehende allgemeine Symptome wie kurze Bewusstlosigkeit (wenige Sekunden bis 40 Jahre, 2. systolischer Blutdruck < 90 mm Hg, 3. ein- oder beidseitige Beuge- oder Strecksynergismen. Bei Verdacht auf einen ICP-Anstieg muss zuerst mittels CT eine operationsbedürftige Raumforderung ausgeschlossen werden (siehe oben was das weitere Vorgehen bei Vorliegen einer Blutung anbelangt). Initiale relevante CCT Befunde mit Hinweis auf ICP Anstieg: ⫺ verstrichene kortikale Furchung, ⫺ Kompression des 3. Ventrikels, ⫺ Kompression der basalen Zisternen. Bei Verdacht auf eine intrakranielle Drucksteigerung sollte die Anlage einer ICP-Sonde erfolgen, um den weiteren Verlauf zu kontrollieren und die hirndrucksenkende Therapie gezielt zu steuern. Oberste Maxime ist die Vermeidung von Sekundärschäden durch zerebrale Ischämie. Die Hirndurchblutung (CBF) hängt direkt mit dem zerebralen Perfusionsdruck zusammen (CPP); dieser berechnet sich aus dem mittleren arteriellen Druck (MAP) und dem ICP: CPP ⫽ MAP ⫺ ICP
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5 Schädel-Hirn-Trauma
Therapieziele: ⫺ ICP < 20 mm Hg ⫺ CPP ~ 70 mm Hg
5.8 Maßnahmen 5.8.1 Neurostatus Der Neurostatus umfasst: ⫺ Bewusstseinslage: GCS ⫺ Pupillen: Weite, Seitenvergleich und Reaktion ⫺ Halbseitensymptomatik: Motorik, Reflexe, pathologische Reflexe
5.8.2 GCS 15 Punkte (leichtes SHT) ⫺ GCS beträgt 15 Punkte, Patient ist wach und orientiert, hat keine Amnesie und keine äußeren Verletzungszeichen, geringe Kopfschmerzen: Überwachung, ggf. nach Hause. ⫺ GCS beträgt 15 Punkte, Patient ist wach und orientiert und hat eine Amnesie oder äußere Verletzungszeichen. Wird bei der RöntgenSchädeluntersuchung eine Fraktur festgestellt, dann erfolgt eine CTUntersuchung. Ist der CT-Befund pathologisch, erfolgt eine Einweisung in die Neurochirurgie. Ist der CT-Befund unauffällig, kann eine Weiterbehandlung in einem allgemeinen Krankenhaus erfolgen. Wird bei der Röntgen-Schädeluntersuchung keine Fraktur festgestellt, erfolgt im allgemeinen Krankenhaus eine Überwachung, bis der Patient klinisch unauffällig ist. Bei neurologischer Verschlechterung erfolgt eine Kontoll-CT.
5.8.3 GCS 9⫺14 Punkte, Patient bewusstseinsgetrübt (mittelschweres SHT) GCS beträgt 9⫺14 Punkte, der Patient ist bewusstseinsgetrübt oder hat neurologisch Herdzeichen oder zerebrale Anfälle. In diesen Fällen ist eine sofortige CCT-Untersuchung angezeigt. ⫺ CT-Befund pathologisch: Neurochirurgie ⫺ CT-Befund unauffällig: Überwachung im Krankenhaus ⫺ bei neurologischer Verschlechterung: Kontroll-CT
5.8 Maßnahmen
79
5.8.4 GCS 3–8 Punkte, Patient bewusstlos (schweres SHT) In diesen Fällen ist eine Sicherung der Vitalfunktionen indiziert. Es soll eine CCT-Untersuchung durchgeführt werden und eine Überweisung in die Neurochirurgie erfolgen. Die neurologische Beurteilung eines verunfallten Patienten in der chirurgischen Ambulanz kann durch die Intubation am Unfallort, durch Analgosedierung sowie durch Begleitverletzungen (Polytrauma) erschwert sein. Daher ist die Durchführung eines CCT in dubio stets indiziert. Da der verantwortliche Arzt in der chirurgischen Ambulanz Entscheidungen hinsichtlich der Prioritäten von diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen zu treffen hat, werden im Folgenden einige Entscheidungsgrundlagen für die Indikationsstellung zur Durchführung eines CCT aufgezeigt.
5.8.5 Kopfplatzwunden Sofortige Versorgung mit Kompression oder Naht zur Vermeidung von hohen Blutverlusten (beispielsweise bei Verletzung der Arteria temporalis superficialis). Maßnahmen bei Kopfschwartenwunden: ⫺ Leitungsanästhesie zur Versorgung größerer Kopfschwartenverletzungen entlang des N. frontalis, N. supraorbitalis, N. zygomaticus und N. temporalis, N. auriculotemporalis, N. auricularis posterior, N. occipitalis minor und major. ⫺ Bei jeder Wundrevision soll durch digitale Palpation der Schädelkalotte eine Stufenbildung als Hinweis auf eine Schädelfraktur ausgeschlossen werden. ⫺ Bei Autounfällen kommt es häufig zu Glassplittereinsprengungen in die Weichteile, wobei die Glassplitter tief in der Wunde lokalisiert sein können. ⫺ Die Haut wird atraumatisch mit 2-0 oder 3-0 Prolene readaptiert, wobei die Galea aponeurotica zur besseren Blutstillung mitgefasst werden soll.
5.8.6 Penetrierende Fremdkörper Nur unter neurochirurgischen Bedingungen nach Durchführung eines CCT entfernen. Der Fremdkörper könnte eine Blutung tamponiert haben, welche nach Entfernen des Fremdkörpers wieder bluten könnte.
80
5 Schädel-Hirn-Trauma
5.8.7 Blut/Liquor aus Nase/Ohr Blut/Liquor aus Ohr und/oder Nase sind hinweisend auf ein offenes SHT mit Schädelbasisfraktur und benötigen unbedingt die Durchführung eines CCT und wegen der Infektionsgefahr eine antibiotische Abdeckung (z. B. Cephalosporin der dritten Generation). Eine Liquorrhoe wird durch Bestimmung von ß-2-Transferrin aus dem Nasen- bzw. Ohrensekret nachgewiesen. Die Therapie der Liquorrhoe ist zunächst konservativ, da sie meist spontan sistiert.
5.8.8 Monokel-/Brillenhämatom Hinweis auf eine Fraktur der Frontobasis: CCT.
5.8.9 Kalottenfraktur Bei palpatorischem Hinweis auf eine Impression muss ein CCT durchgeführt werden, da ein erhöhtes intrakranielles Blutungsrisiko besteht. Eine offene Impressionsfraktur mit und ohne Duraläsion muss immer chirurgisch versorgt werden. Sollte bei fehlender Blutung im CCT bei einem gedeckten SHT eine Impressionstiefe von mehr als einer halbe Kalottendicke vorliegen, muss die operative Anhebung des Imprimates erfolgen. Bei einer gedeckten Kalottenfraktur mit Impression von weniger als halber Kalottendicke muss bei korrelierendem neurologischem Herdbefund ebenfalls eine Operation erfolgen.
5.9 Behandlung des posttraumatischen Hirnödems 5.9.1 Allgemeine Maßnahmen ⫺ Sedierung ⫺ Oberkörperhochlagerung (30∞) ⫺ Liquordrainage
5.9.2 Medikamentöse Behandlung Osmotische Diuretika, typischerweise Mannitol als Kurzinfusion 20 %ig, kann bei Bedarf wiederholt werden.
5.9.3 Ultima Ratio bei therapierefraktärer Hirndrucksteigerung ⫺ TRIS-Puffer (der max. arterielle pH-Wert 7,6 sollte nicht überschritten werden)
5.9 Behandlung des posttraumatischen Hirnödems
81
⫺ Dekompressionskraniotomie (s. o.) ⫺ forcierte Hyperventilation für max. 1 h: Ziel ⫽ paCO2 ca. 30 mm Hg (⫹ Monitoring: Bulbus-Oxymetrie oder Hirngewebs-pO2) ⫺ milde Hypothermie (34⫺35∞) Beachte: Grundsätzlich muss bei jedem Schädel-Hirn-Trauma infolge Läsion von kleineren oder größeren Arterien oder Venen mit einer intrakraniellen Blutung gerechnet werden. Dabei kann der Zeitraum zwischen Unfall und Zeitpunkt, zu dem das Hämatom klinische Symptome verursacht, erheblich differieren (Minuten bis Tage). Patienten, bei denen das Schädel-Hirn-Trauma im Vordergrund steht, müssen immer im Hinblick auf Kombinationsverletzungen untersucht werden: stumpfes Thoraxtrauma, stumpfes Bauchtrauma, Extremitätenfrakturen. Mit Nachdruck wird in diesem Zusammenhang auf assoziierte Verletzungen des Auges hingewiesen. Beachte weiter: Massive arterielle Blutungen aus der Nase bzw. dem Rachen können ohne Gesichtsschädelzertrümmerung bei Schädelbasisfrakturen und gleichzeitiger Läsion der A. carotis interna vorkommen. Sofortige Tamponade und Versorgung der A. carotis interna bzw. des Circulus Willisii ist in einer neurochirurgischen Klinik indiziert.
6 Herzstillstand ⫺ Kreislaufstillstand ⫺ Atemstillstand
6.1 Ursachen 1. Polytraumatisierte Patienten mit massivem Blutverlust (Grenzwert: 30⫺40 % des gesamten Blutvolumens): Von der Gefahr eines akuten Kreislaufstillstands sind vor allem Schwerstverletzte und Polytraumatisierte durch Hypoxie, verursacht durch Blutverlust und Ateminsuffizienz, betroffen. 2. Narkosezwischenfall durch O2-Minderversorgung während der Narkose, Hypoxie durch ungenügende Zufuhr an O2 oder durch Atelektasen (Aspiration von Erbrochenem). 3. Kritische arterielle O2-Spannung (erste Funktionsstörungen der Ganglienzellen der Großhirnrinde) liegt bei 40⫺50 mm Hg; normale O2-Spannung beträgt 80⫺90 mm Hg. 4. Reflektorischer Herzstillstand über Nervus vagus und glossopharyngeus, hervorgerufen: ⫺ durch Divertikel der Speiseröhre (zwei Typen: Pulsions- und Traktionsdivertikel), ⫺ durch Erkrankungen des Magens und der Gallenwege (Gallensteine), ⫺ während einer Bronchoskopie, bei Herzkatheteruntersuchung, ⫺ bei Punktion der Pleurahöhle (Pleuraschock), ⫺ ausgehend von gewissen Bezirken des Körpers wie Uterus, Vagina, Rektum, Auge, Ohr bei Untersuchungen. 5. Vagustod: Angst vor der Narkose oder anderen unvorhergesehen Ereignissen. 6. Unfall durch elektrischen Strom im Stromstärkebereich I (25⫺ 80 mA, Spannung 110⫺380 V; bei Einwirkungszeit von 25 Sekunden und länger: Kammerflimmern), im Stromstärkebereich II (80 mA bis 5 A, Spannung 110⫺380 V, meist irreversibles Kammerflimmern), im Stromstärkebereich IV (über 5 A, Spannung 2000⫺ 3000 V, kurzer Herzstillstand, dann Arrhythmie, Verbrennungsmarken).
6.2 Diagnose
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7. Akute Überdehnung der Herzkammern bei plötzlicher Widerstandserhöhung im kleinen oder großen Kreislauf (Pneumektomien, Blalock-Taussig-Anastomose). 8. Bei plötzlicher Senkung des peripheren Widerstands (z. B. Intoxikation, bei einem akuten, massiven Blutverlust). 9. Bei latenter Schädigung des Herzens kann schon eine allzu reichliche Zufuhr von Blut oder Blutersatzflüssigkeit oder Überdosierung von peripheren Kreislaufmitteln zum Herzstillstand führen. Die Kenntnis der Ursache des Herzstillstandes ist die Voraussetzung für die entsprechende Therapie. 10. Herzrhythmusstörungen durch Schädigung des Reizleitungsgewebes oder Elektrolytverschiebungen. 11. Herzinfarkt durch Verschluss von Herzkranzgefäßen. 12. Hypoxische oder infektiöse Herzmuskelschädigung.
6.2 Diagnose (Abb. 6-1) 1. Terminale Schnappatmung und Aufhören der Spontanatmung. 2. Kein peripherer Puls tastbar (Radialis-, Femoralis- und Karotispuls). Blutdruck nicht mehr messbar. 3. Pupillen erweitern sich beidseitig. 4. Bewusstlosigkeit auf Grund unterbrochener Hirnzirkulation bei Herzstillstand und Kammerflimmern, wobei der hämodynamische Effekt gleich ist.
Abb. 6-1 Herzauskultation. Standardpunkte: S 1: Gegend der absoluten Herzdämpfung im linken 4. ICR (⫽ Interkostalraum) parasternal (Mitralklappen); S 2: über der Herzspitze in der Medioklavikulargegend des linken 5. ICR (Mitralklappen); S 3: über dem Sternalende des rechten 2. ICR (Aortenklappen); S 4: über dem Sternalende des linken 2. ICR (Aorten- bzw. Pulmonalklappen); S 5: zusätzliche Auskultationsstelle (5. Punkt nach Erb) über dem Sternalende des linken 3. ICR (Aortenklappen); S 6: über dem Sternalende des rechten 5. ICR (Trikuspidalklappen); S 7: vordere Axillarlinie links (Mitralklappen) (aus: Pschyrembel“, Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter, Berlin, 2004).
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6 Herzstillstand ⫺ Kreislaufstillstand ⫺ Atemstillstand
Beachte: Unterbrechung der Hirnzirkulation von 3⫺4 Sekunden: Schwindel 6⫺8 Sekunden: Schwarzwerden vor Augen 8⫺10 Sekunden: Bewusstlosigkeit 40 Sekunden: Atmung setzt aus, Cheyne-Stokes-Atemtyp Zyanose 3⫺4 Minuten: Anoxiezeit des Gehirns, zerebrale Schäden.
6.3 Vorbemerkungen zur Therapie Der Herzstillstand kann als asystolischer Herzstillstand erfolgen (Lähmungsform) oder es kann Kammerflimmern (Reizungsform) vorliegen. Das Vorhandensein der jeweiligen Form wird durch das EKG festgestellt. Diese Untersuchung läuft parallel zur sofort eingeleiteten Herzmassage und Beatmung. Im Hinblick auf das kurze, therapeutisch auszunutzende Zeitintervall (s. o.), das durch den Zeitpunkt des Herzstillstands bis zum Auftreten irreversibler zerebraler Schäden bestimmt ist, ist ein gezieltes therapeutisches Vorgehen von lebenswichtiger Bedeutung. Zur Beseitigung des akuten Herzstillstands ist das im folgenden Abschnitt beschriebene Programm einzuhalten.
6.4 Therapie ⫺ Notfallmaßnahmen Die Reanimation erfolgt nach dem ABC-Schema: A: Airway ⫽ Freimachen der Atemwege B: Breathing ⫽ Beatmung C: Circulation ⫽ Wiederherstellung der Herzaktion, Herzmassage
6.4.1 Schematischer Überblick 1. Beatmung: Mund zu Mund 2. Intubationstechnik: Mundtubus. Trachealintubation und Anschließen an Beatmungsgeräte (Drägerwerk) oder Handbeatmung 3. Herzmassage (HM): ⫺ externe HM ⫺ interne HM ⫺ EKG (als diagnostisches Hilfsmittel zur Differenzierung von Kammerflimmern oder asystolischem Herzstillstand) 4. intrakardiale oder zentralvenöse Injektion von Katecholaminen: ⫺ bei asystolischem Herzstillstand ⫺ bei Kammerflimmern
6.4 Therapie ⫺ Notfallmaßnahmen
85
5. Defibrillation: bei Kammerflimmern 6. Parallel zu diesen Maßnahmen erfolgen venöse Zugänge: zentraler Venenkatheter (Subklaviakatheter, Jugulariskatheter), venöse Zugänge über die Vena saphena magna oder Vena cubitalis (venae sectio).
6.4.2 Beatmung (Tab. 6-1) Eine Wiederbelebung ist nur dann erfolgreich, wenn vor der Herzmassage, spätestens gleichzeitig, beatmet wird (Abb. 6-2). Tab. 6-1 Nomenklatur zur maschinellen Beatmungsunterstützung (aus: Pschyrembel“, Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter, Berlin, 2004). Kurzbezeichnung
englische Bezeichnung; deutsche Bezeichnung
ASV
assisted spontaneous ventilation; unterstützte Spontanatmung bi-level positive airway pressure; positiver Atemwegdruck mit zwei Druckniveaus continuous positive airway pressure; kontinuierlicher positiver Atemwegdruck continuous positive pressure ventilation; kontinuierliche Überdruckbeatmung expiratory positive airway pressure; positiver exspiratorischer Atemwegdruck high frequency positive pressure ventilation; Hochfrequenzüberdruckbeatmung high frequency ventilation; Hochfrequenzbeatmung intermittent positive pressure ventilation; intermittierende Überdruckbeatmung inversed ratio ventilation; Beatmung mit umgekehrtem Atemphasen/Zeit-Verhältnis low frequency positive pressure ventilation; Niedrigfrequenzüberdruckbeatmung (kombiniert mit extrakorporaler CO2-Eliminierung) maschinelle Beatmung mandatory minute volume; (vorgegebenes) maschinelles Minutenvolumen positive endexpiratory pressure; positiver endexspiratorischer Druck positive negative pressure ventilation; Wechseldruckbeatmung (synchronized) intermittent mandatory ventilation; (synchronisierte) intermittierende maschinelle Beatmung zero airway pressure; Spontanatmung unter Atmosphärendruck
BiPAP CPAP CPPV EPAP HFPPV HFV IPPV IRV LFPPV MB MMV PEEP PNPV (S) IMV ZAP
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6 Herzstillstand ⫺ Kreislaufstillstand ⫺ Atemstillstand
Abb. 6-2 Atemspende: Notfallbeatmung am Beispiel der Mund-zu-Mund-Beatmung (aus: Pschyrembel“, Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter, Berlin, 2004).
Abb. 6-3 Diagramm zur Veranschaulichung von Atemfrequenz und Atemvolumen in Abhängigkeit vom Alter.
6.4 Therapie ⫺ Notfallmaßnahmen
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Systematisches Vorgehen ⫺ Freimachen der Atemwege: Patient liegt bereits auf harter Unterlage, Trendelenburg-Lagerung, Hyperextensionsstellung des Kopfes, Unterkiefer nach vorne ziehen, Gebiss, Fremdkörper etc. Entfernen, rasch Schleim, Blut etc. absaugen; ⫺ Freihalten der Atemwege (s. u.); ⫺ Beatmen (s. u.) durch Mund-zu-Mund-Beatmung, durch Maske oder über einen oralen oder nasalen Trachaeltubus. Sauerstoffzufuhr ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie des Herzstillstands. Herzmassage ohne Beatmung ist sinnlos! Die Beatmung erfolgt in der Praxis oder am Unfallort durch Mund-zu-MundBeatmung oder über einen Mundtubus. Frühzeitige Intubation zur Aspirationsverhütung! In der Klinik wird eine Intubation vorgenommen und der Patient an ein Beatmungsgerät (Drägerwerk) angeschlossen. ⫺ Ventilation beim Erwachsenen: ca. 8 l/min ⫽ ca. 16 Atemzüge/min. ⫺ Ventilation beim Kind: s. Abb. 6-3. In Abb. 6-4 werden verschiedene pathologische Atmungsformen der normalen Atmung gegenübergestellt.
Abb. 6-4 Atmungstypen: schematische Darstellung verschiedener pathologischer Atmungsformen im Vergleich zur normalen Atmung; die Exkursionen der spirometrischen Kurven sind der Atemtiefe proportional (aus: Pschyrembel“, Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter, Berlin, 2004).
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6 Herzstillstand ⫺ Kreislaufstillstand ⫺ Atemstillstand
6.4.3 Technik der endotrachealen Intubation (Abb. 6-5) ⫺ Rückenlage des Patienten. ⫺ Hyperextension des Kopfes: Kopf in den Nacken, Unterkiefer am Angulus mandibulae vorziehen; Kehlkopf durch Druck von außen einstellen. ⫺ Mit Hilfe eines Laryngoskops wird der Zungengrund nach vorne angehoben und die Stimmritze dargestellt. ⫺ Endotrachealtubus (Abb. 6-6) wird mit Hilfe einer Führungssonde durch die Stimmritze in die Trachea eingeführt; Metallsonde entfernen, Auskultation zur Überprüfung der richtigen Lage der Tubusspitze, Luftmanschette des Tubus mit Luft aufblasen und anschließend abklemmen (dadurch dichter Abschluss zwischen Trachea und Tubus).
Abb. 6-5 Instrumentarium zur Intubation. 1: Laryngoskop mit gebogenem und geradem Spatel; 2: Führungsstab zur Stabilisierung des Trachealkatheters; 3: Trachealtubus nach Cole ohne Manschette; 4: Trachealtubus mit Manschette; 5: Rekordspritze zum Aufblasen der Manschette; 6: Klemme zum Abklemmen des Manschettenschlauches; 7: Zwischenstücke für Anschluss an Beatmungsgerät; 8: Ballon mit Maske; 9: Guedeltubus.
6.4 Therapie ⫺ Notfallmaßnahmen
89
Abb. 6-6 Endotrachealtubus nach Magill in situ. 1: Ansatzstück für Respirator; 2: Kontrollballon; 3: Zunge; 4: Epiglottis; 5: Cuff; 6: Trachealwand; 7: Ösophagus (aus: Pschyrembel“, Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter, Berlin, 2004; mit freundlicher Genehmigung von G. Kaczmarczyk, Berlin).
⫺ Freies Ende des Tubus an Beatmungsgerät anschließen und beatmen; sichere Fixation des Tubus durch sich kreuzende Pflasterstreifen an der äußere Haut; Atemgeräusch muss über beiden Lungen hörbar sein. Cave: Intubation des rechten oder linken Hauptbronchus. In diesen Fällen muss der Tubus unter Auskultationskontrolle zurückgezogen werden, bis beide Lungen beidseitig gut belüftet sind. ⫺ Vor jeder Extubation immer Bronchialsekrete durch den Tubus absaugen; Absaugen von Sekret aus der Mundhöhle und aus dem Nasen-Rachenraum. Durch Öffnen der Klemme am Luftschlauch wird die Luftmanschette entleert. Die Extubation kann durchgeführt werden. Vor jeder Extubation genaue Auskultation der Lungen. Bei Tab. 6-2 Überblick über die Größe von Trachealkathetern bei Kindern. Alter 1
0⫺ ⁄4 Jahr ½ Jahr 3 ⁄4 Jahr 1⫺2 Jahre 3⫺5 Jahre 5⫺7 Jahre 7⫺9 Jahre 9⫺11 Jahre 11⫺13 Jahre älter
Außendurchmesser (Charrie`re) 12⫺13 mm 13⫺14 mm 16 mm 18 mm 20 mm 22 mm 24 mm 26 mm 28 mm 32⫺40 mm
90
6 Herzstillstand ⫺ Kreislaufstillstand ⫺ Atemstillstand
Säuglingen und Kleinkindern werden Trachealkatheter ohne aufblasbaren Ballon nach Cole verwendet. Bei Kindern ab 3.⫺5. Lebensjahr werden dann die normalen Trachealkatheter mit aufblasbarem Ballon zur Abdichtung der Trachea benutzt. Richtgröße des Trachealkatheters: 18 ⫹ Alter des Kindes (in Jahren) ⫽ Charrie`re in mm (Tab. 6-2).
6.4.4 Herzmassage Externe Herzmassage (EHM) Externe Herzmassage (Thoraxkompression) setzt gleichzeitig mit der Beatmungstherapie ein, die meist von einer zweiten Person vorgenommen wird. Die externe Herzmassage am Unfallort, in der Praxis und in der Klinik stellte eine Sofortmaßnahme bei Herzstillstand dar. Durchführung: 1. Man stellt sich auf die Seite des Patienten, der mit dem Rücken auf harter Unterlage liegt und dessen Beine hochgelagert sind. 2. Linker Handballen liegt dem distalen Ende des Sternums auf. 3. Rechte Hand drückt die so aufgelegte linke Hand (Zweihandmethode) kräftig und ruckartig in Richtung Wirbelsäule (Abb. 6-7a). ⫺ Erwachsene: Zweihandmethode; ca. 3⫺4 cm tief eindrücken; Frequenz 60/min; Sternumdruck 25⫺30 kp.
Abb. 6-7 (a) Technik der externen Herzmassage. (b) direkte transthorakale Herzmassage durch ringförmige Kammerkompression (nach Gall).
6.4 Therapie ⫺ Notfallmaßnahmen
91
⫺ Kleinkinder und Schulkinder: Zweihandmethode; ca. 2⫺3 cm tief eindrücken; Frequenz 60⫺70/min. ⫺ Säuglinge: Daumen- oder Fingermethode; ca. 2 cm tief eindrücken; Frequenz 90⫺100/min. Cave: Lungen- und Leberrupturen, Rippenbrüche; daher Druck nur auf Sternum, nicht seitlich davon. Diese externe Herzmassage hält einen sogenannten Minimalkreislauf, bezogen auf Hirn und Herz, aufrecht. Ist nur ein Arzt allein zur Stelle, alternierende Behandlung in Form vom 15 externen Herzmassagen und 3⫺5-maliger Atemspende im Wechsel. Überblick über Reanimationsmaßnahmen in Abhängigkeit von der Anwesenheit einer oder mehreren Personen: ⫺ Reanimation durch eine Person: Auf 15 Herzmassagen folgen 2 Beatmungen; ca. 80 Herzmassagen pro Minute. ⫺ Reanimation durch mehrere Personen: kontinuierliche Herzmassage ca. 60 pro Minute; Atemspenden 16 pro Minute ⫺ „Neue Herz-Lungen-Wiederbelebung“: Herzmassage und Beatmung parallel 40 pro Minute Optimale Reanimation erfolgt durch 4 Personen (Logistikprogramm): ⫺ erste Person: Herzmassage ⫺ zweite Person: Beatmung ⫺ dritte Person: Kontrolle der venösen Zugangswege ⫺ vierte Person: Vorbereiten und Anreichen von Medikamenten, Blutabnahmen, Labororganisation Kontraindikationen: 1. Sternumfrakturen, Rippenserienfrakturen, Frakturen der Brustwirbelsäule 2. massiver Hämatothorax, Pneumothorax, Herzbeuteltamponade: in diesen Fällen interne Herzmassage Interne Herzmassage (IHM) Interne Herzmassage setzt beim Versagen der externen Herzmassage, beim Herzstillstand in der Klinik oder während einer Operation ein. Durchführung: 20⫺25 cm langer Schnitt im 4. ICR links oder mediane Sternotomie: kräftiges Spreizen der Wundränder, beide Hände einführen und die Ventrikel schalenförmig umgreifen, um einen konzentri-
92
6 Herzstillstand ⫺ Kreislaufstillstand ⫺ Atemstillstand
schen Druck ausüben zu können (Abb. 6-7b); die höchste Förderleistung des Herzens wird durch diese ringförmige Kammerkompression erreicht, die niedrigste bei Herzmassage mit einer Hand. Dabei kann man oft schon feststellen, ob es sich um einen akuten Herzstillstand oder ein Kammerflimmern (wurmartige Bewegungen der Herzmuskulatur) handelt. Der Erfolg dieser Maßnahmen erweist sich an: ⫺ dem Auftreten von Puls und Blutdruck (Carotis, Femoralis), ⫺ der Kontraktion der Pupillen, ⫺ der Besserung der Hautfarbe, ⫺ dem Wiedereinsetzen der Spontanatmung. EKG Synchron zu dieser doppelten Sofortmaßnahme (Beatmung, Herzmassage) wird, soweit technisch möglich, immer ein EKG durchgeführt, um eine Differenzierung in asystolischen Herzstillstand und Kammerflimmern zu erreichen.
6.4.5 Intrakardiale Injektion Führen künstliche Beatmung und Herzmassage nicht zum erwünschten Ziel, so geht man, indem die externe oder interne Herzmassage kurz unterbrochen wird, folgendermaßen vor: 1. Asystolischer Herzstillstand: ⫺ Suprarenin“ (1:1000) 0,2⫺0,7 ml i. c. oder ⫺ Alupent“ Erwachsene: 0,25 mg i. c. und 0,25 mg i. v. Kinder: 0,2⫺0,4 mg i. c. ⫺ Lidocain“ verhindert ventrikuläre Herzrhythmusstörungen: 1 mg/kg ⫺ 8,4 % Natriumbicarbonat (Bindung von Wasserstoffionen): 1 mmol/kg i. v. (Baxter) ⫺ Atropin (Parasympatikolytikum) bei asystolischem Herzkreislaufstillstand: 1⫺2 mg i. v. Herzmassage anschließend weiterführen. 2. Kammerflimmern (Zeichen des anoxischen, sterbenden Herzens): Defibrillation (muss von einer Person, die mit dieser Technik vertraut ist, durchgeführt werden) über Elektroden mit Wechselstromstößen
6.4 Therapie ⫺ Notfallmaßnahmen
93
Abb. 6-8 Defibrillation: Platzierung der Elektroden (aus: Pschyrembel“, Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter, Berlin, 2004).
von 0,5⫺1 Sekunde Dauer, 110 Volt und 1⫺2 Ampere (3 J/kg bei Erwachsenen, 2 J/kg bei Kindern). Lokalisation der Elektroden: über Herzspitze und Sternummitte (Abb. 6-8). Dadurch werden alle Muskelbündel gleichzeitig in einen Kontraktionszustand versetzt, erschlaffen anschließend gleichzeitig und werden dann entweder von den Impulsen des Automatiezentrums (Sinusknoten oder sekundäre Reizbildungszentren) erneut normal oder durch die Impulse eines Schrittmachers künstlich erregt. Laufende EKG-Kontrolle! Steht kein EKG zur Verfügung, wird therapeutisch wie bei der häufigeren Asystolie vorgegangen. Eventuell doch vorliegendes Kammerflimmern wird durch die oben angeführten Medikamente zwar verstärkt, nicht aber nachteilig beeinflusst, denn das Herz spricht anschließend auf defibrillatorische Maßnahmen besser an. Zur Einleitung der Beseitigung einer metabolischen Azidose verabreicht man Na-Bikarbonat (initial 50⫺100 ml), Kinder: 20⫺40 ml i. v. als Tropfinfusion. Technik der intrakardialen Injektion: 1. Hautdesinfektion linker Sternalrand (Braunol-ratiopharm“). 2. Injektionsstelle: ⫺ 4. ICR links parasternal (Erwachsene), ⫺ 3./4. ICR links parasternal (Kinder), ⫺ 3. ICR links parasternal (Säuglinge). 3. Injektion mit langer Nadel senkrecht zur Oberfläche bis Blut aspiriert wird, dann Injektion.
7 Verbrennungen
7.1 Allgemein wichtige Vorbemerkung Die Beurteilung von Tiefe und Ausdehnung bei Verbrennungen ist im Hinblick auf die einzuschlagende Therapie von großer Wichtigkeit. In diesem Zusammenhang ist die Klärung folgender vier Fragen ratsam: 1. 2. 3. 4.
Ausmaß der Verbrennung Grad der Verbrennung Alter des Patienten Gewicht des Patienten
7.2 Beurteilung der Verbrennungsausdehnung beim Erwachsenen und beim Kind Wenn auf das Gewebe an thermischer Energie mehr als 2 kcal/cm2 einwirken, kommt es zu einer thermischen Hautschädigung.
Abb. 7-1 Beurteilung der Körperoberfläche bei Erwachsenen und Kleinkindern.
7.3 Diagnostik der Verbrennungsgrade
95
Für die Beurteilung von Verbrennungen hinsichtlich ihrer Ausdehnung richtet man sich im Allgemeinen nach der Neuner-Regel von Wallace; für Kinder gilt die Fünfer-Regel (Abb. 7-1). Die Handfläche beträgt ca. 1 % der Körperoberfläche. Verbrennungen von über 25 % der Körperoberfläche sind lebensgefährlich. Die Neuner-Regel nach Wallace ist bei Kindern unter 9 Jahren in modifizierter Form anwendbar, da im Säuglingsalter die Kopf-, Rumpf- und Extremitätenrelationen im Vergleich zum Erwachsenen verschoben sind. Das Schema zeigt die Fünfer-Regel für Säuglinge und Kinder bis zum 9. Lebensjahr (Abb. 7-1, rechts). Beachte: Die Ausdehnung der Verbrennung wird zu Beginn der Behandlung häufig überschätzt.
7.3 Diagnostik der Verbrennungsgrade Eine schematische Übersicht über die Verbrennungsgrade gibt Abb. 7-2. ⫺ Grad I: Erythem und epidermale Blasenbildung. Stratum corneum und Stratum germinativum sind davon betroffen. ⫺ Grad II: Große, nässende, hellrote (Grad II a) bzw. perlweiße, anämische (Grad II b) Wundoberflächen und ausgedehnte Blasenbildung (Epidermis vom Korium abgehoben). Gesamte Epidermis ist denaturiert und nekrotisch. Schweiß- und Talgdrüsen sind noch intakt. Nadelstiche werden vom Patienten in den verbrannten Bezirken gespürt; die Hautzirkulation ist erhalten: Glasspatelprobe positiv (bei II b bereits negativ). ⫺ Grad III: Totalnekrose und Zerstörung aller Hautanhangsgebilde. Graufleckige bis weiße Wundfläche. Analgesie bei Nadelstichproben im verbrannten Bezirk, was einer Totalnekrose der Kutis entspricht. Bei Druck mit dem Glasspatel auf die verbrannten Hautareale kein Hinweis für Blutzirkulation (Glasspatelprobe negativ). ⫺ Grad IV: Gewebszerstörung bis auf Muskulatur und Faszie. Als weiteres Diagnostikum zur Differenzierung oberflächlicher und tiefer Verbrennungen, d. h. zur Abgrenzung von Verbrennungsnekrosen, eignet sich die Methode der Vitalfärbung mit Disulfinblau (i. v.). Gut durchblutete, vitale Areale werden angefärbt. Gewebeanteile mit zweitgradiger Schädigung werden durch die Exsudation stärker angefärbt. Nekrotische Partien (drittgradige Verbrennung) bleiben initial ungefärbt.
96
7 Verbrennungen
Abb. 7-2 Diagnostik der Verbrennungsgrade. Verbrennungsgrad IV stellt eine Gewebszerstörung bis auf die Muskulatur und Faszie dar.
Ein sicheres, aber sehr aufwendiges Nachweisverfahren für die Vitalität des Gewebes ist eine Enzymprobe zum Nachweis von Di-PhosphoridinNukleotid-Diaphorase (DPN-D). Beachte: Die Verbrennungstiefe wird zu Beginn der Behandlung häufig unterschätzt. Indikation für eine stationäre Behandlung ⫺ Verbrennungen/Verbrühungen I. Grades über 15 % der Körperoberfläche, ⫺ Verbrennungen/Verbrühungen II. Grades über 5⫺10 % der Körperoberfläche, ⫺ Verbrennungen/Verbrühungen III. Grades ab der Größe eines Handtellers, besonders bei Mitbeteiligung von Gesicht, Händen, Füßen und Gesäß. Entscheidend sind die Lokalisation der Verbrennung und das Allgemeinbefinden des Patienten.
7.4 Allgemeine Sofortmaßnahmen beim Erwachsenen 7.4.1 Pathophysiologie In der Haut und im Unterhautfettgewebe entwickelt sich ein hochgradiges Ödem, das nach ca. 72 Stunden sein Maximum erreicht hat. Die
7.4 Allgemeine Sofortmaßnahmen beim Erwachsenen
97
zentrale Störung ist eine Membrandurchlässigkeit primär im Bereich des thermisch geschädigten Hautareals, aber auch in ungeschädigten Geweben fernab der Hitzeeinwirkung: Niere, Hirn, Leber. Ursache: Histamin-, Kinin, und Prostaglandinfreisetzung. Das Hirnödem tritt relativ rasch bei Kindern auf. Die Nierendurchlässigkeit (Glomeruladurchlässigkeit) für Moleküle bis zu einem Molekulargewicht von 120 000 führt zusätzlich zu Serumproteinverlusten (Albuminurie). Kolloidosmotischer Druck im Blut (Normalwert: 280⫺480 mm H2O) sinkt um 15⫺80 mm H2O. Dem Kreislauf gehen verloren: ⫺ Proteine (Verlust über die Niere und in das lokale Ödem), ⫺ Na⫹ (Verlust in das Wundödem): Für 3 K⫹, die aus der Zelle austreten, wandern 2 Na⫹ und 1 H⫹ in die Zelle. Folge: Hyperkaliämie, intrazelluläre Azidose. Durch die Hitzeeinwirkung kommt es zu Permeabilitätsstörungen des terminalen Gefäßnetzes und zu exsudativen Prozessen. Je größer die Ausdehnung der Verbrennung, umso mehr müssen folgende Störungen (Verbrennungskrankheit) berücksichtigt werden: ⫺ Verbrennungsschock als obligatorische Kreislaufinsuffizienz durch verminderte Kreislaufsubstanz (Wundexsudat, Verbrennungsödem; Verdampfung auf der Haut), ⫺ Elektrolytstörungen durch Exsudation, ⫺ Hypoproteinämie durch Eiweißverluste (Plasmaexsudation sowohl in das Gewebe als auch nach außen; enterale Plasmaverluste, ungenügende Proteinsynthese), katabole Stoffwechsellage, ⫺ Frühhämolyse, ⫺ Verbrauchs-Hypogammaglobulinämie, Mangel an IgG, IgA, IgM. Nach Allgöwer unterscheidet man einen Drei-Phasen-Verlauf der thermischen Hautschäden: ⫺ Phase 1: Schockphase bis zum 2. Tag ⫺ Phase 2: Verbrennungskrankheit 3.⫺28. Tag ⫺ Phase 3: Reparationsphase ab der 4. Woche
7.4.2 Erste Hilfe 1. Unterbrechung der weiteren Hitzeeinwirkung in das Gewebe. Lokale Applikation von Wasser oder wassergekühlten Kompressen. Eine lo-
98
7 Verbrennungen
kale Infektionsgefahr des Verbrennungsareals besteht nicht und ist kein Gegenargument. 2. Sofortige Schmerzbekämpfung auf i. v. Weg: Tramadol ratiopharm“.
7.4.3 Sofortmaßnahmen 1. Sofort Suche nach einer oder mehreren transfusionsgeeigneten Venen; falls keine auffindbar, sofort Anlegen einer Venae sectio der Vena saphena magna ventral des Malleolus medialis bzw. der Ellenbeugenvenen oder zentraler Venenkatheter. Blutentnahmen für: ⫺ Hämoglobin, Hämatokrit, Blutgruppe, Blutbild, ⫺ Eiweiß, Elektrolyte, Harnstoff, Osmolarität. Die Fixation der Transfusionsnadel bzw. des Katheters in der Vene ist die wichtigste Voraussetzung für eine zwischenfallfreie Transfusion (vom Arzt nach Anlegen der Infusion zu überprüfen). 2. Infusionstherapie (Baxter-Lösungen) nach Evans mit Tutofusin“. Berechnung der zu infundierenden Flüssigkeitsmenge (Faustregel): Infusionsmenge (V [ml]) ⫽ kg Körpergewicht ⫻ % geschädigte KO Für die individuelle Flüssigkeitstherapie sind immer die individuellen Messwerte wichtig, das oben genannte Behandlungsschema stellt nur eine Richtlinie dar. In den ersten 24 Stunden: ⫺ V [ml] an Blut oder 5 % Albuminlösung oder Expafusin“ (Grund: osmotisch wirksam, jede Anämie und Hypoproteinämie wirkt verzögernd auf die Wundheilung. Der Verbrennungsschock, wobei dem Plasmaverlust die wichtigste Bedeutung zukommt, stellt für Expafusin“ ein wichtiges Indikationsgebiet dar) plus ⫺ V [ml] an 0,9 % NaCl-Lösung (Tutofusin“) plus ⫺ 2000 ml 5 % Glucoselösung (Glucose Pfrimmer“) In den darauffolgenden 24 Stunden: ⫺ ½ V [ml] an Blut, 5 % Humanalbuminlösung oder Expafusin“ plus ⫺ ½ V [ml] an 0,9 % NaCl-Lösung (Tutofusin“) plus ⫺ 2000 ml Glucoselösung (Glucose“ Pfrimmer). Zur Weiterführung der Infusionstherapie siehe unter Punkt 5. 3. Schmerzbekämpfung/Sedierung: ⫺ 50⫺100 mg Tramadol-ratiopharm“ i. v. in 3 Minuten injiziert oder mit 10⫺20 ml physiologischer NaCl-Lösung oder 5 % Gluco-
7.4 Allgemeine Sofortmaßnahmen beim Erwachsenen
4.
5.
6.
7.
99
selösung verdünnt; bei Kindern Tramadol-ratiopharm“ oder Paracetamol-ratiopharm“ i. v., Dosis: 1 mg/kg. ⫺ bei motorischer Unruhe z. B. 10⫺40 mg Psyquil“. Weitere Medikamente: ⫺ Breitspektrumantibiotika (s. Abschn. 16.3) für die Dauer von ca. 8⫺10 Tagen. Bei Temperaturanstieg wechseln auf andere Chemotherapeutika. ⫺ Urbason solubile“ 50 mg i. v. für 2⫺4 Tage. ⫺ Vitamin C-ratiopharm 500⫺1000 mg i. v., Vitamin B-ratiopharm“. Kontrolle folgender Werte nach der Einleitung der Infusionstherapie: ⫺ Blutdruck, zentraler Venendruck, ⫺ Puls, ⫺ Temperatur, Füllungszustand der Venen, Farbe des Nagelbetts (Kontrolle der Mikrozirkulation). Unterbringung in Räumen mit 30 ∞C und hoher Luftfeuchtigkeit. ⫺ Atemfunktion; Lokalisation der Verbrennung und Allgemeinzustand bestimmen die Indikation einer O2-Inhalation, einer Intubation mit temporärer Beatmung oder einer Tracheotomie (z. B. schwere Gesichtsverletzung)! ⫺ Urinausscheidung (normal 50 ml/h, bei Kindern 1 ml/kg/h, ist die untere Grenze); stündliche Kontrolle ist ein Maß für den Therapieerfolg bzw. das Maß der Nierenbelastung; Blasenkatheter einlegen, genaue Flüssigkeitsbilanz auf gesondertem Blatt anlegen, spezifisches Gewicht des Urins jeden Tag bestimmen. ⫺ Hämoglobin, Hämatokrit, Elektrolyte, Eiweiß, Harnstoff, Blutgasanalyse. ⫺ Diese Werte sind ausschlaggebend für die Dauer, die Menge und die Zusammensetzung der Infusion. In den meisten Fällen kann man die substitutionelle Infusionstherapie nach dem 3. Tag beenden, jenem kritischen Zeitpunkt, zu dem der Rückstrom des Verbrennungsödems im Organismus einsetzt. Aldosteron-Antagonisten zur Blockierung des stressbedingten Hyperaldosteronismus und der damit verbundenen Elektrolytstörungen, 2⫺4 Ampullen Aldactone“ pro injectione nacheinander langsam i. v. injizieren oder in Form einer Kurzinfusion zusätzlich zur Volumenund Elektrolytsubstitution. Die Tagesdosis beträgt 800 mg, sie kann auch fraktioniert verabreicht werden. Kinderdosis: Säuglinge 25 mg, Kleinkinder 50 mg, Schulkinder 75 mg. Tetanusprophylaxe: Bei Grundimmunisierten: 0,5 ml Tetanol“ (Tetanustoxoid) i. m. Bei Nicht-Grundimmunisierten: Tetagam“ 250 Ein-
100
7 Verbrennungen
heiten i. m. und 0,5 ml Tetanol“ i. m. Details zur Tetanusprophylaxe bei Frischverletzten s. Abschn. 2.2 und 2.3. 8. Die Kaltwasserbehandlung als Sofortbehandlung bei Verbrennungen scheint im Hinblick auf eine überzeugende Verminderung des Hautverlustes empfehlenswert zu sein, was durch tierexperimentelle Untersuchungen und klinische Erfahrungen bestätigt wird. 9. Bei allen schweren Verbrennungen sollte zur Prophylaxe einer Stressblutung ein H⫹-Blocker, z. B. Ranitidin-ratiopharm“ i. v. verabreicht werden.
7.5 Allgemeine Sofortmaßnahmen bei Kindern Beachte: Bei Säuglingen und Kleinkindern ist der Flüssigkeitsverlust in Relation zum Körpergewicht größer, bedingt durch die größere Körperoberfläche. Deshalb kann in dieser Altersgruppe schnell ein Nierenversagen entstehen (Unterschied zum Erwachsenen). Aufgrund der höheren Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke beim Säugling/ Kleinkind besteht eine erhöhte Bereitschaft zum Hirnödem und Lungenödem. 1. Schmerzbekämpfung und Sedierung mit z. B. Tramadol“ oder Paracetamol-ratiopharm“ und Atosil“ 1⫺2 mg/kg i. m. alle 4⫺6 Stunden. 2. Venae sectio: Anlegen in den Ellenbeugenvenen oder in der Vene saphena magna ventral vom Malleolus medialis; nicht lange mit Venenpunktion aufhalten. Dann sofort Blutentnahme für Blutgruppe, Hämoglobin, Hämatokrit, Elektrolyte, Eiweiß, Harnstoff. Wichtig ist die sichere Fixation der Kanüle bzw. des Venenkatheters in der Vene und der Haut. 3. Infusionstherapie: Berechnung der zu infundierenden Flüssigkeitsmenge: Infusionsmenge (V [ml]) ⫽ ½ kg Körpergewicht ⫻ % geschädigte KO ⫺ V [ml] Albuminlösung oder Expafusin“ plus ⫺ V [ml] physiologische NaCl-Lösung (Tutofusin“) plus ⫺ V [ml] Glucoselösung 5 % plus physiologischer Flüssigkeitsbedarf (Glucoselösung“ Pfrimmer) als 5 % Glucoselösung (1200 ml/m2 Körperoberfläche). Die obenstehende Übersicht veranschaulicht den physiologischen Flüssigkeitsbedarf bei Kindern. Am 2. Tag genügt meist die Hälfte der Infusionsmenge des ersten Tages plus normalen Flüssigkeitsbe-
7.6 Ambulante Behandlung der Verbrennungen
4.
5.
6.
7.
101
darf. Am 3. Tag ist nur noch bei ausgedehnten Verbrennungen eine Substitutionstherapie nötig. Zusätze zu den Infusionen: ⫺ Antibiotika-Applikation: z. B. Ampicillin-ratiopharm“ (Dosierung: s. Abschn. 16.3) für die Dauer von 4⫺6 Tagen; ⫺ Urbason solubile“ 2⫺5 mg/kg/d, 2⫺4 Tage lang. ⫺ Vitamin C-ratiopharm“ 200⫺500 mg täglich. Tetanusprophylaxe bei grundimmunisierten Kindern: Auffrischung; bei nicht-grundimmunisierten Kindern: Tetanol“ 0,5 ml i. m. und Tetagam“ 250 Einheiten i. m. Zur Beurteilung der Dauer, Menge und Zusammensetzung der Infusion für die nächsten 24 Stunden überprüft man auf folgende Werte: ⫺ Blutdruck, Puls; ⫺ Urinausscheidung: Säugling 10⫺15 ml/h, Kleinkind/Schulkind 15⫺25 ml/h; ⫺ genaue Flüssigkeitsbilanz, Blasenkatheter einlegen; ⫺ Blutentnahmen für Laboruntersuchungen: Hämoglobin, Hämatokrit, Elektrolyte, Eiweiß, Harnstoff, Blutgasanalyse. Bei allen schweren Verbrennungen sollte zur Prophylaxe einer Stressblutung ein H⫹-Blocker, z. B. Ranitidin-ratiopharm“ alle 6 Stunden i. v., verabreicht werden.
7.6 Ambulante Behandlung der Verbrennungen bei nicht schockgefährdeten Patienten Wichtigster Faktor bei der Lokalbehandlung von Verbrennungen ist die Verhütung von Infektionen. Daher immer Mundschutz und OP-Handschuhe (Peha-Taft) anlegen. Die Verbrennungsoberfläche ist primär steril; eine Infektion erfolgt erst sekundär. Bei verschmutzten Wunden und multiplen Verbrennungsarealen Handschuhe häufiger wechseln. Die Freiluftbehandlung (open-air) ist im Allgemeinen der Verbandbehandlung vorzuziehen. Bei der ambulanten Behandlung von Verbrennungen ist ein derartiges Vorgehen technisch oft nicht möglich. Aus diesem Grund kann eine Verbandbehandlung durchgeführt werden. 1. Bei Verbrennungen I. Grades: lokale Analgesie durch XylocainSpray“ und Auftragen von Fucidine Gaze“ und Verband (z. B. Mas-
102
7 Verbrennungen
ter-Aid“) unter leichter Kompression anlegen. Kontrolle nach 2⫺3 Tagen, dann Bepanthen“-Verband. Heilung meist nach 8 Tagen. 2. Bei Verbrennungen II. Grades: Blasen eröffnen, abtragen. Auftragen von z. B. Fucidine Gaze täglich für die Dauer von 4⫺6 Tagen je nach Ausmaß der Verbrennung. Abdecken durch Bepanthen“-Wundverband nach 1 Woche. 3. Bei Verbrennungen III. Grades: Bei kleinerem Ausmaß darf eine Frühexzision bis auf die durchblutete Unterlage und Nekrosebeseitigung wenige Stunden nach der Verbrennung durchgeführt werden. Vorteil: Geringer Blut- und Serumverlust, geringere Infektionsgefahr, gute kosmetische und funktionelle Ergebnisse, kurze Heilungsdauer. Anschließend Deckung mit Thiersch-Spalthaut-Transplantaten. Damit die Transplantate nicht von ihrer neuen Fläche durch Exsudation abgehoben werden, wird bei stationären Patienten von einer Dauerwache das austretende bzw. sich sammelnde Sekret aus dem Transplantationsbereich abgetupft bzw. mit fucidingetränkten Wattestäbchen (Bibostäbchen) abgerollt. 4. Hand: ⫺ Vitalfärbung zur Bestimmung der Demarkationslinie, wenn nötig ⫺ verbrannte Haut primär exzidieren ⫺ Deckung durch Spalthaut-Transplantate
7.7 Stationäre Behandlung von Verbrennungen größeren Ausmaßes bei schockgefährdeten Patienten Man muss zwei Behandlungswege unterscheiden, wobei jeder seine eigene Indikation hat: I dringliche Primärexzision der Gewebenekrosen, II primäre konservative Behandlung (später eventuell Sekundärexzision).
7.8 Primärexzision (innerhalb der ersten 3 Tage) 7.8.1 Indikation zur Primärexzision 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Hände Gesicht Axillarfalte Halsregion Knieregion Zehen
7.8 Primärexzision
103
7. Hüfte 8. Hand-/Sprunggelenke Begründung Die Verbrennungswunde wird in eine chirurgische Wunde verwandelt. Die Wundheilung basiert auf einer aseptischen Wunde. Die Aktivität von Myoblasten und Fibroblasten bei Sekundärheilung führt zur Schrumpfung des Gewebes und später immer zu Kontrakturen. Technik Die Primärexzision erfolgt tangential mit dem Skalpell. Besonders bei thermischen Schädigungen im Kindesalter ist diese frühzeitige Exzision indiziert. Die Technik mit dem Laser ist im Hinblick auf den Blutverlust schonender. Beurteilung erholungsfähiger Hautareale durch punktförmige Blutung ist schwierig. Konventionelle Exzision (Skalpell) sollte ca. 15⫺20 % der Hautoberfläche nicht überschreiten; bei der Laserexzision können bis 40⫺45 % der Körperoberfläche exzidiert werden. Anschließend erfolgt sofort die Deckung durch Hauttransplantation. Beachte: Freiliegende Sehnen (auch bei freiliegendem Knochen- und Knorpelgewebe) werden bei intaktem Gleitlager durch ein freies Hauttransplantat gedeckt. Bei avitalem Gleitlager ist die Deckung mit gestielten Haut-Fettlappen indiziert. Für die primär konservative Behandlung ergeben sich grundsätzlich zwei Möglichkeiten: 1. Freiluftbehandlung (open-air) und 2. Verbandbehandlung (Stülpa-Verband). Zur Gegenüberstellung und Indikationsstellung beider Methoden siehe Tab. 7-1.
7.8.2 „Open-air-Behandlung“ Indikation Alle nicht-zirkulären Verbrennungen der Extremitäten und des Rumpfes sowie Verbrennungen im Gesicht (I./II. Grades), im Bereich des Gesäßes und des Genitales. Offene Behandlung mit multizentrischer Epithelisation unter dem Wundschorf (bei II.-gradigen Verbrennungen) oder vom Rand her (bei III.-gradigen Verbrennungen) ist der Verbandbehandlung vorzuziehen.
104
7 Verbrennungen
Tab. 7-1 Gegenüberstellung von Verbandbehandlung und Freiluftbehandlung. Methode
Verbandbehandlung
Freiluftbehandlung
Indikation
⫺ zirkuläre Verbrennungen ⫺ alle nichtzirkulären Veran Rumpf und Gliedmabrennungen der Extremitäßen ten, des Rumpfes sowie Ver⫺ I.- oder II.-gradige Verbrennungen im Gesicht, im brennungen an der Bereich des Gesäßes und Hand des Genitales
Kontraindikation
⫺ mangelhafter aseptischer ⫺ Verbrennungen, die sich Apparat, ungenügender nicht kühl, trocken und Verbandstoff usw. ohne Kontakt behandeln lassen ⫺ alte granulierende Verbrennungen ⫺ Verbrennungen, die sich in der Nähe von frischen Frakturen oder Weichteilwunden befinden
Nachteile
⫺ an umfangreichen aseptischen Apparat gebunden ⫺ teuer und zeitraubend, infektionsfördernd ⫺ Körperöffnungen können nicht verbunden werden
⫺ Sonderwache und besondere Lagerungsvorrichtungen nötig ⫺ Gefahr der Unterkühlung bei Kindern
Vorteile
⫺ anwendbar auch bei Verbrennungen im Bezirk unvermeidbarer Auflageflächen ⫺ Nekrosen demarkieren sich schneller
⫺ bei Massenkatastrophen ohne aseptischen Apparat anwendbar ⫺ besseres Allgemeinbefinden ⫺ selten Hyperthermie ⫺ spärliche Epithelreste werden besser erhalten; es kommt seltener zu Hautmazerationen und Nekroseinfektionen
Grund 1. 2. 3. 4.
allgemeine Vorteile s. o. geringerer Blutbedarf nach Ablauf der Schockphase weniger Schmerzmittel nötig geringeres Fieber
7.8 Primärexzision
105
5. geringere plastische Deckung nötig, da mazerierende Eiterungen vermieden werden 6. Offene Behandlung entzieht den Bakterien das Substrat durch Austrocknung. Durchführung Richtige Freiluftbehandlung wird durchgeführt: ⫺ kühl (bei 18⫺20 ∞C), ⫺ trocken und ⫺ ohne Kontakt. Bei großflächigen Verbrennungen ist jedoch für eine Raumtemperatur von 30 ∞C und eine Mindestluftfeuchtigkeit von 30 % zu sorgen. ⫺ Hautoberfläche wird bei Verbrennungen I. und II. Grades mit Braunol-ratiopharm“ mehrmals täglich bestrichen oder mit Ceriumnitratcreme (Flammacine“). ⫺ Applikation von Paracetamol-ratiopharm“ supp. zur Sedierung. ⫺ Besondere Lagerungsvorrichtungen sind bereitzuhalten bzw. individuell für jeden einzelnen Fall zu improvisieren: Drehbett, Bettbögen, die die verbrannten Hautbezirke vor Kontakt schützen. ⫺ Lagerung der Patienten auf Unterlagen, die eine Verklebung mit den verbrannten Hautbezirken vermeiden, z. B. Metalline. Häufiges Umlagern der Patienten. ⫺ Tägliche Kontrollen: Jede Eiteransammlung in Blasen oder Krusten ist mit sterilem Besteck durch Entleerung der Blasen und Abtragung der Krusten zu beheben. ⫺ Bei Kindern besonders auf Unterkühlung achten! Ergebnis Nach 8 Tagen offener Behandlung ergibt sich folgendes Bild: a) I.-gradige Verbrennungen sich fast ganz abgeheilt. b) II.-gradige Verbrennungen (II b) zeigen eine multizentrische Epithelisierung. c) III.-gradige Verbrennungen zeigen Zeichen der Demarkierung mit entzündlichen Komponenten, so dass die Nekrosen möglichst bald (nach 1⫺2 Wochen) abgetragen werden sollen und eine frühzeitige plastische Deckung vor allem bei Verbrennungen III. Grades von größerem Ausmaß erfolgen soll. Indikation zur Primärexzision s. Abschn. 7.8.1.
106
7 Verbrennungen
7.8.3 Verbandbehandlung Auch hier steht die Verhütung der Infektion an erster Stelle. 1. Gute Ergebnisse erhält man, wenn man die Verbrennungswunde im Operationssaal bei Vollnarkose des Patienten mit physiologischer Kochsalzlösung behandelt, Blasen eröffnet und Hautareale etc. mit Schere und Pinzette entfernt. Beachte: Die lokale Anwendung von Wasserstoffperoxid ist wegen Gewebsnekrosen kontraindiziert. Anschließend werden die Verbrennungsstellen mit Silberfolie abgedeckt und über die betreffenden Verbrennungsmarken hinaus steril verbunden. Der Verband (Stülpa-Verband) bleibt 10⫺14 Tage liegen. Der betreffende Körperabschnitt wird, soweit möglich, hochgelagert. Ruhigstellung! Zunehmend werden jedoch auch zirkuläre Verbrennungen offen behandelt. 2. Besonders ist auf die Lagerung der Extremitäten zu achten, um von vornherein Kontrakturen zu vermeiden. ⫺ Haltung der unteren Extremität: Fuß-Unterschenkel-Achse 90∞, Unterschenkel gegen Oberschenkel um 45∞ gebeugt, Oberschenkel um 45∞ von der Unterlage abgehoben. ⫺ Haltung der Hand: Wie beim Fassen einer Apfelsine; Kollateralbänder sind gespannt; Winkel der Interphalangealgelenke soll 30∞ betragen. Daumen in Oppositionsstellung. 3. Nach 10⫺14 Tagen, wenn der Verband abgenommen wurde, geht man, nachdem die Nekrosen entfernt wurden, zur lokalen Salbenbehandlung über. Die lokale Salbenbehandlung erfolgt mit Bepanthen“. 4. Plastische Deckung mit Spalthaut-Transplantaten ist bei größeren Epitheldefekten indiziert. Die Entnahmestellen werden unmittelbar mit sekretdurchlässigen Salbenkompressen (z. B. Fucidine Gaze“) verbunden.
7.9 Sekundärexzision (nach 8⫺10 Tagen) 7.9.1 Indikation zur Sekundärexzision Die Indikation ist gegeben bei tiefen Verbrennungen am Stamm und an den Extremitäten. Oberflächlich geschädigte Hautareale sind dann bereits teilweise oder vollständig abgeheilt.
7.10 Stromverletzungen
107
7.9.2 Vorbereitung des Areals für die Hauttransplantation Primäre Lokalbehandlung der Wunde mit Braunol-ratiopharm“. Sie wird alle 8 Stunden auf die Wunde aufgetragen. Die Wunde bleibt offen. Nach 8⫺10 Tagen operative Entfernung des Schorfs. Zur Vorbereitung dieser Hautdefekte nach der Exzision für die Transplantation eignet sich vorzüglich Polyurethan-Schaumstoff. Diese feinporige Folie verhindert das Eindringen von Bakterien, fördert aber die Granulationsbildung und Wundreinigung. Folienwechsel täglich. Nach weiteren 4⫺6 Tagen ist die Wunde zur Transplantation optimal vorbereitet.
7.9.3 Indikation für die verschiedenen Hauttransplantate 1. Spalthautlappen: Gesicht, Hände, kleinere Defekte, insbesondere bei Kindern. 2. Mesh-graft-Transplantationen: Spalthautlappen, der durch maschinelle Einschnitte eine bis zu 6-fache Flächenvergrößerung ergibt. Indikation für Deckung großer Defekte am Stamm und Extremitäten. Kontraindikationen: im Gesicht, an den Händen, bei Kindern. Beachte: Hauttransplantationen sollen erst erfolgen, wenn keine lokale Wundinfektion vorliegt und die Wunde sich gereinigt hat. Um optimale Narbenverhältnisse und reizlose Wundverhältnisse als Spätergebnis zu erzielen, empfiehlt es sich, ca. 14 Tage nach der Hauttransplantation bei trockenen Wundverhältnissen lokal Contractubex“ zu applizieren, einen Verband unter Kompression anzulegen und die lokale Contractubex“-Therapie über einen Zeitraum von ca. 6 Monaten zu applizieren.
7.10 Stromverletzungen 7.10.1 Verletzungsausmaß Bei Verletzungen durch elektrischen Strom sind hinsichtlich des Ausmaßes der Schädigung vier Stromstärkebereiche nach Köppen zu unterscheiden. 1. Verletzungen im Stromstärkebereich I (Stromstärke bis 24 mA und Spannung von 100⫺380 V): Hier ist der Übergangswiderstand des bedeckten Gewebes relativ hoch. Bei Eintreten des Stroms kommt es zu ⫺ Blutungssteigerung,
108
7 Verbrennungen
⫺ krampfartigen Kontraktionen der Atemmuskulatur, ⫺ Schädigungen des Herzleitungssystems. 2. Verletzungen im Stromstärkebereich II (Stromstärke 25⫺80 mA und Spannung von 110⫺380 V): In diesem Bereich ist der Übergangswiderstand der Haut geringer. Leitsymptome: ⫺ Störungen der Herzschlagfolge, ⫺ Herzstillstand nach 20⫺30 Sekunden, ⫺ Kammerflimmern. 3. Verletzungen im Stromstärkebereich III (Stromstärken zwischen 80 mA und 8 A bei einer Spannung von 110⫺380 V): Im Stromstärkebereich III ist der Übergangswiderstand zur Haut außerordentlich gering. Leitsymptom: ⫺ Kammerflimmern 4. Verletzungen im Stromstärkebereich IV (Stromstärken über 8 A und Spannung von 2000⫺3000 V): Leitsymptome: ⫺ sofortiger Herzstillstand, ⫺ schwerste Verbrennungen an Aus- und Eintrittsstellen des Stroms.
7.10.2 Pathophysiologie Durch den direkten Kontakt des Organismus mit einem stromführenden Leiter kommt es an den Stellen der größten Stromdichte, d. h. an der Berührungsstelle des Organismus mit dem Leiter und der Erdverbindung zu Strommarken als Ausdruck der strombedingten thermischen Schädigung des Gewebes. Im Bereich dieser Strommarken kommt es im Organismus zu sogenannten thermischen Schädigungen an der Haut und Muskulatur mit Austritt von Myoglobin. Weiterhin kommt es zu einer Gefäßwandschädigung mit Thrombose bei meist noch erhaltenem unversehrtem Hautmantel. Weiterhin kommt es zu ausgedehnten Muskelschädigungen mit erheblicher Funktionsstörung der Extremitäten. Die plötzliche strombedingte Kontraktion der Muskulatur kann zu Luxationen und Frakturen, an den Wirbeln zu Luxationsfrakturen führen.
7.10.3 Überwachung und Behandlung Bei Überwachung von Patienten mit Stromunfällen sollten folgende Punkte beachtet werden: 1. Lokalbefund (Haut, Muskulatur, Gelenke),
7.11 Erfrierungen
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2. Allgemeinbefund (Kreislauf, Nierenfunktion), 3. elektrokardiographische Überwachung der Herztätigkeit. Die Lokalbehandlung und die allgemeine Behandlung sind identisch mit der bei Verbrennungen. Die kardiologische Überwachung und Kontrolle sollte immer in Zusammenarbeit mit dem Internisten erfolgen. Beachte: Die Strommarken, insbesondere an der Eintrittspforte, können oft identisch sein mit Verbrennungen IV. Grades. Die Stromaustrittsstelle kann ebenfalls thermische Schädigungen aufzeigen, die identisch sind mit einer Verbrennung IV. Grades.
7.11 Erfrierungen 7.11.1 Definition Durch Kälteexposition kommt es zur Gewebeschädigung, die als Erfrierung bezeichnet wird. Der Kälteschaden am Gewebe ist lokal begrenzt und führt zu Erythem und zur lokalen Blasenbildung und kann bei entsprechender Dauer der Kälteeinwirkung zur Gewebsnekrose führen. Das morphologische Bild entspricht weitgehend dem des thermischen Schadens. Charakteristisch für die Erfrierung ist jedoch der Gefäßschaden, der häufig verbunden mit Gefäßverschlüssen, zu einer lokalen Durchblutungsstörung der Akren führt.
7.11.2 Leitsymptome 1. Erythem 2. lokale Blasenbildung 3. Nekrosen aufgrund von Durchblutungsstörungen der peripheren Körperabschnitte
7.11.3 Therapie 1. 2. 3. 4. 5. '
sterile Wundbehandlung (s. Abschn. 1.2) Abtragen von Nekrosen Deckung der Hautdefekte mit Hauttransplantaten (s. Abschn. 14.5) Tetanusprophylaxe überprüfen langsame Wiedererwärmung
8 Thoraxtrauma
8.1 Indikation zu Sofortmaßnahmen Parallel zur Zunahme der Verkehrsdichte und der damit verbundenen Verkehrsunfälle verhalten sich die Brustkorb-Lungen-Verletzungen. Wenn ein Patient mit schwerem Thoraxtrauma (Abb. 8-1) eingeliefert wird, so muss in jedem Fall: 1. die Schockbekämpfung eingeleitet werden (s. Abschn. 4.7), 2. ausreichende Sauerstoffzufuhr gewährleistet sein: Freimachen der Atemwege, Freihalten der Atemwege, Beatmen nach erfolgter Intubation (s. Abschn. 4.7), 3. immer ein Spannungspneumothorax bzw. Hämatothorax ausgeschlossen werden, der durch einfache Punktionsbehandlung diagnostiziert und beseitigt werden kann (s. Abschn. 8.4 und 8.5). Die dringliche Erstversorgung ist damit eingeleitet und die weitere Klärung des Verletzungsbildes kann erfolgen. Folgende intrathorakale Organverletzungen machen einen dringlichen chirurgischen Eingriff notwendig: 1. massive intrathorakale, anhaltende Blutung (Arteria mammaria interna, Interkostalgefäße, große Gefäße, Herz), 2. Herztamponade, 3. Aortenruptur, 4. Verletzungen supraaortaler Äste, 5. Trachea-, Bronchus- und Lungenrupturen, 6. Zwerchfellruptur, 7. Ösophagusruptur, 8. instabiler Thorax. Beachte: Extrathorakale Begleitverletzungen (80 %); häufigste Verletzungskombination bei Mehrfachverletzungen sind der Häufigkeit nach: Kopf, Bauch, Extremitäten.
8.2 Einteilung
111
Abb. 8-1 Folgen des stumpfen Thoraxtraumas.
8.2 Einteilung Man unterscheidet folgende Formen des Thoraxtraumas (Abb. 8-1): 1. Verletzungen des knöchernen Thorax (Rippenfrakturen, Sternumfraktur) mit Hautemphysem, 2. offene und geschlossene Brustkorbverletzungen einschließlich der Pleura (Pneumothoraxformen: äußerer ⫺ offener Pneumothorax, geschlossener Pneumothorax, innerer ⫺ offener Pneumothorax, Ventilpneumothorax, Hämatothorax,
Abb. 8-2 Atemgeräusche bei der Auskultation (aus: Pschyrembel“, Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter, Berlin, 2004).
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8 Thoraxtrauma
3. Lungenverletzungen, 4. Verletzungen des Mediastinums (Mediastinalemphysem, Herztamponade), 5. Verletzungen des Zerchfells. In 80 % der Fälle bei schweren Thoraxtraumen liegen mehrere Verletzungen vor: Kopf, Bauch und Gliedmaßen (Abb. 8-2).
8.3 Verletzungen des knöchernen Thorax 8.3.1 Frakturen der Rippen Diagnose Bei Verdacht auf Rippenfrakturen immer Röntgenbilder a. p. und seitlich bzw. Schrägaufnahmen anfertigen lassen. Sind im Röntgenbild trotz dieser Aufnahmetechnik keine Frakturen sichtbar, klinisch aber der Verdacht bzw. der Beweis (auskultatorisches Knackgeräusch) einer Rippenfraktur vorhanden, so können nicht dislozierte Rippenfrakturen bzw. Fissuren, die im Röntgenbild nicht verizifiert werden können, vorliegen.
Therapeutische Sofortmaßnahmen 1. Ruhigstellung bzw. Stabilisierung der Rippenfrakturen durch Rippenklammern nach Judet oder durch einen Idealhaftstützverband (Semizingulum). Man legt den Verband um die verletzte Seite so an, daß er handbreit auf die gesunde Seite hinüberreicht. In vielen Fällen (z. B. bei adipösen Patienten) muss auf diesen Stützverband verzichtet werden. Liegen Frakturen mehrerer Rippen, d. h. der Thoraxwand, mit einem instabilen Thorax vor, kann eine Stabilisierung durch Metallbügel (Lettenbauer Instrumentarium), ähnlich wie bei der Rekonstruktion von Thoraxdeformitäten, erfolgen (Willital). 2. Da die Patienten infolge stechender Schmerzen bei einer bestimmten Inspirationstiefe nur ungenügend atmen, muss man durch Schmerzausschaltung für eine ausreichend tiefe Ventilation sorgen. Schmerzausschaltung erfolgt durch Analgetika wie z. B. Tramadol-ratiopharm“ i. v. Bei einem instabilen Thorax durch Rippenserienfrakturen kommt es zu einer paradoxen Atmung. Die beste Stabilisierung kann hier durch eine Intubation erreicht werden, definitive Versorgung durch Metallbügelstabilisation (s. Abschn. 8.4.2).
8.3 Verletzungen des knöchernen Thorax
113
Beachte: Rippenfrakturen sind bei Kindern und Jugendlichen bis zum 15.⫺16. Lebensjahr infolge der Elastizität des Thorax sehr selten. In allen Fällen sind Luxationen der Halswirbel-, Brustwirbel- und Lendenwirbelkörper auszuschließen. Bei einem Schleudertrauma der Halswirbelsäule (Spezialaufnahmen des Dens durchführen, s. Abschn. 19.3) wird für 3⫺4 Wochen ein straff sitzender Schanz’scher Halsverband angelegt. Bei Luxationen und Subluxationen der HWS ohne neurologische Symptome erfolgt eine Behandlung in der Glisson’schen Schlinge.
8.3.2 Frakturen des Sternums Diagnostik 1. Entsprechendes Trauma vor allem bei Auffahrunfällen (typische Verletzung des Autofahrers ohne Airbag). 2. Umschriebener Palpations- und Stauchungsschmerz über dem Sternum. 3. Charakteristischer Palpationsbefund bei vorhandener Dislokation: Stufenbildung oder Vertiefung. 4. Röntgenbild: ⫺ Sternumquerfraktur mit oder ohne Dislokation, wobei sich bei Dislokation das distale Fragment nach kranial verlagern kann. ⫺ Impressionsstückfraktur. Therapeutische Sofortmaßnahmen 1. Kontrolle von Atmung und Kreislauf; bei bewusstlosen, schockierten Patienten Antiaspirationslagerung bzw. Schockposition des Patienten und Schocktherapie (wichtig: venöser Zugang) und Intubation. 2. Bei dislozierten Brüchen Einrichtungsversuch im dorsalen Durchhang (nach Böhler), wobei man dem Patienten vorher ein Analgetikum (z. B. Tramadol-ratiopharm“ i. v.) verabreichen soll. Nach Repositionsmanöver Röntgenkontrollaufnahme durchführen. 3. Nur bei Frakturen, die stark disloziert sind und sich nicht reponieren lassen (z. B. imprimierte Stückfraktur), ist eine operative Revision angezeigt. In diesen Fällen erfolgt eine Readaptation der Fragmente durch Naht. Bei Stückfrakturen des Sternums kann eine Stabilisierung der vorderen Thoraxwand, ähnlich wie bei der Trichterbrust, mit einem Metallbügel erfolgen.
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8 Thoraxtrauma
8.3.3 Hautemphysem Definition Dabei handelt es sich um Luftansammlungen im Subkutangewebe (seitliche Thoraxpartien, Hals, Jugulum, Gesicht, Augen), wobei die Ursache eine Lungenverletzung, eine Trachealruptur (partiell oder subtotal), Bronchusruptur (auch gedeckt) oder eine Ösophagusruptur sein kann (Abb. 8-3). Fast immer liegt ein Mediastinalemphysem vor. Pneumothorax bzw. Spannungspneumothorax kann, muss aber nicht gleichzeitig vorliegen.
Abb. 8-3 Ausgeprägte Hautemphyseme nach stumpfem Thoraxtrauma können infolge Rippenfrakturen mit Lungenverletzungen, Lungenparenchymrissen und Rissen der Pleura visceralis oder parietalis, nach Ösophagusrupturen oder Bronchialeinrissen (Bünte) auftreten.
Ursachen 1. 2. 3. 4. 5.
Riss der Pleura visceralis Riss der Pleura parietalis Riss der Pleura mediastinalis Trachea-Einriss Bronchialriss
Sofortmaßnahmen 1. Umschriebene Hautemphyseme bedürfen keiner speziellen Behandlung. Sie bilden sich innerhalb kurzer Zeit wieder zurück. Dauerüberwachung und Beurteilung über Zu- und Abnahme des Emphysems ist notwendig. 2. Immer Röntgenaufnahmen in zwei Ebenen anfertigen lassen, um Rippenfrakturen bzw. einen Pneumothorax beurteilen zu können; frühzeitige Bronchoskopie oder Ösophagoskopie durchführen. 3. Bei Mediastinalemphysem s. Abschn. 8.8.1.
8.4 Pneumothorax
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8.4 Pneumothorax 8.4.1 Definition und Einteilung 1. Es handelt sich beim Pneumothorax um eine Luftansammlung im Pleuraraum zwischen Pleura parietalis und visceralis unterschiedlicher Ausdehnung und unterschiedlicher Genese. Der Donders’sche Druck (Intratrachealdruck ⫺ entspricht dem negativen Intrapleuraldruck) beträgt normalerweise ca. 9 cm Wassersäule. Ist der intrapleurale Druck aufgehoben, z. B. bei einem Pneumothorax, so überwiegt die Retraktionskraft der Lunge und es kommt zu einem Kollaps der Lunge und zu akuten Hypoxiezeichen mit einem Atemnotsyndrom. 2. Äußerer, offener Pneumothorax (Abb. 8-4a), wobei infolge Durchtrennung der Brustwand und der Pleura eine direkte Verbindung zur Pleurahöhle besteht. Luft kann durch die Brustwand frei ein- und ausströmen. 3. Geschlossener Pneumothorax (Abb. 8-4b), wobei der Lungen-/Pleurariss, durch den die Luft in den Pleuraspalt eingedrungen ist, sich spontan wieder verschließt oder künstlich verschlossen wird. 4. Innerer, offener Pneumothorax (Abb. 8-4c): Hierbei tritt Luft aus dem Bronchialbaum in die Pleurahöhle ein. Vorkommen: gedeckte Lungenruptur, Ruptur von Kavernen. Auch durch Rippenfrakturen mit Anspießung der Pleura visceralis mit Lungenverletzungen kann ein derartiger innerer, offener Pneumothorax entstehen. Weiterhin kann eine Ruptur des Ösophagus zu einem Spannungspneumothorax und einem Mediastinalemphysem führen. Bei jungen Personen kann infolge der Elastizität des Thorax trotz Lungenruptur jede Rippenfraktur fehlen. Beim offenen Pneumothorax ist pathophysiologisch die atemsynchrone Mediastinalverschiebung charakteristisch. Dieses Mediastinalflattern oder Mediastinalpendeln entsteht dadurch, dass bei der Inspiration auf der Seite der kollabierten Lungen das entspre-
Abb. 8-4 (a) Äußerer, offener Pneumothorax; (b) geschlossener Pneumothorax; (c) innerer, offener Pneumothorax.
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8 Thoraxtrauma
Abb. 8-5 (a) Normale Atmung, (b) Ventilpneumothorax, (c) paradoxe Atmung bei instabiler Thoraxwand (nach Bünte).
8.4 Pneumothorax
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chende Widerlager fehlt. Es kommt zu einer Verziehung des Mediastinums im Inspirium nach der Seite der gesunden Lunge. Bei der Exspiration weicht das Mediastinum zur verletzten Seite aus (fehlendes Widerlager der kollabierten Lunge). Hierbei kommt es zu einem Übertritt von Exspirationsluft aus der gesunden Lunge in den Thoraxraum der rupturierten Lunge. Dieses Pendelluftvolumen bedeutet für die Restlunge eine Verminderung des Sauerstoffgehaltes und führt zu einer Sauerstoffuntersättigung. Dyspnoe und Zyanose beim offenen Pneumothorax sind zurückzuführen auf: 1. Reduktion der Atemfläche durch den Lungenkollaps, 2. Pendelluft, 3. Mediastinalflattern. 5. Ventil- bzw. Spannungspneumothorax (Abb.8-5 b): Hier besteht eine Verbindung des Bronchialbaumes mit einer Pleuraläsion oder einer offenen Thoraxwandläsion, wobei Luft im Inspirium durch diese Kommunikationsstelle einströmen, aber beim Exspirium nicht wieder durch die gleiche Stelle entweichen kann. Dieser Ventilmechanismus kommt durch eine saugende Thoraxwunde zustande. Das Mediastinum wird zur Gegenseite verdrängt. Vena cava superior wird komprimiert, wenn der Druck im Pleuraraum über 19 cm Wassersäule liegt. 6. Instabile Thoraxwand: Infolge eines beweglichen Brustwandstücks (Rippenserienfraktur) oder eines ausgebrochenen Sternumabschnitts kommt es zur paradoxen Atmung: Bei Exspiration bewegt sich das Brustwandstück nach außen, bei Inspiration in umgekehrter Richtung (Abb. 8-5 c). Beachte: Man kennt auch einen Spontanpneumothorax bei Pleuraläsionen infolge eines Lungenemphysems bei Bronchiektasen, angeborene Lungenzysten oder angeborenen Zwerchfelldefekten. Auch hier erfolgt als Sofortmaßnahme eine Entlastung über eine Monaldi-Drainage.
8.4.2 Sofortmaßnahmen Offener, äußerer Pneumothorax Sofortmaßnahmen zielen auf die Beseitigung von ⫺ respiratorischen Störungen, ⫺ Schock und ⫺ kardialen Störungen hin.
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8 Thoraxtrauma
Bei respiratorischen Störungen wird nach erfolgter Intubation (immer indiziert bei traumatisch bedingter Asphyxie, sichtlich behinderter Atmung und Bewusstlosigkeit) das Bronchialsystem durch einen über die Nase eingeführten Katheter gesäubert und eine kontrollierte Sauerstoffzufuhr eingeleitet. Die Wiederausdehnung der Lungen erfolgt durch vollständige Entleerung des Pleuraraums. Die unmittelbare Beseitigung eines offenen, äußeren Pneumothorax geschieht als provisorische Notfallmaßnahme durch Verschluss der Wunde mit einem dichten sterilen Vaselinegazestreifen und im OP bei der chirurgischen Erstversorgung durch Übernähung der Lungenverletzung (Vicryl“ 2-0 oder 3-0 und Verschluss des Thorax mit einer intrakutanen Hautnaht (Prolene“ 4-0). Bei sich anbahnender Verbreiterung der Wunde mit beginnender Narbenbildung ist es empfehlenswert möglichst frühzeitig, d. h. wenige Wochen nach Verschluss der Thoraxwand lokal auf die Wunde Contractubex“ zu applizieren und einzureiben über eine Dauer von ca. 5 Minuten, vorübergehend einen komprimierenden Schutzverband anzulegen und diese Therapie über die Dauer von etwa einem halben Jahr fortzuführen um dadurch kosmetisch schmale und unauffällige Narbenverhältnisse zu erzielen. Die pharmakokinetische Wirkung hierbei geht von drei Wirkstoffen aus: Heparin, Allantoin und Extr. cepae. Die Entleerung des Pleuraraums in Endotrachealnarkose beim offenen Pneumothorax oder beim Hämatothorax erfolgt folgendermaßen: 1. Steriles Abdecken des Operationsfeldes mit OP-Tapes. 2. Exakte Wundrevision, Ausschluss von Lungenverletzungen, Friedrichsche Wundexzision. 3. Perikostale Nähte z. B. mit Vicryl“; Nähte zunächst legen, noch nicht knüpfen. 4. Einführen eines röntgenkontrastgebenden Thoraxdrains im wundfernen Bereich 2⫺3 ICR tiefer. 5. Wundverschluss, Fixation des Thoraxdrains über eine U-Naht. Thoraxdrain wird an eine Saugapparatur angeschlossen und es wird mit 15⫺20 cm Wasserunterdruck gesaugt. Ist der Thoraxwanddefekt so groß, dass durch Readaptation der Rippen die Öffnung nicht geschlossen werden kann, so erfolgt ein Thoraxwandverschluss mit einem Tutopatch“-Implantat. Darüber kann dann die mobilisierte Muskulatur, das subkutane Gewebe und die Haut vernäht werden. Tutopatch“ wird nach ca. 2⫺3 Monaten in körpereigenes kollagenes Bindegewebe umgewandelt und stellt dann einen sicheren Thoraxwandverschluß dar. 6. Immer Tetanusprophylaxe durchführen.
8.4 Pneumothorax
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Durch diese Maßnahmen ist der Überdruck im Pleuraraum entfernt und die Lunge kann sich wieder normal entfalten. Spannungpneumothorax Beim Spannungspneumothorax ist (bis zur endgültigen Versorgung) die unter Überdruck in der Pleurahöhle befindliche Luft abzulassen. Notfallmethode nach Thiersch (Abb. 8-6): Pleurapunktion mit großkalibriger Punktionsnadel und mit aufgesetzter wassergefüllter Rekordspitze in der vorderen Axillarlinie. Die suffiziente definitive Entlastung des Pleuraraums erfolgt durch eine oder mehrere Thoraxdrainagen (Monaldi, Bülau). In der Regel führt eine Monaldi-Drainage (2.⫺3. ICR Medioklavikularlinie) zu einer schnellen Entlastung des Pneumothorax.
Abb. 8-6 Pleuraprobepunktion bei Ventilpneumothorax.
Stabilisierung des Thorax ⫺ Bei mobilem Brustwandstück mit Rippenstück- oder Serienfrakturen (instabiler Thorax) wird durch Intubation eine innere pneumatische Stabilisierung erzielt. Wenn nach wenigen Tagen der instabile Thorax der einzige Grund für die Fortsetzung der Intubation und Beatmung ist, sollte eine operative Stabilisierung der Thoraxwand mit 1 oder 2 Metallbügeln wie bei der Trichterbrust durchgeführt werden (s. Abschn. 8.3.2). Der Patient kann dann weitestgehend schmerzfrei spontan atmen. Der operative Eingriff ist einfach und dauert nicht länger als 60 Minuten. ⫺ Bei Brustwandverletzungen unter Miteinbeziehung der Pleura Applikation von Breitbandantibiotika (z. B. Cefotaxim-ratiopharm“ i. m., 1⫺2 g alle 12 Stunden oder Ampicillin-ratiopharm“ i. v. Kinder bis
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8 Thoraxtrauma
6. Lebensjahr 100⫺400 mg/kg/d in 2⫺4 Einzeldosen, Erwachsene und Kinder ab 6. Lebensjahr: 1,5⫺6,0 g in 2⫺4 Einzeldosen). ⫺ Bei Rippenfrakturen und stark reduzierten Atemexkursionen infolge Schmerzen erfolgt eine Blockade der Nervi intercostales durch Paravertebralanästhesie z. B. mit ca. 5 ml 0,5 % Carbostesin“ im Abstand von 6⫺7 Stunden. Ziel: ausreichend tiefe Ventilation, Abhusten von Sekret und Schleim.
Schocktherapie Mit z. B. Expafusin“ 500 ml in 30 Minuten infundieren. Bei jedem schweren Thoraxtrauma und bei Bewusstlosigkeit sollen die Patienten mit Heparin-Calcium 7500 FS ratiopharm“) behandelt werden (s. Abschn. 4.7.5) zur Vorbeugung von thromboembolischen Komplikationen.
EKG Bei jedem Thoraxtrauma immer ein EKG im Rahmen des Intensivmonitoring durchführen. Beachte: Die Komplikation einer Herztamponade (s. Abschn. 8.8.2) muss frühzeitig erkannt werden. Das EKG zeigt eine Niedervoltage und Arrhythmie, die zentralvenöse Druckmessung ergibt einen erhöhten ZVD und die Thoraxübersichtsaufnahme zeigt die Herzsilhouette als Zeltform. Beachte ferner: In allen Fällen je nach Dringlichkeit folgende Untersuchungen durchführen (Intensivmonitoring): ⫺ Kontrolle von Blutdruck, Puls, Atmung als Dauerüberwachung auf der Intensivstation bei bewusstlosen Patienten, sonst in den ersten 2⫺3 Stunden je nach Schwere des Falles alle 1⁄4 Stunden, dann stündlich. ⫺ Blutentnahme zur Bestimmung der Blutgruppe, Hämoglobin, Hämatokrit, Blutgasanalyse, Blasenkatheter legen. ⫺ Röntgen-Thoraxbild a. p. und seitlich. ⫺ EKG-Monitoring. ⫺ Initial periphervenöse Zugänge legen, dann zentralen Venenkatheter.
8.5 Hämatothorax
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8.5 Hämatothorax 8.5.1 Allgemeines Jedes schwere stumpfe Thoraxtrauma mit Atemstörungen oder einem Atemnotsyndrom, bei dem der Patient bewusstlos ist, macht eine exakte Thoraxauskultation, eine orientierende Ultraschalluntersuchung und gegebenenfalls eine diagnostische Pleurapunktion rechts und links erforderliche (Diagnostik des Hämatothorax, Diagnostik des Pneumothorax) oder eine diagnostische Thorakotomie notwendig. Häufige Komplikation intrathorakaler Verletzungen ist der Hämatothorax mit oder ohne Pneumothorax. Dabei handelt es sich um eine Blutansammlung im Pleuraraum, bedingt durch Ruptur der Arteria subclavia, thoracica interna, intercostalis oder eines Lungengefäßes. Bei jedem Hämatothorax sollte eine Herzwandverletzung mit Perikardverletzung (Herztamponade) in die diagnostischen Erwägungen einbezogen werden.
8.5.2 Sofortmaßnahmen Jeder Pneumothorax und Hämatothorax macht eine Thoraxdrainage (Monaldi oder Bülau) notwendig (Abb. 8-7). 1. Gezielte klinische Untersuchung (veränderte Atmung, Suche nach Thoraxkontusionsmarken, perkutorische Dämpfung, auskultatorisch aufgehobenes Atemgeräusch, Blutdruck, Puls, EKG). Das Ausmaß des Hämatothorax kann durch Ultraschall festgestellt werden. Grenzen der Dämpfung immer anzeichnen und konstante Kreislaufkontrolle bis zur Operation. 2. Antiaspirationslage des Patienten einhalten. 3. Falls nötig, Freimachen und Freihalten der Atemwege.
Abb. 8-7 Ellis-Damoiseau-Linie (nach Holldack, K., Gahl, K.: Lehrbuch der Auskultation und Perkussion, Inspektion und Palpation, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2003).
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8 Thoraxtrauma
4. Bei konstantem Blutdruckabfall und Pulsanstieg nochmalige genaue Orientierung über eine intrathorakale, intraadominelle oder intrakranielle Blutungsquelle durchführen. Überprüfung, ob durch eine Fraktur ein Blutungsschock eingetreten ist. Sofortige Schocktherapie einleiten, frühzeitige Thorakotomie als lebensrettende Maßnahme (s. u.); wenn keine transfusionsgeeignete Vene zu sehen ist, sofort Venae sectio oder Anlegen eines zentralen Venenkatheters. Blutentnahme für Blutgruppenbestimmung und Kreuzprobe, Hämoglobin, Hämatokrit. Dann Anlegen der Transfusion bzw. Infusion. 5. Thorax-Röntgenbild immer in zwei Ebenen. 6. Punktionsentlastung des Hämatothorax sobald wie möglich durch ⫺ Saugapparatur (Dauerabsaugung), ⫺ Spritze mit Zweiwegehahn (unzuverlässig). Technische Durchführung einer Punktion siehe unter Pleurapunktion (s. Abb. 8-6). Menge des Punktates: Bei großem Hämatothorax 1000⫺2000 ml Blut ablassen; nicht zu schnell abpunktieren, da sonst die Wiederausdehnung der Lunge mit der Entleerung im Brustfellraum nicht Schritt hält und es zu Zugwirkungen am Lungenhilus und am Mediastinum kommt (mit starken Schmerzen). Punktion in diesen Fällen kurzfristig abbrechen. Am Ende der Punktion wird eine Drainage in die Pleurahöhle dorsolateral (vordere oder hintere Axillarlinie), am tiefstmöglichen Punkt mit einem Thoraxdrain der Größe 24⫺26 Charrie`re, der in Lokalanästhesie in den Pleuraraum eingeführt wird, angelegt. Routinemäßig sollte eine Probe des Blutes der ersten Punktion bakteriell untersucht und gegebenenfalls eine Resistenzbestimmung durchgeführt werden.
8.5.3 Weiteres Vorgehen Blutet es aus der drainierten Thoraxhöhle weiter, dann sind eine Thorakotomie/Thorakoskopie und die Versorgung der Blutungsquelle rasch indiziert. Dekortikation kann bei beginnender Schwielenbildung in der 3.⫺4. Woche nach der Verletzung indiziert sein. Beachte: Rasches, gezieltes Vorgehen und frühzeitige Indikation zur Thorakotomie oder Thorakoskopie bei anhaltender Blutung aus dem Thorax oder bei weiterbestehendem Pneumothorax sind für die Prognose ganz entscheidend wichtig. In all diesen Fällen hat eine Bronchoskopie/Ösophagoskopie zu erfolgen, um einen Abriss oder Einriss eines Stammbronchus/Ösophagusruptur rechtzeitig zu erkennen.
8.6 Lungenverletzungen
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8.6 Lungenverletzungen 8.6.1 Einteilung In der Klinik muss durch eine rasche und genaue Diagnose ⫺ unter Berücksichtigung von Mehrfachverletzungen ⫺ die Dringlichkeit der konservativen Behandlung und der operativen Versorgung lebensbedrohlicher Traumafolgen geklärt werden. In Frage kommen: ⫺ Lungenkontusion und intrapulmonales Hämatom. Intrapulmonale Blutungen als Folge eines stumpfen Thoraxtraumas treten in der Regel klinisch zwischen dem 4. und 6. Tag in Erscheinung. ⫺ Lungenverletzungen, Risse durch Rippenfrakturen. ⫺ Rupturen der Lunge infolge intrapulmonalen Überdrucks im Moment der Gewalteinwirkung.
8.6.2 Diagnostik ⫺ Typischer Unfallhergang: kurz einwirkendes Trauma (Schlag, Stoß, Anprall), wobei sich die Druckwellen auf die Organe des Brustraums fortpflanzen und als Ausdruck der Erschütterung auf nervalem Weg einen Schock hervorrufen. ⫺ Lokale, äußerlich sichtbare Schürfstellen und subkutane Hämatome. ⫺ Je nach Schwere des Traumas charakteristische bläuliche, livide Verfärbung von Gesicht, Hals und Schultern. Punktförmige oder kleinfleckige Blutergüsse in diesen Bereichen. Blutaustritt unter die Konjunktiven und Schleimhäute des Mundes infolge Ruptur kleinster Venen. Gelegentlich Sehstörungen. ⫺ Posttraumatische Bewusstlosigkeit. ⫺ Unregelmäßigkeiten der Atmung, Ateminsuffizienz, Verschlechterung der Blutgaswerte. ⫺ Temperaturanstieg und großflächige Verschattung im Röntgenbild. Dabei ist das Bild einer sogenannten Kontusionspneumonie zu erkennen. Beachte: Durch die Bronchoskopie kann eine Blutungsquelle diagnostiziert und ein Einriss der Trachea oder eines großen Bronchus festgestellt werden (Geräte der Firma Storz).
8.6.3 Sofortmaßnahmen 1. Freimachen der Atemwege (vor allem bei Patienten im Schock) durch Absaugen.
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8 Thoraxtrauma
2. Freihalten der Atemwege durch Antiaspirationsstellung und in Bereitschaft, Erbrochenes abzusaugen. 3. Schockbekämpfung bei Kreislaufkollaps (s. Kap. 4). 4. Bronchoskopie bei Verdacht einer Trachea- oder Bronchusruptur (Storz-Instrumentarium), bei Hämoptoe und beim Mediastinalemphysem als entscheidend diagnostische Maßnahme. 5. Thoraxröntgenaufnahmen a. p. und seitlich bzw. Schrägaufnahmen; EKG-Monitoring. 6. Frühzeitige Intubation bei Anzeichen der Einschränkung der Atemfunktion bzw. intermittierende, positive, maschinelle Druckbeatmung z. B. bei Rippenserienbrüchen mit Stabilitätsverlust der Brustwand (innere pneumatische Schienung). 7. Bülau-Drainage zur Dekompression der Lunge durch Absaugen von intrapleural gelegenem Blut und Luft. 8. Antibiotika-Applikation als i. v. Dauertropfinfusion, z. B. Amoxicillin-ratiopharm“ mit Gentamycin-ratiopharm“. Beachte: Folgende Komplikationen sind möglich: ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
posttraumatische Lungenatelektasen und Kontusionspneumonie, Rupturen herznaher Gefäße, Herztamponade, Herzbeutelriss; Herzmuskelriss; Herzklappenriss, Arrhythmien, Herzflimmern, Zwerchfellruptur, Spannungspneumothorax, Hämatothorax.
8.6.4 Indikation zur Thorakotomie/Thorakoskopie (Storz) 1. Schwere oder anhaltende Blutung (nicht entfaltbare Lunge) z. B. aus der Arteria thoracica interna, intercostalis, aus Pulmonalgefäßen bei großen Lungenrupturen, 2. Bronchuseinriss oder Bronchusausriss, 3. Zwerchfellruptur, 4. traumatisch bedingtes Aortenaneurysma. Die Indikation zu einer Lobektomie ist gegeben, wenn ein Teil der Lunge schwer kontusioniert ist, sich nicht entfaltet und gleichzeitig eine tiefe Ruptur aufweist, aus der Blut und Luft ausströmen. Es handelt sich dabei um sogenannte avitale Lungenabschnitte, die reseziert werden müssen. Unterbleibt die Entscheidung zur Resektion, und begnügt man sich mit einer Übernähung, so kommt es in über 4/5 der Fälle erneut zu
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einer Fistel mit einem Pyopneumothorax. Eine Lungenresektion in einem infizierten Thorax stellt für die Patienten eine ungünstige Situation im Hinblick auf die Bronchusstumpfversorgung dar.
8.7 Verletzungen der Trachea oder der Stammbronchien Entscheidend ist die frühzeitige Endoskopie nach schwerem Thoraxtrauma (Storz-Bronchoskope), um Rupturen der Trachea oder der Stammbronchien rechtzeitig festzustellen. Am häufigsten findet man partielle oder totale Rupturen der proximalen Trachea oder carinanahe Abrisse der Bronchien. In jedem Fall ist eine sofortige Thorakotomie und Naht der Verletzungsstelle unter intraoperativer Endoskopie notwendig. Beachte: Posttraumatische ösophagotracheale Fisteln. Ursache: stumpfes Thoraxtrauma mit Wandkontusion und Minimaleinriss von Ösophagus und Trachea und späterer Fistelverbindung. Leitsymptom: Hustenanfälle nach dem Essen und Trinken. Diagnostik: Instillation von wenigen ml Methylenblau über den Tubus in die Trachea und gleichzeitige Ösophagoskopie. Therapie: Thorakotomie und Fistelverschluss unter endoskopischer intraoperativer Kontrolle, 3⫺6 Wochen nach dem Trauma.
8.8 Verletzungen des Mediastinums 8.8.1 Mediastinalemphysem Definition Beim Mediastinalemphysem handelt es sich um Luftansammlung im Mediastinum vorwiegend aus einem verletzten Bronchus, aus verletztem Lungengewebe oder einer Ösophagusruptur: Die Luft im Mediastinum führt zu einer Kompression extrapulmonaler Lungenvenen, des linken Vorhofs und der Hohlvenen (extraperikardiale Herztamponade). Leitsymptome 1. Adäquates Thoraxtrauma (Überfahrenwerden). 2. Gedunsenes Gesicht, pralle Füllung der Halsvenen, petechiale Blutungen der Konjunktiven, luftkissenartige Schwellung am Jugulum und am Hals (knisternder Palpationsbefund), Augenlider gequollen und verdickt.
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8 Thoraxtrauma
3. Atemnot, Beklemmungsgefühl. 4. Blutdruckabfall, fadenförmiger Puls, Zyanose, Kreislaufinsuffizienz, pathologische Blutgasanalyse. Sofortmaßnahmen 1. Venösen Zugang schaffen, z. B. zentralvenöser Zugang am Hals oder periphere Zugäng über Ellenbeugenvenen oder über die Vena saphena magna. 2. Atemwege freimachen, Atemwege freihalten, gegebenenfalls beatmen. 3. Auskultation, thorakaler Ultraschall, Thoraxübersichtsaufnahme in zwei Ebenen. 4. Pleurapunktion (Probepunktion): Ergibt die Punktion Luft, so erfolgt Thoraxsaugdrainage (Monaldi). 5. Führt diese Maßnahme nicht zum Ziel bzw. ergibt die Punktion keine Luft, so muss eine Entlastung durch eine vordere Mediastinotomie durchgeführt werden. Technik: Nach vorausgegangener Desinfektion erfolgt ein Kragenschnitt über dem Jugulum bzw. eine kleine quere Inzision über dem Jugulum. Eröffnung des mediastinalen Zellgewebes mit dem Zeigefinger, wobei der Finger möglichst tief hinter dem Sternum eingeführt wird. In den Retrosternalraum wird dann ein Drain eingelegt. Während der Dauer von ca. 6 Tagen z. B. Piperacillin-ratiopharm“ 100⫺200 mg/kg in 2⫺4 Einzeldosen verabreichen (Mediastinitisprophylaxe). Beachte: Der erste Schritt bei einem Mediastinalemphysem ist nicht die kollare Mediastinotomie, sondern die Überprüfung eines Pneumothorax durch Pleurapunktion. Eine weitere Klärung erfolgt durch die bronchoskopische Untersuchung.
8.8.2 Herztamponade (Abb. 8-8) Definition Sie kann Folge einer stumpfen oder penetrierenden Herzverletzung sein, wobei es zur Blutansammlung im Herzbeutel kommt aufgrund einer Blutung aus dem Myokard oder aus perikardialen Gefäßen. Bei Verletzungen des Herzens und nachfolgender Herztamponade ist besonders der venöse Rückfluss zum Herzen behindert. Dabei ist das klinische Bild beherrscht von den Zeichen einer präkardialen Stauung mit Einfluss-
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stauung, Verringerung des Schlagvolumens, mit Blutdruckabfall und kompensatorischer Erhöhung der Herzfrequenz. Leitsymptome 1. Äquivalentes Thoraxtrauma (penetrierende oder stumpfe Herzverletzung). 2. Anschwellen der Halsvenen als Ausdruck einer Einflussstauung (dünnwandige Herzabschnitte wie rechter Vorhof und Hohlvenen geben dem erhöhten Druck am frühesten nach und werden dadurch komprimiert). 3. Blutdruckabfall und Abnahme der Pulsfrequenz sowie der Pulshöhle, bedingt durch die mechanische Behinderung der diastolischen Füllung und eine damit verbundene Verringerung des Schlagvolumens; kontinuierlich ansteigender Venendruck.
Abb. 8-8 Leitsymptome bei der Herztamponade (nach Bünte).
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8 Thoraxtrauma
4. Zyanose, pathologische Blutgasanalyse. 5. Mediastinalanalyse mit Hilfe des Ultraschalls oder der Perkussion: Vergrößerung der absoluten Herzdämpfung. Auskulatation: Herztöne abgeschwächt und dumpf. 6. Röntgenbild: Verbreiterung der Herzsilhouette mit Aufhebung der Herztaille und Ausbildung einer typischen Zeltform als Zeichen der Flüssigkeitsansammlung im Herzbeutel. 7. Die Diagnose der Herzbeutelblutung bis zur Tamponade kann heute durch die Echokardiographie zuverlässig gestellt werden. Damit ist es bereits möglich, kleinere Blutungen im Herzbeutel ohne klinische Zeichen einer Tamponade festzustellen. 8. EKG: Charakteristisch ist die Niedervoltage und die Störung der Erregungsausbreitung. Sofortmaßnahmen Entscheidend für die Prognose sind die frühzeitige Diagnosestellung und die daraus resultierenden Maßnahmen. Worauf kommt es an? Verminderung bzw. Beseitigung des Drucks im Herzbeutel durch Punktion bzw. Thorakotomie; operative Versorgung der Blutungsquelle. 1. Aufsuchen einer transfusionsgeeigneten Vene (gegebenenfalls Venae sectio, zentralvenöser Zugang), Blutabnahme für Blutgruppe, Hämoglobin, Hämatokrit; Schocktherapie mit Plasmaexpander (Expafusin“-Baxter), Bluttransfusion. 2. Monitoring von Blutdruck, Puls und EKG. 3. Durchführung der Herzbeutelpunktion (Abb. 8-9): ⫺ Patient befindet sich in halbaufrechter Position (60∞). ⫺ Lokale Hautdesinfektion und Abdecken mit Master-Aid“ Verbänden. ⫺ Punktion mit dicker Punktionsnadel; die Punktion erfolgt links vom Processus xiphoideus im Bereich des Angulus epigastricus so dass die Nadel unter Kontakt mit dem Knochen in der Mittellinie nach kranial durch die Larreysche Lücke des Zwerchfells vorgeschoben wird. Dies geschieht unter leichtem Sog (Unterdruck in der Spritze), so dass an dem Einströmen des Blutes in die Spritze die richtige topographische Lage der Nadel erkannt werden kann.
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⫺ Durchschnittliche Einstichtiefe ca. 2⫺3 cm. Andere Punktionsstellen 4. oder 5. ICR links parasternal. Wenn nach einer Punktion keine Besserung eintritt: rasche chirurgische Versorgung der Herzwunde durch Thorakotomie.
Abb. 8-9 Punktionsstelle und Punktionsrichtung bei Herzbeutelpunktion.
Beachte: Bei jedem stumpfen Thoraxtrauma eine Herzkontusion mit Rhythmusstörungen (Reizbildung, Reizleitung, Erregungsrückbildung) ausschließen und Serumenzymbestimmungen (CPK, SGOT, LDH) durchführen. Daher prinzipiell bei jedem Thoraxtrauma ein EKG im zeitlichen Intervall wiederholt anfertigen lassen.
Verletzungsmöglichkeiten des Herzens (stumpfes Herztrauma) 1. Riss im Perikard mit Ruptur perikardialer Gefäße (Blut im Herzbeutel, Hämatoperikard). 2. Charakteristisch ist das symptomfreie Intervall, dann erst stellen sich hämodynamische Störungen und das bedrohliche Bild der Herztamponade ein. Bei der Herzbeutelruptur kommt es zu einer Verlagerung des Herzens mit akutem Herzversagen, mangelnder diastolischer Füllung und koronarer Mangeldurchblutung. Sie stellt die Indikation zur sofortigen Thorakotomie dar. 3. Myokardrisse mit Gefäßrupturen bei unverletztem Perikard und Herzbeuteltamponade oder späterer Myokardnarbe, die einen Locus minoris resistentiae darstellen im Hinblick auf Druckbeanspruchung (Herzwandaneurysma mit negativ hämodynamischer Auswirkung und Emboliegefahr). 4. Endokardblutungen und Risse des Vorhof- und Ventrikelseptums, die zu Rhythmus- und hämodynamischen Störungen führen können.
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Hier sind auch die Klappenein- und abrisse, Rupturen von Sehnenfäden und Papillarmuskeln als Folge geschlossener Herzverletzungen zu nennen.
8.8.3 Aortenverletzungen Pathogenese Hierbei handelt es sich um Verletzungen der Brustaorta nach vorausgegangenem stumpfen Thoraxtrauma. Die Aorta ist an drei Punkten fixiert: ⫺ an der Herzbasis, ⫺ im Bereich des ehemaligen Ductus Botalli, ⫺ am Durchtritt der Aorta durch das Zwerchfell. Bei stumpfem Thoraxtrauma oder Sturz aus großer Höhe kann die Aorta im Bereich eines dieser Fixationspunkte einreißen. Besonders gefährdet sind ältere Patienten mit Arteriosklerose. Am häufigsten findet man ein Einreißen der Aorta am Ansatz des Ligamentum Botalli.
Diagnostik Führt die Verletzung zu einem kompletten Einriss der Aortenwand, so kommt es zu einem massiven Blutverlust in die freie Brusthöhle, die chirurgisch aus Zeitgründen in den meisten Fällen nicht mehr erfolgreich versorgt werden kann. Prognostisch günstiger ist die inkomplette Aortenruptur, d. h. es erfolgt ein Einriss zunächst der inneren Wandschichten (Intima), während die Adventitia die Verletzung abdeckt. In diesen Fällen ist dann eine operative Revision möglich. Die Diagnose wird durch die CT/MR-Angiographie gestellt. Charakteristisch ist dabei das sogenannte Koarktationssyndrom der Aorta, d. h. durch Lichtungseinengung bedingter Bluthochdruck in der oberen Körperhälfte und erniedrigter Blutdruck in der unteren Körperhälfte. Eine Operationsindikation ist gegeben bei klinisch und angiographisch festgestellter Aortenruptur/Aortenaneurysmas. Hier ist eine sofortige Revision indiziert. Vor der Revision ist bei vorausgegangenem stumpfen Bauch- und Thoraxtrauma nach Verletzungen von weiteren Organen im Brust- und Bauchraum genau zu fahnden.
8.8 Verletzungen des Mediastinums
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Operationstechnik Die operative Korrektur der Aortenverletzung besteht in einer direkten Naht der Aorta bzw. Interposition eines Patches oder einer Prothese ohne Blutumleitung. Abklemmen der Aorta über mehr als 30 min führt hierbei zu Ischämiezeichen der Bauchorgane.
8.8.4 Ösophagusrupturen Entstehung Spontanrupturen des Ösophagus kommen vor, sie sind jedoch sehr selten. Rupturen des Ösophagus nach einem stumpfen Thoraxtrauma kommen ebenfalls vor. Die Symptomatik entsteht in den allermeisten Fällen nach instrumentellen Manipulationen wie Endoskopien oder Bougierungen im Ösophagus. Leitsymptome 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
retrosternale Schmerzen hohes septisches Fieber Leukozytose Verbreiterung des Mediastinums im Röntgenbild Mediastinalemphysem septisches Krankheitsbild Endoskopisch ist die Perforationsstelle einwandfrei zu identifizieren (z. B. mit Storz-Instrumentarium) bzw. durch Kontrastmittelaustritt bei Gastrografindarstellung des Ösophagus darzustellen.
In den allermeisten Fällen ist eine mechanische Verletzung des Ösophagus die Ursache der Perforationen: Endoskopien, Ösophagusbougierungen, falsche Intubation. Lokalisation Ösophagusperforationen entstehen am häufigsten an drei charakteristischen Stellen (Abb. 8-10). Eine Sammelstatistik von 502 Patienten einschließlich der Erwachsenen zeigte, dass in 55 % die Perforation im oberen Ösophagusteil vorkommt (am Übergang vom Pharynx in den Ösophagus). 26 % aller Perforationen entstehen in der Mitte des Ösophagus,
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8 Thoraxtrauma
Abb. 8-10 Lokalisation von Ösophagusperforationen.
das ist in Höhe der Bifurkation, und in 19 % beobachtet man Ösophagusperforationen oberhalb des Zwerchfells. Sofortmaßnahmen Bei der Behandlung der Ösophagusperforationen kommt es auf vier Punkte an: 1. Einhalten des operativen Grundkonzeptes, 2. zusätzliche dringliche chirurgische Maßnahmen, 3. Bedeutung der Trockenlegung des Perforationsbereiches durch Saugungen, 4. Vorteile der intraoperativen Endoskopie (Storz).
Einhalten des operativen Grundkonzeptes ⫺ Frühzeitige Thorakotomie bei Perforationen des Ösophagus im mittleren und distalen Bereich. In diesen Fällen wird der Ösophagus übernäht und diese Stelle zusätzlich mit Pleura, Lunge oder Zwerchfell abgedeckt. Eine zervikale Ösophagostomie ist in der Regel und in den allermeisten Fällen nicht notwendig.
8.8 Verletzungen des Mediastinums
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⫺ In allen Fällen wird eine Gastrostomie angelegt, um den Magen zu entlasten und frühzeitig mit enteraler Ernährung beginnen zu können. ⫺ Mediastinotomie, um den Retrosternalraum zu drainieren. ⫺ Bülau-Drainage in Fällen eines Pyopneumothorax. Zusätzliche dringliche chirurgische Maßnahmen ⫺ Befindet sich die Ösophagusperforation im zervikalen Bereich und liegt sie weniger als 12 Stunden zurück, so kann diese Perforationsstelle übernäht werden. Anschließend erfolgt eine Drainage des Ösophagus und der paraösophagealen Gegend. Liegt die Perforation länger zurück mit Halsphlegmone und abszedierenden Veränderungen, so sollte eine passagere Ösophagostomie mit Wunddrainage durchgeführt werden. Die Rekonstruktion des Ösophagus kann dann nach 3 Monaten erfolgen. ⫺ Nur in wenigen Fällen wird man bei Ösophagusperforationen konservativ verfahren: es handelt sich dabei um Kinder, die eine Ösophagusverätzung mit entzündlicher Reaktion im Mediastinum aufweisen. In diesen Fällen wird nur der Thorax drainiert und neben einer Gastrostomie eine zervikale Ösophagostomie im linken Halsbereich angelegt. ⫺ Eine Ligatur um den distalen Anteil des Ösophagus sollte nicht durchgeführt werden, da es später zu erheblichen Stenosen und Passagehindernissen kommen kann. Trockenlegung des Perforationsbereiches durch Saugungen Die Trockenlegung des Perforationsbereiches durch Saugungen (Abb. 8-11) ist von entscheidender prognostischer Bedeutung. Drainagen und Saugungen können an sechs verschiedenen Stellen angelegt werden: ⫺ Drainage des proximalen Ösophagus, um Schleim abzusaugen und den oberen Ösophagusanteil trocken zu halten (1). ⫺ Drainage des distalen Ösophagus unter Zuhilfenahme einer Niederdrucksaugung (2). ⫺ Entlastung des Abdomens durch eine Gastrostomie im linken Oberbauch (3). ⫺ Bei Verbreiterung des Mediastinums wird eine retrosternale Mediastinotomie mit Drainage angelegt (4).
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8 Thoraxtrauma
Abb. 8-11 Ösophagusperforationen; Trockenlegung des Perforationsbereiches durch Saugungen.
⫺ Bei Vorliegen eines Pyopneumothorax wird im 6. bzw. 7. ICR eine Bülau-Drainage angelegt (5). ⫺ Drainage der paraösophagealen Gegend über eine Niederdrucksaugung im zervikalen Ösophagostomiebereich (6). Vorteile der intraoperativen Endoskopie (Storz) (Abb. 8-12) ⫺ Behandlung der Säureverletzung des Ösophagus: sofortiges Aufbringen einer milden Lauge, z. B. Natriumbikarbonat mit hoher Pufferfähigkeit (3,5 %ig). ⫺ Behandlung der Laugenverletzung des Ösophagus: Aufbringen einer leichten Säure, z. B. Zitronensäure. ⫺ Behandlung von Ösophagusverletzungen durch Chemikalien: 1. Antibiotische Behandlung (z. B. Ampicillin oder Piperacillin-ratiopharm“). 2. Ruhigstellung der Speiseröhre (parenterale Ernährung mit Tutofusin“, Aminofusin“). 3. Einlegen einer Magensonde zum Absaugen von Mageninhalt und Instillation von Natriumbikarbonat (3,5 %ig). 4. Frühendoskopie zur Beurteilung der Ausdehnung der chemischen Schädigung. Die Endoskopie 4⫺6 Wochen nach Beginn der Verätzung ist notwendig, um die Ausbildung von narbigen Strukturen rechtzeitig zu erkennen.
8.9 Lungenembolie
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Abb. 8-12 Intraoperative Endoskopie (Storz) ⫺ eine wichtige Hilfe, die Perforationsstelle zu finden.
5. Chemische Verletzungen der Speiseröhre machen immer eine Tetanusimmunisierung notwendig.
8.9 Lungenembolie 8.9.1 Leitsymptome (Abb. 8-13) 1. In der postoperativen Phase auftretend, am häufigsten am 8.⫺12. Tag. 2. Plötzlicher pleuraler Schmerz, oft in Brustmitte, oder akute Schmerzen in den seitlichen Partien des Thorax, Atemnot. 3. Verstärkung des Schmerzes bei Inspiration. 4. Dyspnoe, blasse Zyanose, Angst, Schwitzen, Zittern. 5. Tachykardie, Blutdruckabfall. 6. Auskultatorisch pleurales Reiben. 7. Blutiges Sputum (Spätsymptom). 8. Lungenembolie, die zu einem Lungeninfarkt führt, ist immer mit einem Pleuraerguss vergesellschaftet.
8.9.2 Ursache 1. Postoperative, tiefe Venenthrombose in der Wade, im Oberschenkel oder im Becken. 2. Abdominelle oder thorakale Eingriffe.
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8 Thoraxtrauma
Abb. 8-13 Lungenembolie: charakteristische Röntgensymptome. 1: Hochstand und verminderte Exkursionen des Zwerchfells; 2: basale Verschattungen, kleine Pleuraergüsse; 3: Verdichtungen mit der Basis an der Pleuraoberfläche (rund ⫺ halbspindelig ⫺ keilförmig ⫺ wolkig ⫺ streifig; 4: Gefäßabbrüche in Hilumnähe mit hypovaskularisierten Zonen, ggf. Hilumamputation (WestermarkZeichen); 5: Hyperämie der kontralateralen Lunge; 6: Dilatation des rechten Ventrikels; 7: Dilatation der V. azygos und V. cava superior (aus: Pschyrembel“, Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter, Berlin, 2004).
8.9.3 Diagnostik 1. Charakteristische Beschwerden des Patienten (s. o.). 2. Röntgenbild: keilförmige Verschattung als Spätstadium, verursacht durch pneumonische Verschattungen des Lungeninfarktes. Im Frühstadium ist eine Veränderung im Röntgenbild nicht sichtbar. 3. Szintigramm: Ausfall eines umschriebenen Lungenabschnittes. 4. CT-/MR-Angiographie der Arteria pulmonalis: partieller oder kompletter Verschluss eines Pulmonalarteriengefäßes.
8.9.4 Therapie 1. Sauerstoffzufuhr über Maskenbeatmung oder Intubation. 2. Schmerzlindernde Medikamente, z. B. Tramadol-ratiopharm“. 3. Antikoagulation mit Heparin-Calcium-ratiopharm“ initial 12 000 Einheiten, dann 3 ⫻ 5000 Einheiten. 4. Sofortige Thorakotomie mit Embolektomie aus der Arteria pulmonalis.
8.10 Sofortmaßnahmen bei Ertrinken
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8.10 Sofortmaßnahmen bei Ertrinken 8.10.1 Pathophysiologie Beim Ertrinken kommt es zur Flüssigkeitsaspiration und damit zur Unterbrechung des Gasaustausches in der Lunge.
8.10.2 Sofortmaßnahmen 1. Venöser Zugang, zentraler Venenkatheter. 2. Atemwege freimachen, Atemwege freihalten, gegebenenfalls beatmen. 3. Anheben der unteren Körperpartien und Lagerung des Patienten in Kopftieflage (s. Abschn. 4.13, Schocklagerung). 4. Reanimation (s. Abschn. 6.4). 5. Endotracheale Absaugung von Wasser aus dem Trachealsystem und dem Bronchialsystem durch Niederdrucksaugung, um die Atemwege von aspiriertem Wasser zu befreien. 6. Antibiotische Therapie, z. B. Ampicillin-ratiopharm“ i. v. 7. Therapie des Lungenödems. 8. Hirnödemprophylaxe.
9 Akutes Abdomen im Erwachsenenalter
9.1 Sofortmaßnahmen bei akuten abdominellen Erscheinungsbildern 9.1.1 Vorbemerkung Im Folgenden sollen zunächst einige gezielte Untersuchungsmethoden mit den daraus resultierenden Leitsymptomen zur Einengung und Sicherung der Diagnose unter Berücksichtigung der Differentialdiagnose dargelegt werden. Dies erfolgt für Erwachsene und Kinder getrennt. Anschließend folgen Hinweise für die initialen therapeutischen Maßnahmen. Auf die Erörterung operativer Verfahren wird in diesem Rahmen verzichtet.
9.1.2 Appendizitis Diagnostische Sofortmaßnahmen Gezielte Untersuchungsmethoden mit typischen Leitsymptomen nach dem zeitlichen Verlauf einer Appendizitis (Abb. 9-1). Der zeitliche Ablauf kann dabei erheblich variieren, insbesondere bei Kindern und älteren Patienten. Stadien der akuten Appendizitis (R. Pichlmayr) katarrhalische Appendizitis B ⫺ ulzeröse Appendizitis ⫺ ulzerösphlegmonöse Appendizitis gangränöse Appendizitis B ⫺ blandes appendizitisches Infiltrat ⫺ progredientes appendizitisches Infiltrat ⫺ perityphlitischer Abszess ⫺ freie Perforation, diffuse Peritonitis
9.1 Sofortmaßnahmen bei akuten abdominellen Erscheinungsbildern
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Abb. 9-1 Appendizitis: typische Palpationsbefunde. 1: Schmerzen am McBurney-Punkt, 2: Schmerzen am Lanz-Punkt; 3: Loslassschmerz (Blumberg-Zeichen); 4: Rovsing-Zeichen; 5: Schmerzen bei rektaler Untersuchung (aus: Pschyrembel“, Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter, Berlin, 2004).
Innerhalb der ersten 24 Stunden Im Einzelfall kann die Entwicklung zeitlich erheblich differieren. 1. Schmerztyp: heftig und spontan einsetzend. Charakteristisch ist, dass oft zuerst diffuse, dann zirkumskripte Schmerzen auftreten. Beginn der Schmerzen oft vom Epigastrium ausgehend bzw. in Nabelgegend (periumbilikales Vorspiel) und sich innerhalb von Stunden zum rechten Unterbauch ausstreckt. 2. Trockene, belegte Zunge, Übelkeit, Erbrechen. 3. Meist Obstipation (nur bei Beckenappendizitis Diarrhöe). Der rektale Palpationsbefund ist in diesem Stadium bei einer an typischer Stelle lokalisierten Appendizitis meist noch nicht schmerzhaft. 4. Temperaturerhöhung (rektal höher als axillär); klingen diese Erscheinungen nicht innerhalb von 24 Stunden ab, sondern ist der Entzündungsschub stärker, so kommt es zur 5. Ausbildung eines Frühexsudats und über vegetativ viszerosensible Afferenzen und somatische Efferenzen zu einer umschriebenen Abwehrspannung der Bauchmuskulatur im rechten Mittel- bis Unterbach, was durch den Palpationsbefund festgestellt werden kann. Innerhalb der zweiten 24 Stunden 6. Weiterentwicklung zu einer Perytyphlitis (umschriebene Peritonitis). Typisch ist bei leichtem Auflegen der Hand auf den rechten Unterbauch die Rigidität der Bauchwandmuskulatur. Folgende Zeichen deuten auf eine Appendizitis: Lokaler Klopfschmerz (Perkussionsschmerz). Lokaler Palpationsschmerz am McBurney’schen Punkt (siehe Abschn. 10.4.2), Kümmell’schen Punkt oder am Lanz’schen Punkt. Rovsing-Zeichen pos. (Zunahme der Schmerzen bei Palpation vom Colon descendens in Richtung Flexura coli dextra und Colon ascendens). Blumberg’scher Loslassschmerz pos. Ten-Horn-
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7. 8. 9. 10. 11.
9 Akutes Abdomen im Erwachsenenalter
Zeichen (Schmerzen bei Zug am Samenstrang). Sitkowski-Symptom (Schmerzen bei linker Seitenlage). Schmerzen bei Heben des rechten Beins gegen einen Widerstand. Druckempfindlichkeit bei rektaler Untersuchung; schmerzhafter rektaler Befund besonders bei Beckenappendizitis. Übrige Bauchwand meist weich und ohne Abwehrspannung. Temperatur zwischen 37,5 und 38,5 ∞C; axillär wesentlich niedriger als rektal (Temperaturdifferenz: max. bis 1 ∞C). Zunge trocken und grau-weißlich belegt. Ausgeprägte Leukozytose.
Innerhalb der dritten 24 Stunden und später Nach den ersten 48 Stunden beginnt sich der Prozess im rechten Unterbauch abzugrenzen: 12. Palpation: Tumorgefühl; bei mageren Individuen ist eine Vorwölbung gelegentlich sichtbar. Ausbildung eines Konglomerattumors bzw. eines perityphlitischen Abszesses, der resorbiert werden kann oder spontan perforiert. 13. Rektaler Befund ergibt oft eine tumorartige, schmerzhafte Vorwölbung entsprechend einem appendizitischen Abszess. 14. Temperatur und Leukozyten können sowohl zurückgehen als auch langsam ansteigen. 15. In diesem Zusammenhang sind ⫺ bretthartes Abdomen, ⫺ Meteorismus, ⫺ fehlende Darmgeräusche, ⫺ verfallenes Aussehen Zeichen einer diffusen Perforationsperitonitis. Die Appendixperforation kann, wie bereits erwähnt, schon zu einem früheren Zeitpunkt eintreten: ⫺ Perforationsperitonitis der akut gangränösen Appendix. ⫺ Perforationsperitonitis eines Abszesses (häufig bei Kindern einige Tage nach Beginn des ersten Schubs). ⫺ Perforationsperitonitis eines Empyems der Appendix. ⫺ Langsam fortschreitende, fibrinöse, eitrige Peritonitis, die sich aus einer phlegmonösen Appendix entwickeln kann.
9.1 Sofortmaßnahmen bei akuten abdominellen Erscheinungsbildern
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Beachte: ⫺ Die Indikation zur Operation wird immer aus der Lokalisation der Schmerzen, der Bauchdeckenspannung und dem rektalen Palpationsbefund gestellt (klinischer Befund). ⫺ Sobald die klinische Untersuchung abgeschlossen sind, immer Blutbild und einen Urinstatus anfertigen lassen sowie Temperatur axillär und rektal messen, Urinschnelltest als orientierende Untersuchung (Teststreifen Roche). ⫺ Appendizitis im Kindesalter kann sich innerhalb von 24 Stunden zu einer Perforation entwickeln (s. Kap. 10). Die Appendizitis im Kindesalter und ihre Entwicklung kann zeitlich erheblich differieren im Vergleich zum Erwachsenen. ⫺ Entscheidend für die Operationsindikation sind der klinische Verlauf, der abdominelle Befund und die rektale Untersuchung. Laboruntersuchungen von Blut und Urin haben eine untergeordnete Bedeutung. ⫺ Zu Besonderheiten der kindlichen Appendizitis s. Abschn. 10.4. Es ist besonders wichtig, dass in nicht eindeutigen Fällen der Patient wiederholt vom Erstuntersucher kontrolliert wird. Bei kleinen sowie älteren Kindern ist die Perforationsgefahr besonders groß.
Therapeutische Sofortmaßnahmen Operation in jedem Stadium. Grund: Rezidivierende, appendizitische Schübe sind häufig, die Vorhersage über den weiteren Verlauf unmöglich und die Prognose der Frühoperation optimal. Die Mahnung zur Beschränkung der Operationshäufung bezieht sich auf die Patienten mit geringem abdominellen Befund. Wiederholte kurzfristige Untersuchungen durch den Erstuntersucher dürfen jedoch nicht zur Verzögerung oder zum Aufschub der Laparotomie führen.
9.1.3 Gastrointestinale Blutungen Auftreten Gastrointestinale Blutungen können vom Ösophagus bis zum Anus auftreten. Massive intestinale Blutungen liegen dann vor, wenn zur Stabilisierung des arteriellen peripheren Blutdrucks von über 100 mm Hg und einer Pulszahl unter 100/min. und eines zentralen Venendrucks von über 2 cm Wassersäule innerhalb von wenigen Stunden mehr als 500 ml Blut
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9 Akutes Abdomen im Erwachsenenalter
transfundiert werden müssen. Die Hämatemesis ist ein charakteristisches Symptom bei Blutungen des oberen gastrointestinalen Systems (Ösophago-gastro-duodenale Blutung). Bei Blutungen jenseits des duodenojejunalen Übergangs fehlt in der Regel das Bluterbrechen. Sofortmaßnahmen 1. Behandlung des hypovolämischen Schocks durch Bluttransfusion. 2. Die Lokalisationsdiagnostik von Blutungen des oberen und unteren gastrointestinalen Systems erfolgt durch die Notfallendoskopie. 3. Kann trotz Endoskopie die Blutungsquelle nicht gefunden werden, so ist eine (zu den Reanimationsmaßnahmen parallel verlaufende) selektive Angiographie der Arteria mesenterica superior bzw. inferior indiziert. Sie ist keine zusätzliche Belastung; sie gestattet, die Blutungsquelle durch gezielte Laparotomie zu lokalisieren. 4. Bei jeder Darmblutung muss eine Hämophilie, eine iatrogene Hypokoagulopathie, eine Thrombozytopathie, Faktor XIII-Mangel und eine urämische Blutung ausgeschlossen werden. 5. Nach erfolgter Blutungslokalisation dringliche Therapie der Blutungsquelle im Magen entweder durch vasokonstriktorische Medikamente (Vasopressin 0,1⫺0,4 E/min. i. v. oder über liegenden Angiographiekatheter intraarteriell) oder operativ (s. Abschn. 9.1.4) oder durch Laserkoagulation. Blutungslokalisation ⫺ 85 % ösophago-gastro-duodenale Blutungen ⫺ 2 % Dünndarmblutungen ⫺ 13 % Dickdarmblutungen Immer eine notfallmäßige Endoskopie des oberen bzw. des unteren gastrointestinalen Systems zur Identifikation der Blutungsquelle durchführen. Dünndarmblutungen können von ⫺ gutartigen Tumoren (Hämangiome, Peutz-Jegher-Syndrom, Leiomyome, Adenome, Poyposis, Morbus Osler, Neurinome), ⫺ Dünndarmdivertikeln (Meckel’sches Divertikel), Morbus Crohn, ⫺ peptischen Jejunalulzera (Zollinger-Ellison-Syndrom) stammen. Dickdarmblutungen können von Dickdarmtumoren, von Hämorrhoidalgefäßen, Kolondivertikeln, Kolonpolypen, villösen Papillomen, Colitis ulcerosa und solitären Ulzera herrühren.
9.1 Sofortmaßnahmen bei akuten abdominellen Erscheinungsbildern
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9.1.4 Ösophago-gastro-duodenale Blutungen Leitsymptome Gezielte Untersuchungen ergeben folgende Leitsymptome: 1. Bluterbrechen: Blut immer ansehen. Blutqualität: dunkelrot-bräunlich-klumpig. Später Blut im Stuhl. 2. Fahles, blass-bleiches Aussehen: Aspekt des blutungsanämischen Schocks. 3. Blutdruck: niedrig, oft unter 100 mm Hg. Puls: tachykard, oft über 110/min. 4. Typische Anamnese: bekanntes Ulkus oder Leberzirrhose. Beachte: Bei jedem „Bluterbrechen“ muss man sich davon überzeugen, ob das Blut wirklich erbrochen worden ist oder abgehustet wurde (hellrot-schaumiges Blut; Vorkommen z. B. beim destruierenden Bronchus-Ca., bei Lungenembolie oder Lungeninfarkt). Liegt tatsächlich eine Hämatemesis vor, so kann diese von geplatzten Ösophagusvarizen, Ösophaguskarzinom, Hiatushernie, Ulcus ventriculi (blutendes Magenulkus), ulzerierendem Magenkarzinom, wobei das arrodierte Gefäß durch einen Thrombus vorübergehend verschlossen sein kann, hämorrhagisch erosiver Gastritis oder arteriosklerotischer Magenblutung herrühren (Abb. 9-2). Duodenalulkusblutungen führen
Abb. 9-2 Blutungsquellen bei Hämatemesis: (a) Ösophagusvarizen, (b) Ösophaguskarzinom, (c) paraösophageale Hernie (Hiatushernie), (d) erosive Gastritis, (e) Ulcus ventriculi, (f) Magenkarzinom, (g) arteriosklerotische Magenblutung, (h) Ulcus duodeni. Häufigste Blutungsquellen aufgrund endoskopischer Untersuchungen: Magenerosionen, Duodenalulkus, Ösophagusvarizen.
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9 Akutes Abdomen im Erwachsenenalter
selten zu Hämatemesis, sondern meist zu Meläna (blutende Duodenalulzera mit narbig verändertem und offen stehendem Pylorus können jedoch auch eine Hämatemesis verursachen!). Die aufgeführten Symptome (Abb. 9-2) sowie anamnestische Angaben sind richtungweisend.
Sofortmaßnahmen Parallel zu den diagnostischen Sofortmaßnahmen werden die therapeutischen Sofortmaßnahmen eingeleitet und durchgeführt. 1. Blutentnahme zur Bestimmung von Blutgruppe, Hämoglobin, Hämatokrit. In jedem Fall sind die Blutungszeit, die Gerinnungszeit, Prothrombin und das Gesamteiweiß initial zu bestimmen. 2. Infusion anlegen (siehe Infusionslösungen, s. Abschn. 20.3), Bluttransfusion vorbereiten und parenterale Ernährung. Zunächst Plasmaexpander, dann Blut, später Nährlösungen zur parenteralen Ernährung. Hinsichtlich des Blutverlustes muss eine Substitutionstherapie durchgeführt werden, Flüssigkeit und Elektrolytbedarf müssen im Rahmen einer parenteralen Ernährung gesetzt werden. Entleerung und Absaugung des bluterfüllten und atonischen Magens; Einlegen einer Magensonde. 3. Intensivüberwachung, Kreislaufkontrolle, Schocktherapie. Beobachtungsblatt anlegen und Kontrolle von Pulsfrequenz, Blutdruckamplitude; Kontrolle von Hämoglobin, Hämatokrit in größeren Zeitabständen. Bei Ösophagus- und Fundusvarizenblutungen wird an Stelle des Ballontubus nach Sengstaken-Blakemore die Linton-Sonde eingelegt (Abb. 9-3), deren birnenförmiger, aufblasbarer Anteil der Konfiguration des proximalen Magenanteils entspricht und konisch in den distalen Ösophagusabschnitt hineinragt; durch Füllung des birnenförmigen Ballons und Zug an der durch die Nase geschobenen Sonde kann die akute Blutung gestillt werden. Indikation zur Operation Wenn die technischen Voraussetzungen vorhanden sind: notfallmäßige Endoskopie vor jeder Operation.
9.1 Sofortmaßnahmen bei akuten abdominellen Erscheinungsbildern
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Abb. 9-3 Ballonsonde. Links: Linton-Nachlas-Sonde; rechts: Sengstaken-Blakemore-Sonde (aus: Pschyrembel“, Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter, Berlin, 2004).
⫺ Wenn der Patient trotz initialer konservativer Therapie weiter massiv blutet, der Blutdruck niedrig und der Puls hoch bleibt (⫽ unstillbare Blutung trotz Infusion von drei Konserven Blut). ⫺ Beim Nachweis von Perforationen und Blutung aus Tumoren. ⫺ Bei Patienten mit bekanntem Ulkus, das bereits mehrmals konservativ behandelt wurde. Als operative Maßnahmen kommen in Frage: ⫺ Bei Ösophagusvarizen: endoskopische Ösophagusvarizensklerosierung, transthorakale Ösophagusvarizenumstechung. Doppelblock mit dem Stapler, Magenquerstapelung und Magenvenenligatur. ⫺ Bei Blutungen aus peptischen Ulzera und stressbedingten gastroduodenalen Läsionen: bei unstillbarer Magenblutung eine Resektion bzw. eine lokale Blutstillung mit einer selektiven Vagotomie. ⫺ Bei Duodenalblutungen: lokale Blutstillung mit selektiver Vagotomie und Pyloroplastik, gelegentlich auch eine Resektion.
9.1.5 Magen- und Duodenalperforationen Ursachen Ursache von Magen- oder Duodenalperforationen sind peptisch verursachte Läsionen bei akutem oder chronischem Ulkusleiden. Bei Kindern sind Perforationen häufig die Folge von Kortikoidapplikationen (z. B. bei Leukämien). Die Perforationsstelle findet sich häufig an der Vorderwand in Pylorusnähe.
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9 Akutes Abdomen im Erwachsenenalter
Leitsymptome, nach denen gesucht werden muss 1. Schmerztyp: Stechender, bohrender, akut einsetzender Schmerz, wie aus heiterem Himmel, ohne Prodromi, im Epigastrium lokalisiert. 2. Bekannte Ulkusanamnese (vor allem chronisch rezidivierendes Ulkus), oft bei Männern zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr, oder Anamnese, die auf ein Stressulkus schließen lässt. 3. Trockene Zunge. 4. Facies hippocratica (halonierte Augen, weiße, spitze Nase), Kollaps, Schocksymptomatik. 5. Erbrechen, Stuhl- und Windverhaltung. 6. Bretthartes Abdomen mit umschriebener Druckdolenz im Epigastrium, Einziehung des Oberbauches, Darmatonie. 7. Zunächst Bradykardie durch Vagusreiz. 8. Perkutorisch und röntgenologisch freie Luftblase zwischen Leber und Diaphragma (deutliche Luftsichel, Abb. 9-4).
Abb. 9-4 Schematische Darstellung von freier Luft (Luftsichel) im Abdomen (subphrenisch).
Sofortmaßnahmen Der Nachweis von freier Luft im Abdomen macht immer eine sofortige Laparotomie notwendig. 1. Magenschlauch einlegen und absaugen. 2. Keine orale Nahrungszufuhr. 3. Röntgen-Abdomenleeraufnahme im Liegen (seitlich, links) und Stehen zur Beurteilung von freier Luft im Abdomen (s. o.). 4. Sofortige Vorbereitung des Patienten zur Operation, Laborroutineuntersuchungen, vor allem Blutgruppe, Hämoglobin, Hämatokrit, Elektrolyte durchführen. Kreislaufkontrolle, bei älteren Patienten immer EKG anfertigen lassen. Eine Operation innerhalb der ersten 6 Stunden ist anzustreben. 5. Laparotomie.
9.1 Sofortmaßnahmen bei akuten abdominellen Erscheinungsbildern
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Operationsmethoden: Ulkusexzision und Übernähung der Perforationsstelle (mit und ohne Vagotomie), distale 2⁄3-Resektion, bei Duodenalperforation Übernähung mit Pyloroplastik und selektive Vagotomie. Exakte Säuberung des Abdomens zur Vermeidung von subphrenischen Abszessen, Schlingenabszessen, Douglas-Abszessen und Peritonitis. Intraabdominelle, 1⫺2 Drainagen einlegen.
9.1.6 Gallenkolik Vorkommen Die Gallenkolik kommt bei Gallenwegserkrankungen unterschiedlicher Genese vor (Abb. 9-5, 9-6). Etwa 25 % der Patienten mit Cholezystolithiasis weisen auch Steine im Gallengang auf. Diagnostik Eine Differenzierung zwischen Entzündungsprozess und Steinerkrankung ist im Hinblick auf die einzuschlagende Therapie notwendig.
Abb. 9-5 Cholelithiasis: Komplikationen (gestrichelte Linie: Gallenblasenhydrops; gezackte Linie: Schrumpfgallenblase). (a) Zystikusverschluss; (b) Mirizzi-Syndrom; (c) Papillenstein mit Schrumpfgallenblase; (d) Hepatikusgabelstein; (e) Perforation ins Duodenum, Möglichkeit eines Gallensteinileus; (f) Perforation in die Flexura coli dextra.
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9 Akutes Abdomen im Erwachsenenalter
Abb. 9-6 Ursachen von Gallenkoliken: (a) eingeklemmter Stein im Choledochus, Zystikus, Gallenblasenhals und Hepatikus; (b) Cholezystitis ohne Steinbildung; (c) Papillenstenose; (d) Spasmus des Musculus sphinkter Oddi; (e) Cholezystitis und nicht-steinbedingte Entleerungsstörung im KollumZystikus-Bereich.
1. Differentialblutbild, Senkung, Leberfermente, Enzymbestimmungen für Abflusshindernisse (alkalische Phosphatase, Leucinaminopeptidase, Gammaglutamyl-Transferase), Bilirubin, Gerinnungsfaktoren, Eiweiß, erhöhte Gamma-GT, erhöhte alkalische Phosphatase, erhöhte Transaminasen, Hyperamylasämie bei begleitender biliärer Pankreatitis, Hyperlipasämie bei begleitender biliärer Pankreatitis, Urinstatus. 2. Cholangiographie; d. h. endoskopische retrograde Cholangio-Pankreatikographie (ERCP). 3. Abdomenübersichtsaufnahme (Konkremente, Aerobilie). 4. Perkutane, transhepatische Kontrastdarstellung der Gallengänge (Cholangiographie, PTC). 5. Endosonographie und abdominelle Sonographie sowie Computertomographie. 6. ERCP. 7. Differentialdiagnose des posthepatischen Ikterus: ⫺ Choledochuslithiasis ⫺ Choledochuskompression (Mirizzi Syndrom, Tumore mit schmerzlosem Verschlussikterus, Pankreatitis) ⫺ Cholangitis (Leitsymptom Charcot Trias: Schüttelfrost mit Fieber, Ikterus, rechtsseitiger Oberbauchschmerz) Beachte: Mirizzi-Syndrom. Ein inkarzerierter Cystikusstein kann den ductus choleducus komprimieren und dann sekundär zu einem Abflusshindernis führen.
9.1 Sofortmaßnahmen bei akuten abdominellen Erscheinungsbildern
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Leitsymptome 1. Akut einsetzende, schwere, krampfartige, kolikartige Schmerzen im Hypochondrium dextrum und auch in der Regio epigastrica. Schüttelfrost. Ausstrahlung der Schmerzen in die rechte Brust, rechte Schulter und in die rechte Rückenpartie (Abb. 9-7).
Abb. 9-7 Hauptschmerz und Schmerzausstrahlung bei Cholelithiasis und Cholezystitis.
2. Brechreiz, Erbrechen, oft gallig. Erbrechen bringt im Gegensatz zum Ulkuserbrechen keine Erleichterung. 3. Patienten liegen auf der rechten Seite, sie vermeiden tiefe Inspiration. Fieber über 39 ∞C. Schüttelfrost. 4. Stuhl oft hell (Urobilinogengehalt vermindert), Urin bierbraunschaumig (Bilirubin im Urin). 5. Patienten können ikterisch sein. 6. Umschriebene Druckdolenz in der Gallenblasengegend (rechtes Hypochondrium am Rektusrand) und lokale Abwehrspannung. 7. Unterschiedliche Ausprägung der Zeichen der akuten Gallenblasenentzündung und des prähepatischen Ikterus sowie der sialangiogenen Pankreatitis. 8. Meteorismus infolge reflektorischer Darmparalyse, Nahrungsunverträglichkeit. 9. Meist Frauen mit typischer Gallenanamnese oder bereits sonographisch diagnostizierter Cholelithiasis betroffen. Beachte: Sind diese Beschwerden kombiniert mit Rückenschmerzen, linksseitigen Bauchschmerzen und einer Schocksymptomatik, so sind dies Zeichen für eine Begleitpankreatitis.
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9 Akutes Abdomen im Erwachsenenalter
Sofortmaßnahmen 1. Schmerzbeseitigung z. B. durch ⫺ Tramadol-ratiopharm“ i. v. (im Bedarfsfall wiederholen) oder ⫺ Paracetamol-ratiopharm“. 2. Blutentnahmen für Routineuntersuchungen wie Blutbild, Hämoglobin, Hämatokrit, alkalische Phosphatase, Fe, Elektrophorese, Bilirubin, Gesamteiweiß, Leberfunktionsproben, Transaminasen, Elektrolyte, Diastase, Quickwert, Urinstatus, Urinuntersuchung auf Diastase. 3. Temperatur messen; erster Anfall oft fieberfrei, später febril, da nun eine Cholezystitis vorhanden ist; eine Cholangitis verursacht Schüttelfrost mit hohem Fieber. 4. Zunächst parenterale Flüssigkeitszufuhr mit Zusatzampullen von Spasmolytika. Bei starkem Brechreiz vorübergehend parenterale Ernährung. 5. Stuhlentleerung durch Einlauf regulieren. 6. Röntgen-Leeraufnahme des Abdomens (Steine z. T. röntgenologisch erkennbar), i. v. Cholezystogramm. Endoskopische Untersuchung des galleableitenden Systems. 7. Sonographie des Abdomens. Indikation zur Operation Die häufigste Indikation zum Primäreingriff der Gallenwege ist das Gallensteinleiden. ⫺ Freie oder gedeckte Perforation in die Bauchhöhle oder den Dünndarm (Häufigkeit 1⫺3 % beim Steinleiden, Letalität ca. 30 %). ⫺ Kompletter Verschlussikterus. ⫺ Erweiterte Gallengänge, Papillenstenose. ⫺ Cholezystitis mit sekundärer Pankreatitis, Empyem, Hydrops. ⫺ Verdacht auf Gallenblasenkarzinom. ⫺ Choledocholithiasis, auch bei Beschwerdearmut, da eine Cholangitis, eine biliäre Zirrhose, eine biliäre Pankreatitis oder eine Sepsis entstehen können. Beachte: Bei älteren Patienten kann es durch arteriosklerotische Wandveränderungen der Arteria cystica zu ischämischen Nekrosen mit Perforation der Gallenblase in die freie Bauchhöhle und diffuser galliger Peritonitis kommen.
9.1 Sofortmaßnahmen bei akuten abdominellen Erscheinungsbildern
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Bei Perforation und anschließender Penetration des Gallensteins in den Darm kann ein Obturationsileus entstehen. Nichtoperative Methoden der Gallensteinbehandlung: ⫺ endoskopische Papillotomie und Steinextraktion, ⫺ medikamentöse Gallensteinauflösung (Chenodesoxycholsäure und Urodesoxycholsäure), ⫺ lokale Applikation von tertiärem Methyl-Butyl-Äther (MTBE) in die Gallenblase durch Punktion und Auflösen der cholesterinhaltigen Gallensteine, ⫺ Stoßwellenlithotrypsie.
9.1.7 Akute Pankreatitis Beachte: Differenzierung der akuten Pankreatitis in die seröse, eitrige, nekrotisierende und hämorrhagische Form!
Differentialdiagnostisch wichtige Leitsymptome 1. Heftige, schlagartig einsetzende Schmerzen meist im linken Epigastrium und linken Oberbauch mit Ausstrahlung in die linke Flanke, gürtelförmig, in die linke Rückenpartie und in die linke Schultergegend ausstrahlend (Abb. 9-8). 2. Oligämischer Schockzustand und Kreislaufversagen bei akuter Pankreasnekrose, bedingt durch Trypsin und Kallikrein im Blut (frequenter schlechter Puls, anfangs niedrige Temperatur).
Abb. 9-8 Hauptschmerz und Schmerzausstrahlung bei Pankreatitis.
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9 Akutes Abdomen im Erwachsenenalter
3. Meteorismus und kissenartige Vorwölbung des Magens, paralytischer Darm, abgeschwächte bis aufgehobene Darmgeräusche, geringe Bauchdeckenspannung. 4. Übelkeit und Erbrechen: Singultus. 5. Patienten bevorzugen aufrechte gegenüber liegender Körperhaltung. 6. Diastasewerte im Blut und Urin erhöht (Normalwert bis 2700 U/l): α-Amylase und Lipase im Blut und Urin erhöht; Fehlen der erhöhten α-Amylase- und Lipasewerte spricht nicht gegen eine Pankreatitis! Leukozytose, Blutzucker erhöht, Hypokalzämie, Lactatdehydrogenase (LDH) erhöht und SGOT erhöht. Zur Beurteilung der Prognose eignet sich der Ranson-Index: Alter, Laborwerte initial und nach 48 Stunden), Einlagerung von Ca in den Fettgewebsnekrosen. 7. Meist bei Frauen vorkommend. 8. 95 % der Fälle sind mit Cholezystitis oder Cholethiasis gepaart. 9. Thoraxübersichtsaufnahme zeigt häufig linksbasal einen Pleuraerguss. Beachte: Diagnosestellung durch klinischen Befund, Laborbefunde, Röntgenübersichtsaufnahmen, CT, Spiral-CT und Kontakt-CT.
Sofortmaßnahmen 1. Vor Anlegen der Infusion Blutentnahme für Blutbild, Hämoglobin, Hämatokrit, α-Amylase und Lipase, Elektrolyte, Eiweiß, Harnstoff, Blutzucker. 2. Spasmolytika und Analgetika: z. B. Tramadol-ratiopharm“ i. v. (1 Ampulle in 3⫺4 Minuten). 3. Nahrungs- und Flüssigkeitskarenz und Einleitung einer Infusionstherapie mit vorübergehender parenteraler Ernährung. Flüssigkeitsmenge ca. 2⫺3 l/d; wenn nötig Kreislaufmittel. 4. Im Schockgeschehen kann das Pankreas sowohl Schockorgan als auch ursächlicher Faktor für ein ablaufendes Schockgeschehen sein. 5. Glucagen“ hemmt die basale und stimulierte Magen- und Pankreassekretion sowie die motorische Darmfunktion und empfiehlt sich daher zur Unterstützung der organruhigstellenden Maßnahmen. Aufgrund dieser symptomatischen Wirkung ist eine schnellere Schmerzlinderung mit Senkung des Serum-Amylasespiegels zu beobachten. 6. Absaugen von Magen- und Duodenalsekret durch Duodenalsonde. 7. Lokale Wärmeapplikation.
9.1 Sofortmaßnahmen bei akuten abdominellen Erscheinungsbildern
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8. Hemmung der Pankreassekretion durch Parasympathikolytika wie Atropin, alle 6 Stunden ½⫺1 mg s. c. Atropin hemmt zwar die Sekretion, nicht jedoch die Enzymsynthese, so dass es möglicherweise zu einer unerwünschten Enzymanschoppung im Pankreas kommen kann. Indikation zur Operation Laparotomie bei der hämorrhagisch nekrotisierenden Pankreatitis mit Teil- oder Totalnekrose. Diagnosestellung durch klinischen Befund, Laborbefund, Sonographie und Computertomogramm. Klinische Zeichen, entscheidend: „Verschlechterung des Allgemeinzustandes trotz Intensivtherapie“, besonders bei: ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Schocksymptomatik, Sepsis, Pankreasnekrosen, Enzephalopathie, Oligo-, Anurie sowie Niereninsuffizienz, intestinaler Blutung, pleuro-pulmonalen Komplikationen, therapieresistentem paralytischem Ileus.
Laborbefunde, ergänzend: ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Hypokalzämie (unter 2 mM/l), Azidose, Hyperglykämie (über 200 mg %), Anstieg der Leberenzyme, Hyperbilirubinämie, Leukozytose (mehr als 15 000/mm3).
Jede sialoangiogen bedingte Pankreatitis bzw. jeder Pankreasabszess sollte nach Ablauf des Schockstadiums im Intervall operativ behandelt werden. Bei Pankreaspseudozysten sollte man zunächst, unter engmaschiger klinischer und sonographischer Kontrolle, ca. 6⫺8 Wochen abwarten. Operative Maßnahmen Bei Eingriffen in den ersten Tagen nach Beginn der Symptomatik: ⫺ Nekrosektomie oder Sequesterentfernung ⫹ Drainage oder Pankreasloge oder segmentale bis subtotale Linksresektion ⫹ Drainage der Pankreasloge,
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9 Akutes Abdomen im Erwachsenenalter
⫺ nur in Ausnahmefällen: Duodenopankreatektomie. Bei Eingriffen ab 1 Woche nach Beginn der Symptomatik (sek. Komplikationen): ⫺ Nekrosektomie oder Sequesterentfernung oder Teilresektionen ⫹ Drainage (Pankreasloge oder erweitert) ⫹ Cholezystektomie und TDrainage des Choledochus, ⫺ nur im Ausnahmefall: transduodenale Papillotomie.
9.1.8 Nierenkolik 80⫺90 % aller Harnleitersteine gehen spontan ab.
Leitsymptome 1. Charakteristischer Schmerztyp, der wehenartig ist und von der Leistengegend und vom Angulus costovertebralis in die Leistengegend ausstrahlt (Abb. 9-9). 2. Übelkeit und Erbrechen, Brechdurchfall bei Kindern. 3. Aufgetriebener Leib, reflektorische Darmparalyse. 4. Umschriebene Druck- und Klopfschmerzhaftigkeit über der betreffenden Nierenloge. 5. Dysurie: erschwertes Harnlassen. 6. Hämaturie (Tab. 9-1).
Abb. 9-9 Hauptschmerz und Schmerzausstrahlung bei Nierenkolik.
9.1 Sofortmaßnahmen bei akuten abdominellen Erscheinungsbildern
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Tab. 9-1 Einteilung und Ursachen der Makrohämaturie nach Hauri und Jaeger (aus: Pschyrembel“, Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter, Berlin, 2004). Form
Ursache
initiale Makrohämaturie
Prozess in der Urethra (Tumor, Entzündung, Stein, Striktur, Manipulation) Prozess in Prostata oder Samenblasen (Hyperplasie, Malignom, Entzündung, Manipulation) Prozess im Trigonum oder Blasenhals (Tumor, Entzündung)
terminale Makrohämaturie totale Makrohämaturie
sog. essentielle Makrohämaturie
Erkrankung von Niere, Harnleiter, Blase oder Prostata (Entzündung, Tumor, Stein, Embolie, Trauma) Arzneimittel (Antikoagulanzien, Zytostatika, Goldpräparate, Quecksilber) hämatologische Erkrankung Manipulation sog. Jogger-Makrohämaturie (Joggen mit leerer Blase) intrarenale Blutung bei kongenitalen Zystennieren keine diagnostizierbare Ursache (ca. 5 %)
Besonders zu beachten: Nierensteinträger müssen auf einen Hyperparathyreoidismus mit Hyperkalziämie, Parathormonerhöhung, Phosphaterhöhung, alkalischer Phosphataseerhöhung untersucht werden. Gegebenenfalls ist eine Röntgenuntersuchung beider Hände und beider Schultereckgelenke notwendig, wenn die alkalische Phosphatase erhöht ist und Knochenveränderungen durch eine renale Osteopathie eingetreten sind. Ultraschall beider Nieren, Röntgenleeraufnahmen.
Sofortmaßnahmen Man geht zunächst immer konservativ vor! 1. Im Anfall Spasmolytika geben, z. B.: ⫺ BS-ratiopharm“ Injektionslösung, ⫺ Tramadol-ratiopharm“ i. v. (1 Ampulle in 3⫺4 min). Tabletten, Tropfen und Supp. sind bei der akuten schweren Kolik völlig wirkungslos! 2. Lokale Wärmeapplikation.
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9 Akutes Abdomen im Erwachsenenalter
3. Hohe Einläufe bei Stuhl- und Windverhaltung zur Darmentleerung und Peristaltikanregung. 4. Reichlich Flüssigkeitszufuhr, auch Bier, morgens und abends 1000 ml in 20⫺30 min trinken lassen. 5. In allen Fällen Abdomen-Leeraufnahme zur Beurteilung von Form, Lage, Größe des Steins. Neben den rö-positiven Steinen gibt es auch rö-negative Steine wie Uratsteine und Zystinsteine. 6. Rasch folgende Laboruntersuchungen durchführen: Bestimmung von Ca, Phosphat, sauerer und alkalischer Phosphatase, Rest-N, Blutbild, Urinstatus, Harnsäurebestimmung im Serum nach Heilmeyer und Krebs, Marschprobe Sukowitsch-Probe. Urin sieben. 7. I. v.-Pyelogramm zur Beurteilung des Nierenbinnensystems, des Verlaufs und der Dicke des Ureters, der Lokalisation des Konkrementes und der Nierenfunktion. 8. Versuch, den röntgenologisch festgestellten Stein auszutreiben (Stein kann hierbei höchstens 5 mm im Durchmesser betragen). 9. Lässt sich trotz dieser konservativen Maßnahmen der Stein nicht abtreiben, Zystoskopie durchführen und Versuch, mit der ZeissSchlinge den Stein zum Abgang zu induzieren bzw. zu extrahieren. Beachte: Bei rezidiverender Urolithiasis muß ein primärer Hyperparathyreoidismus ausgeschlossen werden (Untersuchungen im Serum: Gesamtkalzium, alkalische Phosphatase, anorganische Phosphor, Kreatinin, Gesamteiweiß, Elektrophorese, Parathonbestimmungen bei Ca⫹⫹-Werten über 5,3 mval/l). Absolute Indikation zur Operation eines Nieren- bzw. Harnleitersteins 1. Nierenbeckensteine, die aufgrund ihrer Größe (über ca. 5 mm) nicht abgangsfähig sind. Andernfalls Gefahr einer Schrumpfniere durch Infekte oder durch Pyonephrose. Kelchsteine brauchen bei Beschwerdefreiheit nicht operiert werden. 2. Harnsperre, durch einen nicht abgangsfähigen Harnleiterstein verursacht (meist über 5 mm Durchmesser). Im oberen und mittleren Drittel des Harnleiters zum Stillstand gekommene Steine gehen spontan meist nicht ab. Durch zu langes Warten kann es zu schweren Koliken und akuten Pyelonephritiden kommen. 3. Steinhaltige Ureterozelen. Operationstechniken 1. Spontan gehen in der Regel glatte, unter 5 mm große Konkremente ab.
9.1 Sofortmaßnahmen bei akuten abdominellen Erscheinungsbildern
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2. Stoßwellenlithotrypsie: Voraussetzung ist, dass kein Abflusshindernis existiert. 3. Instrumentell transurethrale Steinextraktion, Extraktion mit der Schlinge oder temporäre Schlingenbehandlung: kantige, nicht abgangsfähige Steine im distalen Ureter (meist über 5 mm im Durchmesser). 4. Operative Steinentfernung: Wenn die Schlinge sich nicht am Stein vorbeischieben lässt oder die Schlingenextraktion nicht geglückt ist.
9.1.9 Mesenterialinfarkt Leitsymptome Bei Patienten im mittleren Alter ist die Ursache des arteriellen Verschlusses meist eine Embolie. Bei älteren Patienten mit arteriosklerotischen Gefäßveränderungen liegt meist ein thrombotischer Verschluss vor. 1. Akuter, schlagartiger Beginn, kolikartiger sich wiederholender Schmerz, Meteorismus, Abwehrspannung des Abdomens, diffuse Peritonitis. 2. Schockzustand, Leukozytose. 3. Abdomenübersichtsaufnahme: Spiegelbildungen. 4. Notfallaparoskopie: blau verfärbte Dünndarmschlingen. Ursache ist ein akuter oder subaktuer Verschluss der Arteria mesenterica superior mit nachfolgender Ischämie und Darmnekrose. Sofortmaßnahmen Entscheidend ist die rechtzeitige Laparotomie im Frühstadium. In diesen Fällen Embolektomie aus dem Hauptstamm der Arteria mesenterica superior. Liegt jedoch bereits ein Infarkt mit Darmischämie vor, so ist dieser Darmabschnitt zu resezieren. Bei größeren durchblutungsgestörten Darmabschnitten kann nach erfolgtem Embolektomieversuch das Abdomen wieder verschlossen werden und nach 12 Stunden eine „Second-look“-Operation durchgeführt werden, wobei dann die definitive Darmresektion erfolgt. Intraoperativ soll heparinisiert werden: 5000 I. E. Heparin-ratiopharm“ und 500 ml Expafusin“. Im Spätstadium bei Dünndarminfarkt erfolgt eine Resektion und End-zu-End-Anastomose. Die Mesenterialvenenthrombose ist meist die Folge von Infektionen im Abdomen oder bei einem venösen Stau. Je früher hier die Indikation
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9 Akutes Abdomen im Erwachsenenalter
zur Laparotomie mit Thrombektomie gestellt wird, umso seltener muss eine ausgedehnte Darmresektion durchgeführt werden.
9.1.10 Ileus Ileussymptomatik 1. 2. 3. 4.
Erbrechen, Stuhl- und Windverhaltung, geblähtes, vorgewölbtes Abdomen, Auskultation: ⫺ klingende Darmgeräusche (mechanisches Hindernis), ⫺ keine Darmgeräusche (Peritonitis, (Abb. 9-10), 5. Spiegelbildungen bei Abdomenübersichtsaufnahme im Stehen oder Seitenlagerung.
Abb. 9-10 Ablauf einer Entzündungsreaktion (aus: Pschyrembel“, Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter, Berlin, 2004).
9.1 Sofortmaßnahmen bei akuten abdominellen Erscheinungsbildern
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Diagnostische Sofortmaßnahmen Merke: ⫺ Ein Ileus bei älteren und nicht früher laparotomierten Patienten ist in den meisten Fällen ein obstruierender Darmtumor (zu 70 % Dickdarmileus). ⫺ Ein Ileus bei bereits laparotomierten Patienten ist in den meisten Fällen ein Bridenileus (zu 80 % Dünndarmileus). Folgende Fragen müssen bei jedem fraglichen Ileus geklärt werden: 1. Hat der Patient einen Ileus? 2. Handelt es sich um einen Dickdarm- oder einen Dünndarmileus? 3. Liegt ein paralytischer oder ein mechanischer Ileus vor? Zu 1.: ⫺ Anamnese, ⫺ Auskultation, ⫺ Röntgenuntersuchung, ⫺ Sonographie, ⫺ CT. Zu 2.: ⫺ Röntgenuntersuchung (Abdomenleeraufnahme oder Gastrografineinlauf), Tab. 9-2 Signifikanz der Röntgenuntersuchung beim Ileus. Technik
Zweck
1. Abdomenübersichtsaufnahme im Stehen oder in linker Seitenlage
Bewertung von Gas- und Flüssigkeitsgehalt im Dünn- und Dickdarm, Spiegel, stehende Schlingen, freie Luft unter dem Zwerchfell Lokalisation des Stops
2. bei sehr hohen Verschlüssen: Kontrastmitteldarstellung mit wässrigen, resorbierbaren Kontrastmitteln 3. bei tiefsitzendem (Dickdarm) Verschluss: Kolonkontrasteinlauf 4. bei vaskulären Formen: Angiographie? (wegen des Zeitaufwandes von fragwürdigem Vorteil)
Lokalisation des Hindernisses Nachweis und Lokalisation eines arteriellen Verschlusses
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9 Akutes Abdomen im Erwachsenenalter
Tab. 9-3 Schematische Einteilung der verschiedenen Ileusformen. Ileusform
Einteilung
Ursachen
Okklusionsileus
Obturation
Kotstauung, Gallensteinileus des unteren Dünndarms Darmkarzinom oder Striktur extraintestinaler Druck auf das Darmlumen (z. B. Tumor, Lymphknotenvergrößerungen, Verwachsungen usw.) Einklemmung an entzündlich und postoperativ bedingten Verwachsungen und Strangbildungen, Einklemmung an Peritonealausbuchtungen (z. B. Recessus ileocaecalis, Recessus duodenojejunalis Brucheinklemmung: ⫺ elastische Einklemmung ⫺ Koteinklemmung Sonderformen der äußeren Inkarzeration: ⫺ Darmwandbruch Littre’sche Hernie) ⫺ retrograde Inkarzeration ⫺ properitoneale Inkarzeration durch Pseudoreposition abnorme Beweglichkeit der betreffenden Dünndarmschlinge mit Drehung um die Achse des Mesenterialstiels bei konnataler, ungenügender Anhaftung des Mesenteriums (Mesenterium commune, Caecum mobile) Ileus des Kleinkindes und Säuglings durch Dissoziation der Darmperistaltik oder durch morphologische Darmwandveränderungen (Polypen, eingestülpte Meckel’sche Divertikel)
Stenose Kompression
Strangulationsileus innere Inkarzeration
äußere Inkarzeration
Volvulus
Invagination
paralytischer Ileus
Peritonitis ⫺ lokalisiert ⫺ diffus toxische Darmparalyse reflektorische Darmparalyse
Infektionskrankheiten stumpfes Bauchtrauma, intraabdominelle oder retroperitoneale Blutung, Nierenoder Uretersteinkoliken Mesenterialvenenthrombose, Mesenterialarterienembolie. Hypokaliämie
Mesenterialgefäßstörungen Elektrolytstörungen spastischer Ileus Bleivergiftungen medikamentöser Zytostatika Ileus
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⫺ Endoskopie von rektal, ⫺ CT. Zu 3.: ⫺ Anamnese, ⫺ Röntgenuntersuchung, ⫺ Laboruntersuchungen (Blutbild), ⫺ Auskultation. Über den Aussagewert der Röntgenuntersuchung orientiert Tab. 9-2. Therapeutische Sofortmaßnahmen Die Kenntnis der verschiedenen Ileusformen, ihre Genese sowie die für die einzelnen Typen charakteristische Symptomatik ist Voraussetzung für eine adäquate Therapie (Abb. 9-11, Tab. 9-3). Die Letalität beim Ileus ist direkt proportional zur Dauer des Ileus.
Abb. 9-11 Stenosierende Dickdarmkarzinome bei älteren Patienten (nach Bünte).
Ziel der Behandlung ist es, ⫺ die normale Darmtätigkeit schnellstmöglich wieder herzustellen, ⫺ gestauten Darminhalt zu entfernen, ⫺ Störungen des Elektrolythaushaltes zu beseitigen. Häufigkeit der Ileusursachen (Bünte): Briden/Adhäsionen Hernien Tumore Invagination/Volvulus
30 % 25 % 15 % 10 %
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9 Akutes Abdomen im Erwachsenenalter
entzündliche Erkrankungen Gallensteine/Fremdkörper vaskuläre Ursachen Rest
5% 5% 1% 4%
Initiale Maßnahmen vor der Operation (Vorbereitung) Nach anamnestischer Orientierung und genauer Untersuchung (immer sämtliche Bruchpforten nach eingeklemmten Hernien untersuchen!) unverzüglich folgendermaßen vorgehen: 1. Sofort Magenschlauch einlegen und absaugen. 2. Röntgen-Leeraufnahme im Stehen und im Liegen. 3. Blutabnahme für Blutbild, Elektrolyte, Eiweiß, Harnstoff, Blutgruppe, Urinstatus, EKG vor allem bei älteren Patienten. 4. Über die gleiche Nadel initiale Infusionstherapie. Später Elektrolytlösungen und Ausgleich von Elektrolytstörungen (Tutofusin“). 5. Können entzündliche Ileusursachen (Appendicitis perforata, Divertikulitis etc.) ausgeschlossen werden, so werden hohe Einläufe mit 0,9 % Kochsalzlösung und Gastrografin“ durchgeführt. 6. Fortführen der klinischen Untersuchung (Palpation, Perkussion, Auskultation) des Abdomens, kardiale Untersuchung und endgültige Beurteilung des klinischen Falls unter Einbeziehung des Röntgenbildes und der Laborbefunde. Weiteres Vorgehen Das weitere Vorgehen richtet sich nach dem jeweiligen Vorliegen der Ileusform (Abb. 9-12). Operatives Vorgehen ist indiziert: 1. bei allen Formen des mechanischen Ileus einschließlich eingeklemmter bzw. nicht reponierbarer Hernien (wenn Zeichen einer Inkarzeration vorhanden sind, soll von einem Repositionsversuch im allgemeinen abgesehen werden), möglichst bald Operation und Beseitigung der Ursache der Darmunwegsamkeit, 2. bei paralytischem Ileus infolge Peritonitis, Revision der Peritonitisquelle, 3. bei Gallensteinileus.
9.1 Sofortmaßnahmen bei akuten abdominellen Erscheinungsbildern
163
Abb. 9-12 Ileusursachen, Operationsindikation (nach Bünte).
Beachte: Beim Strangulationsileus und beim vaskulären Ileus (Mesenterialinfarkt) mit stärksten abdominellen Schmerzen muss der operative Eingriff vordringlich als notfallchirurgischer Eingriff durchgeführt werden. Infusionstherapie und Maßnahmen zum Ausgleich von Elektrolytstörungen laufen parallel zum chirurgischen Eingriff. Die Letalität hängt sehr wesentlich vom Operationszeitpunkt ab.
Konservatives Vorgehen ist indiziert: 1. bei nicht hochgradigem Ileus (partieller Ileus); Versuch zunächst mit Reinigungseinlauf. Operation, wenn die Ileussymptomatik nicht zurückgeht, 2. bei paralytischem Ileus, wenn es sich nicht um eine Peritonitis, Blutung oder Cholaskos handelt, 3. bei Peritonealkarzinose. Der Erstuntersucher muss den Patienten wiederholt kontrollieren. Das weitere konservative Vorgehen umfasst: ⫺ Magenschlauch einlegen, falls nicht schon durchgeführt; Absaugen.
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9 Akutes Abdomen im Erwachsenenalter
⫺ Infusionstherapie (Infusionslösungen Baxter). Parenterale Ernährung solange, bis die Darmmotorik wieder in Gang kommt, Applikation von Prostigmin alle 4 Stunden 1⫺2 Ampullen. ⫺ Kreislaufüberwachung. ⫺ Genaue Flüssigkeitsbilanz durchführen (Einfuhr/Ausfuhr). Wichtig ist die ausgiebige Diurese (über 1000 ml) zur Toxinausschwemmung; Unterstützung durch Diuretika. ⫺ Antibiotika bei Peritonitis, z. B. Ampicillin-ratiopharm“ oder Cephalospor-ratiopharm“. ⫺ Ferner: täglich 2000 mg Vitamin C-ratiopharm“. ⫺ Schmerzbekämpfung (Tramadol-ratiopharm“). ⫺ Atemgymnastik, Inhalationen und Expektorantien.
9.2 Stumpfes Bauchtrauma 9.2.1 Sofortmaßnahmen Bei jedem Patienten, der mit einem stumpfen Bauchtrauma oder einem stumpfen Thoraxtrauma in die Poliklinik eingeliefert wird, muss wie in Abb. 9-13 dargestellt vorgegangen werden.
Abb. 9-13 Überblick über zielgerichtetes Vorgehen bei stumpfem Bauch- und Thoraxtrauma.
9.2.2 Technik der Bauchspülung Die Bauchspülung, Ultraschall oder CT können zum Ausschluss einer intraabdominellen Blutung bei jedem stumpfen Bauchtrauma mit ent-
9.2 Stumpfes Bauchtrauma
165
sprechender Symptomatik durchzuführt werden. Man verwendet hierzu ein Bauchspülset. 1. Blasenkatheter: Blase muss vorher durch den Katheter entleert sein. 2. Desinfektion unterhalb des Nabels mit Braunol-ratiopharm“, Abdecken mit Klinidrape OP-System. Absolut steriles Vorgehen, auch wenn Eile geboten ist: Mundschutz, Kopfbedeckung, OP-Schürze, OP-Handschuhe (Peha-Taft). 3. 1 cm große Inzision mit dem Stichskalpell, 1⫺2 cm unterhalb des Nabels im Bereich der Linea alba. 4. Inzision des Subkutangewebes bis auf die derbe Faszie. Der mit dem Trokar bestückte Spülschlauch wird dann durch die Faszie in die Bauchhöhle mit schräger kaudaler Richtung vorgeschoben. 5. Zurückziehen des Trokars und Vorschieben des Spülschlauches; steigt daraufhin Blut in den Spülschlauch, ist eine sofortige Laparotomie indiziert. In allen anderen Fällen erfolgt eine Instillation und Spülung der Bauchhöhle mit (Tutofusin“) 300 ml bei Kindern unter 3 Jahren, 500 ml bei Kindern zwischen 3 und 10 Jahren, 1000 ml bei älteren Kindern und Erwachsenen. Verlässlichkeit 98,5 % bei 600 Bauchspülungen. Alternativen bzw. ergänzende oder substituierende Untersuchungen sind abdominelle Sonographie und CT-Untersuchungen.
9.2.3 Operationsindikation 1. Eindeutiger abdomineller Befund (Organrupturen mit oder ohne wesentlichem Blutverlust). 2. Unklarer abdomineller Befund (nicht auszuschließender Verdacht auf intraabdominelle Organverletzungen). 3. Nicht beherrschbarer Schock (intraabdominelle Blutung). Maßnahmen zur Stilllegung schwerer Blutungen haben je nach Organlokalisation bei Mehrfachverletzungen den Vorrang; Dringlichkeitsstufe zur Versorgung von Extremitätenverletzungen ist zweitrangig. Die vier Kardinalfragen bei jedem stumpfen Bauchtrauma: 1. Befindet sich der Patient in einem Schock? (allgemein körperlicher Befund) 2. Besteht ein akutes Abdomen? (allgemeiner Bauchbefund) 3. Welches Organ bzw. welche Organe sind verletzt? (spezieller Bauchbefund)
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9 Akutes Abdomen im Erwachsenenalter
4. Liegt eine Kombinationsverletzungen mit anderen Organen vor (Schädel, Thorax, Extremitäten)? Exakte Klärung dieser Fragen führt zur richtigen Diagnose und der entsprechenden Therapie (4 % aller Verletzungen sind Kombinationsverletzungen).
9.2.4 Allgemeine Sofortmaßnahmen (Intensivüberwachung) 1. Sofortige, gezielte Orientierung über Kreislauf (Blutdruck, Puls), Atmung, Bewusstseinslage, Pupillen-Motorik und lokales abdominelles Zustandsbild. Suche nach perforierenden Verletzungen. 2. Schockprophylaxe und Therapie je nach Schwere des Falles einleiten; gegebenenfalls Venae sectio, Infusionstherapie (Tutofusin“, Expafusin“). 3. Vor Anlegen der Infusion Blutentnahme für Blutgruppenbestimmung. Blutbild, Harnstoff, Eiweiß, Elektrolyte, Transaminasen und Amylase (erhöht bei Leber- und Pankreasverletzungen); Blut zur Transfusion testen lassen. 4. Bei Ateminsuffizienz und Aspirationsgefahr Trendelenburg’sche Lagerung, Antiaspirationsstellung, Absaugmöglichkeit bereithalten, Atemwege freimachen und freihalten, O2-Zufuhr. Möglichkeit eines stumpfen Thoraxtraumas in Betracht ziehen! Nach Einleiten dieser vitalen Sofortmaßnahmen Überprüfung der Indikationen zur sofortigen Laparotomie (Ergebnis der Bauchspülung). Ist dies nicht der Fall, weiter ausführliche Diagnostik, Fortsetzung der Schockbekämpfung und Überwachung der Atmung. 5. Absaugen von Magen- und Darminhalt durch Sonde. 6. Abdomen-Leeraufnahme im Stehen. 7. Katheter in die Blase einlegen und ⫺ Kontrolle des Urinstatus (Schnelltest Boehringer) sowie ⫺ Messung der Urinmenge. Genaue Flüssigkeitsbilanz anlegen! 8. Wiederholte Überprüfung des lokalen, örtlichen Befundes: ⫺ Schmerzlokalisation, ⫺ Bauchdeckenspannung, ⫺ Darmgeräusche, ⫺ Flankendämpfung, ⫺ rektale Untersuchung. Erneute Überprüfung der Indikation zur Laparotomie.
9.2 Stumpfes Bauchtrauma
167
Bauchdeckenumfangsmessung als Kriterium für eine intraabdominelle Blutung und somit als Indikation zur Laparotomie ist völlig unzureichend, da verwertbare Ergebnisse erst bei massiven intraabdominellen Blutungen vorliegen, durch welche die Verletzten bereits in eine äußerst lebensbedrohliche Situation geraten sind. 9. Fortlaufende Kreislaufkontrolle bei schockierten und nicht-schockierten Patienten. In den ersten 24 Stunden zunächst mindestens stündlich. 10. Milde Sedativa und Analgetika verabreichen, keine Opiate!
9.2.5 Intraabdominelle Organläsionen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Milzruptur Leberruptur Verletzungen der Niere Verletzungen des Pankreas Zwerchfellriss Blasenruptur, infravesikale Verletzungen Ruptur des Magens Verletzungen des Darms Ruptur eines Aneurysmas der Aorta abdominalis, Mesenterialabriss
Vorbemerkung zu den einzelnen Krankheitsbildern: Da die Diagnose einzelner oder kombinierter Organläsionen oft sehr schwierig sein kann, sind im Folgenden einige in dieser Hinsicht aufschlussreiche diagnostische Details angeführt.
9.2.6 Milzruptur Entstehung und Diagnostik 1. Stumpfes Bauchtrauma mit Gewalteinwirkung von links, oft ohne sichtbare Hautverletzung. Nur ein Teil aller Milzrupturen sind mit Rippenfrakturen vergesellschaftet. 2. Zeichen des Blutungsschocks, peritoneale Reizung, Absinken des zentralen Venendrucks, Muskelde´fense, Schmerzhaftigkeit in der linken Flanke und der linken Schulter; linksseitige Flankendämpfung richtet sich nach dem Tempo des Blutverlustes. 3. Verschiebliche Dämpfung durch flüssiges Blut und palpables Hämatom nur bei ganz gravierenden Fällen; meist Spätsymptom. 4. Röntgenbild im Stehen zeigt linksseitigen Zwerchfellhochstand (Paralyse), Verlagerung der Magenblase nach rechts (Zukschwerdt-Kemm-
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9 Akutes Abdomen im Erwachsenenalter
ler’sches Zeichen bei Beckenhochlagerung), Fehlen von Psoas- und Nierenschatten. Das Fehlen von subphrenischen Luftsicheln erlaubt den Ausschluss einer gleichzeitigen Magen-Darm-Perforation. 5. Darmparalyse. 6. Sehr hohe Leukozytose. Indikation zur Operation Entscheidend ist die positive Bauchspülung. Die unter den Punkten 1⫺6 aufgeführten Symptome und Hinweise dürfen nicht abgewertet werden. Entscheidend ist die frühzeitige Laparotomie oder Laparoskopie. Es darf nicht gewartet werden, bis der Blutungsschock eintritt. Immer mehrere Venen freihalten und Blut literweise testen lassen und bereithalten. Jeder nicht widerlegte Verdacht auf derartige Organläsionen stellt ein absolutes Postulat zur sofortigen Laparotomie dar. Die rupturierte Milz beim Erwachsenen macht immer eine Milzexstiration nötig. Bei Kindern unter 6 Jahren kann bei kleinen oberflächlichen Rupturen eine Gewebeklebung vorgenommen werden. Bei tieferen Verletzungen ist aber auch hier die Exstirpation der Milz vorzunehmen oder eine partielle Milzexstirpation vorzunehmen. Auch die Replantation von Milzgewebe retroperitoneal oder in das Omentum maius ist möglich und führt innerhalb von 6⫺12 Monaten zu einem für die Abwehrsituation des Körpers suffizienten Milzparenchym. Daraus bilden sich dann suffiziente Nebenmilzen. Prophylaktische Antibiotikagaben sind nicht notwendig. Die Gefahr einer tödlichen Sepsis ist bei diesem Vorgehen bei Kindern nicht gegeben. Sonderform der Milzruptur Sonderform ist die zweizeitige Ruptur (Häufigkeit 6 :1). Dabei kann ⫺ eine echte Ruptur der Milz vorliegen; die Blutung kann aber spontan zum Stillstand kommen und das perilienale Hämatom durch Nachbarorgane abgekapselt werden. Erst sekundär kommt es zu einer Blutung aus der Milzwunde und zum Bersten des Hämatoms. ⫺ ein Trauma mit Parenchymriss und subkapsulärem Hämatom vorliegen. Blutung in die freie Bauchhöhle findet nicht statt. Großer Milztumor palpabel. Erst sekundär kann es dann zu einer Perforation der Milzkapsel und zu einer Blutung in die freie Bauchhöhle kommen. Etwa 75 % dieser zweizeitigen Milzrupturen treten innerhalb der ersten 14 Tage auf.
9.2 Stumpfes Bauchtrauma
169
9.2.7 Traumatische Schädigung des Magens 1. Verletzungsschock, bei Gefäßrupturen Blutungsschock und peritoneale Reizerscheinungen. 2. Blutiges Erbrechen. 3. Röntgenbefund: Bei Magenperforationen Luftsichel im subphrenischen Raum rechts oder links oder beidseits. Gastrografininstillation zur Beurteilung einer Perforation. 4. Man muss immer an mehrere Läsionen der Magenwand und Mitzverletzung von Nachbarorganen (Kombinationstyp) denken: Verletzungen von Lig. Gastroduodenale, hepatocolicum, heatogastricum, gastrocolicum, hepatoduodenale, der Milz, der Leber, des Pankreas und des Darms. Indikation zur Operation bei klinisch-röntgenologischem Verdacht oder Hinweis auf Ruptur. Beachte: Genaue Inspektion der Magenhinterwand durch Eröffnen der Bursa omentalis.
Abb. 9-14 Folgen traumatischer Verletzungen des Magens.
9.2.8 Traumatische Verletzungen des Dünndarms Einteilung 1. Abquetschung des Duodenums (Abb. 9-15a), das unverschieblich ist und gegen das feste Widerlager der Wirbelsäule gepresst wird. Bei jeder Laparotomie wegen eines stumpfen Bauchtraumas muss das
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9 Akutes Abdomen im Erwachsenenalter
Abb. 9-15 (a) Abquetschung des Duodenums. (b) Berstungsruptur des Dünndarms mit retroperitonealer Ruptur oder Blutung. (c) Darmprolaps in Locum minoris resistentiae. 1: Inguinalhernie, 2: Femoralhernie, 3: Nabelhernie, 4: Hiatushernie, 5: Larrey’sche Hernie. (d) Abriss des Mesenteriums und der Mesenterialgefäße vom Darm bei Einwirkung von stumpfer Gewalt auf das Abdomen.
9.2 Stumpfes Bauchtrauma
171
Duodenum nach Kocher mobilisiert werden, um eine retroperitoneale Duodenalruptur auszuschließen. 2. Berstungsruptur des Darms (Abb. 9-15b), vor allem dann, wenn gefüllte Darmschlingen durch ein lokales Trauma getroffen werden, wobei der Darminhalt nicht so schnell entweichen kann. 3. Darmprolaps in Locum minoris resistentiae (Abb. 9-15c). 4. Abriss des Mesenteriums vom Darm (Abb. 9-15d) oder Abreißen des Darms an Stellen, an denen ein fixierter Darmabschnitt an einen frei beweglichen grenzt (z. B. Flexura duodenojejunalis), bei tangentialer Gewalteinwirkung. Charakteristische Symptomatik der einzelnen Zustandsbilder 1. Abquetschung des Duodenums: ⫺ umschriebene Druck- und Klopfschmerzhaftigkeit im Hypochondrium dextrum. ⫺ Verletzungsschock. ⫺ Pulsverlangsamung infolge von Vagusreiz. ⫺ Reflektorische Darmparalyse. 2. Berstungsruptur des Darms: ⫺ Verletzungsschock, Blutungsschock. ⫺ Rektaler Befund ergibt oft eine druckschmerzhafte Vorwölbung im Douglas. ⫺ diffuse Abwehrspannung der Bauchdecken (paralytischer Ileus). ⫺ röntgenologisch sichtbare subdiaphragmale Luftsichel. 3. Darmprolaps in Locum minoris resistentiae: ⫺ sichtbare Vorwölbung als Rektushernie, Nabelhernie, Inguinalhernie, Femoralhernie. ⫺ Risse im Bereich des Diaphragmas mit nachfolgendem Darmprolaps zeigen sich erst später. 4. Abreißen des Mesenteriums vom Darm: ⫺ Verletzungsschock, Blutungsschock. ⫺ rektaler Befund: vorgewölbter und schmerzhafter Douglas-Raum. ⫺ diffuse Abwehrspannung der Bauchdecken (Peritonitis, paralytischer Ileus). ⫺ röntgenologisch sichtbare Luftsichel. ⫺ trotz Bluttransfusion Zustandsbild des Schocks. ⫺ Flankendämpfung. Indikation zur Operation 1. bei klinischem und röntgenologischem Verdacht auf Berstungsruptur des Darmes,
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9 Akutes Abdomen im Erwachsenenalter
2. bei nicht reponierbarem Eingeweideprolaps an prädisponierten Stellen, 3. bei klinischem Verdacht auf Mesenterialriss. Beachte: 1. Besonders ist auf Mesenterialeinrisse mit Gefäßverletzungen zu achten. Ischämische Darmabschnitte sind mit zu resezieren. 2. Eine häufige, nicht erkannte Organläsion ist (neben Pankreasverletzungen) die retroperitoneale Duodenalruptur. Bei jeder Laparotomie wegen eines stumpfen Bauchtraumas stets Mobilisation des Duodenums und Inspektion der Duodenalrückwand (Ödem, gallige Verfärbung, Luftblase im Gewebe). 3. Intramurales Duodenalhämatom, das zu einer Obturation des Darmlumens führen kann (besonders bei Kindern); Entlastung durch Inzision der Serosa.
9.2.9 Traumatische Verletzungen des Dickdarms Entstehung und Diagnostik 1. Etwa 3 % aller stumpfen Bauchtraumen führen zu isolierten Kolonverletzungen, wobei der Entstehungsmechanismus analog dem bei Dünndarmverletzungen ist: Quetschungs- bzw. Berstungsläsion. 2. Da ein ziemlich großer Dickdarmabschnitt dem Retroperitoneum angehört, kommt es bei derartigen Verletzungen mit Austritt vom Dickdarminhalt zur Ausbildung einer diffusen Peritonitis, u. U. zu einer retroperitonealen Eiterung und zu Kotphlegmonen. 3. Immer die Möglichkeit einer zweizeitigen Darmruptur nach stumpfem Bauchtrauma im Auge behalten. Durch das Trauma auf einen leeren Dickdarmabschnitt gegen die Wirbelsäule als Widerlager entsteht zunächst eine Wandschädigung mit umschriebener Nekrose und späterer Perforation. 4. Diagnostisch verwertbar ist die Röntgen-Leeraufnahme im Stehen, die bei Darmruptur eine subphrenische Gasansammlung zeigt. Der rektale Gastrografin“-Einlauf und das Röntgenbild in zwei Ebenen ergeben ebenfalls eine sehr zuverlässige Aussage über eine perforierende Darmverletzung. 5. Eine weitere wichtige und zuverlässige diagnostische Methode ist die Koloskopie.
9.2 Stumpfes Bauchtrauma
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Indikation zur Operation 1. Glattrandige Stichverletzungen oder Rupturen: primäre Naht oder Resektion ohne Anus praeter, wenn die Operation unmittelbar im Anschluss an den Unfall durchgeführt wird. 2. Bei Verletzungen, die länger zurückliegen: Resektion von desquamiertem Gewebe bis zu vitalen Darmabschnitten und Vorlagerung dieses Darmabschnittes (doppelläufiger Anus praeter). Einlegen von zwei bis drei Robinson-Drainagen in das Abdomen.
9.2.10 Traumatische Verletzungen des Pankreas Diagnostik Bei jedem stumpfen Bauchtrauma und erfolgter Laparotomie ist die Bursa omentalis (Abb. 9-16) zu öffnen und das Pankreas genau zu inspizieren. Typische Verletzungen sind partielle oder totale Rupturen des Pankreas in Höhe der Wirbelsäule. Das Pankreas muss in jedem Fall abgetastet werden, da nur so eine Ruptur sicher festgestellt werden kann. Wird eine Pankreasverletzung nicht diagnostiziert, so entwickelt sich innerhalb kurzer Zeit eine Pankreatitis mit Fettgewebsnekrosen, Sequestration, Abszessen und Pseudozysten. Die Pankreasruptur ist die häufigste übersehene Organverletzung im Abdomen. Operationsindikation 1. Bei kompletten Rupturen erfolgt die Resektion des Pankreasschwanzes und Übernähung des proximalen Teils. Ist der Pankreasschwanz bei kompletter Ruptur nicht kontusioniert oder verletzt, so kann man eine organerhaltende Operation durchführen im Sinn einer Roux’schen Y-Anastomose mit Drainage des Pankreasschwanzes über eine ausgeschaltete Dünndarmschlinge. Dadurch bleiben dem Patienten die Insulinreserven erhalten (Schwemmle, Grabner). 2. Bei Kapsel- und oberflächlichen Parenchymeinrissen ohne Gangverletzung und Gefäßläsion erfolgt lokal eine Übernähung mit Netzdeckung (Abb. 9-16). 3. In beiden Fällen wird das Abdomen (Bursa) mit ein bis zwei Robinson-Drainagen entlastet. Die Abb. 9-17 gibt eine Übersicht über die verschiedenen traumatischen Pankreasläsionen.
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9 Akutes Abdomen im Erwachsenenalter
Abb. 9-16 Bursa omentalis: anatomische Verhältnisse. B. o.: Bursa omentalis: L: Leber; Ma: Magen; Mi: Milz; N: Niere mit Nebenniere; P: Pankreas; A: Aorta abdominalis; V. c.: Vena cava inferior; gestrichelte Linien: Peritoneum (aus: Waldeyer, Anatomie des Menschen, Walter de Gruyter, Berlin, 2003).
Abb. 9-17 Formen der Pankreasverletzungen.
9.2 Stumpfes Bauchtrauma
175
Beachte: Die Unversehrtheit des Pankreasganges ist der Parameter, der das chirurgische Vorgehen bestimmt. Jede Gangverletzung macht eine Resektionsbehandlung (bzw. Y-Anastomose) notwendig. Im Zweifelsfall intraoperativ endoskopische Gangdarstellung. Bei jedem stumpfen Bauchtrauma müssen immer die Amylase und die Lipase bestimmt werden, die bereits nach 12 Stunden eine signifikanten Anstieg zeigen.
9.2.11 Traumatische Verletzungen der Leber Einteilung Im Wesentlichen kommen folgende Verletzungsmöglichkeiten in Betracht: ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Kapselrisse, subkapsuläres Hämatom, Parenchymrisse, zentrale Rupturen.
Diagnostik Allgemein zur Diagnostik bei traumatischen Leberläsionen verwertbare klinische Zeichen: 1. Bauchspülung positiv. 2. Zeichen des Verletzungs- und Blutungsschocks. 3. Ein- oder beidseitiger Schulterschmerz (besonders bei diaphragmanahen Verletzungen), nicht verwertbar bei Thoraxverletzungen. 4. Örtlicher Druckschmerz, peritoneale Reizerscheinungen mit Zwerchfellhochstand und -stillstand besonders bei subphrenischen Blutungen. Vergrößerung der Leberdämpfung. Man beachte, dass auch flächenhafte Blutergüsse in tieferen Bauchdeckenschichten eine innere Blutung überlagern bzw. ein akutes Abdomen durch schmerzbedingte Abwehrspannung vortäuschen können. 5. Bradykardie durch Übertritt von Galle ins Blut bzw. durch Resorption von Galle aus der Bauchhöhle. 6. Anstieg der Leukozyten über 15 000. 7. Singultus, Ikterus durch Übertritt von Galle ins Blut bzw. durch Resorption von Galle aus der Bauchhöhle.
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9 Akutes Abdomen im Erwachsenenalter
8. Transaminasenanstieg bei stumpfem Bauchtrauma deutet auf eine Verletzung des Leberparenchyms hin. 9. CT-Untersuchungen. Man beachte weiter: 10. Oft kommt es zu Leberrupturen nach einem stumpfen Bauchtrauma ohne äußerlich sichtbare Hautkontusionsmarken, oft geht aber ein typisches Unfallereignis voraus: Sturz oder Stoß nach vorne bei Autounfällen mit rechtsseitiger Quetschung. Beim Anprall der Leber gegen den knöchernen Thorax oder gegen die Wirbelsäule kommt es zu einem Contrecoup, bei Sturz aus großer Höhe zu Zugwirkungen am Ligamentum teres hepatis. Der Grund für die leichte Verletzbarkeit der Leber liegt in der geringen Elastizität und Kompressibilität und in der fehlenden Ausweichmöglichkeit. 11. Man achte bei einem stumpfen Bauchtrauma mit traumatischer Leberläsion auf folgende Kombinationsverletzungen: ⫺ Thoraxverletzungen zu 30⫺40 %, ⫺ Magenverletzungen zu ca. 24 %, ⫺ Nierenverletzungen zu ca. 10 %, ⫺ Rest übrige Organe. 7/8 aller Leberverletzungen treten bei Autounfällen bzw. Verkehrsunfällen auf. 12. Kinder mit innerer Blutung haben innerhalb der ersten 24 Stunden schon eine Temperatur von 38⫺39 ∞C. Beim Erwachsenen gehen die peritonealen Reizerscheinungen oft im Verletzungsschock unter. 13. Bei allen stumpfen Bauchtraumen muss, besonders bei Kindern, bei akuter Verschlechterung nach einem Intervall der Besserung an eine zweiseitige Ruptur eines subkapsulären Hämatoms der Leber gedacht werden. In allen Fällen ist an eine Pankreasrupturn zu denken. Indikation zur Operation Diese ist nach wiederholten klinischen Untersuchungen und eventuell wiederholter Bauchspülung auch bei geringstem Verdacht auf Leberruptur unverzüglich zu stellen. Versorgung der Blutungsquellen 1. Tamponade/Kompressen. 2. Abklemmen der Pfortader/Arteria hepatica im Ligamentum hepatoduodenale (Ischämietoleranz 20⫺40 min).
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3. Bei Blutungen aus zentralen Lebervenen oder Vena cava inferior: intrakavaler Shunt (intrakavale Schienung) mit anschließender Gefäßversorgung. Dadurch ist die endgültige Blutungsstillung durch Naht (Ligatur oder Rekonstruktion) oder Resektion möglich. Versorgung der Leberparenchymverletzung 1. Entfernung von devitalisiertem Gewebe; typische Segmentresektionen sind nicht erforderlich. 2. Resektionsflächen werden dann mit Matrazennähten (Vicryl 2⫺0) adaptiert und gegen Blut- und Galleaustritt mit Gewebekleber abgesichert. 3. Blutet es dennoch arteriell weiter: selektive Ligatur der Arteria hepatica sinistra oder dextra.
9.2.12 Ruptur eines Aortenaneurysmas bzw. arterielle Blutung in die Bauchhöhle ⫺ Leitsymptome 1. Tastbarer abdomineller Tumor. 2. Auskulatation: pulssynchrones Rauschen und Schwirren. 3. Ultraschall: Größe und Ausdehnung des Aneurysmas lassen sich damit feststellen. 4. Röntgenbild: schalenförmige Verkalkungen in der Aneurysmawand 5. CT-Untersuchungen. 6. Klinisch: abdominelle Schmerzen, Schockzustand insbesondere beim gedeckt rupturierten Aortenaneurysma. Nur bei sofortiger Indikationsstellung zur Operation kann der Patient gerettet werden. Diese Blutungen, nach vorausgegangenem stumpfen Bauchtrauma, besonders aus Aneurysmen der Aorta meistens infrarenal, führen meist innerhalb kurzer Zeit infolge des akuten Blutungsschocks zum Tode, da der Zeitraum vom Unfallort zur Klinik für ein erfolgreiches therapeutisches Eingreifen meist zu lang ist. Besteht noch Hoffnung (bei gedeckter Ruptur mit Blutung in das Retroperitoneum), den Patienten aus dem Blutungsschock zu befreien, sofort Laparotomie und Bluttransfusionen von verschiedenen Venen aus. Analog zum klinischen Verlauf dazu sind Rupturen der thorakalen Aorta und Blutungen aus posttraumatischen Aneurysmen. Die Wiederherstellung der Gefäßkontinuität erfolgt nach atriofemoraler Blutumleitung und Heparinisierung durch direkte Naht (End-zu-End-Anastomosierung der Arterienstümpfe) oder durch Implantation von Kunststoffprothesen (Gore-Tex“-Prothese).
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9 Akutes Abdomen im Erwachsenenalter
9.2.13 Nierenruptur Diagnose Entscheidend sind die Anamnese, der Unfallmechanismus, die abdominelle Sonographie, der Urinbefund sowie das Ergebnis der CT-Untersuchung. Infolge stumpfer Gewalteinwirkung auf die seitliche Bauchwand, die seitliche Rückenpartie oder den Mittelbauch kommt es neben äußerlich sichtbaren Hautschürfmarken zu traumatisch bedingten Nierenläsionen. Die drei Grundtypen der Nierenverletzungen zeigt Abb. 9-18.
Abb. 9-18 Verschiedene Formen der Nierenverletzungen. (a) Einriss des Nierenparenchyms ohne Verletzung des Hohlraumsystems. (b) Nierenparenchymruptur und Blutung in das Hohlraumsystem. (c) Nierenparenchymruptur mit Kommunikation in das Hohlraumsystem und perirenalem Hämatom. In 85 % der Fälle sind weitere Organe mitverletzt.
Leitsymptome 1. Einriss des Nierenparenchyms ohne Verletzung des Hohlraumsystems (meist mit perirenalem Hämatom) mit folgender Leitsymptomatik: ⫺ keine Hämaturie, ⫺ Flankenschmerz, Flankenschwellung, ⫺ Psoassyndrom, ⫺ peritoneale Zeichen, ⫺ Zunahme der Flankendämpfung. Beachte: Fehlende Hämaturie ist kein sicheres Zeichen für isolierte Nierenparenchymläsion, da es u. U. zu Ureter- oder Nierenstielabrissen kommen kann; ferner kann durch Verstopfung des Harnleiters mit Blutkoagula eine Blutung ins Hohlraumsystem nicht in Erscheinung treten.
9.2 Stumpfes Bauchtrauma
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2. Nierenparenchymruptur mit Blutung ins Hohlraumsystem. Charakteristisch ist, neben unter 1. bereits genannten Symptomen, die ausgeprägte Hämaturie. Einschränkung siehe oben. Genaue Kreislaufüberwachung notwendig. 3. Nierenparenchymruptur mit perirenalem Hämatom und Kommunikation der Blutungsquelle mit dem Hohlraumsystem. Charakteristische Leitsymptome: ⫺ Hämaturie, ⫺ Blutungsschock, ⫺ Flankenschmerz, positiver lumbaler Klopfschmerz, Flankenschwellung, Zunahme der Flankendämpfung, ⫺ peritoneale Zeichen, ⫺ Psoassyndrom. Vor jeder Operation 1. Wiederholte Kontrolle des Patienten, genaue Markierung der Dämpfungslinie, Kontrolle des Kreislaufes, Laboruntersuchungen. 2. Abdomenleeraufnahme, i. v. Pyelogramm (Infusionsurogramm), gegebenenfalls ein Aortogramm. Die Röntgendiagnose gibt Aufschluss über ⫺ Seitenlokalisation, ⫺ Ausmaß der Verletzung, ⫺ Nachweis einer funktionstüchtigen zweiten Niere. 3. Zystoskopie (Blutung aus den Organen), Urethro-Zystographie bei Verdacht auf Verletzungen der unteren Harnwege; keine diagnostische Katheterisierung wegen weiterer Verletzungsgefahr und fehlender Möglichkeit eindeutiger Diagnosestellung. Indikation zur Operation 1. Nicht beherrschbarer protrahierter Schock (eine hypovolämisch bedingte Schocksymptomatik findet man bei isolierter Nierenruptur selten. Ein Blutungsschock spricht somit für eine zusätzliche intraabdominelle oder intrathorakale Verletzung). 2. Kontrastmittelextravasate im Urogramm und Angiogramm. 3. Fehlende Kontrastmittelausscheidung der verletzten Nieren. Funktionsausfälle von Nierenabschnitten, pathologische Gefäßabbrüche. 4. Unstillbare Makrohämaturie. 5. Posttraumatischer paranephritischer Abszess oder Phlegmone.
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9 Akutes Abdomen im Erwachsenenalter
Vorgehen bei traumatischen Nierenläsionen Verletzung der Niere
Therapie konservativ exspektativ
Kontusion intrarenale Ruptur subkapsuläres Hämatom Einriss mit Hämatom Querruptur ohne Eröffnung Querruptur mit Eröffnung des Hohlsystems Gefäßverletzung Stielabriss Zertrümmerung Nekrose
⫻ ⫻ ⫻ ⫻
Therapie operativ Naht ⫹ Drainage
⫻ ⫻
Rekonstruktion
Nephrektomie
⫻ ⫻
⫻ ⫻ ⫻
9.2.14 Blasenverletzungen Blasenrupturen entstehen meist bei stumpfer äußerer Gewalteinwirkung auf den Unterleib, meist verbunden mit Beckenbrüchen. Man unterscheidet: 1. Extraperitoneale Blasenruptur. Durch Urinaustritt in den retropubischen Raum und in die Dammgegend kann sich eine Urinphlegmone ausbilden. Das Skrotalödem ist die Folge eines Urininfiltrats in der Skrotalgegend. Gelengtlich beobachtet man auch ein suprasymphysär lokalisiertes Urininfiltrat. 2. Intraperitoneale Blasenruptur. Dabei kommt es zur Ausbildung eines Ergusses im Abdomen, Darmatonie, Meteorismus und zu einer beginnenden Peritonitis. Die Schocksymptome bei intraperitonealer Ruptur sind ausgeprägter als bei extraperitonealer Ruptur. 3. Geschlossene Blasenverletzungen. (Kontusion, inkomplette Ruptur) neben dem Verletzungsschock zunächst mit einem starken Harndrang ohne Entleerung, später mit Ausscheidung sanguinolenter Uringmengen einher. Hauptgefahren der offenen und geschlossenen Blasenverletzungen sind: ⫺ Beckenphlegmone (extraperitoneale Ruptur), ⫺ Peritonitis, ⫺ Urämie (intraperitoneale Ruptur).
9.2 Stumpfes Bauchtrauma
181
Sobald der geringste klinische Verdacht, vor allem bei vorhandenen Beckenfrakturen, auf eine derartige Läsion gegeben ist, sollte sofort die Indikation zur Operation erfolgen: ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
suprapubische Ableitung, Entleerung des Hämatoms, Versorgung der Blasenwunde, Drainage des Cavum Retzii, Gewährleistung der Harnableitung .
Beachte: Kombinationsverletzungen: Harnröhre, Blase.
9.2.15 Verletzungen der Harnröhre Einteilung Man unterscheidet hier: ⫺ Offene Verletzungen (penile Harnröhre). ⫺ Geschlossene Verletzungen. Sie betreffen am häufigsten die perineale und membranöse Harnröhre, aber auch die intrapelvine, supradiaphragmale Harnröhre. Diagnostik ⫺ Beim stumpfen Bauchtrauma kann man durch die Ausscheidungsorgane gelegentlich einen Abriss einzelner Nierenanteile erkennen. Die fehlende Ausscheidung einer Niere lässt bei entsprechendem klinischem Verdacht an den Abriss einer Niere am Nierenstiel denken. Die gezielte Aortographie wird in diesem Fall zur Sicherung der Diagnose beitragen. ⫺ Bei Verletzungen der Schambeinäste und der Symphyse ist immer primär an Harnröhrenverletzungen zu denken und nach ihren Symptomen zu suchen. ⫺ Die Diagnose der Harnröhrenverletzung erfolgt durch Untersuchung des Spontanurins (nie des Katheterurins) und durch die röntgenologische Darstellung der Harnröhre vom Ostium her. Die Urethrographie erfolgt nach Injektion von Urografin in die Harnröhre und in die Blase, in Seitenlagerung des Patienten. Dabei lässt sich die Harnröhre in ihrer gesamten Ausdehnung darstellen und zeigt Kontinuitätsunterbrechungen.
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9 Akutes Abdomen im Erwachsenenalter
⫺ Bei Verdacht auf Verletzungen der Blase wird in analoger Weise verfahren und nach Kontrastmittelaustritten im Blasenbereich gefahndet. ⫺ Die Therapie der Urethralverletzungen besteht in der suprapubischen Harnableitung und der transvesikalen Schienung der Harnröhre mit Hilfe eines Ballonkatheters durch die verletzte Harnröhre nach außen. ⫺ Durch Zug an diesem Ballonkatheter werden die beiden Harnröhrenstümpfe so einander angenähert, dass eine spontane Heilung meist ohne narbige Striktur erfolgt. Therapeutische Maßnahmen Dringlich sind immer die Gewährleistung der Harnableitung und die Drainage von Extravasaten und Hämatomen. Bei offenen Verletzungen ist die operative Korrektur des verletzten Corpus cavernosum sofort indiziert. Bei geschlossenen Verletzungen der Harnröhre wird heute die primäre Versorgung oder Einleitung rekonstruktiver Maßnahmen angestrebt. Grundsätzlich sollte keine zirkuläre Harnröhrennaht durchgeführt werden, die rekonstruierte Harnröhre sollte durch einen Ballonkatheter geschient und die Blase suprapubisch entlastet werden. Indikationen zum jeweiligen Vorgehen 1. Perinealer oder bulbärer Harnröhrenabriss: ⫺ Zugang vom Damm her, ⫺ hemizirkuläre Adaption, ⫺ Versenkung der geschlitzten Harnröhrenstümpfe nach Michalowski/Modelski oder Johanson-Plastik. 2. Membranöse Harnröhrenruptur: ⫺ hemizirkuläre Adaptationsnaht bei liegendem Katheter, ⫺ suprapubische Ableitung, ⫺ nahtlose Adaptation der Stümpfe durch Silikonkatheter unter Zug, ⫺ Zugang vom Damm her. 3. Intrapelviner Harnröhrenabriss: ⫺ Stumpfadaptation durch Katheter unter Zug mit wenig Adaptationsnähten, ⫺ Zugang vom retrosymphysären Raum her. 4. Ruptur der Harnröhre am Blasenhals: ⫺ direkte Naht über dem Katheter.
9.2 Stumpfes Bauchtrauma
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Beachte: Vorteile der suprapubischen Ableitung bei gleichzeitiger Schienung der readaptierten Urethra bei allen Harnröhrenverletzungen: 1. Entlastung der verletzten Harnröhre, 2. Vermeidung lokaler Infektionen durch Extravasate, 3. komplikationslose Wundheilung bei geringer Strikturausbildung.
9.2.16 Zwerchfellriss Voraussetzung für eine Ruptur des Diaphragmas ist ein stumpfes Trauma mit Kompression von Thorax oder Abdomen. Die exakte Diagnose ist nur bei Eingeweideprolaps möglich. Man beachte, dass man Trauma und diagnostiziertem Prolaps oft ein jahrelanges Intervall bestehen kann. Pulmonale Symptome sind unterschiedlich stark, je nach Größe der Eventration von Baucheingeweiden in den Thorax: ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Atemnot, atemsynchroner Schmerz, Schonung der betroffenen Seite bei den Atemexkursionen, Lageveränderungen des Herzens und des Mediastinums mit venöser Rückflussstauung zum Herzen, kompensatorische Tachykardie, Lungenatelektase, schwerer Schockzustand, retrosternales Druckgefühl,
Gastroinestinale Störungen gehen mit Brechreiz, Erbrechen, kolikartigen Oberbauchbeschwerden und ileusartigen Zustandsbildern einher. Das zuverlässige diagnostische Untersuchungsverfahren besteht in: 1. Röntgenübersichtsaufnahmen des Thorax im Stehen mit Zwerchfellhochstand und Luftblasen im Thorax, 2. Gastrografininstillation über die Magensonde und Kontrastdarstellung von Intestinum in der rechten und linken Thoraxhälfte, 3. Zwerchfellbeweglichkeit unter Röntgenkontrolldurchleuchtung (eingeschränkt, paradoxe Beweglichkeit). Beachte: Bei intraabdomineller Drucksteigerung kommt es meist zur Berstung der Zwerchfellkuppe, bei intrathorakaler Drucksteigerung
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9 Akutes Abdomen im Erwachsenenalter
zum Abriss der Muskelansätze des Diaphragmas an den Rippen (Pars costalis, Pars umbilicalis). Fast ausschließlich erfolgt der Muskelabriss im Bereich der linken Ansatzstelle (80⫺90 %), da auf der rechten Seite die Leber eine schützende Funktion ausübt. In den meisten Fällen ist die Ruptur des Diaphragmas eine Teilläsion im Rahmen einer Mehrfachverletzung, die je nach dem Unfallmechanismus mehr das Abdomen oder den Thorax betrifft. Bei einem Polytrauma ist das Zwerchfell in 1⫺5 % der Fälle mitverletzt.
Indikation zur Operation Die Indikation zur Operation ist in allen Fällen gegeben (dringliche Operationsindikation), bei denen die Diagnose einer Zwerchfellruptur feststeht und bei denen eine Eventration des Intestinums in den Thorax vorliegt und sekundär Anzeichen einer pulmonalen und kardinalen Dekompression auftreten. Der Verschluss des Zwerchfells erfolgt von abdominell durch direkte Naht. 90 % aller stumpfen Bauchtraumen im Kindesalter werden durch Verkehrsunfälle oder Stürze verursacht. Jungen sind zweimal so häufig betroffen wie Mädchen. Bei der Verletzung intraabdomineller Organe sind Milz, Leber, Pankreas und Niere am häufigsten betroffen. Wichtig ist die Fahndung nach Mehrfachverletzung; jedes zweite Kind, das stationär behandelt werden muss, ist davon betroffen, wobei Thorax, Extremitäten und Zentralnervensystem gleich häufig in Mitleidenschaft gezogen sind.
9.3 Dringliche Hämorrhoidektomie 9.3.1 Leitsymptome Schmerzhafte inkarzerierte, z. T. prolabierte Hämorrhoidalknoten. Lokal kann Anästhesinsalbe 20 %ig oder Hämorrhoidalsalbe-ratiopharm“ appliziert werden.
9.3.2 Therapie Dringliche Hämorrhoidektomie: Dabei wird in Narkose in Steinschnittlage zunächst eine Sphinkterdehnung durchgeführt. Dann erfolgt das Anklemmen des Hämorrhoidalknotens. Es erfolgt eine V-förmige Um-
9.4 Gynäkologische Erkrankungen
185
schneidung des hämorrhoidalen Pfeilers (meist bei 2, 7 und 11 Uhr). Das Haut-Schleimhaut-Areal mit dem Knoten wird dann en bloc von der Unterlage (Sphinktermuskulatur) abpräpariert. An der Basis des exzidierten Schleimhautareals, in Höhe der Linea dentata, erfolgt dann eine Durchstichligatur der hier verlaufenden Gefäße mit Vicryl 2/0. Analog wird bei 7 und 11 Uhr vorgegangen.
9.4 Gynäkologische Erkrankungen 9.4.1 Einteilung Von den gynäkologischen Erkrankungen, die das Bild eines akuten Abdomens bieten, kommen in Frage: 1. 2. 3. 4. 5.
Adnexentzündungen, Parametritis, Tubarabort, Tubarruptur, Stieldrehung eines Ovarialtumors.
9.4.2 Adnexentzündungen Entstehung ⫺ Aszendierend über Vagina/Uterus, ⫺ von der Umgebung her (z. B. Appendizitis), ⫺ hämatogen. In 95 % der Fälle beginnt die Erkrankung als Eileiterentzündung (Salpingitis). Diagnostik (unter Abgrenzung gegen Appendizitis) Anamnese und Tastbefund sind entscheidend. 1. Akute Adnexentzündung auffallend häufig im Anschluss an eine Geburt, Wochenbett, Fehlgeburt oder Menstruation. Akutes Einsetzen, sobald die entzündlichen Veränderungen die Tuben ergriffen haben. 2. Bauchdeckenspannung weniger ausgeprägt als bei Appendizitis und später auftretend. 3. Punctum maximum der Druckempfindlichkeit liegt bei Adnexentzündungen tief im kleinen Becken bzw. bei tiefgeschlagenen Adnexen tief im Douglas-Raum, bei Appendizitis meist höher.
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9 Akutes Abdomen im Erwachsenenalter
4. Druckschmerzhaftigkeit des hinteren Scheidengewölbes und Schiebeschmerz der Portio bei Adnexitis. Appendizitisches Exsudat bildet sich relativ spät im Douglas-Raum. 5. Bei der bimanuellen Untersuchung (vaginal-abdominell) tastet man rechts bzw. links die Adnexe ab (Bewegungsschmerz bei der Uteruspalpation). Fehlt dabei die ausgesprochene Schmerzsensation und sind Druck- und Palpationsschmerz höher, so spricht dies für Appendizitis. 6. Rektale Druckschmerzhaftigkeit sofort beim Einführen des Fingers deutet auf Adnexitis, Druckschmerzhaftigkeit erst nach völliger Einführung des Fingers in den Darm auf Appendizitis. 7. Bei Miktions- und Defäkationsschmerzen ist der Entzündungsprozess im Stadium IV (Pelveoperitonitis) mit: Erbrechen, Pulsverschlechterung und diffuser Abwehrspannung. 8. Spekulumbefund: eitriger Fluor, Abstriche durchführen. 9. BKS, Leukozyten und Temperatur sind im Allgemeinen uncharakteristisch für differentialdiagnostische Erwägungen. Routineuntersuchungen: Blutbild, Urinstatus (Schnelltest nach Boehringer), Temperaturmessung axillär und rektal, Kontrolluntersuchung von Herz und Lunge. Verlauf der aszendierenden Adnexentzündung Salpingitis mit entzündlicher Schleimhautreaktion (isolierte Salpingitis) Ausbreitungsstadium I B Verschluss der Tubenenden Pyosalpinx B Perisalpingitis (bei weiter fortschreitendem Entzündungsprozess) Ausbreitungsstadium II B Tuboovarialzyste bei entzündlichen Verklebungen von Ovar, Tube, Netz, Darm und Beckenwand B Pelveoperitonitis bei diffuser Ausbreitung des Entzündungsprozesses Ausbreitungsstadium III B Douglas-Abszess ⫹ Peritonitis Ausbreitungsstadium IV
9.4 Gynäkologische Erkrankungen
187
Differentialdiagnose 1. Extrauteringravidität 2. perityphlitischer Abszess 3. Nephrolithiasis Therapeutische Sofortmaßnahmen Bei sicherer akuter Adnexitis geht man folgendermaßen vor: 1. 2. 3. 4. 5.
Bettruhe, stationäre Behandlung, keine Wärme, keine Kurzwellen, keine Bäder, Stuhlgang regulieren, milde Abführmittel, reizlose Kost, wöchentlich einmal untersuchen, bei beginnendem Douglas-Abszess täglich, 6. kombinierte Therapie von Breitspektrumantibiotika, je nach Zervixabstrich und Antibiogramm und Kortikoidtherapie (Mesenchymbremse). Breitspektrumantibiotika-Therapie wegen der Herabsetzung der Resistenz des Körpers gegen Infekte 2⫺3 Tage länger als Kortikoidtherapie durchführen. 7. Antiphlogistika, z. B. Traumanase forte“, Analgentika, z. B. Tramadol-ratiopharm“.
9.4.3 Parametritis Definition Unter Parametritis versteht man eine Entzündung, die das gesamte Beckenbindegewebe sowohl seitlich vom Uterus (Parametritis media) als auch nach vorne zur Blase zu (Parametritis anterior) umfasst. Sie ist eine seltene Erkrankung. Diagnostische Sofortmaßnahmen 1. Parametritis tritt gehäuft auf nach: ⫺ Geburten mit Geburtsverletzungen von Scheide, Vulva, Zervix, ⫺ kriminellen Aborten, ⫺ fehlerhaften, unsterilen Eingriffen an Scheide, Portio, Zervix und Korpus. 2. Patienten machen einen schwerkranken Eindruck: hohes Fieber, Schüttelfrost, schlechter Allgemeinzustand, Leukozytose, erhöhte BKS.
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9 Akutes Abdomen im Erwachsenenalter
3. Schmerzlokalisation im Unterbauch mit ausgeprägter Ausstrahlung in Hüfte oder Oberschenkel. 4. Vaginale und rektale Untersuchung: Die entzündliche Schwellung verdrängt den Uterus zur Gegenseite, das erkrankte Gebiet fühlt sich teigig geschwollen an und ist druckempfindlich; u. U. Fluktuation an zirkumskripter Stelle. Sofortmaßnahmen in therapeutischer Hinsicht ⫺ Bettruhe, ⫺ flüssige Kost, ⫺ Breitspektrumantibiotika, z. B. Ampicillin-ratiopharm“, während ca. 8⫺14 Tagen.
9.4.4 Tubarruptur Gezielte Diagnostik 1. Positiver Schwangerschaftstest. 2. Zunehmend einseitiger Schmerz im Unterbauch, plötzlich einsetzender vernichtender Rupturschmerz. Patienten können oft nicht durchatmen. Beim Vordringen von Blut an das Zwerchfell kommt es zum Phrenikussyndrom: Schulter- und Oberarmschmerz. 3. Peritonealer Schock mit Blässe, kleinem Puls, Atemnot und diffuser Abwehrspannung. 4. Kreislaufkollaps (innere Blutung). Therapeutische Sofortmaßnahmen 1. Schocktherapie durch Infusionen (z. B. Expafusin“), 2. sofortige Laparotomie.
9.4.5 Tubarabort Gezielte Diagnostik 1. Fehlende Regelblutung bei Frauen im gebährfähigem Alter, Schmierblutungen nach verlängertem Intervall. Positiver Schwangerschaftstest (kann auch bereits wieder negativ sein). 2. Schmerzen auf der Adnexseite, im After und beim Abgang von Winden.
9.4 Gynäkologische Erkrankungen
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3. Rezidivierende Schwächeanfälle. Grund dafür sind kleine Blutungen in das Abdomen mit peritonealen Schockzuständen: Schwächegefühl, blasses Gesicht, kalter Schweiß, schneller Puls. 4. Vaginale und rektale Untersuchung ergibt peritubare Verdickung (Hämatom) und retrouterine Hämatozele. Therapeutische Sofortmaßnahme Laparotomie.
9.4.6 Stieldrehung eines Ovarialtumors Differentialdiagnostisch wichtige Maßnahmen 1. Angaben über den Schmerz: akuter Unterbauchschmerz durch Zerrung am Peritoneum, später durch peritoneale Reizung. 2. Palpationsbefund: Abwehrspannung auf der Seite, auf der der Tumor ist, infolge aseptischer Fremdkörperperitonitis. In diesem nekrotischen Tumor können sekundär vom Darm aus Bakterien einwandern, und es kann eine Vereiterung entstehen. Bei Perforation eines infizierten Ovarialtumors entsteht eine diffuse Peritonitis. 3. Peritonealer Schock (verfallenes Aussehen, Schweißausbruch, Übelkeit, Brechreiz). 4. Vaginaler Befund: beweglicher Ovarialtumor. Therapeutische Sofortmaßnahme Sofortige Laparotomie.
10 Akutes Abdomen im Kindesalter
10.1 Vorbemerkung Die schnelle Diagnosestellung der Ursachen des akuten Abdomens und die sofortige Einleitung der Therapie sind bei Kindern besonders wichtig, da bei Ihnen eine Entgleisung des Flüssigkeits- und Stoffwechselhaushaltes schneller zum Schock führt als beim Erwachsenen. Es ist auch immer an eine extraabdominelle Genese dieser Erkrankung zu denken, und deshalb sind Kopf, Hals und Thorax ebenfalls hinsichtlich dieser Fragestellung zu untersuchen. Gezielte Fragen über die Anamnese sowie pädiatrische und kinderchirurgische Untersuchungen sind für die richtige Diagnosestellung und die damit verbundene Therapie entscheidend.
10.2 Symptomatik des akuten Abdomens bei Kindern Die Feststellung „akutes Abdomen“ ist eine topographische Bezeichnung, keine Diagnose. Unter Anwendung spezieller, gezielter Untersuchungen mit den daraus resultierenden Leitsymptomen gelangt man zu den jeweiligen Krankheitsbildern: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
akut einsetzende Bauchschmerzen, Erbrechen, Abwehrspannung der Bauchdecke, Stuhl- und Windverhaltung, Meteorismus, vorgewölbtes Abdomen, Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Kreislaufkollaps, Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes, abdominelle Voroperationen, Fieber, z. T. septisches Fieber, gekrümmte Körperhaltung.
Erkrankungen, die unter dem Bild eines akuten Abdomens ablaufen können, sind in Tab. 10-1 aufgeführt. Im Folgenden wird nur auf die Krankheitsbilder mit Notfallcharakter eingegangen. Die Differentialdiagnose wird erwähnt, weil die Diagnose
10.3 Untersuchungstechnik
191
Tab. 10-1 Gegenüberstellung akut einsetzender Krankheitsbilder des kindlichen Abdomens mit und ohne Notfallcharakter. mit 1. 2. 3.
Notfallcharakter Appendizitis und atypische Formen der Appendizitis appendizitisähnliche Krankheitsbilder Ileus einschließlich paralytischer Ileus, eingeklemmter Ileus, eingeklemmter Leistenbruch 4. stumpfes Bauchtrauma und Organläsion 5. Perforationen im Gastrointestinaltrakt 6. blutendes Magen- oder Duodenalulkus 7. Mekoniumperitonitis 8. Urolithiasis 9. Hodentorsion 10. Coma diabeticum 11. azetonämisches Erbrechen ohne Notfallcharakter 1. Zystopyelitis 2. Gastroenteritis 3. Angina 4. Askaridiasis 5. Masernprodromi 6. Hepatitisprodromi 7. Bornholmer Erkrankung 8. Purpura abdominalis 9. Typhus abdominalis
für die Entscheidung zwischen konservativem oder chirurgischem Vorgehen richtungweisend ist.
10.3 Untersuchungstechnik Bei jedem akuten Abdomen ist Folgendes zu beachten: 1. Zunächst Kinder immer in Gegenwart von Eltern untersuchen (psychisches Moment), um dabei ein vollständiges Bild über die Krankheitsvorgeschichte zu erhalten (medizinisches Moment). 2. Inspektion des Kindes: allgemeiner Krankheitseindruck, Affektlage, Gesichtsfarbe, Atmung, Bauchinspektion und Inspektion der Zunge. 3. Untersuchung des Kindes mit besonderer Beachtung des Abdomens: ⫺ Auskultation: keine Darmgeräusche bei Darmparalyse, klingende Darmgeräusche bei mechanischem Ileus, hochgestellte und viele Darmgeräusche bei Entzündungen im Bauch und im Darm und vor einem mechanischen Hindernis.
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10 Akutes Abdomen im Kindesalter
⫺ Palpation: Auslösen von Schmerz (Schmerzlokalisation), feststellbare Resistenzen z. B. im rechten Unterbauch bei Invaginationen, Resistenzen im linken Unterbauch bei mit hartem Stuhl gefüllten Sigmaschlingen. ⫺ Perkussion. ⫺ Auskultation: Schalldämpfung bei Tumoren, Invagination, stuhlgefüllten Darmabschnitten beim Megakolon. ⫺ Rektale Untersuchung: Vorsicht bei der Indikationsstellung zur digitalen rektalen Untersuchung bei Kindern. Vorher mit den Eltern sprechen und die diagnostische Signifikanz erklären. Bei Erwachsenen ist die rektale Untersuchung ein Muss (Rektumkarzinom), bei Kindern eher seltener und eine Ausnahme. ⫺ Bruchpforten abtasten, um eingeklemmte Hernien nicht zu übersehen. Beachte: Bei der Palpation des kindlichen Abdomens immer vom linken Unterbauch ausgehend nach kranial palpieren (Flexura coli sinistra), dann rechter Oberbauch und rechter Unterbauch. 4. Abdomen-Leeraufnahme (Bariumhaltige Kontrastmittel bei geringstem Verdacht auf Ileus oder Perforation im Gastrointestinaltrakt kontraindiziert!). 5. Sonographie: ⫺ Nachweis freier Flüssigkeit, ⫺ Tumoren, ⫺ Invagination. 6. Peritoneallavage bei stumpfem Bauchtrauma. 7. Diagnostische Laparoskopie bei rezidivierenden Bauchschmerzen und unklarer Ursache des akuten Abdomens. 8. Laboruntersuchungen: ⫺ gesamtes Blutbild (Hinweis: Leukozytenzahl beim Säugling nur eingeschränkt diagnostisch verwertbar, daher Differentialblutbild), ⫺ Urinstatus (pH, Gallenfarbstoffe, Eiweiß, Zucker, Azeton, Sediment), ⫺ Elektrolyte, Eiweiß, Harnstoff, Glucose. Nur systematisches Vorgehen ⫺ genaue Vorgeschichte, klinischer Befund, Laborbefunde, Ultraschallbefunde, Thermographiebefunde, Röntgendiagnostik ⫺ ist richtungweisend für die Diagnose und die daraus folgenden Sofortmaßnahmen in therapeutischer Hinsicht.
10.4 Akute Appendizitis
193
10.4 Akute Appendizitis 10.4.1 Frühdiagnostik Bei einem akuten Abdomen im Säuglings-, Kleinkind- und Schulkindalter muss immer eine Appendizitis ausgeschlossen werden (Abb. 10-1). Oft wird durch ein symptomarmes oder symptomloses Initialstadium mit rascherem Verlauf und schnellerer Perforation die Appendizitis im Kindesalter übersehen. Je jünger die Kinder sind, desto kleiner ist die Zeitspanne zwischen Auftreten der ersten Beschwerden und der möglichen Perforation. Bei Kleinkindern kann dieser Zeitraum 6⫺8 Stunden betragen. Nur die wiederholten Untersuchungen zusammen mit dem Erstuntersucher führen zur richtigen Diagnose und Indikationsstellung zur Operation.
Abb. 10-1 Altersverteilung der Kinder mit Appendizitis bis zum 16. Lebensjahr.
Besonders zu beachten: Die häufigsten Komplikationen bei einem akuten Abdomen infolge Appendizitis entstehen dadurch, dass die Erkrankung primär übersehen wird, mit Therapieansätzen im Hinblick auf Gastroenteritis und Zystitis fehlinterpretiert wird, und daraus
194
10 Akutes Abdomen im Kindesalter
dann eine lokale Peritonitis mit gangränöser Appendizitis oder perforierter Appendizitis entstehen kann. Zur Frühdiagnostik kann die abdominelle Ultraschalluntersuchung beitragen: Mit zunehmender diagnostischer Ultraschallerfahrung im Abdomen kann man die akute oder die chronische Appendizitis an der Wandverdickung der sich geschlängelt darstellenden Appendix mit hyperdenser Doppelkontur (weiß) im Millimeterabstand erkennen. Bei Luftüberlagerung ist dies jedoch nicht möglich. Dies kann sich aber nach Stunden ändern. Daher ist eine Wiederholung der abdominellen Sonographie indiziert. Ein weiteres Zeichen der Entzündung ist die Flüssigkeitsansammlung im Douglas’schen Raum neben der Blase auf der rechten und linken Seite. Dies stellt sich als ein schwarzes paravesikales Areal dar.
10.4.2 Charakteristische Leitsymptome führen zur Diagnose Appendizitis und zur Operationsindikation 1. Akuter Beginn mit kurzer Anamnese. 2. Übelkeit und Erbrechen als Initialsymptome. 3. Zunge: belegt und trocken. Dies ist ein verlässliches Zeichen, wenn eine Peritonitis vorliegt. 4. Bauchschmerzen, die nach einem periumbilikalen Initialschmerz mehr oder weniger auf einen bestimmten Punkt im Bauch lokalisiert werden können; bei der Palpation des Abdomens bei Kindern immer mit warmer Hand im Bereich des linken Abdomens beginnen, nach kranial in Richtung Flexura coli sinistra, dann in Richtung Flexura coli dextra und dann auf den rechten Unterbauch übergehen. 5. Typische Appendizitis-Druckschmerzpunkte (Abb. 10-2): ⫺ McBurney’scher Punkt, ⫺ Lanz’scher Punkt, ⫺ Kümmel’scher Punkt. 6. Umschriebene reflektorische Bauchdecken-Abwehrspannung; wenn das parietale Peritoneum entzündet ist. Bei Perforation: diffuse Abwehrspannung. Blumberg’scher Loslassschmerz als Entlastungsschmerz im rechten Mittelbauch bei der Palpation im linken Unterbauch und anschließend schnellem Aufheben der Palpation. Rovsing’sches Zeichen positiv: beim Ausstreichen bzw. Palpation vom Colon transversum zum
10.4 Akute Appendizitis
7.
8.
9. 10. 11.
195
Zökum hin. Zunehmende Schmerzen im rechten Mittel- und Unterbauch. Ten Horn’sches Zeichen: Schmerzen bei Zug am Samenstrang. Rektaler Befund: Die rektale Untersuchung ist wichtig: Druckempfindlichkeit im rechten Douglas’schen Raum besonders bei retrozökaler Lage eines entzündeten Blinddarms und fehlendem Palpationsbefund von der Bauchdecke her. Douglas-Vorwölbung bei perityphlitischen Prozessen/Perforation ist tastbar. Deutliches Psoaszeichen: Kinder liegen in Flexionsstellung des rechten Oberschenkels auf der rechten Seite. Sitkowski-Syndrom: Schmerzen bei Linksseitenlagerung. Stuhlgang: wechselnd mit Verstopfung oder Durchfall (Fehldiagnose Enteritis). Temperatur: leichtes Fieber, meist nicht über 39 ∞C. Temperaturdifferenz von rektal/axillär bis 1 ∞C. Leukozytose: Sie kann, muss aber nicht vorhanden sein. ⫺ 9000⫺12 000 meist bei Appendicitis catarrhalis, ⫺ 12 000⫺14 000 meist bei Appendicitis phlegmonosa und gangraenosa, ⫺ 14 000⫺20 000 meist bei lokalisiertem Abszess und diffuser Perforationsperitonitis. Beachte: Fehlende Leukozytose kann in folgenden Fällen auftreten: ⫺ unmittelbar nach Perforation sinken Leukozytenwerte infolge toxischer Wirkung ab (manchmal bis auf 4000), ⫺ bei diffuser Peritonitis infolge toxischer Wirkung normale bis erniedrigte Leukozytenzahl, ⫺ bei akuter, in narbiger Umgebung verwachsener Appendizitis, ⫺ bei Appendizitis und Viruserkrankungen (Masern etc.) Resistenzminderung.
12. Fehlende Bauchdeckenreflexe. 13. Urinstatus mit Untersuchung von Eiweiß, Glucose und Azeton, Sedimenten und Bakterien: wichtig, um eine Zystopyelitis bzw. einen Diabetes (DD: diabetische Peritonismen) auszuschließen. Besonders zu beachten zur Vermeidung von Fehldiagnosen: Die Diagnose einer akuten Appendizitis wird auf Grund des klinischen Befunds gestellt. Die häufigsten Ursachen von Fehldiagnosen sind:
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10 Akutes Abdomen im Kindesalter
1. Durchfall wird als Enteritis mit Zuwarten interpretiert. Es kann jedoch ein Zeichen einer fortgeschrittenen Darmentzündung sein. 2. Positiver Urinbefund wird als Zystitis interpretiert. Es kann jedoch ein Zeichen einer fortgeschrittenen Entzündung vom Blinddarm auf die Blase sein. 3. Fehlende Leukozytose: Es gibt Verläufe einer akuten Appendizitis und einer perforierten Appendizitis mit kaum erhöhten, manchmal sogar mit erniedrigten Leukozyten (s. o.).
Abb. 10-2 Lokalisation der Druckschmerzpunkte bei Appendizitis.
Abb. 10-3 Intrathorakale Flüssigkeitsansammlungen finden sich am häufigsten im linken Thorax. Bei perityphlitischen Abszessen und perforiertem Appendix mit ausgedehnter Peritonitis findet man jedoch Ergussbildungen am häufigsten in der rechten Thoraxseite (aus: Pschyrembel“, Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter, Berlin, 2004).
10.4.3 Indikation zur Operation Der klinische Befund, der Verlauf, der abdominelle Palpationsbefund und selten die rektale Untersuchung stellen die Indikation zur Operation. Bei nicht eindeutigem Befund: Wiederholung der Untersuchung innerhalb von 24 Stunden durch den Erstuntersucher.
10.5 Sonderformen der Appendizitis
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10.4.4 Therapie der Appendizitis 1. bereits präoperativ i. v. Flüssigkeitszufuhr und Elektrolytausgleich, 2. Appendektomie, 3. postoperativ bei Peritonitis Antibiotikagabe. Wichtig: intraoperativer Peritonealabstrich!
10.4.5 Häufige Erreger einer Peritonitis bei Appendizitis ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Anaerobier, E. coli, Enterokokken, Staphylo- und Streptokokken.
10.4.6 Komplikationen nach Appendektomie Abszesse, Phlegmonen, Schlingenabszesse, intrahepatische Abszesse, Pleuraergüsse, Bridenileus, Douglas-Abszesse, erneutes akutes Abdomen (ca. 1⫺2 %) und Entzündungen im Wundbereich (Abb. 10-3). Sie machen sich durch intermittierendes Fieber, lokale Druckempfindlichkeit, Ileus und akutes Abdomen bemerkbar. Eine schmerzhafte Rektalwand bei rektaler Palpation weist auf einen Douglas-Abszess hin. Deshalb: Postoperativ immer vor der Entlassung rektal untersuchen oder einen Ultraschallbefund in Blasenhöhe (suprasymphysär) erstellen.
10.5 Sonderformen der Appendizitis 10.5.1 Vorbemerkung Atypische Verläufe mit schleichender, mehrtägiger Symptomatik, dem Fehlen der typischen Appendizitiszeichen, intraoperativ jedoch hochakutem Befund, sind typisch für eine Appendizitis bei Lageanomalien der Appendix. Folgende Lageanomalien der Ileozökalgegend sollen bei der Untersuchung mit einbezogen werden: Beckenlage, retrozökale Lage, Netzabdeckung, Rezessus ileocoecalis superior und inferior sowie in übrigen Bereichen des Abdomens aufgrund einer unterbliebenen intrauterinen Rotation der Darmschleife.
10.5.2 Kennzeichen der Beckenappendizitis ⫺ Typische Appendizitissymptomatik erst dann, wenn sich die lokalisierte Entzündung im Becken/Unterbauch ausbreitet.
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10 Akutes Abdomen im Kindesalter
⫺ Eventuell linksseitige Appendizitissymptome, da auf dieser Seite Exsudat infolge geringerer Verklebungen aus der Tiefe des kleinen Beckens aufsteigen kann. ⫺ Temperaturdifferenz rektal/axillär zwischen 0,8⫺1,5 ∞C deutlich ausgeprägt. ⫺ Rektaler Befund: deutlich ausgeprägter Palpationsbefund. ⫺ Miktionsbeschwerden, Durchwanderungsperitonitis, positiver Urinbefund. ⫺ Leukozytose. ⫺ Durchfall, Tenesmen, schleimiger Stuhl. ⫺ Fieber. Beachte bei Beckenappendizitis: ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
keine peritonealen Reizerscheinungen, kein Erbrechen, keine Bauchdeckenspannung, keine abdominelle Druckempfindlichkeit,
aber deutlicher, schmerzhafter, rektaler Palpationsbefund Wichtig ⴚ Indikation für rektale Untersuchung: Wenn der klinische Befund (deutliche Hinweise auf Appendizitis) und der abdominelle Tastbefund (keine Hinweise auf Entzündungsprozess im Bauch) divergieren, dann ist die rektale Untersuchung notwendig. Dies sollte in dieser Weise mit den Eltern argumentativ besprochen werden.
10.5.3 Retrozökale Appendizitis Vorbemerkung Es handelt sich um eine Entzündung der Appendix in einem eng begrenzten Raum, oft durch Verklebungen abgegrenzt wobei der Blinddarm im Rezessus ileozökalis superior oder inferior oder retrokolisch oder retroiliakal sein kann. Kennzeichen ⫺ Druckempfindlichkeit und Spannung der rechten Leistengegend, Psoasschmerz, Gehbeschwerden, gebeugte Körperhaltung, Schmerzen beim Hüpfen auf dem rechten Bein (Stehr’sches Zeichen).
10.5 Sonderformen der Appendizitis
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Beachte: Leitsymptome und Hinweiszeichen sind bei der retrozökalen Appendizitis im Gegensatz zur Appendizitis an normaler Position im Bauch anders und können daher irreführend sein. ⫺ Es gibt keine oder nur minimale peritonealen Reizerscheinungen mit Abwehrspannung der Bauchdecke. ⫺ Die Bauchdecke ist leicht eindrückbar und weich. ⫺ Nur die rektale Untersuchung gibt verwertbare Hinweise: rektale, digitale Untersuchung hoch in das Becken löst bei retrozökaler Appendizitis einen starken Schmerz aus. „Rektale Untersuchung in Suppositorienhöhe“ ist irreführend, da nicht schmerzhaft.
10.5.4 Appendizitis mit Netzkappe Bei der Abkapselung des entzündlichen Herdes durch Netz (Schutzmechanismus) fehlen peritoneale Reizerscheinungen. Typisch ist der oft biphasische Verlauf mit zunächst typischen Appendizitissymptomen, die sich rasch zurückbilden und erst, wenn der entzündliche Prozess in die freie Bauchhöhle perforiert ist, sich wieder verschlimmern. Vorkommen meist im Kleinkindesalter und Schulkindesalter.
10.5.5 Appendizitis bei Infektionskrankheiten Aufwändig ist die Differentialdiagnose im Verlauf oder nach Infektionskrankheiten wie: ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Masern, Angina Grippe, Scharlach, Varizellen, Pneumonie, Enteritis.
Fehldiagnose der Appendizitis nach Infektionskrankheiten: Eine Appendizitis mit Bauchschmerzen bei und nach Infektionskrankheiten wird häufig fehlinterpretiert und übersehen. Dies kann aber durch sorgfältige Beobachtung des Kindes, durch abdominelle und gegebenenfalls rektale Untersuchung und durch den abdominellen Ultraschall, eventuell ergänzt durch eine diagnostische Laparoskopie vermieden werden.
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10 Akutes Abdomen im Kindesalter
10.5.6 Oxyuren- und Askaridenappendizitis 1. Oxyuren können die Ursache einer Appendizitis sein. Man findet in solchen Fällen intraoperativ Anhäufungen von Oxyuren im Lumen des Wurmfortsatzes. 2. Ein Askaris kann, wenn er in die Appendix einwandert, in ihr durch Kontraktionen eingeklemmt werden. Es kann sich eine Appendicitis phlegmonosa oder ein Appendixempyem entwickeln.
10.5.7 Fehlposition der Appendix und Bauchsymptomatik an atypischer Stelle Zökum bzw. Colon ascendens sind topographisch anatomisch an atypischer Stelle. Dadurch ist die Appendixsymptomatik vorwiegend auf die in diesem Fall atypische Stelle im Abdomen konzentriert. Bei allen unklaren, akuten, entzündlichen, abdominellen Krankheitsbildern muss immer eine Appendizitis an atypischer Stelle angenommen werden (diagnostische Laparoskopie). Diese Lageanomalien (z. B. Zökum-Hochstand) kommen durch eine unterbliebene bzw. vorzeitig zum Stillstand gekommene Drehung des Darmes zustande (Abb. 10-4).
Abb. 10-4 Lageanomalien der Appendix.
10.6 Appendizitisähnliche Krankheitsbilder mit Notfallcharakter 10.6.1 Krankheitsbilder ⫺ Appendizitisähnlicher Befund bei nasopharyngealem, zentralvenösem, pulmonalem oder urologischem Infekt,
10.6 Appendizitisähnliche Krankheitsbilder mit Notfallcharakter
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⫺ Obstipation, Megakolon, intermittierender Sigmavolvulus, Fehlfixation oder Fehlrotation des kolosigmoidalen Übergangs, BorchardtSyndrom (Waldschmidt, Töndury), ⫺ Enterokolitis, ⫺ Myalgia epidemica (Bornholmer Krankheit), ⫺ Purpura Schönlein-Hennoch, ⫺ Ileitis regionalis Crohn, ⫺ Invagination, ⫺ enterogene Zysten, ⫺ rechtsseitige stielgedrehte Ovarialzyste, ⫺ Meckel’sches Divertikel, ⫺ Yersiniose, ⫺ primär hämatogene Peritonitis. Die in den Abschn. 10.6.2⫺10.6.7 beschriebenen Krankheitsbilder werden zur differentialdiagnostischen Abgrenzung gegenüber der Appendizitis erwähnt. Ein kinderärztliches Konsilium ist indiziert.
10.6.2 Meckel’sches Divertikel Auftreten In 40⫺50 % der Fälle während der ersten beiden Lebensjahre. Symptome ⫺ Rezidivierender Bauchschmerz, ⫺ Darmbluten, aus voller Gesundheit plötzlich Teerstühle (immer peptisches Magenulkus mit Perforation und Peritonitis differenzialdiagnostisch ausschließen), ⫺ mechanischer Ileus bei Invagination, Strangulation, Volvulus, ⫺ Torsion des Divertikels, Divertikulitis mit Druckschmerz und Bauchdeckenspannung. Lokalisation 20⫺60 cm proximal der Bauhin’schen Klappe. Diagnostik Blutungsnachweis durch dystope Magenschleimhaut oder Pankreasgewebe durch Technetium-Szintigraphie in 70 % möglich. Zuverlässige Methode: diagnostische Laparoskopie.
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10 Akutes Abdomen im Kindesalter
10.6.3 Yersiniose Symptome ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Appetitlosigkeit, Obstipation, Schmerzen im Mittel- und rechten Unterbauch, Kopfschmerz, Schüttelfrost, Fieber bis 40 ∞C.
Labor ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Leukozytenzahl auf 10 000⫺18 000/μl erhöht, im Differentialblutbild eine Lymphozytose, Blutsenkungsgeschwindigkeit erhöht, positiv serologische Untersuchungen.
Da es bei der Yersiniose häufig zu einer Mitreaktion der Appendix kommt, ist die Diagnosestellung erschwert. Im Ultraschallbild sind im Ileozökalbereich die Lymphknoten sichtbar und vergrößert. Bei Appendizitisverdacht besteht eine dringliche Operationsindikation. Mit dem Zuwarten auf die Ergebnisse der Bakteriologie und Serologie verliert man im Falle einer Appendizitis wichtige Zeit. Stets soll man aber daran denken, diese Untersuchungen einzuleiten. Bei der Operation müssen Lymphknoten entnommen werden und diese bakteriologisch und histologisch untersucht werden. Weiterhin ist eine Blutabnahme, eine serologische Untersuchung und eine Stuhlprobe auf Yersiniose durchzuführen. Therapie Bei schweren Allgemeinsymptomen: Doxycyclin-ratiopharm“.
10.6.4 Enteritis Symptome ⫺ Dehydrierung, Exsikkose, eingesunkene Fontanelle, Erbrechen, Bauchschmerzen, ⫺ diffuse Druckempfindlichkeit des Abdomens, ⫺ typische, plätschernde Geräusche bei der Palpation, ⫺ Darmgeräusche oft gesteigert, ⫺ Durchfälle häufig gelblich-grün, rezidivierend.
10.6 Appendizitisähnliche Krankheitsbilder mit Notfallcharakter
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Labor ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Hämatokrit erhöht, Hypokaliämie, pH azidotisch, Leukozytose.
Diagnose Bakteriologische, virologische, mykologische Untersuchung des Stuhls. Therapeutisches Vorgehen ⫺ Ausgleich von Flüssigkeit und Elektrolyten parenteral: Tutofusin“ Baxter, ⫺ Teepause: Fenchel- oder Kamillentee mit 5 % Glucose und 0,9 % NaCl (Tutofusin“), ⫺ Flüssigkeitsbedarf: 150⫺200 ml/kg KG/d, ⫺ bei Säuglingen Schleimabkochungen, Heilnahrung, ⫺ Antibiotika bei drohender Sepsis: z. B. Ampicillin-ratiopharm“, ⫺ Carbo medicinalis, Loperamid-ratiopharm“ (ab Kleinkindalter)
10.6.5 Rechtsseitige Pneumonie Abdomineller Befund (Pneumoniebauch) ⫺ Fehlen der reflektorischen Abwehrspannung, ⫺ Fehlen von Darmgeräuschen, ⫺ meist Oberbauchschmerzen, Meteorismus, Erbrechen. Charakteristischer extraabdomineller Befund ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Tachypnoe, vermehrte Schweißneigung, Tachykardie, Nasenflügelatmen, Zyanose, hohes Fieber, klingende Rasselgeräusche über dem betroffenen Lungenabschnitt, charakteristische Verschattung des betroffenen Lungenabschnitts im Röntgenbild, evtl. Pleuraerguss.
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Therapeutische Maßnahmen ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Nasentropfen für eine freie Nasenatmung, bei Temperatur über 38,5 ∞C Acetylsalicylsäure, Paracetamol, Antibiotika (Tab. 16-1), Beruhigungsmittel, Lagerung: erhöhter Oberkörper, Sauerstoffzufuhr nach BGA, Inhalation. Je nach kardialem Befund und Kreislaufsituation entsprechende Medikation.
10.6.6 Myokarditis Leitsymptomatik Ganz akutes Krankheitsbild mit abdominellem Befund: aufgetriebener Leib, vergrößerte Leber. Allgemeinbefund und kardialer Befund: ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Atemnot, Blässe, Akrozyanose, quälende Unruhe, Bewusstseinstrübung, Tachykardie, kleiner, frequenter Puls, Pulsdefizit, Herzdilatation im Thoraxbild. In der Umgebung der Kinder sind oft anamnestische Angaben zu erhalten über fieberhafte Myalgien, Mononukleose oder auch über seröse Meningitis bzw. Meningo-Enzephalitis.
Therapeutische Sofortmaßnahmen Beruhigung der Kinder (z. B. Paracetamol-ratiopharm“), strenge Bettruhe, Hochlagern des Oberkörpers, Breitband-Antibiotikum, O2-Zufuhr nach Blutgasanalyse, Herzmedikation in Form einer Schnellsättigung mit Lanitop“, Kreislaufmittel (z. B. Effortil“), 6. Kortikosteroide bei drohendem kardialen Schock oder AV-Block. 1. 2. 3. 4. 5.
10.6.7 Zystopyelitis Leitsymptome ⫺ hohes Fieber, ⫺ Druck- und Klopfempfindlichkeit im Nierenlager,
10.7 Ileussyndrom
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⫺ Urinbefund: massenhaft Leukozyten und Bakterien, Erythrozyten, Proteinurie, ⫺ Dysurie. Diagnostik ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Urinbefund, Sonographie, i. v.-Pyelogramm, Miktionszystourethrogramm, Ureteroskopie, Zystoskopie.
Therapie 1. Bettruhe, 2. antibiotische Therapie nach Antibiogramm für mindestens 14 Tage i. v.
10.7 Ileussyndrom 10.7.1 Vorbemerkung Man teilt zweckmäßig den Ileus bei Kindern nicht nach den Gesichtspunkten wie beim Erwachsenen ein, sondern bezieht sich auf das jeweilige Alter: 1. Ileuszustand im Neugeborenenalter, 2. Ileuszustand im Säuglingsalter, 3. Ileuszustand im Klein- und Schulkindesalter.
10.7.2 Ileuszustände im Neugeborenenalter Einteilung ⫺ Atresien, ⫺ Passagehindernisse im Duodenum, ⫺ Mekoniumileus und Mekoniumileusäquivalent und Mekoniumpfropfsyndrom ⫺ Morbus Hirschsprung (Aganglionose) und neuronale Darmerkrankungen (Hypoganglionose, hypoplastische Hypoganglionose, neuro-
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⫺ ⫺ ⫺ ⫺
10 Akutes Abdomen im Kindesalter
nale intestinale Dysplasie, Ganglienzellunreife (weitere Einzelheiten in Meier-Ruge, W. A., Bruder, E., Pathology of Chronic Constipation in Pediatric and Adult Coloproctology, Karger Publishers, Basel, 2005). gastrointestinale Perforationen, Volvulus, nekrotisierende Enterokolitis, eingeklemmter Leistenbruch.
Abdomenübersichtsaufnahme und Röntgenkontrastdarstellung des oberen und unteren gastrointestinalen Systems mit Gastrografin zur Lokalisation des Passagehindernisses sind zuverlässige, das Kind wenig belastende Untersuchungsmethoden. Atresien des Verdauungstraktes Lokalisation und Häufigkeit: ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Ösophagusatresien Duodenalatresien Dünndarmatresien Dickdarmatresien
40 % 5% 15 % 40 %
Leitsymptom ist das rezidivierende Erbrechen nach Nahrungsaufnahme. Die Abb. 10-5 gibt einen Überblick über die 5-Minuten-Untersuchung von Neugeborenen im Kreißsaal. Hochsitzende Atresien verursachen häufig ein Hydramnion bei der Mutter.
Abb. 10-5 Rechtzeitiges Erkennen von Ösophagusatresie und Analatresie bei Neugeborenen im Kreißsaal durch Vorschieben einer Sonde.
10.7 Ileussyndrom
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Je nach Höhe der Atresie erbrechen die Neugeborenen schleimig, unverdaut, gallig, fäkal. Dabei ist das Einsetzen des Erbrechens als Hinweis auf die Lokalisation der Atresie zu werten: Hohe Dünndarmverschlüsse verursachen Erbrechen bei den ersten Fütterungsversuchen, bei dem seltenen Verschluss proximal der Papilla vateri ist das Erbrochene nicht gallig. Bei Dickdarmverschlüssen setzt das Erbrechen erst nach einer Latenzzeit von einigen Tagen ein. Auf tief sitzende Atresien weist fehlender Mekoniumabgang hin, jedoch ist andererseits der Mekoniumabgang kein Beweis für die Durchgängigkeit des unteren Gastrointestinaltraktes.
Passagestörungen im Duodenalbereich 1. Einteilung: ⫺ totale Duodenalobstruktionen: a) Duodenalatresie, b) Duodenalmembran. ⫺ partielle Duodenalobstruktionen: a) Volvulus, b) Ladd’sche Bänder, c) Pancreas anulare, d) inkomplette Duodenalmembran, e) Kombinationsformen (Pancreas annulare und Duodenalmembran), f) präduodenal verlaufende Pfortader. 2. Klinik: ⫺ aufgetriebener Oberbauch, eingesunkener Unterbauch, ⫺ rezidivierendes Erbrechen kurz nach der Nahrungsaufnahme. 3. Diagnose: Röntgenübersicht in vertikaler Position: Doppelspiegelbildung (Abb. 10-6): ⫺ großer Flüssigkeitsspiegel links: Magen, ⫺ kleiner Flüssigkeitsspiegel rechts: dilatiertes Duodenum. 4. Differentialdiagnose: ⫺ Ernährungs- oder Stoffwechselstörungen, ⫺ spastische Pylorushypertrophie, ⫺ Hiatushernie, ⫺ Zwerchfelldefekt, ⫺ Magenvolvulus, ⫺ Mageninvagination.
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Beachte: häufig assoziierte Fehlbildungen: ⫺ Down-Syndrom, ⫺ Malrotationssyndrom, ⫺ Herzfehler. 5. Indikation zur intraoperativen endoskopischen Untersuchung (z. B. mit Storz-Endoskopen) des Duodenums: Prä- und intraoperativ sollte bei Duodenalpassagestörungen endoskopiert werden. Begründung: ⫺ kombinierte Passagestörung, z. B. Ladd’sches Band (Kompression des Duodenums von außen) und intraluminelles Septum, ⫺ Form des intraluminellen Septums: unvollständig oder komplett, ⫺ Mündungsanomalien der Papille.
Abb. 10-6 Abdomenübersichtsaufnahme im Stehen bei Duodenalatresie; luftleeres Abdomen mit Ausnahme zweier (große und kleine) Luftblasen im Abdomen. Sie entsprechen den Flüssigkeitsspiegeln im Magen und im Duodenum.
Mekoniumileus 1. Definition: Dabei handelt es sich um einen Obstruktionsileus infolge eingedickten Mekoniums im unteren Dünndarm, z. T. auch im Dickdarm bei fehlendem Abgang von Mekonium (Rektum und Anus sind durchgängig). Der Mekoniumileus kommt am häufigsten in Zusammenhang mit der Mukoviszidose vor (Mukoviszidosehäufigkeit 1: 2000, Mekoniumileus bei 6 % der an Mukoviszidose erkrankten Kinder.) Ein mekoniumileusäquivalentes Krankheitsbild ohne Mukoviszidose kommt bei fehlender/gestörter Mekoniumzusammensetzung oder bei Gallengangatresien vor.
10.7 Ileussyndrom
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2. Unkomplizierter Mekoniumileus: a) Symptomatik: ⫺ 24⫺48 Stunden post partum gespanntes, geblähtes Abdomen, ⫺ Tympanie im Oberbauch, ⫺ derbe Resistenz im rechten Abdomen, ⫺ massiv galliges Erbrechen, ⫺ fehlender Stuhlabgang. b) Diagnostik: ⫺ Abdomen-Übersicht. Kleine Luftblasen an der Wand des terminalen Ileums: Neuhauser’sches Zeichen, 13 % zeigen Verkalkungen, die intramural lokalisiert sind. ⫺ Kolonkontrasteinlauf: Mekonium-Bolus wird von Kontrastmittel umflossen, Mikrokolon. ⫺ Nachweis des um mehr als das Doppelte erhöhte NaCl-Gehalts im Schweiß und des erhöhten Albumingehalt im Mekonium. 3. Komplizierte Form des Mekoniumileus: a) Symptomatik: ⫺ mechanischer Ileus, ⫺ Kombination mit Dünndarmvolvulus oder -atresie, ⫺ Nekrose und Perforation intrauterin möglich! ⫺ Kombination mit Peritonitis. b) Diagnostik: ⫺ Abdomenübersicht zeigt Pneumoperitoneum und evtl. Kalzifierungen. c) Wichtig: Dringliche Operationsindikation! Beachte: Doppelsaugbiopsie zum Ausschluss einer Aganglionose. (Abb. 10-8) d) Differentialdiagnose: ⫺ Das morphologische Bild eines Mekoniumileus (Abb. 10-7) ähnelt intraoperativ dem sog. Mekoniumpfropfsyndrom, der „Meconium disease (Kornblith-Otani)“ oder dem sog. „Mekoniumileusäquivalent (Cordonnier-Izant)“. Die Ursache liegt hier aber in einer gestörten Absorption von Protein und Carbohydrat. Hier hilft in den meisten Fällen eine intraoperativen Punktion des Darms mit Gastrografin“, so dass das Hindernis beseitigt werden kann. ⫺ „Curd obstruction“: Dabei handelt es sich um eine meist zwischen dem 5. und 14. Tag auftretende Dünndarmobstruktion im distalen Ileum, verursacht durch ein Absorptionsdefizit.
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Auch hier hilft die bereits geschilderte Punktion des Darms und Instillation von Gastrografin“. e) Therapeutische Sofortmaßnahmen: ⫺ Absaugen von Flüssigkeit, Gas und Nahrungsresten aus den oberen Dünndarmabschnitten durch Magensonde. ⫺ Wenn keine Perforation vorliegt, kann versucht werden, durch einen Gastrografin“-Einlauf die viskösen Mekoniummassen zu lösen und den Ileus auf konservative Weise zu beheben. f) Indikation für einen Gastrografin“-Einlauf zur Lyse des zähen Mekoniums: ⫺ keine freie Luft im Abdomen, ⫺ keine intraabdominellen Verkalkungen, ⫺ keine Dehydratation, ⫺ guter Allgemeinzustand, ⫺ kein Neuhauser’sches Zeichen, ⫺ keine Peritonitis/Sepsis. g) Komplikationen bei Einläufen mit hyperosmolaren Lösungen (Gastrografin“): ⫺ hypovolämischer Schock durch Flüssigkeitsverlust in das Darmlumen, ⫺ intestinale Perforation durch Darmüberdehnung, ⫺ Elektrolytentgleisungen. 4. Operationsindikationen: ⫺ bei kompliziertem Mekoniumileus unverzüglich, ⫺ bei fehlendem Mekoniumabgang 12 Stunden nach Gastrografin“Gabe. Morbus Hirschsprung („Aganglionose“; Häufigkeit 1: 4500) a) klinisches Erscheinungsbild: ⫺ fehlende Stuhlentleerung, ⫺ intermittierender Ileus, ⫺ progredienter Ileus, ⫺ Enterokolitis, ⫺ enggestelltes Rektumsegment, ⫺ beginnende Dickdarmerweiterung (Megarektum, Megasigma, Megakolon), ⫺ vorgewölbtes Abdomen, ⫺ gespannte glänzende Bauchhaut, ⫺ ausladende seitliche Bauchpartien,
10.7 Ileussyndrom
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⫺ eingefallene Fontanellen, ⫺ apathisches Erscheinungsbild, b) Diagnosestellung: ⫺ Manometrie anorektal: Kein Sphinkterrelaxationsreflex als Wegbereiter der Defäkation (Willital, Lawson, Nixon), erhöhter Sphinkterinternusruhedruck, Sphinkterachalasie. ⫺ Kolonkontrasteinlauf: enges Segment unterschiedlicher Länge, stets bis zum Anus reichend. ⫺ Rektale Doppelsaugbiopsie oder Vollwandbiopsie (MeierRuge, Bruder). Nachweis der gesteigerten ACE-Aktivität in der Neugeborenenperiode mit dem Doppelsaugbiopsiegerät nach Willital (Abb. 10-8) ermöglicht eine exakte Diagnose. Aganglionose ⫺ differente, neurologische Darmwandveränderungen müssen durch Vollwandbiopsien diagnostiziert werden (Meier-Ruge, Bruder). Röntgenuntersuchung des Enddarms, Histochemie durch Doppelsaugbiopsie und anorektale Manometrie erlauben mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit, die Aganglionose zu diagnostizieren, Vollwandbiopsien ermöglichen eine darüber hinausgehende Diagnostik seltener neurologischer Darmwandaufbaustörungen. Funktionelle Passagehindernisse im Dünndarm und Dickdarm können röntgenologisch als Invagination imponieren. Bei der Laparotomie ist dann mitunter kein morphologisches Substrat zu finden. Ursache ist eine zirkumskripte Stoffwechselstörung des Darmes mit gesteigerter
Abb. 10-7 Schematischer Überblick über das intraoperative Bild eines Mekoniumileus.
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10 Akutes Abdomen im Kindesalter
Abb. 10-8 Willital’sches Doppelsaugbiopsiegerät. Das handliche Doppelsaugbiopsiegerät für Kinder wurde zusammen mit Herrn S. Haberkorn (Sa˜o Paulo) an der Great Ormond Street in London (Hospital for Sick Children ⫺ H. H. Nixon, 1971) entwickelt. Es stellt eine Weiterentwicklung des Saugbiopsiegerätes von Helen Noblett dar. Standardverfahren zum histochemischen Nachweis der Aganglionose.
Acetylcholinesterase (ACE) ⫺ Aktivität, Tonuserhöhung des Darmes, fehlender Peristaltik und fehlendem Transport von Darminhalt in den Darmschlingen. Diese Passagestörung, die oft unter dem klinischen Bild eines schweren Ileus verläuft, geht durch konservative Therapie wieder vorbei. Oft muss aber zum Ausschluss einer Invagination oder eines Volvulus eine Laparoskopie durchgeführt werden. Es ist wichtig, in der postoperativen Phase eine exakt bilanzierte Infusionstherapie (Baxter-Infusionslösungen) und eine gezielte Antibiotikatherapie (Ratiopharm) durchzuführen und eine Sepsis rechtzeitig zu erkennen.
Gastrointestinale Perforationen im Neugeborenenalter 1. Risikofaktoren: ⫺ Frühgeburt,
10.7 Ileussyndrom
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⫺ komplizierte Geburt, Hypoxie und niedriger Apgar-Wert, ⫺ Sepsis. 2. Lokalisation: ⫺ Magen, ⫺ Ileozökalregion. 3. Symptome: zwischen dem 1.⫺10. Lebenstag: ⫺ Trinkunlust, ⫺ Apnoeanfälle bei Pneumoperitoneum, ⫺ geblähtes Abdomen, ⫺ Bauchdecke diffus oder lokal überdehnt und gerötet, ⫺ oft intraabdominelle Verkalkungen. 4. Therapie: ⫺ präoperativ i. v.-Gabe von Antibiotika, i. v. Flüssigkeits- und Elektrolytausgleich, ⫺ intraoperativ stets Untersuchung des gesamten Gastrointestinaltraktes. Entnahme von Abstrichen für aerobe und anaerobe Kulturen. 5. Wichtig: Bei Verdacht auf eine bestehende Perforation des Gastrointestinaltraktes sind eine orale sowie eine rektale Kontrastmittelgabe streng kontraindiziert! Bei Neugeborenen mit bestehender Peritonitis fehlen oft die sonst typischen Peritonitiszeichen wie Bauchdeckenspannung und Meteorismus!
10.7.3 Ileuszustände im Säuglingsalter ⫺ Invagination 1. Lokalisation: ⫺ ileo-ileale Invagination ⫺ ileo-zökale Invagination ⫺ ileo-kolische Invagination 2. Kolokolische Invagination Altersdisposition: 65 % der Kinder sind jünger als ein Jahr. Zweiter Altersgipfel 4.⫺6. Lebensjahr. 3. Initialsymptome: ⫺ plötzlicher Beginn aus völliger Gesundheit, ⫺ heftige rezidivierende, kolikartige Bauchschmerzen mit freien, immer kürzer werdenden Intervallen, ⫺ rezidivierendes Erbrechen, ⫺ walzenförmiges Invaginat im rechten Unterbauch tastbar, im abdominellen Ultraschall in ca. 85 % nachweisbar.
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10 Akutes Abdomen im Kindesalter
4. Spätsymptome: ⫺ himbeergeleeartiger Schleim bei der rektalen Untersuchung am Handschuh, ⫺ Leukozytose. 5. Häufige Fehldiagnosen: ⫺ akute Kolitis, ⫺ Colitis haemorrhagica, ⫺ Nierenstein, ⫺ Gastroenteritis. 6. Therapie: ⫺ Magenschlauch als Aspirationsprophylaxe legen, ⫺ intravenöse Flüssigkeitszufuhr, ⫺ absolute Nahrungskarenz. Die Gefahr der Perforation steigt mit der Dauer der Invagination, daher ⫺ Versuch der Desinvagination mit 0,9 % NaCl und Gastrografin“ nur im Frühstadium (hydrostatischer Druck nicht höher als 50⫺ 70 cm H2O:). Konvexer Kontrastmittelstop beim rektalen Kontrasteinlauf im Bereich des terminalen Ileums oder des Colon ascendens. ⫺ Operation: Ausmassieren des Invaginats in kranialer Richtung, aber kein Versuch, an dem Invaginat zu ziehen! Darmteilresektion, wenn sich der betroffene Darmanteil nicht innerhalb von 8⫺ 10 Minuten rosig färbt. ⫺ Post-OP: Antibiotikum für 5 Tage z. B. Cefotaxim-ratiopharm“. Beachte: Ein Volvulus, der eine Strangulation des Darmlumens sowie der Gefäße durch eine axiale Drehung einer Darmschlinge verursacht, bietet klinisch ein ähnliches Erscheinungsbild.
10.7.4 Ileuszustände bei Kleinkindern und Schulkindern Mechanischer Ileus 1. Bridenileus: ⫺ wenige Wochen bis Monate nach Bauchoperationen, ⫺ von einem Meckel’schen Divertikel ausgehend, ⫺ nach entzündlichen Erkrankungen des Bauchfells mit Verwachsungen zwischen Darm, Netz, Peritoneum und Bauchwand.
10.7 Ileussyndrom
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2. Leitsymptomatik: ⫺ Facies abdominalis (tiefliegende, ängstlich blickende Augen, eingefallenes blasses Gesicht), ⫺ prall aufgetriebenes Abdomen, ⫺ unstillbares Erbrechen, Pulsbeschleunigung, Exsikkose, ⫺ Röntgen-Übersichtsaufnahme in vertikaler Stellung, multiple Spiegelbildungen, ⫺ klingende Darmgeräusche, später Übergang in den paralytischen Ileus, ⫺ Stuhl- und Windverhaltung. 3. Therapeutische Sofortmaßnahmen: ⫺ Magenschlauch legen (Aspirationsprophylaxe), Verbesserung der Atmung durch Druckentlastung im Abdomen und Druckentlastung auf das Zwerchfell, ⫺ Vorbereitung zur sofortigen Laparotomie, ⫺ absolute Nahrungskarenz, ⫺ i. v. Flüssigkeitszufuhr. Paralytischer Ileus Vorgehen, um eine exakte Diagnose stellen zu können: Anamnese des Kindes zusammen mit der Mutter erheben. Sorgfältige körperliche Untersuchung, abdominelle Untersuchung allein ist nicht ausreichend! Bei der abdominellen Untersuchung steht wie immer die Inspektion an erster Stelle; es folgen Auskultation, Perkussion und Palpation, abschließend eventuell rektale Untersuchung. Die beidhändige Palpation beginnt im linken Unterbauch (dann linker Oberbauch, rechter Oberbauch) und endet im rechten Unterbauch. 1. Typisches prodromales Erscheinungsbild: Erbrechen, vorgewölbtes Abdomen, Stuhl- und Windverhaltung. 2. Bei Peritonitis sind die typischen peritonealen Zeichen (Abwehrspannung der Bauchdecken, Druck- und Klopfschmerz, Entlastungsschmerz) festzustellen. 3. Auskultation: Darmgeräusche stark vermindert bzw. aufgehoben. 4. Meteorismus. 5. Sistieren von Wind und Stuhl. 6. Hohe Leukozytose bei Neutrophilie und Linksverschiebung. 7. Bei kühler Körperoberfläche bestehen meist hohe Körperkerntemperaturen.
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10 Akutes Abdomen im Kindesalter
Ursachen des Ileus peritonitisbedingt:
nicht peritonitisbedingt:
⫺ Perforationsperitonitis, ⫺ Durchwanderungsperitonitis (Spätstadium eines mechanischen Ileus) z. B. nach Invagination, ⫺ Pneumokokkenperitonitis (hämatogen, aszendierend, genital), ⫺ Streptokokkenperitonitis (metastatisch bei Erysipel, Scharlach, Tonsillitis), ⫺ Gonokokkenperitonitis (bei Mädchen mit Vulvovaginitis als Beckenperitonitis), ⫺ Megaphen-Verophen-Überdosierung, Zytostatikatherapie, ⫺ nekrotisierende Enterokolitis, ⫺ Volvulus.
⫺ Ureterkolik, ⫺ Hodentorsion, ⫺ intraabdominelle Blutung nach stumpfem Bauchtrauma, ⫺ K-Mangelzustände, ⫺ Bronchopneumonie, ⫺ spinal-paralytische Erkrankungen, ⫺ Querschnittslähmung, Heine-Medin’sche Erkrankung.
Man unterscheidet die primäre Peritonitis von der sekundären Peritonitis. Primäre Peritonitis 1. Vorkommen: Bei Kindern als Komplikation des septischen Scharlachs, einer Pneumokokkenpneumonie, einer Osteomyelitis oder einer Meningitis bzw. einer Sepsis. 2. Symptomatik: ⫺ perakuter Beginn, ⫺ hohe Leukozytose (30 000⫺40 000/mm3), ⫺ Durchfälle mit schleimigen, stinkenden Stühlen, ⫺ Bauchdeckenspannung oft nur geringgradig, ⫺ Meteorismus, ⫺ spärliche bis aufgehobene Darmgeräusche. 3. Sofortmaßnahmen: ⫺ Magensonde einlegen, ⫺ Infusion anlegen, Ausgleich von Elektrolyten (K⫹!), Substitution von Albumin, Aminosäuren (Tutofusin“), Immunglobuline, ⫺ Antibiotikaapplikation, z. B. Cefotaxim-ratiopharm“, ⫺ Laboruntersuchungen: Differentialblutbild, Elektrolyte, Harnstoff, Eiweiß, Urinstatus, ⫺ Abdomen-Übersichtsaufnahme in horizontaler oder vertikaler Lage, ⫺ Vorbereitung zur Operation bei peritonitisbedingtem paralytischem Ileus.
10.8 Azetonämisches Erbrechen
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Beachte: Der sog. Pneumoniebauch zeigt Meteorismus, spärliche bis fehlende Darmgeräusche, keine Abwehrspannung. Es ist wichtig zu wissen, dass bei Neugeborenen bei bestehender Peritonitis oft die reflektorische Bauchdeckenspannung und der Meteorismus fehlen können.
10.8 Azetonämisches Erbrechen 10.8.1 Vorbemerkung Es handelt sich um ein anfallsweise auftretendes Krankheitsbild, das gewöhnlich mit starkem Erbrechen einhergeht, Rezidive sind häufig. Hauptmanifestationsalter: 3.⫺10. Lebensjahr. Auslösend sind häufig Infekte der oberen Luftwege oder Durchfallerkrankungen, die über Erbrechen zu Wasser- und Elektrolytverlusten führen, zu einem Hungerzustand und Hypovolämie. Somit liegt ein polyätiologisches Krankheitsbild vor.
10.8.2 Leitsymptomatik ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Prodromalerscheinung: Übelkeit, Appetitlosigkeit, Kopfschmerzen. Wiederholtes Erbrechen innerhalb kurzer Zeit. Charakteristischer Geruch der Atemluft: Azeton, obstähnlich. Azidotische, vertiefte Atmung, kleiner weicher frequenter Puls, später durch hypochlorämische Azidose, oberflächlichere Atmung. ⫺ Laboruntersuchung des Urins: Azeton und Keton im Urin (schon vor den Brechattacken). ⫺ Blutzucker initial erniedrigt, später erhöht.
10.8.3 Therapie ⫺ Sedierung und Verminderung des Brechreizes z. B. mit Luminal“ 0,5⫺1,0 ml i. m. oder i. v., Vomex“ Supp., ⫺ Infusionstherapie: 5 % Glucoselösung, 2⫺3 mval/kg KG Na⫹, 2⫺ 4 mval/kg KG K⫹. ⫺ Wenn die Krise durchbrochen ist, führt man oral kohlehydrat- und elektrolytreiche Flüssigkeiten zu, z. B. Obstsäfte oder Cola.
10.8.4 Differentialdiagnosen ⫺ Ketonämische Krise, ⫺ Hypoglykämie,
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⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
10 Akutes Abdomen im Kindesalter
Fructose-1,6-Disphosphatase-Mangel, Methylmalonazidurie, intermittierende Form der Ahornsirupkrankheit, diabetisches Koma, Hirntumor, Meningitis.
10.9 Coma diabeticum ⫺ hyperglykämisches Koma 10.9.1 Vorbemerkung Von den beiden Arten des diabetischen Komas, dem hyperosmolaren Koma und dem ketoazidotischen Koma, sollte die Behandlung gemeinsam interdisziplinär in kinderärztlicher Kooperation erfolgen
10.9.2 Auslösende Ursachen ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Bislang nicht diagnostizierter Diabetes mellitus juvenilis, Insulinunterdosierung, Stresssituation (Operationen), Immobilisationen (z. B. bei Frakturen).
10.9.3 Leitsymptomatik 1. Präkomatöse Anzeichen wie: Polyurie, Polydipsie, Appetitlosigkeit, Erbrechen, Gewichtsverlust, Leibschmerzen (Pseudoappendizitis). 2. Übergang innerhalb von Stunden/Tagen in: Unruhe, Bewusstseinstrübung, allmählich große, vertiefte Atmung, Kussmaul’sche Atmung mit Azetongeruch (obstähnlich). 3. Charakteristisch: verfallenes Aussehen, tiefliegende Augen, rascher weicher Puls, weiche Bulbi, niedriger Blutdruck, trockene Haut, Exsikkose, schlechter Turgor. 4. Labor: zuerst immer den Urin mit einem Teststreifen untersuchen: ⫺ Azeton und Glukose im Urin erhöht, ⫺ Blutzucker erhöht, ⫺ Kalium im Serum erniedrigt, ⫺ Blutgasanalyse zeigt oft eine Azidose.
10.9.4 Sofortmaßnahmen 1. Initialer Insulinstoß von 0,5⫺1 I. E./kg Altinsulin, davon ⫺ 1/3 der Gesamtdosis i. v., ⫺ 2/3 der Gesamtdosis i. m.
10.10 Urolithiasis
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2. Danach entweder Insulin in Albuminlösung als kontinuierliche Dauerinfusion oder ½-stündlich i. v. nach Blutzuckerwerten 3. Flüssigkeitsersatz nach Alter, Gewicht und Exsikkosegrad, besonders wichtig: Ersatz z. B. durch Tutofusin“. 4. 3⫺6 Stunden nach Therapiebeginn K⫹ bestimmen und substituieren. Cave: ⫺ Keinesfalls K⫹-Gabe, bevor die Diurese wieder eingesetzt hat! ⫺ Rasche Zufuhr hypotoner Lösungen in größerer Menge birgt die Gefahr eines lebensbedrohlichen Hirnödems. 5. Beginn einer Glukosezufuhr (Glc 5 %) erst, wenn der Blutzucker auf 200 mg/dl gesenkt ist. 6. Azidosetherapie mit NaHCO3 bei pH < 7,2. 7. Evtl. Sedation: Paracetamol-ratiopharm“. 8. Monitorüberwachung. Wichtig: ⫺ ½-stündliche Kontrolle des Blutzuckers, ⫺ 2-stündliche Kontrolle der Blutketonkörper und der Alkalireserve, ⫺ Kontrolle des Serumkaliums.
10.10 Urolithiasis 10.10.1 Leitsymptomatik Kommt bei Jungen häufiger vor als bei Mädchen. 1. Nierenkolik: akut beginnend, heftige krampfartige Schmerzen mit Ausstrahlung in Leiste und Oberschenkel. 2. Kollapsähnliches Bild durch die Intensität der Schmerzen. 3. Aufgetriebenes Abdomen, Nierenlager druck- und klopfempfindlich, Darmgeräusche vermindert, reflektorische Darmatonie. 4. Urinstatus ergibt Hämaturie wechselnden Ausmaßes, Pyurie. 5. Röntgen-Abdomen-Übersichtsaufnahme zeigt u. U. Konkremente in den harnableitenden Wegen. 6. I. v.-Pyelogramm zeigt einen entsprechenden Stop des Kontrastmittels, bzw. eine Dilatation des Ureters kranial vom Hindernis, eine Passagebehinderung im Verlauf des Ureters oder eine Kelchektasie.
220
10 Akutes Abdomen im Kindesalter
10.10.2 Therapeutische Sofortmaßnahmen 1. 2. 3. 4.
Zunächst Bettruhe. Spasmolytika. Reichliche Flüssigkeitszufuhr. Wenn konservative Maßnahmen nicht den Steinabgang herbeiführen, Endoskopie und Ostiumdilatation oder operative Steinbeseitigung (Endoskopieinstrumentarium Storz).
10.11 Hodentorsion 10.11.1 Leitsymptome beim akuten Skrotum 1. Starker Ruheschmerz und Palpationsschmerz im Skrotalbereich und in der Leistengegend. 2. Rötung und Schwellung im Bereich des äußeren Leistenringes und im Skrotum. 3. Peritoneale Reizerscheinung: abdominelle Abwehrspannung, Erbrechen. 4. Kommt am häufigsten bei Säuglingen und Kleinkindern vor.
10.11.2 Operationsindikation Diagnostik erfolgt durch den klinischen Verlauf, den äußeren Aspekt von Leistengegend und Skrotum, den schmerzhaften Palpationsbefund und durch den Ultraschallbefund mit periorchaler Flüssigkeitsansammlung oder bei entsprechenden Untersuchungsmöglichkeiten mit Hilfe der Dopplersonographie Durchblutungsstop der arteriellen Versorgung des Hodens. Dringlicher Eingriff wegen der Gefahr der Hodennekrose durch Ischämie infolge Gefäßtorsion. Maximale Zeitspanne je nach Ausprägung der Torsion 4⫺6 Stunden. Man unterscheidet (Abb. 10-9): ⫺ intravaginale Hodentorsion, ⫺ supravaginale Hodentorsion, ⫺ mesorchale Hodentorsion. Eine intravaginale Hodentorsion (Abb. 10-9) kann mit einer Orchitis verwechselt werden. Es ist daher immer die Tunica vaginalis des Hodens zu spalten, um diese Form der Hodentorsion zu erkennen und um Hydatidentorsionen nicht zu übersehen (Abb. 10-9).
10.12 Eingeklemmter Leistenbruch
221
Abb. 10-9 Formen der Hodentorsion.
10.12 Eingeklemmter Leistenbruch 10.12.1 Vorbemerkungen Besonders zu beachten ⴚ Vermeidung von Komplikationen: Bei Kindern mit Bauchschmerzen oder subileusartigen Zuständen sollen immer eingeklemmte Brüche ausgeschlossen werden. 1. Bruchpforten zwischen Epigastrium und Nabel (epigastrische Hernie, „präperitoneale Lipome“)
222
10 Akutes Abdomen im Kindesalter
2. Bruchpforten in der Nabelgegend: supraumbilikale, infraumbilikale und umbilikale Hernien 3. Bruchpforten in der Leistengegend: eingeklemmter Leistenbruch, Schenkelhernie Eine nicht zu reponierende Leistenhernie stellt eine dringliche Operationsindikation dar. Je kleiner das Kind ist, umso leichter und häufiger kommt es zu Brucheinklemmungen (Abb. 10-10)
Abb. 10-10 Hernie. Typische Bruchstellen an der vorderen Bauchwand (aus: Pschyrembel“, Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter, Berlin, 2004).
10.12.2 Leitsymptome 1. Nicht reponible Schwellung in der Leistengegend, die bis in das Skrotum reichen kann und akut aufgetreten ist. Oft bekannte Anamnese eines Leistenbruches. 2. Schmerzen in der Leistengegend, Ausstrahlung in den Hoden, auffälliges Gangbild bei älteren Kindern. 3. Tastbefund: ⫺ Hydrozele: prall, elastisch, glatt, kugelig, deutlich positive Diaphanoskopie. ⫺ Inkarzerierter Leistenbruch: teigig, weich, nicht kugelig. Haut über der Schwellung ödematös und gerötet. ⫺ Eingeklemmtes Ovar: „flipsender Lymphknoten“ in der Leistengegend. 4. Allgemeinsymptome: ⫺ Erbrechen, ⫺ Fieber, ⫺ evtl. Blut im Stuhl.
10.12 Eingeklemmter Leistenbruch
223
Besonders zu beachten: Bei sichtbarer Tendenz zur Verbreiterung der Narbe soll bereits 14 Tage nach der Operation eine Narbenprophylaxe mit Contractubex“ (Wirkstoffe: Allantoin, Heparin, Extractum Cepae) über einen Zeitraum von 4⫺6 Monaten durchgeführt werden. Dadurch erreicht man kosmetisch einwandfreie Verhältnisse.
10.12.3 Erkrankungsalter und Häufigkeit Die meisten Leistenhernien werden im ersten Lebensjahr gesehen, etwa ein Drittel in den ersten sechs Monaten, da der Leistenkanal bis zu diesem Alter die Bauchdecken vertikal durchläuft (Abb. 10-11). Leistenbrüche verteilen sich auf Jungen mit 89 %, auf Mädchen mit 11 %. Häufigkeit der Leistenbrüche auf der rechten Seite 60 %, auf der linken Seite 15 %, doppelseitiger Leistenbruch 25 %.
Abb. 10-11 Normaler Leistenkanal (links) und Leistenbruch (rechts). (a) Vasa epigastrica inferiora (Pilca umbilicalis lateralis), (b) Pilca umbilicalis medialis (Chorda arteriae umbilicalis), (c) M. rectus abdominis, (d) Pilca umbilicalis mediana (Chorda urachi), (e) Peritoneum, (f) Fascia transversalis, (g) Muskelschicht, (h) subkutanes Fett, (i) Haut, (k) Tunica dartos, (l) Fascia spermatica interna (cremasterica), (m) M. cremaster, (n) Fascia spermatica interna, (o) Processus vaginalis peritonei (verödet), (p) Ductus deferens, (q) Nebenhoden und Hoden, (r) Lamina visceralis (Epiorchium), (s) Lamina parietalis (Periorchium) (aus: Pschyrembel“, Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter, Berlin, 2004).
10.12.4 Formen 1. Leistenbruch (98 % indirekt, d. h. entlang des Leistenkanals bzw. des Funiculus spermaticus),
224
10 Akutes Abdomen im Kindesalter
2. offener Processus vaginalis, 3. Hydrocele testis.
10.12.5 Bruchsackinhalt 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Zaekum und Appendix, Dünndarm, Adnexe/Uterus, Blase, präperitoneales Lipom, versprengtes Nebennierengewebe, Omentum maijus.
10.12.6 Differentialdiagnose 1. 2. 3. 4. 5.
Hodentorsion, Lymphadenitis, torquierte Hydatide, abszedierende Lymphadenitis, intermittierend gefüllte Hydrozele in Folge eines Ventilmechanismus (Stephens) im Bruchsack.
Cave: Immer zunächst den Hoden im Skrotum tasten. Ein im äußeren Leistenring liegender Hoden kann in seltenen Fällen einen eingeklemmten Leistenbruch vortäuschen.
10.12.7 Operationsindikationen 1. Ein diagnostizierter Leistenbruch muss wegen der Inkarzerationsgefahr operiert werden zum Zeitpunkt der Diagnosestellung. Ausnahme sind unreife Säuglinge oder Säuglinge unter 2500 g, die keine Einklemmungserscheinungen aufweisen und unter ambulanter Kontrolle dann nach Erreichen des Alters/Reife operiert werden können. 2. Bei gleichzeitigem Vorliegen eines Leistenbruchs und eines Leistenhodens wird der Leistenbruch operiert und gleichzeitig eine Orchidopexie durchgeführt am Ende des zweiten bzw. Anfang des dritten Lebensjahres falls nicht vorher eine Brucheinklemmung oder eine Hodentorsion aufgetreten sind. 3. Ein nicht reponierbarer Leistenbruch muss als dringlicher Eingriff durchgeführt werden.
10.13 Notfallendoskopie bei akuten Krankheitsbildern bei Kindern
225
4. Leistenbrüche mit rezidivierenden Einklemmungserscheinungen müssen in aufgeschobener Dringlichkeit operiert werden. 5. Mädchen, bei denen das Ovar in den Bruchsack prolabiert ist, müssen im Säuglingsalter operiert werden, da es sonst zu einer Obliteration der Tube oder Atrophie des Ovars kommen kann. 6. Doppelseitige Leistenbrüche werden in einer Sitzung operiert. Eine prophylaktische Revision der kontralateralen Seite beim einseitigen Leistenbruch wird nicht empfohlen. 7. Kompression der A. und V. spermatica sowie der Lymphgefäße am äußeren Leistenring können eine hypoxische Schädigung des Hodens zur Folge haben, was bei prallelastischen Hydrozelen oft nicht erkannt wird. Besonders zu beachten: Eine prall gefüllte Hydrozele darf nicht punktiert werden, da damit die Ursache nicht beseitigt ist. Diese Maßnahme programmiert bereits das Hydrozelenrezidiv. Punktionen bringen die Gefahr der Infektion und der Hodennekrose mit sich. Jede Hydrozele hat eine Kommunikation zur Bauchhöhle, die operativ verschlossen werden muss, als kausale Therapie. Prall gefüllte Hydrozelen sind in ihrer Operationsdringlichkeit wie eingeklemmte Leistenbrüche zu behandeln. Die prall gefüllte Hydrozele klemmt die an ihrer Oberfläche verlaufende Arterie und Vene gegen die Kante des äußeren Leistenringes so stark ab, dass es bei Verzögerung der Leistenrevision zu einer Ischämie des Hodens kommen kann.
10.13 Notfallendoskopie bei akuten Krankheitsbildern bei Kindern ⫺ Indikation ⫺ Technik Als Endoskopiegeräte haben sich die starren und flexiblen Endoskopiegeräte über viele Jahre bei Kindern bewährt. Indikation
Zugang
Zweck
Gerät
Ösophagusperforation
oral
Identifikation der Perforations- Storz stelle Ösophagoskop
Ösophagusvarizen- oral blutung
Identifikation der Blutungsquelle, Laserkoagulation oder Varizenverödung
Storz Ösophagoskop
oberes gastrointes- oral tinales System
Identifikation und Lokalisation der Blutung, Blutstillung, Biopsieentnahme
Storz Gastroskop
226
10 Akutes Abdomen im Kindesalter
Indikation
Zugang
Zweck
unteres gastroanal intestinales System
Storz Koloskop
Magenperforation
Storz Gastroskop Storz Bronchoskop Storz Bronchoskop Storz Zystoskop Storz Arthroskop
Trachea-/ Bronchialeinriss Hämoptoe Zystoskopie Arthroskopie
Identifikation und Lokalisation von Blutungen, Blutstillung, Biopsieentnahme oral Identifikation und Lokalisation der Perforationsstelle oral Identifikation und Lokalisation der Perforationsstelle oral Identifikation und Lokalisation der Blutungsquelle urethral Identifikation und Lokalisation von Blutung oder Ruptur perkutan Identifikation und Lokalisation von Meniskusläsion
Gerät
10.14 Gastrointestinale Blutungen 10.14.1 Vorbemerkung Die meisten Blutungen des GI-Traktes im Kindesalter sind nicht massive Blutungen, so dass genug Zeit für eine gründliche Anamneseerhebung und körperliche Untersuchung des Kindes bleibt. Immer sind Blutgerinnungstörungen und gegebenenfalls Faktor-XIII-Mangelzustände initial auszuschließen. Es sollten hinsichtlich der Diagnosestellung vier Altersgruppen unterschieden werden: 1. 2. 3. 4.
Neugeborene, 1.⫺12. Monat, 1.⫺2. Lebensjahr, älter als zwei Jahre,
10.14.2 Gastrointestinale Blutungen im Neugeborenenalter Vorbemerkung Häufig Vitamin-K-Mangel bei voll gestillten Kindern! Ursachen (Abb. 10-12) 1. Verschlucktes Blut aus dem Nasen-Rachen-Raum, 2. Gastritis, Magenerosionen,
10.14 Gastrointestinale Blutungen
227
Abb. 10-12 Ursachen für gastrointestinale Blutungen im Kindesalter.
3. Malrotation und Volvulus, 4. nekrotisierende Enterokolitis, 5. Fissuren. Beachte: Konakion-Gabe (1 Tropfen/kg KG).
Hinweise ⫺ Frühgeborene und Kinder mit schlechtem Apgar-score neigen zur Stressgastritis. ⫺ Therapie: Antazida in kleinen Dosierungen. ⫺ Endoskopischer Ausschluss eines peptischen Ulkus bei starker Hämatemesis. ⫺ Die nekrotisierende Enterokolitis oder der Volvulus verursachen dunkle, bluttingierte, oft auch schleimige Stühle (und gehen mit Schmerzen einher), während bei einer Fissur hellrotes Blut, nicht mit dem Stuhl vermischt, gesehen wird. Die nekrotisierende Enterokolitis kann in vielen Fällen mit Antibiotika und parenteraler Ernährung beherrscht werden.
228
10 Akutes Abdomen im Kindesalter
⫺ Adäquate Therapie bei einer Fissur sind milde Laxantien (z. B. Lactulose-ratiopharm“) und rektale Dehnung dreimal/Tag oder Fissurektomie und Schleimhautnaht.
10.14.3 Gastrointestinale Blutungen im Alter von 1 bis 12 Monaten Ursachen (Abb. 10-12) 1. Ösophagitis, 2. Gastritis, Magenerosionen, Magenulkus, 3. Invagination. Die Ösophagitis ist in diesem Alter meist die Folge eines gastroösophagealen Refluxes. Diagnose ⫺ Ösophagoskopie, Gastroskopie (Storz-Instrumentarium). ⫺ intraösophageale pH-Bestimmung (Refluxdiagnostik). ⫺ Manometrie, Ösophagoskopie (Hiatusherniendiagnostik, Refluxdiagnostik). ⫺ Kontrastdarstellung der Speiseröhre zum Ausschluss einer Zwerchfellhernie. ⫺ Zu Invagination s. Abschn. 10.7.3. ⫺ Bei einer rektalen Blutung sollte eine Rektoskopie durchgeführt werden. Therapie Konservative oder chirurgische Beseitigung der Ursache.
10.14.4 Gastrointestinale Blutungen im 1. bis 2. Lebensjahr Ursachen (Abb. 10-12) ⫺ Peptische Ulzera, ⫺ Polypen, ⫺ Meckel’sches Divertikel. Peptische Ulzera haben in diesem Alter ihre Ursache meist außerhalb des Gastrointestinaltraktes:
10.14 Gastrointestinale Blutungen
⫺ ⫺ ⫺ ⫺
229
Verbrennungen, Corticoid-Therapie, Leukämie, Sepsis.
Diagnose Endoskopisch. Therapie ⫺ Antazida. ⫺ H2-Antagonisten. ⫺ Bei massiven Blutungen und Teerstühlen unverzüglich explorative Laparoskopie. ⫺ Bei Polypen: Proktoskopie bzw. Koloskopie und wenn möglich transrektale Abtragung. Beachte: Histologische Untersuchung von adenomatöse Polypen zum Ausschluss einer familiären Polyposis intestini. Keine Knipsbiopsien durchführen. Polypen in toto entfernen und histologisch untersuchen lassen. Ausschluss eines Meckel’schen Divertikels mittels Laparoskopie.
10.14.5 Gastrointestinale Blutungen nach dem 2. Lebensjahr Ursachen (Abb. 10-12) ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Ösophagusvarizen, Polypen, entzündliche Darmveränderungen: M. Crohn, Colitis ulcerosa, Trauma, Morbus Schönlein-Henoch.
Ösophagusvarizen treten häufig nach einer Portalvenenthrombose auf. Erstes Symptom ist oft eine massive Hämatemesis. Die körperliche Untersuchung zeigt neben einer Splenomegalie starke Bauchvenenverzeichnung und evtl. Hämorrhoiden.
230
10 Akutes Abdomen im Kindesalter
Diagnose ⫺ Ösophagoskopie, ⫺ Röntgendarstellung der Speiseröhre, ⫺ Laborwerte: Transaminasen, Gamma GT, LDH, Gerinnung. Therapie ⫺ Bluttransfusion (Ery-Konzentrat/ml ⫽ gewünschter Hb-Anstieg ⫻ kg KG ⫻ 3 oder Vollblut/ml ⫽ gewünschter Hb-Anstieg ⫻ kg KG ⫻ 6), ⫺ evtl. Sklerosierung der Ösophagusvarizen, danach engmaschige endoskopische Kontrollen. Differentialdiagnose ⫺ Zum Ausschluss eines M. Crohn bzw. einer Colitis ulcerosa: Stufenbiopsien, ⫺ rektale Blutung: besonders bei Kindern unter dem 10.Lebensjahr immer eine Koloskopie zum Ausschluss einer familiären Polyposis intestini durchführen! Beachte: ⫺ generell immer Parasiten (Amöben, Helminthen) ausschließen: ⫺ Patienten mit persistierenden, konservativ nicht zu diagnostizierenden Blutungen sollten einer explorativen Laparoskopie zugeführt werden.
10.15 Stumpfes Bauchtrauma im Kindesalter 10.15.1 Vorbemerkung Hauptursachen: ⫺ Verkehrsunfälle, ⫺ Stürze vom Balkon oder aus dem Fenster. Verletzungshäufigkeiten: ⫺ 40⫺60 % Milz, ⫺ 10⫺20 % Leber, ⫺ 5⫺15 % Gastrointestinaltrakt. Die Letalität ist bei Kindern mit begleitendem Schädel-Hirn-Trauma besonders hoch.
10.15 Stumpfes Bauchtrauma im Kindesalter
231
10.15.2 Symptome 1. allgemeine Symptome: ⫺ Blässe, kollabierte Venen, ⫺ Puls steigt, Kreislaufinsuffizienz, RR sinkt (Schockindex!), ⫺ beginnendes Atemnotsyndrom, ⫺ Fieber. 2. abdominelle Symptome: ⫺ lokalisierter Bauchschmerz, ⫺ Abwehrspannung, ⫺ Schulterschmerz (Phrenicusverletzung).
10.15.3 Diagnose 1. Labor: ⫺ Hb-Verlauf (engmaschig), ⫺ Leukozytose, ⫺ Amylase, ⫺ Transaminasen, ⫺ Hämaturie. 2. Kontrolle: Puls, Blutdruck (Monitoring), Ein- und Ausfuhr von Flüssigkeiten (Blasenkatheter). 3. Peritoneallavage: ⫺ Instillation von mindestens 200⫺300 ml körperwarmer NaCl-Lösung 0,9 %, Untersuchung des Sekretes auf Erythrozyten, Amylase, Pflanzenzellen oder ⫺ explorative Laparoskopie. 4. Abdomen-Sonographie: freie Flüssigkeit. 5. Abdomen-Röntgenübersicht: freie Luft.
10.15.4 Milzruptur Beachte: Beim Kind oft ohne Rippenfraktur.
Symptome ⫺ Unfallereignis anamnestisch erfassen, ⫺ spontaner Schmerz im linken Oberbauch, ⫺ Druckempfindlichkeit am Unterrand des linken Rippenbogens,
232
10 Akutes Abdomen im Kindesalter
⫺ linksseitiger Schulterschmerz, ⫺ beginnende Schocksymptomatik (Schockereignis), ⫺ Atemnotsyndrom. Diagnose ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Leukozytose, rektale Untersuchung: vorgewölbter Douglasraum, Bauchdeckenspannung (nicht obligatorisch!), Abdomen-Übersichtsaufnahme: Zwerchfellhochstand links, Abdomen-Sonographie: freie Flüssigkeit intraperitoneal.
Cave: Zweizeitige Milzruptur noch nach Tagen möglich! (Sono-Kontrolle!) Therapie ⫺ Laparoskopie/Laparotomie mit Milznaht bei unkompliziertem Organeinriss, ⫺ partielle Splenektomie, ⫺ Splenektomie bei Zertrümmerung der Milz und Versuch der Milzreplantation, ⫺ Magenschlauch als Antiaspirationsmaßnahme, ⫺ 1⫺2 venöse Zugänge und Infusion (Tutofusin“) anlegen. Komplikationen nach Splenektomie 1. Thrombozytose bis 1,2 Mio/mm3; Therapie: Acetylsalicylsäure 2. Pneumokokkensepsis; Prophylaxe: Antibiotika
10.15.5 Magen-Darm-Ruptur Vorbemerkung Stumpfes Bauchtrauma, Magenruptur oder Darmruptur mit ausfließendem Magen- bzw. Darminhalt, Peritonitis. Symptome der Peritonitis 1. Erbrechen, massive abdominelle Vorwölbung, 2. Puls- und Temperaturanstieg (siehe auch Peritonitis, siehe Abschn. 10.7.4), 3. Stuhl- und Windverhaltung.
10.15 Stumpfes Bauchtrauma im Kindesalter
233
Magenruptur 1. Vorkommen: besonders bei Unfällen mit gefülltem Magen. 2. Symptome ⫺ Schmerz im Oberbauch, ⫺ oberflächliche Atmung, ⫺ Hämatemesis, ⫺ Abwehrspannung. 3. Diagnose ⫺ Röntgenübersichtsaufnahme Abdomen im Stehen: Luftsichel unter der Zwerchfellkuppel, ⫺ Peritoneallavage, ⫺ Gastroskopie. Duodenalruptur 1. oft retroperitoneal, daher retroperitoneale Lokalisation von ⫺ Emphysem, ⫺ Phlegmone, ⫺ Hämatom, 2. evtl. Hämatemesis, 3. Pulsfrequenzanstieg, akutes Abdomen, 4. Diagnose durch Endoskopie. Dünndarm- bzw. Kolonruptur 1. Schweregrad: ⫺ Serosaeinriss, ⫺ Wandhämatom, ⫺ Perforation. 2. Diagnose durch abdominelle Übersichtsaufnahme mit freier Luft unter dem Zwerchfell und diagnostischer Laparoskopie. 3. Therapie: ⫺ operative Revision, d. h. Entfernung des Hämatoms, Resektion der Perforationsöffnung und Verschluss der Perforationsöffnung durch Naht, ⫺ generell: postoperativ Antibiotikatherapie, parenterale hochkalorische Ernährung.
10.15.6 Verletzung der Leber Symptome Stumpfes Bauchtrauma und im Anschluss daran spontaner bzw. Palpationsschmerz im rechten Oberbauch.
234
10 Akutes Abdomen im Kindesalter
Diagnose ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Erhöhte Transaminasen, Sonographie (Leberriss, Hämatom, freie Flüssigkeit), Peritoneallavage, CT/MR, Laparoskopie.
Cave: Zweizeitige Ruptur der Leber möglich! Therapie ⫺ Operative Revision, evtl. Leberteilresektion. ⫺ Postoperativ: Breitspektrumantibiotika (zum Beispiel Cefotaxim-ratiopharm“), Vitamin K, Gerinnungsfaktoren, fresh frozen plasma, hochkalorische parenterale Ernährung. ⫺ Bei fehlender freier Flüssigkeit (kein Blut im Abdomen) und subkapsulärem Hämatom kann mit der operativen Revision zunächst gewartet werden. Folgende Kontrollen sind notwendig: a) abdomineller Befund, b) Ultraschallbefund, c) Blutbefund. ⫺ Eine Operationsindikation ist dann gegeben, wenn eine akute Verschlechterung durch Kapselruptur oder Nachblutung oder Leberabszess entsteht. Komplikationen ⫺ Hämorrhagische Diathese, Nachblutung in der Leber, ⫺ Leberabszess durch aufsteigende Infektion über die Gallenwege verursacht durch Sogwirkung innerhalb der intrahepatischen Gallenwege in Richtung freie Bauchhöhle (Druckgefälle), ⫺ gallige Peritonitis, ⫺ Hypoglykämie, ⫺ Hypalbuminämie, ⫺ Hämobiliesyndrom.
10.16 Akute Pankreatitis 10.16.1 Vorbemerkung Die akute Pankreatitis hat eine hohe Letalitätsrate (10⫺30 %), so dass man die Behandlung der betroffenen Kinder auf einer Intensiveinheit durchführen sollte (siehe nachfolgende Ätiologie-Übersicht).
10.16 Akute Pankreatitis
235
10.16.2 Ätiologie der Pankreatitis im Kindesalter 1. „Idiopathisch“ 2. Trauma: stumpfes Bauchtrauma, Pankreasruptur: ⫺ sofort, akut, ⫺ mit freiem Intervall, ⫺ postoperativ (selten). 3. Medikamente: ⫺ Corticosteroide, ACTH, ⫺ L-Asparaginase, ⫺ Chlorothiacide, ⫺ Salazosulfapyridine, ⫺ Tetracycline. 4. Im Rahmen von anderen Erkrankungen: ⫺ Mumps, ⫺ Mukoviszidose, ⫺ Hyperparathyreodismus, ⫺ Diabetes mellitus, ⫺ Hepatitis, ⫺ Lupus erythematodes, ⫺ Polyarteriitis nodosa, ⫺ terminale Nierenerkrankungen, ⫺ schwerer Eisenmangel, ⫺ ausgedehnte Verbrennungen, ⫺ intraabdominelle Sepsis. 5. Hereditär, familiär: ⫺ Hyperlipidämie, ⫺ Aminoazidurie. 6. Galle-Abflussstörungen (selten) durch Missbildungen: ⫺ intrapankreatische Duplikatur des Duodenums oder des Magens, ⫺ Pancreas annulare, ⫺ Papillenstenose, ⫺ Choledochusszyste, ⫺ intrakanalikulärer Tumor, ⫺ intrapankreatisches Lymphangiom. 7. Sekundär: ⫺ Cholelithiasis (bei Hämolyse), ⫺ Askariden.
10.16.3 Leitsymptome ⫺ Sehr schlechter Allgemeinzustand innerhalb von 3⫺5 Tagen, ⫺ Schmerzen im linken Oberbauch, auch in den Rücken ausstrahlend,
236
10 Akutes Abdomen im Kindesalter
⫺ paralytischer Ileus und generalisierte Abwehrspannung, ⫺ Aszites, ⫺ hochfieberhafte Erkrankung. Besonders zu beachten: Die posttraumatische Pankreatitis wird oft nach einem stumpfen Bauchtrauma mit einer abdominellen Fahrradlenkerverletzung nicht erkannt.
10.16.4 Diagnose 1. Labor: ⫺ Serumanalyse x 100 U/l, ⫺ Leukozytose mit Linksverschiebung im Differentialblutbild, ⫺ evtl. intermittierende Hyperglykämie und Glukosurie, ⫺ Hypokalzämie als prognostisch ungünstiges Zeichen. 2. Röntgen: ⫺ Thorax: Zwerchfellhochstand links, Pleuraerguss links, ⫺ Abdomen: Spiegelbildungen, evtl. Verkalkungen im Pankreasbereich. 3. Sonographie, CT, MR: ⫺ aufgelockerte Gewebestruktur des Pankreas, ⫺ Verlaufskontrolle zum Ausschluss der Entwicklung von Pankreaspseudozysten.
10.16.5 Therapie 1. Magensonde (um den Sekretionsreiz des Pankreas durch den sauren Magensaft zu stoppen), 2. absolute Nahrungskarenz, 3. engmaschige RR-Kontrolle, nach Möglichkeit ZVD messen (Monitoring), 4. Einfuhr-Ausfuhr-Kontrolle (Blasenkatheter), 5. sorgfältige Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution, besonders Ca⫹⫹ (Tutofusin“), 6. Breitspektrum-Antibiotikum nach Blutkultur bzw. Peritonealabstrich, 7. Gabe von Somatostatin“, 8. Laparotomie: ⫺ Entfernung von Pankreasnekrosen, ⫺ Erhaltung der Milz oder Teile der Milz,
10.17 Narbenprophylaxe
237
⫺ Entfernung von Abszessen subdiaphragmal, subhepatisch, im omentum majus oder minus, ⫺ Drainagen einlegen subdiaphragmal, subhepatisch, in die bursa omentalis, entlang der großen Gefäße, in den Douglas’schen Raum, ⫺ Breitbandantibiotika Ampicillin-ratiopharm“, ⫺ Immunglobuline zur Verminderung einer Sepsis: z. B. Endobulin S/D“, ⫺ parenterale Ernährung: Tutofusin“, Aminofusin“, ⫺ Intensivmonitoring (Dräger), ⫺ Blasenkatheter.
10.16.6 Komplikationen 1. Übergang in die akute hämorrhagische Pankreasnekrose mit der Gefahr der toxisch bedingten Leber- und Niereninsuffizienz, Sepsisgefahr, Mesenterialthrombosegefahr, abdominelle Blutungsgefahr. 2. Ausbildung einer Pankreaspseudozyste, besonders nach Traumata. Typisch ist das freie Intervall zwischen den Beschwerden mit der Pankreatitis und der Entstehung der Pankreaspseudozyste. 3. Sicht- und tastbarer Oberbauchtumor (Pankreaszyste). 4. Vollgefühl, Übelkeit, Erbrechen. 5. Labor: Amylase in Serum und Urin stark erhöht, Lipase im Serum erhöht.
10.16.7 Diagnosesicherung der Pankreaszyste Sonographie, CT, MR
10.16.8 Therapie der Pankreaszyste Drainage der Pseudozyste nach außen, Zystojejunostomie mit Roux-YAnastomose.
10.17 Narbenprophylaxe Bei Kindern ist es im besonderen Maße wichtig, darauf zu achten, dass nach Weichteilverletzungen, nach Laparoskopien und nach Laparotomien die Wundverhältnisse und später die Narbenverhältnisse unauffällig und kosmetisch einwandfrei sind. Die Qualität der gesamten Operation wird häufig an der äußeren Erscheinungsform der Wundverhältnisse auf der äußeren Haut gemessen.
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10 Akutes Abdomen im Kindesalter
Eine Optimierung der Narbenverhältnisse kann erreicht werden, indem bei den Subkutannähten atraumatisches Nahtmaterial (Vicryl 3-0 oder 4-0) in invertierender Nahttechnik verwendet wird, so dass dadurch die Spannung im Gewebe und später auf der äußeren Hautnaht weggenommen bzw. minimiert werden. Die Hautnaht kann dann mit einer exakt geführten intrakutanen Hautnaht erfolgen. Stellen sich postoperativ in den ersten 14 bis 21 Tagen Wunddehiszenzen bzw. Anzeichen für eine Verbreiterung der Wundreadaptation mit vorhersehbarer breiter und entstellender Narbe ein, so empfiehlt sich die frühzeitige Applikation von Contractubex“. Die Salbe wird 1⫺2-mal täglich über einen Zeitraum von 3⫺5 Minuten lokal eingerieben und kann dann vorübergehend durch einen Schutzverband abgedeckt werden. Bereits niveauerhabene Narbenbildungen können zusätzlich z. B. über Nacht mit einem Kompressionsverband versehen werden, um zusätzlich durch den Effekt der Kompression eine positive Auswirkung auf die Wundheilung und Reduzierung einer Narbe zu erzielen. Die Narbentherapie sollte sich dabei mindestens über einen Zeitraum von 6 Monaten erstrecken. Die Beurteilung der Wirkung von Contractubex“ bzw. die dadurch erreichte Verkleinerung einer Narbe kann durch Ultraschalluntersuchungen mit Ultraschallköpfen ab 7,5 MHz objektiviert werden. Die pharmakokinetische Wirkung von Contractubex“ geht von den drei Wirkstoffen Allantoin, Heparin und Extractum Cepae aus. Allantoin wirkt über eine Stimulierung der Zellneubildung epithelialisierend, ohne dabei eine hypertrophe Zellvermehrung zu induzieren. Allantoin erhöht die Wasserbindungskapazität, was besonders bei älteren, indurierten Narben bedeutsam ist. Es wirkt keratolytisch und fördert die Penetration von Wirkstoffen wie Heparin. Weiterhin besteht durch Allantoin eine reizmildernde Wirkung. Heparin wirkt antiphlogistisch und antiallergisch. Es inhibiert die Fibroblastenproliferation und besitzt hydratisierende Eigenschaften, durch die der Hautturgor im Wundbereich erhöht wird. Der erhöhte Hautturgor führt zu einer erhöhten Spannung der kollagenen Fibrillen, wodurch über einen Rückkopplungsmechanismus eine verringerte Freisetzung von Mediatoren erfolgt, die eine Mobilisierung von für die Narbenbildung verantwortlichen Zellen verantwortlich sind (Fibrozyten etc.) Extractum Cepae besitzt antiphlogistische und antiallergische Eigenschaften und wirkt antiödematös. Extractum Cepae hemmt die Fibroblastenproliferation und besitzt eine Proteinfraktion, von der eine antimitotische Aktivität ausgeht. Aufgrund der positiven klinischen Erfahrungen wird Contractubex“ bei der Wundbehandlung im Sinn eines Narbenprophylaktikums und eines Narbentherapeutikums empfohlen.
11 Frakturen und Luxationen
11.1 Allgemeine Vorbemerkungen 11.1.1 Einteilung der geschlossenen Frakturen mit Weichteilschaden Die Einteilung geht auf Tscherne und Oestern zurück. Die Haut über dem Knochenbruch ist intakt. ⫺ Grad 0: kein oder nur geringer Weichteilschaden; einfache, unkomplizierte Frakturform, z. B. Unterschenkeltorsionsfraktur. ⫺ Grad 1: oberflächliche Weichteilläsion, Weichteilkontusion, einfache bis mittelschwere Bruchform, z. B. Luxationsfrakturen im oberen Sprunggelenk. ⫺ Grad 2: tiefe Schürfwunden und umschriebene Muskel- und Hautkontusionen durch direkte Gewalteinwirkung. Hierzu gehört auch das Kompartmentsyndrom mit einer mittelschweren bis schweren Bruchform, z. B. Zwei-Etagen-Fraktur. ⫺ Grad 3: ausgedehnte Hautkontusion, Hautquetschungen und Zerstörung der Muskulatur sowie subkutanes Decollement mit manifestem Kompartmentsyndrom und Verletzung von Gefäßen mit Trümmerund Stückbrüchen.
11.1.2 Einteilung von offenen Frakturen Haut über der Fraktur ist eröffnet. Es besteht die Gefahr der Wundinfektion und der Osteomyelitis. ⫺ Grad I: Wunde unter 10 mm Länge, geringer Weichteilschaden ⫺ Grad II: Wunde über 10 mm Länge, ausgedehnter Weichteilschaden ⫺ Grad III a/b/c: schwerer Weichteilschaden an Haut, Muskulatur, Nerven und Gefäßen
11.1.3 Wichtige Behandlungsgrundsätze bei den Frakturen Patienten mit Frakturen können ein Polytrauma erlitten haben. Daher Diagnostik nach Verletzung mehrer Organe, die lebensbedrohlich sein können, durchführen.
240
11 Frakturen und Luxationen
Score-Systeme können helfen, die Verletzungsschwere zu definieren: Injury Severity Score (ISS). Bei polytraumatisierten Patienten erfolgt die Stabilisierung der Vitalfunktionen primär mit der operativen Versorgung. Die folgenden 24 Behandlungsrichtlinien sind verbindlich: 1. Bei Patienten, bei denen der Verdacht auf eine Fraktur besteht, muss der verletzte Gliedabschnitt sorgfältig behandelt werden (Umlagerung, diagnostische Maßnahmen, Transport mit Hilfe von Luftkissenschienen), um nicht ⫺ den Schock zu vertiefen, ⫺ Gewebsschädigungen zu vermehren, ⫺ zusätzliche Frakturen zu setzen. 2. „Frakturpatienten“ müssen im Hinblick auf mehrere Frakturen an verschiedenen Körperstellen untersucht werden (Skelettprüfung). 3. Stumpfes Thoraxtrauma und Bauchtrauma ausschließen (s. Kap. 8 und Abschn. 9.2). 4. Nie Repositionsmanöver, bevor eine adäquate Schocktherapie (s. Kap. 4) eingeleitet wurde. 5. Bei jeder Reposition müssen die Röntgenbilder vor beleuchteter Mattscheibe sichtbar sein. 6. Vor jeder Reposition und Knochenoperation müssen Nerven- und Durchblutungsverhältnisse genau überprüft sein. 7. Konservative Therapie beinhaltet folgende Schritte: ⫺ Reposition der Fragmente, ⫺ Ruhigstellung/Immobilisation in Gips oder Scotchcast, ⫺ funktionelle Nachbehandlung. 8. Bei jeder Reposition wird das distale Fragment auf das proximale eingestellt. Jedes Repositionsmanöver hat unter Bildwandlerkontrolle zu erfolgen mit gleichzeitiger Bilddokumentation. 9. Nach jeder Reposition sind für ca. 48⫺72 h die Zirkulationsverhältnisse genau zu überprüfen: Man achte auf Hauttemperatur, Hautfarbe, Sensibilität und Puls. Patienten über Stauungszeichen aufklären. Röntgenkontrollen am Tag der Reposition, am 3. und am 7. Tag. 10. Jeder immobilisierende Verband muss folgende Daten tragen: Diagnose, Datum, Name des Arztes. 11. Äußerungen des Patienten, der einen immobilisierenden Verband erhalten hat, im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand haben forensisch gesehen eine wichtige Bedeutung. 12. Auf den Blutverlust reagiert der Körper mit der Ausschüttung von Katecholaminen, was zu einer Minderperfusion von Organen (z. B.
11.1 Allgemeine Vorbemerkungen
13.
14. 15. 16. 17.
18.
19. 20. 21. 22.
23.
241
Niere, Darm) führen kann. Dies kann auch zu Einschränkungen der Immunabwehr, zur Sepsisneigung, zu SIRS (systemic inflammatory response syndrome) oder zu einem Multiorganversagen (MOV) führen. Fehler bei der Anlage immobilisierender Verbände können durch eine insuffiziente Polsterung und durch harte Druckstellen des Verbandes entstehen: Durchblutungsstörungen, Schwellungen, Sensibilitätsstörungen, Drucknekrosen, sekundäre Dislokationen. Sekundäre Achsenfehlstellungen im Frakturbereich können durch Keilung des immobilisierenden Verbandes korrigiert werden. Rotationsfehler werden durch späteres Wachstum oder im Rahmen des Ausheilungsprozesses nicht ausgeglichen. Jeder immobilisierende Verband muss die beiden der Fraktur benachbarten Gelenke einschließen. Bei stark geschwollenen Weichteilen soll nach der Reposition und nach dem Anlegen des immobilisierenden Verbandes dieser bis auf den „letzten Faden“ gespalten werden. Der definitive Verschluss des immobilisierenden Verbandes erfolgt durch zirkuläre Binden nach Abschwellen zwischen dem 3. und 5. Tag. Die Dringlichkeit der stabilen Osteosynthesen ermöglicht erst, alle modernen intensiv-therapeutischen Maßnahmen zur Anwendung zu bringen. Schock- und Fettemboliegefahr werden dadurch frühzeitig reduziert. Gefäßrekonstruktionen sind bei gleichzeitiger primärer Osteosynthese von Dauererfolg. Die Überlebenschance bei Knochenbrüchen alter Menschen wird durch Vermeidung der Früh- und Spätkomplikationen und durch die Verbesserung der Pflegefähigkeit erheblich angehoben. Hochlagerung der entsprechenden Extremität. Wirkungsvolle antiphlogistische Therapie über 3 Tage mit Proxen“Suppositorien (3 ⫻ 500 mg). Thromboseprophylaxe mit Heparin Na/Ca ratiopharm“. Vermeidung der posttraumatischen Pneumonie durch Atemtherapie, d. h. Atmen gegen einen Widerstand (Physiotherapie) und durch frühzeitige Mobilisation, d. h. frühzeitige stabile Osteosynthese. Überblick über Blutverluste bei verschiedenen Frakturlokalisationen: ⫺ Oberarmfraktur: 200⫺1000 ml, ⫺ Oberschenkelfrakturen bis 3000 ml, ⫺ Unterschenkelfrakturen bis 500 ml, ⫺ Beckenfrakturen 4000 ml und mehr.
242
11 Frakturen und Luxationen
24. Extensionsbehandlungen spielen eine untergeordnete Rolle, sie dienen heute nur noch zur temporären Ruhigstellung.
11.1.4 Behandlung des Verletzten als vordringlichste Maßnahme 1. Freilegen der Atemwege; Beseitigung der Verlegung der oberen Luftwege durch Absaugen von Blut, Schleim und Erbrochenem. 2. Freihalten der luftzuführenden Atemwege, daher Lagerung des Patienten in Oberkörper- und Kopftieflage (Antiaspirationsstellung). 3. Künstliche Beatmung (Beatmungsgeräte Drägerwerke). 4. Schocktherapie (Verletzungs- und Blutungsschock), i.-v.-Zugang sichern (s. Abschn. 4.7). Wichtig: Ruhigstellung des Knochenbruches; jeder Eingriff im Schock vertieft das Schockstadium. 5. Stillung von äußeren Blutungen. 6. Infektionsverhütung bei offenen Frakturen (z. B. mit Ampicillin ratiopharm“, Cefotaxim ratiopharm“, Clindamycin ratiopharm“). 7. Schmerzbekämpfung, wenn der Patient nicht bewusstlos ist, die Atmung intakt ist und keine abdominellen Begleiterscheinung vorliegen: Tramadol ratiopharm“. 8. Schutz vor Wärmeverlust: Patient in Decken einwickeln, zudecken.
11.1.5 Kompartmentsyndrom Vorbemerkungen und Definition Beachte zur Vermeidung von Fehldiagnosen: Das Kompartmentsyndrom ist häufig, was die Definition, die Diagnose und Therapie anbelangt, nicht ausreichend bekannt. Dies kann jedoch in der Frakturbeurteilung und in der Frakturtherapie zu folgenschweren Komplikationen führen, die forensisch gesehen negative Auswirkungen haben können. Das Kompartmentsyndrom kommt am häufigsten bei kombinierten Knochen-, Weichteil- und Gefäßverletzungen vor. Die Druckerhöhung in den Muskellogen entsteht durch das frakturbedingte Hämatom und Ödembildungen in der postischämischen Phase. Durch Erhöhung des Gewebeinnendrucks kommt es zu einer peripheren Minderdurchblutung, z. B. der unteren Extremität. Die Muskulatur ist dadurch vital gefährdet. Irreparable Schäden sind unweigerlich die Folge, wenn nicht innerhalb von wenigen Stunden die Durchblutung wiederhergestellt
11.1 Allgemeine Vorbemerkungen
243
wird. Die Druckerhöhung im Kompartment muss durch eine ausgedehnte Fasziotomie aller Faszienlogen und Verminderung des Drucks erreicht werden. Der subfasziale Gewebedruck liegt normalerweise unter 5 mm Hg. Bei einer länger andauernden Überschreitung des subfaszialen Gewebedrucks von mehr als 30 mm Hg ist eine ausreichende kapilläre Durchblutung nicht mehr zu erwarten, wenn nicht sofort eine Druckentlastung vorgenommen wird. Hier ist eine Indikation zur Fasziotomie gegeben. Leitsymptome 1. Rasch zunehmende, krampfartig bohrende Schmerzen in der verletzten Extremität. 2. Parästhesien, Hypästesien, Gefühllosigkeit. 3. Störungen der Muskelfunktion. 4. Palpation ist schmerzhaft, das Gewebe ist von harter Konsistenz. 5. Periphere Arterienpulse und die Kapillarzirkulation sind im Initialstadium tastbar. Man unterscheidet das prämanifeste vom manifesten Kompartmentsyndrom ist durch Schmerzen charakterisiert, das manifeste Kompartmentsyndrom durch neurologische Ausfallerscheinungen. Beachte: Der nachgewiesene Arterienpuls spricht initial nicht gegen ein Kompartmentsyndrom. Stadieneinteilung des Kompartmentsyndroms ⫺ Stadium 1: Hautverfärbung limitiert auf Bereiche entlang z. B. der Tibiakante mit entsprechenden Parästhesien. Der periphere Puls der A. dorsalis pedis ist noch tastbar. ⫺ Stadium 2: Die peripheren Pulse sind nicht mehr erhalten. Es bestehen motorische Ausfälle der Fußheber und Hypästesien bis Anästhesien. Die Muskulatur ist ischämisch geschwollen mit beginnender Nekrose. ⫺ Stadium 3: Nekrose der Muskulatur, völlige Aufhebung von Motorik und Sensibilität, beginnende und manifeste Hautnekrose. Schweregrad und Dauer der Weichteilkompression sind für die Prognose bedeutsam. Vorkommen ⫺ Unterschenkel ⫺ Unterarm (Volkmann)
244
⫺ ⫺ ⫺ ⫺
11 Frakturen und Luxationen
Oberschenkel Oberarm Becken Wirbelsäule
Beachte: Es können Erwachsene, aber auch Kinder und Säuglinge betroffen sein! Hauptlokalisation des Kompartmentsyndroms bei geschlossenen Frakturen und schweren Weichteilverletzungen sind ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Unterschenkel, Ellenbogen, Oberschenkel, Unterarm Inguinalregion.
Am häufigsten ist jedoch der Unterschenkel mit seinen vier Muskellogen befallen. Bei den vier Muskellogen des Unterschenkels sind wiederum der Häufigkeit nach befallen: 1. 2. 3. 4.
Streckerloge Fibularisloge oberflächliche Beugerloge tiefe Beugerloge
Vier Faszienlogen des Unterschenkels: ⫺ Loge 1: Musculus tibialis anterior zwischen Tibia und Fibula. Nerven und Gefäße: N. peroneus profundus und vasa tibilalia anteriora. ⫺ Loge 2: Lokalisation lateral der Fibula. Nerven und Gefäße: N. peroneus superficialis und die das Septum durchbrechende Muskelarterie. ⫺ Loge 3: Lokalisation dorsal von Tibia und Fibula. Nerven und Gefäße: N. tibialis und vasa tibialia posteriora und vasa peronea. ⫺ Loge 4: Lokalisation dorsal der Muskelloge 3. Nerven und Gefäße außerhalb der Loge: V. saphena magna, N. saphenus sowie V. saphena parva und N. suralis. Die Logen werden durch folgende Septen getrennt: 1. Septum intermusculare anterius zwischen Loge 1 und 2. 2. Membrana interossea zwischen Loge 1 und 3.
11.1 Allgemeine Vorbemerkungen
245
3. Septum intermusculare posterius zwischen Loge 2 und 4. 4. Fascia cruralis V. saphena profunda zwischen Loge 3 und 4. Behandlung 1. Sämtliche Verbände, insbesondere Gipsverbände, müssen breit eröffnet oder entfernt werden. 2. Fasziotomie zur Entlastung des Gewebedrucks und anschließende Muskelbiopsie zur Beurteilung des Muskelschadens 3. Stabilisierung der Fraktur, z. B. mit einem Fixateur externe. 4. Die Faszie bleibt nach durchgeführter Fasziotomie offen. 5. Die Haut kann adaptiert werden oder muss ebenfalls offen bleiben. 6. Das Kompartmentsyndrom bildet sich nach erfolgter Fasziotomie innerhalb von 5⫺8 Tagen zurück. 7. Die Wunde kann später durch eine Sekundärnaht verschlossen werden.
11.1.6 Wie beschreibt man eine Fraktur? Es empfiehlt sich, nach folgendem Schema vorzugehen; Abbildung 11-1, Frakturtypen. Die genaue Bezeichnung des Frakturbereichs ergibt sich aus der Lokalisation der Fraktur. Schaftfrakturen können durch den proximalen Schaft, durch die Schaftmitte und durch den distalen Schaft verlaufen. Beachte: Unter einer Fraktur versteht man eine vollkommene Kontinuitätsdurchtrennung des Knochens mit Funktionsverlust, Schmerzen und einem Frakturhämatom. Eine Fissur dagegen stellt eine unvollkommene, schwer einsehbare Kontinuitätstrennung des Knochens ohne Dislokation dar.
AO (Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen)-Klassifikation der langen Röhrenknochen: ⫺ A-Frakturen (einfache Frakturen): A1: Spiralfrakturen A2: Schrägfrakturen unter 30∞ A3: Querfrakturen über 30∞ ⫺ B-Frakturen (mit Biegungskeil): B1: Spiralfraktur mit Biegungskeil
246
11 Frakturen und Luxationen
Abb. 11-1 Überblick über die einzelnen Frakturtypen.
11.1 Allgemeine Vorbemerkungen
247
B2: Schrägfraktur mit Biegungskeil B3: Querfraktur mit fraglichem Biegungskeil ⫺ C-Frakturen (Trümmerfrakturen, bei denen der Kontakt zum Hauptfragment fehlt): C1: Trümmerfraktur mit 1⫺3 Intermediärfragmenten C2: Segmentfraktur C3: komplexe Trümmerfraktur ⫺ Einteilung gelenknaher/intraartikulärer Frakturen: A-Frakturen: extraartikuläre Fraktur B-Frakturen: partielle Gelenkfraktur, teilweise erhaltener Kontakt der Diaphyse zur Gelenkfläche C-Frakturen: unterbrochener Kontakt der Diaphyse zum Gelenk
11.1.7 Diagnose einer Fraktur Beachte: Bei jeder Frakturbeurteilung müssen vorher ⫺ Sensibilität, ⫺ Motilität und ⫺ Durchblutung überprüft und dokumentiert werden. 1. Klinische Untersuchungen: a) sichere Frakturzeichen: ⫺ abnorme Beweglichkeit, ⫺ abnorme Stellung, ⫺ Knochenreiben (nicht provozieren!). b) unsichere Frakturzeichen: ⫺ Schmerz, ⫺ Funktionseinschränkung, ⫺ Schwellung. 2. Röntgen: ⫺ immer in zwei Ebenen, ⫺ immer den ganzen Knochen mit den angrenzenden Gelenken röntgen.
11.1.8 Dislokationsmöglichkeiten Bei der Beschreibung einer Dislokation (Abb. 11-2) geht man so vor, dass das periphere (körperferne) Bruchstück in seiner Stellung zum zent-
248
11 Frakturen und Luxationen
Abb. 11-2 Dislokationsmöglichkeiten.
ralen körpernahen definiert wird. Dislokationsmöglichkeiten bei der oberen Extremität: ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Radialabknickung, Ulnarabknickung, Dorsalabknickung, Volarabknickung, Rotationsfehler, Ad-latus-Seitenverschiebung, Verkürzung.
Dislokationsmöglichkeiten der unteren Extremität: ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Adduktion ⫽ Varusstellung, Abduktion ⫽ Valgusstellung, Rekurvation ⫽ Achsenknickung mit frontal offenem Winkel, Antekurvation ⫽ Achsenknickung mit dorsal offenem Winkel, Rotationsfehler, Ad-latus-Seitenverschiebung, Verkürzung.
11.1 Allgemeine Vorbemerkungen
249
11.1.9 Übersicht über Osteosyntheseverfahren (Abb. 11-3) ⫺ Stabile Osteosynthese: operative Frakturbehandlungsmethode mit Hilfe von Marknagelung, Plattenosteosynthese, Schraubenosteosynthese, Fixateur externe. ⫺ Adaptierende Osteosynthese: operative Frakturbehandlung mit Bohrdrähten, Cerclage, Rush pins, Zuggurtung. ⫺ Marknagelung: achsengerechte Wiederherstellung eines frakturierten Knochens durch einen intramedullären Stabilisator in Form eines stabilisierenden Marknagels. Man unterscheidet die gedeckte Marknagelung von der offenen Marknagelung. Am Femur und an der Tibia können über 90 % der Marknagelung gedeckt durchgeführt werden. ⫺ Gedeckte Marknagelung: Osteosynthese, bei der die Frakturstelle selbst nicht eröffnet wird. Das Frakturhämatom bleibt erhalten. Der Marknagel wird über eine Inzision, z. B. im Bereich des Trochanter major bei einer gedeckten Marknagelung des Femurs oder in Höhe des Tuberositas tibiae bei einer Marknagelung der Tibia, in beide Fragmente vorgeschoben. Die Technik der gedeckten Marknagelung besteht darin, dass die Extremität auf einem speziellen Operationstisch (Maquet-Tisch) mit einer Röntgenbildverstärker-Einrichtung fixiert wird. Die Markhöhle wird mit Spezialbohrern aufgebohrt, um eine entsprechende adäquate Passform zwischen Markhöhle und Marknagel zu erreichen. Ernährungsstörungen des Knochens treten dabei nicht auf, da im Knochen selbst eine rasche Revaskularisation erfolgt. Die Vorteile dieses Behandlungsverfahrens sind die schnelle knöcherne Heilung, die frühe Belastbarkeit und der Vorteil, dass die Haut im Bereich der Frakturstelle nicht eröffnet zu werden braucht. ⫺ Verriegelungsnagelung: Hierbei handelt es sich um eine Weiterentwicklung der Marknagelung. ⫺ Dynamische Schraubensysteme in Kombination mit Platten ⫺ Plattenosteosynthese: Hierbei erfolgt eine Rekonstruktion des frakturierten Knochens nach Freilegung der Fraktur nach Absaugung des Hämatoms, durch eine AO-Kompressionsplatte, die den Knochen in anatomisch gerechter Position fixiert. Hauptindikationen sind Frakturen im metaphysären Bereich großer Röhrenknochen, auch im Handund Fingerbereich. Man unterscheidet die Neutralisationsplatte, bei der durch Einzelschrauben die Fraktur interfragmentär komprimiert und die Frakturzone mechanisch stabilisiert wird. Die Kompressionsplatte wird bei Querbrüchen angewendet, wobei die Metallplatte mit Hilfe eines Plattenzuggerätes, das vorübergehend am Knochen fixiert
250
11 Frakturen und Luxationen
Abb. 11-3 Osteosyntheseverfahren: Überblick über die verschiedenen Verfahren. 1: Marknagelung nach Küntscher, 2: Bündelnagelung nach Hackethal bei Humerusschaft-Querfraktur, 3: Federnägel nach Ender und Simon-Weidner bei per- oder subtrochantärer Fraktur, 4: Verriegelnagel bei Femurschaftfraktur (Stückbruch), 5: Drahtzuggurtung einer Olekranonfraktur, 6: Verschraubung des Innenknöchels, 7: gekreuzte Spickdrahtosteosynthese bei kindlicher suprakondylärer Humerusfraktur, 8: dynamische Hüftschraube (DHS) bei pertrochantärer Schenkelhalsfraktur, 9: 95∞-Kondylenplatte bei subtrochantärer Femurfraktur, 10: Kompressionsplatte bei Querfraktur mit Trümmerzone (evtl. kombiniert mit Spongiosaplastik), 11: Kompressionsplatte bei Pseudarthrose der Tibia (links Montage des Plattenspanngerätes, das nach Verschraubung der Platte wieder entfernt wird), 12: Fixateur externe als eindimensionaler äußerer Festhalter (aus: Pschyrembel“, Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter, Berlin, 2004).
11.1 Allgemeine Vorbemerkungen
251
wird, unter Zug genommen wird, wobei es zu einer Kompression im Bruchspalt kommt. Abstützplatten werden z. B. bei Tibiakopffrakturen verwendet, wobei die Tibiakonsole durch Spongiosaunterfütterung und mit Hilfe von Abstützplatten stabilisiert wird. ⫺ Fixateur externe: Osteosynthesestab mit 2- bzw. 3-dimensionaler Verstrebung. Hierbei werden Steinmann-Nägel oder Schanz-Schrauben perkutan durch die Hauptfragmente so angebracht und mit Hilfe von Gewinde und Rohrstangen so untereinander verbunden, dass bei achsengerechter Stellung und Verschraubung die Fraktur optimal in anatomisch regelrechter Position eingestellt ist. Dieses Verfahren ist vor allem indiziert bei offenen Frakturen, bei Trümmerfrakturen und gleichzeitigem Vorliegen einer Infektion. ⫺ Adaptationsosteosynthese: Osteosyntheseverfahren, bei denen eine adaptierende Osteosynthese mit dem Ziel einer anatomisch regelrechten Reposition durchgeführt wird. In allen Fällen ist ein immobilisierender Gipsverband notwendig. Hauptindikationen sind hierbei kindliche Frakturen.
11.1.10 Vorteile der stabilen Osteosynthese 1. 2. 3. 4. 5. 6.
stabile Fixation in anatomisch regelrechter Position frühzeitige aktive und passive Bewegungstherapie möglich beste Prophylaxe gegen Thromboembolie Verminderung der Muskel- und Skelettatrophie keine Versteifung der Gelenke Verbesserung der Zirkulation, Prophylaxe der Fettembolie
11.1.11 Übersicht über Frakturen und Eigennamen Eigenname
Beschreibung
Tossy I⫺IV Reposition nach Arlt Reposition nach Hippokrates Reposition nach Kocher Monteggia-Fraktur
Akromioklavikulare-Luxation Repositionsmethode bei Schulterluxation Repositionsmethode bei Schulterluxation Repositionsmethode bei Schulterluxation proximale Ulnafraktur und Radiusköpfchenfraktur Radiusköpfchenluxation extra- und intraartikuläre Radiusfrakturtypen Radiusextensionsfrakturtypen Radiusflexionsfrakturtypen Luxationsfraktur im distalen Radio-Ulnargelenk (distaler Radiusschaft, Abriss des Processus styloideus ulnae)
Chassaignac-Verletzung Frykman-Fraktur Typ A⫺D Colles-Fraktur Smith-Fraktur Typ 1⫺3 Galleazzi-Läsion
252
11 Frakturen und Luxationen
Eigenname
Beschreibung
Morbus Sudeck
Dystrophie/Atrophie der Weichteile/Knochen als Komplikation nach distaler Radiusfraktur perilunäre Luxationsfraktur Fraktur des I. Mittelhandknochens an der Basis mit Luxation im Karpo-Metakarpalgelenk I intraartikuläre Metacarpale-I-Fraktur mit Y-Fraktur an der Basis des I. Mittelhandknochens Hüftkopfkalottenfraktur Typ 1⫺4 Azetabulumfrakturen Typ A⫺D
De Quervain’sche Fraktur Bennett’sche Fraktur Rolando-Fraktur Pipkin-Klassifikation Judet- und LetournelFrakturen Pauwels-Frakturen 1⫺3 Garden-Prognose Willenegger-/Weber-Fraktur Vidal-Fraktur
Klassifikation der medialen Schenkelhalsfrakturen (Typ 1⫺3) Beurteilung der Überlebenschance des Hüftkopfes bei medialen Schenkelhalsfrakturen nach Garden Typ 1⫺4 Malleolarfraktur Typ A⫺C Kalkaneusfraktur Typ 1⫺3
11.1.12 Überblick über Frakturtypen und Behandlungsrichtlinien Klavikulafrakturen (siehe auch Abschn. 11.2.3) Typ
Operationsindikation
konservative Therapie
Fraktur im mittleren Drittel Plattenosteosynthese nur Rucksackverband und Hypomochilonfraktur bei über der ersten Rippe ⫺ neurologischen Ausfällen ⫺ Zirkulationsstörungen ⫺ Gefahr der Durchspießung der Haut Fraktur im lateralen Drittel bei Typ II: Zuggurtung, Typ I, III, IV: Ruckder Klavikula (Typ I⫺IV): Kleinfragmentenplättchen sackverband ⫺ zentrales Ende nach kranial (M. sternocleidomastoideus) ⫺ peripheres Ende nach kaudal (M. deltoideus) Fraktur im medialen Drittel Operationsindikation
11.1 Allgemeine Vorbemerkungen
253
Luxationen im Sterno-Klavikular- und Akromio-Klavikular-Gelenk Typ
Operationsindikation
konservative Therapie
Tossy I ⫺ Lig. akromioclaviculare teilweise zerrissen ⫺ Gelenkkapsel teilweise zerrissen ⫺ Coracoakromialgelenk o.B. Tossy II ⫺ Lig. akromioclaviculare total zerrissen ⫺ Gelenkkapsel total zerrissen ⫺ Coracoakromialband teilweise zerrissen Tossy III ⫺ Lig. akromioclaviculare total zerissen ⫺ Gelenkkapsel total zerrissen ⫺ Lig. coracoakromiale total zerrissen Tossy IV ⫺ Lig. akromioclaviculare total zerrissen ⫺ Gelenkkapsel total zerrissen ⫺ Lig. coracoakromial intakt, aber Abrissfraktur des Proc. coracoideus Luxationen im Sternolavicular-Gelenk
keine Operationsindikation
funktionelle Behandlung
selten Operationsindikation Thoraxabduktionsgips
Wiederherstellung der Bandverbindung und Naht des Bandapparates sowie Zuggurtungsosteosynthese
Rucksackverband
Wiederherstellung der Bandverbindung und Naht des Bandapparates sowie Zuggurtungsosteosynthese
bei vollständiger Luxation ⫺ Entfernen des Diskus ⫺ Fixation der Bänder am claviculosternalen Gelenk
bei Subluxation ⫺ Reposition ⫺ Rucksackverband
254
11 Frakturen und Luxationen
Skapulafrakturen Typ
Operationsindikation
konservative Therapie
Schulterblatthalsfraktur (Collum)
keine Operationsindikation
SchmetterlingsSchulterblattfraktur durch die Skapula
keine Operationsindikation
Gelenkpfannenfraktur (Cavitas glenoidalis)
keine Operationsindikation
Fortsatzbruch (Acromium, Proc. coronarius)
bei Frakturen vom Typ Tossy III/IV: Wiederherstellung des Bandapparates
⫺ keine Dislokation: Thoraxabduktionsgips für 3⫺4 Wochen ⫺ stärkere Dislokation: Reposition und dann Olekranondrahtextension oder Thoraxabduktionsgips für 6⫺8 Wochen Mitella- oder Desaultverbandes für 1⫺2 Wochen und frühe funktionelle Behandlung genaue Reposition notwendig, anschließend Mitella- oder Desaultverband Desaultverband für 1⫺2 Wochen, frühzeitige Bewegungstherapie und Schwimmen
11.1 Allgemeine Vorbemerkungen
255
Gelenknahe Humerusfrakturen Typ
Operationsindikation
konservative Therapie
Typ I (80 %) ⫺ zwei und mehr Fragmente am Humeruskopf ⫺ weniger als 10 mm weite Dislokation ⫺ weniger als 45∞ abgekippt Typ II ⫺ zwei Fragmente mit Dislokation und Frakturverlauf durch Schaft/ Collum anatomicum ⫺ Dislokation des Tuberculum majus ⫺ Dislokation des Tuberculum minus Typ III ⫺ drei Fragmente (Neer) mit Dislokation, wobei die Frakturlinie im Collum chirurgicum mit Abkippung und Rotation des Kopfes und Dislokation im Schaft sowie disloziertem Tuberculum majus oder dislozierten Tuberculum minus vorliegt Typ IV ⫺ alle vier Areale (Neer) weisen eine Dislokation auf ⫺ Dislokation und Rotation des Kopffragmentes ⫺ Dislokation des Schafts ⫺ Dislokation des Tuberculum majus ⫺ Dislokation des Tuberculum minus
keine Operationsindikation
Gilchristverband, Desaultverband
Schrauben, Zuggurtung aktive Muskelbei übungen nach ⫺ Abrissfraktur des Tuber- 3⫺4 Wochen culum majus humeri ⫺ Fraktur am Collum anatomicum
stabile bzw. adaptierende Osteosynthese der durch Muskelzug dislozierten Fragmente oder Markraumdrahtschienung
Thoraxabduktionsgips bei älteren Patienten oder bei eingestauchten Frakturen indiziert
in 90 % Gefahr eine funktionelle NachNekrose des Humerusbehandlung nach kopfes mit sehr ungünstiger wenigen Wochen Prognose, unabhängig vom jeweiligen Verfahren
256
11 Frakturen und Luxationen
Humerusverletzungen bei Kindern Typ
Operationsindikation
konservative Therapie
reine Epiphysenlösungen
keine Operationsindikation
3 Wochen Desaultverband, bei Dislokation Reposition und Desaultverband
Lysefraktur Typ Aitken I
⫺ operative Reposition, nach 4 Wochen wenn bei der Reposition krankenymnastidie interponierte lange sches Training Bizepssehne ein Repositionshindernis darstellt ⫺ bei allen offenen Lysefrakturen: Fixation mit 2⫺3 Kirschner-Drähten und Thoraxabduktionsgips für 3⫺4 Wochen
Tuberkulumabrissfraktur
keine Operationsindikation
3 Wochen Ruhigstellung im Desaultverband
subkapitale Fraktur
keine Operationsindikation
3 Wochen Ruhigstellung im Desaultverband
Humerusfrakturen ⫺ Humerusmitte/Humerusschaft Typ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Querfraktur Schrägfraktur Spiralfraktur Spiralfraktur mit und ohne Biegungskeil
Operationsindikation
intrameduläre Stabilisationstechnik, Plattenosteosynthese, externe Fixation bei: ⫺ offenen Frakturen/ Schweregrad II/III Beachte: Bei proximalen ⫺ Frakturen mit knöcherFrakturen liegt die Frakturnem Defekt linie zwischen dem Ansatz ⫺ Läsionen der des M. deltoideus und dem A. brachialis M. pectoralis major, dadurch ⫺ primärer und sekundärer kommt es zu einer AbdukRadialislähmung tion und Innenrotation des ⫺ Intensivbehandlung beim proximalen Fragmentes Polytrauma durch den M. pectoralis ⫺ irreponiblen Frakturen major. (Interponat)
konservative Therapie bei allen Frakturen, die nicht in die Indikationsgruppe der chirurgischen Behandlung fallen, Reposition (in Narkose) und frühzeitige funktionelle Behandlung
11.1 Allgemeine Vorbemerkungen
257
Distale Humerusfrakturen Typ
Operationsindikation
suprakondyläre Humerus- ⫺ offene Fraktur/ fraktur Schweregrad II⫺III perkondyläre Humerus⫺ Fraktur mit Nervenfraktur und Gefäßläsion Abriss des Epicond. humeri ⫺ intraartikuläre Fraktur medialis mit Stufen und Abriss Epicond. humeri Fragmenten lateralis Fraktur des Cond. medialis Fraktur des Cond. lateralis Fraktur des Cond. humeri Trochleafraktur intraartikuläre Y-Fraktur intraartikuläre Trümmerfraktur suprakondyläre Humerusfraktur bei Kindern
konservative Therapie Ruhigstellung im Oberarmgips für 3⫺4 Wochen bei folgendem Frakturverlauf: ⫺ geringgradig verschobene perkondyläre Fraktur ⫺ nicht dislozierte intraartikuläre Fraktur ⫺ schwere intraartikuläre Trümmerfraktur bei älteren Menschen (Vertikalextension)
258
11 Frakturen und Luxationen
Suprakondyläre Humerusfrakturen bei Kindern Typ
Operationsindikation
konservative Therapie
suprakondyläre Humerusfraktur ⫺ Grad I: Fissur/Fraktur ohne Verschiebung ⫺ Grad II: Verschiebung um Schaftbreite und Achsknick, Verdrehung und Verkürzung, Bruchstücke haben Kontakt ⫺ Grad III: starke Verschiebung und völliger Kontaktverlust Fraktur des Cond. medialis
bei Durchblutungsstörungen und Nervenläsion sowie bei offenen Frakturen Schweregrad II/III und irreponiblen Frakturen: Kirschner-Drahtfixation (zwei Drähte)
Reposition und Baumann’sche Vertikalextension (seltener) oder Immobilisation im Thoraxabduktionsgips (beschwerlich bei Kindern) oder Beugefixation
Fraktur des Cond. lateralis (radialis)
bei starker Dislokation: Reposition und Fixation
bei nur geringfügiger Dislokation: Ruhigstellung im Oberarmgipsverband in den meisten Fällen ohne Dislokation: Operation in den ersten Ruhigstellung in Stunden nach dem Unfall, exakter anatomistufenweise Reposition und scher Stellung Readaptation mit Hilfe von zwei dünnen Bohrdrähten Beachte: N. ulnaris
11.1 Allgemeine Vorbemerkungen
259
Unterarmfrakturen Typ
Operationsindikation
konservative Therapie
Olekranonfraktur ⫺ Querfraktur ⫺ Schrägfraktur Radiusköpfchenfraktur ⫺ Meißelfraktur ⫺ Trümmerfraktur ⫺ subkapitale Fraktur
bei intraartikulärer Fraktur und Distraktionstendenz: Zuggurtung, Osteosynthese ⫺ bei stärkerer Luxation: Reposition und Minischraube ⫺ RadiusköpfchenResektion ⫺ bei stärkerer Luxation: Reposition und transartikuläre Fixation nach Witt
frühe funktionelle Behandlung
Radius- und Ulnaschaftfraktur
⫺ bei isolierter Ulnafraktur: Plattenosteosynthese ⫺ bei isolierter Radiusfraktur: Plattenosteosynthese ⫺ bei Fraktur von Ulna und Radius, da es nur so möglich ist, die Funktion auch im peripheren Bereich exakt wieder herzustellen
Bei Radiusköpfchenfraktur, Meißelfraktur und Trümmerfraktur mit oder ohne geringfügiger Dislokation über 2⫺3 Wochen. Eine konservative Therapie der Radiusköpfchentrümmerfraktur ist beim Kind nicht indiziert, da es zu erheblicher Fehlstellung im Handgelenk kommen kann. im Kindesalter Reposition und Immobilisation im Scotchcast
260
11 Frakturen und Luxationen
Ellenbogenluxation, Monteggia-Fraktur, Chassaignac-Verletzung, Galeazzi-Verletzung Typ
Operationsindikation
konservative Therapie
Ellenbogenluxation nach hinten/vorne von Ulna und Radius
bei Luxation nach vorne, da hier immer das Olekranon frakturiert ist
Monteggia-Fraktur ⫺ Ulnafraktur proximal ⫺ ventrale Radiusköpfchenluxation ⫺ Riss des Lig. anulare
wenn die geschlossene Reposition nicht gelingt: ⫺ Reposition des Radiusköpfchens ⫺ Plattenosteosynthese ⫺ evtl. Naht des Lig. anulare, wenn das Radiusköpfchen eine Luxationstendenz aufweist keine Operationsindikation
bei Luxation nach hinten Reposition in Narkose und Immobilisation im Gipsverband für 1 Woche ⫺ bei Kindern Reposition und Ruhigstellung im Gipsverband/ Scotch-Verband ⫺ frühfunktionelle Bewegungstherapie
Chassaignac-Verletzung (Subluxation des Radiusköpfchens)
Galeazzi-Verletzung: distale Reposition und OsteoRadiusschaftfraktur und synthese des Radius Luxation der Ulna Frakturen im Bereich der Hand siehe 14.12
Repositionsmanöver ⫺ Extension ⫺ Supination ⫺ Druck auf das Radiusköpfchen von der Ellenbeuge frühfunktionelle Bewegungstherape
11.1 Allgemeine Vorbemerkungen
261
Distale Unterarmfrakturen (Erwachsene) Typ
Operationsindikation
konservative Therapie
Radiusfraktur (Extensionsfraktur, Flexionsfraktur nach Frykman-Colles; s. Abb. 11-16) ⫺ Typ A: extraartikulär ⫺ Typ B: radiokarpale Gelenkfraktur ⫺ Typ C: radioulnare Gelenkfraktur ⫺ Typ D: komplizierte Gelenkfraktur radioulnar/radiokarpal Flexionsfraktur nach Smith ⫺ Typ I: Querbruch mit stärkerem Abkippen des peripheren Fragmentes nach palmar ohne Verletzung der Gelenkfläche ⫺ Typ II: Luxationsfraktur mit Beteiligung der distalen Radiusgelenkflächen ⫺ Typ III: Trümmerfraktur der distalen Radiusgelenkfläche und Luxation Beachte: Die Winkel der Radiusgelenkflächen nach Böhler sind im a.-p.-Bild 25⫺30∞, in der seitlichen Ansicht ca. 10∞ Volarflexion. Sie sind ein Maß für die Qualität der Reposition.
bei Typ D dann, wenn die raktur nicht oder schlecht reponierbar ist ⫺ Bohrdrahtosteosynthese ⫺ Osteosynthese mit Abstützplatte und Defektauffüllung durch autologe Spongiosa
bei Typ A⫺D ohne Luxation oder Dislokation: Reposition und Stabilisierung in ⫺ Extension ⫺ Palmarflexion ⫺ Ulnarabduktion ⫺ Pronation
Typ II und III und analog zur Extensionfraktur
262
11 Frakturen und Luxationen
Distale Unterarmfrakturen (Kinder) Typ
Operationsindikation
konservative Therapie
proximales Drittel
bei allen drei Typen sehr selten Plattenosteosynthese (Schaft) oder Bohrdrahtfixation (Epiphysenfraktur)
Reposition und Ruhigstellung in Supination
mittleres Drittel
distales Drittel
Epiphysenlösung
Frakturen im Bereich der Hand siehe 14.12
Reposition und Ruhigstellung in neutraler Stellung Reposition und Ruhigstellung in Pronation entscheidend für die Retention: extreme Pronation und leichte Palmarflexion der Hand Reposition und Immobilisation in Palmarflexion (Unterarmgips)
11.1 Allgemeine Vorbemerkungen
263
Beckenverletzungen Typ
Operationsindikation
A1⫺A2; B1⫺B3; C1⫺C3 (Raschke, Haas, Mutschler) Frakturen und Bandrupturen, die den Beckenring unterbrechen (Stabilitätsverlust): ⫺ Fraktur des oberen und unteren Schambeinastes (um das For. obturatum herum) ⫺ Fraktur des oberen und unteren Schambeinastes auf beiden Seiten (Schmetterlingsfraktur, Voigt)
⫺ Symphysenruptur
bei einer Symphysendiastase von über 30 mm: Plattenosteosynthese; Beurteilung einer Symphysenruptur aufgrund der Symphysenspaltbreite: ⫺ bis 3 Jahre 10 mm ⫺ bis 20 Jahre 6 mm ⫺ bis 50 Jahre 3 mm ⫺ vertikale Alafraktur Eine Diastase von über (dorsal) bzw. Sprengung 15 mm ist ein Zeichen für des Ileosacralgelenkes eine Ruptur der Iliosakral⫺ vertikale Alafraktur und bänder. Bei einer Diastase gleichzeitige Fraktur des von 40⫺80 mm sind beide oberen und unteren Sakralfugen sowie die Schambeinastes Ligamenta interossea (Malgaigne-Fraktur) dorsalia rupturiert.
konservative Therapie ⫺ Behandlung nach Magnus bei vorderer Beckenringfraktur ohne wesentliche Dislokation, 4⫺6 Wochen Bettruhe ⫺ Behandlung nach Rauchfuß bei stark verschobenem Beckenringbruch oder bei Auseinanderweichen einer oder beider Beckenhälften ⫺ Behandlung nach Rauchfuß und suprakondyläre Extension bei stärkerer Höhenverschiebung einer Beckenhälfte
264
11 Frakturen und Luxationen
Typ
Operationsindikation
⫺ vertikale Alafraktur und Fraktur des oberen und unteren Schambeinastes der anderen Seite (gekreuzte MalgaigneFraktur) Frakturen und Verletzungen, die den Beckenring nicht unterbrechen (erhaltene Stabilisation): ⫺ isolierte obere Schambeinfrakturen ⫺ isolierter Sitzbeinbruch ⫺ Beckenrandbruch oder Querbruch der Ala ossis ischii oder Trümmerfrakturen des Os ilium ⫺ Querfraktur des Os sacrum ⫺ Steißbeinfraktur oder Luxation nach vorne ⫺ Abrissfraktur der Spina Kompressionsschraube iliaca anterior superior
Abrissfraktur des Tuber ossis ischii
konservative Therapie
A-Verletzungen: stabile Beckenverletzungen mit intaktem Beckenring; Indikation für funktionelle Behandlung
Ruhigstellung in starker Beugestellung des Oberschenkels für 2⫺3 Wochen und Immobilisation Streckstellung des Beines für 2⫺3 Wochen
11.1 Allgemeine Vorbemerkungen
265
Luxationsfrakturen des Hüftgelenkes Typ
Operationsindikation
Lux. iliaca Lux. ischiadica Lux. pubica Lux. obturatoria (mit und ohne Frakturen) zentrale Hüftgelenksluxationsfraktur Acetabulumfraktur
konservative Therapie Hüftgelenksluxationen werden in Narkose reponiert und in Streckstellung gelagert, nach 2⫺3 Tagen aktive Bewegungstherapie; wegen der Gefahr einer Hüftkopfnekrose bei jungen Patienten Entlastung für ca. 2 Monate
Hüftkopfkalottenfrakturen Typ
Operationsindikation
konservative Therapie
Pipkin-Frakturen: ⫺ Typ 1 ⫺ Typ 2 ⫺ Typ 3 ⫺ Typ 4
bei jungen Patienten mit gesundem Hüftgelenk: Osteosynthese ⫺ Typ 1 und 2: Verschraubung ⫺ Typ 3: Verschraubung oder 130∞ Winkelplatte ⫺ Typ 4 mit Pfannenrandfraktur: Verschraubung, sonst Therapie wie bei Typ 3
Typ 1⫺4: Reposition oder bei bestehender Coxarthrose Totalendoprothese
266
11 Frakturen und Luxationen
Acetabulumfrakturen Typ
Operationsindikation
konservative Therapie
Judet/Letournel: ⫺ Typ A: isolierter Pfannenrandbruch ⫺ Typ B: Bruch dorsaler Pfeiler ⫺ Typ C: Bruch ventraler Pfeiler ⫺ Typ D: reine Querfraktur
Bei dislozierter Acetabulumfraktur oder Luxationsfraktur. Ziel der Behandlung ist die anatomische Wiederherstellung des Gelenkes. Dies ist nur durch eine stabile Osteosynthese möglich, die eine frühe Mobilisierung ermöglicht.
bei stabilen, nicht dislozierten Hüftpfannenfrakturen: Extensionsbehandlung
Proximale Oberschenkelfrakturen Typ
Operationsindikation
konservative Therapie
Einteilung nach Frakturwinkel, d. h. Frakturlinie zur Horizontalen: ⫺ Pauwels I: unter 30∞ ⫺ Pauwels II: 30⫺50∞ ⫺ Pauwels III: über 70∞ Analogklassifikation nach Garden: Typ I⫺IV
Bei Pauwels II und III und indiziert bei den instabilen Adduktions- Pauwels I und den frakturen. Bei intrastabilen Abduktionsartikulärem Hämatom frakturen und Schenkelhalsfraktur: Operation innerhalb von 8 h, um eine Femurkopfnekrose durch erhöhten intraartikulären Druck zu vermeiden. Kopferhaltende Operation durch Verschraubung oder Endoprothese, d. h. Totalendoprothese.
11.1 Allgemeine Vorbemerkungen
267
Oberschenkelschaftfrakturen Typ
Operationsindikation
proximale Fraktur (proxibei proximaler und distaler males Fragment in Beuge- Oberschenkelschaftfraktur: stellung durch M. iliopsoas) ⫺ Verriegelungsmarknagel ⫺ Marknagel bei kurzer distale Fraktur (proximales und querer Fraktur Fragment in Adduktions⫺ Osteosyntheseverplattung stellung, das distale Fragbei Torsionsfraktur und ment ist nach hinten Fraktur im proximalen/ abgekippt) distalen Drittel
Frakturverlauf supraKondylenplatte bei suprakondylär oder diakondylär: kondylärer Fraktur sowie distales Fragment nach bei diakondylärer Fraktur unten abgekippt
konservative Therapie bei Kindern bis zum 7. Lebensjahr durch Vertikalextension (3⫺4 Wochen) oder Drahtextension distale Oberschenkelfraktur meist kombiniert mit einer Ephysenlösung und einer erheblichen Bandläsion Reposition und konservative Behandlung im Gipsverband; nur bei Epiphysenfugenfrakturen Typ Aitken II und III ist eine operative Revision mit Reposition und Fixation notwendig
Kniegelenkfrakturen Typ
Operationsindikation
konservative Therapie
Patellafraktur ⫺ Typ A: nicht dislozierte Querfraktur ⫺ Typ B: dislozierte Querfraktur ⫺ Typ C: dislozierte Cave: Patella-bipartitaTrümmerfraktur
bei totaler Zerstörung der Typ A, wenn keine Patella totale Patellektomie Dislokation vorliegt und Rekonstruktion durch Anastomose von Patellarsehne und Quadrizepssehne Typ B und C
268
11 Frakturen und Luxationen
Tibiakopffrakturen Typ
Operationsindikation
konservative Therapie
Plateaufrakturen: ⫺ Spaltbruch ⫺ Depressionsbruch ⫺ Impressionsbruch ⫺ kombinierte Fraktur (monokondylär und bikondylär)
Dislozierte und instabile Frakturen werden operiert. Defektauffüllung durch Spongiosaplastik (Ostim“) und abstützende Plattenosteosynthese
bei allen Frakturen ohne Dislokation und Stufenbildung konservative Behandlung: kurzzeitige Extension über den Kalkaneus für 8⫺10 Tage
Luxationsfraktur Ausriss der Tuberositas tibiae
Schraubenfixation der Tuberositas tibiae (Wiederherstellung der normalen Streckfunktion der unteren Extremität)
Tibiaschaftfrakturen Typ
Operationsindikation
konservative Therapie
Spiralfraktur Querfraktur kurze Schrägfraktur Mehrfragmentenfraktur Trümmerfraktur
bei ⫺ Mehrfachfrakturen ⫺ offener Fraktur II. und III. Grades (Weichteilschaden) ⫺ Fraktur bei Verbrennungen und Verbrühungen der Haut und bei Querschnittsgelähmten ⫺ Fraktur im unteren Tibiadrittel mit Gelenkbeteiligung ⫺ distale Fraktur, die konservativ nicht reponiert und retiniert werden kann, unabhängig von Lokalisation und Frakturtyp
Bei Tibia/Unterschenkelfraktur mit geringer oder ohne Dislokation und Biegungskeil, der sich gut reponieren und retinieren lässt. Zertrümmerungsfraktur der Tibia mit großer Ausdehnung, alle Frakturen des Unterschenkels im Wachstumsalter (Ausnahme offene Frakturen II. und III. Grades).
11.1 Allgemeine Vorbemerkungen Typ
Tibiafraktur mit Kompartmentsyndrom
Operationsindikation Technik ⫺ Marknagelung bei Quer-, Kurz- und Schrägfraktur im mittleren Drittel und im Übergangsbereich nach oben und unten ⫺ Plattenosteosynthese bei langen Schrägbrüchen und Spiralfrakturen sowie offenen Frakturen ⫺ Schraubenosteosynthese (sehr selten) nur bei Spiralfraktur ⫺ Fixateur externe bei offenen Frakturen II. und III. Grades, (Weichteilschaden), bei geschlossenen Trümmerfrakturen, bei infizierten Brüchen und nicht infizierten Pseudoarthrosen sofortige Entlastung (interfasziale Drucksteigerung durch Hämatom und posttraumatisches Ödem mit nachfolgender Zirkulationsstörung, Muskelgewebszerfall, Ersatz durch Narbengewebe und nachfolgende ischämische Kontraktur (z. B. Tibialisanterior-Syndrom)
konservative Therapie
269
270
11 Frakturen und Luxationen
Distale Tibiafrakturen Typ
Operationsindikation
extraartikuläre Frakturen
intraartikuläre Frakturen: ⫺ Osteosynthese ⫺ vorderes und hinteres (Abstützplatte) oder großes tibiales KantenVerschraubung und fragment, Fuß in MittelSpongiosaplastik stellung (Ostim“) ⫺ großes vorderes Tibia⫺ Readaptation des Bandkantenfragment, Fuß apparates in Dorsalflexion ⫺ großes hinteres Tibiakantenfragment, Fuß in Plantarflexion
konservative Therapie nur, wenn eine Reposition und Ruhigstellung in stufenloser achsengerechter Stellung möglich ist (selten)
Fibulafrakturen Typ
Operationsindikation
konservative Therapie
Fraktur und Luxation des Fibulaköpfchens
selten
Reposition und Ruhigstellung im Gipsverband (Beachte: N. peroneus)
11.1 Allgemeine Vorbemerkungen
271
Malleolarfrakturen Typ
Operationsindikation
konservative Therapie
Einteilung nach Weber in Typ A, B und C: ⫺ knöcherner Syndesmoseausriss (Tubercule de Chaput) ⫺ Volkmann’sches Dreieck ⫺ Maisoneuve Fraktur
bei Typ B/C innerhalb von 6⫺8 h: ⫺ anatomisch exakte Wiederherstellung des Sprunggelenkes ⫺ Osteosynthese ⫺ Wiederherstellung des Kapselbandapparates durch Plattenosteosynthese und Verschraubung, Kirschner-Drahtfixation sowie Zuggurtung
Bei allen Malleolarfrakturen ohne Dislokation und ohne Gabelsprennung (stabile Frakturen). Typ A: Reposition und Ruhigstellung in genau achsengerechter Stellung (Bandverbindung zwischen Tibia und Fibula unverletzt, Frakturlinie durch den Malleolus unterhalb der Syndesmose).
Operationsindikation
konservative Therapie
Talusfrakturen Typ
zentrale Fraktur bei allen stärker dislozierten ⫺ Corpus tali (Trochlea) und luxierten Talus⫺ Collum tali frakturen, vor allem bei ⫺ Caput tali zentraler Talusfraktur periphere Fraktur (Hawkins I⫺IV) ⫺ laterale Kantenabbrüche (Flake fractures) ⫺ Fraktur des Proc. lateralis tali ⫺ Fraktur des Proc. posterior tali Einteilung nach Hawkins I⫺IV
bei unverschobenen oder geringgradig dislozierten Frakturen
272
11 Frakturen und Luxationen
Kalkaneusfrakturen Typ
Operationsindikation
konservative Therapie
Einteilung nach Vidal in Typ I⫺III
bei Vidal Typ II und III und bei Fußkompartmentsyndrom
bei peripheren extraartikulären Frakturen (Vidal I), d. h. geschlossenen und unverschobenen Frakturen: Immobilisation durch orsale Gipsschiene, funktionelle Behandlung durch Hochlagerung und krankengymnastische aktive Übungsbehandlung
Typ
Operationsindikation
konservative Therapie
Os naviculare
dislozierte Frakturen sowie Trümmerfrakturen und offene Frakturen
bei geschlossenen, unverschobenen Brüchen Reposition und Gips in Supinationsstellung für 4 Wochen Reposition und Gips für 4 Wochen Reposition und Gips Fraktur des Os metatarsale II, III, IV: Reposition und Immobilisation im Gips Fraktur der II.⫺V. Zehe: manuelle Reposition und Ruhigstellung im Gips
Fußfrakturen
Os cuboideum Ossa cuneiformia I⫺III Ossa metatarsalia I⫺V
Zehenfraktur
laterale Frakturen: stabile Osteosynthese und Schrauben
Fraktur der I. Zehe: Operation und Ruhigstellung für 4⫺6 Wochen
11.1 Allgemeine Vorbemerkungen
273
11.1.13 Luxationstypen Einteilung 1. Subluxation: Unvollständige Verschiebung zweier durch ein Gelenk verbundener Knochenenden aus der physiologischen Stellung, wobei die Gelenkenden teilweise in Berührung bleiben. 2. Luxation: Verschiebung zweier durch ein Gelenk verbundener Knochenenden aus der physiologischen Stellung meist mit Läsion des Kapsel-Bandapparates. 3. Gewaltlösung: Dabei handelt es sich um eine totale Lösung eines Knochens aus dem Gelenkverband, z. B. Klavikula, Talus. Überblick über die Häufigkeit von Luxationen (nach E. Kuner und V. Schlosser) Akromioklavikulargelenk Schultergelenk Wirbelkörper Ellenbogengelenk Handgelenk Fingergelenk Hüftgelenk Kniegelenk Sprunggelenk Fußgelenke
4,4 % 45,3 % 1,3 % 18,0 % 3,0 % 9,3 % 4,3 % 1,5 % 5,8 % 0,8 %
11.1.14 Luxationsrichtungen Unterscheide dorsal: ventral: kranial: distal: lateral: medial: zentral:
rückwärts vorwärts oben unten seitwärts zur Mitte zu auf die Gelenkpfanne hin
274
11 Frakturen und Luxationen
11.2 Behandlung der wichtigsten Frakturen 11.2.1 Wirbelkörperfrakturen Beachte: 10 % aller Wirbelsäulenverletzungen gehen mit neurologischen Schäden einher. Die Wirbelsäulenverletzungen werden häufig nicht oder zu spät erkannt.
Häufigste Lokalisation und Einteilung Die Abb. 11-4 zeigt die häufigsten Prädilektionsstellen von Wirbelfrakturen. Wichtige Frage bei jeder Wirbelfraktur: Handelt es sich um eine
Abb. 11-4 Prädilektionsstellen von Wirbelfrakturen.
11.2 Behandlung der wichtigsten Frakturen
275
stabile oder um eine instabile Fraktur? Beurteilung durch anamnestische Angaben, klinische und radiologische Befunde. 1. stabile Fraktur ⫺ vordere Einstauchung der Wirbelkörper (Keilform) ⫺ seitliche Einstauchung der Wirbelkörper (Skoliose) ⫺ hintere Bogenbrüche oberhalb von L4 2. instabile Fraktur ⫺ Teilverrenkungsbrüche mit Rupturen des Ligamentum interspinale, Diskuszerreißungen der HWS/LWS ⫺ Verrenkungsbrüche ⫺ Brüche des hinteren Bogens von L4 und L5 Der verletzte Wirbelsäulenabschnitt kann durch Kräfte, die von unterschiedlicher Richtung auf die Wirbelsäule einwirken (Abb. 11-5, Abb. 11-6), deformiert werden (axiale Richtung, Flexionsrichtung, Hypterextensionsrichtung, Rotation).
Abb. 11-5 Wirbelkörperkompressionsfraktur.
Abb. 11-6 Abbruch einer Wirbelkörpervorderkante und der Wirbelkörperdeckplatte.
276
11 Frakturen und Luxationen
Operative Behandlung Sie kommt etwa bei 10 % aller Wirbelsäulenverletzungen in Frage. Durch sie wird eine Entlastung des durch den Wirbelkörper komprimierten Rückenmarks erzielt. Die Indikation zum chirurgischen Eingriff ist sehr frühzeitig, d. h. innerhalb der ersten Stunde nach dem Unfallereignis bzw. dem Auftreten neurologischer Erscheinungen, zu stellen. Wann muss eine Wirbelkörperfraktur operativ behandelt werden? 1. Wenn Lähmungserscheinungen nach einem freien Intervall eintreten. 2. Wenn eine inkomplette Lähmung in eine komplette übergeht und die Lähmungserscheinungen aufsteigen. 3. Wenn eine offene Verletzung vorliegt. Ziele des chirurgischen Eingriffs ⫺ achsengerechte Reposition der Fragmente ⫺ Dekomprimierung des Rückenmarks ⫺ Stabilisierung der Wirbelsäule Sofortmaßnahmen Beachte: Bei Verdacht auf Fraktur eines Wirbelkörpers, besonders im oberen HWS-Bereich (Dens-Fraktur), sollen die Patienten ohne brüske Bewegungen und Manipulationen an der Wirbelsäule transportiert werden. Man beginnt mit dem Gipskorsett, indem man zunächst einige Lagen von Gipsbinden der lordosierten Wirbelsäule sehr gut anmodelliert, 2⫺ 3 Aluminium- oder Holzspanverstrebungen zur Stabilisierung einfügt und schließlich zirkuläre Binden anlegt, die aber unter starkem Zug angelegt werden müssen, um den herabhängenden Bauch zu fixieren und ein Zuweitwerden des Gipskorsetts in vertikaler Stellung zu vermeiden. Halt findet ein gut sitzendes Gipskorsett an ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
der Symphyse, dem Brustbein, an den Spinae iliacae ant. sup. an der Wirbelsäule selbst.
11.2 Behandlung der wichtigsten Frakturen
277
Beachte: ⫺ Aufrichtung soll langsam erfolgen, um eine Kompression des Rückenmarks durch Wirbelkörperfragmente und damit verbundene Lähmungserscheinungen zu vermeiden. Beachte hintere obere Wirbelkörperkante. ⫺ Wiederholte Röntgenkontrolle der Patienten mit Korsett, um ein sekundäres Zusammensintern des aufgerichteten Wirbelkörpers zu erkennen. Behandlung der Wirbelkörperfrakturen mit Lähmungserscheinungen Wichtig sind die eingangs erwähnten Vorschriften über den Transport wirbelsäulenverletzter Patienten. Aufrichtung im Durchhang soll unterlassen werden, da zusätzliche Schäden des Rückenmarks durch Fragmentverschiebung eintreten können. Röntgenbild-Beurteilung! In diesen Fällen kommt nur eine operative Revision (dringliche Osteosynthese mit Stabilisierung der Fraktur oder Luxation) der lädierten Wirbelkörper in Frage (Zeitlimit: innerhalb der ersten Stunde nach der Querschnittslähmung bzw. den neurologischen Ausfallerscheinungen). Lagerung nach Magnus sowie Extension in Längsrichtung des Körpers durch entsprechende Apparate können zu einer Besserung führen. Da es bei Wirbelkörperfrakturen öfters zu einer Schädigung des Blasenzentrums kommt (Atonie der Blase), soll zunächst ein Katheter eingelegt werden. Verletzungen des Axis: Isthmusfrakturen des Axis (CT-Diagnostik) entstehen durch ein Hyperextensions-Distraktionstrauma mit Läsion der Medulla oblongata (hanged man’s fracture) oder durch ein Hyperextensions-Kompressionstrauma durch Schleudertraume bei Verkehrsunfällen. Nicht dislozierte Isthmusfrakturen können konservativ im HaloJackett oder Minerva-Gips therapiert werden (8⫺12 Wochen). Dislozierte Frakturen und Luxationsfrakturen müssen operativ behandelt werden. Sofortmaßnahmen bei Verletzungen der okzipito-zervikalen Gegend ⫺ Verletzungen des Atlas Dabei handelt es sich entweder um Berstungsbrüche (CT-Untersuchungen) des Atlas (Bruch nach Jefferson) oder um Totalluxationen des Atlas. Bei diesen Verletzungen besteht in den meisten Fällen keine Operationsindikation, wenn keine neurologischen Ausfallserscheinungen vorliegen. Hier wird ein Kopf-Brust-Gipsverband oder eine am Schädel ansetzende Extension angelegt (4⫺6 Wochen).
278
11 Frakturen und Luxationen
Operationsindikation besteht nur dann, wenn Knochenfragmente durch das Unfallgeschehen selbst oder durch eine Instabilität des Gelenks auf das Halsmark drücken. Sofortmaßnahmen bei einer Dens-Fraktur Diese Fraktur kommt durch Stauchung der BWS und LWS und gleichzeitige Überbeugung und Überstreckung der HWS mit Riss des Ligamentum transversum atlantis zustande. Man kennt drei Typen nach Anderson-Alonso: ⫺ Anderson Typ I: Fraktur, meist Schrägfraktur des oberen Densanteils (stabil) und Ausriss der Ligamenta alaria. ⫺ Anderson Typ II: Fraktur an der Densbasis, meist Querfraktur (instabil). ⫺ Anderson Typ III: Korpusfraktur, d. h. Fraktur durch die Densbasis mit Ausdehnung in den Wirbelkörper Therapie bei einer Dens-Fraktur Röntgenbild durch den geöffneten Mund, eventuell CT, seitliche Aufnahmen. Funktionsaufnahmen sind verboten. ⫺ Typ I: Ruhigstellung mit einer Zervikalstütze (2 Wochen). ⫺ Typ II (instabile Verletzung): Schraubenosteosynthese. Andernfalls kann eine Pseudarthrose entstehen. Ruhigstellung mit einer Zervikalstütze für 6⫺8 Wochen. ⫺ Typ III: konservative Behandlung mit Halofixateur über 3⫺4 Monate. Indikation zur operativen Behandlung bei einer Dens-Fraktur 1. Wenn nach konservativer Behandlung und Einrichtung eine Verschlechterung eintritt. 2. Bei einer Pseudoathrose des Dens und gleichzeitig Verschiebung des ersten Halswirbelkörpers. Sofortmaßnahmen bei Verletzungen der Halswirbelsäule: 3.⫺7. Halswirbelkörper Hierbei kommen in Frage: ⫺ Luxationen ⫺ Frakturen (Wirbelkörper, Bogenbrüche, Gelenkfortsatzbrüche)
11.2 Behandlung der wichtigsten Frakturen
279
⫺ Kombination von Fraktur und Luxation ⫺ Bandzerreißungen (Schleudertrauma) Disko-ligamentäre Verletzungen sollen operativ behandelt werden (ventrale Spondylodese). Ossäre Verletzungen können konservativ und operativ versorgt werden, kombinierte osseo-ligamentäre Verletzungen werden meist durch Spondylodese behandelt. Behandlung des sog. „Schleudertraumas“ (Distorsion der HWS). Sie ist die Folge von Auffahrunfällen. Morphologische Veränderungen ⫺ festgestellt durch MRT-Untersuchungen ⫺ sind: Diskusverletzungen, Dehnungen der Bänder und der Gelenkkapselsehnen. Die Behandlung besteht in einer Ruhigstellung der HWS, Verabreichung von Analgetika, Muskelrelaxantien und einer krankengymnastischen Behandlung. Sofortmaßnahmen bei Verletzungen der Brustwirbelsäule/ Lendenwirbelsäule Man unterscheidet: ⫺ Wirbelsäulenverletzungen vom Typ A: Kompressionsverletzungen ⫺ Wirbelsäulenverletzungen vom Typ B: Distraktionsverletzungen ⫺ Wirbelsäulenverletzungen vom Typ C: Rotationsverletzungen Die Wirbelkörperverletzung kann in verschiedenen Wirbelkörperbereichen stattfinden, die nach dem Dreisäulenmodell nach Denis eingeteilt werden: ⫺ im vorderen Bereich der Wirbelkörper, d. h. vordere Säule: Korpus, Bandscheibe, Ligamentum longitudinale anterior ⫺ im mittleren Bereich der Wirbelkörper, d. h. mittlere Säule: hinteres Drittel des Wirbelkörpers, Bandscheibe und Ligamentum longitudinale posterior ⫺ im hintern dorsalen Bereich der Wirbelkörper, d. h. hintere Säule: Bogenwurzel, Gelenkfortsätze, Dornfortsätze, Ligamentum supraspinale. Die radiologischen Zeichen sind: ⫺ Typ-A-Verletzungen (Kompressionsverletzungen): Impaktion, Berstung und Spaltung des Wirbelkörperknochens. Neurologische Schäden können entstehen durch dislozierte Knochenfragmente. ⫺ Typ-B-Verletzungen (Distraktionsverletzungen): Translationsverschiebungen, Risiko neurologischer Ausfallserscheinungen ist hoch, dislozierte Knochenfragmente, Vergrößerung der Dornfortsatzdis-
280
11 Frakturen und Luxationen
tanz, Keilwirbelbildung, Höhenzunahme der Wirbelkörperhinterwand. ⫺ Typ-C-Verletzungen (Rotationsverletzungen): Verletzungen aller drei Säulen (Denis), dorsale Ligamente und hinteres Längsband sind gerissen, Translokationen, neurologische Schäden sind häufig, Wirbelkörperdrehungen, Querfortsatz-Frakturen, Rippenluxationen, Rippenfrakturen, einseitige Subluxationen und Luxationen von Wirbelgelenken, einseitige Gelenkfortsatzfrakturen. Allgemeine Maßnahmen bei Wirbelsäulenverletzungen 1. konservative Therapie: ⫺ Wirbelsäulenstabilisierung und Ruhigstellung der Wirbelsäule durch weichen Kragen, harten Kragen (Philadelphia-Kragen), Minerva-Gips, Halo-Fixateur ⫺ Brustwirbelsäulen- und Lendenwirbelsäulenruhigstellung: Dreipunktekorsett (Gips-/Kunststoffkorsett) 2. operative Behandlung: Osteosynthese und Spondylodese ⫺ Osteosynthese: Schraubenosteosynthese bei Densfraktur, Schraubenosteosynthese bei beidseitiger Bogenfraktur C2 (Isthmusfraktur, segmentüberbrückende Osteosynthese von dorsal bei Frakturen der BWS/LWS ohne Bandscheibenläsion (Fixateur externe) ⫺ Spondylodese: ventrale/dorsale Plattenosteosynthese mit Spanplastik bei diskoligamentären und osteodiskoligamentären Verletzungen der HWS ⫺ dorsoventrale unisegmentale Fusionsoperationen bei Kompressionsverletzungen der BWS/LWS mit Bandscheibenzerstörung. ⫺ dorsoventrale Fusionsoperation bei Distraktions- und Torsionsverletzungen der BWS/LWS
11.2.2 Rippenfrakturen Häufigkeit Rippenfrakturen sind vor dem 16. Lebensjahr wegen der Elastizität der Rippen selten. Typische Lokalisation Die Abb. 11-7 zeigt typische Stellen von Rippenfrakturen. Auffahrunfälle und Unfälle anderer Ursachen, die zu einer Kompression des Tho-
11.2 Behandlung der wichtigsten Frakturen
281
Abb. 11-7 Typische Lokalisation von Rippenfrakturen. (a) parasternal (im knorpeligen Bereich), (b) in Höhe der Medioklavikularlinie, (c) in Höhe der vorderen und hinteren Axillarlinie, (d) in Höhe der Skapularlinie, (e) paravertebral (im Bereich von Kollum, Caput oder Angulus costae).
rax in ventrodorsaler Richtung führen, verursachen Rippenbrüche in der Axillarlinie bzw. am Angulus costae. Rippenserienbrüche mit einem mobilen Brustwandanteil bringen die Gefahr einer paradoxen Atmung mit sich. Komplikationen, die mit Rippenbrüchen vergesellschaftet sein können 1. Hämatothorax durch Anspießung der Pleura parietalis und Blutung in den Pleuraraum (aus Interkostalgefäßen). 2. Geschlossener Pneumothorax (evtl. sogar Spannungspneumothorax) bei Verletzung der Pleura visceralis und der Lunge. 3. Hautemphysem; Eindringen von Luft in die Weichteile der Thoraxwand und des Halses, durch Verletzung von Lunge und Pleura parietalis. Sofortmaßnahmen Ziel: Ausschaltung von Schmerzen und Wiederherstellung normaler Atmung. Alle am einem Verkehrsunfall beteiligten Personen sind im Hinblick auf Rippenfrakturen besonders gefährdet. Schmerz bei der Palpation (lokaler Schmerz), auch Thoraxkompressionsschmerz (Fernschmerz), schmerzbedingtes Schonungsatmen und Schmerzen bei Husten und Niesen und tiefer Inspiration sowie Stauungsblutungen der Konjunktiva auf Grund akuter, venöser Drucksteigerung bei Thoraxkompression sind bezeichnend. 1. isolierte Rippenfrakturen: ⫺ schmerzstillende Präparate wie Tramadol-ratiopharm“ geben
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11 Frakturen und Luxationen
Abb. 11-8 Technik der Leitungsanästhesie eines Interkostalnervs. Als Lokalanästhetikum wird Xylonest“ verwendet.
⫺ bei besonderer Schmerzhaftigkeit lokaler Block des betreffenden Interkostalnervs mit Xylonest“ i. m. (Abb. 11-8) ⫺ Anlegen eines dachziegelartig übereinandergreifenden Verbandes mit klebenden Binden (Idealhaftbinden) oder hautverträglichen Pflastern; Anlegen bei maximaler Exspirationsstellung; Touren sollen dorsal und ventral über die Mittellinie hinweggreifen. Dieses Semizingulum ist vor allem bei Rippenserienfrakturen mit mobilem Brustwandanteil ausgezeichnet. Ein Zingulum kann auch angelegt werden, behindert aber oft die Atemexkursion. ⫺ Bettruhe ist unzweckmäßig, besonders bei Patienten über 50 Jahren. 2. Bei instabilem Thorax infolge Rippenserienfrakturen mit einem mobilen Brustwandanteil wird eine innere pneumatische Stabilisierung durch Intubation und Überdruckbeatmung selten durchgeführt. Die Rippen können mit Rippenklammern anastomosiert oder durch Metallbügel (Fa. Lettenbauer) stabilisiert werden. 3. Isolierte Sternumfrakturen werden durch Metallbügel oder Kirschner-Drähte intern stabilisiert. 4. Penetrierende Verletzungen der Thoraxwand mit offenem Pneumothorax müssen operativ verschlossen werden.
11.2.3 Klavikulafraktur Typische Lokalisation Entstehungsursache direkt ohne typische Lokalisation der Fraktur und indirekt mit typischer Lokalisation durch Sturz auf den ausgestreckten Arm oder die seitliche Schulterpartie.
11.2 Behandlung der wichtigsten Frakturen
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Abb. 11-9 Typische Frakturen im Bereich der Klavikula.
1: N. dorsalis scapulae; 2. N. suprascapularis; 3: Fasciculus lat.; 4: Fasciculus med.; 5: Fasciculus posterior; 6: kurze Plexusäste; 7: N. thoracicus longus; 8: N. subscapularis; 9: N. thoracodorsalis; 10: N. cutaneus brachii med.; 11: N. ulnaris; 12: N. radialis; 13: N. medianus; 14: N. musculocutaneus; 15: N. axillaris; 16: Nn. pectorales; 17: N. cutaneus antebrachii med. Abb. 11-10 Topographische Anatomie der infraklavikularen Strukturen (nach Staudt, J., Berlin).
Man unterscheidet ⫺ Querfrakturen, ⫺ Schrägfrakturen, ⫺ Stückfrakturen. Mögliche Lokalisation (Abb. 11-9): ⫺ am akromialen Ende: laterales Drittel ⫺ an der statisch schwächsten Stelle an der Klavikula (häufigster Fall; Abb. 11-9): mittleres Drittel ⫺ Hypomochlionfraktur über die erste Rippe: mittleres Drittel ⫺ am sternalen Ende: mediales Drittel Aufgrund der inserierenden Muskeln (Musculus sternocleidomastoideus, Musculus trapezius, Musculus pectoralis major) kommt es zu einer
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11 Frakturen und Luxationen
Dislokation (s. u.), wobei das akromiale Fragment nach ventrokaudal, das sternale Fragment nach kranial verschoben wird. Oft tritt eine charakteristische Verkürzung auf. Sofortmaßnahmen 1. Meist nur eine Röntgenaufnahme nötig (a. p.)! 2. Bei Frakturen im mittleren Drittel erfolgt eine konservative Behandlung mit einem Rucksackverband (Abb. 11-11):
Abb. 11-11 Technik des RucksackStülpa-Verbandes.
⫺ Fehlstellung des medialen Fragmentes wird ausgeglichen; ⫺ akromiales Ende wird nach dorsokranial gedrängt, dem zentralen Fragment entgegen; ⫺ Beweglichkeit an der Frakturstelle wird weitgehend gehemmt. Dieser Verband muss täglich kontrolliert werden, d. h. er muss, wenn er locker geworden ist, nachgezogen werden und darf keine Kompression der Achselgefäße verursachen. Gelingt die Reposition auf diese Weise nicht, so kann man versuchen, durch Druck der Hand bzw. der Finger auf die Klavikulafragmente unter Zuhilfenahme eines Bildverstärkers eine Reposition zu erzielen. Selbst eine nicht ideale Reposition führt später zu rechten guten funktionellen Ergebnissen. Anschließende Fixation wie oben beschrieben. Diese Fixation wird 3⫺4 Wochen beibehalten; die freie Bewegung im Schultergelenk muss aber gesichert sein. Indikation zum primär operativen Eingriff (Frakturen im mittleren Drittel) 1. Offene Brüche. 2. Begleitende Nerven- und Gefäßverletzungen (Abb. 11-10).
11.2 Behandlung der wichtigsten Frakturen
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3. Einspießende Fragmente in den Thorax oder in die Haut: Die Osteosynthese wird mit der dynamischen Kompressionsplatte der AO durchgeführt. 4. Frakturen im medialen Drittel und Luxationsfrakturen im Sternoklavikulargelenk: Hier besteht eine Indikation zur Operation. 5. Laterale Klavikulafrakturen: ⫺ Typ-I-Frakturen: Die Fraktur liegt lateral des Ligamentum coracoclaviculare ⫺ Bänder sind erhalten. Konservative Behandlung. ⫺ Typ-II-Frakturen: Die Fraktur liegt medial des Ligamentum coracoclaviculare und es liegt eine partielle Ruptur der Bänder und eine Dislokation des medialen Fragmentes vor. Operative Behandlung durch Zuggurtosteosynthese, Kleinfragmentplättchen. ⫺ Typ-III-Frakturen: Sie werden wie Frakturen des mittleren Klavikuladrittels konservativ im Rucksackverband behandelt. ⫺ Typ-IV-Frakturen: Epiphysenlösungen mit Dislokation des medialen Fragmentes. Konservative Behandlung im Rucksackverband. Indikation zum sekundären chirurgischen Eingriff 1. Pseudarthrose und Defektpseudarthrose. 2. Kosmetisch störende, in Fehlstellung verheilte Klavikulafraktur. Einteilung der Schweregrade der Luxatio acromioclavicularis (Schultereckgelenk) Die Einteilung nach Tossy (Schweregrad I bis IV) erfolgt aufgrund topographisch anatomischer Gegebenheiten im Bezug auf das Ligamentum acromioclaviculare und coracoclaviculare. Diese Einteilung ist eine klinisch relevante Einteilung, da sie der Wegweiser für chirurgisches oder konservatives Vorgehen darstellt. Vorgehen bei Luxation im Akromioklavikulargelenk Bei der Schultereckgelenkssprengung kommt es zu einer partiellen oder kompletten Zerreißung des Ligamentum acromioclaviculare und des Ligamentum coracoclaviculare (Abb. 11-12). Einteilung nach Tossy ⫺ Tossy I: Kontusion, Distorsion ⫺ Tossy II: Subluxation (Ligamentum acromioclaviculare gerissen, Teilruptur des Ligamentum coracoclaviculare)
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11 Frakturen und Luxationen
Abb. 11-12 Schweregrad der Schultereckgelenkverletzungen (nach Burri): (a) Tossy I (Kontusion, Distorsion), (b) Tossy II (Subluxation), (c) Tossy III (Luxation), (d) Tossy IV (Luxationsfraktur), 1: Ligamentum acromioclaviculare superius, 2: Ligamentum acromioclaviculare inferius, 3: Ligamentum coracoclaviculare, 4: Discus articularis.
⫺ Tossy III: Luxation (Ligamentum acromioclaviculare und Ligamentum coracoclaviculare gerissen) ⫺ Tossy IV: Luxationsfraktur (Ligamentum Acromioclaviculare gerissen, Ligamentum coracoacromiale intakt, aber prozessus coracoideus abgerissen) Diagnose Röntgenaufnahme beider Schultern a. p. (Frakturausschluss!) ohne und anschließend mit Belastung (5⫺10 kg in jeder Hand) auf einem Film (Seitenvergleich). Charakteristisch ist das sog. „Klaviertastenphänomen“, wobei das laterale Klavikulaende durch Druck reponiert werden kann. Therapie ⫺ Tossy I: konservativ, kurzfristige Ruhigstellung, Antiphlogistika. ⫺ Tossy II: konservativ (Desault-Verband mit U-förmigem Pflaster nach Hartung über dem distalen Klavikulaende für 4⫺6 Wochen) oder selten Operation, da die konservative Therapie aufwendig und unsicher ist. ⫺ Tossy III: Operation: Bandnaht, zusätzlich vorübergehende Sicherung des Akromioklavikulargelenks mit Spickdrähten. ⫺ Tossy IV: Wiederherstellung der Bänder und Zuggurtosteosynthesen im Bereich des Knochenbruchs. Vorgehen bei Luxationen im Sternoklavikulargelenk Dabei kommt es zu einer Ruptur des Ligamentum sternoclaviculare sowie des funktionell wichtigen Ligamentum interclaviculare. Bei frischen
11.2 Behandlung der wichtigsten Frakturen
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traumatischen Luxationen wird zunächst immer ein Rucksackverband angelegt. Damit lassen sich gute funktionelle Ergebnisse erzielen. Operationsindikation meist bei veralteten Luxationen, vor allem bei jungen Patienten mit stärkerer Funktionsbehinderung.
11.2.4 Frakturen des proximalen Oberarms, Humeruskopffrakturen Einen Überblick über die Frakturbehandlung der oberen Extremität gibt Abb. 11-13.
Abb. 11-13 Orientierende Einteilung der Frakturbehandlung der oberen Extremität beim Erwachsenen (nach Brug).
Vorbemerkung Therapeutische Maßnahmen richten sich nach ⫺ der Art und Lokalisation der Fraktur (Abb. 11-14, Abb. 11-15), ⫺ der Anzahl der betroffenen Humerusfragmente nach Neer (maximal 4), ⫺ dem Dislokationsgrad, ⫺ dem Alter der Patienten.
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11 Frakturen und Luxationen
Abb. 11-14 Frakturtypen im Bereich des Humeruskopfes bzw. des proximalen Oberarms: (a) Fraktur am Collum anatonicum, (b) pertuberkuläre Fraktur, (c) Fraktur am Collum chirurgicum, (d) Abriss vom Tuberculum majus.
Abb. 11-15 Humerusfrakturtypen. Lokalisation 1: proximal: a: Kalottenfraktur (selten), b: Abrissfraktur des Tuberculum majus, c: subkapitale Fraktur; 2: Humerusschaftfraktur, 3: distale Humerusfraktur: a: suprakondylär, b: Abrissfraktur des Epikondylus ulnaris, c: Y-förmige transkondyläre Fraktur (aus: Pschyrembel“, Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter, Berlin, 2004).
Sofortmaßnahmen Diese Frakturen werden in über 95 % der Fälle konservativ behandelt. 1. Nach klinischer Untersuchung immer ein Röntgenbild a. p. und seitlich (von der Achselhöhle aus) anfertigen. 2. Eingekeilte Frakturen (meist subkapitale Frakturen) werden für ca. 10 Tage im Desault-Verband ruhiggestellt. Dann kontrollierte Bewegungstherapie. 3. Dislozierte subkapitale Humerusfrakturen werden in Narkose reponiert und anschließend ruhig gestellt. Die Reposition kann auch durch einen sog. Hängegips erreicht werden. Heilungschancen wegen des spongiösen Knochens besonders günstig.
11.2 Behandlung der wichtigsten Frakturen
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4. Bei älteren Patienten verzichtet man auf eine genaue Reposition in Narkose und legt einen Hängegips (mit Cellona-Gipsverband) an. 5. Abrisse des Tuberculum majus werden durch eine Schraubenosteosynthese wieder refixiert oder durch Zuggurtung reponiert und fixiert. In welchen Fällen kann ein Thoraxabduktionsgips bei älteren Patienten angelegt werden? 1. 2. 3. 4. 5.
Abriss des Tuberculum majus, Luxationsfraktur, Humeruskopfdislokation um mehr als 30∞, Verschiebung der Fragmente um halbe Schaftbreite, Epiphysenlösung.
Richtig angelegte Abduktionsschiene Oberarm 30∞ unter der Horizontalen, er wird aus der Frontal-Ebene um 30∞ nach ventral genommen, Unterarm gegen Oberarm um 90∞ abgewinkelt und der Unterarm um 30∞ nach aufwärts gerichtet. Operationsindikation 1. 2. 3. 4. 5. 6.
irreponible Fraktur, Hindernis ist die interponierte lange Bizepssehne irreponible Luxationsfraktur Oberarmkopftrümmerfraktur und Nervenläsion Pseudoarthrose stark dislozierte Abrissfraktur des Tuberculum majus Epiphysenfraktur mit Repositionshindernis (lange Bizepssehne)
Beachte: Bei derartigen Frakturen immer Überprüfung der Funktion des Nervus radialis und Überprüfung der Durchblutung.
11.2.5 Humerusschaftfrakturen Sofortmaßnahmen 1. Immer Röntgenbilder in zwei Ebenen anfertigen. 2. Präoperativ immer die Funktion des Nervus radialis überprüfen, da dieser bei Aussprengung von Biegungskeilen oft in Mitleidenschaft gezogen wird (Sofortkomplikation).
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11 Frakturen und Luxationen
3. Nicht dislozierte Oberarmschaftfrakturen werden im Desault-Verband ruhig gestellt. Eine Alternative dazu ist die Overheadextension bis zur kallösen Fixierung der Fraktur und anschließende Gipsbehandlung. 4. Indikation zur Operation: Eine offene Reposition mit primärer Osteosynthese ist nur dann angezeigt, wenn die Interposition von Muskeln im Frakturspalt die geschlossene Reposition unmöglich macht oder wenn der Nervus radialis verletzt ist. Häufigkeit von Nervenverletzungen ⫺ bei Frakturen im mittleren Humerusdrittel: 8 % ⫺ bei Frakturen im distalen Humerusdrittel: 15 % Die traumatisch bedingte Myositis ossificans tritt bei Verletzungen im Bereich des Musculus brachialis, aber auch an anderer Stelle der Oberarmmuskulatur auf. Es kann hierbei zu einer völligen Versteifung im Ellenbogen kommen. Die Ursache dieser Veränderung des Muskelgewebes ist noch nicht geklärt. Am häufigsten werden unsachgemäße Nachbehandlung (Massagen, passive Bewegungstherapie), mehrfache Repositionsmanöver sowie schwere Traumatisierung mit ausgedehnten Hämatomen und Muskelfaserzerreißungen mit Quetschungen verantwortlich gemacht.
11.2.6 Distale Humerusfrakturen Folgende Frakturen müssen in den allermeisten Fällen operativ versorgt werden: 1. suprakondyläre Humerusfrakturen, 2. Abrissfraktur des Epicondylus humeri medialis und lateralis, 3. Y-Fraktur des distalen Humerus. Begründung: Exakte anatomische Wiederherstellung der Gelenkflächen und Dekompression von Nerven und Gefäßen.
11.2.7 Radiusfrakturen Definition Bei der Radiusfraktur loco classico handelt es sich um eine Fraktur am peripheren Ende des Radius, die extra- oder intraartikulär als einzelne Bruchlinie oder als Trümmerbruch verlaufen kann, mit Kippung des
11.2 Behandlung der wichtigsten Frakturen
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distalen Fragmentes, je nach Unfallmechanismus (Extensionsfraktur, Flexionsfraktur). Sie ist oft mit einem Abriss des Processus styloideus der Ulna kombiniert. Sofortmaßnahmen 1. Röntgenbilder in zwei Ebenen anfertigen lassen. 2. Reposition der Fraktur in Narkose unter Bildwandler (NN). Technik der Reposition: Gegenzug am Oberarm über eine breite Manschette und Zug sowohl an den Finger 2⫺4 ulnarwärts (bei radialer Abknickung, als auch bei Bajonettstellung) und volarwärts (bei Abkippung des peripheren Fragments nach dorsal) als auch Zug am Daumen in Richtung der Längsachse des Radius. Die Reposition ist dann optimal erfolgt, wenn ⫺ der Ulnarvorschub beseitigt ist, ⫺ die Bajonettstellung verschwunden ist, ⫺ eine achsengerechte Stellung erzielt ist, d. h. Radiusschaft-Radiusgelenk-Winkel im a. p.-Strahlengang 90 ⫹ 30∞ und im seitlichen Strahlengang 90 ⫹ 10∞ volarwärts beträgt (Abb. 11-16).
Abb. 11-16 Radiusgelenkflächen im a.-p.- und seitlichen Strahlengang: Die Winkel der Radiusgelenkflächen nach Böhler haben im a.-p.-Bild 25⫺30∞, in der seitlichen Ansicht 10∞ Volarflexion. Sie sind ein Maß für die Qualität der Reposition.
3. Kontrolle des Repositionsmanövers, wobei der Arm ruhig bleibt und der Bildwandler geschwenkt wird. 4. Anlegen eines gespaltenen zirkulären Gipses oder eines gespaltenen Gipses aus Cellona unter weiterem leichten Zug an Daumen und Fingern, bei rechtwinklig gebeugtem Unterarm, Mittelstellung des Vorderarms und des Handgelenks, Ulnarabduktion der Hand und Oppositionsstellung des Daumens. 5. Stellungskontrolle im Gips.
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11 Frakturen und Luxationen
6. Kontrolle der Zirkulation der betreffenden Hand und der Finger. Arm hochlagern. Eine vorübergehende unphysiologische Stellung des Handgelenks im Gips (Volarflexion) darf, wenn eine gute Reposition erzielt wurde, akzeptiert werden. 7. Anleitung zur Bewegung der Finger, des Ellenbogens und der Schulter. Indikation zu chirurgischem Vorgehen Bei der Fraktur nach Smith, d. h. einer Flexionsfraktur mit volarem Kantenabbruch des Radius, erfolgt nach operativer Reposition die Fixation des distalen Fragmentes operativ. Eine operative Reposition ist bei distalen Radiusfrakturen loco classico, wenn eine Gelenkbeteiligung vorliegt und eine exakte Reposition und Retention mit konservativen Maßnahmen nicht erreicht werden kann, erforderlich. Das gleiche gilt für offene, instabile Radiusfrakturen.
11.2.8 Übrige Frakturen der oberen Extremität Sie treten zahlenmäßig hinter den vorher Genannten zurück. Im Folgenden werden die Behandlungsrichtlinien für diese Frakturtypen kurz dargelegt. Frakturen der Kondylen (T- und Y-Frakturen und Epikondylenabsprengung) Sie werden nach der Forderung der Wiederherstellung anatomischer Verhältnisse sowohl konservativ bzw. operativ reponiert und retiniert. Bei den supra- und diakondylären Y- und T-Frakturen sollte in den allermeisten Fällen eine operative Korrektur und Rekonstruktion des Ellenbogengelenks angestrebt werden. Erst durch den operativen Eingriff lassen sich kleinere, am Gelenk beteiligte Fragmente exakt darstellen und readaptieren. In den meisten Fällen gelingt dies durch eine Minimalosteosynthese mit 1⫺2 Spongiosaschrauben. Kleinere Fragmente, die für die Stabilität und Aufbau des Gelenkes keine Bedeutung haben, können exstirpiert werden. Abbrüche von Kondylen und Epikondylen können durch einen relativ kleinen, wenig Zeit in Anspruch nehmenden chirurgischen Eingriff unter Verwendung von Bohrdrähten oder Malleolarschrauben wieder readaptiert werden; durch diese operative Reposition lassen sich Schädigungen, insbesondere des Nervus ulnaris, vermeiden.
11.2 Behandlung der wichtigsten Frakturen
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Olekranonfrakturen (Querfrakturen) Diese werden operativ durch Adaptation der Fragmente mit Zuggurtung nach Weber in Kombination mit Kirschner-Drähten oder durch Schraubenosteosynthese versorgt. Bei nicht exakter Readaptation der Fragmente kann es zu einer Arthrosis deformans kommen. Frakturen des Caput radii Konservative Behandlung bei Fissuren ohne Dislokation durch Behandlung in einem Oberarmgips für 3⫺4 Wochen. Die Indikation zum operativen Vorgehen ist bei Spaltbrüchen des Radiusköpfchens und dislozierten marginalen Frakturen indiziert, da eine in Fehlposition verheilte Radiusköpfchenfraktur eine ganz erhebliche Funktionseinschränkung im Ellenbogengelenk darstellt. Unterarmschaftfrakturen (isolierte Ulna- oder Radiusfrakturen und komplette Unterarmfrakturen) Bei Erwachsenen meistens operative Versorgung mittels Plattenosteosynthese. Vorteile: frühfunktionelle Behandlung, exakte anatomische Rekonstruktion, Verhinderung einer Pseudoarthrose durch den sperrenden Knochen, Verhinderung einer Brückenkallusbildung durch Vermeidung einer Instabilität. Bei Kindern wird häufig eine konservative Behandlung durchgeführt. Frakturen im Bereich der Hand siehe 14.12.
11.2.9 Skapulafrakturen Vorbemerkung Bei klinischem Verdacht auf Skapulafrakturen: spezielle Skapularöntgenaufnahme! Die möglichen Skapulafrakturen sind in Abb. 11-17 dargestellt. Sofortmaßnahmen 1. Frakturen des Schulterblattkörpers werden für ca. 1 Woche in einem Desault-Verband (TG-Schlauchverband) ruhiggestellt. Wenn eine Dislokation vorhanden ist, wird diese reponiert. 2. Nach Resorption des Hämatoms und Abklingen der Schmerzen wird mit Bewegungsübungen begonnen. 3. Konsolidierungszeit von 6⫺8 Wochen ist zu beachten.
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11 Frakturen und Luxationen
Abb. 11-17 Frakturtypen der Skapula. (a) Querfraktur, (b) Fraktur des distalen Skapulaabschnittes, (c) Fraktur des Proc. Coracoideus, (d) Fraktur des medialen Skapulaabschnitts, (e) Skapulalängsfraktur, (f) Fraktur durch das Collum scapulae.
Beachte: Bei fast allen Frakturen des Schulterblatthalses (meist kombiniert mit Frakturen des Processus coracoideus) kommt es zu einer charakteristischen Dislokation des peripheren Segments nach kaudal.
Sofortmaßnahmen bei Schulterblatthalsfrakturen ⫺ ohne Dislokation: 3 Wochen Abduktionsgips ⫺ mit Dislokation: Reposition. Sie erfolgt durch Zug am Arm, der über die Horizontale eleviert ist, und durch Druck von der Axilla her. Um die Reposition beizubehalten, wird für 3 Wochen ein Abduktionsverband des Oberarmes von 45∞ über den rechten Winkel hinaus durchgeführt. Indikation zur Operation: Dislozierte Frakturen des Processus coracoideus und des Akromions. Skapulahalsfrakturen im Bereich der Fossa infraspinata mit Dislokation, Skapulahalsfrakturen und Frakturen der Gelenkpfanne.
11.2.10 Beckenfrakturen Einteilung 1. Beckenrandbrüche: Brüche, die den Beckenring nicht unterbrechen (Stabilität, erhalten). 2. Beckenringbrüche: Brüche, die den Beckenring unterbrechen (Stabilitätsverlust).
11.2 Behandlung der wichtigsten Frakturen
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⫺ Typ-A-Verletzungen (stabil): Typ-A1-Frakturen (Beckenringverletzungen ohne Stabilitätsverlust, Frakturen des Beckenrandes) und Typ-A2-Frakturen (isolierte Frakturen des vorderen Beckenrings, Querfrakturen von Os sacrum und Os coccygis). ⫺ Typ-B-Verletzungen (rotationsinstabil, vertikal stabil): B1-Verletzungen (Symphysensprengung, B2-Verletzungen (laterale Kompressionsverletzungen), B3-Verletzungen (beidseitige B-Verletzungen). ⫺ Typ-C-Verletzungen (rotatorisch instabil, vertikal instabil): C1Verletzungen sind Sacrumverletzungen, Symphysenrupturen, Beckenringfrakturen, C2-Verletzungen sind kombinierte C- und BVerletzungen. C3-Verletzungen sind beidseitige C-Verletzungen 3. Brüche mit Hüftgelenksbeteiligung. Nach Mutschler/Haas werden die Beckenrandbrüche auch zu Typ A der Beckenringbrüche gezählt, da die Stabilität des Beckenringes erhalten ist. Beachte: Patienten mit Beckenbrüchen sind zu über 50 % polytraumatisierte Patienten mit assoziierten Verletzungen: Frakturen der Röhrenknochen, Wirbelsäulenverletzungen, Schädel-Hirn-Traumen, Bauchtraumen, Verletzungen des Urogenitaltraktes.
Sofortmaßnahmen 1. 2. 3. 4.
Schockbekämpfung: s. Abschn. 4.7. Atemwege frei halten, frei machen und gegebenenfalls beatmen. Röntgenbild anfertigen, auf Mitbeteiligung der Wirbelsäule achten. Patient abdominell genau überwachen, da Verletzungen der Baucheingeweide (Blutungen, Nierenläsionen, Blasenrupturen, Ureterrisse, Mastdarmverletzungen) vorliegen können. 5. Neurologische Untersuchung zur Erfassung von Plexusschäden. 6. Computertomographie: Beckenringdiagnostik, Os-sacrum-Diagnostik, retroperitoneale Hämatomdiagnostik. Beckenrandbrüche Abrissbrüche am Tuber ossis ischii, Spina iliaca anterior superior und Spina iliaca anterior inferior und Duverney-Fraktur (Abb. 11-18) werden konservativ behandelt: Bettruhe für 3⫺6 Wochen, vorübergehende Lagerung des Beins auf einer Braun’schen Schiene zur Entlastung der Muskulatur.
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11 Frakturen und Luxationen
Abb. 11-18 Frakturtypen des Beckens. (a) Malgaigne’sche Fraktur, (b) Darmbeinschaufelfraktur schräg, (c) Duverney’sche Fraktur.
Beckenringbrüche Isolierte und doppelseitige Fissuren und Frakturen des vorderen Beckenrings, doppelter vertikaler Ringbruch (Malgaigne-Fraktur, Abb. 11-18) erfordern, wie eingangs erwähnt: ⫺ Kontrolle von Puls, Blutdruck (hypovolämischer Schock durch Blutung). ⫺ Kontrolle des Abdomens, Bauchspülung, Kontrolle von Druckschmerzhaftigkeit und suprasymphysärer Schwellung; rektale digitale Palpation (extra- bzw. intraperitoneale Blasenläsion, in ca. 10 % der Fälle Verletzungen der unteren Harnwege). ⫺ Kontrolle von Urinstatus, Blasen- und Nierenfunktion (CrushNiere), i. v. Pyelogramm. ⫺ Beachtung von konkomitierenden Wirbelsäulenverletzungen und Hüftgelenksluxationen (kommen in 7 % aller Beckenfrakturen vor). ⫺ Beckenstabilisierende chirurgische Maßnahmen (Fixateur externe, Beckenzwinge, Plattenosteosynthese der Symphyse) nach der Therapie von assoziierten, lebensbedrohlichen Verletzungen und nach Stabilisation von Kreislauf und Atmung. Ferner zu beachten 1. Bei allen Fällen von nachgewiesener Ruptur der Blase erfolgt eine dringliche operative Revision der Harnblase. Indikation und therapeutisches Vorgehen bei Harnröhrenruptur: s. Abschn. 9.2.14. 2. Bei allen Fällen, bei denen keine Katheterisierung gelingt und Blut aus der Harnröhre tropft (blutige Anurie), ebenfalls sofort operativ
11.2 Behandlung der wichtigsten Frakturen
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vorgehen: Aufsuchen der Urethrarissstelle von einem Querschnitt vom Damm aus (typische Lokalisation der Ruptur: Pars perinealis). 3. Therapie der Beckenringbrüche: ⫺ Behandlungsdauer 6⫺12 Wochen, ⫺ Konservativ-funktionell: besonders bei nicht dislozierten vorderen Beckenringbrüchen, ⫺ Rauchfuß-Schwebe: bei dislozierten Frakturen mit breitem Aufklappen einer oder beiden Beckenhälften, bei zusätzlicher Höhenverschiebung: suprakondyläre Drahtextension, ⫺ Fixateur externe, stabile Plattenosteosynthese: strenge Indikationsstellung! 4. Schwere dislozierte Beckenfraktur (Malgaigne-Fraktur): Bettruhe, bei Dislokation Extension (Steinmann-Nagel) suprakondylär am Oberschenkel 6⫺12 Wochen (Extension über Braun’sche Lochstabextensionsgeräte). Lagerung der Beine auf Braun’schen Schienen in Semiflexion, um ein Auseinanderweichen der Fragmente zu verhüten; Schwebelagerung des Beckens in hängemattenähnlichem Verband (Rauchfuß’sche Schwebe). Hüftgelenkspfannenbrüche Einteilung: Man unterscheidet nach Judet und Letournel vier verschiedene Frakturtypen: ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
isolierte Pfannenrandbrüche (Typ A), isolierte Brüche des dorsalen Pfeilers (Typ B), isolierte Brüche des ventralen Pfeilers (Typ C), reine Querfrakturen (Typ D).
Außerdem Kombinationsfrakturen. Röntgen/CT: Beckenübersichtsaufnahme, CT oder Spiral-CT-Aufnahme. Ala- und Obturatoraufnahmen zur Differenzierung des Frakturtyps. Operationsindikation: Jeder verschobene Bruch der Hüftpfanne sowie die Luxationsfraktur des Hüftgelenkes stellen eine Operationsindikation dar. Nur die Rekonstruktion der biomechanisch beanspruchten Gelenkanteile führt zu dauerhaften Behandlungserfolgen. Azetabulumfrakturen werden in aufgeschobener Dringlichkeit ca. 1 Woche nach dem Trauma operativ stabilisiert. Luxationsfrakturen werden notfallmäßig reponiert.
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11 Frakturen und Luxationen
Indikation zur konservativen Behandlung: Alle stabilen, nicht dislozierten Hüftpfannenfrakturen werden ausschließlich durch Extension behandelt. Dazu kommen die wenig dislozierten Frakturen im gering belasteten kaudalen und anterokaudalen Bereich der Hüftpfanne. Extensionsbehandlung mit Steinmann-Nagel suprakondylär für 6⫺10 Wochen, um die Form des Hüftgelenks wiederherzustellen.
11.2.11 Schenkelhalsfrakturen Einteilungskriterien 1. Lokalisation (Abb. 11-19) 2. Unfallmechanismus: Adduktionsfraktur (meist instabil, kommen häufiger vor), Abduktionsfraktur (meist stabil) 3. Winkel zwischen Frakturlinie und Horizontaler nach Pauwels (Abb. 11-20)
Abb. 11-19 Typische Lokalisation von Schenkelhalsfrakturen.
Sofortmaßnahmen 1. Nach genauer Untersuchung, einschließlich Unfallmechanismus, immer Röntgenbilder in zwei Ebenen (a.-p.- und Lauenstein-Aufnahme) anfertigen, zum Frakturausschluss eine CT-Untersuchung durchführen. 2. Vorbereitung zur Operation: ⫺ Osteosynthese mit Verschraubung, zusätzlich Spongiosaschrauben, dynamische Hüftkompressionsschraube (DHS). ⫺ Totalendoprothese (bei älteren Patienten über 70 Jahren), soweit die meist älteren Patienten operabel sind. Daher immer:
11.2 Behandlung der wichtigsten Frakturen
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3. Herz (EKG) untersuchen; Lungen untersuchen; prüfen, ob Antikoagulation besteht (QUICK-Wert bestimmen); Blutbild, Urinstatus (Diabetes). 4. Thromboseprophylaxe mit Heparin-ratiopharm“. In allen Fällen, in denen nicht sofort operiert werden kann und eine Verkürzung besteht, wird das Bein auf einer Braun’schen Schiene in leichter Abduktionsstellung gelagert. Dies führt zu einer größtmöglichen Entspannung der Gelenkkapsel. Die Extensionsbehandlung bei Schenkelhalsfrakturen sollte nicht mehr durchgeführt werden, da es dadurch zu einer Spannung der Gelenkkapsel und zur Erhöhung des intraartikulären Drucks mit weiterer Verminderung der Blutversorgung des Hüftkopfes kommt (Nekrose). Die Abb. 11-20 gibt einen Überblick über die Behandlung der Schenkelhalsfrakturen. Beträgt der Neigungswinkel zwischen Frakturebene und Horizontalebene weniger als 30∞ (Typ Pauwels 1): konservative Behandlung. Bei größerem Neigungswinkel (Typ Pauwels 2 und 3) tendiert man eher zur operativen Behandlung.
Abb. 11-20 Behandlung der Schenkelhalsfrakturen.
⫺ Pauwels I: w 30∞: konservative Behandlung ⫺ Pauwels II: w 50∞: chirurgische Behandlung ⫺ Pauwels III: w 70∞: chirurgische Behandlung Je steiler der Frakturverlauf, umso höher ist die Gefahr der Hüftkopfnekrose und der Pseudarthrose. Vorteil der belastungsstabilen Osteosynthese: Frühmobilisation vor allem älterer Patienten (Reduzierung der Gefahr von Pneumonien, Thrombosen, Embolien und irreversibler Inaktivitätsatrophie) und ideale Wiederherstellung anatomischer Verhältnisse. Mehrfach Verletzte sind insbe-
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11 Frakturen und Luxationen
sondere im Hinblick auf portrahierten Schock und Fettembolie besonders gefährdet; hier zeigt sich ganz besonders der günstige Einfluss der primären Osteosynthese. Beachte: Wichtig ist die Diagnostik eines posttraumatischen, intrakapsulären Frakturhämatoms. Dieses sollte innerhalb der ersten 8 h nach dem Trauma festgestellt (CT) und chirurgisch entlastet werden, um eine Femurkopfnekrose zu vermeiden.
11.2.12 Oberschenkelfrakturen Sofortmaßnahmen: 1. Genaue Untersuchung der lokalen Verhältnisse; Vergleich mit der Gegenseite, oft riesige Hämatome (1⫺2 l). Bekämpfung des hypovolämischen Schocks durch Infusion von Plasamexpandern oder Bluttransfusion. 2. Kontrolle von Herz und Lunge. Laborroutineuntersuchungen. 3. Röntgenbilder in zwei Ebenen. 4. Vorbereitungen zur Operation. Alle Oberschenkelschaftfrakturen des Erwachsenen werden osteosynthetisiert, soweit keine Kontraindikation (narkoseunverträgliches Allgemeinbefinden, verschmutzte, offene Fraktur mit De´collement, massiver Diabetes) bestehen, um die Wiederherstellung der Femurlänge, der korrekten Femurachse und der exakten Rotation zu erreichen. Osteosynthesemethoden sind je nach Art der Fraktur einfacher Marknagel oder Vierriegelungsnagel, Plattenosteosynthese, Fixateur externe (Orthofix), besonders bei offenen Frakturen, zunehmend aber auch bei geschlossenen Frakturen. Im Vordergrund der Osteosyntheseverfahren steht die geschlossene Verriegelungsnagelung in unaufgebohrter Technik, so dass dann eine frühfunktionelle Nachbehandlung mit Teilbelastung begonnen werden kann. Wenn präoperativ eine vorübergehende Extensionsbehandlung notwendig ist (polytraumatisierter Patient), erfolgt die Extension mit 1/10 des Körpergewichts und Lagerung auf einer Braun’schen Schiene. Lagerung nach Oberschenkelosteosynthesen: 90∞-Beugung in Hüft- und Kniegelenk (unter anderem zur Verhinderung der Quadrizepskontraktur).
11.2.13 Oberschenkelkondylenfraktur Einteilung 1. unikondyläre Frakturen
11.2 Behandlung der wichtigsten Frakturen
301
2. suprakondyläre und diakondyläre Frakturen (V-, Y- oder T-Frakturen) 3. hohe suprakondyläre Frakturen Da das Kniegelenk auf Inkongruenzen artikulierender Flächen besonders empfindlich ist, ist bei Frakturen im Kondylenbereich eine stufenlose Reposition nötig, um spätere Arthrosen zu vermeiden. Daraus leitet sich die Indikation zum operativen Vorgehen bei den distalen gelenknahen Femurfrakturen ab. Sofortmaßnahmen Bei allen derartigen Frakturen Röntgenaufnahmen in zwei Ebenen. Die distalen gelenknahen Femurfrakturen werden operativ reponiert und retiniert (Verschraubung, T-Platten, Kondylenplatten, KirschnerDrahtspickung). Ziel ist eine übungsstabile Osteosynthese, die eine frühzeitige Übungsbehandlung ermöglicht. Lagerung: 90∞ Beugung in Hüftund Kniegelenk.
11.2.14 Patellafrakturen Einteilung Zur Einteilung der Patellafrakturen (Typ A⫺C) vgl. Abb. 11-21. Sofortmaßnahmen 1. Untersuchung des Kniegelenks und Röntgenaufnahmen in zwei Ebenen.
Abb. 11-21 Typische Patellafrakturen (Typenbezeichnung: vgl. Text).
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11 Frakturen und Luxationen
2. Bei allen Patellafrakturen (Typ A), bei denen keine Dislokation, vor allem nicht an der Rückseite der Patella (⫽ Gelenkfläche), vorhanden ist, wird ein bestehender Erguss abpunktiert (Zeichen der Knochenverletzung ist blutiges Punktat mit Fetttröpfchen), ein Kompressionsverband für drei Tage angelegt und das Bein auf einer Volkmann’schen Schiene gelagert. Nach drei Tagen wird, falls kein Kniegelenkserguss vorhanden ist, für 6 Wochen eine Gipshülse angelegt. 3. Dislozierte Querfrakturen (Typ B) werden operativ durch stufenlose Adaptation der Fragmente mit zwei Kirschner-Drähten und einer Zuggurtung behandelt. Der seitliche Streckapparat wird durch Naht miteinander vereinigt. Nach suffizienter Osteosynthese ist eine Gipsimmobilisation nicht erforderlich. Frühfunktionelle Nachbehandlung (Quadrizepstraining, Bewegungsübungen). Bei unsicherer Osteosynthese: Gipshülse für 4⫺6 Wochen. Erkennungszeichen der Patella bipartita: ⫺ schmale Sklerosezone, ⫺ abgerundete Begrenzungslinie, ⫺ typische Lokalisation am kraniolateralen Abschnitt der Patella. 4. Bei dislozierten Trümmerbrüchen (Typ C), bei denen operativ keine befriedigende Herstellung der Patellarückfläche gelingt, wird die Kniescheibe in toto entfernt und der Streckapparat vereinigt und fixiert.
11.2.15 Tibiakopffrakturen Sofortmaßnahmen: 1. Bei allen Tibiakondylenfrakturen nach der Untersuchung, neben den üblichen Röntgenaufnahmen a. p. und seitlich, immer eine Einsichtsaufnahme des Kniegelenks nach Frick, um das Tibiaplateau beurteilen zu können, oder CT-Untersuchungen. Man erkennt folgende Frakturen: ⫺ unverschobenen, vertikal verlaufenden Spaltbruch, ⫺ verschobenen, vertikal verlaufenden Spaltbruch, ⫺ Impressionsfrakturen, ⫺ bikondyläre Frakturen. 2. Übliche Vorbereitungen des Patienten zur Operation. 3. Primäre Osteosynthese mit Kondylenplatten und Verschraubung oder bei Absprengung Fixation mit Kompressionsschrauben, bei Trümmerfrakturen intraoperativ vorübergehende provisorische Adaptation der Fragmente, dann Spongiosaunterfütterung und end-
11.2 Behandlung der wichtigsten Frakturen
303
gültige Fixation mit Abstützplatten. Unterfütterung und Rekonstruktion des Tibiaplateaus mit körpereigener Spongiosa oder Knochenersatz mit Ostim“. 4. Bei allen Trümmerfrakturen immer eine hohe Gipshülse (mit schnellabbindendem Gips, Cellona) für 6 Wochen anlegen; Patienten dürfen nicht belasten. Bei allen anderen Frakturen: Frühmobilisation! 5. In allen Fällen, bei denen eine primäre Osteosynthese zunächst nicht durchgeführt werden kann: Extensionsbehandlung auf der Braun’schen Schiene durch Zug über einen Steinmann-Nagel durch den Kalkaneus.
11.2.16 Tibischaftfrakturen/Unterschenkelschaftfrakturen Sofortmaßnahmen 1. Nach genauer lokaler und allgemeiner Untersuchung immer ein Röntgenbild a. p. und seitlich anfertigen. 2. Von außerordentlicher Bedeutung ist die Beurteilung des Weichteilschadens: Neben dem Frakturtyp bestimmt er den Schweregrad der Verletzung. Weichteilläsionen bei Frakturen des Unterschenkels erhöhen die Komplikationsrate um den Faktor 10. ⫺ Grad I: oberflächliche Schürfungen, Kontusionen. ⫺ Grad II: umschriebene Hautkontusion. ⫺ Grad III: ausgedehnte Hautkontusion, Muskelzerreißung, De´collement, Hämatomdruck, Kompressionssyndrom. Indikation zur Primäroperation (Operation 6⫺8 h nach dem Unfall) 1. offene Frakturen mit oder ohne Nervenverletzungen 2. geschlossene Frakturen mit schweren Weichteilläsionen vom Schweregrad II oder III 3. intraartikuläre Frakturen Begründung: Schaffung optimaler Heilungsbedingungen durch Hämatomausräumung, Nekrosenentfernung, Frakturstabilisierung, Vermeidung der sekundären Verschlechterung der Hautdurchblutung durch das Hämatom, sekundärer Weichteilnekrosen durch Ödem-/Hämatomdruck, Ischämie. Indikation zur Sekundäroperation (Operation 5⫺10 Tage nach dem Unfall) 1. bei allen Patienten, bei denen die Primäroperation aus irgendwelchen Gründen nicht durchgeführt wurde
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11 Frakturen und Luxationen
2. Frakturen, die sich konservativ nicht exakt einstellen lassen (Mehrfragmentfraktur, Trümmerfraktur) Indikation für konservative Behandlung 1. geschlossene Unterschenkelfrakturen, die sich nach primärer Reposition unter Bildwandler (NN) ohne Verkürzung im gespaltenen Oberschenkelgips (Cellona-Gips) retinieren lassen 2. geschlossene Frakturen mit oder ohne Biegungskeil, die sich durch Extension einrichten lassen Wann soll ein Marknagel verwendet werden? 1. bei geschlossenen und I∞ (und II∞) offenen Querfrakturen und kurzen Schrägfrakturen im mittleren Schaftdrittel 2. bei langstreckigen Schrägfrakturen oder Mehrfragmentbrüchen und Mehretagenbrüchen: Verriegelungsnagel Wann soll eine Plattenosteosynthese durchgeführt werden? Bei langen Schräg- und Spiralbrüchen in allen Etagen. Wird in Schaftmitte mehr und mehr durch den Verriegelungsnagel ersetzt. Wann soll ein Fixateur externe angewendet werden? Je größer der Weichteil- und Knochenschaden ist, umso dringlicher ist die Indikation für einen Fixateur externe. Beispiel: Trümmerbrüche mit Knochendefekt und großen ausgedehnten Weichteilläsionen. Immer öfter ersetzt der einfach und schnell anzubringende Fixateur externe (z. B. Orthofix System) die schwierige, zeitaufwendige und komplikationsträchtige Plattenosteosynthese. Wichtig bei allen Unterschenkelfrakturen: Gefahr des Kompartmentsyndroms (Ischämiesyndrom der drei Muskellogen des Unterschenkels), insbesondere des Tibialis-anterior-Syndroms: Sensibilitätsstörung dorsal zwischen 1. und 2. Zehe und Fußheberschwäche (Puls der Arteria dorsalis pedis muss nicht abgeschwächt sein).
11.2.17 Malleolarfrakturen Einteilung Man teilt die Malleolarfrakturen nach der Klassifikation von Weber in drei Typen ein. Dieses Einteilung stützt sich auf die Höhe der Fibula-
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a
b
Abb. 11-22 (a) Knöchelfraktur: Einteilung nach Weber. (b) VolkmannDreieck (aus: Pschyrembel“, Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter, Berlin, 2004).
fraktur: Typ A, B, C. Je höher die Fraktur lokalisiert ist, umso gravierender ist die Schädigung der tibiofibularen Bandverbindung und desto größer die Gabelinsuffizienz (Abb. 11-22). Die Kenntnis der topographisch-anatomischen Verhältnisse und der Frakturtypen ist die wichtigste Voraussetzung für die Diagnostik dieser Frakturen und die damit zusammenhängende Therapie. Von besonderer Bedeutung ist die Beziehung der Fraktur zur tibiofibularen Syndesmose. Typ A ⫺ Außenknöchel/Fibula: quere Abrissfraktur unterhalb der Syndesmose oder Ruptur der fibularen Seitenbänder. ⫺ Innenknöchel/Tibia: Abscherfraktur horizontal oder vertikal verlaufend oder keine Fraktur; dorsale Tibiakante meist intakt oder medial lokalisiertes Fragment in Verbindung mit der inneren Malleolarfraktur. ⫺ Tibiofibulare Bandverbindung: intakt. Typ B ⫺ Außenknöchel/Fibula: Torsionsfraktur in Höhe der Syndesmose. ⫺ Innenknöchel/Tibia: quer verlaufende Abrissfraktur oder Ruptur des Ligamentum deltoideum. In seltenen Fällen ist der Innenknöchel in-
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takt. Dorsale Tibiakante ohne Fraktur oder laterales Ligamentumfragment (Volkmann’sches Dreieck). ⫺ Tibiofibulare Bandverbindung: dorsale Syndesmose intakt oder infolge der Abrissfraktur der hinteren Tibiakante insuffizient. ⫺ Ventrale Syndesmose: bei distal ansetzender Spiralfraktur der Fibula intakt, bei Frakturen in Höhe des Gelenkspaltes teilweise oder ganz rupturiert. Typ C ⫺ Außenknöchel/Fibula: Fraktur oberhalb der Syndesmose bis zum Fibulaköpfchen lokalisiert. Gelegentlich Luxation in der proximalen Articulatio tibiofibularis. ⫺ Innenknöchel/Tibia: Abrissfraktur quer verlaufend oder Ruptur des Ligamentum deltoideum. Laterales Abrissfragment der hinteren Syndesmose (Volkmann’sches Dreieck). ⫺ Tibiofibulare Bandverbindung: immer rupturiert (Membrana interossea vom Sprunggelenk bis zur Fibulafraktur oder weiter nach proximal). ⫺ Syndesmosenbänder: rupturiert. ⫺ knöcherner Syndesmosenausriss (Tubercule de Chaput) bei TypB-Verletzungen ⫺ Volkmann’sches Dreieck: knöcherne Verletzung am inneren Knöchel und an der hinteren Tibiakante mit einem entsprechenden Knochenfragment bei Typ-B-Verletzungen ⫺ Maisonneuve-Fraktur (Sonderform der Typ-C-Fraktur) mit hoher Fibulafraktur und eingerissener Membrana interossea. Anmerkungen zur Nomenklatur ⫺ Supination: Drehung des Vorderfußes um die Fußachse nach innen. ⫺ Pronation: Drehung des Vorderfußes um die Fußachse nach außen. ⫺ Eversion: Drehung der Fußspitze um die Unterschenkelachse nach außen. ⫺ Adduktion: Drehung des Rückfußes um die Fußachse nach innen. ⫺ Abduktion: Drehung des Rückfußes um die Fußachse nach außen. Sofortmaßnahmen Zur exakten Beurteilung des Frakturtyps werden ausnahmslos mindestens zwei Röntgenbilder (a. p. mit 20∞ Innenrotation und Seitenaufnahme), in vielen Fällen zusätzlich zwei Schrägaufnahmen angefertigt.
11.2 Behandlung der wichtigsten Frakturen
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1. Konservatives Vorgehen: Alle Malleolarfrakturen ohne Dislokation und ohne Gabelsprengung werden mit einem wenig gepolsterten Unterschenkelliegegips (Cellona-Gipsverband) versehen (stabile Frakturen). Diese Frakturen können bei Typ-A-Verletzungen und einfachen Typ-B-Frakturen vorliegen. Konservative Behandlung von Malleolarfrakturen proximal der Syndesmose ist kontraindiziert. Sobald der Gips zu weit wird (meist nach dem 7.⫺8. Tag), wird ein neuer Gips angelegt. Ist die 6⫺8-h-Grenze nach dem Unfall überschritten und bestehen Spannungsblasen und starke Schwellungen, so muss nach vorausgegangener Reposition und Immobilisation im gepolsterten Gipsverband mit der Operation 4⫺6 Tage gewartet werden, bis unter gleichzeitiger Hochlagerung die Weichteile abgeschwollen sind. Beachte: Es ist wichtig, dass man auch bei nicht dislozierten Frakturen wiederholt Röntgenaufnahmen anfertigt, vor allem nach Gipswechsel, um eine möglicherweise sekundär auftretende Fehlstellung zu vermeiden. Nach Böhler führen selbst kleinste im Röntgenbild sichtbare Veränderungen bei Malleolarfrakturen zu späteren dauernden Beschwerden aufgrund der Inkongruenz der Gelenkflächen. 2. Operatives Vorgehen: Eine primäre Osteosynthese (mit Malleolarschrauben, Zuggurtung, Drahtcerclagen, Stellschrauben, Neutralisationplatten, Naht der Syndesmose) ist in allen Fällen indiziert, bei denen auch nur eine geringgradige Dislokation von Fragmenten, intraartikulären Stufenbildungen und Gabelsprengungen vorhanden ist. Sie sind die einzige Methode, um eine ideale Stellung der Fragmente und Wiederherstellung anatomischer Verhältnisse zu gewährleisten. Der günstigste Zeitpunkt für die Operation liegt innerhalb der 6⫺8Stunde-Grenze nach dem Unfall. Bei der operativen Versorgung von Malleolarfrakturen hat die Rekonstruktion von Fibula und Gelenkflächen die Priorität. Die Operation ist daher immer am Außenknöchel zu beginnen. Außenbandverletzungen im Bereich des Sprunggelenks Siehe Abschn. 11.5.4.
11.2.18 Talusfrakturen Sofortmaßnahmen 1. Immer Röntgenaufnahmen in zwei Ebenen anfertigen lassen. CT-Untersuchungen ermöglichen eine genaue Frakturgeometriebeurteilung
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11 Frakturen und Luxationen
2. Bei den nicht dislozierten Talusfrakturen wird ein gespaltener Unterschenkelgips (Cellona-Gipsverband) für 2 Wochen angelegt. Dann gepolsterter Unterschenkelgips für 8⫺10 Wochen. Klassifikation 1. zentrale Frakturen (Taluskopf, Talushals, Taluskörper) 2. periphere Frakturen: ⫺ Typ I: Talusfrakturen nach Hawkins: keine Luxationen im oberen und unteren Sprunggelenk ⫺ Typ II: Talusfrakturen nach Hawkins: Luxationen des Talus im Subtalargelenk, d. h. unterem Sprunggelenk; Luxationen meist nach dorsal ⫺ Typ III: Talusfrakturen nach Hawkins: Luxationen des Talus im oberen und unteren Sprunggelenk meist nach dorsal ⫺ Typ IV: Talusfrakturen nach Hawkins: entsprechen Typ III-Läsion mit zusätzlicher Instabilität im Talonaviculargelenk Operationsindikation 1. irreponible Luxation und Luxationsfrakturen mit klaffendem Frakturspalt 2. dislozierte zentrale Frakturen 3. laterale Taluskantenbrüche Die operative Behandlung besteht in Verschraubung der Fragmente oder Entfernung von Kantenabbrüchen. Liegt ein Trümmerbruch des Talus vor, so ist eine primär konservative Therapie mit späterer Früharthrodese indiziert. Konservative Behandlung bei unverschobener oder nur geringgradig dislozierter Fraktur durch einen gespaltenen Unterschenkelgips für 6⫺8 Wochen.
11.2.19 Kalkaneusfrakturen Einteilung nach Vidal ⫺ Typ I: isolierte Fraktur ohne Gelenkbeteiligung: periphere extraartikuläre Fraktur ⫺ Typ II: Trümmerfraktur mit geringer Gelenkbeteiligung: intraartikuläre Fraktur ⫺ Typ III: Trümmerfraktur mit ausgedehnter Gelenkbeteiligung: intraartikuläre Fraktur
11.2 Behandlung der wichtigsten Frakturen
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Sofortmaßnahmen Röntgenaufnahme des Kalkaneus axial und seitlich. Behandlungsziel: Wiederherstellung der äußeren Fersenbeinform, Rekonstruktion aller Gelenkflächen. Therapie 1. Bei jeder Einrichtung ist besonders darauf zu achten, dass der Tubergelenkwinkel (Abb. 11-23) wiederhergestellt wird. Eine Früharthrodese wird nur bei Trümmerfrakturen des Kalkaneus durchgeführt. Konservative Behandlung bei geschlossenen und verschobenen Brüchen. 2. Typ I ohne große Dislokation und Typ II: Konservativ durch Immobilisation, 6 Wochen Unterschenkelgips, dann Krankengymnastik, Teilbelastung ab 10. bis 12. Woche. 3. Typ III: funktionell, Hochlagerung auf Schiene für einige Tage, dann Krankengymnastik, vollständige Entlastung für 12 Wochen, Maßeinlagen bzw. orthopädische Schuhe rezeptieren, bei anhaltenden Beschwerden Früharthrodese.
Abb. 11-23 Tuber-Gelenkwinkel
Abb. 11-24 Fersenbeinfraktur Vidal III (sog. Entenschnabelbruch) (aus: Pschyrembel“, Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter, Berlin, 2004).
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11 Frakturen und Luxationen
OP-Indikation ⫺ Abrissfrakturen (Abb. 11-24) der Tuberositas calcanei (zwei Spongiosaschrauben), ⫺ Fraktur des Sustentaculum tali (Platte, Spongiosaplastik). ⫺ Dislozierte Gelenkfrakturen mit deutlicher Höhenminderung, Verkürzungen, Verbreiterungen oder Achsenfehlstellungen (Typ II/III Vidal). ⫺ Fußkompartmentsyndrom mit einer Häufigkeit von ca. 5 %. In diesen Fällen müssen alle vier Kompartimente eröffnet werden. ⫺ OP-Technik: KD-Schrauben, Schraubenosteosynthese, Fixateur externe, Plattenosteosynthese.
11.2.20 Frakturen der Ossa metatarsalia und Phalangen Diagnostik Standardröntgenaufnahmen in drei Ebenen: seitlich, dorsoplantar mit kraniokaudal um 20⫺30∞ gekipptem Röntgenapparat und dorsoplantar schräg mit um 45∞ Fußaußenrandanhebung. Diese Aufnahmetechnik ist wichtig, um Subluxationsstellungen zu diagnostizieren und eine Stabilisationsdiagnostik mit gehaltenen Aufnahmen durchzuführen. CT-Untersuchungen sind bei Kompressionsfrakturen des Chopartgelenks wichtig für die Operationsplanung MRT. Szintigraphie und Angiographie sind bei der diabetisch-neuropatischen Osteoarthropathie (DNOAP) indiziert. Klassifikation 1. Chopartgelenksverletzungen ⫺ mediale ⫺ laterale ⫺ longitudinale ⫺ plantare 2. Lisfrank’sche Luxationsfrakturen (Quenu, Küss, Mutschler, Haas) ⫺ komplett-homolateral ⫺ isoliert ⫺ divergierend 3. diabetisch-neuropatische Osteoarthropathie (DNOAP) Sofortmaßnahmen Behandlungsziel: Wiederherstellung eines vollbelastbaren schmerzfreien Fußes. Rekonstruktion der geometrischen Form des Fußgewölbes (knö-
11.2 Behandlung der wichtigsten Frakturen
311
cherne Elemente und Gelenkstellung). Freie Funktion des Talo-Navikulargelenks. 1. Nicht dislozierte Frakturen werden, nachdem das Bein für ca. 1 Woche in einer Schiene hochgelagert wurde und die akute Schwellungstendenz abgeklungen ist, mit einem gut anmodellierten, wenig gepolsterten Unterschenkelgips (Cellona-Gipsverband), der für eine entsprechende Ruhigstellung im Frakturbereich sorgt, für 6 Wochen (Metatarsalefrakturen 8 Wochen) behandelt. Wird der Gips sofort nach dem Unfallereignis angelegt, muss er gespalten und nach 8 Tagen geschlossen werden. 2. Frakturen mit Dislokation, insbesondere subkapitale Serienfrakturen sowie Diaphysenfrakturen, werden unter Zuhilfenahme eines Bildverstärkers reponiert und mit Kirschner-Drähten perkutan oder offen unter Zuhilfenahme einer transversalen Spickdrahtverriegelung retiniert. Anschließend Unterschenkelgipsverband, der eine größtmögliche Immobilisation im Frakturbereich garantiert. Dauer: 6 Wochen. 3. Nicht dislozierte Großzehenfrakturen werden für 4⫺6 Wochen im Unterschenkelgehgips immobilisiert. 4. Frakturen der Zehen II⫺V werden mittels dachziegelförmiger Heftpflasterverbände ruhiggestellt. 5. Dislozierte Großzehenfrakturen werden durch Zug an der großen Zehe und seitlichem Druck eingerichtet. Besteht der Verdacht auf eine Tendenz zur Redislokation, ist die OP-Indikation gegeben, ansonsten Ruhigstellung im Unterschenkelgips mit zusätzlicher Schienung der Großzehe. 6. OP-Indikation: ⫺ dislozierte Großzehenfrakturen (Grund- und Endglied), ⫺ Frakturen des Großzehengrundgliedes, ⫺ dislozierte Frakturen der Metatarsale I und V, ⫺ Gelenkfrakturen (Metatarsophalangealgelenk und proximales Interphalangealgelenk der Zehen II⫺V). 7. OP-Methoden: ⫺ Kirschner-Drahtosteosynthese, ⫺ Platten- und Schraubenosteosynthese (AO Kleinfragment- bzw. Mini-Instrumentarium), ⫺ Gelenkresektion bei Gelenkfrakturen der Zehen II⫺V, ⫺ Spongiosaauffüllung (Ostim“), ⫺ Fixateur externe. Auf die Wiederherstellung des longitudinalen und transversalen Fußgewölbes muss sowohl bei der konservativen als auch bei der chirurgischen
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11 Frakturen und Luxationen
Behandlung besonders geachtet werden. Von besonderer Bedeutung ist auch der 1. Strahl. Zu Frakturen im Bereich der Hand siehe Abschn. 14.12.
11.2.21 Allgemeine Richtlinien für die Behandlung offener Frakturen Definition der offenen Frakturen Hierunter versteht man eine Fraktur, die mit der Verletzungswunde in Verbindung steht, so dass eine direkte Verbindung zwischen Weichteilwunde und Fraktur besteht. Häufigste Lokalisation ist der Unterschenkel. Hinsichtlich des therapeutischen Vorgehens und der Prognose unterscheidet man vier Schweregrade. ⫺ Schweregrad 1: geringer Weichteilschaden, Durchspießen des Weichteilmantels durch ein spitzes Knochenfragment. ⫺ Schweregrad 2: größere Weichteilkontusion und Verletzung der Haut mit Verletzung der Weichteile und darunterliegender Fraktur, die eine Kommunikation mit der äußeren Haut aufweist. ⫺ Schweregrad 3: breite Eröffnung der Haut und ausgedehnte Schädigung der Weichteile im Frakturbereich. Betroffen sind die Muskulatur, die Sehnen, größere Gefäße, Nerven sowie Gelenkanteile. Der Knochen selbst ist mehrfach frakturiert und zertrümmert. ⫺ Schweregrad 4: Subtotal- bis Totalamputation mit Ischämie der peripheren Anteile. Besonders zu beachten: Jede offene Fraktur ist ein chirurgischer Notfall und muss sofort versorgt werden. Hierbei kommt es auf 7 Punkte an: 1. Infektionsverhütung: Nur ein Drittel aller offenen Frakturen sind mit Krankheitskeimen kontaminiert. Die Kontamination erfolgt erst sekundär durch unsachgemäße Behandlung. Im Krankenhaus muss auf strenge Asepsis geachtet werden. Offene Wunden müssen in sterile Tücher eingeschlagen werden. Verbände sollten erst im Operationssaal unter aseptischen Bedingungen entfernt werden. Entscheidend ist, dass die Behandlung innerhalb der 8-Stunden-Grenze begonnen wird, bevor pathogene Keime eine genügend hohe Keimzahl und Virulenz erreichen. 2. De´bridement: Die Wunde wird sorgfältig und so weit wie möglich exzidiert. Nekrotisches Fettgewebe, Muskelgewebe und Faszienan-
11.2 Behandlung der wichtigsten Frakturen
3.
4. 5.
6. 7. 8.
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teile werden exzidiert. Reinigung der Knochenwunde sowie Entfernung von Fremdkörpern und Knochensplittern gehören zur exakten Wundrevision. Die Exzision der Hautränder soll sparsam erfolgen. Nervenenden werden einfach adaptiert und später rekonstruiert. Arterielle größere Gefäße werden genäht, Sehnen werden ebenfalls primär rekonstruiert. Größere Hautdefekte können durch Hauttransplantate gedeckt werden. Stabilisierung der Fraktur: Wundexzision und Stabilisierung der Fragmente stellen die beste Prophylaxe der Wundinfektion dar, die Stabilisierung der Fraktur erfolgt durch Osteosynthese oder durch einen Fixateur externe. Spannungsfreie Hautnaht oder sekundärer Wundverschluss am 5.⫺ 9. Tag. Zurückhaltung mit postoperativer Mobilisation der betreffenden Extremität. Immobilisation der Extremität zusätzlich durch Gipsschalen, Hochlagerung. Breitspektrumantibiotika, z. B. Amoxycillin-ratiophram“ (Dosierung: s. Abschn. 16.3) sofort bei Klinikeinlieferung. Tetanusprophylaxe. Antiphlogistische Therapie mit Proxen“. Da die Wunden infiziert sein können und nach Wundrandadaptation unter Spannung stehen, resultieren häufig auffällige und unschöne Narbenverhältnisse. In diesen Fällen ist frühzeitig, d. h. bereits 14⫺ 21 Tage nach Wundschluss, eine lokale Anwendung von Contractubex“ 1⫺2mal am Tag indiziert. Durch die pharmakologische Wirkung von Heparin, Allantoin und Extractum Cepae wird die Narbenbildung reduziert und eine weitestgehend kosmetisch unauffällige Narbe gewonnen. Die lokale Applikation von Contractubex“ erfolgt durch Einreiben der Salbe über eine Dauer von 3⫺5 min. Ein zusätzlich positiver Effekt kann durch eine lokale Kompression erfolgen. Die Dauer der Applikation erstreckt sich über einen Zeitraum von 4⫺6 Monaten. Ultraschalluntersuchungen ermöglichen eine Vermessung der Narben bzw. Rückgang der Narbenbildung.
Beachte: Eine primäre Naht ist nicht zulässig: a) bei allen Kriegsverletzungen oder kriegsähnlichen Verletzungen, b) bei allen stark verschmutzten Wunden (Tetanus, Gasbrand), Stich-, Bissverletzungen, c) bei schwer zu überbrückenden ausgedehnten Weichteilläsionen, d) bei länger als 10 h zurückliegendem Unfallereignis.
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11 Frakturen und Luxationen
11.2.22 Konsolidationszeit bei unkomplizierten Brüchen Fraktur
durchschnittliche Konsolidationszeit (Wochen)
Klavikula Rippen Wirbelkörper Becken Humerus, subkapitale Fraktur Humerus, Schaftbruch Humerus, distales Ende Olekranon Radius, Ulna, Fibula allein beide Vorderarmknochen typische Radiusfraktur Metakarpalia, Metatarsalia Navikulare Finger, Zehen Schenkelhals Femur Patella Tibiakopf Tibia allein Unterschenkel Malleolarfraktur Talus Kalkaneus Scapula
3⫺4 3⫺4 12 6⫺12 4⫺5 6⫺8 6 6 6 8 4 12⫺14 10⫺12 3⫺5 10⫺14 9⫺12 4⫺6 10⫺12 7 8 6⫺7 10⫺12 9⫺12 6⫺8
11.2.23 Sudeck-Syndrom Definition Das Sudeck-Syndrom tritt posttraumatisch oder postoperativ im Bereich der Hände auf häufig als Folge einer andauernden Immobilisation und Entlastung einer verletzten Extremität durch Dystrophie und Atrophie von Haut und Muskulatur und durch Funktionseinschränkungen der Gelenke infolge Kapselschrumpfung. Es kann aber auch als selbständige Erkrankung auftreten. Ursachen ⫺ entzündlich (bakteriell, chemisch, thermisch) ⫺ neurogen (Nervenläsionen, Reflextheorie, Schmerz) ⫺ neurovaskulär (vegetative Dystonie)
11.2 Behandlung der wichtigsten Frakturen
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⫺ neurohumoral (Schilddrüse) ⫺ vaskulär (kapilläre Stenose) ⫺ biochemisch (Azidose, Sensibilisierung von Fremdserum, Dissoziation der Azetylcholinesterase) ⫺ Inaktivität (Immobilisationsschaden) ⫺ mechanisch (mehrfache Reposition, Instabilität, Schmerz) Folgen Dystrophie und Atrophie der Weichteile und des Knochens. Einteilung Man unterscheidet insgesamt drei verschiedene Stadien: ⫺ Stadium I (akutes Stadium bis 3 Monate nach der Verletzung). Starker Ruhe- und Bewegungsschmerz mit Überwärmung, glänzende Haut und bläuliche Verfärbung und Schwellung von Hautarealen. Im Röntgenbild besteht eine fleckige Knochenverschattung als Zeichen der diffusen Entkalkung. ⫺ Stadium II (subakutes Stadium, 3⫺12 Monate nach der Verletzung). Auftreten bis 12 Monate nach einer Fraktur oder Operation. Kennzeichen: Schmerzhaftigkeit, Schwund der Subkutis, Atrophie der Haut, zyanotisch kühle Haut und vermehrte Behaarung. Gelenkkapsel und Bandapparat sind geschrumpft, die Beweglichkeit in den Gelenken ist eingeschränkt bis komplett aufgehoben. Im Röntgenbild erkennt man eine Verdünnung der Kompakta, Schwund der Spongiosabällchen und Erweiterung des Markraumes im Sinne einer Osteoporose. ⫺ Stadium III (chronisches Stadium über 1 Jahr). Endstadium des Sudeck-Syndroms. Schmerzen fehlen. Es besteht eine generalisierte Atrophie der Haut, der Subkutis, der Muskulatur und des Skeletts. Die Beweglichkeit ist maximal eingeschränkt im Sinne einer fibrösen Gelenksteife. Im Röntgenbild wird der sog. „Glasknochen“ erkennbar. Die Kompakta ist wie mit dem Bleistift nachgezogen. Stadienbezogene Therapie 1. Stadium I ⫺ Immobilisierung mit Hilfe einer Gipsschiene ⫺ Eisbehandlung und intermittierend ausschließlich aktive vorsichtige Bewegungsübungen
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11 Frakturen und Luxationen
⫺ stabile Osteosynthese im Falle einer Fraktur ⫺ 3 ⫻ 15 Tropfen Hydro-Cebral-ratiopharm“ ⫺ 3 ⫻ 200 mg IBU-ratiopharm“ ⫺ 2 ⫻ 5 mg Diazepam-ratiopharm“ ⫺ passive Bewegungsübungen: kontraindiziert 2. Stadium 2 ⫺ lokale Eisbehandlung ⫺ lokale Immobilisation: kontraindiziert, dafür Intensivierung der Bewegungstherapie durch Anwendung hydrotherapeutischer Maßnahmen ⫺ medikamentöse Therapie: bringt keinen weiteren Erfolg 3. Stadium 3 ⫺ Fangopackungen, Wechselbäder, Bewegungsbad ⫺ lokale Eisbehandlung und Bindegewebsmassage ⫺ passive Dehnung, evtl. Quengelung zur Verbesserung der Funktion Besonders zu beachten: Das Leitsymptom beim Morbus Sudeck ist der Schmerz. Das Leitsymptom bei der sog. Frakturkrankheit (durch Folgen, die durch Immobilisation einer Extremität zustande gekommen sind) ist die Atrophie und Versteifung der Gelenke.
11.2.24 Fettembolie Entstehung 1. 2. 3. 4.
posttraumatisch, insbesondere bei Frakturen langer Röhrenknochen posttraumatisch nach ausgedehnten Weichteilverletzungen bei Verbrennungen ohne vorausgegangene Traumen, z. B. nach Herzmassage, Herzlungenmaschine, Eklampsie, Pilzvergiftung, Infektionen und hämorrhagischen Schock 5. bei Pankreatitis 6. akute Verbrauchskoagulopathie Genese 1. Störungen der Mikrozirkulation wie Blutstromverlangsamung und venöse Stase 2. Alteration der Gerinnungsfaktoren durch Verbrauchskoagulopathie mit Abnahme der Thrombozytenzahl
11.2 Behandlung der wichtigsten Frakturen
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3. Fettstoffwechselstörung mit einer Erhöhung freier Fettsäuren und Stimulierung der Fettmobilisation aus den Fettdepots in die Blutbahn 4. Einschwemmung von Fett aus dem Knochenmark 5. Hypoxie bedingt durch die Schocklunge Klinisches Bild Man kennt eine akute und eine perakute Form. Die akute Phase kann innerhalb von 2⫺3 Tagen zum Tode führen. Erste Symptome treten bereits nach 24 h auf mit ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
motorischer Unruhe, Dyspnoe, Zyanose, Somnolenz bis zur Bewusstlosigkeit, petechiale Blutungen im Bereich des Halses, der Schultern und der Schleimhäute und am Augenhintergrund, ⫺ Tachykardie. Besonders zu beachten: Man unterscheidet zwei Formen der Fettembolie: ⫺ pulmonale Fettembolie ⫺ systemische Fettembolie Die pulmonale Fettembolie ist gekennzeichnet durch das Leitsymptom der Tachykardie, Tachypnoe und Zyanose mit diffuser Verschattung im Bereich der Lunge. Rechtsüberlastung des Herzens und veränderte Blutgasanalyse im Sinne einer Hypoxie. Die systemische Fettembolie ist gekennzeichnet durch Verwirrtheit, Erregungszustände, Delirium und Bewusstlosigkeit. Therapie der Fettembolie Vorbeugende Maßnahmen sind hier entscheidend: 1. adäquate Schockbehandlung, Ausgleich der Hypovolämie und Verbesserung der Mikrozirkulation 2. rechtzeitige Behandlung der Hypoxie und der Azidose mit Beatmung, der arterielle pO2 soll nicht unter 70 mm Hg abfallen 3. Vermeidung von Verbrauchskoagulopathie und Gerinnungsstörung durch Gabe von Frischplasma, Blut und Expafusin“
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11 Frakturen und Luxationen
4. Stabilisierung der Frakturen großer Röhrenknochen z. B. durch Osteosynthese oder Fixateur externe und rasche Mobilisierbarkeit des Patienten 5. hochkalorische parenterale Ernährung, um die Mobilisation von Fettsäuren zu reduzieren 6. Thromboseprophylaxe durch Heparin, z. B. Heparin-ratiopharm“
11.3 Frakturen im Kindesalter 11.3.1 Allgemeine Vorbemerkungen Die Frakturbehandlung bei Kindern unterscheidet sich in einigen wesentlichen, im Folgenden aufgeführten Punkten von der Frakturbehandlung beim Erwachsenen. 1. Indikation zur Operation bei kindlichen Frakturen: ⫺ komplizierte Klavikulafrakturen mit Verletzungen der Haut, Nervenschädigungen und Gefäßverletzungen ⫺ Epiphysenfugenfrakturen mit Dislokationen und später zu erwartenden Wachstumsstörungen ⫺ Flake Fractures (Absprengung eines osteochondralen Fragments) ⫺ dislozierte Übergangsfrakturen der distalen Tibia ⫺ Schenkelhalsfrakturen, Hämatome im Bereich des Schenkelhalskopfes ⫺ offene Frakturen ⫺ nicht reponierbare Frakturen ⫺ Querfrakturen (z. B. Oberschenkelquerfrakturen), die sich nach Reposition dislozierten ⫺ intraartikuläre Frakturen mit Stufenbildung ⫺ Epicondylus-humeri-Abrisse mit Nervenkompression und später zu erwartenden Wachstumsstörungen 2. Spontankorrekturmechanismen nach Repositionen: ⫺ Fehlstellungen der Fragmente können von den Epiphysen und vom Periost in einem gewissen Umfang spontan korrigiert werden. ⫺ Die Spontankorrektur hängt vom Alter, von der Frakturlokalisation und vom Frakturtyp ab. ⫺ Epiphysäre Korrekturmechanismen bei Achsenknicken der Fragmente beruhen auf dem Prinzip, dass sich die Epiphyse senkrecht zur Belastungsrichtung einstellt.
11.3 Frakturen im Kindesalter
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⫺ Periostale Spontankorrekturen kommen dadurch zustande, dass sich der Knochen einerseits auf der Seite der größeren Druckbeanspruchung verstärkt und Knochensubstanz anbaut und andererseits auf der kontralateralen Seite der geringeren Druckbeanspruchung Knochensubstanz abbaut und dadurch der röntgenologisch ursprüngliche Achsenknick nach 1⫺2 Jahren nicht mehr festzustellen ist. ⫺ Durch diese Spontankorrekturmechanismen können auch Seitenverschiebungen der beiden Fragmente bis zur Knochenschaftbreite korrigiert und ausgeglichen werden. ⫺ Achsenknicke (bis 20 Grad) werden unterschiedlich spontan korrigiert: Achsenknicke in der Sagittalebene werden gut korrigiert, Achsenknicke in der Frontalebene werden weniger gut korrigiert. ⫺ Entgegen früherer Ansichten werden auch Rotationsfehler im Rahmen der physiologischen Derotationsvorgänge, vor allem im Bereich des Oberschenkels und des Oberarmes spontan korrigiert. ⫺ Verlängerungen unterliegen keiner Spontankorrektur, Verkürzungen werden spontan korrigiert, manchmal in Überlänge, wobei jedoch das Längenwachstum in diesem Bereich vorzeitig zum Stillstand kommt, so dass am Ende der Wachstumsphasen keine Längendifferenzen zu erwarten sind. 3. Posttraumatische Wachstumsstörungen: ⫺ Verkürzung der betroffenen Extremität durch axiale traumatische Kompression und Zerstörung der gesamten Wachstumsfuge. Dadurch entsteht ein totaler Fugenverschluss und ein Wachstumsschub erfolgt in diesem Bereich nicht mehr. ⫺ Varus- oder Valgusfehlstellung durch teilweise Schädigung der Wachstumsfuge und einer daraus resultierenden Verknöcherungsbrücke, wobei die noch verbliebene Wachstumsfuge aktiv ist und dann zu einer ungleichen Wachstumsrichtung eines Knochens führt, was in einer Varus- oder Valgusfehlstellung resultiert. 4. Möglichkeiten der Knochenbruchbehandlung: ⫺ Konservative Knochenbruchbehandlung durch Reposition und Immobilisation. Jede Ruhigstellung im Gipsverband oder Scotchverband macht eine Abpolsterung von Weichteilen und Knochenvorsprüngen notwendig, um Weichteildruckschäden und Nervendruckschäden, ausgelöst durch den Verband, zu vermeiden. Jeder immobilisierende Verband macht eine Kontrolle von Sensibilität, Durchblutung und Motorik nicht eingeschlosse-
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5.
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9.
11 Frakturen und Luxationen
ner Gewebeanteile notwendig. Immobilisierende Verbände müssen gewechselt werden, wenn die Weichteile abgeschwollen sind, da es dann erneut zu sekundären Verschiebungen der ursprünglich exakt reponierten Fragmente kommen kann. ⫺ Halbkonservative Behandlung z. B. durch die Anwendung von intramedullären Drahtnägeln nach entsprechender Reposition. ⫺ Operative Knochenbruchbehandlung nach Reposition und Beseitigung von intraartikulären Stufen durch Osteosynthesematerial wie Zugschrauben, Spickdrähte, Zuggurtosteosynthesen, Fixateur externe. ⫺ Ziel der chirurgischen Behandlung ist es, Hämatome zu entfernen und dadurch kompartmentverhindernd zu therapieren, Muskel- und Sehneninterponate einschließlich Periostanteile zu reponieren, nicht fixierbare Knochensplitter zu entfernen und Stufenbildungen im Gelenk und Spaltbildungen in der Epiphysenfuge bei Epiphysenfugenfrakturen zu beseitigen. Die Behandlung kindlicher Frakturen umfasst in erster Linie konservative Maßnahmen wie ⫺ manuelle Reposition, ⫺ Immobilisation im Gipsverband oder durch den für Kinder besonders geeigneten Scotchcastverband, ⫺ Pflasterextensionen. Jede Reposition kindlicher Frakturen hat in Allgemeinnarkose unter Bildwandlerkontrolle zu erfolgen. Die Indikation zum chirurgischen Vorgehen besteht in ca. 10 % der Fälle. Es handelt sich dabei um gelenknahe Frakturen, die die Epiphysenfuge tangieren, Frakturen im Bereich des Ellenbogengelenks, insbesondere Absprengungen des Epicondylus medialis mit Kompressionsgefahr des Nervus ulnaris und Schenkelhalsfrakturen und Frakturen der langen Röhrenknochen, die sich konservativ nicht einstellen lassen, insbesondere Querfrakturen. In diesen Fällen ist eine exakte Reposition und Wiederherstellung von kongruenten Gelenkflächen durch konservative Maßnahmen oft nicht gewährleistet. Kindliche Frakturen erfordern eine frühzeitige exakte Einstellung der Fragmente, da Nachrepositionen oftmals schwierig bzw. aufgrund der starken und schnellen (innerhalb weniger Tage!) Kallusbildung nicht möglich ist. Bei der Reposition ist immer darauf zu achten, dass das distale Fragment auf das proximale Fragment rotationsgerecht eingestellt wird. Geringfügige Abweichungen im Hinblick auf die Achse, Verkürzungen und Seitenverschiebungen dürfen toleriert werden, da sich dieses Fehlstellungen im Zuge des Dickenwachstums ausglei-
11.3 Frakturen im Kindesalter
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13. 14. 15. 16.
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chen und schiefgestellte Epiphysenfugen im Zuge des Längenwachstums sich aufrichten. Bei exakt reponierten Schaftfrakturen tritt ein überschießendes Längenwachstum auf, das jedoch im Verlauf des Wachstums ausgeglichen wird. Längere Ruhigstellung bei kindlichen Frakturen hinterlässt keine Ruheschädigung. Bei Kindern gibt es keine Frakturkrankheit (Osteoporose, irreversible Muskelatrophie)! Die Schmerzempfindlichkeit ist beim Kind geringer als beim Erwachsenen; der Unfallschmerz ist nach wenigen Stunden verschwunden. Klagen die Kinder trotzdem nach der Reposition bzw. Operation über stärkere Schmerzen in der betreffenden Extremität, so sind immer Durchblutung und Sensibilität genau zu überprüfen und nach weiteren Begleitverletzungen zu suchen. Pseudarthrosen sind selten. Schrumpfungen von Gelenkkapseln, Sehnen und Bändern können bei Kindern durch Bewegungstherapie rasch beseitigt werden. Sudeck-Dysthrophie ist bei Kindern extrem selten. Mediale und laterale Schenkelhalsfrakturen können zu einer Hüftkopfnekrose führen, wenn keine frühzeitige und exakte Reposition und Entlastung des Hämarthros erfolgt.
Besonders zu beachten: Narbenprophylaxe nach der chirurgischen Versorgung kindlicher Frakturen: Da die Hautnaht aufgrund des Unfalls und des damit zusammenhängenden Weichteilödems in den meisten Fällen unter starker Spannung steht, besteht die Gefahr einer breiten, wulstigen, niveauerhabenen Narbe nach dem gesamten Ausheilungsprozess. Dieser kosmetisch entstellenden Entwicklung kann durch die frühzeitige Applikation von Contractubex“ Narben-Gel, beginnend relativ frühzeitig bereits 2⫺3 Wochen nach dem Wundschluss, erfolgreich entgegengewirkt werden, falls sich eine solche Störung der Wundheilung anbahnt. Die lokale Applikation von Contractubex“ sollte zweibis dreimal täglich durch Einmassieren, gegebenenfalls Abdecken des entsprechenden Hautareals durch elastische Binden und Fortführen der Therapie über die Dauer von 3⫺6 Monaten, erfolgen.
11.3.2 Klavikulafrakturen Sofortmaßnahmen 1. Zur Diagnostik genügt eine a.-p.-Röntgenaufnahme. 2. Stark verschobene Klavikulafrakturen werde reponiert, wobei eine Narkose notwendig ist.
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11 Frakturen und Luxationen
3. Fixation. Stabilisierung und Immobilisation der Frakturstelle durch einen Rucksackverband. Beachte: Diese Rucksackverbände aus TG-Schlauchverbänden müssen jeden Tag nachkontrolliert, d. h. nachgezogen werden, da sie erfahrungsgemäß locker werden. Durch Palpation wird die Stellungskontrolle durchgeführt.
Indikation zur Operation 1. Mitverletzung des Nervenplexus und der Subklaviagefäße oder der Pleurakuppe, 2. (drohende) Hautdurchspießung, 3. „Pseudoluxation“ des Schultereckgelenkes, d. h. laterale Epiphysenlösung.
11.3.3 Frakturen des proximalen Humerusabschnittes sowie Oberarmschaftfrakturen Sofortmaßnahmen 1. Röntgenbilder in zwei Ebenen anfertigen. 2. Grünholz-Frakturen werden, vor allem bei starker Achsenknickung mit Abduktion, in Narkose reponiert und durch Fixation des Arms am Oberkörper ruhiggestellt. 3. Dislozierte Frakturen werden ebenfalls in Narkose reponiert und anschließend in einem Desault-Verband für 2⫺3 Wochen ruhiggestellt (Abb. 11-25). 4. Bei irreponiblen subkapitalen Humerusfrakturen (Interposition der langen Bizepssehne) bzw. bei Epiphysenlösungen vor Wachstumsab-
Abb. 11-25 Desault-Verband.
11.3 Frakturen im Kindesalter
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schluss sollte offen reponiert und die Fraktur für 2⫺3 Wochen mit Kirschner-Drähten fixiert werden. 5. Bei Humerusschaftfrakturen, die sich nicht geschlossen reponieren lassen oder bei offenen Frakturen aufsteigende oder absteigende Bündelnagelung.
11.3.4 Suprakondyläre Humerusfraktur Sofortmaßnahmen 1. Röntgenbilder in zwei Ebenen. Dabei oft typische Dislokation des distalen Fragments nach dorsal und proximal (Extensionsfraktur im Gegensatz zur selteneren Flexionsfraktur). 2. Frische Frakturen sollten möglichst bald in Narkose unter Bildwandler reponiert werden. ⫺ Gegenzug in der Axilla. ⫺ Zug in Längsrichtung des supinierten Vorderarms an der Hand. Verhakte und verzahnte Frakturen können durch Hyperextension beweglich gemacht werden. ⫺ Einstellung der Fragmente durch Rotationsbewegungen. ⫺ Behebung der noch bestehenden dorsalen Dislokation durch umschriebenen Druck mit dem Daumen auf das distale Fragment handwärts bei gebeugtem Vorderarm unter Beibehaltung des Längszugs. Gegendruck durch die übrige Hand. 3. Ruhigstellung der reponierten Fraktur in der Baumann’schen Vertikalextension. Die Extension erfolgt über einen von der medialen Seite des Unterams durch die Ulna vorgeschobenen KirschnerDraht. Die Durchtrittsstelle des Extensionsdrahtes liegt auf einer gedachten Linie in Verlängerung der Innenseite des Oberarms, die die Ulna vertikal schneidet; ca. 1⫺2 cm von der Ulnakante entfernt wird dann der Extensiondraht durch die Haut geschoben, schrägt auf die Kante der Ulna geführt und dann unter Kontakt mit dem Knochen in eine horizontale Ebene gebracht, um eine Verletzung des Nervus ulnaris zu vermeiden. In dieser Position erfolgt dann das Durchbohren des Drahtes durch den Knochen. Die Extensionsbehandlung wird ca. 3 Wochen durchgeführt. 4. Bei irreponiblen Frakturen, bei offenen Frakturen sowie bei gleichzeitig vorliegenden Gefäß- und Nervenläsionen wird die Fraktur freigelegt und eine Transfixation des distalen Fragmentes mit zwei Kirschner-Drähten durchgeführt.
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11 Frakturen und Luxationen
Abb. 11-26 Schlingenverband (collar and cuff) zur Behandlung einer problemlosen suprakondylären Humerusfraktur. Die gestreckte, breite Trizepssehne schient die Fraktur.
5. Nicht dislozierte Frakturen können im Oberarmgips ruhiggestellt werden. In einigen Fällen reicht ein Blount’scher Verband (collar and cuff) aus (Abb. 11-26). Beachte: Frakturen mit starker Dislokation und dadurch bedingter peripherer Durchblutungsstörung müssen unbedingt sofort reponiert werden. Nach der Reposition ist alle 2 h eine exakte Kontrolle von Sensibilität, Motorik und Durchblutung des Unterarms durchzuführen, um eine Ischämie rechtzeitig zu erkennen und die Komplikation einer ischämischen Kontraktur zu vermeiden. Wenn keine exakte Reposition durchgeführt wird, kommt es ⫺ zur Varusdeformität sowie ⫺ zu einer Pseudoarthrose. Um dies zu vermeiden, erfolgt eine operative Freilegung der Fraktur, Absaugen des Frakturhämatoms, Entfernung von Weichteil- und Muskelinterponaten und Fixation des distalen Segmentes an den Humerus mit Kirschner-Drähten.
11.3.5 Abriss des Epicondylus humeri medialis Sofortmaßnahmen 1. Röntgenbilder in zwei Ebenen sowie Vergleichsaufnahmen der anderen Seite anfertigen. 2. Therapie: ⫺ bei geringer Dislokation und keiner Stufenbildung und keiner Störung des Nervus medianus: Oberarmgips
11.3 Frakturen im Kindesalter
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Abb. 11-27 Bei suprakondylären Humerusfrakturen ist auf die Epiphysenfuge des Capitulum humeri besonders zu achten. Diese Epiphysenfuge bildet mit der Längsachse des Humerus einen Winkel von 70⫺75∞. Wird dieser Winkel nicht genau eingehalten, so kommt es zu Valgus- bzw. Varusstellungen im Ellenbogengelenk.
⫺ bei starker Dislokation: operative Fixierung mit Kirschner-Drähten 3. Erfolgt hier keine operative Einstellung der Fraktur, so heilen diese Frakturen mit Gelenkstufen und Gelenkinkongruenzen aus, was sekundär zu einem Schiefwachstum und zur Verkürzung der entsprechenden Extremität führt. Es ist in diesem Zusammenhang auf den wichtigen Winkel der Epiphysenfuge des Capitulum humeri zum Humerusschaft von 70⫺75∞ besonders zu achten (Abb. 11-27).
11.3.6 Fraktur des Epicondylus humeri lateralis Sofortmaßnahmen 1. Röntgenbilder in zwei Ebenen und Vergleichsbilder der anderen Seite anfertigen lassen. 2. Bei Dislokation (Läsion und Kompression des Nervus ulnaris) wird das Fragment durch Kirschner-Drahtspickung geschlossen oder offen reponiert und fixiert (anschließend Röntgenkontrolle und Wiederholung der Aufnahmen nach 5⫺6 Tagen). Eine Oberarmgipsschale wird für die Dauer von 3 Wochen angelegt. Die Drähte werden nach 3⫺4 Wochen entfernt. 3. Eine Resektion des Fragmentes soll wegen der Instabilität im Gelenksbereich nicht durchgeführt werden. 4. Bei Jugendlichen über 14 Jahren Fixation des Fragments mit einer Spongiosaschraube.
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11 Frakturen und Luxationen
11.3.7 Frakturen des Halses des Radiusköpfchens Sofortmaßnahmen 1. Röntgenaufnahmen in zwei Ebenen anfertigen lassen. Typische Dislokation des Köpfchens nach lateral ventral. 2. Da ein konservatives Vorgehen auch bei geringer Abkippung unter 30∞ fast immer zu einer sekundären Dislokation führt, bewährt sich nur die offene Reposition und Fixation des Köpfchens in physiologischer Stellung mit einer perkutanen transartikulären Fixation des abgebrochenen Radiusköpfchens mit Kirschner-Drähten und gleichzeitiger Ruhigstellung mit einem Gipsverband für die Dauer von 3 Wochen.
11.3.8 Radius- und Ulnaschaftfrakturen Sofortmaßnahmen 1. Immer ein Röntgenbild in zwei Ebenen anfertigen lassen. 2. Reposition in Narkose durch Zug und Gegenzug und Anlegen eines Oberarmgipsverbandes oder des für Kinder geeigneten ScotchcastVerbandes unter Beibehaltung der reponierten Stellung. Wichtig ist die achsengerechte Stellung. 3. Frakturen der proximalen Ulna werden mit zwei Kirschner-Drähten stabilisiert, Frakturen und Lösungen der distalen Radiusepiphyse werden ebenfalls durch eine Spickdrahtosteosynthese zur Vermeidung einer Gelenkinkongruenz exakt aufeinander gestellt.
11.3.9 Schenkelhalsfrakturen Sofortmaßnahmen 1. Immer ein Röntgenbild in zwei Ebenen anfertigen lassen. 2. Die lateralen und seltenen medialen Schenkelhalsfrakturen stellen bei Kindern eine absolute Indikation zur sofortigen exakten Reposition und Entfernung des intraartikulären Hämatoms dar (Notfall, große Gefahr der Hüftkopfnekrose!). Mit Hilfe einer oder mehrere Spongiosaschrauben erfolgt eine exakte Reposition. Wichtig ist die Röntgenkontrolle am Ende der Reposition und gleichzeitige Bilddokumentation. 3. Postoperativ erfolgt eine Immobilisation über einen Zeitraum von 2 Wochen in Innenrotation und Abduktion in einem Beckengips. Un-
11.3 Frakturen im Kindesalter
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belastete Bewegungsübungen in den darauffolgenden 4 Monaten. Dann erst langsame Belastung (Kopfnekrose). 4. Das genannte Vorgehen ist äußerst wichtig, da im Gegensatz zu Erwachsenen die Blutversorgung des Hüftkopfes bei Kindern zunächst um eine Gefäßbahn verkleinert ist.
11.3.10 Femurschaftfrakturen Sofortmaßnahmen 1. Immer ein Röntgenbild in zwei Ebenen anfertigen lassen. 2. Bei Kindern bis zum 3. Lebensjahr wird man einen TG-Schlauchverband in senkrechter Richtung nach oben (Schwebestreckverband; Abb. 11-28) anlegen. Drahtextensionen sind bei Kindern besonders infektionsgefährdet. Es wird soviel Gewicht angehängt, dass das Gesäß auf der verletzten Seite gerade schwebt. Besonderes Augenmerk ist auf die Vermeidung eines Rotationsfehlers zu legen. Es ist darauf zu achten, rechtzeitig ein Kompartmentsyndrom zu erkennen. 3. Bei älteren Kindern wird eine Nagelung (z. B. Bündelnagelung) durchgeführt. Bei den suprakondylären Femurfrakturen ist eine operative Therapie mit 2⫺4 gekreuzten Kirschner-Drähten zweckmäßiger als die konservativen Maßnahmen, bei denen wegen verbleibender Stufenbildung im Gelenk häufiger unbefriedigende Ergebnisse vorkommen.
Abb. 11-28 Vertikalextension mit Stülpa-Verband.
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11 Frakturen und Luxationen
11.3.11 Unterschenkelschaftfrakturen bei Kindern Sofortmaßnahmen 1. Immer ein Röntgenbild in zwei Ebenen anfertigen lassen. 2. Frakturen (isolierte Tibiafrakturen) ohne Dislokation werden in einem Oberschenkelgipsverband für 4⫺5 Wochen ruhiggestellt. 3. Bei Unterschenkelfrakturen (Frakturen von Tibia und Fibula) mit Verschiebung wird in Narkose eine Reposition durchgeführt und anschließend ein Oberschenkelliegegips bzw. Scotchcast-Verband angelegt. Offene Frakturen und Frakturen, die konservativ wiederholt abgleiten, werden operativ versorgt. 4. Grünholz-Frakturen mit Achsknickung werden in Narkose reponiert und durch einen Oberschenkelgipsverband immobilisiert. Dauer 4⫺ 5 Wochen. Typische „Malleolarfrakturen des Erwachsenen“ kommen bei Kindern nicht vor. Eine Operation kommt hier nur dann in Frage, wenn eine Epiphysenlösung mit Gabelsprengung besteht und die Fraktur die Epiphysenfuge durchkreuzt. In diesen Fällen erfolgt die Rekonstruktion des Sprunggelenkes mit kleinen Spongiosaschrauben oder durch Spickdrähte. Beachte: Alle Frakturen, die reponiert werden, müssen unter Bildwandlerkontrolle auf achsengerechte Stellung überprüft werden. Die achsengerechte Stellung wird gleichzeitig durch ein Bild dokumentiert.
Einteilung der Epiphysenverletzungen bei Kindern nach Aitken (Abb. 11-29), klinikrelevante Klassifikation ⫺ Typ I: Epiphysenfraktur und Ausbildung eines metaphysären Biegungskeils ⫺ bei sachgerechter Reposition keine Wachstumsstörung zu befürchten (nur selten Indikation zur Operation). ⫺ Typ II: Epiphyse und Wachstumsbereich der Fuge betroffen. Daher exakte Reposition (OP!), sonst Teilverschluss der Fuge und exzentrisches Wachstum. ⫺ Typ III: Einstauchung der Epiphyse und der Fuge (metaphysärer Biegungskeil), schwere Schädigung des Wachstumsbereiches. Indikation zur „slow-motion“-Reposition. Später Teilverschluss und exzentrisches Wachsum möglich. Daher sind genaue präoperative Beschreibung der Fraktur und des Repositionsmanövers im OP-Bericht aus forensischen Gründen wichtig.
11.4 Behandlung der wichtigsten Luxationen
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Abb. 11-29 Einteilung der Epiphysenverletzungen nach Aitken.
11.4 Behandlung der wichtigsten Luxationen 11.4.1 Klavikulaluxationen Definition und Einteilung Klavikulaluxationen können am sternalen Ende (seltener) und am akromialen Ende der Klavikula (häufiger) im Verhältnis von ca. 1: 5 als sog. „A-C-Luxationen“ (⫽ akromioklavikuläre Luxationen ⫽ Schultereckgelenkssprengung) vorkommen. Sie beeinträchtigen die Funktion des Armes im Schultergelenk. Einteilung nach Tossy: ⫺ Grad I: Zerrung oder partielle Ruptur des Ligamentum acromioclaviculare und der Gelenkkapsel ⫺ Grad II: komplette Ruptur des Ligamentum acromioclaviculare und der Gelenkkapsel ⫹ partielle Ruptur des Ligamentum coracoclaviculare ⫺ Grad III: Ruptur des Ligamentum acromioclaviculare und des Ligamentum coracoclaviculare Sofortmaßnahmen 1. Röntgenbild im a.-p.-Strahlengang (Patient stehend, Schultern unter Belastung, beide Schultern auf einem Film geröngt) sichert die Diagnose. 2. Klinik: Das laterale vorspringende Klavikulaende lässt sich nicht abwärts drücken, reluxiert jedoch sofort bei Nachlassen des Druckes (Klaviertastenphänomen).
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11 Frakturen und Luxationen
3. Frische A-C-Luxation erheblichen Grades sowie veraltete Fälle mit starker Behinderung werden mittels Bandnaht und Sicherung der Bandnaht durch Zuggurtungsosteosynthese (Metallentfernung nach 6⫺8 Wochen) operativ behandelt. Operationsindikation: bei Grad (II ⫹) III nach Tossy. Partielle Zerreißungen der Kapsel und der Bandverbindung zwischen Akromion und Klavikula ⫺ Ligamentum acromioclaviculare und Ligamentum coracoclaviculare ⫺ werden für ca. 2 Wochen in einem Schulterverband (Desault-Verband) ruhiggestellt und dann funktionell behandelt. Gleichzeitig verabreicht man Proxen“-Supp. 3 mal täglich 500 mg als antiphlogistische Maßnahme. 4. Luxatio sternoclavicularis (Klavikula luxiert nach ventral und medial) wird reponiert: Zug an der Schulter nach hinten und außen und Druck mit dem Daumen auf das sternale Ende der Klavikula. In dieser reponierten Stellung werden ein Rucksackverband und eine Druckpelotte auf das sternale Ende der Klavikula angelegt. Rucksack- und Druckverband zunächst täglich kontrollieren und ca. 3⫺4 Wochen belassen. Trotz oft nicht idealer anatomischer Verhältnisse ist das funktionelle Ergebnis recht gut. Veraltete Luxationen können konservativ nicht eingerichtet werden. Sind die Patienten nicht besonders behindert, wird keine Operation durchgeführt.
11.4.2 Luxatio humeri Einteilung 1. 2. 3. 4.
Luxatio Luxatio Luxatio Luxatio
humeri humeri humeri humeri
subcoracoidea, axillaris, infraspinata (⫽ posterior), supracoracoidea.
Häufige Begleitverletzungen sind Abrisse des Tuberculum majus humeri, Abbrüche des Pfannenrandes, Abbrüche des Processus coracoideus, subkapitale Humerusfrakturen. Sofortmaßnahmen 1. Immer ein Röntgenbild in zwei Ebenen (a. p. und axial) anfertigen! 2. Vor jeder Reposition müssen Sensibilität, Motorik und Durchblutung des betreffenden Armes überprüft werden. 3. Geschlossene Reposition sobald wie möglich in Narkose; es gibt verschiedene Verfahren:
11.4 Behandlung der wichtigsten Luxationen
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Abb. 11-30 Technik der Schulterreposition nach Hippokrates.
a) Reposition nach Hippokrates: Durch gezielte Hebelbewegung wird der Oberarmkopf um die in die Achselhöhle gestemmte Ferse durch Zug und Adduktionsbewegung des Arms in die Schulterpfanne reponiert (Abb. 11-30). b) Schulterreposition nach Mothe: Oberkörper des Patienten wird durch Gegenzug fixiert, dann langsame Abduktion des Armes unter Zug bis ca. 90∞ und Reposition des Oberarmkopfes durch dosierte Stoßbewegung in der Axilla von kaudal nach kranial. c) Reposition nach Kocher (Abb. 11-31) in Narkose. Man geht schrittweise vor: ⫺ Phase 1: Ellenbogen rechtwinklig gebeugt, Oberarm am Körper adduziert. ⫺ Phase 2: Außenrotationsbewegung des Oberarms, so dass dieser schließlich in der Sagittalebene des Körpers steht. ⫺ Phase 3: Elevation des Ellenbogens am Körper entlang. ⫺ Phase 4: Innenrotation des Oberarms durch langsame Bewegung des Unterarms in Richtung der kontralateralen Schulter. Je früher die Reposition durchgeführt werden kann, um so leichter gelingt sie! Veraltete Luxationen (älter als 4 Wochen) können konservativ meist nicht mehr reponiert werden, da in der Zwischenzeit Schrumpfungsprozesse und narbige Veränderungen stattgefunden haben. Sie müssen operativ reponiert werden; die Ergebnisse sind aber infolge von Weichteilverkürzung und Narbenschrumpfungen oft
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11 Frakturen und Luxationen
Abb. 11-31 Technik der Schulterreposition nach Kocher.
nicht befriedigend. Habituelle Schulterluxationen werden ebenfalls operativ behandelt. 4. Fixation und Ruhigstellung des Arms im Desault-Verband für ca. 5⫺ 7 Tage. Dann sofort Übungsbehandlung, um Kapselschrumpfungen und Bewegungseinschränkungen vorzubeugen. Beachte: Zwischen Oberarm und Brust müssen beim Desault-Verband gut gepuderte Kompressen oder Watte geschoben werden, da es sonst zu einem dyshidrotischem Ekzem kommen kann. 5. Röntgenkontrolle in zwei Ebenen nach erfolgter Reposition. 6. Klinische Kontrolle nach Reposition: Sensibilität, Motorik, Durchblutung. 7. Operationsindikation: a) Bei gleichzeitiger Läsion der Arteria axillaris.
11.4 Behandlung der wichtigsten Luxationen
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b) Bei gleichzeitiger Läsion des Armplexus, insbesondere bei der Luxatio subcoracoidea. c) Bei Luxationsfrakturen mit repositionshinderlichen Fragmenten. d) Bei habituellen Schulterluxationen.
11.4.3 Ellenbogenluxationen Unfallhergang Meist im Rahmen eines Epicondylus-ulnaris-Abrisses. Sofortmaßnahmen 1. Immer ein Röntgenbild in zwei Ebenen anfertigen lassen. Dabei können sowohl der Typ der Luxation (z. B. hintere oder vordere Luxation) als auch begleitende Frakturen diagnostiziert werden. 2. Vor der Reposition immer einen neurologischen Status von Unterarm und Hand durchführen und die Durchblutungsverhältnisse überprüfen. 3. Reposition in Narkose durch Zug am Unterarm und Gegenzug am Oberarm bei leichter Extensionsbewegung ohne Hyperextension und Beugung im Ellenbogengelenk um 120⫺130∞. Bei seitlichen Luxationen muss zusätzlich zu dem Zug noch ein entsprechender Seitendruck ausgeübt werden. Bei einer Abrissfraktur des Epicondylus humeri lateralis ist eine offene Reposition und Fixation des Epicondylus ulnaris indiziert. 4. Anschließend, d. h. nach Bildwandlerkontrolle, im Gipsverband immer nochmals Röntgenbilder in zwei Ebenen zur Beurteilung der gelungenen, vollständigen Reposition und zum Ausschluss von während der Reposition neu aufgetretenen Frakturen anfertigen lassen. 5. Nach der Reposition Ruhigstellung des Armes in rechtwinkliger Beugung im Ellenbogengelenk in einem Gipsschienenverband bzw. in einem Scotchcast-Verband, bei Kindern ca. 3 Wochen, bei Erwachsenen 1⫺2 Monate. Schultergelenk und Finger müssen in der Zwischenzeit bewegt werden!
11.4.4 Monteggia-Fraktur ⫺ Luxation des Radiusköpfchens und Ulnaschaftfraktur Sofortmaßnahmen Das Röntgenbild des Unterarms und des Ellenbogens in zwei Ebenen zeigt, dass es sich um eine Luxationsfraktur handelt: Fraktur der Ulna
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11 Frakturen und Luxationen
Abb. 11-32 Monteggia-Luxationsfraktur (nach: Janik, B., Frakturen und Luxationen, Walter de Gruyter, Berlin, 1953).
(proximales bis mittleres Schaftdrittel) und Luxation des Radiusköpfchens zur Beugeseite hin Abb. 11-32). Aufgrund dessen muss bei allen isolierten Ulnafrakturen das Ellbogengelenk mitgeröngt und aus Sicherheitsgründen eine seitendifferente Vergleichsaufnahme durchgeführt werden, damit eine Luxation des Radiusköpfchens nicht übersehen wird. 1. Immer den Nervus radialis prüfen, da das dislozierte Radiusköpfchen zu einer Druckschädigung der Nervus radialis führen kann. 2. Reposition der frakturierten Ulna (Verkürzung und Achsenknickung) durch Zug am rechtwinklig gebeugten und leicht supinierten Vorderarm. Kontrolle der Reposition mit Durchleuchtung. Sofort, unter Beibehaltung dieser Repositionsstellung unter Zug, wird das Radiusköpfchen in seine physiologische Stellung manuell zurückgedrängt. Dieses Vorgehen ist insbesondere bei Kindern indiziert. Lässt sich die Reposition in dieser Stellung halten, legt man einen längs aufgeschnittenen Oberarmgips bzw. einen Scotchcast-Verband an. 3. In den meisten Fällen lässt sich die Retention in achsengerechter Stellung nicht beibehalten, so dass die Ulnafraktur durch Osteosynthese stabilisiert werden muss. Wenn trotz Stabilisierung der Ulna die Fehlstellung des Radiusköpfchens bestehen bleibt, so muss die Reposition offen erfolgen und eine Bandnaht durchgeführt werden. Zusätzlich kann ein Gipsschienenverband angelegt werden. Behandlung im Gipsverband dauert ca. 6⫺8 Wochen! Das Pendant zur MonteggiaFraktur ist die Galeazzi-Läsion: distale Radiusschaftfraktur und Luxation der Ulna im distalen Radioulnargelenk.
11.4.5 Radiusköpfchen-Luxationen Sofortmaßnahmen 1. Immer ein Röntgenbild in zwei Ebenen anfertigen lassen. 2. Versuch der Reposition des Radiusköpfchens durch Druck von der Ellenbeuge aus. 3. Ruhigstellung des Arms durch einen Scotchcast-Verband für 2⫺3 Wochen.
11.4 Behandlung der wichtigsten Luxationen
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4. Ist die Reposition nicht möglich, dann muss sie operativ herbeigeführt werden; in vielen Fällen kann man das intakte Ligamentum annulare radii über das Radiusköpfchen schieben. Beachte: Subluxationen des Radiusköpfchens bei Kleinkindern (Chassaignac-Subluxationen) kommen relativ häufig vor. Typischer Unfallhergang: Zug am ausgestreckten Arm nach oben. Das Röntgenbild zeigt meist keine sichtbaren Veränderungen. Die Kinder bewegen den Arm nicht mehr. Der Arm hängt schlaff nach unten in Pronationsstellung. Die therapeutische Maßnahme besteht, nach vorausgegangener Schmerztherapie z. B. mit ASS-ratiopharm“ oder Tramal-ratiopharm“, in einer raschen Supination und gleichzeitiger Streckung des Vorderarms, wobei das Radiusköpfchen oft mit einem deutlich vernehmbaren Knacken wieder an seinen Platz rutscht. Die Kinder sind sofort beschwerdefrei. Eine Ruhigstellung erübrigt sich meist. Bei Neigung zum Rezidiv ist jedoch eine Ruhigstellung für 1⫺2 Wochen im Oberarmgips indiziert.
11.4.6 Luxationen im Handgelenk Bei der Bennett’schen Luxationsfraktur handelt es sich um eine Basisfraktur des ersten Mittelhandknochens. Sofortmaßnahmen 1. Röntgenaufnahmen in zwei Ebenen anfertigen, um die Luxationsrichtung festzustellen: ⫺ zwischen proximaler Handwurzelreihe und Radius (Luxatio radiocarpalis); ⫺ zwischen beiden Handwurzelreihen (Luxatio intercarpalis); ⫺ zwischen Handwurzel- und Mittelhandknochen (Luxatio carpometacarpalis). Die Luxation kann sowohl nach volar als auch nach dorsal erfolgen. Diese Luxationen sind immer mit großen Läsionen des Bandapparates und zuweilen mit Knochenabrissen verbunden. 2. Reposition der entsprechenden Luxation durch Längszug an den Fingern und durch einen diese Bewegung unterstützenden Druck von volar oder dorsal, je nach Luxationstyp. Ruhigstellung der Hand durch dorsale Gipsschiene bzw. in einem Scotchcast-Verband für 3⫺ 4 Wochen. Um Reluxationen zu vermeiden bzw. rechtzeitig zu erkennen, sind Röntgenkontrollen nach 4 und 10 Tagen erforderlich.
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11 Frakturen und Luxationen
11.4.7 Perilunäre Handgelenksluxation Sofortmaßnahmen 1. Röntgenbilder in zwei Ebenen anfertigen. Unfallmechanismus: Sturz auf die ausgestreckte, dorsal extendierte oder palmar flexierte Hand. Es handelt sich nicht um eine Lunatum-Luxation, sondern um eine Luxation der perilunären Handwurzelknochen nach dorsal, gelegentlich nach volar. Das Os lunatum behält dabei seinen ursprünglichen Platz bei. Es kommt zu einer Ruptur der Bänder zwischen dem Os naviculare und dem Os capitatum. Erst sekundär kann es nach der Luxation durch die Druck- und Zugwirkungen in der Mittelhand zu einer scheinbaren Luxation des Os lunatum kommen. Hier besteht die Gefahr einer Drucknekrose des Nervus medianus. In manchen Fällen zeigt das Röntgenbild zusätzlich zu der Luxation eine Fraktur des Os naviculare, die man dann als De Quervain’sche Fraktur bezeichnet. Wichtig ist die frühzeitige Reposition. 2. Vor der Reposition immer Sensiblität, Motorik und Durchblutung der betreffenden Hand prüfen. Dies gilt in besonderem Maß für veraltete Handgelenksluxationen. Die Reposition erfolgt durch kontinuierlichen, konstanten Längszug an den Fingern. Das Repositionsmanöver kann durch Daumendruck je nach Richtung der Luxation nach volar oder dorsal erleichtert werden. 3. Anlegen einer dorsalen Gipsschiene oder eines Scotchcast-Verbandes für 4 Wochen. Nach Anlegen des Gipses immer Röntgenkontrolle, weitere Kontrollen am 4. und 10. Tag, um Reluxation nicht zu übersehen. Beachte: Frische Luxationen lassen sich im Dauerzug von 10⫺15 min in den allermeisten Fällen reponieren. Kommt es aber wiederum zur Reluxation, dann sollte die Handwurzel gegen den Radius mit einem Bohrdraht über 4 Wochen fixiert werden. Veraltete Luxationen und Luxationsfrakturen sind nur operativ reponierbar. Bei Vorliegen einer De Quervain’schen Fraktur erfolgt die Osteosynthese mittels Spongiosazugschraube (z. B. Herbert-Schraube).
11.4.8 Traumatische Hüftgelenksluxationen Sofortmaßnahmen 1. Röntgenbilder in zwei Ebenen und CT bei Femurkopfläsion anfertigen. Dabei erkennt man eine der möglichen Luxationen:
11.4 Behandlung der wichtigsten Luxationen
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⫺ Luxatio iliaca (häufigste Form), ⫺ Luxatio pubica, ⫺ Luxatio ischiadica, ⫺ Luxatio obturatoria. Häufig sind Azetabulumfrakturen oder Hüftkopffrakturen mit der Luxation kombiniert. Luxatio ischiadica/iliaca zählen zu den hinteren Luxationen, Luxatio pubica/obturatoria zählen zu den vorderen Luxationen. 2. Keine weiteren Maßnahmen ohne vorherige Überprüfung von Motorik, Sensibilität und Durchblutung der unteren Extremität, von den Zehen aus beginnend. 3. Reposition in Narkose nach Dshanelidze in Bauchlage oder nach Böhler in Rückenlage (Luxatio iliaca/ischiadica). Patient liegt flach auf dem Rücken, das Becken wird mit beiden Händen fixiert, das Bein wird im Kniegelenk gebeugt und der Oberschenkel langsam senkrecht zur Unterlage gestellt. Dann wird das Bein unter starkem Zug adduziert und nach innen rotiert. Bei der Luxatio pubica erfolgt die Reposition wie bei der Luxatio iliaca, wobei bei der Innenrotation das Bein abduziert wird. Die offene Reposition dagegen hat den Vorteil, dass Sekundärschädigungen des Gewebes mit der Gefahr einer Hüftkopfnekrose seltener eintreten, da das Hämatom im Gelenk abgesaugt werden kann, Blutungsquellen versorgt werden können und der rupturierte Bandapparat rekonstruiert werden kann. 4. Anschließend Röntgenkontrolle in zwei Ebenen und Bettruhe für 14⫺ 21 Tage. Keine Massage; keine passiven Bewegungsübungen; Entlastung für 8 Wochen. Beachte: Bei Hüftgelenkspfannenbrüchen muss operativ die Rekonstruktion der Hüfte erfolgen. Inkongruenzen der Gelenkflächen führen zu einer posttraumatischen Koxarthrose. Bei Luxationen des Hüftgelenks können auch Hüftkopffrakturen entstehen. Sie werden in den allermeisten Fällen operativ (Reposition, Fragmentfixation durch Schraubenosteosynthese) oder bei älteren Patienten durch einen primären Hüftgelenksersatz behandelt. Nach Hüftgelenksluxationen besteht die Gefahr einer Hüftkopfnekrose, da durch die begleitenden Kapselzerreißungen die Blutversorgung gestört wird (CT-Untersuchung).
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11 Frakturen und Luxationen
11.4.9 Kniescheibenluxation Einteilung Luxationen der Patella kommen vor als: ⫺ seitliche Luxation (medial, lateral), ⫺ obere Luxation, ⫺ Einklemmungsluxation (zwischen Tibia- und Femurkondylen); daneben noch andere, seltenere Formen. Sofortmaßnahmen 1. Immer ein Röntgenbild in zwei Ebenen anfertigen. 2. Einrenkung der Patella in Narkose durch entsprechenden direkten Druck bei gestrecktem Kniegelenk unter Beugung im Hüftgelenk. 3. Anschließend Scotchcast-Verband für 3⫺6 Wochen und Röntgenkontrollaufnahmen. 4. Rezidivierende Patellaluxationen werden operativ behandelt: arthroskopisch, mediale Raffung des Kapselapparates, laterales Release.
11.4.10 Luxation im Sprunggelenk Einteilung Man kennt folgende Luxationstypen: ⫺ Luxatio pedis cum talo (ventrale oder dorsale Luxation); ⫺ Luxatio pedis sub talo (Luxation nach hinten innen oder außen vorne oder isoliert nach hinten). Sofortmaßnahmen 1. Immer ein Röntgenbild in zwei Ebenen anfertigen lassen. Man achte auf eventuell vorhandene Frakturen. 2. Sensibilität, Motorik und Durchblutung der Zehen prüfen. 3. Reposition der Luxatio cum talo in Narkose. Der Fuß wird mit einer Hand an der Ferse und mit der anderen Hand am Großzehenballen gefasst. Die Fehlstellung wird zunächst verstärkt und der Fuß erst dann nach der zur Luxation entgegengesetzten Seite gedrängt. Gleichzeitig muss ein Druck auf die Tibia von oben her ausgeübt werden. Anschließend Gehgips für 6 Wochen. 4. Reposition der Luxatio sub talo bei gebeugtem Knie in Spitzfußstellung so, als ob man jemandem den Stiefel auszieht. Wichtig ist, dass
11.4 Behandlung der wichtigsten Luxationen
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man wie bei jeder Reposition das Röntgenbild vor Augen hat, Bildwandlerkontrolle. Röntgenkontrollaufnahmen und Ruhigstellung im Gehgips für 6 Wochen.
11.4.11 Kniegelenksluxationen Unfallmechanismus Verkehrsunfälle durch Anprall des Kniegelenks an das Armaturenbrett. Diagnostik Röntgenbilder in zwei Ebenen, gegebenenfalls CT, MRT, Farbdopplersonographie, Angiogramm. Unfallfolgen Verletzungen mit schwerwiegenden Schäden, die Notfallcharakter haben: ausgedehnter Weichteilschaden, Ruptur beider Kreuzbänder, Sehnenrisse im Bereich des Tractus tibialis und der Popliteasehne, Innenminiskus- und Außenmeniskusverletzungen, Riss des meniskotibialen und meniskofemoralen Kapselbandes, Seitenbandrupturen medial und lateral, Rupturen der Bizepssehne, Läsionen des Nervus peroneus (20⫺ 30 %) und Verletzungen der Kniegelenksgefäße (25 %). Klassifikationen, getroffen nach der Stellung der Tibia zum Femur ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Typ Typ Typ Typ Typ
I: vordere Luxation II: hintere Luxation III: mediale Luxation IV: laterale Luxation V: Kombinationsluxation
Therapie ⫺ dringliche Notfallmaßnahme 1. schnelle Reposition 2. Erkennung und Behandlung von Gefäßverletzungen, Rekonstruktion der Arteria poplitea, bei beginnendem Kompartmentsyndrom sofortige Kompartmentspaltung des Unterschenkels
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11 Frakturen und Luxationen
3. Rekonstruktion des Bandapparates 4. Kreuzbandplastik in aufgeschobener Dringlichkeit
11.5 Bandzerreißungen 11.5.1 Seitenbandzerreißungen am Kniegelenk (mediale und laterale) 1. Klinische Untersuchung: Prüfung der seitlichen Aufklappbarkeit, Druckschmerz über den Bandansätzen, Kniegelenkerguss mit tanzender Patella und Überprüfung des Grades der Seitenbandläsion. Klassifikationen der Kniegelenksseitenbandläsionen, Untersuchung in 30∞ Kniebeugung: ⫺ Grad I (⫹): keine Aufklappbarkeit des Gelenks ⫺ Grad II (⫹⫹): nachweisbare Aufklappbarkeit des Gelenks ⫺ Grad III (⫹⫹⫹): totale Bankzerreißung, komplette Aufklappbarkeit des Gelenks Eine Kreuzbandruptur darf nicht übersehen werden. 2. Röntgenaufnahmen zeigen bei Aufklappung des Gelenks (gehaltene Aufnahme) eine deutliche Verbreiterung des Gelenkspaltes auf der Seite der Bandläsion. Gelegentlich erkennt man auch schalenförmige Knochenausrisse am entsprechenden Femurkondylus oder Ausrisse der Eminentia intercondylaris. Wegweiser für die Operationsindikation sind die Arthroskopie des Kniegelenks und die Kernspintomographie. 3. Bei Ergussbildung im Kniegelenk (Leitsymptom: tanzende Patella) wird eine Kniegelenkspunktion durchgeführt. Bei Läsion I/II wird eine Gipshülse für 6 Wochen in leichter Beugestellung des Knies (10⫺ 15∞) angelegt. Dieser Gips wird bei Patienten, die stationär behandelt und somit ständig kontrolliert werden, nicht gespalten; in allen anderen Fällen empfiehlt es sich, den zirkulären Gipsverband längs zu eröffnen. Anschließend frühfunktionelle Therapie. 4. Wenn der Gips zu weit wird, muss eine neue, geschlossene Gipshülse (Cellona) angelegt werden. 5. Bei allen frischen und älteren, vollkommenen Seitenbandläsionen (Zerreißungen) und deutlicher, leicht auslösbarer Aufklappbarkeit des Gelenkspaltes soll eine operative Adaptation der Bandenden durchgeführt und anschließend eine Gipshülse oder Scotchcast-Verband für 6 Wochen angelegt werden. 6. Auch isolierte Bandverletzungen Grad III werden, wie oben beschrieben, konservativ früh funktionell therapiert. OP-Indikation besteht bei knöchernen Ausrissen.
11.5 Bandzerreißungen
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7. Bei lateralen Seitenbandläsionen sind die Therapierichtlinien differenter: konservative Therapie nur bei den seltenen isolierten Seitenbandrupturen mit frühfunktioneller Nachbehandlung. Meist liegen aber komplexe Verletzungen vor, die operativ behandelt werden müssen: Kreuzbandverletzungen, dorsale Kapselläsionen, Meniskusverletzungen.
11.5.2 Kreuzbandrisse 1. Klinik: Hämarthros. 2. Schubladenphänomen (Prüfung bei um 90∞ gebeugtem Kniegelenk, Abb. 11-33): ⫺ Verschieblichkeit des Unterschenkels nach vorn: vorderes Kreuzband gerissen. ⫺ Verschlieblichkeit des Unterschenkels nach hinten: hinteres Kreuzband gerissen.
Abb. 11-33 Schubladenphänomen. 1: normale Situation, 2: Beweglichkeit bei Zug am Unterschenkel nach vorn, 3: Beweglichkeit bei Druck am Unterschenkel nach hinten (aus: Pschyrembel“, Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter, Berlin, 2004).
3. Diagnostik der vorderen Kreuzbandverletzung: ⫺ Eine vordere Kreuzbandverletzung liegt nur dann vor, wenn eine hintere Kreuzbandverletzung ausgeschlossen wurde. ⫺ Die Untersuchung des verletzten Knies ist durch Ergussbildung und schmerzbedingte Muskelverspannung erschwert. Unter streng sterilen Bedingungen kann der Erguss abpunktiert werden. ⫺ Eine Überstreckbarkeit des Kniegelenks deutet auf eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes oder Riss der hinteren Kapsel hin. Ein Streckdefizit im Kniegelenk deutet auf eine Meniskusverletzung hin. Die totale a.-p.-Translation wird im Schubladentest bei 90∞ Flexion bestimmt. Im Schubladentest bei 20⫺25∞ Flexion wird der sog. „vordere Anschlag“ des vorderen Kreuzbandes geprüft (Lachmann-Test). Dieser Lachmann-Test ist bei einer akuten Verletzung im Knie eine sehr sichere Untersuchung. In dieser Lage
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11 Frakturen und Luxationen
ist das vordere Kreuzband entspannt und die vordere Schublade ist nicht durch den Türstoppereffekt des Innenmeniskushinterhorns und durch den Tonus der ischiokruralen Muskulatur reduziert. ⫺ Ein weiterer Funktionstest ist der Pivot-shift-Test: Hierbei wird das gestreckte Knie unter leichter Valgusposition und Innenrotation zügig gebeugt. Hierbei stellt sich bei 20⫺40∞ Beugung eine schnappende Reposition des anterolateral subluxierten Tibiakopfes ein. Voraussetzungen für einen positiven Test sind ein lädiertes vorderes Kreuzband, ein intaktes mediales Seitenband und ein intakter tractus iliotibialis 4. Diagnostik der hinteren Kreuzbandverletzung: ⫺ Die hintere Kreuzbandruptur ist seltener als die vordere Kreuzbandruptur. Verkehrsunfälle sind die häufigste Ursache, während Sportverletzungen häufiger zu vorderen Kreuzbandverletzungen führen. Hintere Kreuzbandverletzungen werden vor allem beim multitraumatisierten Patienten übersehen. ⫺ Kennzeichen einer hinteren Kreuzbandverletzung: Bei seitlicher Beurteilung zeigt sich bei Beugung beider Knie um 90∞ ein nach dorsal durchhängender Tibiakopf. Dies wird als dorsales Durchhangszeichen bezeichnet. Weitere Kennzeichen der isolierten hinteren Kreuzbandverletzung ist die hintere Schublade (unter 10 mm), eine Abnahme der hinteren Schublade bei Innenrotation der Tibia, fehlende laterale Instabilität und vermehrte Außenrotation der Tibia (über 5⫺10∞) bei 30∞ gebeugtem Unterschenkel. ⫺ Eine kombinierte hintere Kreuzbandläsion zusammen mit einer postolateralen Instabilität liegt dann vor, wenn die hintere Schublade über 10 mm beträgt, eine Zunahme der hinteren Schublade bei Innenrotation der Tibia festgestellt werden kann, bei 30∞ Beugung im Kniegelenk eine laterale Instabilität vorliegt und die Außenrotation der Tibia bei 30∞ Beugung im Kniegelenk über 15∞ beträgt. ⫺ Der sog. „Reverse pivot shift“ liegt dann vor, wenn eine posterolaterale Instabilität vorliegt. Hierbei wird das Knie um 90∞ gebeugt und der Fuß nach außen rotiert, anschließend erfolgt eine zügige Streckung des Kniegelenkes bei gleichzeitiger Valgus-Position. Hierbei kommt es zu einer Reposition des nach dorsal subluxierten Tibiakopfes in normale Position. 5. Therapie: ⫺ Bei allen frischen Rupturen sollte die Bandnaht bzw. die Reinsertion des Bandansatzes durchgeführt werden. Rein konservative
11.5 Bandzerreißungen
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Maßnahmen führen meist nicht zur vollständigen Wiederherstellung der Stabilität im Kniegelenk. Bei der Operation kann gleichzeitig der Innenmeniskus inspiziert und ggf. der verletzte Meniskus behandelt werden. Rupturen des Kreuzbandes können Endzu-End vernäht werden. ⫺ Der Zugang zum Kniegelenk kann auf drei Wegen erfolgen: offen, halboffen oder arthroskopisch. Es hat sich herausgestellt, dass isolierte Nähte des vorderen Kreuzbandes nicht die gewünschten funktionellen Ergebnisse zeigen. Synthetische Bandersatzmaterialien oder Ersatz des vorderen Kreuzbandes durch autologe Transplantate werden bei der Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes bevorzugt eingesetzt. Das arthroskopische Vorgehen ist weniger invasiv, funktionell sehr effektiv und ermöglicht eine frühzeitige postoperative Rehabilitation. ⫺ Bei der Therapie der hinteren Kreuzbandläsionen ist ein konservatives Vorgehen dann indiziert, wenn ausschließlich eine isolierte Verletzung vorliegt, keine weiteren Begleitverletzungen von Meniskus, Knorpel oder posterolaterale Instabilität vorliegen und die hintere Schublade eine Größe von unter 10 mm hat. Ein operatives Vorgehen ist dann indiziert, wenn ein knöcherner Ausriss vorliegt, die hintere Schublade über 10 mm weit ist und Begleitverletzungen von Seiten des Meniskus und posterolaterale Instabilität vorliegen. Die hintere Kreuzbandläsion wird ebenfalls arthroskopisch korrigiert.
11.5.3 Unhappy triad ⫺ Knie Ursache Gleichzeitig Hyperextensions-, Abduktions- und Rotationstrauma (z. B. Skifahrer, Fußballer) im Kniegelenk. Trias ⫺ Ruptur des medialen Seitenbandes, ⫺ Läsion des medialen Meniskus, ⫺ Ruptur des vorderen Kreuzbandes. Klinik Massives Hämarthros, mediale Aufklappbarkeit, vorderes Schubladenphänomen.
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11 Frakturen und Luxationen
Therapie Immer operativ (Bandnaht), postoperativ für 6 Wochen Immobilisation im Gips.
11.5.4 Außenbandverletzungen im Bereich des Sprunggelenks Formen ⫺ Distorsion, ⫺ Zerrung, ⫺ Ruptur des Ligamentum talofibulare anterius und posterius und des Ligamentum calcaneaofibulare. Diagnostik Röntgen in zwei Ebenen: Frakturausschluss, anschließend gehaltene Aufnahmen in zwei Ebenen (vermehrte seitliche Aufklappbarkeit und Talusvorschub bei Bandrupturen). Immer die Gegenseite zum Vergleich mitröntgen, um Verwechslungen mit angeborenen Bandinstabilitäten zu vermeiden. Therapie 1. konservativ: ⫺ bei Zerrungen, Teilrupturen: dorsale Unterschenkelgipsschiene, später zirkulärer Unterschenkel(geh)gips, nach 2⫺3 Wochen Bewegungstherapie. ⫺ bei Rupturen bei alten Menschen: auch dann, wenn es sich um zwei und drei Bandverletzungen handelt. 2. operativ: ⫺ komplette Rupturen, besonders bei jungen Menschen: Bandnaht, postoperativ 6 Wochen Unterschenkelgehgips. 3. Vorteile der Operation: ⫺ anatomische Wiederherstellung des Bandapparates, ⫺ freie Beweglichkeit im oberen und unteren Sprunggelenk, prospektiv gesehen, ⫺ Entfernungsmöglichkeit des Frakturhämatoms, ⫺ direkte Beurteilung der Gelenkflächen mit der Möglichkeit der Entfernung chondraler Läsionen bzw. Refixation derartiger Knorpelknochenanteile.
11.5 Bandzerreißungen
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11.6 Distorsionen Dabei handelt es sich um Zerrungen von Gelenkkapselbändern mit Läsion und Blutaustritten infolge übermäßiger Bewegung wie Überstreckung oder Überbeugung. Sofortmaßnahmen 1. Zum Ausschluss einer Fraktur, einer Fissur oder eines Knochenabrisses immer Röntgenbilder in zwei Ebenen anfertigen; außerdem gehaltene Röntgenaufnahmen zum Ausschluss einer Seitenbandruptur. 2. Ruhigstellung der betreffenden Körperabschnitte bei leichter Distorsion in elastischen Stützverbänden (Dauerbinde Lohmann). 3. Abschwellende Maßnahmen, z. B. mit Proxen“. 4. Hochlagerung des betreffenden Körperabschnittes. 5. Bei schweren Distorsionen wird man nach Ruhigstellung, Verband mit elastischer Binde und abschwellenden Maßnahmen für 3⫺4 Wochen einen Gipsverband (Cellona) anlegen.
12 Spezielle Verbände
12.1 Praktische Hinweise ⫺ Vermeidung von Komplikationen 1. Bei Kindern sollen keine Mullbinden als fixierende oder zirkuläre Verbände angelegt werden, da Mullbinden bei Kindern durch permanente, unkontrollierte Bewegungen zu einer ischämisch-strangulierenden schmalen Gewebskompression führen können. Folgen: Nekrosen, Ödeme, Ischämie. 2. Es sollen nur elastische Bindenverbände angelegt werden (z. B. Dauerbinde Lohmann). Elastische Bindenverbände bei Kindern müssen täglich mehrmals kontrolliert werden: Gefahr des Abrutschens, Verrutschens, Lockerwerdens. 3. Jeder Bindenverband um Unterarm und Unterschenkel beginnt entsprechend der jeweiligen Extremität am Handrücken bzw. über dem Fußrücken und nicht am Handgelenk oder in Höhe des Fußgelenks. Grund: Handrücken- und Fußrückenödem durch venöse Stauung. 4. Bei immobilisierenden Gips-/Scotchcast-Verbänden am Unterarm oder Unterschenkel aufgrund von Verletzungen oder Frakturen in diesen Bereichen sind die benachbarten Gelenke ebenfalls ruhig zu stellen: Handgelenk und Ellbogengelenk bzw. Fußgelenk und Kniegelenk. 5. Nach Applikation eines Gips-/Scotchcast-Verbandes bei Kindern ist eine Hochlagerung der betreffenden Extremität für 1⫺2 Tage indiziert. Der immobilisierende Verband muss spätestens nach 24 Stunden von einem Arzt kontrolliert werden. Ist dies nicht der Fall, müssen die Eltern genau über Störungen der Sensibilität, der Motilität und der Durchblutung der ruhig gestellten Extremität instruiert sein, um bei dem Arzt Rückmeldung zu machen, der den Verband angelegt hat. Röntgenkontrollen sind dann am 7., 14. und 21. Tag indiziert. Zwischen 7. und 14. Tag kann es nach Abschwellen des Frakturödems dazu kommen, dass der Verband zu weit wird. In diesen Fällen ist ein primär gespaltener Gips-/Scotchcast-Verband zirkulär zu schließen oder ein neuer Verband anzulegen. Andernfalls kann es gerade bei Kindern durch axiale Stürze zu den häufig zu beobachten-
12.1 Praktische Hinweise ⫺ Vermeidung von Komplikationen
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den sekundären Achsenknicken und Fragmentverschiebungen kommen. Dies kann Nachoperationen in Narkose notwendig machen, was für die behandelnden Ärzte von Seiten des Patienten oder der Eltern zu einer Schuldzuweisung, oft verbunden mit dem Wunsch nach einer zweiten Meinung und einer juristischen Überprüfung, führen kann. Dies ist jedoch durch eine ausführliche primäre Information der Eltern, durch persönliche Kontrollen des Kindes und durch zeitgerechte Korrekturmaßnahmen am immobilisierenden Verband vermeidbar. 6. Jeder immobilisierende Verband (Gips/Scotchcast) muss an seinem proximalen und distalen Rändern weich durch Tubegauze- und Watteverbände abgepolstert sein, um Weichteilschäden zu vermeiden. Jeder immobilisierende Verband muss an exponierten Stellen, dort, wo Knochen, Gefäße und Nerven lokalisiert sind, mit Watteverbänden (Rolta synthetische Wattebinden) geschützt werden, um sekundäre Kompressionsschäden an Weichteilen, Hautnekrosen, Durchblutungsstörungen und Nervenschäden zu vermeiden. Jeder applizierte, immobilisierende Verband umfasst 4 Lagen: ⫺ Lage 1: Tubegauze oder Schlauchmull (z. B. TG-Schlauch-Verband, Lohmann) der später am proximalen und distalen Ende um den Gips umgeschlagen werden kann. ⫺ Lage 2: Wattebinden zirkulär. ⫺ Lage 3: Papierbinden als feuchtigkeitsabweisender Verband. ⫺ Lage 4: Gipsverband oder Scotchcast-Lagen. Diese sechs Verbandsrichtlinien sind essentiell.
12.2 Wundverbände ⫺ allgemeine Hinweise Bei primär heilenden aseptischen OP-Wunden sollen Wundverbände eine Wunde nach außen abdecken. Dies ist bei Säuglingen, Kleinkindern und älteren Kindern besonders wichtig. Sie können eine sekundäre Wundinfektion und Wunddehiszenz verhindern. Wundversorgung und Verbandwechsel mit Beurteilung der Wundverhältnisse sind ärztliche Aufgaben. Jeder Verbandwechsel soll mit Einmalhandschuhen oder sterilen OP-Handschuhen durchgeführt werden. Bei Pflasterverbänden bei Kindern eignen sich im besonderen Maße Verbände, die bei der Entfernung schmerzfrei entfernt werden können. Fantasy“ Wundverbände (Master-Aid“-Trusetal) erfüllen diese Anforderungen im besonderen Maße. Diese Pflasterverbände sind auch für die Eltern der betroffenen Kinder beim Arztbesuch eine Beruhigung und schaffen eine vertrauensvolle Atmosphäre.
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12 Spezielle Verbände
12.2.1 Verbände bei infizierten Wunden Der wirkungsvollste Wundverband bei infizierten, offenen oder geöffneten Wunden ist der hypotone 3 %ige Kochsalz-Kompressenverband. Durch die osmotische Wirkung dieses Verbandes wandern aus der Wunde Bakterien und Sekret in den Verband: osmotische Wundreinigung. Der Verband muss rutschfest 3⫺4 mal täglich gewechselt werden. Lokale Antibiotika können appliziert werden (Nebacetin“).
12.2.2 Verbände bei oberflächlichen epithelialen Defekten und Wunden Nach Wundsäuberung mit Braunol-ratiopharm“ können die Wunden mit einer Fettgaze die ein Verkleben der Wund mit dem Verband verhindert und die ein Lokalantibiotikum trägt (Fuzidine“ Gaze) abgedeckt und verbunden werden. Die Abnahme der Verbände, Kompressen und Gazen kann in einem Braunol-ratiopharm“-Bad (lauwarm) erfolgen, damit dies einerseits schmerzfrei erfolgen kann und damit andererseits granulierte Epithelgewebe geschont und beim Verbandwechsel nicht abgerissen werden. Kontrollen der Wunde durch Wundabstriche ist wichtig: bakteriologisch, virologisch und mykologisch.
12.3 Desault-Verband 12.3.1 Indikation Ruhigstellung von Distorsionen und Knochenbrüchen im Schulterbereich, wie z. B. Skapulafraktur, Schulterluxation, Frakturen am Tuberculum majus sowie subkapitale Humerusfrakturen.
12.3.2 Technik 1. Befestigung eines Wattekissens auf gepuderter Haut in der Achselhöhle der verletzten Seite mit zirkulären Bindentouren (s. Abb. 1814). 2. Fixation des senkrecht herabhängenden Oberarms am Thorax. 3. Achsel-Schulter-Ellenbogen-Tour, wobei man die Binde von der Achsel der gesunden Seite über den Rücken zur Schulter der kranken Extremität und weiter ventral zum Ellenbogen und Unterarm laufen lässt, so dass dieser in Rechtswinkelstellung zum Oberarm, der am Thorax fixiert ist, gehalten wird. Sehr praktisch und zu empfehlen
12.5 Rucksackverband
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sind die TG-Schlauchverbände (Lohmann) bei Immobilisation des Schultergelenks.
12.4 Velpeau-Schulterverband 12.4.1 Indikation Schulterdistorsionen und Zustand nach reponierten Schulterluxationen.
12.4.2 Technik 1. Hand der kranken Extremität wird auf die Schulter der Gegenseite gelegt. Zwischen Oberarm/Unterarm und Brust werden zwei gepuderte Polsterkissen gelegt (Abb. 18-15). 2. Achsel-, Schulter-, Ellenbogen-Achsel-, Oberarm-Achsel-Tour.
12.5 Rucksackverband 12.5.1 Indikation Klavikulafraktur. Sinn dieses Verbandes ist es, die Schulter nach hinten zu ziehen und die Beweglichkeit an der Frakturstelle zu hemmen. Postoperative Nachbehandlung nach Trichterbrust- und Kielbrustoperation.
12.5.2 Technik Zwei Achselringe aus TG-Schlauchverbänden werden über ein Schaumgummikissen am Rücken durch eine Querverbindung so unter Zug gesetzt, dass beide Schultern nach hinten gezogen werden. Die Beweglichkeit an der Frakturstelle wird somit weitgehend eingeschränkt. Einen ähnlichen Zweck erfüllt auch ein Achtertourenverband mit elastischer Binde, der um Schulter, Achsel und Rücken verläuft. Nach Anlegen des Rucksackverbandes muss eine Stellungskontrolle der Klavikula durchgeführt, der Verband täglich kontrolliert und nach gezogen werden. Leicht anzulegen, sehr wirkungsvoll und nicht auftragend sind die sog. Geradehalter, die den gleichen Zweck erfüllen.
12.6 Stützverband 12.6.1 Beschreibung Dabei handelt es sich um kohäsive textilelastische Binden mit einer Dehnbarkeit von 60⫺70 %. Der Kompressionsdruck ist durch die kohä-
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12 Spezielle Verbände
sive Verhaftung genau dosierbar und bleibt so auch bei längerer Liegedauer wirksam. Besonders vorteilhaft sind: ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
hohe Haftfestigkeit bei faltenlosem Sitz, keine Verklebung mit der Haut, hohe Luftdurchlässigkeit, keine Hautmazeration.
12.6.2 Hauptindikation Kompressionsverbände, Stützverbände bei z. B. Distorsionen, Kontusionen, reponierte Luxationen, Entlastungsverband bei stumpfen Thoraxtrauma (Kontusion, Rippenfrakturen). Heftpflasterstützverbände sind zugunsten dieser hautschonenden, porösen, elastischen Verbände nicht mehr im Gebrauch. Je nach Größe und Ausmaß des zu stützenden Körperabschnittes verwendet man Binden entsprechender Breite.
12.7 Dachziegelverband 12.7.1 Hauptindikationen Zehenfrakturen und -luxationen.
12.7.2 Technik Er wird mit mehreren, ca. 1 cm breiten Heftpflasterstreifen so angelegt, dass sie sich von distal nach proximal über den betroffenen Zehen dorsal überkreuzen.
12.8 Kompressionsverband bei Narben Klinische Untersuchungen haben ergeben, dass eine langfristige erfolgreiche Narbentherapie hypertropher und niveauerhabener Narben durch die lokale Applikation von Contractubex“ zusammen mit einer Kompressionstherapie eine Reduktion der Narbenhöhe bewirken kann. Am zweckmäßigsten ist es, wenn diese Therapie im Status nascendi der Narbenbildung sozusagen präventiv durchgeführt wird. Die Wirkung des Kompressionsverbandes z. B. mit Master-Aid“ Verbänden führt zu einer lokalen partiellen Durchblutungsminderung, was sich positiv auf das Narbenbild auswirkt. Extr. cepae, Allantoin und Heparin, Wirkstoffe
12.9 Wundverbände ⫺ spezielle Hinweise
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von Contractubex“, haben eine lokale Wirkung auf die Fibroblastenund Fibrozytenproduktion und Aktivität im Wund- bzw. Narbenbereich.
12.9 Wundverbände ⫺ spezielle Hinweise Wundverbände sollen steril, trocken und rutschfest appliziert werden. Den verschiedenen Anforderungen wird der Wundverband Master-Aid“ durch ein breites Spektrum unterschiedlicher Wundverbände gerecht. Cutiflex“ ist ein wasserabweisender, transparenter, atmungsaktiver und optisch kaum wahrnehmbarer dünner Wundverband. Patienten können damit auch die entsprechenden Hautareale bzw. Extremitäten mit Wasser in Verbindung bringen. Der Wundverband Drop“ standard oder Drop“ med. ist ein steriler Wundverband über Operationswunden, insbesondere geeignet für Patienten mit empfindlicher Haut. Er ist hypoallergisch und hat eine starke Saugfähigkeit. Der Wundverband Steriblock“ ist geeignet für Wunden, die zum Nachbluten neigen, Wunden, die durch Unfälle entstanden sind, Wunden bei Patienten mit Gerinnungsstörungen und bei Patienten, die blutverdünnende Mittel einnehmen. Diese Wundauflage besitzt eine mechanisch aufquellende Lage, die Flüssigkeit aufnimmt und eine sanfte Kompressionswirkung auf die Wunde ausübt. Die hypoallergenen Eigenschaften dieses Verbandes werden in den allermeisten Fällen auch von empfindlichen Patienten vertragen. Bei der Wundversorgung von wenigen millimeterlangen Hautinzisionen z. B. nach Schnittverletzungen, nach thorakoskopischen, laparoskopischen, arthroskopischen Eingriffen, nach Entfernung von Warzen und Hauttumoren, Eingriffen an den Händen und Füßen sowie im Rahmen der minimalinvasiven Chirurgie eignen sich die Quadra“med-, Cutiflex“Square- und Round-Wundverschlüsse. Wenn eine Geweberegeneration und damit ein körpereigener Wundverschluss langsam abläuft, wie z. B. bei größeren Schürfwunden und Wunden mit oberflächlichen Gewebsdefekten, auch nach thermischer Hautschädigung, sowie bei Hautentnahmestellen verursacht durch ein Dermatom zur Hauttransplantation an anderen Stellen, bei sezernierenden Problemwunden, auch, wenn diese bis in die Subkutis reichen, eignet sich die Wundauflage Collagene“, sowie der Wundverband Drop“ Collagene“. Bei allen Wundverbänden, die im Bereich von Hautfalten z. B. im Gesicht, am Hals, an den Fingern oder an den Füßen angelegt werden
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12 Spezielle Verbände
müssen, passen sich die Wundverbände Optomed“ oval den lokalen anatomischen Verhältnissen durch die ovale Passform am besten an. Bei Kindern kommt es sehr darauf an, dass beim Entfernen von Wundverbänden keine Schmerzen ausgelöst werden. Andernfalls entwickeln die Kinder Angst und Abneigung gegenüber allen Maßnahmen, die mit der Besichtigung, Beurteilung und Behandlung der Wunde zu tun haben. Fantasy Wundverband und Roll-Flex“ Fantasy sind kindgerechte Wundverbände, die schmerzfrei entfernt werden können und durch ihr farbenfrohes Muster die Aufmerksamkeit der Kinder erregen, wodurch sie diesen Wundverband mit der Schmerzfreiheit verbinden. Deshalb sind diese Verbände bei Kindern zu empfehlen. Als Fixationspflaster z. B. zur Kanülenfixierung oder für andere Indikationen stehen Steriblock“ veno, Rollpore“, Rollsilk“ und Rolltex“ zur Verfügung insbesondere auch für Patienten, bei denen eine Latexallergie bekannt ist. Bei Eingriffen am Auge ist der ergonomische Augenverband mit transparentem, bruchfestem Augendeckel, der eine schnelle Ausbildung einer „feuchten Kammer“ ermöglicht und ein geringes Gewicht sowie ein sanftes, hypoallergisches Klebeverhalten aufweist, empfehlenswert: Augenverband Ortolux“.
12.10 Gipsverband ⫺ immobilisierender Verband 12.10.1 Zweck Konservative Methode, um Gliedmaßen und Gelenke, die traumatisch geschädigt oder infiziert sind, ruhig zu stellen. Feinste Bewegungen am Bruchspalt können auch durch einen dünn gepolsterten Gips nicht verhindert werden; das Ausmaß dieser Bewegungen liegt aber im Bereich der Toleranzgrenze. Mit möglichst wenig Gipsmaterial soll ein möglichst stabiler Verband hergestellt werden. Ruhigstellung bedeutet Reduktion der Infektionsausbreitung, Reduktion des Ödems und schnelle Wiederherstellung der Funktionen, Durchblutung, Sensibilität und Motilität. Weiterhin bedeutet Ruhigstellung eine Reduktion von Schmerzen, was für den Patienten wichtig ist.
12.10.2 Technik 1. Zum Schutz der Haut werden TG-Schlauchverband in unterschiedlichen Größen-Verbände mit Synthetik-Wattebinden, z. B. Roltasynthetischen Wattebinden, angelegt. Exponierte Knochenteile (z. B. Fibulaköpfchen) werden dadurch ideal abgepolstert.
12.10 Gipsverband ⫺ immobilisierender Verband (Cellona)
353
2. Gipsbinden (z. B. Cellona Lohmann mit kurzer Abbindezeit, 5⫺6 min, bereits nach 30 min belastbar) werden, nachdem sie in Wasser getaucht und solange darin belassen wurden, bis keine Blasen mehr aufstiegen, aus dem Wasser genommen und mit der Hand ausgedrückt. Dann werden die ersten Touren (bei einem Zirkulärgips) der Körperform absolut faltenfrei anmodelliert. 3. Wichtig ist, dass bis zum Erstarren des Gipsverbandes jede Bewegung, die Risse und Sprünge im Gips verursachen kann, vermieden werden soll, da diese dann wieder übergipst werden müssen, wodurch der Gips schwer und unförmig wird. 4. Ein richtig angelegter Gips verhindert in dem ruhig zu stellenden Gebiet Bewegungen in jeder Ebene des Raumes. Für den Bereich der Extremitäten bedeutet dies, dass die der Fraktur benachbarten Gelenke ebenfalls ruhig gestellt werden. 5. Ausnahmen bilden gelenknahe Frakturen: Gips bei Malleolarfrakturen reicht bis zum Knie, Gipsverband bei Frakturen des peripheren Radius reicht bis zum Ellenbogengelenk unter freier Entfaltungsmöglichkeit dieser Gelenke. 6. Jeder primär zirkuläre Gipsverband soll nach Erhärten bis auf den letzten Faden längs aufgeschnitten und mit elastischen Binden (Idealhaftbinden) fixiert werden, da eine Beeinträchtigung des venösen Blutstroms auftreten kann. Eingegipste Körperabschnitte müssen nach Anlegen des Gipsverbandes hochgelagert werden. Kontrollen von Durchblutung (Zyanose, Kälte), Sensibilität und Motorik (z. B. von Fingern und Zehen) sind unerlässlich. 7. Treten derartige Störungen auf, muss der Gips unverzüglich gelockert oder, falls er nicht aufgeschnitten wurde, bis auf den letzten Faden aufgespalten werden. 8. Gipsverbände, die mit dem Rückgang der Schwellung locker werden und somit die Gefahr einer erneuten Dislokation mit sich bringen, sind durch einen neuen, gut sitzenden Gips, nach vorheriger Röntgenkontrolle des ruhig gestellten Körperabschnittes, zu ersetzen. Nach dem Gipswechsel muss eine erneute Röntgenkontrolle durchgeführt werden. 9. Abschwellende Maßnahmen werden durch Reparil“-Gel, Proxen“ Supp. eingeleitet.
12.10.3 Besonderheiten ⫺ Man unterscheidet grundsätzlich zwischen dem primären Gipsverband, der unmittelbar nach einer Reposition angelegt wird und die
354
⫺
⫺ ⫺
⫺ ⫺
12 Spezielle Verbände
reponierte Fraktur in dieser Stellung immobilisiert, und dem sekundären Gipsverband, der den zu weit gewordenen primären Gipsverband ersetzt und sekundär nach einer primären Extensionsbehandlung angelegt wird. Bei Gipsschienen (Longuetten) wird die entsprechend breite, ablaufende Gipsbinde für eine vorher bestimmte Länge auf ebener Unterlage hin und her gelegt, bis eine Platte von genügender Dicke (ca. 6⫺7 Lagen) entstanden ist. Es gibt auch bereits vorbereitete Gipslonguetten im Handel. Einlegen in Wasser. Faltenfreies Anlegen der Longuette, wie bereits beschreiben, nach vorherigem Ausdrücken der Gipsbinde zwischen beiden flachen Händen. Fixation der gut anmodellierten Schiene mit Mullwickeln und abschließend mit elastischen Binden. Besonders praktisch sind in dieser Hinsicht die PlastronaLonguetten, die bereits in 4-fach-Zickzack-Lagen in Folientüten handlich abgepackt sind. Beim Anlegen eines Gipsverbandes ist darauf zu achten, dass der Gipsverband in einem Zug angelegt wird, um Übergangsstellen zu vermeiden, an denen es sonst zu Bruchstellen kommen kann. Bei Gipsverbänden der oberen bzw. der unteren Extremität müssen Finger bzw. Zehen immer freigelassen werden, damit Durchblutung, Sensibilität und Motorik geprüft werden können. Beim Unterarmgips (z. B. bei Radiusbrüchen) ist darauf zu achten, dass die Patienten die Faust schließen können. Das gelingt nur, wenn der Gips volar die distale Beugefalte nicht überschreitet, die Gipsbinden zwischen Zeigefinger und Daumen hochkant-schmal ist und der Gips die Fingergrundgelenke dorsal nicht überschreitet. U-förmige Schienen haben die Form eines Steigbügels, L-förmige Schienen können mit U-förmigen Gipsschienen kombiniert werden und geben zudem der Fußsohle Halt. Beim Anlegen eines Gipskorsetts kommt es darauf an, dass 1. der frakturierte, in sich zusammengesinterte Wirbelkörper im ventralen oder dorsalen Durchhang entlastet und aufgerichtet wird, 2. eine gute Polsterung mit Stülpa-Verband und Rolta-SynthetikWattebinde erfolgt, die später unter dem Gips hervorschaut (weiche Kanten), 3. eine gute Anmodellierung des Gipses vor allem an der Wirbelsäule erfolgt, 4. eine Verstärkung des Gipses dorsal und lateral durch feine Holzoder Aluminiumlamellen erzielt wird,
12.10 Gipsverband ⫺ immobilisierender Verband (Cellona)
355
5. der Gips vor allem auch an vier Stellen gut anmodelliert und gepolstert sein muss, an denen er sich abstützt: Spina iliaca anterior superior, Os pubis, Sternum, Cristae iliacae, 6. nach Erhärten des Gipses ein Magenloch ausgeschnitten wird. ⫺ Hautstellen, die man später nach Erhärten des Gipses kontrollieren will, werden durch Fensterung des Gipses zugänglich gemacht. ⫺ Die Stellung, in der Gliedmaßen eingegipst werden, ist grundsätzlich 10⫺15∞ im Kniegelenk, 90∞ im Sprunggelenk, 90∞ im Ellenbogen, Mittelstellung im Handgelenk (zwischen Supination und Pronation bei Oberarmgipsen), Apfelsinengriff der Finger und des Handgelenks bei Unterarmgipsen. Die Finger der Hand werden so ruhig gestellt, dass die Fingerspitzen auf das Os naviculare zeigen (Abb. 12-1). ⫺ Auf allen angelegten Gipsverbänden ist der Tag des Unfalls, den Tag der Anlegung des Gipses und die geplante Dauer des Gipsverbandes zu vermerken.
Abb. 12-1 Immobilisierung der Hand: Funktionsstellung (aus: Pschyrembel“, Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter, Berlin, 2004).
12.10.4 Wichtige Hinweise beim Anlegen von Gipsverbänden bei Säuglingen und Kindern Da Kinder keine exakten Angaben über Schmerzen, Gefühlsstörungen sowie Zirkulationsstörungen und mögliche Druckstellen geben, müssen Gipsverbände bei Kindern unter besonderen Gesichtspunkten angelegt werden. 1. Alle primären Gipsverbände bei Kindern werden als gepolsterter Gipsverband (Rolta Synthetik-Wattebinden) angelegt. 2. Als Polsterung wird diese Synthetik-Watte, die in unterschiedlichen Breiten vorhanden ist, lückenlos und faltenfrei aufgelegt. Sie lässt
356
3.
4. 5.
6.
12 Spezielle Verbände
sich leicht anlegen und verrutscht nicht (siehe auch Punkt 1 in dem Abschnitt Gipsverbandtechnik). Alle zirkulär angelegten Gipsverbände werden gespalten, wenn die Kinder ambulant behandelt werden; sie können geschlossen bleiben, wenn die Kindern unter stationärer Kontrolle sind (engmaschige Kontrollen von Sensibilität, Motorik und Durchblutung). In jedem Fall sind die Sensibilität, Motorik und Durchblutung (z. B. von Zehen und Fingern) zu überprüfen. Sekundäre Gipsverbände werden nach Abschwellen der Weichteile angelegt, ein Zeitpunkt, zu dem die Fraktur bereits partiell konsolidiert ist. Die entsprechenden Extremitäten müssen hochgelagert werden; zur Abschwellung verabreicht man Proxen“-Suppositorien.
12.10.5 Besonders zu beachten Mögliche Fehler und Gefahren bei Anlegen eines Gipsverbandes: ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Zirkulationsstörung durch Kompression, venöse Stase mit Schwellung und Zyanose, arterielle Durchblutungsstörung mit Blässe der Haut, Sensibilitätsstörungen und Störungen der Motorik, umschriebene Drucknekrosen, vorübergehende oder irreversible Nervenschädigung, sekundäre Dislokation nach Abschwellen des Ödems.
12.11 Kunststoffverbände ⫺ immobilisierende Verbände 12.11.1 Eigenschaften Hierbei handelt es sich um einen Kunstharzstützverband, der schnell aushärtet (5⫺10 min), leichter als ein Gipsverband ist, unempfindlich gegenüber Wasser und Feuchtigkeit, hohe Stabilität und eine geringe Brüchigkeit aufweist. Das Material ist röntgendurchlässig.
12.11.2 Indikation Scotchcast ist zur Immobilisation von Frakturen, Distorsionen und Gelenken nach Reposition von Luxationen indiziert. Besonders bei Kindern ist dieser Stützverband aufgrund seines geringen Gewichts und seiner Wasserunempfindlichkeit angebracht.
12.11 Kunststoffverbände ⫺ immobilisierende Verbände
357
12.11.3 Technik 1. Die in Schutzfolien verpackten Scotchcast-Rollen werden unmittelbar vor Gebrauch entnommen. 2. Die Rolle wird nach Entnahme in Wasser getaucht und zur besseren Durchfeuchtung geknetet. Die Wassertemperatur beträgt 20 ∞C. Es ist zweckmäßig, OP-Handschuhe anzuziehen, da das Material klebrig ist. 3. Scotchcast-Verbände werden genau wie Gipsverbände gepolstert. Da die Kanten recht scharf sind, muss an den Enden des Verbandes die Polsterung dicker sein und auf jeden Fall über den immobilisierenden Verband Baycast hinausragen. Der Stützverband ist im ausgehärteten Zustand porös, atmungsaktiv und wasserfest.
13 Meniskusverletzungen
13.1 Chirurgische Anatomie (Abb. 13-1) 13.1.1 Innenmeniskus Form: halbmondförmig, im hinteren Teil breiter als im vorderen Abschnitt. Ligamentäre Verankerung: fest verwachsen mit dem Ligamentum menisco femorale und dem Ligamentum menisco tibiale.
Abb. 13-1 Meniskus. Proximale Fläche der Tibia mit den Menisci und den Kreuzbändern. (a) Tuberositas tibiae; (b) Lig. transversum genus; (c) Meniscus lateralis; (d) Meniscus medialis; (e) Lig. cruciatum posterius et Lig. meniscofemorale posterius; (f) Lig. cruciatum anterius; (g) Caput fibulae (aus: Fanghänel, J. et al. (Hrsg.), Waldeyer ⫺ Anatomie des Menschen, Walter de Gruyter, Berlin 2003).
13.1.2 Außenmeniskus Form: ringförmig und in allen Abschnitten nahezu gleich breit. Ligamentäre Verankerung: fest verwachsen mit dem Ligamentum transversum genu, mit dem Kreuzband, mit der Tibia und dem Femur.
13.2 Unfallmechanismus/Ursachen 1. Genaue Anamnese und Hergang des Unfallereignisses eruieren. Typisch ist die Drehung des Rumpfes und Oberschenkels bei gebeugtem Knie und feststehendem Unterschenkel unter Belastung im Sinn einer
13.4 Meniskuszeichen
359
axialen Stauchung: starker Initialschmerz. Es handelt sich um ein Rotationstrauma des Kniegelenks. 2. Risse bei degenerativen Veränderungen des Knorpels: Überbelastung, Arthrose, Knie-Instabilität (Abb. 13-2).
Abb. 13-2 Überblick über die Lokalisation von Meniskussrissen (aus: Pschyrembel“, Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter, Berlin, 2004).
13.3 Leitsymptome ⫺ Charakteristische Schmerzen: bei Rotationsbewegungen des Beins, bei Aufrichten aus der Hocke, ⫺ Streckhemmung, ⫺ Druckschmerz über dem inneren oder äußeren Gelenkspalt bei der Untersuchung (siehe unten), ⫺ Bewegungsblockade, ⫺ seröser Erguss.
13.4 Meniskuszeichen ⫺ Meniskustests 1. Genaue Überprüfung der klinischen Meniskuszeichen (eine Überprüfung dieser Zeichen ist bei Seitenbandläsionen nicht möglich): ⫺ schmerzhafte Strecksperre und Fremdkörpergefühl, ⫺ charakteristisch: Wechsel der Beschwerden (Einklemmungserscheinungen), ⫺ leichter Kniegelenkserguss, ⫺ Druckschmerzhaftigkeit über dem betreffenden Kniegelenksspalt, ⫺ Beugebehinderung bei Läsion des hinteren Meniskus. 2. Steinmann I: Spontanschmerz am inneren Gelenkspalt bei Außenrotation, am äußeren Gelenkspalt bei Innenrotation des im Knie ge-
360
3. 4. 5.
6.
7. 8.
9.
13 Meniskusverletzungen
beugten Unterschenkels spricht für Läsion des inneren bzw. äußeren Meniskus. Steinmann II: wandernder Druckschmerz am Gelenkspalt von vorne nach hinten bei passiver Bewegung des Knies. Bragard I: Bei Druck auf die schmerzhafte Stelle im vorderen Gelenkspalt nimmt der Schmerz bei Beugung ab und bei Streckung zu. Bragard II: Bei Druck auf den vorderen Gelenkspalt nimmt der Schmerz bei Einwärtsdrehung des Unterschenkels zu, bei Auswärtsdrehung ab, wenn der mediale Meniskus verletzt ist. Menke’sches Zeichen: Patient belastet das kranke Bein, Kniegelenk wird bis ca. 90∞ gebeugt, und Oberkörper und Oberschenkel rotieren bei festgehaltenem Fuß. Rotationsschmerz wird analog Steinmann I gewertet. Payr’sches Schneidersitzzeichen: Zeichen der Schmerzhaftigkeit des medialen Meniskus beim Türkensitz. McMurray’sches Zeichen: Streckversuch des bis auf das Gesäß flektierten Unterschenkels bei Außenrotation des Fußes und Bauchlage des Patienten zeigt bei einer ganz bestimmten Winkelstellung einen knackendes Geräusch, das für eine Läsion des Hinterhorns des inneren Meniskus spricht. Turner-Symptom: charakteristische Störung der Hautsensibilität bei Verletzungen des medialen Meniskus. Durch Irritation eines Seitenastes des Nervus saphenus entsteht eine ca. 3 cm im Durchmesser große hyperästhetische Zone auf der Vorder- und Innenseite des Gelenkspaltes.
13.5 Diagnostik Nach diesen zur Diagnostik beitragenden Prüfungen müssen bei allen Fällen immer Röntgenbilder in zwei Ebenen angefertigt werden.
13.5.1 Röntgendiagnostik Degenerative Veränderungen müssen ausgeschlossen werden, freie Gelenkkörper erkannt werden, ebenso eine Osteochondrosis dissecans und es müssen Frakturen z. B. im Bereich der Eminentia intercondylaris ausgeschlossen werden.
13.5.2 Kernspin-MRT-Untersuchungen Bei klinischen Beschwerden, die auch durch das Röntgenbild nicht geklärt werden können, sind diese Untersuchungen indiziert. Sie sind auch bei Kindern eine sichere Diagnostik.
13.6 Therapie
361
Tab. 13-1 Arthroskopie: Beispiele für arthroskopische Diagnostik und ggf. Therapie. Gelenkregion
Erkrankung
Kniegelenk
Knorpelläsion
Schultergelenk
oberes Sprunggelenk Ellenbogen Handgelenk
therapeutischer Eingriff
Refixation eines Knorpeldissekats Meniskusverletzung Meniskusteilresektion oder -naht Kreuzbandschaden Kreuzbandplastik posttraumatische Hämarthrose Punktion Gonarthrose Abrasionsarthroplastik, Plicaresektion, Synovektomie Impingement-Syndrom Akromioplastik Bankart-Läsion Kapsuloraphie Rotatorenmanschettenläsion Osteochondrosis dissecans Synovitis, Arthrose Exostosen an Talus und Tibia Exostosen, Synovialitis Arthrose, Diskusläsion
13.5.3 Sonographie Die Aussagekraft und die diagnostische Sicherheit hängt sehr von dem jeweiligen Untersucher ab. Sie ist eine Screeningmethode.
13.5.4 Arthroskopie (Tab. 13-1) Die Arthroskopie stellt eine verlässliche diagnostische Methode dar, die therapeutischen Konsequenzen sind in einem Schritt durchzuführen. Deshalb ist sie eine diagnostisch-therapeutische Maßnahme (z. B. mit Storz-Instrumentarium).
13.6 Therapie 13.6.1 Konservative Therapie Bei allen sicheren Meniskusrissen ist eine konservative Behandlung zwecklos, da der Meniskus nicht durchblutet ist. Eine Heilung kleinerer Meniskusrisse ist an ihrer Randzone, die mit Blutgefäßen versorgt ist, möglich.
362
13 Meniskusverletzungen
13.6.2 Operative Therapie Meniskusnaht ist nur bei jungen Patienten und bei Rissen im vaskularisierten, kapselnahen Bereich sowie bei Meniskuslängsrissen und Korbhenkeleinrissen indiziert. Meniskusresektionen oder Meniskusteilresektionen werden auf arthroskopischem Weg durchgeführt. Besonders zu beachten: Bei allen Seitenbandläsionen, die mit Meniskusverletzungen vergesellschaftet sind, wird zunächst eine Ruhigstellung des Knies in einer Gipshülle, z. B. Cellona, für 6 Wochen durchgeführt und dann die Meniskusprüfung, nach Heilung der Bandläsion, angeschlossen.
14 Handchirurgie
Die anatomisch-topographischen Kenntnisse von Knochen, Sehnen, Nerven und Gefäßen sind die Vorraussetzung für eine erfolgreiche chirurgische Therapie. Handchirurgie verlangt spezielle Kenntnisse und Ausbildung.
14.1 Einteilung der Handverletzungen Die im Folgenden aufgeführten Handverletzungen werden in den Abschnitten dieses Kapitels eingehend beschrieben. 1. infektiöse Erkrankungen: ⫺ Paronychie ⫺ Panaritien (7 Typen) ⫺ Fingerrückeneiterungen ⫺ Thenerabszesse ⫺ Schwielenabszesse ⫺ Phlegmonen 2. oberflächliche Verletzungen: ⫺ Hautabschürfungen ⫺ Fremdkörper ⫺ subunguales Hämatom 3. tiefe Verletzungen: ⫺ Schnittverletzungen ⫺ Riss-Quetschwunden Typ 1⫺4 ⫺ Sehnenverletzungen ⫺ Nervenverletzungen ⫺ Fingeramputationen Außerdem werden in den letzten Abschnitten des Kapitels 4. Fingerkuppenverletzungen, 5. Frakturen und Luxationen im Bereich der Hand sowie 6. Distorsionen und Kontusionen im Bereich der Hand behandelt.
364
14 Handchirurgie
14.2 Allgemeine Vorbemerkungen zur Handchirurgie Entzündungen der Hand gehen in einem Großteil der Fälle von Bagatellverletzungen aus und führen innerhalb kurzer Zeit zu den typischen Entzündungssymptomen (Dolor, Calor, Rubor, Tumor, Functio laesa). Wichtigster Behandlungsgrundsatz: Ubi pus, ibi evacua (Eiter muss stets entleert werden)! Die in den folgenden Abschnitten 14.2.1⫺14.2.5 erläuterten Behandlungsrichtlinien (vgl. die Übersicht in Abschn. 14.2.6) sind unbedingt einzuhalten.
14.2.1 Blutleere/Blutsperre Kein operativer Eingriff an der Hand ohne Blutleere bzw. Blutsperre. Sie ist die wichtigste Voraussetzung zur Schaffung einer klaren Übersicht über die anatomischen Verhältnisse. ⫺ Extremität hochlagern. ⫺ Blutsperre am Finger mit Gummischlauch und Klemme (Abb. 14-1). ⫺ Blutsperre an der Hand durch Anlegen einer pneumatischen Manschette am Oberarm. ⫺ Technik: Blutdruckmanschette zuerst am Oberarm anlegen, dann mit einer Gummibinde den Arm von distal nach proximal straff wickeln, um das Blut von peripher nach zentral zu verschieben (Blutleere),
Abb. 14-1 Richtig angelegte Blutsperre am Zeigefinger.
14.2 Allgemeine Vorbemerkungen zur Handchirurgie
365
dann die Manschette aufpumpen, wobei der Druck 70⫺100 mm Hg über dem Blutdruck des Patienten liegen soll; die Binde dann abwickeln. ⫺ Die Blutsperre soll 45 min nicht überschreiten. Wenn die Blutsperre länger notwendig ist, kann durch vorübergehende Aufhebung des Manschettendrucks für einige Minuten der Blutkreislauf in Gang gesetzt werden. Bei Infektionen an der Hand, die eine Operation notwendig machen, darf nur eine Blutsperre, nie eine Blutleere angebracht werden. Grund: Gefahr des Auspressens von Bakterien in das Gewebe nach zentral in den Kreislauf.
14.2.2 Anästhesie Die meisten Eingriffe an der Hand lassen sich in Leitungsanästhesie durchführen. 1. Infiltrationsanästhesie Scandicain“/Xylocain“ ohne Adrenalinzusatz (Umspritzen des betreffenden Gebietes) nur bei Wunden kleineren Ausmaßes und oberflächlicher Lokalisation. Keine Infiltrationsanästhesie im infizierten Bereich. 2. Leitungsanästhesie Scandicain“/Xylocain“ nach Oberst an der Basis des betreffenden Fingers (von dorsal einstechen) bei operativen Eingriffen an der End- und Mittelphalanx (Abb. 14-2). 3. Leitungsanästhesie Scandicain“/Xylonest“ der Mittelhandnerven von dorsal her in Höhe der Grundgelenke bei operativem Vorgehen an der Grundphalanx. 4. Vor jeder Injektion muss eine Aspiration auf Blut durchgeführt werden, um eine versehentliche intravenöse Injektion mit schneller Re-
Abb. 14-2 Technik der Leitungsanästhesie mit Scandicain“ oder Xylonest“ (0,5⫺1 %) ohne Adrenalin.
366
14 Handchirurgie
sorption und dadurch bedingter Überdosierung mit Reaktionen des zentralen Nervensystems zu vermeiden: Taubheitsgefühl, Sehstörungen, Atemstörungen, kardiale Störungen, Krämpfe, Schwindel, Benommenheit. Maximaldosen für Lokalanästhestetika: ⫺ Lidocain (Amidtyp): 4 mg/kg KG (ohne Adrenalinzusatz), 7 mg/ kg KG (mit Adrenalinzusatz). ⫺ Prilocain (Estertyp): 8 mg/kg KG (ohne Adrenalinzusatz), 8 mg/ kg KG (mit Adrenalinzusatz). 5. Leitungsanästhesie des Nervus ulnaris, radialis oder medianus bzw. subaxilläre Nervenblockade des Plexus brachialis am Oberarm. Diese Form der Anästhesie sollte von einem Anästhesisten durchgeführt werden, um ein hohes Maß an Sicherheit bei der Auswahl der Lokalanästhetika, bei der Vermeidung von Gefahren, bei möglichen individuellen Ausnahmeverläufen und deren Therapie zu gewährleisten. 6. Allgemeinnarkose bei größeren Sehnenscheidenphlegmonen, Hohlhandphlegmonen, Thenarabszessen, großen traumatischen Verletzungen der Hand, vor allem auch bei Kindern und bei Patienten, die eine Lokalanästhesie nicht vertragen (bekannte Allergie). Vereisen mit Chloräthyl ist kein Anästhesieersatz. Merke: Jede Leitungsanästhesie erfolgt von der Streckseite der Hand. Beachte: Bedeutung der zusätzlichen Verwendung von Adrenalin: ⫺ Vorteil: Lokalanästhesie hält länger an. ⫺ Nachteil: Infolge Gefäßsperre kann bei älteren Leuten, bei Diabetikern, Arteriosklerotikern und beim Morbus Raynaud eine Gangrän der Finger entstehen. Daher sicherheitshalber bei Lokalanästhesie im Bereich der Hand keinen Adrenalinzusatz verwenden. Transport von amputierten Fingern: Bei Amputationsverletzungen der Finger wird das Amputat in eine trockene sterile Kompresse gewickelt und in einem Plastikbeutel verschlossen. Dieser Plastikbeutel wird in einen zweiten Plastikbeutel gelegt, in dem sich ein Gemisch aus Eis und Wasser befindet (s. a. Abschn. 14.10)
14.2.3 Hautschnitte Sie dürfen nur in ganz bestimmten Bereichen und in vorgeschriebenen Richtungen gesetzt werden (Abb. 14-3). Steriles Abdecken der Hand immer mit OP-Tapes.
14.2 Allgemeine Vorbemerkungen zur Handchirurgie
367
Abb. 14-3 Vorgeschriebene Schnittlinienführung im Bereich der Hohlhand (I) und des Handrückens (II).
Mediane Inzisionen sind streng verboten! Schnitte in der Vola manus werden den natürlichen Hautfalten folgend angelegt. Standardschnitt bei Panaritien ist der Kantenschnitt (dorsal vom volaren Fingernerv) mit entsprechender Gegeninzision. Alle anderen Schnittführungen, vor allem die medianen Inzisionen über die Beugefalten, führen unweigerlich zu Kontrakturen. Jeder Schnitt, der die Beugefalten kreuzt, ist daher streng verboten. Wenn ein Hilfsschnitt in einer Wunde angelegt werden muss, darf nur ein C-, L- oder Z-Schnitt als Schnitterweiterung angelegt werden.
14.2.4 Atraumatische Naht, Operationstechnik Das feine Gewebe der Finger wird mit atraumatischer Technik (feine atraumatische Nähte mit monofilen Fäden der Firma Ethicon) nach Bunnell genäht. Man vermeide nach Möglichkeit, subkutanes Nahtmaterial zu versenken. Wundranddiastasen (bis zu 3 mm) sind erlaubt, wenn damit ein Maximum an Spannungsfreiheit erzielt werden kann. Keine Hautnaht im Bereich der Hand ohne atraumatische Technik!
368
14 Handchirurgie
14.2.5 Ruhigstellung und Hochlagerung Dauer der Ruhigstellung: ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Eiterungen 4⫺14 Tage, Sehnennähte 3⫺6 Wochen, Nervennähte 6 Wochen, Frakturen 3⫺16 Wochen.
Ruhigstellung heißt Immobilisation der Finger und des Handgelenks auf einer mit Wattebinden (z. B. Rolta-synthetische-Wattebinden, Hartmann) gepolsterten Metallschiene oder auf einer dorsalen oder volaren Gipsschiene bzw. mit einem Scotchcast-Verband, die vom Finger bis zum Unterarm reichen. Jede versorgte Wunde wird, um ein Verkleben der Wunde mit üblichem Verbandsmaterial zu vermeiden, zunächst abgedeckt (z. B. Fucidine“ Gaze). Der elastokompressible Verband besteht aus Fucidine Gaze“, Mullkompressen und Mullwickeln mit weichen Rändern (längs- und querelastisch). Der Verband kann auch mit einem TG-Schlauchverband erfolgen. Bei jeder Ruhigstellung der Finger oder der Hand ist darauf zu achten, dass die Funktionsstellung der Hand (Abb. 14-4), d. h. Dorsalflexion des Handgelenkes, Apfelsinengriff der Finger, mittlere Abduktion und Opposition des Daumens, eingehalten wird.
Abb. 14-4 Funktionsstellung der Hand.
Grund: In dieser Stellung sind die Ligamenta collateralia der Gelenke (Articulationes metacarpophalangeae und interphalangeae) maximal gespannt und können somit nicht schrumpfen. Ebenso wichtig wie die Funktionsstellung der Hand ist die Hochlagerung (zusätzlich antiödematöse Therapie z. B. mit Proxen“ Supp.). Grund dafür ist eine Vermeidung der Schwellung der Hand, wobei folgender Mechanismus ineinandergreift:
14.2 Allgemeine Vorbemerkungen zur Handchirurgie
369
Rückfluss-Stauung, Zirkulationsstörung
B Ödem, das teilweise organisiert wird, induratives Ödem, periartikuläre Fibrose
B diffuses Narbengewebe
B Folge: atrophische, steife Hand Jeder richtig angelegte Verband muss 1. steril 2. trocken 3. rutschfest sein.
14.2.6 Zusammenfassung der Behandlungsrichtlinien bei Handverletzungen Überblick über die wichtigsten Behandlungsrichtlinien bei Verletzungen der Hand (Geldmacher): Maßnahmen Sofortmaßnahme am Unfallort
richtig
falsch
steriler Wundverband, WundreinigungsversuWundkompression bei Blu- che, Salben, Puder, tung, Notschiene Abschnürung zur Blutstillung (Stauung) Diagnostik, Indikations- genaue Anamnese, Prüfung oberflächliche Anamstellung, Aufklärung von Sensibilität und Moto- nese und Untersuchung, des Patienten rik, Prüfung der Durchunnötige Manipulation blutung, Aufklärung des an der Wunde Patienten über Befund, Behandlungsabsicht und Erfolgsaussichten Anästhesie hohe Leitungsanästhesie, lokale InfiltrationsanäsAllgemeinnarkose, intrathesie außer bei kleinen, venöse Leitungsanästhesie oberflächlichen Wunden in besonderen Fällen Vorbehandlung des Blutsperre bzw. Blutleere, halogenhaltige, stark OP-Gebietes Waschen der Wundumgereizende Desinfektionsbung mit Wasser, milder lösungen, insbesondere Seife, Äther, Alkohol in der Wunde, Wasserstoffperoxid
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14 Handchirurgie
Maßnahmen
richtig
falsch
Operation
sterile Abdeckung (Operationstapes), bequeme Lagerung, atraumatische Operationstechnik, immer spannungsfreien Verschluss der Hautdecke anstreben (evtl. Plastik oder Transplantation), zeitraubende Rekonstruktionen sekundär ausführen, in Sonderfällen „aufgeschobene Primärversorgung“, exakte Blutstillung, evtl. Redondrainage, nochmalige Säuberung der Wundumgebung am Ende der Operation Ostim“
ungenügende chirurgische Wundsäuberung, ungenügendes Instrumentarium und Nahtmaterial, zusätzlich traumatisierende Manipulationen, zwecklose Erhaltungsversuche, Versenkung von zuviel Fremdkörpermaterial, viele Unterbindungen, Hautnaht unter Spannung, verschmutzte Wundumgebung
Knochendefektdeckung Wundnachbehandlung
Allgemeinbehandlung
fehlende Knochensubstitution Salbengittertüll zur Erleich- Puder oder Salben, terung der Verbandswech- schlechte Polsterung sel, milde Kompression, und Kompression, Ruhigstellung in Funktions- schnürende Verbände, stellung, Medikamente, falsche Ruhigstellung, Narbenprävention z. B. mit falsche Medikamente. Contractubex“ Schmerzbekämpfung, Eimangelhafte psychische weiß- und ElektrolythausBetreuung, Schmerzen, haltnormalisierung, Sedie- Armtragetuch, Bettrung und psychische Einlägerigkeit führung des Patienten, Aufklärung und Anregung zur Mitarbeit
Beachte: Handchirurgische Eingriffe erfordern exakte anatomischtopographische Kenntnisse, eine optimale Übersicht und Operieren mit Lupenbrille oder OP-Mikroskop.
14.3 Infektiöse Erkrankungen der Hand 14.3.1 Paronychie Definition Paronychie (Abb. 14-5) ist eine durch Staphylokokken (umschriebene Entzündung), Streptokokken (invasive Entzündung), Coli oder Proteus
14.3 Infektiöse Erkrankungen der Hand
371
Abb. 14-5 Lokalisation einer Paronychie.
bedingte Entzündung des Fingerendgliedes mit paraungualer Ausbreitung und typischen Entzündungsmerkmalen. Therapeutisches Vorgehen 1. Bei Rötung, Schwellung, keine Einschmelzung: konservative Behandlung. ⫺ Alkoholumschläge, warme Handbäder (z. B. Kamillenbäder). ⫺ Parenterale Antibiotikaapplikation (z. B. Ampicillin-ratiopharm“). Bei Einrissen am Nagelfalz Lokalantibiotika (Nebacetin“ Salbe) applizieren. ⫺ Ruhigstellung auf einer Metallschiene bis zum Abklingen der Entzündungserscheinungen. 2. Wenn 1. versagt und Einschmelzung (Übergang in ein Panaritium, s. Abschn. 14.3.2) auftritt, ergeben sich je nach dem Lokalbefund folgende Behandlungsmethoden: Eiterblase: ⫺ mit Pinzette und Schere inzidieren in Leitungsanästhesie, ⫺ Eiter ablassen, ⫺ feucht auswischen mit NaCl (3 %) oder 70 % Alkohol, ⫺ Nebacetin“-Salben-Applikation, elastischer Bindenverband. Abszess: ⫺ Leitungsanästhesie (Xylocain“, Scandicain“) oder Allgemeinnarkose, Blutsperre, ⫺ Doppelinzision (Kantenschnitt und Gegenschnitt), ⫺ Exkochleation des Eiter- und Nekrosenherdes mit scharfem Löffel, ⫺ Drainage mit Gummilasche, nicht mit Mullstreifen, ⫺ Blutsperre entfernen, steril verbinden, ⫺ Ruhigstellung, bis entzündliche Erscheinungen völlig abgeklungen sind.
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14 Handchirurgie
Behandlungsrichtlinien 1. Frühzeitige und ausreichende Eröffnung des Entzündungsherdes: Inzision und Gegeninzision. 2. Schaffung eines ungehinderten Eiterabflusses durch Drainage, feuchter Verband. 3. Ruhigstellung des erkrankten Gliedabschnittes bis zum Abklingen der akuten Entzündungserscheinungen in Funktionsstellung. Inzisionen müssen genügend lang sein; eine Eiterretention muss vermieden werden. Besondere Aufmerksamkeit ist der Inzision zu widmen, die entsprechend der Nagelform gewählt werden muss; eine Nagelteilexzision ist bei subungualen Prozessen indiziert. Die richtig durchgeführte Behandlung (Inzision) bei Paronychien ist aus Abb. 14-6 zu ersehen. Inzisionen im Bereich des Nagels und durch den Nagel sind zu vermeiden.
Abb. 14-6 (a) und (b) Unterschiedliche Inzisionen entsprechend der jeweiligen Nagelform. (c) Doppelinzision bei Ausbreitung des entzündlichen Prozesses auf der rechten und linken Seite des Nagelbetts. (d) Doppelinzision und Eiterausräumungen bei Retention unter dem Nagel.
Nachbehandlung ⫺ Täglicher Verbandswechsel unter aseptischen Bedingungen, um eine Eiterretention frühzeitig zu erkennen, ⫺ tägliches Handbad in Kamille und Bewegen der Lasche, ⫺ feuchter Verband (NaCl 0,9 %, 3 % oder Ringerlösung).
14.3.2 Die wichtigsten 7 Typen der Panaritien Die Einteilung wird nach der Lokalisation der Entzündung vorgenommen.
14.3 Infektiöse Erkrankungen der Hand
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
373
Panaritium subunguale Panaritium cutaneum Panaritium subcutaneum Kragenknopfpanaritium Panaritium tendinosum Panaritium ossale Panaritium articulare
14.3.3 Panaritium subunguale Definition Umschriebene tiefe Entzündung, meist als Folge einer Fremdkörperverletzung, unter dem Nagel (Holzsplitter etc., Abb. 14-7). Ein intensiver, pulsierender Schmerz wird häufig angegeben.
Abb. 14-7 Lokalisation eines Panaritium subunguale.
Therapie 1. 2. 3. 4.
Übliche Vorbereitung zur Operation (s. Abschn. 14.2). Leitungsanästhesie: Xylonest“ (s. Abschn. 14.2.2). Blutsperre. Keilförmige Exzision des über dem Eiterherd lokalisierten Nagelanteils und Fremdkörperexstirpation (mit Schere und Pinzette) unter Schonung der Matrix. Eiterherde mit weitgehender Unterminierung des Nagels bringt man durch Entfernung des ganzen Nagels zur Abheilung. Längsschnitt des Nagels mit Schere; Matrix schonen; Abziehen der Nagelhälften mit einer Klemme nach radial bzw. ulnar (Abb. 14-8). 5. Beseitigung von sämtlichem nekrotischen Gewebe und Eiter, lokale Nebacetin“-Spülung. Damit wird jede weitere Infektion von vorne herein vermieden. 6. Verband TG-Schlauchverband mit antibiotischer Salbe (z. B. Fuzidine“-Gaze).
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14 Handchirurgie
Abb. 14-8 Nagelentfernung mit gerader Schere und Halsted-Klemmchen.
7. Ruhigstellung des Fingers auf einer gepolsterten Metallschiene, die am Unterarm fixiert ist, bis der Infekt abgeklungen ist. Dauer: ca. 5⫺6 Tage.
14.3.4 Panaritium cutaneum Definition Eine in der Kutis lokalisierte gelbe Eiterblase mit rotem, entzündlichem Hof: Bulla infecta (Abb. 14-9).
Abb. 14-9 Lokalisation eines Panaritium cutaneum.
Therapie 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Übliche Vorbereitungen zur Operation (s. Abschn. 14.2) Leitungsanästhesie (s. Abschn. 14.2.2). Blutsperre. Abtragen der Eiterblase mit spitzer Schere und feinster Pinzette. Austupfen der Eiterhöhle mit NaCl (3 %), oder Nebacetin“. Suche nach subkutaner Fistel vom Grund der Eiterblase ausgehend (sog. Kragenknopfpanaritium). 7. Verband: steril, feucht, rutschfest (TG Schlauchverband Lohmann). 8. Ruhigstellung des Fingers und der Hand in Funktionsstellung auf einer Schiene für 4⫺5 Tage.
14.3 Infektiöse Erkrankungen der Hand
375
9. I. v. Antibiotika-Applikation (z. B. Ampicillin-ratiopharm“) nur bei Lymphadenitis und Lymphangitis!
14.3.5 Panaritium subcutaneum Therapie 1. Abortivbehandlung bei geringer Symptomatik: ⫺ Ruhigstellung auf Schiene, ⫺ 3 %ige NaCl-Umschläge. Erfolge der Abortivbehandlung weniger gut! Heilung nach 5⫺7 Tagen; (Behandlungsrichtlinien: Abb. 14-10). Merke: Tägliche Kontrolle, um den Ablauf zu verfolgen. 2. Chirurgische Behandlung bei allen Fällen, bei denen eine anfängliche Abortivbehandlung ein Sistieren der Beschwerden und eine Besserung nicht herbeiführen konnte, sowie bei allen Fällen mit starkem nächtlichem Klopfschmerz.
Abb. 14-10 Behandlungsrichtlinien bei subkutanen Panaritien im Bereich des Grund-, Mittel- und Endgliedes.
⫺ Übliche Vorbereitungen zum operativen Eingriff (s. Abschn. 14.2). ⫺ Leitungsanästhesie. ⫺ Leitungsanästhesie (Xylonest“), Plexusanästhesie oder allg. Narkose. ⫺ Blutsperre. ⫺ Blutsperre. ⫺ Kantenschnitt oder Hockey⫺ Doppelte Inzision (Kantenschnitte). stockschnitt 1⫺1,5 cm lang, ⫺ Eiter und Nekrosen völlig und sorg2⫺3 mm unterhalb des Nafältig mit scharfem Löffel oder Skalgelfalzes. pell entfernen. ⫺ Spülung mit Nebacetin. ⫺ Gummilasche einlegen, bis kein Eiter mehr abfließt. ⫺ Ruhigstellung auf einer Unterarmschiene, Lohmann-Bindenverband.
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14 Handchirurgie
Nur bei fortgeschrittenen subkutanen Panaritien wird eine Gummilasche eingelegt.
14.3.6 Kragenknopfpanaritium Definition Ein in der Subkutis lokalisiertes Panaritium, das nur durch einen schmalen Fistelgang mit dem darübergelegenen Panaritium cutaneum in Verbindung steht (Abb. 14-11).
Abb. 14-11 Lokalisation eines Kragenknopfpanaritiums.
Merke: Bei jedem kutanen Panaritium muss ein Kragenknopfpanaritium durch Sondierung des Wundgrundes mit einer millimeterdünnen Sonde ausgeschlossen werden. Therapie ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Lokale Vorbereitung zur Operation. Leitungsanästhesie. Blutsperre. Tangentiales Abtragen der kutanen Eiterblase mit spitzer Schere und feiner chirurgischer Pinzette, Darstellung des Verbindungsganges mit der Abszesshöhle. Spaltung des Ganges und Exkochleation der Höhle mit scharfem Löffel. Spülung z. B. mit Nebacetin“ oder 0,9 %iger Kochsalzlösung. Lasche einlegen und Ruhigstellung der Fingers auf einer gepolsterten Aluminium-Unterarmschiene. Lasche kann nach 3⫺4 Tagen entfernt werden. Dauer bis zur Heilung: 6⫺7 Tage.
Beachte: Bei allen subkutanen Panaritien muss an die Möglichkeit des Weiterschreitens der Infektion in die Sehnenscheide gedacht werden. Folgende vier Symptome sind in diesem Zusammenhang diagnostisch wichtig: 1. Schmerzhaftigkeit im Verlauf der Sehnenscheide durch Druck mit einer Sonde auslösbar; Punctum maximum Hohlhandquerfalte.
14.3 Infektiöse Erkrankungen der Hand
377
2. Streckschmerz des Fingers (aktiv und passiv). 3. Schonstellung des Fingers in Semiflexionshaltung (Entspannungshaltung). 4. Symmetrische Schwellung des ganzen Fingers.
14.3.7 Panaritium tendinosum Definition Eitrige Entzündung, die von Verletzungen mit Eröffnung der Sehnenscheide oder von vernachlässigten Panaritium subkutaner Lokalisation ausgeht und sich als Sehnenscheidenphlegmone ausbreitet (Abb. 14-12).
Abb. 14-12 Fortschreitende Entzündungsmöglichkeiten eines Panaritiums tendinosum. Die Infektion breitet sich von den Langfingern über die Sehnenscheiden in die Hohlhand aus. Sie schreitet fort über den Karpaltunnel, den Sehnenscheidensack und greift dann auf den Unterarm über (Paradona Raum). Die V-Phlegmone entsteht bei Infektionen am Daumen oder am kleinen Finger und schreitet fort über die durchgehende Sehnenscheide ihrer Beugesehnen und kann dann ebenfalls den Sehnenscheidensack und weiter proximal davon den Paradona-Raum des Unterarms erreichen.
Wichtig: Aus oben stehendem Schema ergibt sich, dass alle Sehnenscheidenpanaritien, besonders die des Daumens und Kleinfingers, wegen der Gefahr einer V-Phlegmone rechtzeitig und exakt behandelt werden müssen.
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14 Handchirurgie
Die wichtigen Symptome des Panaritium tendinosum 1. Schmerzhaftigkeit im Verlauf der Sehnenscheide durch Druck mit einer Sonde auslösbar; Punctum maximum distale Beugefalte in der Vola manus. 2. Streckschmerz des Fingers (aktiv und passiv). 3. Schonstellung des Fingers in Semiflexionshaltung (Entspannungshaltung). 4. Symmetrische Schwellung des ganzen Fingers.
Therapie Sie richtet sich nach der Dauer der Sehnenscheidenentzündung, also danach, ob die Sehne noch intakt ist oder bereits nekrotisch geworden ist. t w 3 Tage; Sehne intakt. 1. Übliche Vorbereitungen zum operativen Eingriff (s. Abschn. 14.2). 2. Operativer Eingriff in Vollnarkose. 3. Spülbehandlung: Inzision der Haut über der Beugefalte in Höhe des Fingergrundgliedes. Eröffnen der Haut über der Beugefalte des Endglieds in querer Richtung und Eröffnen der Sehnenscheide. Quere Eröffnung der Sehnenscheide. Einführen eines Katheters von der proximalen Sehnenscheideneröffnung nach distal und Spülung der Wunde. Der Katheter muss mehrere Öffnungen haben, damit die ganze Länge der Sehnenscheide gespült werden kann. Die Spülbehandlung bei Unterarmruhigstellung muss einige Tage bis zur Keimfreiheit durchgeführt werden. Bei dem Hautschnitt kann man auch die von Bruner’sche Schnittführung gewählt werden (Abb. 14-13). Dieser Schnitt bietet eine gute Übersicht über die gesamte Sehne. Zusätzlich wird eine quere Inzision in der Hohlhandfalte zur Ausleitung der Spüldrainage angelegt. t > 3 Tage; Nekrose der Sehne ist zu befürchten oder bereits eingetreten. 1. Allgemeine Vorbereitungen zum operativen Eingriff (siehe Abschn. 14.2). 2. Operativer Eingriff in Vollnarkose. 3. Blutsperre. 4. Inzisionen (s. oben).
14.3 Infektiöse Erkrankungen der Hand
379
Abb. 14-13 Hautschnitte (von Bruner’scher Wellenschnitt und quere Inzision in der Hohlhand) zum Einlegen und Ausleiten einer Dauerspüldrainage bei Sehnenscheideninfektion.
5. Beseitigung von nekrotischen Geweben (Sehne etc.) auf der Beugeseite des Fingers, um die Ursache, die die Infektionen unterhält, zu beseitigen. 6. Ruhigstellung von Finger bis zum Unterarm auf einer Schiene. Merke: Bei allen Sehnenscheidenpanaritien parenterale Antibiotikatherapie ⫺ z. B. Ampicillin-ratiopharm“ oder Cefotaxim-ratiopharm“ (Dosierung: s. Abschn. 16.3), hochdosiert, 8 Tage lang. Immer stationäre Behandlung.
14.3.8 Panaritium ossale Definition Das Panaritium ossale entsteht oft durch kleinkalibrige Stichverletzungen, Bissverletzungen bzw. durch Fortschreiten anderer Panaritien (z. B. subkutaner Panaritien) und ist am häufigsten an der Endphalanx lokalisiert. Leitsymptome 1. Symmetrische, das ganze Fingerglied betreffende Schwellung. 2. Diffuse Schmerzhaftigkeit.
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14 Handchirurgie
3. Punctum maximum der Schmerzen an der Basis der betreffenden Fingerphalanx. 4. Nach 4 Wochen frühestens röntgenologisch verifizierbare osteolytische Prozesse. Beachte: Alle Panaritien, die trotz gezielter Behandlung und ausreichender Inzision nicht abheilen, sondern in Ruhigstellung Schmerzen und klinisch Entzündungszeichen aufweisen, sind auf eine beginnende Osteomyelitis verdächtig. Therapie 1. 2. 3. 4. 5.
6. 7. 8.
9. 10.
11.
12.
13.
Übliche Vorbereitungen zum operativen Eingriff (s. Abschn. 14.2). Operativer Eingriff in Vollnarkose. Blutsperre. Kantenschnitt von 1⫺2 cm Länge. Darstellung des Knochens unter Schonung von Gefäßen und Nerven (Nervus digitalis dorsalis, Nervus digitalis palmaris proprius). Darstellung anatomisch-topographischer Verhältnisse durch stumpfes Präparieren mit der Schere. Ein- und Zweizinkerhaken halten die freipräparierten Gebilde weg. Darstellung des nekrotischen Knochens und Ausräumung von nekrotischem Gewebe und Sequestern mit scharfem Löffel. Instillation von Antibiotika (z. B. Nebacetin“) in die Phalanx. Einlegen eines feinen Gummikatheters in die Knochenhöhle und Fixation des Katheters nach Wundschluss an der Haut (in einem wundfernen Abschnitt). Keine subkutanen Nähte; lockere Hautnaht. Dorsale Aluminiumschiene vom Unterarm bis zum betreffenden Finger oder Immobilisation mit einer dem Finger anmodellierten Gipsschiene z. B. Cellona. Dauer 14 Tage. Spülung über oben genannten Katheter bzw. Instillation von Antibiotika 1⫺3 mal täglich, bis die Schiene bzw. der Gips entfernt werden. Parenterale Antibiotikaapplikation dient als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme (s. Abschn. 16.3). Am wichtigsten bei dieser Behandlung sind die Ruhigstellung und die Instillationsbehandlung: 1⫺3 mal täglich, 14 Tage lang. Das klinische Bild entscheidet am 14. Tag über das weitere vorgehen, unter Umständen muss mit Ruhigstellung und Spülbehandlung noch weitere 7 Tage fortgefahren werden. Größere Knochendefekte mit der Gefahr der Schwächung des Knochens können z. B. mit Ostim“ aufgefüllt und stabilisiert werden.
14.3 Infektiöse Erkrankungen der Hand
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14.3.9 Panaritium articulare Definition Gelenkeiterung mit Lokalisation vorwiegend im Mittelgelenk, oft als Folge einer direkten Verletzung oder durch Fortleitung. Leitsymptome 1. Schwellung des Gelenks. 2. Schmerzhaftigkeit bei Zug und Stauchung. 3. Röntgenbild nach 4 Wochen: Zerstörung des Knorpels und Gelenkspaltverschmälerung. Therapie Ein konservatives Vorgehen ist nach Diagnosesicherung nicht zu rechtfertigen, da nur durch eine möglichst frühzeitige Inzision irreversible Knorpelschäden zu vermeiden sind. Chirurgisches Vorgehen 1. 2. 3. 4.
Allgemeine Vorbereitungen zum operativen Eingriff (s. Abschn. 14.2). Operativer Eingriff in Vollnarkose. Blutsperre. Eröffnen des Gelenks von einem Kantenschnitt aus (wenn nötig Doppelinzision). Eiter absaugen, Abtragen der Knorpelflächen, wenn diese nekrotisch sind, Spülung mit Antibiotikalösung (Nebacetin“). 5. Keine Kapselnähte. Einlegen einer feinen Kanüle, Wundschluss, parenterale bzw. orale Antibiotikatherapie und Spülung durch die Kanüle zweimal täglich 10⫺14 Tage lang. 6. Ruhigstellung auf einer ventralen Gipsschiene, die bis zum Unterarm reicht, für die Dauer von 10⫺14 Tagen. 7. Bei Knorpeldestruktion: Arthrodese in Funktionsstellung ist besser als eine schmerzhafte Teilversteifung.
14.3.10 Fingerrückeneiterungen Definition Fingerrückeneiterungen sind Furunkel oder Karbunkel, die ihren Ausgang von Haarbalgentzündungen genommen haben. Daneben kennt man, wie überall, Fingerrückeneiterungen auf traumatischer Grundlage bzw. durch Fremdkörperretention.
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14 Handchirurgie
Therapie ⫺ Meist kommen die Patienten in einem Zustand, bei dem der Nekrosepfropf über dem Furunkel bzw. Karbunkel mit der chirurgischen Pinzette gefasst und in toto exstirpiert werden kann. ⫺ Ausspülen, z. B. mit Nebacetin“-Lösung, feuchtes Austupfen, Revision nach subkutanen Taschen. ⫺ Entfernung von allem nekrotischen Gewebe. ⫺ Ruhigstellung je nach Größe des Entzündungsprozesses, entweder auf einer Fingerschiene oder auf einer Unterarmschiene für 6⫺10 Tage und feuchte Umschläge. ⫺ Um ein Handrückenödem zu vermeiden: Hochlagerung des Unterarms und der Hand im Winkel von 60∞. Täglicher Verbandswechsel unter aseptischen Bedingungen. Proxen“ zur Abschwellung. Beachte: Erstrecken sich die Eiteransammlungen bis zum seitlichen Umfang des Fingers bzw. bis in die Höhe der Grundphalanx, so legt man Kantenschnitte an und entfernt nekrotisches Gewebe und Eiter von dieser Inzisionslinie aus und legt eine schmale und dünne Gummilasche ein.
14.3.11 Thenarabszess Definition Bei Abszessen im Bereich der Hand handelt es sich um Eiteransammlungen, hervorgerufen durch Staphylokokken. Sie entstehen oft durch Fortschreiten von subkutanen Panaritien des 1. und 2. Fingers zum Thenarraum. Therapie Abszesse jeder Lokalisation (Abb. 14-14) müssen entfernt werden. Operationstaktisches Vorgehen: Inzision ⫺ Vorteil: Rasche Beschwerdefreiheit und Abklingen der lokalen Erscheinungen. ⫺ Nachteil: Heilungsdauer der Inzisionswunde nach Abklingen des Infekts oft relativ lang.
14.3 Infektiöse Erkrankungen der Hand
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Abb. 14-14 Lokalisation eines Thenarabszesses.
Vorgehen ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
Übliche Vorbereitungen zum operativen Eingriff (s. Abschn. 14.2). Operativer Eingriff in Vollnarkose: Inzision über der Kuppe des Abszesses. Darstellung der Abszesshöhle und vorhandener Taschen. Entlastung und völlige Entfernung von Eiter und Nekrosen. Drain oder Gummistreifen für 2⫺3 Tage einlegen. Ruhigstellung der Hand in Funktionsstellung auf einer Unterarmschiene für 3 Tage.
Eine Punktionsbehandlung an Stelle der Inzision ist nicht empfehlenswert.
14.3.12 Schwielenabszess Definition Schwielenabszesse der Hohlhand entstehen durch Invasion von Eitererregern durch Schrunden und Rhagaden unter den Arbeitsschwielen in der Gegend der Capitula der Ossa metacarpalia. Leitsymptome 1. 2. 3. 4.
Schmerzhaftigkeit und Schwellung der infizierten Schwiele. Schwellung und Rötung der Interdigitalfalte. Die der infizierten Schwiele benachbarten Finger sind abgespreizt. Handrückenödem.
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14 Handchirurgie
Therapie 1. 2. 3. 4.
Allgemeine Vorbereitungen zur Operation (s. Abschn. 14.2). Operativer Eingriff in Vollnarkose. Blutsperre. Exzision des nekrotischen Hautdeckels über dem Eiterherd mit anschließendem Auskratzen der nekrotischen Gewebsteile mit scharfem Löffel, Wegspülung von Eiter mit physiologischer Kochsalz- und Antibiotikalösung. Falls Inzision nötig, nur in den dafür vorgeschriebenen Inzisionslinien den Schnitt anlegen. Bei Hautexzision keine Lasche einlegen, bei elliptischer Inzision Lasche einlegen, damit Wundränder sich nicht vorzeitig schießen. 5. Ruhigstellung auf einer dorsalen Gipsschiene (Cellona-Gipsverband) für ca. 6⫺8 Tage. Beachte: Bei der Revision des Schwielenabszesses muss man alle Taschen und Winkel des Hohlraums genau abtasten, nach Kommunikationen in Form von subkutanen Verbindungen zum oberflächlichen oder tiefen Hohlhandraum suchen. Gefahr einer Hohlhandphlegmone.
14.3.13 Phlegmone (Hohlhandphlegmone, Interditialphlegmone, Thenarphlegmone) Definition Es handelt sich um eine im Unterhautzellgewebe zur flächenhaften Ausbreitung kommende Entzündung, die durch Streptokokken bedingt ist. Diese besitzen eine Hyaluronidase, die die Interzellsubstanz fermentativ aufspaltet. Im Gegensatz zu Abszessen keine örtlich scharfe Begrenzung und Membranbildung. Phlegmonen im Bereich der Hand sind meist eine Folge von Schwielenabszessen, Stichverletzungen und Sehnenscheidenpanaritien. Therapie Stationäre Behandlung. Konservative Maßnahmen 1. Parenterale Antibiotikaapplikation, z. B. Ampicillin-ratiopharm“ (Dauer ca. 6 Tage), zusätzlich z. B. Varidase“ 4 ⫻ 1 Tablette.
14.4 Oberflächliche Verletzungen
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2. Ruhigstellung der Hand auf einer Schiene, Bindenverband. 3. Kochsalzumschläge. Wenn die konservativen Maßnahmen das Krankheitsbild nicht eindämmen, dann ist ein chirurgisches Vorgehen dringlich indiziert. In diesem Fall Vollnarkose, Längsinzision am kleinen Fingerballen bzw. längs des Os metacarpale II (Hohlhandschnitt) oder Doppelinzision und Entfernung von Eiter und Nekrosen, anschließend Einlegen von Gummilaschen. Bei Stichverletzungen, insbesondere im Bereich der Hohlhand, besteht die Gefahr der Eröffnung der Sehnenscheide und der sekundären Hohlhandphlegmone. Daher ist zunächst die Hand ruhig zustellen und eine Infusion mit einem Antibiotikum zu verabreichen. Zunächst ist konservative Therapie mit Ruhigstellung der Hand angezeigt. Die Ruhigstellung der Hand hat so zu erfolgen, dass im Handgelenk eine Dorsalflexion von 25∞, im Grundgelenk eine Volarflexion von 80∞, im Mittelgelenk der Finger eine Volarflexion von 25∞ und im Endgelenk eine Volarflexion von 20∞ erreicht wird. Bei Interdigitalphlegmonen inizdiert man dorsal und volar in Längsrichtung zwischen den Metakarpalköpfchen; der freie Rand der Interdigitalfalte darf nicht durchtrennt werden; Lascheneinlage.
14.4 Oberflächliche Verletzungen 14.4.1 Einteilung 1. Ganz oberflächliche, die Epidermis betreffende Hautläsionen. 2. Infizierte Wunden mit Fremdkörperretention. 3. Subunguale Hämatome.
14.4.2 Hautläsionen Ursache ⫺ Hautabschürfungen; häufige Verletzung bei Kindern durch Sturz auf den Boden (Knie-, Ellenbogen- und Gesichtshautabschürfungen). ⫺ Stichverletzungen (Dorn, Nadel, Stanzverletzungen), Schnittverletzungen. ⫺ Vernachlässigung von Bagatellverletzungen durch den Patienten mit lokalen Entzündungszeichen.
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14 Handchirurgie
Vorbemerkung zur Therapie Im Allgemeinen kommt man bei diesen Wunden ohne Lokalanästhesie, ohne Exzision und Naht aus. Diese Bagatellverletzungen müssen, wie alle offenen Verletzungen, die als infiziert zu betrachten sind, in die Tetanusprophylaxe einbezogen werden! Therapie 1. Wundreinigung, z. B. mit physiologischer NaCl-Lösung oder Braunolratiopharm“. Lokale Applikation von Xylocain“-Spray zur Lokalanästhesie. 2. Nekrotische Hautareale werden mit der Schere vorsichtig abgetragen, Fremdkörper weggespült oder mit einer feinen Pinzette gefasst. 3. Erneutes Desinfizieren der Wunde. 4. Lokale antibiotische Therapie mit z. B. Fucidine“-Gaze. Der anschließend applizierte Verband (z. B. Rollflex“) ist steril, trocken und rutschfest. Er klebt nicht an der Wunde fest. Am 5.⫺7. Tag, wenn keine Wundinfektion eingetreten ist, Weiterbehandlung der Wunde mit Bepanthen“.
14.4.3 Wunden mit Fremdkörperretention Häufigste Fremdkörper Dornen, abgebrochene Nadelspitzen, Holz-, Glas- und Metallsplitter. Therapie Bei Verdacht auf Metallfremdkörperretention immer ein Röntgenbild in zwei Ebenen anfertigen. Intraoperativ können zwei in Rechtwinkelstellung eingeführte Orientierungsnadeln die Lokalisation des Fremdkörpers erleichtern. 1. 2. 3. 4.
Übliche Vorbereitungen zum operativen Eingriff (s. Abschn. 14.2). Infiltrations- oder Leitungsanästhesie (Scandicain“, Xylocain“). Blutsperre. Unter Zuhilfenahme der Röntgenbilder wird die Haut breit inzidiert und der Fremdkörper aufgesucht. Man beachte unbedingt die typische Schnittführung, die vorgeschrieben ist (s. Abschn. 14.2.3) sowie die Lage der Nerven und Gefäße.
14.4 Oberflächliche Verletzungen
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5. Der primären Extraktion wird eine Nebacetin“-Spülung angeschlossen. 6. Bei fehlender Infektion Adaptationsnaht atraumatisch und Verband. Keine Wundversorgung (bei infizierten Wunden und Fremdkörperretention) ohne exakte Tetanusprophylaxe.
14.4.4 Subunguale Hämatome Typische Unfallursache Schlag auf den Finger (Autotür, Hammerschlag). Aufgrund der subungualen Blutung und der damit zusammenhängenden Spannung unter dem Nagel können diese Hämatome besonders schmerzhaft sein. Die Symptomatik gleicht oft der von Panaritien. Behandlung Ziel: Hämatomentleerung, Infektionsverhütung. 1. 2. 3. 4.
Allgemeine Vorbereitung zur Operation. Leitungsanästhesie (Xylonest“). Blutsperre. Teilexzision des Nagels von der freien Nagelkante aus oder Trepanation bei intaktem Nagel mit spitzem Skalpell oder Bohrer (2⫺ 3 mm ⵰); dadurch kommt es zu einer Entlastung des subungualen Blutergusses. Nagelentfernung: sollte ⫺ wenn möglich ⫺ nicht durchgeführt werden, da anschließend die Keratinschicht des Nagelbettes degenerieren kann und der neue Nagel deformiert nachwachsen kann. Bei einer Luxation der Nagelmatrix erfolgt eine Reposition und Fixation durch U-Nähte. Bei Verletzungen der Fingerkuppe, die durch Weichteile, durch den Nagel und die Nagelmatrix gehen, soll die Fingerkuppe im Niveau des Nagelbettes mit 6-0 Vicryl wieder readaptiert werden. 5. Hämatomentfernung durch Auswischen mit feuchtem Tupfer, Spülen mit physiologischer NaCl-Lösung. 6. Ruhigstellung nach lokaler Desinfektion (oder Applikation einer antibiotischen Salbe z. B. Nebacetin“-Salbe, Fucidine“-Salbe) für ca. 5 Tage und dann weiter Verbandbehandlung (TG-Schlauchverband), bis zum Abschluss der Wundheilung. Bei allen subungualen Hämatomen, die auf ein stärkeres Trauma zurückzuführen sind, immer, wegen Fraktur- bzw. Fissurverdacht, ein
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14 Handchirurgie
Röntgenbild anfertigen. Funktion der Beuge- und Strecksehnen überprüfen!
14.5 Tiefe Verletzungen 14.5.1 Schnittverletzungen Definition Sie werden in erster Linie durch Schneidinstrumente oder Scherben verursacht. Im Gegensatz zu den schmutzigen Wunden (Riss-Quetschwunden) werden sie vielfach auch als saubere Wunden bezeichnet. Diese Bezeichnung ist im Hinblick auf die damit geforderte Noninfektion nicht gerechtfertigt. Funktionsprüfungen bei offenen Handverletzungen 1. Tiefe Beugesehnen: Grund- und Mittelphalanx fixieren und Endgelenk beugen lassen. Verletzung der tiefen Beugesehne bei Funktionsausfall der Beweglichkeit des Endgliedes. 2. Oberflächliche Beugesehnen: Flexion des verletzten Fingers im Mittelgelenk (Superfizialisfunktion) bei im Grundgelenk fixiertem Finger ist nicht möglich. 3. Strecksehnen: Überprüfung der Streckfunktion der einzelnen Gelenke bei Fixation der übrigen Gelenke. 4. Nervus medianus: Überprüfung der Sensibilität der Beugeseite des 1.⫺3. Fingers sowie der Radialhälfte des 4. Fingers sowie die Streckseite der Mittel- und Endglieder der ersten zweieinhalb Finger (Daumen, Zeigefinger, halber Mittelfinger). Überprüfung der Motorik: Abflachung der Daumenballenmuskulatur, keine Oppositionsstellung des Daumens möglich, Beugeunfähigkeit von Daumen und Zeigefinger. Beim Faustschluss bleiben die drei radialen Finger gestreckt (Schwurhand), Daumenopposition nicht möglich (Daumen-Kleinfinger-Probe). 5. Nervus ulnaris: Überprüfung der Sensibilität des 5. Fingers und der ulnaren Hälfte des 4. Fingers einschließlich der dorsalen und volaren Mittelhandanteile. Überprüfung der Motorik: Beim Ausfall ist eine sog. Krallenstellung am Ring- und kleinen Finger zu sehen durch Ausfall der musculi interossei und der beiden musculi lumbricales. Die Spreizfähigkeit
14.5 Tiefe Verletzungen
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der gestreckten Finger ist aufgehoben. Die Daumenadduktion ist ebenfalls aufgehoben. 6. Nervus radialis: Überprüfung der Sensibilität des Daumens (Streckseite) und der Mittelhand mit den Grundgliedern der radialen zweieinhalb Fingerstrahlen. Überprüfung der Motorik: Bei Ausfall kommt es zur Fallhand, da sämtliche Strecker mit Ausnahme der Strecker der Mittelglieder und der Endglieder, die durch die musculi interossei und lumbricales bewegt werden, ausgefallen sind. Therapie Am Anfang der Behandlung steht, wie bei allen tiefen Verletzungen, die Prüfung der Sensibilität und der Motorik; bei Verdacht auf Knochenläsion immer ein Röntgenbild in zwei Ebenen anfertigen. Stellt man keine Ausfallerscheinungen und Veränderungen im Röntgenbild fest, geht man zur Wundversorgung über: 1. 2. 3. 4.
Lokale Vorbereitungen zur Wundversorgung (s. Abschn. 14.2). Leitungsanästhesie (Xylocain“). Blutleere. Reinigung der Wunde durch mehrmaliges Spülen, z. B. mit physiologischer Kochsalzlösung. Wundrandexzision nach Friedrich, wenn nur die Haut durchtrennt ist; in allen anderen Fällen erfolgt die etagenweise Wundtoilette nach Lexer. Bevor man die Wunde schließt, immer nach Fremdkörpern in der Tiefe der Wunde suchen. Aber: Wundexzisionen an der Hand nur wenn unbedingt nötig (zerfetzte, nekrotische Ränder) und dann so sparsam wie möglich! 5. Atraumatische Naht. Bei Wunden, die die Beugefalten kreuzen, Z-Plastik durchführen. 6. Verband: steril, trocken und rutschfest (TG-Schlauchverband, Lohmann).
14.5.2 Riss-Quetschwunden Definition Sie werden auch als verschmutzte Wunden mit unregelmäßiger Randkonfiguration und lappenförmiger Begrenzung mit subkutanen Taschenbildungen bezeichnet (z. B. Maschinenverletzung). Der Epitheldefekt kann entweder relativ klein oder so groß sein, dass eine Hauttrans-
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14 Handchirurgie
plantation notwendig ist; auf Sehnen-, Nerven- und Knochenläsionen ist besonders zu achten (siehe Abschn. 14.10). Vorbemerkung zur Therapie Am Anfang steht hier die genaue Prüfung der Sensibilität, Motorik und der Durchblutung; in fast allen Fällen wird man ein Röntgenbild in zwei Ebenen machen lassen. In allen unübersichtlichen Fällen, bei denen eine primäre Sehnen- bzw. Nervennaht angebracht ist, können über eine Inzisionserweiterung Sehnen und Nerven in Blutleerung und Leitungsanästhesie freipräpariert werden. Die einzuschlagende Therapie ergibt sich aus dem immer vorher erhobenen Befund (Abb. 14-15).
Abb. 14-15 Einteilung der Riss-Quetschwunden. Zur Nomenklatur: Typ III und IV kommen immer in Kombination mit Typ I und II vor. Typ I: RissQuetschwunde ohne großen Epitheldefekt, ohne Sehnen-, Nerven und Knochenläsion. Typ II: Wunde mit großem Hautdefekt. Typ III: Sehnen- und Nervenläsion. Typ IV: offene Fraktur.
Therapie der Riss-Quetschwunden ohne großen Epitheldefekt (Typ I) 1. 2. 3. 4.
Lokale Vorbereitungen zur Wundversorgung (s. Abschn. 14.2). Leitungsanästhesie (Xylocain“). Blutsperre. Übersicht über die Ausdehnung der Wunde durch Wundrandspreizung mit Schere und feiner Pinzette verschaffen. 5. Friedrich’sche Wundexzision bzw. Wundtoilette nach Lexer (Exzision der gesamten Wunde und nicht nur des oberflächlichen Wundrandes). Sparsam exzidieren. 6. Wenn unklarer Befund, Schnitterweiterung zur Darstellung von Nerven, Gefäßen und Sehnen in Form einer Z-förmigen Schnitterweiterung oder durch Kantenschnitte am Finger im Sinn einer stufenförmigen Schnitterweiterung oder durch seitliche Hilfsschnitte an den Fingern. 7. Reinigung der Wunde durch mehrmaliges Spülen mit physiologicher Kochsalzlösung und mit Nebacetin“-Lösung.
14.6 Hauttransplantationen
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8. Vor dem Wundverschluss Suche nach Fremdkörpern; atraumatischer Wundverschluss nach Donati (s. Abschn. 18.6) oder durch einfache Wundrandadaptation. Bei der Adaptation der Wundränder darf unter keinen Umständen eine Spannung entstehen; eine Wundranddiastase von 1⫺2 mm ist durchaus erlaubt. 9. Verband (TG-Schlaucherband) anlegen, Salbenkompressen, z. B. Fucidine“ Gaze; Verbandswechsel zunächst täglich, bei reizloser Abheilung der Wunde dann in zweitägigen Abständen; Nahtmaterialentfernung bei Erwachsenen am 10.⫺12., bei Kindern am 8.⫺ 10. Tag. Nie einen Patienten entlassen, ohne eine entsprechende Tetanusprophylaxe durchgeführt zu haben. 10. Vermeidung von Narben und Kontrakturen besonders auf der Beugeseite der Hand: ⫺ Erweiterungs- und Hilfsschnitte vermeiden eine Spannung auf der Haut und vermeiden dadurch später die Narbenbildung. Diese Schnitte dürfen aber nicht über die Gelenkbeugefalten gehen. ⫺ Senkrecht über Gelenkbeugefalten verlaufende Wunden müssen durch eine Z-linienförmige Schnitterweiterung im Sinn einer ZPlastik versorgt werden, um spätere Kontrakturen zu vermeiden. 11. Wenn sich Narbenbildungen anbahnen, was man bereits wenige Wochen nach einer Wundversorgung an der Hand erkennen kann (2.⫺3. Woche nach der Wundversorgung) so kann zur Narbenprävention ab diesem Zeitpunkt Contractubex“ lokal zweimal am Tag und ein Kompressionsverband appliziert werden. Beachte: Das funktionelle Ergebnis einer verletzten Hand ist in erster Linie von der korrekten Erstversorgung abhängig. Therapie der Riss-Quetschwunden bei großem Epitheldefekt (Typ II⫺IV) Wenn der Epitheldefekt so groß ist, dass eine nahezu spannungsfreie Adaptation der Wundränder auch nach Mobilisation der Wundränder nicht möglich ist, muss dieser Defekt plastisch gedeckt werden.
14.6 Hauttransplantationen Einteilung In Abschn. 14.6 wird ein Überblick über die Hautschichten und über die Dicke von Hauttransplantaten gegeben. Man unterscheidet
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14 Handchirurgie
1. Freie Transplantate: Spalthaut-oder Vollhauttransplantate. Bei der Hohlhandhauttransplantation ist die widerstandsfähige Vollhaut geeigneter als die dünne Spalthaut. 2. Verschiebelappen: Sie enthalten alle Hautschichten (Epidermis, Corium, Subkutis). Sie benötigen eine optimale Blutversorgung, die über den Lappenstiel erfolgt. Sie sind bei freiliegenden Sehnen, Gefäßen, Nerven, Knochen und Gelenken indiziert. 3. Gestielte Hautlappen. Sie enthalten Haut und Unterhaut, die Blutversorgung muss über den erhaltenen Lappenstiel sichergestellt sein. Sobald die Vaskularisierung des Hautlappens auf seinem neuen Implantationsareal gewährleistet ist, kann die Gewebsbrücke durchtrennt werden. Dies ist meist nach 3 Wochen möglich. Man unterscheidet lokale, regional gestielte Hautlappen (z. B. Cross-Fingerplastik) oder Fernlappen (Leistenlappen, Thenarlappen, Insellappen, Unterarmlappen). Die Entnahmestelle wird entweder durch Mobilisation der Haut verschlossen oder durch ein Spalthauttransplantat abgedeckt. 4. Freie Hautlappen z. B. zur Defektdeckung an der Unterarmbeugeseite, in der Leiste, am Fußrücken oder am Schulterblatt. Solche Arterienlappen werden durch Arterien- und Venennaht an die Blutversorgung des Empfängerareals angeschlossen. Spenderbezirke sind z. B. Unterarmbeugeseite.
Lokalisation, Technik und morphologisches Bild von Hauttransplantationen a) freie Transplantate (autoplastische Transplantate) bei Weichteilverletzungen Epidermis Korium
Technik
Reverdin
√ √ ¬√
Indikation kleine Defekte an der Beuge- und Streckseite der Finger und der Hand
Wolf-Krause (Voll- Thiersch (Spalthauttransplantat) hauttransplantat)
Spalthauttransplantat unterschiedlicher Schichtdicke
größere Defekte an Hautersatz bei Fingern und Hand, großen Defekten Fingerkuppenver- an der Hand letzungen
Hautersatz bei großen Defekten an der Hand
√ ¬√
√ ¬√
¬√
14.6 Hauttransplantationen
393
b) gestielte, vaskularisierte Hautlappen; Knochen, Sehnen oder Nerven liegen über größeren Abschnitten frei Technik
Verschiebe- oder Schwenklappen
√ √ √ ¬√
Indikation sektorförmige Hautdefekte
Nahtstiellappenplastik als CrossFinger oder Fähnchenlappenplastik nach Villain
Verschiebe- oder Schwenklappenplastik nach Tranquilli-Leali-KutlerMethode
Fingerkuppenverletzungen
großflächige Verletzungen
¬√
¬√
14.6.1 Reverdin-Technik Definition Es handelt sich dabei um linsenförmige Hautstücke, die nur aus Epidermis bestehen mit einem relativ geringen Anteil von Korium (wird bei handchirurgischen Eingriffen nur selten verwendet). ⫺ Vorteil: Leicht durchführbare, einfache Technik. ⫺ Nachteil: Begrenzung in der Deckungsmöglichkeit. Durchführung 1. Entnahmestelle: Innenseite/Beugeseite des Oberschenkels und Innenseite des Oberarms. 2. Allgemeine Vorbereitungen zur Hautentnahme. 3. V-förmiges rautenförmiges Umspritzen des Entnahmebezirks. 4. Mit einem Einzinker-Hauthaken oder einer Nadel wird ein kegelförmiger Hautabschnitt angehoben und mit dem Skalpell oder der Schere durch Tangentialschnitt abgetragen (Abb. 14-16). 5. Sofortiges Auflegen dieser linsenförmigen, ca. 0,5 cm im Durchmesser großen Hautläppchen auf den Defekt (z. B. Fingerkuppe), so dass dieser anschließend fast völlig bedeckt ist. 6. Sorgfältiger Verband über das Transplantat: steril, trocken und rutschfest, wobei als unterste Schicht z. B. Fucidine“-Gaze aufgelegt wird. Verbandswechsel (z. B. Roll-Flex“ Fantasy-Verband) nach dem 10. Tag. 7. Entnahmestellen werden durch je eine atraumatische Naht verschlossen.
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14 Handchirurgie
Abb. 14-16 Technik zur Entnahme der Reverdin-Läppchen.
14.6.2 Wolf-Krause-Technik (Vollhauttransplantat) Wolf-Krause-Transplantate umfassen Epidermis und Korium, nicht aber das Fettgewebe. ⫺ Vorteil: Technik ohne große Schwierigkeiten, wenn alles subkutane Fettgewebe entfernt ist. ⫺ Nachteil: Unsichere Anheilung; immerhin hat dann der Hautlappen die Rolle eines provisorischen Verbandes gespielt und antiinfektiös gewirkt. Durchführung Zuerst bestimmt man die Größe des betreffenden Transplantats und markiert sich die entsprechende Entnahmestelle auf der Innenseite des Oberarms oder auf der Innen-/Beugeseite des Oberschenkels; Schablone anfertigen. Beachte: Entnahmestelle muss um 1/3 größer sein als der zu deckende Defekt, aufgrund der Schrumpfungstendenz des Transplantats. 1. Vorbereitungen zur Hautentnahme. 2. V-förmiges oder rautenförmiges Umspritzen des markierten Bezirks. 3. Anlegen eines ellipsenförmigen Hautschnitts und Abpräparieren an der Korium-Subkutisgrenze. Einlegen des Transplantats in physiologischer NaCl-Lösung oder Ringer-Lösung. 4. Primärer Wundverschluss der Entnahmestelle nach Mobilisation der auseinandergewichenen Wundränder spannungsfrei mit atraumatischer Nahttechnik (Ethicon Nahtmaterial). 5. Das Hauttransplantat wird nun mit der Hautoberfläche nach unten gelegt, so dass jetzt noch anhaftendes Fettgewebe mit dem Skalpell entfernt werden kann.
14.6 Hauttransplantationen
395
6. Zurechtschneiden des präparierten Hauttransplantats in der Größenordnung des Defektes nach der Wundschablone aus Papier. 7. Auflegen und Fixation des Transplantats in physiologischer Spannung an den angefrischten Wundrändern durch Einzelnähte mit atraumatischem Material (Prolene 4-0). 8. Anlegen des Verbandes, keinen Kompressionsverband über das Transplantat (zusätzliche Spannung und Zerrung). Der richtig angelegte Verband sieht folgendermaßen aus: ⫺ Über das Transplantat eine Gazeschicht, z. B. Fuzidine“ Gaze auflegen. ⫺ Steriler, angepasster TG-Schlauchverband (eine Lage). ⫺ Abschließend eine elastische, schmale Binde anlegen. Ruhigstellung (z. B. des Fingers) auf einer passenden Fingerschiene. In der täglichen Praxis kommt das Vollhauttransplantat am häufigsten zur Anwendung. Die Beherrschung dieser einfachen Technik ist Voraussetzung für die Behandlung von Riss-Quetschwunden mit großem Epitheldefekt.
14.6.3 Thiersch-Technik (Spalthauttransplantat) Spalthauttransplantate bestehen nur aus Epidermis ohne Drüsengewebe, Unterhautzell- und Fettgewebe. ⫺ Vorteil: günstige Anheilung. ⫺ Nachteil: starke Schrumpfungstendenz und Verfärbung der Plastiken; Entnahme- und Fixationstechnik verlangt Erfahrung auf dem Gebiet der plastischen Chirurgie. Durchführung 1. Entnahmestellen: Beugeseite und Innenseite des Oberschenkels, Innenseite des Oberarms. 2. Allgemeine Vorbereitungen zur Operation (Hautentnahme). 3. Vollnarkose. Entnahme erfolgt mit einem Dermatom in einer Schichtdicke von 0,05 mm. 4. Sofortiges Auflegen und Einnähen der gestichelten Hauttransplantate auf die defekte Stelle, dann Anlegen eines Kompressionsverbandes für 10 Tage. Dann erste Verbandswechsel. Will man eine Fixation der Transplantate im Defektbereich erzielen, so werden die ThierschTransplantate an den angefrischten Wundrändern angenäht. Großflächige transplantierte Flächen können auch offen behandelt wer-
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14 Handchirurgie
den. Dann müssen die Hauttransplantate mehrmals täglich mit nebacetingetränkten Watteträgern abgerollt werden. Dadurch wird Sekret zwischen den Inzisionsstellen des Transplantats ausgedrückt, so dass es nicht zu einer Abhebung des Transplantats von der Unterfläche kommen kann. Als Voraussetzung für ein gutes Anheilen der Transplantate gelten folgende Kriterien: Die Wundflächen dürfen nicht schmierig sein, das verwendete Hauttransplantat muss möglichst haarfrei sein, die Wunde muss gut gereinigt sein, Verbesserung der Vaskularisation durch niedermolekulares Heparin (z. B. Clexane“). 5. Die Entnahmestellen werden abgedeckt und steril über eine Salbenkompresse (z. B. Fucidine“-Gaze) verbunden. Das Transplantat muss durch einen Druckverband (z. B. Roll-Flex“ Fantasy-Verband) fest auf die Unterlage gepresst werden, da es sonst durch seröse Exsudation aus tieferen Gewebsabschnitten wieder von seiner Unterlage abgehoben werden kann.
14.7 Gestielte Plastiken 14.7.1 Einteilung Man unterscheidet hier 1. Nahstiellappenplastik 2. Verschiebelappenplastik 3. Fernstiellappenplastik Sie werden dann angewendet, wenn Knochen, Sehnen und Nerven frei liegen.
14.7.2 Cross-Finger-Plastik (Nahstiellappenplastik) Es handelt sich hierbei um eine Übertragung eines blutversorgten Hautlappens mit subkutanem Fettgewebe aus der Wundumgebung bei kleineren Substanzverlusten. Er wird zur Deckung von Fingerkuppenverletzungen und Hautdefekten der Finger verwendet. Durchführung 1. Lokale Vorbereitung zur Operation. 2. Leitungsanästhesie/Vollnarkose. 3. Blutleere.
14.7 Gestielte Plastiken
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Abb. 14-17 Technik der Cross-FingerPlastik. (a) Vorbereitete Entnahmestelle (Schnittführung!); (b) freipräparierter Hautlappen; (c) Anpassen des Hautlappens an den Empfängerfinger; (d) Fixation des präparierten gestielten Hautlappens durch atraumatische Naht an dem Empfängerfinger; (e) Querschnitt durch (d).
4. Exakte Exzision der Wunde und Entfernung von devitalisiertem Gewebe sowie Exstirpation von losen Knochenfragmenten. Freie Knochenränder müssen abgerundet werden. 5. Die Cross-Finger-Plastik beginnt damit, dass auf dem Rücken eines benachbarten Fingers ein Hautlappen so freipräpariert wird (Abb. 14-7), dass seine subkutane, fetthaltige Unterseite nach türflügelartigem Zurückklappen in den Defekt des Nachbarfingers eingeplanzt werden kann. Bei den Fingerkuppendefekten dient der Hautlappen am Rücken der Mittelphalanx des nächstliegenden Fingers als Spender. Für Daumenkuppenverletzungen dient die Haut der Mittelphalanx des 3. Fingers als Spender. 6. Die Basis des Lappens liegt der Seite des Empfängerfingers benachbart. 7. Der Lappen besteht aus Kutis und Subkutis; längs verlaufende Gefäße am Fingerrücken werden geschont.
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14 Handchirurgie
8. Der Empfängerfinger wird gleichsam in den Lappen gelegt, wobei der Lappen einen Hängematteneffekt zeigt. 9. Die Ränder des Lappens werden atraumatisch an den Empfängerfinger genäht. 10. Der Defekt am Spenderfinger wird mit Spalthauttransplantat gedeckt; anschließend wird ein TG-Schlauchmullverband-Verband angelegt. 11. Ruhigstellung in einem Gipsverband (z. B. Cellona Gips) für 21 Tage. 12. Frühestens am 21. Tag wird der Lappen durchtrennt und definitiv am Empfängerfinger eingepasst.
14.7.3 Verschiebeplastiken Wenn Epitheldefekte durch ⫺ Entlastungsschnitte (parallel zur Längsachse der Wunde in einigen Millimetern Abstand) oder ⫺ Mobilisation der Wundränder nicht zu decken sind, findet die Verschiebelappenplastik ihre Anwendung (Abb. 14-18). Diese Technik ist vor allem bei sektorförmigen Hautdefekten angezeigt: ⫺ Es wird ein V-förmiges Hautareal (Epidermis und Korium) inzidiert, der Lappen bleibt aber auf seiner subkutanen Unterlage liegen. ⫺ Nekrotisches Gewebe wird reseziert und der Knochen um Millimeter verkürzt, damit der unter dem resezierten Weichteilniveau zu liegen kommt. ⫺ Mit der Schere wird das dreieckig konfigurierte Gewebsareal vom Knochen en bloc mobilisiert, so dass die von proximal kommende Vaskularisierung erhalten bleibt. ⫺ Der so mobilisierte Tranquilli-Leali-Hautlappen wird dann, gefasst mit einem Einzinkerhaken, über die freiliegende Fingerkuppe gezogen, der Defekt dadurch gedeckt und der Verschiebelappen mit 5-0 Prolene an der Haut des Fingers angenäht. ⫺ Die V-förmige Spitze der Hautinzision kann dann nach Mobilisation der Haut mit Einzelnähten verschlossen werden. Der Lappen heilt nur dann störungsfrei ein, wenn er in allen seinen Anteilen einwandfrei durchblutet ist, spannungsfrei und frei von Infek-
14.7 Gestielte Plastiken
399
Abb. 14-18 (a) Die Technik der Tranquilli-Leali-Plastik. (b) Die Verschiebung zweier seitlicher V-förmiger Lappen nach Kutler zur Deckung von Fingerkuppendefekten. Diese doppelte Verschiebeplastik erfolgt von den seitlichen Partien des betroffenen Fingers. Technik: wie bei Abb. 14-18 beschrieben.
ten in seinem neuen Lager eingebettet und angenäht wird. Der durch die Verschiebung entstandene Defekt muss eventuell durch ein freies Transplantat gedeckt werden. Zur Vermeidung von Mikrozirkulationsstörungen und Wundheilungsstörungen ist die Applikation von niedermolekularem Heparin (z B. Clexane“ s.c.) empfehlenswert.
400
14 Handchirurgie
14.8 Sehnenverletzungen 14.8.1 Diagnose Wie schon zuvor erwähnt, hat bei tiefen Riss-Quetschwunden vor der Wundversorgung die Prüfung der Sensibilität und Motorik zu stehen. Diese Prüfung weist auf entsprechende Läsionen hin, die man aufgrund anatomischer und bewegungsphysiologischer Kenntnisse lokalisieren kann (Abb. 14⫺19).
Abb. 14-19 1. Sehne des M. extensor digitorum. 2. Sehne des M. extensor radialis. 3. Sehne des M. extensor carpi ulnaris 4. Sehne des M. flexor digitorum profundus. 5. Sehne des M. flexor digitorum superficialis. 6. Sehne des M. flexor carpi radialis. 7. Sehne des M. flexor carpi ulnaris. 8. Flächenförmige Sehne des M. interosseus palmaris und des M. lumbricalis.
14.8.2 Allgemeine Behandlungsgrundsätze bei Sehnendurchtrennungen 1. Bei allein Sehnenverletzungen, bei denen der proximale Stumpf retrahiert ist und durch einen zusätzlichen Schnitt aufgesucht werden muss, ist eine Vollnarkose durchzuführen, da nur dann eine völlige Entspannung der Muskulatur erreicht wird. 2. Es ist darauf zu achten, dass bei der Darstellung der Sehne das Paratenon, das für die Gleitfunktion der Sehne besonders wichtig ist, nicht lädiert und angefasst wird. 3. Um die Durchführung einer spannungsfreien Naht zu gewährleisten, wird das proximale Sehnenende gefasst, vorgezogen und mit einer Nadel, die man durch die Haut und die Sehne sticht, im Wundbereich dargestellt. Das vorher gefasste Ende der Sehne wird sparsam reseziert; ebenso verfährt man mit dem distalen Stumpf, soweit dies die anatomischen Verhältnisse gestatten, und legt dann die Sehnennaht
14.8 Sehnenverletzungen
401
(s. u.) an. Die Sehne selbst wird nur mit dem behandschuhten, feuchten Finger angefasst (niemals mit Instrumenten!). 4. Primär werden alle Strecksehnenrisse, auch bei verschmutzten Wunden, sowie alle Beugesehnenverletzungen genäht, mit Ausnahme derer, die bei verschmutzten Wunden vorkommen. Die „Niemandslandregelung“ ist weitestgehend verlassen worden. Darunter verstand man: keine primäre Beugesehnennaht im Niemandsland. Unter Niemandsland (Abb. 14-20) versteht man einen Abschnitt, in dem oberflächliche und tiefe Beugesehnen in der Sehnenscheide verlaufen, d. h. von der distalen, queren Beugefalte der Vola manus bis in die Höhe der Mittelgelenke der Finger. Hier verlaufen die beiden Beugesehnen in einem engen fibrösen Kanal dicht beieinander. Im Falle einer Primärnaht besteht die Gefahr der Verwachsungen der Sehnen untereinander. Eine Primärnaht der Beugesehne im Niemandsland wird heute durchgeführt, aber nur vom Spezialisten, nur mit absolut atraumatischer Nahttechnik und mit spezieller Nachbehandlung nach Kleinert (dynamische Fixierung ⫺ Gummizug ⫺ in Beugestellung, Abb. 14-21) mit aktiven Streckübungen ohne Belastung der Beugesehnen zur Vermeidung von Verwachsungen. 5. Bei jeder Wundinspektion ist auf Verletzungen des Sehnenhäubchens über dem Grundgelenk zu achten. Bleiben derartige Verletzungen unversorgt, so führt dies zur Luxation der Strecksehne zur kontralateralen Seite und somit zu einer Störung der Greiffunktion. 6. Bei der Rekonstruktion von Sehnen sind drei Punkte wichtig: Erhaltung und atraumatische Handhabung des Sehnengleitfähigkeitsla-
Abb. 14-20 Niemandsland.
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14 Handchirurgie
Abb. 14-21 Dynamische Fixierung nach Kleinert mit Beugung im Handgelenksbereich von 40⫺60∞, in den Fingergelenken von 30⫺40∞ und Stabilisierung in dieser Position durch einen Gips- oder Scotchcast-Verband.
gers, Readaptation der Sehnenstümpfe und Erhaltung der Sehnenvinculae, über die die Sehnenernährung zum größten Teil erfolgt. Besonders zu beachten: 1. Die Heilungstendenz der Strecksehen ist deutlich besser als die von Beugesehnen. 2. Bei Durchtrennung des Tractus intermedius bei Strecksehnen im Bereich des Mittelgelenks kann es zu einem Abrutschen der seitlichen Sehnenzügel nach palmar kommen mit Beugung der Finger im Mittelgelenk und Überstreckung im Endgelenk: KnopflochDeformität bzw. Boutonniere-Deformität. In diesen Fällen: Naht des Strecksehnenzügels. Somit ergibt sich ein einfacher Behandlungsgrundsatz: Sekundär werden nur genäht oder durch Transplantation rekonstruiert: ⫺ Beugesehnenläsionen im Bereich des Niemandslandes bei ungünstigen Wundverhältnissen (prognostisch ungünstige Verletzung). ⫺ Beugesehnenverletzungen bei offenen Frakturen. ⫺ Alle Beugesehnenverletzungen bei verschmutzten Wunden. ⫺ Eine saubere Wunde ist Voraussetzung für die Primärnaht der Beugesehnen außerhalb des Niemandslandes. Ein Schema zur Veranschaulichung der Primär- und Sekundärnaht, wobei die Pfeile bei L1, L2 usw. die im entsprechenden Bereich lokalisierte Sehnenläsion markieren, gibt Abb. 14-22.
14.8 Sehnenverletzungen
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Abb. 14-22 Indikation für primäre oder sekundäre Sehnennaht über den betreffenden Sehnenabschnitten.
14.8.3 Übersicht über die Operationstechnik bei Sehnendurchtrennung Im Folgenden werden zunächst überblickmäßig und dann im Einzelnen die verschiedenen, je nach Lokalisation unterschiedlichen Techniken der Sehnennaht geschildert (Abb. 14-24).
14.8.4 Operationstechnik bei Strecksehnendurchtrennung Besonders zu beachten: Alle offenen Strecksehnenverletzungen werden primär operativ versorgt. Verwendetes Nahtmaterial ist PDS (monofil, resorbierbar), Prolene (monofil, nicht resorbierbar) oder Ethibond (geflochten, nicht resorbierbar), oder Stahldraht in den Stärken 4-0 bis 7-0 (Ethicon). L1-Läsionen Es handelt sich dabei um eine offene oder geschlossene Durchtrennung oder um einen knöchernen Ausriss der Sehne über der Endgliedbasis, wobei das Endglied nicht gestreckt werden kann. Eine primäre Sehnennaht mit feinem Stahldraht ist bei offenen Verletzungen angezeigt; gleichzeitig werden eine entlastende Drahtnaht nach
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14 Handchirurgie
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Abb. 14-23 Formen der Sehnennaht. 1: Schnürsenkelnaht nach Bunnell; 2: Durchflechtungsnaht nach Pulvertaft; 3: Kirchmayr-Kessler-Naht; 4: transossäre Ausziehnaht (Lengemann-Drahtnaht) (aus: Pschyrembel“, Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter, Berlin, 2005).
Lengemann (Abb. 14-23) und eine temporäre Kirschner-Drahtarthrodese durchgeführt. Bei geschlossenen Rupturen innerhalb von 4 Tagen Anlegen einer Stack’schen Schiene (oder dachziegelartiger Pflasterverband). Bei Rupturen, die länger als 4 Tage zurückliegen: Sehnennaht durchführen. Behandlungsgrundsatz: ⫺ Ruhigstellung des betreffenden Fingers in leichter Hyperextensionsstellung und nicht in einer Streckstellung. ⫺ Dauer 6 Wochen. ⫺ Immobilisation in Stack’scher Schiene. ⫺ Fixation dieser Schiene, rutschfest mit Master-Aid“-Pflaster. ⫺ Fehlt die Hyperextension, dann heilt die Sehne in Überlänge aus, und eine Streckung ist nicht möglich. Führt die Ruhigstellung nach 6 Wochen nicht zum erwünschten Ziel, da die Sehne in Überlänge ausheilt, oder liegt die Ruptur länger als 4 Tage zurück, so wird zu
14.8 Sehnenverletzungen
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Abb. 14-24 Veranschaulichung der verschiedenen Operationstechniken bei Sehnenläsionen unterschiedlicher Lokalisation.
diesem späteren Zeitpunkt eine sekundäre Sehnennaht nach Pulvertaft (Abb. 14-23) oder Georg mit Raffung der Sehne durchgeführt. L2-/L3-/L4-Läsion Es handelt sich dabei um Sehnenverletzungen über dem Mittel- und Grundglied sowie über den Handrücken. Bei L3-Läsionen entsteht das typische Bild des Knopflochphänomens (button-hole oder Boutonnie`re deformity). Behandlungsgrundsatz (Abb. 14-24): ⫺ Primäre Sehnennaht. ⫺ U-Naht oder Vierecknaht, fortlaufende Naht nach Wilhelm. ⫺ Ruhigstellung auf einer Aluminiumschiene und Gipsverband, der bis zum Unterarm reicht. ⫺ Dauer: 6 Wochen.
14.8.5 Operationstechnik bei Beugesehnendurchtrennung Besonders zu beachten: 1. Diagnostik der tiefen Beugesehenverletzung: keine Beugung im Endgelenk. 2. Diagnostik der oberflächlichen und tiefen Beugesehnenverletzung: keine Beugung im Mittel- und Endgelenk.
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14 Handchirurgie
3. Diagnostik der oberflächlichen Beugesehne: keine Beugung im Mittelgelenk bzw. keine aktive Beugung des Fingers bei Streckung der übrigen Finger möglich. 4. Um eine Reanastomosierung möglich zu machen, muss der retrahierte proximale Stumpf der Beugesehne aufgesucht werden. Hierzu werden Zick-Zack-Schnitte zur Schnitterweiterung oder WInzisionen unter Einbeziehung der ursprünglichen Wunde angelegt. 5. Bei sauberen Wundverhältnissen sind im Gegensatz zu früheren Ansichten Sehnennähte im sog. Niemandsland erlaubt. 6. Ringbänder sollten erhalten bleiben, sonst kann ein sog. „Bogensehnenphänomen“ entstehen. 7. Nahttechniken: Kirchmayr-Kessler (Nahttechnik der Wahl). Modifizierung nach Zechner, Bunnell und Kleinert. 8. Alle Patienten mit Sehnenrekonstruktionen sollen eine dynamische Kleinert’sche Nachbehandlung erhalten. L1-Läsion Es handelt sich dabei um Beugesehnenverletzungen im Bereich des Endgliedes. Bei dieser isolierten Durchtrennung der tiefen Beugesehne ist das distale Ende meist so kurz, dass eine Adaptationsnaht nicht möglich ist. Man verwendet daher die transphalangeale und transunguale Reinsertion nach Sterling-Bunnell, bzw. das transossäre Reinsertionsverfahren nach Planas oder Lengemann. 1. Versuch, den proximalen Abschnitt der tiefen Beugesehne von der Wunde her aufzufinden; gelingt dies nicht, erweitert man die Wunde nach proximal, bis der Stumpf gefasst und vorgezogen werden kann. 2. Lässt sich die Sehne mobilisieren, wird der Ansatz der Sehne an der Endphalanx exzidiert, die Endphalanx selbst und der Nagel mit einem Pfriem schräg durchbohrt (Abb. 14-25). 3. Dann wird am distalen Ende der Sehne ein Entspannungsdraht nach Bunnell mit oder ohne Ausziehdraht angebracht und der Entspannungsdraht durch den Bohrkanal über einen Knopf am Nagel geknotet (Abb. 14-25). Die Sehne muss dabei auf der Volarseite dem Knochen fest aufliegen. 4. Ruhigstellung im Kleinert-Gips (Abb. 14-21) und frühzeitige aktive Streckübungen. Beachte: Ist dieses Verfahren nicht möglich, wenn zum Beispiel der proximale Anteil nicht bis zur Endgliedbasis vorgezogen werden
14.8 Sehnenverletzungen
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Abb. 14-25 Technik des transphalangealen-transungualen Verfahrens nach Sterling-Bunnell bei Beugesehnendruchtrennung im Bereich des Endgliedes.
kann, führt man entweder eine Tenodese in der Mitte der Mittelphalanx in Beugestellung von 30∞ durch, die zu guten Ergebnissen führt, oder strebt eine direkte Sehnennaht zwischen dem proximalen und dem relativ langen distalen Sehnensegment (falls vorhanden) an. Diese Methode der Tenodese kann mit einer temporären Arthrodese kombiniert werden, wobei ein von der Fingerspitze her eingebohrter Kirschner-Draht für die Dauer von 3 Wochen für Immobilisation im distalen Interphalangealgelenk sorgt.
L2/L3/L4-Läsion Innerhalb der Sehnenscheide verletzte Beugesehnen sollten früher im Allgemeinen unangetastet bleiben. Handchirurgische Spezialisten empfehlen und führen die primäre Beugesehnenrekonstruktion auch im sog. „Niemandsland“ unter mikrochirurgischen, speziellen handchirurgischen Voraussetzungen durch. Beugesehnendurchtrennungen außerhalb der Sehnenscheiden werden ebenfalls primär rekonstruiert, im Hohlhandund Unterarmbereich vereint man die Sehnenstümpfe nach der Technik nach Dychno-Bunnell bzw. Bunnell, nach Kirchmayr-Kessler, nach Zechner und nach der Nahttechnik nach Kleinert. OP-Techniken im Einzelnen: 1. Technik der verlorenen, durchflechtenden End-zu-End-Naht mit Stahldraht oder nicht resorbierbarem, monofilem Faden nach Dychno-Bunnell. Zunächst wird man, nachdem beide Sehnenenden dargestellt sind, für eine glattrandige Begrenzung der Enden sorgen. Dann legt man, nachdem die Sehnenränder gut adaptiert wurden,
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14 Handchirurgie
Abb. 14-26 Sehnennaht nach Bunnell ohne Ausziehdraht (Achternaht). Atraumatische Drahtnähte 5-0 und 7-0.
Abb. 14-27 Versenkte Beugesehnennaht nach Dychno-Bunnell (durchflechtende Naht).
die Sehnennaht an (Abb. 14-26 und 14-27). Der Adaptationsvorgang wird durch Beugung des Fingers bzw. der Hand und Persistieren in dieser Stellung erleichtert und gewährleistet. 2. Technik nach Bunnell mit „pull-out“-Faden. Diese Methode mit „pull-out“-Faden eignet sich dann sehr gut, wenn die Sehne an einem Knochen fixiert werden muss (Ab. 14-28). Diese Technik hat den Vorteil, dass kein Nahtmaterial im Bereich der Nahtstelle zurückbleibt. Ruhigstellung auf dorsaler Gipsschiene in leicht gebeugtem Handgelenk und Funktionsstellung der Finger für 21 Tage, um die Naht zu entlasten. Dann zuerst den Knopf (A)
14.8 Sehnenverletzungen
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Abb. 14-28 Sehnennaht nach Bunnell mit Ausziehdraht.
entfernen und Drahtmaterial durch den Ausziehdraht (B) entfernen. Bewegungsübungen nach 3 Wochen. 3. Sehnennaht nach Kleinert (Abb. 14-29). Vorteile: ⫺ Der Knoten ist versenkt. ⫺ Die Naht zieht nicht durch das für die Blutversorgung notwendige Zentrum der Sehne. Dies wird als Nachteil der Bunnell-Naht angesehen. Die Sehnenoberfläche (das Epitenon) kann zusätzlich mit 7/0-Einzelknopfnähten adaptiert werden.
Abb. 14-29 Sehnennaht nach Kleinert.
Anmerkung: ⫺ Alle Strecksehnennähte werden 6 Wochen ruhiggestellt. ⫺ Alle Beugesehnennähte sowie Nähte der Extensorsehne des Daumens werden 3 Wochen ruhiggestellt. ⫺ Alle Sehnenläsionen, bei denen ein großer Teil der Sehne verletzt ist und bei denen eine Adaptation nicht möglich ist, werden sekundär durch Sehnenplastiken überbrückt. Einzelheiten siehe Plastische Chirurgie und Handchirurgie.
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14 Handchirurgie
14.9 Offene Nervenverletzungen 14.9.1 Allgemeine Vorbemerkung Bei jeder Wunde im Bereich der Hand und der Finger ist, wie schon wiederholt erwähnt, vor der Wundversorgung eine genaue Überprüfung der Sensibilität und Motorik angezeigt. Sie setzt die genaue Kenntnis der Innervationsgebiete der drei Handnerven (Radialis, Ulnaris, Medianus) voraus. Bei Medianusverletzungen muss die Daumenopposition geprüft werden, nicht die Adduktion, da der Adductor pollicis teilweise vom Nervus ulnaris versorgt wird.
14.9.2 Allgemeine Behandlungsrichtlinien Ursache von Nervenverletzungen sind Schnittverletzungen im Bereich des Handgelenks, wo der Nervus medianus und der Nervus ulnaris relativ oberflächlich liegen. Bei der partiellen oder kompletten Durchtrennung eines Nerven sollte die primäre Nervennaht durchgeführt werden. Als Nahtmaterial Ethilon 10-0 mit BV-2 Nadel verwenden. Wenn Nervennähte unter Spannung stehen, sollte die Rekonstruktion mit einem autologen Transplantat erfolgen. Die Wiederherstellung durchtrennter Nerven wird am zweckmäßigsten mit Lupenbrille oder mit dem Operationsmikroskop durchgeführt (Samii). Beachte: Bei Fingeramputationen ist darauf zu achten, dass die Nervenenden nicht im Bereich der Amputationsnarbe zu liegen kommen. Nerven müssen vorgezogen und scharf bzw. mit dem Laser (Nd:YAGLaser, 1064 nm) abgetrennt werden, so dass sie sich in die Weichteile zurückziehen können. Andernfalls kann es zu sehr berührungsempfindlichen Neuromen kommen.
14.9.3 Technik der primären Nervennaht (mikrochirurgische Nervennaht) 1. 2. 3. 4.
Allgemeine Vorbereitungen zur Operation (s. Abschn. 14.2). Blutleere. Allgemeinnarkose, Operationsmikroskop. Darstellung der Nervenenden, Mobilisiation der Nerven nach proximal und distal, Stümpfe anfrischen. 5. Die Nervennaht erfolgt unter dem Operationsmikroskop. Nerven nur am Neurilemm mit feinster Pinzette fassen; am proximalen und dista-
14.9 Offene Nervenverletzungen
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8. 9.
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len Ende zwei Richtungsfäden durch das Neurilemm legen, um anschließend bei der Naht eine Torsion der Nervenbündel zu vermeiden. Anfrischen der Nervenenden bei totaler Durchtrennung mit einem scharfen queren Schnitt (nicht mit der Schere, sondern mit dem Skalpell, um Quetschungen zu vermeiden). Die Resektion der Stümpfe erfolgt bis in den gesunden Abschnitt; Kriterien dafür sind bei frischen Verletzungen und primärer Naht der gesund aussehende Nervenquerschnitt und bei Sekundärnähten jene Stellen, die frei von narbigen Indurationen sind. Es gibt verschiedene Nahttechniken: ⫺ Perineurale Naht. Hierbei werden mehrere korrespondierende Faszikel mit Nähten, die das Perineurium erfassen miteinander adaptiert. Der Vorteil dieser Naht ist eine exakte Adaptation korrespondierender Faszikelgruppen. Der Nachteil besteht in dem größeren präparativen Aufwand. ⫺ Epineurale Naht. Hierbei wird nur das periphere Epineurium genäht. Der Vorteil hierbei liegt in dem geringeren Präparationstrauma, der Nachteil, dass bei polyfaszikulären Nerven die Faszikelquerschnitte unzureichend aufeinander kommen. ⫺ Faszikuläre Naht. Hierbei erfolgt eine Naht zwischen korrespondierenden Faszikelbündeln ohne Naht des Perineuriums. Dadurch ist eine exakte Adaptation der Faszikelquerschnitte möglich. Abschließend kann dann eine epineurale Feinadaptation durchgeführt werden. Naht des Neurilemms und nicht der Nerven selbst. Für die Qualität der Regeneration ist die genaue Adaptation der Stümpfe wichtig. Jede Spannung ist zu vermeiden, da sonst mit einer intraneuralen Fibrose gerechnet werden muss. Nadel: halbrund, atraumatisch. Nahtmaterial: Ethilon 10⫺0, Nadel: BV-2, halbrund, atraumatisch. Zunächst legt man zwei U-Nähte, anschließend Knopfnähte. Fixation und Ruhigstellung des Fingers bzw. der Hand in Funktionsstellung bzw. in Entspannungshaltung für 3 Wochen in einem Gipsverband oder auf einer Gipsschiene (Cellona).
Beachte: Geschwindigkeit der Nervenregeneration im Durchschnitt bei Erwachsenen 1⫺2 mm pro Tag.
14.9.4 Nachbehandlung Zur Verhinderung der Muskelatrophie wird nach der Wundheilung eine ausgiebige aktive Bewegungstherapie durchgeführt. Immer sind die Ge-
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14 Handchirurgie
lenke, die proximal von der Verletzungsstelle liegen (z. B. Ellenbogengelenk, Schultergelenk) durch vorsichtige Übungen beweglich zu halten. Der zunächst denervierte Muskel ist dabei vor Überdehnung zu schützen. Die Regenerationsdauer richtet sich nach der Lokalisation der Durchtrennungsstelle und ist somit der Länge des peripheren regenerationsbedürftigen Nervenabschnitts proportional. Sie dauert also oft einige Monate. Die funktionelle Regeneration wird allerdings erst nach Jahren erreicht. Wichtig sind elektrophysikalische Nachbehandlung und Bewegungstherapie.
14.9.5 Anmerkung Bei geschlossenen Verletzungen wird eine Freilegung der Nerven dann vorgenommen, wenn Zeichen der Regeneration des geschädigten Nerven ausbleiben.
14.10 Fingeramputationen 14.10.1 Indikation Die Indikation zu einer Fingeramputation ist gegeben, wenn 1. bereits eine traumatische Amputation erfolgt ist (Replantationsmöglichkeit überprüfen); 2. eine ausgedehnte Traumatisierung vorliegt, die gleichzeitig mit Knochen-, Sehnen- und Nervenläsionen einhergeht; häufig sind die Fingerarterien durch große Weichteildefekte in Mitleidenschaft gezogen (Zerstörung beider Beugesehnen und beider Gefäßnervenbündel). Indikationen zur Replantation sind, wenn mikrochirurgische Techniken einsetzbar sind, die eine Wiederherstellung der arteriellen und venösen Zirkulation ermöglichen: Amputationen mehrerer Langfinger, Amputationen des Daumens, Amputationen von Hand und Mittelhand. Voraussetzungen für eine Replantation sind eine adäquate Erstversorgung. Der Amputationsstumpf soll mit einem Druckverband versorgt werden. Das Anlegen von Gefäßklemmen und sonstigen Instrumenten ist kontraindiziert. Das Amputat soll dem Patienten mitgegeben werden in einem Amputatbeutel. Dieser Beutel besteht aus zwei Schichten. In dem inneren Beutel liegt das Amputat. Zwischen innerem und äußerem Beutel ist schmelzendes Eis in Eiswasser. Das Amputat kommt hierbei mit dem Eiswasser nicht in Berührung.
14.10 Fingeramputationen
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14.10.2 Allgemeine Behandlungsgrundsätze 1. Die primäre Versorgung der verletzten Hand bzw. der Finger soll zum Ziel haben, im Hinblick auf die Tast- und Greiffunktion der Hand soviel wie möglich zu erhalten. Störende Teile können bei einer sekundären Operation entfernt werden. Jede Amputation muss so durchgeführt werden, dass der Stumpf gut gedeckt, beweglich, so lang wie möglich und sensibel versorgt ist. 2. Beim Daumen, als dem wichtigsten Finger der Hand, sollte möglichst viel erhalten werden und Epitheldefekte weitestgehend plastisch gedeckt werden. 3. Bei Läsion der Finger II, III, IV im Bereich der Endphalanx und notwendiger Endphalanxamputation muss immer versucht werden, die Basis der Insertion des M. flexor dig. prof. zu erhalten (dadurch ist die wichtige Flexion des Amputationsstumpfes gesichert), es sei denn, auch die Flexorsehne ist in diesem Bereich lädiert. Vorzugshöhe für Amputationen dieser Finger in allen übrigen Fällen ist die Basis der Grundphalanx. Bei Amputationen zwischen dieser und oben genannten Höhe ist die Länge des Amputationsstumpfes nicht von Wichtigkeit. Entscheidend ist die Schaffung eines Stumpfes mit Sensibilität. Zu beachten ist, dass die Basis der Grundphalanx in allen Fällen erhalten werden soll, um so die Integrität der Stützfläche der Hand und der Zwischenfingerfalten zu erhalten. 4. Bei traumatischen Amputationen am Finger V wird soviel vom Knochen reseziert, dass eine spannungsfreie Deckung des Epitheldefekes möglich ist. 5. Alle durchtrennten Sehnen müssen dargestellt werden, indem die betreffende Sehne vorgezogen und, um Verwachsungen zu vermeiden, gekürzt wird. Durchtrennte Nerven werden ebenfalls vorgezogen und mit dem Skalpell bzw. mit dem Laser so reseziert, dass sie 10 mm proximal von der Absetzungslinie in das subkutane Fettgewebe zu liegen kommen und somit einer Neurombildung keinen Vorschub leisten.
14.10.3 Operationstechnik 1. 2. 3. 4.
Allgemeine Vorbereitungen zur Operation (s. Abschn. 14.2). Vollnarkose. Blutsperre. Devitalisiertes Gewebe exzidieren; blutende Gefäße ligieren bzw. koagulieren. Durchtrennte Nerven und Sehnen, wie oben beschrieben, kürzen.
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14 Handchirurgie
Abb. 14-30 Versorgung eines durch traumatische Amputation verletzten Fingers durch Phalanxköpfchenresektion, volaren Hautlappen und spannungsfreie Naht (schraffierter Knochenabschnitt wird reseziert).
5. Vom Knochen wird nur soviel reseziert, wie für die Durchführung einer spannungsfreien Naht notwendig ist. Zuvor wird der Knochenstumpf von den ihn umgebenden Weichteilen befreit und anschließend mit einer oszillierenden Säge oder einer Luer-Zange gekürzt, um Splitterbildung zu vermeiden. Zum Schluss wird eine Glättung der scharfen Knochenränder mit einer Feile durchgeführt. Bei allen traumatischen Amputationen durch das Gelenk wird das Phalanxköpfchen reseziert, damit der Stumpf keine kolbige Auftreibung annimmt (Abb. 14-30). 6. Anschließend Deckung der Wunde mit einem volar gestielten Hautlappen. Der klassische Hautlappen reicht von volar nach dorsal mit dorsaler Naht. Es ist wichtig, eine Stumpfdeckung mit Sensibilität zu erzielen. Oft gelingt durch Improvisation unter minimaler Knochenkürzung (wichtig bei traumatischer Amputation des Daumens und der Endphalanx II, III, IV) eine spannungsfreie Naht. 7. Liegt kein Hautlappen vor, muss man eine Plastik oder Transplantation vornehmen. ⫺ Wenn der Knochen freiliegt: gestielter Lappen (Cross-Finger-Lappen des benachbarten Fingers) oder Verschiebelappen (Visierlappen, Tranquilli-Leali, Kutler). ⫺ Wenn der Knochen gedeckt ist: Spalthauttransplantat, Vollhauttransplantat. 8. Bürzelförmig vorspringende Wundwinkel und Hautfalten werden, indem man sie mit einem Einzinkerhauthaken vorzieht, mit einer geraden Schere gekürzt. Dann erfolgt die Hautnaht. Bei der Naht der Haut im Bereich der Finger dürfen keine Spannungen entstehen, was sich durch eine weißliche Verfärbung der Wundränder ankündigt. Eine Wunddiasstase von einigen Millimetern ist durchaus vertretbar. Hautnaht mit 5-0 Prolene. 9. Ruhigstellung des Fingers auf einer Schiene für 10⫺14 Tage.
14.11 Fingerkuppenverletzungen
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14.11 Fingerkuppenverletzungen 14.11.1 Einteilung Fingerkuppenverletzungen stellen die häufigsten offenen Verletzungen an der Hand dar. Man teilt sie ein in: Typ-I-Fingerkuppenverletzungen: nur Weichteilläsion (oberflächlich), Typ-II-Fingerkuppenverletzungen: mit Knochenfreilegung (tief).
14.11.2 Therapeutisches Vorgehen Typ I (oberflächliche Läsion) 1. Wundreinigung; vorsichtig, wenig tupfen, nur mit feuchten Tupfern; Desinfektion. 2. Leitungsanästhesie (Xylocain“). 3. Blutsperre. 4. Ganz sparsames Anfrischen der Wundränder! Bei Epitheldefekten kann man entweder granulationsfördernde Salben mit Fucidine“Gaze verwenden (z. B. Bepanthen“) oder aber (bei größeren Defekten) eine plastische Deckung vornehmen. Vorteil: idealer Infektionsschutz, kürzere Heilungsdauer. 5. Bei subtotaler Amputation wird die Hautkuppe durch einige lockere, atraumatische Nähte (6-0 Prolene) fixiert. Bei totaler Amputation kann, wenn die Operation unmittelbar an das Unfallereignis angeschlossen wird, eine Fixation der Fingerkuppe, die vorher in Nebacetin“-Lösung und Low dose Heparinlösung (Clexane“) gelegt wurde, durchgeführt werden. Gute Ergebnisse bei Kindern. Heilt die Fingerkuppe nicht an, sondern wird sie als Nekrose abgestoßen, so lässt man die Wunde granulieren und epithelisieren oder trägt die Nekrose ab und führt eine Hautplastik durch. 6. Ruhigstellung (für 8⫺10 Tage) auf einer über das Endglied reichenden Aluminiumschiene, die in proximaler Richtung bis über das Handgelenk reicht.
14.11.3 Therapeutisches Vorgehen Typ II (tiefe Läsion) 1. 2. 3. 4.
Allgemeine Vorbereitungen zur Operation (s. Abschn. 14.2). Desinfektion. Blutsperre. Ganz sparsames Anfrischen der Wundränder.
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5. Hautdefektdeckung mit einer Plastik, wenn der Knochen frei liegt, aber nicht verletzt ist: ⫺ bei kleineren Defekten: Vollhauttransplantat, ⫺ bei mittleren Defekten: Cross-Finger-Plastik, ⫺ bei großen Defekten: gestielter Lappen oder Verschiebelappen. 6. Nachamputation bei mehr oder weniger großer Knochenläsion unter Schonung der Basis der Endphalanx und der Beugesehnenansatzstelle. Deckung des Defektes durch Adaptation der Wundränder. 7. Verband mit z. B. Fucidine“-Gaze, auf die Wunde, damit keine Verklebungen des Verbandstoffs mit der Wunde entstehen. Der Verband muss steril, trocken und rutschfest sein (Roll-Flex“ Fantasy-Verband). 8. Ruhigstellung für 8⫺10 Tage auf einer nach proximal über das Handgelenk reichenden Aluminiumschiene, die distal bogenförmig die Fingerkuppe schützt. Fäden am 12. Tag entfernen. Bei CrossFinger-Plastik erfolgt nach 21 Tagen die Lappenstieldurchtrennung und endgültige Deckung des Defektes.
14.12 Frakturen im Bereich der Hand 14.12.1 Allgemeine Vorbemerkung (Abb. 14-31) Frakturen der Hand werden in der Mehrzahl der Fälle konservativ behandelt. Indikation zum operativen Vorgehen: 1. Offene Frakturen (Kirschner-Drahtfixation). 2. Frakturen der Mittelhandknochen (selektive Indikation). 3. Gelenkbrüche; hier ist vor allem an den Scharniergelenken eine besonders subtile Wiederherstellung der Gelenkrollen wichtig. 4. Bennet’sche Fraktur: Stabilisation mit Kirschner-Drähten; bei großen Fragmenten Fixation mit einer Schraube. Im Folgenden sollen lediglich die Indikationen zu den jeweiligen Verfahren angegeben werden.
Abb. 14-31 Ossa carpi (Mittelhandknochen): rechte Hand, Dorsalansicht; 1: Os trapezium; 2: Os trapezoideum; 3: Os capitatum; 4: Os hamatum; 5: Os scaphoideum; 6: Os lunatum; 7: Os triquetrum; 8: Os pisiforme (aus: Pschyrembel“, Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter, Berlin, 2005).
14.12 Frakturen im Bereich der Hand
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14.12.2 Behandlung der Navikulare-Fraktur Die Diagnostik der Navikulare-Fraktur aus dem Röntgenbild ist nicht immer einfach, da selten Dislokationen vorhanden sind und der Frakturspalt vom Röntgenstrahl nicht axial getroffen wird. Man muss in solchen Fällen immer eine Navikulare-Serienaufnahme machen bzw. eine Kernspintomographie durchführen. Bei unsicherer Diagnose: ⫺ Für 2⫺3 Wochen einen Gipsverband in Funktionsstellung der Hand (Navikulare-Gipsverband bis zum Oberarm reichend mit Daumeneinschluss). Danach gipsfreie Röntgenkontrolle; Grund: In der Zwischenzeit haben resorptive Vorgänge eingesetzt, so dass jetzt die Fraktur im Röntgenbild oder CT-Bild erkannt werden kann. ⫺ Liegt tatsächlich keine Fraktur vor, muss eine Distorsion angenommen werden; so kann je nach klinischem Bild die Hand freigegeben oder für 14 Tage erneut ein Navikulare-Gipsverband angelegt werden. Bei sicherer Diagnose (Fraktur) geht man wie folgt vor: Ruhigstellung der Hand durch einen Oberarm-Navikulare-Gipsverband (Cellona) für 8⫺10 Wochen (Abb. 14-32). Nach diesem Zeitpunkt wird eine gipsfreie Röntgenkontrolle durchgeführt, um die Ausheilung der Fraktur beurteilen zu können. Frakturen durch das proximale Drittel des Os naviculare brauchen erfahrungsgemäß eine Ruhigstellung von 10⫺12 Wochen. Es ist auf eine absolute Ruhigstellung zu achten, um eine Instabilitätspseudoarthrose zu vermeiden. Eine Alternative zur konservativen Behandlung ist die operative Therapie: Stabilisierung der Fraktur in Narkose mit speziellen Schrauben mit einem Doppelgewinde zur Erzielung einer interfragmentären Kompression (Herbert Schraube). Bei Pseudarthrosen wird diese OP-Technik mit Span- oder Ostim“ interposition durchgeführt.
Abb. 14-32 Gips bei Frakturen der Handwurzelknochen, sog. NavikulareGips mit Cellona-Gipsverband.
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14 Handchirurgie
Komplikationsmöglichkeiten der Naviukulare-Frakturen: 1. Instabilitätspseudoarthrose wird durch absolute Ruhigstellung (Navikulare-Gips) vermieden. 2. Nekrose (besonders bei Frakturen des proximalen Drittels) wird durch Schraubenosteosynthese vermieden. 3. Arthrose im radialen Bereich des Handgelenks.
14.12.3 Behandlung aller übrigen HandwurzelknochenFrakturen Sie sind überaus selten. Von ihnen kommen am häufigsten schalenförmige Abrisse vor, wobei das Os triquetum relativ häufig betroffen ist. Die Behandlung besteht in Ruhigstellung auf dorsaler Unterarmgipsschiene, die bis zu den Grundgelenken der Finger, am Daumen bis zum Endglied, unter Aussparung des Endgelenks, reicht.
14.12.4 Behandlung der Mittelhandfrakturen II⫺IV (Abb. 14-33) Bei diesen Frakturen (vor allem bei Quer- und Schrägfrakturen) bilden beide Fragmente einen nach volar offenen Winkel; das Köpfchen des betreffenden Mittelhandknochens ist in der Hohlhand zu tasten. Beim Faustschluss bleibt der entsprechende Finger zurück, weil das Grundgelenk in Überstreckung gerät. Die einzelnen Frakturtypen sind in Abb. 14-33 dargestellt. Die Reposition und Adaptation der Fragmente bei offenen Frakturen bereitet keine Schwierigkeiten, nachdem nach Darstellung der Fraktur und Beseitigung des Frakturhämatoms die Fragmente in achsengerech-
Abb. 14-33 Formen von Mittelhandbrüchen. 1 Basisfraktur 2 subkapitale Fraktur 3 Schaftschrägfraktur 4 Schaftquerfraktur 5 Längsbruch/Trümmerfraktur
14.12 Frakturen im Bereich der Hand
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ter Stellung fixiert wurden. Bei geschlossenen Frakturen erfolgt die Reposition unter Röntgenkontrolle durch Zug an dem im Grundgelenk gebeugten Finger in Längsrichtung des betreffenden Os metacarpale, durch Druck vom Handrücken her und Gegenzug am rechtwinklig gebeugten Oberarm. Es empfiehlt sich, die Reposition in Narkose oder hoher Leitungsanästhesie durchzuführen. Wichtig ist es, die temporäre, manuelle Extension, wenn sich röntgenologisch eine befriedigende Stellung zeigt, so lange beizubehalten, bis der Gips angelegt und fest geworden ist. Sonst besteht die Gefahr eines vorzeitiges Abrutschens oder einer erneuten Feststellung. Unterarmfaustgips für 3⫺4 Wochen. Wichtig ist: 1. die Rotationsstellung der Mittelhandknochen. Alle Fingerspitzen müssen im Gips bei Beugung auf das Os naviculare zeigen. 2. dass die Finger nicht in Streckstellung eingegipst werden. Weiteres Vorgehen: Bei der Versorgung von Frakturen der Hand, insbesondere der Mittelhandknochen, sollte das Kleinfragment-Instrumentarium der AO verwendet werden. 1. Bei Querfrakturen, die am häufigsten auftreten, wird unter Röntgenkontrolle und sterilen Bedingungen eine gekreuzte Drahtung mit Kirschner-Drähten durchgeführt. Dabei erfolgt nach Reposition eine direkte perkutane Spickung mit Drähten vom Köpfchen des betreffenden Knochens aus bei maximal gebeugter Art. metacarpophalangea. Bei offenen Frakturen wird der Kirschner-Draht durch das distale Fragment und durch das Köpfchen nach außen gebohrt (Stellung der Hand wie oben!); anschließend erfolgt die Rückführung des Drahtes in das proximale Fragment. Außerdem werden AO-Kleinfragmentplatten und -Schrauben verwendet, um die Fragmente exakt zu adaptieren. Ruhigstellung auf einer dorsalen Gipslonguette, die durch eine Aluminiumschiene verstärkt ist und vom Unterarm bis zum Mittelgelenk des betreffenden Fingers reicht, unter Miteingipsung der Kirschner-Drähte. Die Einstichstelle der Kirschner-Drähte wird vorher desinfiziert und mit einem Gazestreifen steril abgedeckt. Die Drähte bleiben 3 Wochen liegen, anschließend nochmals Ruhigstellung der Hand für ca. 14 Tage. 2. Bei Schrägfrakturen, die nach Reposition gut eingestellt sind, wird für 4 Wochen eine dorsale Gipslonguette, die mit einer Aluminiumschiene verstärkt ist, angelegt, wobei auf Funktionsstellung des betreffenden und des benachbarten Fingers geachtet werden muss (die Längsachsen der Finger verlaufen zum Os naviculare). Lässt sich die
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14 Handchirurgie
reponierte Schrägfraktur nicht stabilisieren, dann erfolgt bei offenen Frakturen eine Fixation der Fragmente mit Plättchen und Schrauben, bei geschlossenen Frakturen eine wie oben beschriebene perkutane, gekreuzte Drahtung. Ruhigstellung wie oben beschrieben. 3. Längsbrüche werden mit Drahtcerclagen oder Schraubenosteosynthesen versorgt. Ruhigstellung wie oben beschrieben. 4. Bei subkapitalen Frakturen ist oft ein Repositionsmanöver nicht befriedigend, bzw. die reponierten Fragmente kippen wieder auseinander. In diesen Fällen wird ein Kirschner-Draht unter Röntgenkontrolle achsengerecht durch das Gelenk und durch das aufgerichtete distale Fragment bis in das proximale Fragment eingeführt. Gipsverband wie oben beschrieben. 5. Bei Trümmerfrakturen erzielt man die besten Ergebnisse mit Drahtcerclage und eventuell mit einer zusätzlichen Längsdrahtung mit Kirschner-Drähten. Gipsverband wie oben beschrieben. Beachte: Bei den Sofortmaßnahmen dieser Frakturen ist es primär wichtig zu beurteilen, ob man konservativ oder operativ vorgehen kann oder muss. Aus diesem Grund wurde auf die verschiedenen Frakturtypen wie oben beschrieben eingegangen. Wichtig ist es, dass die Fragmente achsengerecht stehen und keinen Winkel bilden, was später die Greiffähigkeit der Hand einschränkt.
14.12.5 Behandlung der Bennett’schen Fraktur (Abb. 14-34) Definition Bei der Bennett’schen Fraktur (Abb. 14-34) handelt es sich um eine Daumenluxationsfraktur, wobei ein basales, dreieckförmig konfiguriertes, volar und ulnar lokalisiertes Fragment des Os metacarpale I abgesprengt ist (intraartikuläre Fraktur), und der übrige Schaft nach dorsalradial und proximal luxiert ist durch den Zug des Musculus abductor pollucis longus. Ziel der Behandlung ist die genaue Wiederherstellung anatomischer Verhältnisse, da die wichtigsten Bewegungen des Daumens in diesem Sattelgelenk stattfinden (Abb. 14-34). Die Rolando-Fraktur ist dadurch gekennzeichnet, dass die proximale Gelenkfläche des ersten Mittelhandknochens T- oder Y-förmig mit entsprechender Dislokation frakturiert ist. Bei der Pseudo-Bennett-Fraktur handelt es sich um eine basisnahe Quer- bzw. Schrägfraktur des Os metacarpale I. Eine OP-Indikation
14.12 Frakturen im Bereich der Hand
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Abb. 14-34 (a) Schematische Darstellung der Bennett’schen Luxationsfraktur. (b) Röntgenaufnahme der Bennett’schen Luxationsfraktur (nach: Buck-Gramcko, D., Hamburg).
liegt bei allen drei Frakturen vor: Bennett’sche Fraktur, Rolando-Fraktur, Pseudo-Bennett-Fraktur. Repositionsmanöver siehe Abb. 14-35. Die Reposition erfolgt durch axialen Zug am Daumen und durch Druck auf die Basis des 1. Mittelhandknochens. Nach erfolgter Reposition wird ein Gips in Abduktionsstellung des Daumens angelegt. Der Gips reicht distal bis auf halbe Höhe des Daumenendgliedes und proximal bis zum Unterarm. Nach dem Eingipsen erfolgt immer ein Röntgen-Stellungskontrolle a. p. und seitlich. Da es sich um eine intraartikuläre Fraktur handelt ist in den allermeisten Fällen eine stufenfreie Reposition nicht möglich. Deshalb ist, wie eingangs erwähnt, eine exakte Reposition in den allermeisten Fällen nur durch eine Operation möglich.
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14 Handchirurgie
Abb. 14-35 Technik der Repostion bei einer Bennett’schen Luxationsfraktur: Druck gegen die Basis von dorsoradial nach volar-ulnar.
Adaptationsosteosynthese Bei unbefriedigender Reposition oder größerer intraartikulärer Beteiligung geht man operativ vor: 1. Verfahren nach Wagner: Fixation mit Kirschner-Draht unter Röntgenkontrolle, wobei der luxierte Metakarpalschaft an das proximale Fragment readaptiert wird. Das Os metacarpale I und II werden subkapital durch einen horizontal verlaufenden Kirschner-Draht stabilisiert. 2. Verfahren nach Moberg: Reposition und Adaptation mit KirschnerDraht unter Freilegung der Fraktur von einem volaren Schnitt aus. 3. Schraubenosteosynthese: Kompression beider Fragmente durch eine Doppelgewindeschraube (Herbert-Schraube) mit einem großen und einem kleinen Gewinde. Details zu diesen Operationen siehe handchirurgische Spezialliteratur.
14.12.6 Behandlung der Fraktur des Os metacarpale V Die Frakturlinie läuft in der Mehrzahl der Fälle subkapital und schräg durch den Schaft. Es kommt zu einer typischen Dislokation der Fragmente mit radial-volar offenem Winkel.
14.12 Frakturen im Bereich der Hand
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Vorgehen Nach Reposition unter Röntgenkontrolle (Zug, Druck und Gegenzug) Anlegen einer dorsolateralen Gipsschiene (U-Schiene), wobei das Grundglied in Streckstellung eingegipst wird (Cellona-Gipsverband). Dauer 3 Wochen.
14.12.7 Behandlung von Frakturen der Grund- und Mittelphalanx Achsenabweichung bei Phalanx-Frakturen: ⫺ Mittelgliedfrakturen distal des Ansatzes der oberflächlichen Beugesehne dislozieren durch den Zug der oberflächlichen Beugesehne und der Streckaponeurose in einem nach dorsal offenen Winkel. ⫺ Mittelgliedfrakturen proximal des Ansatzes der oberflächlichen Beugesehne dislozieren in einem nach volar offenem Winkel. Bei Frakturen der Grundphalanx kommt es zu einem nach dorsal offenen Winkel der Fragmente der Grundphalanx. Konservatives Vorgehen: ⫺ Einwandfreie Reposition und zuverlässige Fixation auf einer Aluminiumschiene, die vorher dem entsprechenden gesunden Finger anmodelliert wurde, mit zirkulärer Gipsfixation (Cellona). ⫺ Die maximale Krümmung der Schiene sollte im Bereich der Fraktur liegen. Frakturierte Fingern neigen zur Achsenknickung mit dorsal offenem Winkel (Grundphalanxfraktur). Alle schlecht reponierten oder ungenügend zuverlässig fixierten Finger neigen durch die Funktion der Mm. lumbricales und interossei zur Dislokation, wobei das proximale Fragment der Grundphalanx zur Beugestellung, das distale Fragment zur Streckstellung tendiert. ⫺ Die Endphalanx soll auf der Aluminiumschiene parallel zur Achse der Mittelhandknochen stehen. ⫺ Ruhigstellung bei nicht dislozierten Frakturen 3 Wochen lang, bei dislozierten Frakturen 4 Wochen. Es ist wichtig zu wissen, dass nach dieser Zeit die Fraktur noch nicht völlig geheilt ist; man soll aber zu oben genanntem Zeitpunkt nach Gipsentfernung mit Bewegungsübungen beginnen. Aufgrund der häufig eintretenden Reluxationen und Verschiebungen der Fragmente ist in den meisten Fällen eine operative Versorgung mit temporärer transartikulärer Fixation notwendig. Andernfalls drohen Torsionen und Verkürzungen.
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14 Handchirurgie
14.12.8 Behandlung der Frakturen der Endphalanx 1. Bei Absprengung kleiner Fragmente, die nicht reponiert werden können, genügt oft eine Ruhigstellung von 3 Wochen, anschließend aktive Bewegungsübungen. Falls danach die Beschwerden weiterbestehen, ist eine frühzeitige Exstirpation dieser Fragmente indiziert. 2. Wenn keine Trümmerfraktur oder große Weichteilläsion vorliegt, erfolgt als Sofortmaßnahme die Fixation des distalen Fragments an das proximale Fragment mit einem Kirschner-Draht. Dieser KirschnerDraht wird durch das Gelenk in das Köpfchen der Mittelphalanx vorgetrieben. Ruhigstellung für 5 Wochen. Drahtentfernung nach 4 Wochen. Der Finger wird während dieser Zeit auf einer Aluminiumschiene, die den Finger mit zirkulären Gipsbinden immobilisiert und den Kirschner-Draht mit einschließt, fixiert (Abb. 14-36). 3. Bei Sehnenabriss (Strecksehne) mit Aussprengung eines Knochenstücks s. Abschn. 14.8.4.
Abb. 14-36 Fixation einer Endphalanxfraktur durch Kirschner-Draht und Aluminiumschiene.
Beachte: Bei allen intraartikulären Frakturen mit kleinem Fragment (Fragment ist nur mit einem kleinen Teil am Gelenk beteiligt) erhält man mit der Exstirpation des Fragments bessere Resultate als bei Adaptation der Fragmente, da die Patienten früh mobilisieren können und eine rasche Rückkehr der Funktion eintritt. Außerdem wird die Gefahr einer Knochenanheilung in nicht idealer Stellung umgangen. Bei allen größeren intraartikulären Frakturen und größeren Fragmenten ist eine Freilegung des Gelenks mit stufenloser Readaptation des Fragments an den übrigen Knochen durch Kirschner-Drahtspickung indiziert, um die Gelenkrolle wieder exakt herzustellen. Dies ist ganz besonders bei Schaniergelenken wichtig.
14.13 Luxationen im Bereich der Hand
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Beachte weiterhin: Bei allen Trümmerfrakturen wird, wenn eine ausgedehnte Weichteilläsion mit Schädigung von Gefäßen, Nerven und Sehnen vorliegt, eine Amputation (s. o.) vorgenommen. In allen übrigen Fällen sollte versucht werden, eine Rekonstruktion anatomischer Verhältnisse zu erzielen, wobei die Fragmente mit Drahtcerclagen entsprechend adaptiert werden.
14.13 Luxationen im Bereich der Hand 14.13.1 Perilunäre Handgelenksluxation Siehe hierzu Abschn. 11.4.7.
14.13.2 Fingerluxation Um Frakturen auszuschließen, fertigt man immer ein Röntgenbild in zwei Ebenen an. Die Reposition lässt sich, wenn man sie nicht für den Patienten überraschend durchführt, am besten in Leitungsanästhesie durchführen. Das eigentliche Repositionsmanöver erfolgt durch Zug am luxierten Finger und eventuell durch Druck auf den luxierte, vorspringenden Knochen. Gelingt der einmalige Repositionsversuch nicht, so muss man operativ freilegen, da meist die Beugesehne als Repositionshindernis interponiert ist. Die Ruhigstellung auf einer volaren Unterarmgipsschiene (CellonaGipsschiene oder Scotchcast-Verband) wird für die Dauer von 2⫺3 Wochen eingehalten, bei Seitenbandläsionen 4⫺5 Wochen. Nach Anlegen der Gipsschiene muss immer eine Röntgenaufnahme zum Frakturausschluss und zur Dokumentation der korrekten Stellung durchgeführt werden.
14.13.3 Luxation des Daumengrundgliedes Diagnose ⫺ Verschiebung des luxierten Abschnitts nach dorsal, ⫺ bajonettförmige Versetzung des Daumengrundgliedes gegen den ersten Mittelhandknochen, ⫺ federnde Fixation, ⫺ Daumen ist verkürzt.
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Repositionsmanöver (in Narkose) 1. Abspreizen des Daumens in der Articulatio metacarpophalangea in fast rechtwinkliger Stellung. 2. Vorschub nach vorn in paralleler Richtung zur vorher eingenommen Stellung. 3. Hebel- und Beugebewegungen in die Stellung der übrigen Finger unter leichtem Zug. 4. Ruhigstellung für 5 Wochen in einer Unterarm U-Schiene. Nach der Reposition: Röntgenaufnahme zum Frakturausschluss und zur Stellungskontrolle. Gelingt die Reposition (einmaliger Repositionsversuch) nicht (Knopflochmechanismus der Sehne des M. adductor pollicis und des M. flexor pollicis), dann muss operativ vorgegangen werden.
14.14 Distorsionen im Bereich der Hand 14.14.1 Definition Es handelt sich dabei um Zerrungen bzw. Zerreißungen der Gelenkkapselbänder mit periartikulären Blutungen infolge Gefäßrupturen, hervorgerufen durch momentane Gewalteinwirkung mit abnormer Bewegung.
14.14.2 Distorsionen im Handgelenk Um Frakturen auszuschließen, immer ein Röntgenbild in zwei Ebenen anfertigen. Bei Distorsionen leichten Grades (Schmerzen, Schwellung, Bewegungseinschränkung bestimmen den Grad der Distorsion) Anlegen eines stützenden, elastischen Verbandes vom Handrücken bis in die Mitte des Unterarms mit Idealhaftbinden (Lohmann). Hochlagern der Hand, um Schwellungstendenzen entgegenzuwirken. Verabreichung von Proxen“-Filmtabletten zum Abschwellen für 5⫺6 Tage. Dieser funktionelle Stützverband soll 2⫺3 Wochen getragen werden. Bei Distorsionen schweren Grades wird für 2 Wochen eine dorsale Gipsschiene vom Ellenbogen bis zu den Grundgelenken angelegt. Dann wird die Gipsschale nur noch zeitweise als Schutz getragen und kann, wenn die Bewegungsübungen Fortschritte gemacht haben, weggelassen werden.
14.14.3 Distorsionen des Daumens Bei Distorsionen des Daumens im Grund- und Endgelenk wird man in allen Fällen eine Ruhigstellung des Daumens in einer rinnenförmigen
14.14 Distorsionen im Bereich der Hand
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Gipsschiene (Cellona-Gips, Scotchcast-Verband) für 2⫺3 Wochen, je nach dem Grad der Distorsion, durchführen. Vor Anlegen des Gipses sollte immer eine Röntgenaufnahme zum Frakturausschluss angefertigt werden. Beachte: Exakte klinische und röntgenologische Untersuchung (gehaltene Aufnahme und Bildwandlerkontrollen) im Hinblick auf ulnare Seitenbandläsionen des Daumengrundgelenks. Diese Läsion muss rechtzeitig diagnostiziert und primär genäht werden, um eine spätere, schwierige Kapselplastik zu vermeiden.
14.14.4 Distorsionen der Finger Distorsionen der Finger führen zu Zerrungen und Zerreißungen der Gelenkkapsel und somit der Ligamenta collateralia. Die dann unphysiologischerweise auftretenden seitlichen Bewegungen sind besonders schmerzhaft. Ziel der Therapie ist es, diese schmerzhaften Seitenbewegungen auszuschalten. Man schient daher den verletzten Finger zusammen mit dem Nachbarfinger, so dass Bewegungen nur in physiologischer Richtung erfolgen können. Dazu eignet sich am besten ein zweifacher Idealstützverband, der beide Finger unter Aussparung gelenknaher Zonen umfasst und nicht allzu straff um die Finger gelegt werden darf. Spürt der Patient ein pulssynchrones Klopfen im Finger, dann ist der Verband zu eng angelegt. Pflasterbreite: 12,5 mm. Vorteile dieser Behandlung: einfache, zeitsparende und wirkungsvolle Methode. Dauer der Schienung: 2 Wochen.
14.15 Kontusionen im Bereich der Hand Bei Kontusionen im Bereich der Hand ohne Hämatombildung werden die Kontusionsstellen z. B. mit Heparin-ratiopharm“-Salbe eingestrichen und ein elastischer Verband angelegt. Wechsel täglich. Proxen“ zum Abschwellen. Bei Kontusionen mit Hämatombildung legt man zunächst über die Hämatomstelle einen Verband mit z. B. Heparin-ratiopharm“ an, der unter leichter Kompression gewickelt wird (Idealhaftbinden).
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14 Handchirurgie
Frische, größere und stark flukturierende Hämatome können auch nach Desinfektion der Haut in Lokalanästhesie abpunktiert werden. Anschließend Anlegen eines Kompressionsverbandes und Weiterbehandlung mit z. B. Heparin-ratiopharm“. Bewährt hat sich auch die Applikation von Varidase“ (4 ⫻ 1 Tabl. täglich).
15 Vorbereitungen zur Narkose
Bei den verschiedenen Formen der Narkose ist auf die im Folgenden beschriebenen Punkte zu achten.
15.1 Präoperatives Gespräch des Chirurgen mit dem Patienten Bevor das Gespräch mit dem Anästhesisten stattfindet, sollte der Chirurg mit dem Patienten folgende Punkte besprechen: Anamnese, Orientierung über Blutungsneigungen, Information über Medikamente, die der Patient einnimmt, bekannte Allergien auf Medikamente, insbesondere auch auf Latex, Informationseinholung über Erkrankungen des Herzens, der Lunge, der Gefäße, endokriner Organe und den Nieren, Ausschluss von Hinweisen auf eine maligne Hyperthermie, Orientierung über die psychische Konstitution und über Vorhandensein und Ausmaß von Angst und Anspannung. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, ein Vertrauensverhältnis zwischen Chirurg und Patient herzustellen und dem Patienten anzukündigen, dass ein solches Vertrauensverhältnis auch bei dem folgenden Gespräch mit dem Anästhesisten eintreten wird. Ein gutes Vorbereitungsgespräch kann Medikamente einsparen.
15.2 Einverständniserklärung Durchführung der Einverständniserklärung zu dem beabsichtigten Eingriff: schriftlich auf einem vorgefassten Einverständniserklärungsbogen mit entsprechenden Ergänzungen.
15.3 Nahrungskarenz Vor jedem operativen Eingriff ist eine Nahrungskarenz zur Vermeidung einer Aspiration wichtig. Sie beträgt bei Erwachsenen 6 Stunden. Säuglinge können bis zu 2 Stunden vor der Operation Tee trinken. Bei Kindern ist eine Flüssigkeitskarenz von 4 Stunden einzuhalten.
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15 Vorbereitungen zur Narkose
15.4 Medikamentöse Narkosevorbereitungen des Patienten ⫺ Prämedikation Ziel der medikamentösen Narkosevorbereitung ist es, folgende Symptome und Funktionen des Patienten positiv zu beeinflussen: Schmerzlinderung, Beruhigung, Entspannung, Anxiolyse, Hemmung der Speichelsekretion, Dämpfung vagaler Reflexe. Hierzu können verabreicht werden: ⫺ Sedativa: Hierbei handelt es sich um Barbiturate, die nicht analgetisch aber sedierend, antikonvulsiv und hypnotisch wirken. ⫺ Anxiolytika: Hierbei handelt es sich Benzodiazepine die anxiolytisch, sedierend, antikonvulsiv und muskelrelaxierend wirken. ⫺ Neuroleptika: Hierbei handelt es sich um Droperidol mit antiemetischer Wirkung, um Metoclopramid oder Domperidon und um Phenothiazine mit antiallergischer Wirkung. Die neuroleptische Wirkung besteht in einer emotionalen Beruhigung. ⫺ Analgetika: Hierbei handelt es sich um Opioide mit analgetischer und sedierender Wirkung.
15.5 Allergien Bei Allergien sollen ein Antihistaminikum und ein Cortikoid bereitgehalten bzw. bei der Prämedikation verabreicht werden.
15.6 Venenpunktionsschmerz Zur Linderung eines Venenpunktionsschmerzes bei Kindern ist eine Lokalanästhesiecreme, z. B. Emla“, ca. 45⫺60 min vor der Punktion empfehlenswert.
15.7 Nahrungskarenz und Weiterführung einer Dauermedikation Zur Aufrechterhaltung eines entsprechenden Wirkungsspiegels, den der Patient z. B. aus wichtigen internistischen Gründen benötigt, muss eine orale Weiterführung der Medikamenteneinnahme gewährleistet sein. Sie ist wichtiger als die absolute Nüchternheit und darf deshalb in dieser Situation die Nahrungskarenz von 4 bzw. 6 Stunden außer Acht lassen. Eine Übersicht über Medikamente in alphabetischer Ordnung zur Weiterführung einer Dauermedikation wird im Folgenden gegeben:
15.10 Basisüberwachungsprogramm bei Narkosen
⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
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Antiallergika, Antiarrhythmika, Antihypertensiva, Asthmamittel, Beta-Blocker, Glaukom-Medikamente, Herzglykoside, Kortikoide, Nitropräparate.
15.8 Intravenöser Zugang Es soll keine Narkose durchgeführt werden, ohne mindestens einen suffizienten venösen Zugang: Vena saphena magna, Venen in der Ellbeuge, zentralvenöser Zugang über die Vena jugularis. Begründung: Vermeidung und Therapie von möglichen Narkosezwischenfällen wie Allergien, Herzrhythmusstörungen, Atemstörungen, Laryngospasmus.
15.9 Tubusgrößen Bei der Intubation sind in Abhängigkeit vom Alter unterschiedliche Tubusgrößen bereitzuhalten: ⫺ Frühgeborene: Tubusgröße 10⫺12, Tubusinnendurchmesser 2⫺ 2,5 mm ⫺ Neugeborene: Tubusgröße 12⫺14, Tubusinnendurchmesser 3 mm ⫺ bis 6 Monate: Tubusgröße 14⫺16, Tubusinnendurchmesser 3,5 mm ⫺ 6 Monate bis 12 Monate: Tubusgröße 16⫺18, Tubusinnendurchmesser 4 mm ⫺ über 1 Jahr: Tubusgröße: Lebensalter plus 18, Tubusinnendurchmesser: Lebensalter (in Jahren) geteilt durch 4 plus 4,5 ⫺ ab 16 Jahre: Tubusgröße weiblich 34⫺36, männlich 36⫺38, Tubusinnendurchmesser: weiblich 8⫺8,5 mm, männlich 8,5⫺9 mm
15.10 Basisüberwachungsprogramm bei Narkosen ⫺ Herz-Kreislaufkontrolle: Pulsfrequenz, Pulsrhythmus, Blutdruck, periphere Durchblutung ⫺ Atmungskontrolle: Blutgasanalyse, Atemminutenvolumen, Sauerstoffzufuhr, Narkosegaszufuhr, Dichtigkeit des Systems, ungehinderter Gasstrom, beidseitige Belüftung
432
15 Vorbereitungen zur Narkose
15.11 Blutvolumen ⫺ Blutverlust mit beginnender Schocksymptomatik Blutverlust von über 30 % des Blutvolumens löst in der Regel eine Kreislaufschocksymptomatik aus. Blutvolumen: ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
bei bei bei bei
Neugeborenen: 85⫺95 ml/kg Kindern: 80 ml/kg Jugendlichen: 70 ml/kg Erwachsenen: 65⫺70 ml/kg
15.12 Arten der Regionalanästhesie Während dieser Anästhesie ist der Patient wach und kooperationsfähig. Man unterscheidet: 1. Oberflächenanästhesie von Schleimhäuten, z. B. im Mund, in der Mundhöhle, im Kehlkopf, beim Einführen von Kathetern in die Harnröhre, oder Oberflächenanästhesie von entzündeten Hautarealen oder verletzten Bereichen der äußeren Haut. Hierzu wird ein Oberflächenanästhetikum, z. B. Anaesthesinsalbe“ 10 %ig oder 20 %ig, lokal appliziert. 2. Infiltrationsanästhesie: Hierbei wird durch Injektion eines Lokalanästhetikums in das Gewebe ein umschriebenes Haut/Subkutanareal und tiefer gelegenes Gewebeareal unempfindlich gemacht. Die Infiltrationsanästhesie erfolgt auch bei kleinen oberflächlichen Wunden oder zur Linderung von Narbenschmerzen. Hierzu wird mit einer dünnen Kanüle zunächst eine Hautquaddel gesetzt und anschließend das Lokalanästhetikum in rhomboider, d. h. V-förmig divergierender und anschließend konvergierender Stichrichtung infiltriert. Vor jeder Injektion mit einem Lokalanästhetikum ist bei liegender Nadel im Gewebe durch Aspiration über die Spritze bzw. die Nadelspitze sicherzustellen, dass die Nadelspitze nicht in einem Gefäß liegt und somit keine intravasale Injektion erfolgen kann. Die Lokalanästhesie erfolgt z. B. mit Xylocain“. 3. Leitungsanästhesie nach Oberst. Hierbei erfolgt ein Unempfindlichmachen von Fingerendgliedern bzw. Zehenendgliedern durch eine Lokalanästhesie der Finger bzw. Zehennerven. Praktisch wird diese Leitungsanästhesie so durchgeführt, dass von der Dorsalseite des Fingers bzw. der Zehe rechts und links der Basis des Grundgliedes mit einer dünnen Nadel eingestochen wird und dort das Lokalanästhetikum, z. B. Xylocain“ 1⫺2 %ig, ohne Adrenalinzusatz in einer
15.12 Arten der Regionalanästhesie
433
Menge von 2⫺4 ml injiziert werden ohne, dass es dabei durch mengenmäßig zu viel injiziertem Lokalanästhetikum zu einer Weißverfärbung der Haut kommt. 4. Bei der axillären Blockade erfolgt über einen subaxillären Zugang eine periphere Nervenblockade des Plexus brachialis wobei das Lokalanästhetikum zur vorübergehenden Betäubung des entsprechenden Armes in einer Menge von ca. 30⫺40 ml in die Nervenscheide injiziert wird.
16 Antibiotikatherapie
16.1 Definition der Antibiotika Hierbei handelt es sich um Substanzen, die von Mikroorganismen gebildet oder synthetisch hergestellt werden und imstande sind, das Wachstum anderer Organismen sowie ihre Entwicklung zu hemmen und sie abzutöten.
16.2 Indikation 1. Eine infektverhütende Dringlichkeitsindikation besteht: ⫺ bei großen, schwer verunreinigten Wunden, ⫺ bei Biss- und Stichwunden, ⫺ bei allen offenen Frakturen, ⫺ bei ausgedehnten Brandwunden, ⫺ bei allen Operationen in der Nähe infizierter Gebiete, ⫺ bei Eingriffen am Kolo-Rektum, ⫺ bei Eingriffen am Magen und am Gallenwegsystem, ⫺ bei Eingriffen mit Implantaten, Gefäßprothesen, Kunststoffen oder bioabbaubaren Implantaten wie z. B. Tutopatch“ oder Tutomesh“. Diese gezielten Indikationen zur Antibiotikaapplikation sollten bereits vor der Operation umgesetzt werden und die entsprechenden Antibiotika präoperativ verabreicht werden, um einen ausreichenden Antibiotikumspiegel im Serum und im Gewebe zu erzielen. 2. Eine therapeutische Indikation besteht bei allen pyogenen Infektionen, solange keine eitrige Einschmelzung besteht, ebenfalls bei allen Operationen, bei denen primär eine Infektion vorliegt. In vielen Fällen helfen ein Abstrich, eine Analyse der Erreger und ein Antibiogramm, eine spezifische, auf die jeweiligen Erreger ausgerichtete Therapie durchzuführen. Das Postulat des Erregernachweises und der Resistenzbestimmungen vor Applikation eines Antibiotikums lässt sich jedoch aus technischen Gründen, insbesondere bei notfallchirurgischen Indikationen, oft nicht durchführen. Vor Kenntnis des bakteriologischen Untersuchungsergebnisses wird daher die empirisch auf-
16.3 Überblick der in Frage kommenden Antibiotika
435
gebaute Antibiotikatherapie zunächst mit breiter Wirkungsfläche durchgeführt.
16.3 Überblick der in Frage kommenden Antibiotika 16.3.1 Antibiotikatherapie ⫺ Dosierung 1. 2. 3. 4. 5.
Aminoglykoside Cephalosporine Penicilline Tetracycline diverse Antibiotika
In Tab. 16-1 wird ein Überblick über die wichtigsten Antibiotika (z. B. Ratiopharm) gegeben. Bei der Applikation von Breitbandantibiotika wie Tetracyclinen, Aminoglykosiden etc. steht der umfassenden Wirkungsbreite eine Reihe von Nebenwirkungen gegenüber, die im Einzelfall berücksichtigt werden müssen. Bei Vorliegen einer Penicillin-Cephalosporin-Allergie (0,5⫺2 %) sind sie die Mittel der Wahl. Tab. 16-1 Die wichtigsten Antibiotika und Dosierungen. Internationale Kurzbezeichnung
Tagesdosierung Erwachsene
Kinder (pro kg KG)
1,5⫺2 mg/kg i. v. 10⫺15 mg/kg KG 3⫺6 mg/kg KG
3 ⫻ 1,5⫺2,5 mg i. v. 10 mg 4,5⫺7 mg
2 ⫻ 250⫺500 mg 3 ⫻ 500 mg
20 mg 30 mg
1,2 g/12 h 2⫺6 g/d 4 g/d
ab 12. Lj. wie Erw. ⫺ 20⫺80 mg
2⫺6 g/d 1,5⫺3 g/d 3 ⫻ tgl. 1 Filmtbl.
40⫺50 mg 40⫺50 mg 6⫺12 Lj. 3 ⫻ ½ Tbl.
Aminoglykoside Gentamycin Amikacin Tobramycin Cephalosporine oral: Cefuroxim Cefaclor parenteral: Cefotaxim Ceftazidim Ceftriaxon Penicilline oral: Ampicillin Amoxycillin Penicillin V
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16 Antibiotikatherapie
Internationale Kurzbezeichnung
Tagesdosierung Erwachsene
Kinder (pro kg KG)
parenteral: Ampicillin Piperacillin
1,5⫺6 g/d 100⫺200 mg/kg
100 mg 100⫺200 mg
200 mg initial 100⫺200 mg
4 mg initial 4 mg
200 mg 100⫺200 mg
4 mg 4 mg
8⫺25 mg/kg KG i. v./Tabl. 3⫺6 Mill. E 0,2⫺2 g 40 mg/kg KG 1,5⫺2 g
20⫺40 mg 2⫺4 Mill. E/d 20⫺30 mg 15 mg 30⫺50 mg
Tetracycline oral: Doxycyclin Minocyclin parenteral: Doxycyclin Minocyclin Diverse Clindamycin Colistin Metronidazol Vancomycin Erythromycin
16.3.2 Besondere Hinweise für die Applikationen von Antibiotika im Kindesalter In der Neugeborenenperiode ist die Infektion und Sepsis die häufigste Todesursache, vor allem Frühgeborene sind hier besonders gefährdet. Gründe: 1. Progressiver Infektionsverlauf aufgrund unzureichender Immunabwehrmechanismen auf zellulärer und humoraler Ebene. Den Neugeborenen und Säuglingen fehlt die Fähigkeit, Infektionsprozesse lokal zu begrenzen. 2. Diskrete Symptomatologie am Beginn, selbst bei schweren Neugeborenen- und Frühgeboreneninfektionen, und daraus resultierender verzögerter Therapiebeginn. Gramnegative Bakterien (E. coli, Klebsiellen, Pseudomonas, Pyocyaneus, Proteus vulgaris und mirabilis) spielen in der Neugeborenen- und Säuglingsperiode eine zunehmend größere Rolle als grampositive Erreger (Streptococcus faecalis, Staphylokokken). Eine alternierende Breitspektrumantibiotika-Applikation ist hier am zweckmäßigsten. Bei der Applikation der Antibiotika sind folgende Punkte zu beachten: ⫺ Antibiotika müssen immer in Kombination verabreicht werden. Antibiotika sollen nicht allein gegeben werden: Eine Monotherapie kann zu einer Selektion resistenter Keime führen.
16.3 Überblick der in Frage kommenden Antibiotika
437
⫺ Antibiotika dürfen in der Neugeborenenchirurgie niemals unterdosiert werden. Unterdosierungen führen zur Verschleierung von Infekten und Unterschreitung der therapeutischen Gewebskonzentration. ⫺ Antibiotika müssen rechtzeitig verabreicht werden, damit man einen wirksamen Antibiotikaspiegel in kurzer Zeit erzielen kann. ⫺ Antibiotika dürfen nicht mit anderen Medikamenten vermischt oder Infusionslösungen zugesetzt werden. Beachte: 1. Bei jeder oralen Antibiotikatherapie kann es zu einer Schädigung der physiologischen Darmflora (intestinale Dysbakterie), zu einer Unterdrückung der bakteriellen Vitaminsynthese und zur Staphylokokkenenteritis kommen. Aus diesem Grund soll die orale Antibiotikatherapie mit der Verabreichung von reichlich Milch oder Yoghurt und Vitamin-K-Gaben kombiniert werden. Verabfolgung von Vitamin-B-Komplexen ist unzweckmäßig, da Riboflavin (Vitamin B2) bei der Inaktivierung der Tetracycline durch Oxidation als Katalysator beteiligt sein soll. 2. Tetracycline sollen nach Möglichkeit im letzten Trimenon der Schwangerschaft oder in den ersten Lebensjahren des Kindes (bis zum 10. Lebensjahr) nicht oder nicht allzu lange gegeben werden, da die Tetracycline eine Verfärbung der Zähne (auch der bleibenden) durch Bindung an das Calcium und irreversible Zahnveränderungen hervorrufen können. Sie sind bei Patienten mit vorgeschädigter Leber oder Ausscheidungsstörungen nicht zu empfehlen. 3. Bei Überempfindlichkeitsreaktionen (z. B. Glossitis, Vaginitis, Proktitis und Hautreaktionen photoallergischer Natur) ist das betreffende Medikament abzusetzen und auf ein anderes Antibiotikum überzugehen. 4. Bei Infektionen, verursacht durch Streptococcus viridans, empfiehlt es sich, hohe Dosen von Penicillin mit Streptomycin (0,5 g) zu kombinieren. Vorsicht: Neben allergischen Reaktionen (Hautexantheme) und Störungen des Magen-Darm-Traktes kann Streptomycin toxisch auf den Nervus statoacusticus wirken (Ohrensausen, Ertaubung, Gleichgewichtsstörungen). Es ist bei Urinausscheidungsstörungen und in der Schwangerschaft kontraindiziert.
17 Punktionen
17.1 Indikationen Die Punktion als Sofortmaßnahme ist nur in wenigen Fällen dringlich indiziert (z. B. Spannungspneumothorax, Hämatothorax, Perikarderguss). 1. therapeutische Punktion: ⫺ Entlastungspunktion (Hämatome, Seroma, Flüssigkeitsansammlungen in Körperhöhlen, Gelenkergüsse) ⫺ intraartikuläre Injektion von z. B. Kortikosteroiden 2. diagnostische Punktion: meist kombiniert mit der therapeutischen Punktion zur ⫺ zytologischen, ⫺ bakteriellen, ⫺ serologischen und ⫺ immunologischen Untersuchung. Beachte: Zur diagnostischen Punktion gehört die sehr wichtige Bauchspülung zur Klärung intraabdomineller Blutungen sowie die diagnostische Punktion des Thorax zur Diagnostik eines Pneumo- oder Hämatothorax nach einem stumpfen Thoraxtrauma. Durch die Laparoskopie oder Thorakoskopie (Storz-Instrumentarium) kann eine exakte Diagnostik mit der kausalen Therapie verbunden werden.
17.2 Kontraindikationen 1. Abszesse Begründung: inkomplette Entleerung, Zurücklassen von Nekrosen, erneutes Anfüllen der Abszesshöhle mit Eiter. In diesen Fällen ist eine Doppelinzision mit Entleerung des Abszesses, Entfernung von Nekrosen der Abszesshöhle und Einlegen einer Lasche indiziert. 2. Phlegmone Hierbei handelt es sich um eine flächenförmige Entzündung, bei der durch die Punktion keine Entlastung erzielt werden kann.
17.3 Allgemeine Vorbereitungen zur Punktion
439
3. Hydrozelen Hydrozelen im Säuglingsalter sind immer ein Hinweis auf einen offenen Processus vaginalis testis, der auch vorübergehend obliterieren kann durch einen Ventilmechanismus (Stephens). Punktionen sind daher keine kausale, sondern eine symptomatische Therapie. Die Gefahr einer Infektion ist gerade bei Punktionen vom Skrotum her besonders groß mit nachfolgender Nekrose des Hodens.
17.3 Allgemeine Vorbereitungen zur Punktion Bei Punktionen besonders zu beachten: Wegen der Infektionsgefahr ist absolut aseptisch vorzugehen. Desinfektion des Operationsgebietes, Abdeckung des Operationsgebietes und allgemeines steriles Vorgehen wie bei einer Operation. 1. Auf strenge Sterilität (Anlegen von Peha-Taft-Handschuhen), besonders bei Gelenkpunktionen, ist zu achten. 2. Vorbereitungen des Arztes: Händewaschen, sterile Handschuhe, Kopfbedeckung, Mundschutz, Operationskittel anlegen. 3. Lokale Vorbereitungen im Punktionsgebiet: ⫺ Nach vorausgegangener klinischer Untersuchung Palpation und Markierung der Einstichstelle (z. B. mit Tuschestift). ⫺ Die Ultraschalluntersuchung ist eine wichtige Orientierungshilfe im Hinblick auf die Lokalisation der Flüssigkeitsansammlung, im Hinblick auf die Oberkante des Flüssigkeitsspiegels und im Hinblick auf die topographische Anatomie benachbarter Organe. ⫺ Rasieren der betreffenden Hautstelle. Reinigen und Entfetten der Haut mit Benzin oder Alkohol. ⫺ Zwei- bis dreimaliges Desinfizieren der Haut (Braunol-ratiopharm“), um die spätere Einstichstelle im Abstand von mindestens 15⫺20 cm. 4. Lokalanästhesie wird mit 1 %-Scandicain“ oder Xylocain“ durchgeführt: Quaddel setzen, Epidermis und tiefer gelegene Gewebsschichten lokal anästhesieren (Stichkanalanästhesie). Steriles Abdecken (OP-Tapes) um die Punktionsstelle, so dass bei der anschließenden Punktion die Sterilität gewährleistet ist. 5. Durchführung der Punktion anschließend an die Lokalanästhesie. Eine Punktionsnadel mit einer Spritze von 20 ml wird in den vorher anästhesierten Bereich in Richtung Punktionsbereich vorgeschoben. Vor Erreichen des Punktionsgebietes schiebt man die Nadel mit der
440
17 Punktionen
Spitze langsam, unter leichtem Sog, durch den Zug an dem Stempel vorwärts. Das Eintreten der Punktionsnadel in den Flüssigkeitsraum zeigt sich dann durch Füllung der Spritze mit Punktionsflüssigkeit. Misslingt dieses Vorgehen, so liegt eine Verstopfung meist der Punktionsnadelöffnung durch Gewebe oder Blutkoagula vor, was aber durch Druck auf den Spritzenstempel und Durchtritt von physiologische Kochsalzlösung aus der Spritze durch die Kanüle beseitigt werden kann. Bei Punktionen größerer Flüssigkeitsmengen sind Spritzen mit höherem Aufnahmevolumen (z. B. Rotanda-Spritze als geschlossenes System bei Pleurapunktion) zu verwenden. Bei Sistieren der Aspiration ist zunächst eine mögliche Verlegung der Nadelöffnung in Betracht zu ziehen. Beseitigung, indem 1⫺2 ml Kochsalzlösung durch die Kanüle gestoßen werden. Eine Änderung der Nadelrichtung oder geringgradige Lageveränderung des Punktionsgebietes und, soweit möglich, Druck von außen können zu einer Entleerung von Restvolumina führen. Es wird immer die Gesamtpunktionsmenge gemessen. 6. Nachbehandlung: Nach erfolgter Punktion und Entfernung der Punktionsnadel wird die Einstichstelle nochmals desinfiziert und ein Schutzverband (Master-Aid“-Verband) angelegt. 7. Bei Kindern sollte vor jeder Punktion ein Suppositorium Paracetamol-rationpharm“ zur Beruhigung der Kinder verabreicht werden.
17.4 Pleurapunktion Die Pleurapunktion wird entweder mit einer Punktionskanüle mit oder ohne Trokar oder mit einem Thoraxschlauch mit Trokar durchgeführt. Beim wachen Patienten führt man die Punktion in sitzender Stellung des Patienten durch. Dabei muss er gestützt werden. Das Einstechen der Punktionskanüle bei Ergüssen erfolgt in der Mitte der stärksten Dämpfung, d. h. meist in der hinteren Axillarlinie im 6. ICR an der Oberkante der Rippe (Abb. 17-1). Es ist zweckmäßig, vorher unter Bildwandlerkontrolle oder unter Ultraschallkontrolle die obere Begrenzungslinie des Ergusses zu markieren. Bei einem Pneumothorax wird die Drainage nach Lokalanästhesie in der Medioklavikularlinie im 2. ICR rechts oder links eingeführt. Kontraindiziert ist die Punktion an der Unterkannte der Rippe, da dort Vene, Arterie und Nerv verlaufen. Das Ablassen der Flüssigkeit (bis max. 1000 ml) hat langsam zu erfolgen, da sonst die Gefahr eines sich plötzlich entwickelten Lungenödems droht. Bei solch großen Flüssigkeitsansammlungen, bei der Möglichkeit der erneuten Ansammlung von Exsudat im Pleuraspalt und bei partiell gekammerten
17.5 Aszitespunktion
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Abb. 17-1 Technik der Pleurapunktion: Flüssigkeitsspiegel vorher durch Ultraschalluntersuchung markieren. Die Einstichstelle ist immer oberhalb der Rippenkante.
Ergüssen sollte immer eine Dauerabsaugung durch einen Thoraxschlauch für einige Tage erfolgen. Bei jeder Pleurapunktion ist darauf zu achten, dass währen des Punktionsvorganges ein Einströmen von Luft in den Pleuraraum und somit ein Pneumothorax vermieden wird.
17.5 Aszitespunktion Eine Entleerung des Aszites durch Punktion ist nur indiziert, wenn eine rasche Erleichterung des Patienten, z. B. bei Atemnot oder starkem Kompressionsgefühlt, erzielt werden muss. Dabei befindet sich der Patient in halb linker Seitenlage, die Blase muss vorher entleert sein. Der Punktion geht eine Lokalanästhesie mit Xylocain“ oder Scandicain“ voraus. Die Einstichstelle für den Trokar oder die Punktionsnadel befindet sich zwischen mittlerem und äußerem Drittel auf der Verbindungslinie zwischen Nabel und Spina iliaca anterior superior (Abb. 17.2). Die glatten Därme weichen der Punktionskanüle aus. Die Aszitesflüssigkeit muss langsam abgelassen werden. Mehr als drei Liter sollten nicht punktiert werden (Eiweißverlust!). Nach der Punktion wird die Punktionsstelle steril verbunden und der Bauch mit elastischen Binden komprimiert, um einen durch die Entlastung entstandenen Blutdruckabfall zu vermeiden.
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17 Punktionen
Abb. 17-2 Einstichstelle bei Aszitespunktion in halb linker Seitenlage zwischen mittlerem und äußerem Drittel auf einer Verbindungslinie zwischen Nabel und Spina iliaca anterior superior.
17.6 Hämatompunktion Nach vorausgegangener lokaler Infiltrationsanästhesie (Xylocain“ oder Scandicain“) wird mit einer Punktionsnadel das Hämatom an der abflusstechnisch günstigsten Stelle entleert. Anschließend wird ein Kompressionsverband angelegt.
17.7 Punktion einer Hydrozele bei älteren Patienten Nach Infiltrationsanästhesie wird mit der linken Hand die Hydrozele umfasst, vorgedrängt und die Skrotalhaut dabei gespannt. Dann erfolgt die Punktion mit einer mittelstarken Punktionsnadel in kranialer Richtung. Ultraschall und Diaphanoskopie sind eine wichtige Hilfe im Hinblick auf die Punktionsstelle. Ein „dunkles“ Areal entspricht dem Hoden und muss deshalb von der Punktion verschont werden. Eine Punktion einer Hydrozele im Kindesalter ist immer kontraindiziert, da dadurch die Ursache nicht beseitigt wird. Hydrozelen im Kindesalter stellen immer eine Operationsindikation dar. Sie haben immer eine Verbindung zur Bauchhöhle. Die Kommunikation, die im weiteren Sinn einen offenen Processus vaginalis darstellt, muss kausal durch Abtragen und nicht symptomatisch durch Punktion angegangen werden.
17.8 Lumbalpunktion Der Patient befindet sich in sitzender Position oder linker Seitenlage (Flachlagerung, Vermeidung einer seitlichen Verkrümmung der Wirbelsäule) mit „Katzenbuckel“ wobei der Kopf nach vorne gebeugt und die Beine so weit wie möglich an die Brust herangebracht werden). Nach vorausgegangener Lokalanästhesie (Infiltrationsanästhesie) erfolgt die Punktion zwischen dem 3. und 4. Processus spinosus der Lendenwirbel-
17.10 Hüftgelenkspunktion
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Abb. 17-3 Lumbalpunktion. Lokalisation der Einstichstelle bei Lumbalpunktion (Patient in nach vorne gebeugter, sitzender Position), an der Kreuzungsstelle zweier gedachter Linien: vertikale Linie über Processus spinosi der Dornfortsätze und einer horizontalverlaufenden Linie in Höhe der beiden cristae iliacae.
säule in der Medianebene (Abb. 17-3). Die Punktion gelingt nur, wenn durch Buckelbildung der Abstand der Dornfortsätze erweitert wird. Zur Liquoruntersuchung und Durchführung des Queckstedt-Tests wird der Patient in die linke, flache Seitenlage gebracht. Liquordrucknormalwert: 110⫺160 mm Wassersäule. Für die Liquoruntersuchung werden 8⫺10 ml Flüssigkeit entnommen. Lumbalpunktionen sind bei Verdacht auf erhöhten intrakraniellen Druck und bei Stauungspapille wegen der Gefahr der Hirnstammeinklemmung kontraindiziert.
17.9 Kniegelenkspunktion Der Patient befindet sich in Rückenlage. Das Knie ist gestreckt, die Muskulatur soll entspannt und die Patella locker verschieblich sein. Einstichstelle: in der Mitte des Dreiecks, das von medianer Patellarandmitte, Epicondylus femoris medialis und medialem Tibiakondylus gebildet wird (Abb. 17-4). Die Punktion wird erleichtert, wenn die Patella durch Druck auf den lateralen Patellarand nach medial geschoben und somit der Nadel entgegen gedrückt wird. Die Nadelführung ist annähernd horizontal und zeigt nur leicht nach hinten.
17.10 Hüftgelenkspunktion Der Patient befindet sich in Rückenlage, dabei muss die Muskulatur entspannt, die Hüfte leicht gebeugt und das Bein nach außen rotiert sein.
444
17 Punktionen
Abb. 17-4 Lokalisation der Punktionsstelle bei einer Kniegelenkspunktion. Die Punktionsstelle liegt in der Mitte des eingezeichneten Dreiecks, wo der angekreuzte Kreis zu finden ist.
Abb. 17-5 Lokalisation der Punktionsstelle bei einer Hüftgelenkspunktion: Mitte der Linie zwischen Spina iliaca anterior superior und Tuberculum pubicum, dann 20 mm nach unten, dann 20 mm nach lateral. Dort ist dann die Einstichstelle für die Hüftgelenkspunktion. Sie ist immer lateral von Arterie, Vene und Nerv.
Injektionsstelle (Abb. 17-5): Von der Mitte der Linie zwischen Spina iliaca anterior superior zum Tuberkulum pubicum geht man 2 cm nach lateral. Die Einstichstelle befindet sich immer lateral der Arteria femoralis (Abb. 17-5). Die Nadel wird senkrecht zur Oberfläche eingestochen, ca. 3⫺5 cm, bis man auf knöchernen Widerstand kommt.
17.11 Punktion des oberen Sprunggelenks Der Patient befindet sich in Rückenlage. Der Fuß befindet sich in mittlerer Extensionsstellung. Einstichstelle: Von der Vorwölbung des Malleolus medialis geht man in horizontaler Richtung ca. 2⫺4 cm nach ventral. Die Vertiefung, die man dort palpiert, liegt zwischen dem Vorderrand des Malleolus medialis und dem Talus. Die Nadel wird am tiefsten Punkt dieser Excavatio
17.14 Thoraxdrainagen
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Abb. 17-6 Lokalisation der Punktionsstelle bei einer Sprunggelenkspunktion. Punktionsstelle (angekreuzter Kreis) in der im Text definierten Weichteilexcavatio immer medial der Sehne des Musculus externus hallucis longus (Doppelkontur in der Abbildung).
immer medial der Sehne des Musculus extensor hallucis longus parallel zur Fußsohlenebene und in einem Innenrotationswinkel von 25 bis 30∞ ca. 15⫺20 mm tief eingestochen (Abb. 17-6).
17.12 Punktion des Schultergelenks Dabei befindet sich der Patient in Rückenlage, der Arm ist leicht abduziert und außenrotiert. Injektionsstelle: Man sucht sich zunächst den Processus coracoideus kaudal des lateralen Klavikulaabschnitts. Kaudal und lateral des Processus coracoideus zwischen Gelenkkopf und Rand der Fossa articularis scapulae liegt die Injektionsstelle. Die Nadel wird senkrecht zur Unterlage bis auf den Gelenkkopf, ca. 3⫺4 cm tief eingestochen.
17.13 Punktion des Ellenbogengelenks In sitzender Position werden der Arm in Rechtwinkelstellung in Schulterhöhe und der Unterarm in Pronationsstellung gehalten. Injektionsstelle: Sie befindet sich im Sulkus zwischen Epicondylus humeri lateralis und Processus coronoideus ulnae. Die Nadel wird annähernd horizontal in leicht kraniokaudaler Richtung zur Unterlage entlang des Sulkus ca. 1,5 bis 2 cm tief eingestochen.
17.14 Thoraxdrainagen Beachte: Die Bülau-Drainage (Indikation: Hämatothorax) wird im 6. ICR (vordere Axillarlinie), die Monaldi-Drainage (Indikation: Pneumothorax) im 3. ICR parasternal angelegt.
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17 Punktionen
Technik der Applikation des Thoraxdrains: 1. Desinfektion über dem betreffenden ICR 20 ⫻ 20 cm (z. B. mit Braunol-ratiopharm“). 2. Infiltrationsanästhesie (Xylocain“ oder Scandicain“) und Stichinzision der Haut ca. 1 cm über der Oberkante der Rippe 15⫺20 mm tief. 3. Vorschieben des Thoraxschlauches mit dem Trokar. Markierung (ca. 3 cm) am Trokar bzw. am Thoraxschlauch durch eine quer angelegte Kocherklemme, um ein tieferes Vorschieben des Thoraxdrains und um Verletzungen der Lunge oder des Herzens zu vermeiden. 4. Liegt der Trokar in der Pleurahöhle, so wird dieser zurückgezogen, die Thoraxdrainage abgeklemmt, der Schlauch gegebenenfalls noch etwas vorgeschoben und an der Thoraxfaszie und Haut mit Hilfe einer U-Naht sicher fixiert. 5. Anschließend wird der Schlauch über ein Zwischenstück an eine Saugapparatur angeschlossen. An dem Zurückfließen von Blut, Flüssigkeit oder an dem Beschlag auf der Innenseite (bei Pneumothorax) erkennt man die richtige Lage. Besonders zu beachten: 1. Die Einstichstelle in der Haut und die Durchtrittsstelle in den Thorax sind immer um einen Interkostalraum gegeneinander versetzt. Bei diesem Vorgehen kann der eingelegte Schlauch sich nicht bewegen, die Infektionsgefahr ist geringer und die Abdichtefunktion um den Schlauch besser als bei direktem Durchtritt vertikal durch die Thoraxwand. Nach Entfernen des Thoraxdrains legen sich die räumlich versetzten Öffnungen an der Pleura und der Haut visierartig übereinander und führen deshalb zu einer sicheren Abdichtung. Dies ist der Grund, warum Hautinzision und Eröffnung der Pleura mit dem Trocar um einen ICR versetzt schräg übereinander erfolgen sollen. 2. Die Fixation des Schlauches hat immer mit Hilfe einer U-Naht zu erfolgen, die nicht nur Haut und Subkutangewebe fasst, sondern bis auf die thorakale Faszie reicht. Ziel der Behandlung ist die Entlastung des Thorax durch einen in den Pleuraspalt eingelegten Schlauch bei einem Pyothorax, Hämatothorax und Pneumothorax.
17.15 Diagnostische Peritonealspülung
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17.15 Diagnostische Peritonealspülung 17.15.1 Vorbemerkung Die peritoneale Bauchspülung als Diagnostikum nach einem stumpfen Bauchtrauma ist fast ganz durch die Ultraschalluntersuchung oder eine Laparoskopie ersetzt worden. Die diagnostische Bauchspülung wird dennoch hier erwähnt, da sie in bestimmten Notfallsituationen schnell, einfach, sicher und aussagefähig durchgeführt werden kann. Die Bauchspülung erfolgt mit einem Bauchspülset für Kinder und Erwachsene.
17.15.2 Indikation Zum Ausschluss einer intraabdominellen Blutung wird bei stumpfem Bauchtrauma mit entsprechender Symptomatik eine diagnostische Peritonealspülung (Kern) empfohlen.
17.15.3 Technik 1. Mit dem Stichskalpell erfolgt unterhalb des Nabels im Bereich der Linea alba eine kleine Inzision. Die Inzision erfolgt bis auf den Widerstand der Linea alba. Ein mit einem Mandrin versehener Katheter wird dann in die Bauchhöhle vorgeschoben. Eine Verletzung der darunter liegenden Dünndarmschlingen ist nicht zu befürchten, da diese dem Instrument beim Einführen in die Bauchhöhle ausweichen (Abb. 17-7a). 2. Nach Einführen des Katheters wird der Mandrin zurückgezogen; fließt über den Katheter sofort Blut zurück, sind keine weiteren diagnostischen Maßnahmen notwendig. Ist dies nicht der Fall, wird der Katheter in die Bauchhöhle weiter vorgeschoben und ein Aspirationsversuch durchgeführt. Ergibt sich hier kein Anhaltspunkt für eine Blutung, so erfolgt die Instillation von 300⫺500 ml NaCl-Lösung. Bei Kleinkindern werden 10 ml/kg KG in 5 min infundiert. Durch Senken der Infusionsflasche kann die Spülflüssigkeit wieder zurückfließen. Bereits 25 ml Blut in der Bauchhöhle färben die Spülflüssigkeit rosa, was als positives Ergebnis zu werten ist. In jedem Fall erfolgt aus der Spülflüssigkeit eine Bestimmung der Amylase, der Leukozyten und der Erythrozyten. Grenzwerte: ⫺ Amylase: bis 100 Einheiten (Somogyi) pro 100 ml Spülflüssigkeit. ⫺ Leukozyten: bis 500 pro 100 ml Spülflüssigkeit. ⫺ Erythrozyten: bis 100 000 pro 100 ml Spülflüssigkeit (Abb. 17-7b, c).
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17 Punktionen
Abb. 17-7 (a) Positive Bauchspülung: Blut fließt über den eingeführten Schlauch zurück. (b) Instillation von Ringer-Lösung als Spülflüssigkeit (Einflusszeit: 15 min). (c) Rückfluss der instillierten Spülflüssigkeit.
Besonders zu beachten: 1. Bei Kindern, bei denen eine Voroperation im Bauch erfolgte, wird die Punktion weit genug entfernt von der ehemaligen Operationsnarbe durchgeführt. Im Zweifelsfall verzichten wir auf eine Bauchspülung und führen eine Laparoskopie durch (Storz-Instrumentarium). 2. Es sollen zur Bauchspülung immer spezielle Kinderkatheter verwendet werden, so dass alle Öffnungen des Katheters intraperitoneal zu liegen kommen.
17.16 Vollständig implantierbare zentrale Katheter
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3. Durch Drehen und Seitwärtslagerung des Kindes kann ein Vermischen der Spülflüssigkeit mit intraabdominellem Blut und Pankreassekret erleichtert werden. 4. In zweifelhaften Fällen soll immer einer Analyse der Spülflüssigkeit nach Blutfarbstoffgehalt, Amylase und Pflanzenbestandteilen (Darmperforation) durchgeführt werden.
17.16 Vollständig implantierbare zentrale Katheter ⫺ Port-A-Cath-Systeme oder Broviac-Katheter 17.16.1 Indikation Die Indikation für vollständig implantierbare zentralvenöse Kathetersysteme (Fresenius) ist bei Patienten mit einer intermittierenden Chemotherapie oder einer Langzeit-Ernährung gegeben: ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
akute lymphatische Leukämie, akute myeloische Leukämie, M. Hodgkin, Non-Hodgkin-Lymphom, Neuroblastom, Hepatoblastom, Osteosarkom, Ewing-Sarkom, entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Zöliakie, nekrotisierende Enterokolitis, Kurzdarmsyndrom.
Die Katheterimplantation kann bei Patienten jeden Alters durchgeführt werden (Neugeborene, Säuglinge, Kleinkinder, ältere Kinder, Jugendliche, Erwachsene). Vorteile sind schmerzlose Applikation, geringe Infektionsrate, lange Verweildauer, Bewegungsfreiheit und psychische Entlastung.
17.16.2 Beschreibung des Systems (Port-A-Cath) Dieses System ist ein vollständig implantierbares Kathetersystem (Fresenius) für die intraarterielle, intravenöse und intraperitoneale Applikation. Eine permanente Perfusion ist nicht erforderlich. Vielmehr ist es möglich, durch wiederholten perkutanen Zugang Kurz- und Langzeitinfusionen durchzuführen. Durch dieses Prinzip werden zwei wichtige Vorteile geschaffen:
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17 Punktionen
Abb. 17-8 Das Port-A-Cath System besteht aus einem Metallport mit einer Silikonmembran und einem Silikonkatheter, der in das Gefäßsystem implantiert wird. Mit Hilfe eines Sicherungsringes wird der Katheter am Metallport sicher fixiert.
1. Der Patient braucht nicht permanent an ein Infusionssystem angeschlossen zu werden. 2. Durch die subkutane Platzierung des Ports ist die Infektionsgefahr auf ein Minimum reduziert. Das System besteht aus zwei Hauptanteilen: 1. subkutan zu implantierenden Injektionsport, der aus einer konischen Kammer aus rostfreiem Stahl besteht, mit einer selbstschließenden Silikonmembran (Abb. 17-8) und 2. Silastikkatheter mit Sicherungsring zur Kammer. Der Katheter kann röntgenologisch jederzeit dargestellt werden. Die Punktion der Silikonmembran des Ports erfolgt mit abgewinkelten Huber-Nadeln (Abb. 17-9), ohne dass dabei Metallteilchen aus der selbstschließenden Silikonmembran herausgestanzt werden.
17.16.3 Implantationstechnik Die Implantation erfolgt immer in Allgemeinnarkose. 1. Das Kathetersystem wird mit heparinsierter physiologischer Kochsalzlösung gespült und angefüllt. Routinemäßig wird der Port in die
17.16 Vollständig implantierbare zentrale Katheter
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Abb. 17-9 Mit Hilfe der abgebildeten Huber-Nadel erfolgt die Punktion der Silikonmembran.
Vena jugularis interna rechts implantiert und der Port dann in der rechten oberen Thoraxhälfte subkutan auf der Pektoralisfaszie fixiert. 2. Der erste Schritt ist die Freipräparation der Vena jugularis interna über einen kleinen Hautschnitt im Zervikalbereich. Die direkte Platzierung in die Vena jugularis interna hat sich besonders bei kleinen Kindern bewährt, da damit die Möglichkeit besteht, einen größerlumigen Katheter zu platzieren. Wählt man den Zugang über periphere Venen wie etwa über die Vena jugularis externa, so kann dies auf technische Schwierigkeiten stoßen. 3. Anschließend erfolgt die Präparation einer subkutanen Tasche für die Implantation des Ports. Wichtig ist dabei, dass der Port immer oberhalb der Inzision zu liegen kommt, damit dabei der späteren Punktion die Inzisionsstelle nicht gefährdet wird. Bewährt hat sich dabei eine kleine Querinzision entlang der vorderen Axillarlinie bzw. lateral und oberhalb der Mamille. Von da aus wird der Port in den Bereich der vorderen Thoraxwand gebracht und mit resorbierbaren Einzelknopfnähten an der Pektoralisfaszie fixiert. Der Silikonkatheter wird mit Hilfe eines Sicherungsringes am Metallport fixiert. Die Untertunnelung der Haut zwischen den beiden Inzisionen erfolgt mit einem kleinen Klemmchen, dann wird der Katheter in den Tunnel platziert. Der letzte Schritt ist die Eröffnung der Vena jugularis in-
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17 Punktionen
terna und die Platzierung des Silikonkatheters unter röntgenologischer Sicht in die obere Hohlvene. 4. Wichtig ist dabei die Sicherung des Katheters mit Hilfe einer Naht an der Vena jugularis interna. Hier wird die Vene freipräpariert, angeschlungen, peripherwärts ligiert, zentral mit der Pottsschere eröffnet und durch diese Eröffnung der Katheter vorgeschoben. Bereits am Operationstisch erfolgen die transkutane Punktion des Portsystems und das Anschließen eines Infusionssystems.
17.16.4 Besonderheiten der Implantation Die Implantation des Port-A-Cath-Kathetersystems ist ein technisch nicht sehr aufwendiger Eingriff. Dennoch sind einige Punkte zu beachten, um ein langzeitiges Funktionieren des Systems zu gewährleisten. 1. Implantation des Katheters bei jungen Säuglingen in die Vena jugularis interna und nicht in die Vena jugularis externa. Verzichtet man auf dieses Vorgehen bzw. auf diese Vene, besteht die Gefahr, dass ein zu dünner Katheter implantiert wird, über den dann nicht die notwendigen Stoffe infundiert werden können. 2. Vermeidung von Schleifen- und Knickbildungen unmittelbar am Abgang des Port-A-Cath: Sie führen zu einem mechanischen Stop. Ein Funktionieren des Systems ist damit in Frage gestellt. Es hat sich bewährt, bereits am Operationstisch unter Röntgenkontrolle die exakte Platzierung des Kathetersystems zu kontrollieren. 3. Kontrolle der Lage der Katheterspitze: Es genügt nicht, den Katheter ohne intraoperative Röntgenkontrolle vorzuschieben. In wenigen Fällen kann der Katheter anstelle der zentralen Platzierung in die Vena axillaris gleiten bzw., wenn der zentrale Anteil zu lang belassen wurde, im rechten Vorhof platziert werden. 4. Ein Nachteil ist darin zu sehen, dass der Port mit der Silikonmembran hinsichtlich seiner Größe gerade bei jungen Säuglingen und Kleinkindern doch recht niveauerhaben ist. Es ist darauf zu achten, dass die Hautverhältnisse dabei nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Jedoch haben wir bisher keinen Fall erlebt, wo es aufgrund der Größe des Ports zu Wundheilungsstörungen gekommen ist.
18 Chirurgische Technik
18.1 Chirurgische Händedesinfektion Desinfektion bedeutet Freimachen von krankheitsauslösenden Mikroorganismen. Zur Anwendung gelangen ausschließlich die von der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie geprüften und für wirksam befundenen Desinfektionsmittel. Für welches der Desinfektionsmittel man sich entscheidet, bleibt den einzelnen Krankenhäusern vorbehalten ⫺ und somit auch die im Prinzip ähnlichen Desinfektionsverfahren (jedem Mittel für die chirurgische Händedesinfektion liegt eine entsprechende Gebrauchsanweisung bei). Bei den meisten zur Zeit im Handel befindlichen Desinfektionsmitteln ist in einem einzigen Waschprozess die mechanische Reinigung mit der bakteriziden Wirkung auf die der Haut anhaftenden Keime verbunden. Man geht folgendermaßen vor: ⫺ Schneiden und Putzen der Nägel, ⫺ Vorwaschen der Hände mit Seife (Dauer 2 min), ⫺ Desinfektion der Hände und Unterarme mit dem Desinfektionsmittel (z. B. Sterillium) 3 min mit steriler Bürste und anschließend Waschen 2 min ohne Bürste. Händedesinfektionsmittel soll mindestens 30 Sekunden auf der Haut verrieben werden. Während der Desinfektion müssen die Hände nach oben gehalten werden, um ein Zurückfließen von Wasser aus unsterilen Hautbezirken (Ellenbogen) zu vermeiden. Beachte: Bei der Händedesinfektion sollen in besonderem Maße Daumen, Daumenballen, Zwischenfingerfalten und Fingerspitzen mit einbezogen werden. Händedesinfektion ist notwendig 1. vor allen invasiven Eingriffen, 2. vor Kontakt mit abwehrgeschwächten Patienten und Patienten, die eine zytostatische Therapie erhalten,
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18 Chirurgische Technik
3. vor und nach Verbandwechsel, 4. nach Kontakt mit infizierten Patienten. Einmalhandschuhe dürfen nur einmal benutzt werden. Sie schützen das Personal vor Selbstinfektion bei Berührung der Patienten, Berührung von Wunden und bei Verbandwechsel und schützen vor einer Übertragung von Erregern von Patient zu Patient durch das Personal. Bei HIV-infizierten Patienten ist auf Folgendes zu achten: 1. Vermeidung von Haut- und Schleimhautkontakten mit Blut und Körperflüssigkeiten, 2. Vermeidung von perkutanen Kontakten, insbesondere durch Nadelstichverletzungen.
18.2 Vorbereitung des Operationsgebietes Entscheidend ist die Säuberung und Desinfektion des Operationsgebietes. Es gehört zur Säuberung des Operationsgebietes, dass die betreffenden Körperabschnitte enthaart, gewaschen, gereinigt und mit einem fettlösenden Mittel behandelt werden. Um Riss-Quetschwunden im Bereich des behaarten Kopfes muss ein ca. 1,5⫺2 cm breiter, rasierter Saum angelegt werden, damit die Wundversorgung, einschließlich Naht, und der Verband durchgeführt bzw. angelegt werden können. Nach der Säuberung des Operationsgebietes erfolgt die Desinfektion, die im Allgemeinen nach den im jeweiligen Krankenhaus geltenden Grundsätzen vorgenommen wird, wobei die wirksamste Methode die dreimalige Desinfektion (z. B. Braunol-ratiopharm“) des entsprechenden Körperabschnitts ist. Dabei wird jedes Mal vom Zentrum des Operationsgebietes aus in die Peripherie durch spiralenförmige Bewegungen mit dem Tupfer die Haut desinfiziert. Desinfektion des Operationsbereiches durch Hin- und Herwischen trägt Keime von der Peripherie in den Operationsbereich und ist deshalb zu vermeiden. Bei Eingriffen an Fingern und Zehen sowie am Knöchel, am Handgelenk bzw. am Unterarm und am Unterschenkel muss immer die gesamte Zirkumferenz desinfiziert werden. Bei Desinfektionen im Gesicht, vor allem im Bereich der Nase, der Augen, des Ohrs und des Mundes muss darauf geachtet werden, dass die Desinfektionsmittel nicht in diese Körperöffnungen eindringen. OP-Kleider ⫺ OP-Handschuhe Vor jedem operativen Eingriff muss sich der Operateur umziehen, d. h. Anlegen einer nur für den OP-Bereich bestimmten Hose, eines OP-Hem-
18.3 Lokalanästhesie
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des und nur im OP-Bereich benutzter Schuhe (Schuhwaschmaschinen bereiten die Schuhe täglich auf). Bei Betreten des Operationsbereiches muss der Operateur Kopfbedeckung und Mundschutz tragen. Nach erfolgter Händedesinfektion und Betreten des Operationssaales wird dem Operateur ein Operationskittel gereicht, wobei ein sog. Springer dem Operateur in den Kittel hilft. Anschließend Anlegen der OP-Handschuhe (Lohmann). Dann erfolgt das Abdecken des Operationsfeldes und gegebenenfalls erneuter Handschuhwechsel unmittelbar vor der Operation.
18.3 Lokalanästhesie 18.3.1 Lokalanästhesie als Leitungs- oder Infiltrationsanästhesie Da die Lokalanästhesie vom Säureamidtyp sich durch eine lange Wirkungsdauer und eine niedrige Sensibilisierungsrate auszeichnen, sollten diese den Präparaten vom Estertyp vorzogen werden. Zur Leitungsblockade eignen sich besonders Xylocain“, wobei die Lösung in die unmittelbare Nähe eines Nervenstammes appliziert wird. Vom Chirurgen kann die infiltrative Blockanalgesie an Zehen und Fingern (Oberst), Rektum und Anus (Blockade des N. haemorrhoidalis) und Penis (Penisblockade) durchgeführt werden. Bei der Infiltrationsanästhesie injiziert man nach Setzen einer Hautquaddel an der Punktionsstelle mit einer ausreichend langen Nadel das Lokalanästhetikum rautenförmig in verschiedenen Ebenen (Feldblockade). Dabei wird nach wiederholter Aspiration beim Vorschieben der Nadel die größere Menge des Lokalanästhetikums beim Zurückziehen appliziert. Vor der Reposition von Knochenbrüchen wird die Kanülenspitze unter ständiger Aspiration in das Frakturhämatom gebracht und durch Infiltration des Hämatoms die Bruchspaltanalgesie erreicht. Die Alternative ist die Leitungsanästhesie. Vasokonstriktorzusätze sind kontraindiziert an Fingern, Zehen, Penis sowie bei Tachykardie, Rhythmusstörungen, Koronarsklerose, Hyperthyreose und Phäochromozytom. Wegen der möglichen, aber seltenen systemtoxischen Reaktionen auf Lokalanästhetika (Stimulation und/oder Depression des ZNS, Bradykardie, Asystolie, Vasodilatation, allergische Reaktionen, Nebenwirkungen durch Adrenalin und psychogene Reaktionen) sollten grundsätzlich folgende Vorbereitungen getroffen werden:
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18 Chirurgische Technik
⫺ Liegende Infusion, Sauerstoff und Beatmungsmöglichkeiten, Möglichkeit zur endotrachealen Intubation und Sauerstoffbeatmung, Absaugvorrichtung, ⫺ Medikamente (Vagolytika, Vasodepressoren, Kortison, Antihistaminika, Sedativa). Die Kontraindikationen der Lokalanästhesie ergeben sich aus der erhöhten Resorptionsgeschwindigkeit, wie sie beim Erysipel, bei der Phlegmone und bei traumatisierten Gewebe vorliegt. In der Tab. 18-1 sind die Maximalvolumina der gebräuchlichsten Lokalanästhetika für Erwachsene (70 kg) dargestellt; die Menge für Kinder reduziert sich, bezogen auf das Körpergewicht, prozentual. Da Lösungen mit Adrenalinzusatz langsamer aus dem infiltrierten Bereich diffundieren, kann hier die Dosis erhöht werden. Zur Infiltration eignen sich besonders Lidocain (Xylocain“), Mepivacain (Scandicain“) in einer 0,5⫺1 %igen Lösung, zur Leitungsanästhesie z. B. mit Xylocain“. Tab. 18-1 Maximalvolumina der gebräuchlichsten Lokalanästhetika (in ml).
Lidocain Prilocain Mepivacain Bupivacain
mit Adrenalin ohne Adrenalin mit Adrenalin ohne Adrenalin mit Adrenalin ohne Adrenalin mit Adrenalin ohne Adrenalin
(1:100 000) (1: 200 000) (1: 200 000) (1: 200 000)
2%
1%
0,5 % 0,25 %
25 10 30 20 25 18
50 20 60 40 50 35
100 40 ⫺ ⫺ 100 70 45 30
⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ 90 60
18.3.2 Kontraindikation ⫺ Überempfindlichkeit gegen Lokalanästhetika, ⫺ Entzündungen (Phlegmone, eitrige Infektionen) im zu infiltrierenden Bereich, ⫺ fehlende Einverständniserklärung des Patienten, ⫺ Neugeborene, Säuglinge und Kleinkinder, bei denen die Einsicht für diese Form der Narkose nicht besteht und die motorische Unruhe nicht ausgeschaltet werden kann. Besonders zu beachten: Durch den Zusatz von Vasokonstriktoren zu dem Lokalanästhetikum ist die Blutungszeit im Operationsgebiet herabgesetzt. Gleichzeitig wird aber die Resorption des infiltrierten Lo-
18.3 Lokalanästhesie
457
kalanästhetikum reduziert, was eine Erhöhung der erlaubten Maximaldosis bis auf das Doppelte ermöglicht, ohne dass Nebenwirkungen befürchtet werden müssen. Kontraindikation ist jedoch der Einsatz von Lokalanästhetika in Kombination mit Vasokonstriktoren bei den Endartieren, d. h. an den Fingern, den Zehen und am Penis, da eine irreversible Vasokonstriktion zur Gangrän führen kann. Weiterhin besteht eine Kontraindikation bei Patienten mit Bluthochdruck, Herzklappenfehlern, Hypothyreose und Diabetes.
18.3.3 Vermeidung von Zwischenfällen bei der Lokalanästhesie ⫺ Immer ist eine sorgfältige Anamnese im Hinblick auf früher aufgetretene Nebenreaktionen, im Hinblick auf Lokalanästhetika, z. B. beim Zahnarzt, zu eruieren. ⫺ Die genaue Kenntnis der Höchstdosierung des jeweils verwendeten Lokalanästhetikums ist eine wichtige Voraussetzung für die Anwendung der Lokalanästhetika. ⫺ Intravasale Injektionen müssen unbedingt vermieden werden (Kontrolle durch Aspirationsversuch während des Ablaufs der Lokalanästhesie.
18.3.4 Symptomatik von LokalanästhesieNebenwirkungen ⫺ Urticaria, ödematöse Schleimhautschwellungen von Nase, Pharynx und Larynx. ⫺ Unspezifische Unverträglichkeitsreaktionen, wie Angstempfindung. ⫺ Bei unsicherer Anamnese empfiehlt sich daher im Notfall vorsichtshalber ein Intrakutantest. Besonders zu beachten ist hierbei, dass bereits ein solcher Intrakutantest zu schweren allergischen Reaktionen mit anaphylaktischem Schock führen kann.
18.3.5 Technik der Lokalanästhesie Bei der Infiltrationsanästhesie wird zunächst mit einer sehr dünnen Nadel im späteren operationsfreien Bereich ein kleines Depot gesetzt. Von diesem Depot aus erfolgt dann in V-förmiger Richtung ein Umspritzen des Operationsfeldes durch vorsichtiges Vorschieben der Injektionskanüle.
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18 Chirurgische Technik
Die Infiltration erfolgt hierbei in divergierender Richtung. Von den Schenkeln dieses V erfolgt dann in konvergierender Richtung ein weiteres Umspritzen des Operationsfeldes und Infiltration des Lokalanästhetikums in umgekehrter Richtung. Bei Wundversorgung soll die Infiltration wegen der Gefahr der Keimverschleppung aus den evtl. kontaminierten Wundrändern nicht vom Wundrand her erfolgen. Das Lokalanästhetikum kann aber auch ohne Kontakt der Nadelspitze mit der Wunde in die Wunde selbst geträufelt werden, um dadurch einen wirkungsvollen lokalanästhesistischen Effekt zu erzielen. Bei völlig sauberen Wunden, wie bei Kopfplatzwunden, ist dies jedoch möglich. Dies hat den Vorteil, dass der Einstich vom Wundrand her weniger schmerzhaft ist als die Infiltration von der gesunden Haut. Bei besonders ängstlichen Patienten und bei Kindern ist es zweckmäßig, zunächst lokal Chloräthyl auf die Haut als lokales Anästhetikum aufzuträufeln und von hier aus das Depot und den ersten Einstich für die Lokalanästhesie zu setzen. Das Operationsgebiet selbst wird nicht infiltriert.
18.3.6 Indikation für eine Lokalanästhesie Kleine Tumore, Lipome, Lymphknotenexstirpation, Weichteilverletzungen, Schnittverletzungen, Atherome, Warzen, Eingriffe an den Endphalangen von Fingern und Zehen.
18.3.7 Oberst’sche Leitungsanästhesie an Fingern und Zehen ⫺ Indiziert bei operativen Eingriffen in Endgliedern von Fingern und Zehen. ⫺ Kontraindiziert dann, wenn bei entzündlichen Erscheinungen das distale Interphalangealgelenk überschritten ist. ⫺ Bei entzündlichen Veränderungen muss mit verzögertem Wirkungseintritt gerechnet werden. ⫺ Bei Verletzungen müssen Mobilität und Sensibilität vor Anlegen der Leitungsanästhesie überprüft werden. ⫺ Einstichstelle mit dünner kurzer 18er Nadel in Höhe der Metakarpalköpfchen und Setzen einer Quaddel. ⫺ Nadel auf die Gegenseite zur Betäubung der 2. Einstichstelle vorschieben und Quaddel setzen. ⫺ Anschließend Zurückziehen der Nadel, Infiltration des Lokalanästhetikums in Höhe der Metakarpalköpfchen um die beiden dorsalen
18.3 Lokalanästhesie
459
Fingernerven und dann die beiden volaren Fingernerven mit dem Lokalanästhetikum zu erreichen. ⫺ Wenig Lokalanästhetikum verwenden, um eine zu pralle Infiltration des Gewebes mit evtl. Beeinträchtigung der Durchblutung zu vermeiden.
18.3.8 Lokalanästhetikum im infizierten Bereich Abszesse sollen in Allgemeinnarkosen und nicht in Lokalanästhesie behandelt werden. Bei größeren Eiteransammlungen und bei phlegmonösen Entzündungen ist wegen der Ausbreitungsgefahr von einer Umspritzung oder Infiltration abzusehen. Kleine umschriebene Abszesse, bei denen die Nadel mit Sicherheit das entzündete Gewebe bzw. Eiterherde nicht erreicht, können umspritzt werden. Kälteanästhesie mit Chloräthylspray als Lokalanästhetikum für Abszessinzisionen sollte nicht angewandt werden, da die analgesierende Wirkung unzureichend ist, die Inzision und die Drainage des Abszesses inadäquat ist und Eiter und Nekrosen nur ungenügend entfernt werden können. Bei einer solchen Vorgehensweise liegt die Rezidivquote ca. zehnmal höher.
18.3.9 Anwendung der Chloräthylsprays Der Einsatz des Chloräthylsprays ist bei Kindern oder besonders sensiblen Erwachsenen möglich, um den ersten Einstich der Infiltrationsund Leitungsanästhesie möglichst unempfindlich zu machen und den lokalen Schmerz bei Wunden zu reduzieren.
18.3.10 Anwendung von Oberflächenanästhetika Bei Kindern und sehr sensiblen Erwachsenen kann man die Wundränder kleinerer Verletzungen, die genäht werden sollen, mit einem aufgeträufelten Lokalanästhetikum, wie es z. B. bei der Schleimhautanalgesie angewendet wird, betäuben, z. B. mit Xylocain“. Besonders zu beachten bei der Lokalanästhesie sind die folgenden Punkte: ⫺ Genaue Anamnese des Patienten im Hinblick auf evtl. Nebenwirkungen erstellen. ⫺ Zur Sicherheit immer Beatmungsgerät und Intubationsbesteck sowie folgende Medikamente bereithalten: Theophyllin-ratiopharm“, Verapamil-ratiopharm“, Dexa-ratiopharm“, Furosemid-ratiopharm“,
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⫺
⫺ ⫺ ⫺
⫺ ⫺ ⫺ ⫺
⫺
⫺ ⫺ ⫺ ⫺
18 Chirurgische Technik
Diazepam-ratiopharm“, Diclofenac-ratiopharm“ SF, Morphin-ratiopharm“, Tramadol-ratiopharm“, Suprarenin, Plasmaexpander. Bei ausgedehnteren Wunden und größerer Infiltrationsanästhesie sowie bei besonders ängstlichen Patienten sollte immer ein venöser Zugang angelegt werden. Bei besonders ängstlichen Patienten und Jugendlichen sollte man zudem vorher 5⫺10 ml Diazepam-ratiopharm“ i. v. verabreichen. Regelmäßig laufende Blutkontrollen bei längeren und größeren Eingriffen, Gespräch mit dem Patienten führen und sich laufend über sein Befinden erkundigen. Immer die möglichst niedrigste Konzentration an Lokalanästhetikum verwenden. Verwenden der Lokalanästhetika mit Vasokonstriktoren in einem Mischungsverhältnis von 1:100 000 bis 1: 200 000. Verzögerung der Resportion, Reduzierung der Blutungsneigung in stark durchblutetem Gewebe. Kontraindiziert ist dies an Fingern, Zehen und am Penis. Schmerzarme Injektionstechnik durch Nadelwechsel und Betäubung der jeweils nächsten Einstichstelle von der ersten Injektion aus. Betäubung der ersten Einstichstelle auf der Haut evtl. mit Chloräthylspray oder Dermojet. Vermeidung intravasaler Injektionen von Lokalanästhetika durch ständige Bewegung der Nadel. Wiederholte Aspirationen, wobei darauf zu achten ist, dass kein Blut in der Spritze erscheinen darf. Vermeidung von praller Infiltration des Gewebes, vor allem an den Fingern und Zehen. Es darf nicht zur Weißverfärbung der Haut kommen, da es dadurch zu einer Kompression der Gefäße kommen kann. Verwendung von Nadeln und Spritzen mit Luer-lock-Anschluss bei Infiltration in derbes Gewebe (Handfläche, Fußsohle, Kopfschwarte). Bei normalem Nadelaufsatz kann es bei zu hohem Druck zu einem Abspringen des Nadelaufsatzes von der Spritze kommen. Sofortige Unterbrechung der Infiltration bei Klage des Patienten über Schwindel, Benommenheit und Brechreiz. Vor dem Operationsbeginn analgetische Wirkung abwarten. Prüfung der analgetischen Wirkung im anästhesierten Bereich mit Hilfe einer Injektionsnadel. Stellt sich heraus, dass die analgetische Wirkung durch die Infiltrationsanästhesie nicht ausreicht, ist die Revision abzubrechen, der operative Eingriff ist dann in Allgemeinnarkose durchzuführen. Belehrung und Aufklärung des Patienten im Hinblick auf den operativen Eingriff, mögliche Nebenwirkungen und auch über die anhal-
18.5 Nahtmaterial
461
tenden Nachwirkungen der Lokalanästhesie sind dem Patienten zu sagen. ⫺ Bereits vor der Operation sollte der Patient darauf hingewiesen werden, dass je nach Art, Größe und Ausdehnung des Eingriffes und der hierzu nötigen Menge und Konzentration an Lokalanästhetika Nachwirkungen auftreten können, die die Verkehrstüchtigkeit beeinflussen. In diesem Fall sollte, insbesondere nach größeren Eingriffen, der Patient einen Überwachungsraum gebracht werden, in dem er über einen Zeitraum von 1⫺3 h überwacht werden und sich ausruhen kann.
18.4 Abdecken des Operationsgebiets Bevor man mit irgendeinem Eingriff beginnt (auch Lokalanästhesie), werden alle unsterilen Gebiete um das vorher desinfizierte, vorbereitete Operationsgebiet mit sterilen Tüchern oder den sehr zweckmäßigen OPTapes abgedeckt. Um ein Verrutschen und Verschieben der Tücher untereinander zu vermeiden, werden diese mit den oben genannten Tapes miteinander fixiert. Tuchklemmen werden nicht verwendet. Die längliche Öffnung bei Schlitztüchern wird ebenfalls den lokalen Größenverhältnissen durch Tapes angepasst.
18.5 Nahtmaterial 18.5.1 Empfohlenes Nahtmaterial für Kinder Die Tab. 18-2 gibt einen Überblick über für Kinder geeignetes Nahtmaterial. Tab. 18-2 Empfohlenes Nahtmaterial für Kinder. Gewebe
Nahtmaterial
Stärke Nadeltyp USP
Hautnaht (Thorax, Abdomen, Extremitäten ohne Spannung) Hautnaht (Gesicht) Lippennaht, Wangenschleimhaut Naht von Hauttransplantaten Fasziennaht Muskelnaht Sehnennaht Gefäßnaht Peritonealnaht
Prolene
4-0
FS-1, FS-2
Vicryl rapid Vicryl rapid Vicryl Monocryl ungefärbt Vicryl PDS Prolene Vicryl Plus
5-0 5-0 5-0 2-0 3-0 4-0 5-0 2-0
P-3 RB-1, TF P-3 CT-3 CT-3 P-3 C-1, RB-1 CT-3
462
18 Chirurgische Technik
18.5.2 Empfohlenes Nahtmaterial für Erwachsene In Tab. 18-3 ist das empfohlene Nahtmaterial für Erwachsene zusammengestellt. Tab. 18-3 Empfohlenes Nahtmaterial für Erwachsene. Gewebe
Nahtmaterial
Stärke USP
Nadeltyp
Hautnaht (Thorax, Abdomen, Extremitäten ohne Spannung) Hautnaht (Gesicht) Lippennaht, Wangenschleimhaut Naht von Hauttransplantaten Fasziennaht Muskelnaht Sehnennaht Gefäßnaht Peritonealnaht
Prolene
3-0, 2-0
FS-1, FS-2
Prolene Vicryl rapid
5-0 3-0
P-3 RB-1, TF
Prolene Monocryl ungefärbt Vicryl Prolene Prolene Vicryl Plus
4-0 0 3-0 4-0 4-0 0
FS-2 CT-2 CT-2 ST-4 C-1, RB-1 CT-2
1/2 Kreis rund
TF
CT-3
RB-1
CT-2
3/8 Kreis rund
C-1
3/8 Kreis schneidend
FS-2
FS-1
3/8 Kreis schneidend Präzisionsspitze
P-3
18.5.3 Instrumentarium 1. Nadelhalter mit oder ohne Einraster als Arretierung an den Handgriffen. Nadelhalter ohne Arretierung werden vor allem bei Nervennähten und Gefäßnähten verwendet. Ferner gibt es Nadelhalter mit ein-
18.5 Nahtmaterial
463
geschliffenen Scherenbranchen, wie man sie bei atraumatischer Nahttechnik verwendet (z. B. Prolene“). 2. Nadel: Es gibt gerade Nadeln, wie sie bei Sehnennähten (BunnellNaht) verwendet werden, und gleichförmig gekrümmte Nadeln (runde und scharfe Nadeln), wobei der Krümmungsradius den lokalen anatomischen Verhältnissen angepasst werden soll. Das Öhr der Nadel kann dabei zwei verschiedene Formen haben (Abb. 18-1, zum Einfädeln siehe Abb. 18-2). Daneben gibt es atraumatische Nähte (s. u.), wobei die Nadel mit dem Faden verschweißt ist und ein Nadelöhr nicht besteht.
Abb. 18-1 Formen des Nadelöhrs.
Abb. 18-2 Technik des Einfädelns in ein Patentnadelöhr.
18.5.4 Indikation für eine atraumatische Naht Diese Naht ist bei Operationen an der Lunge und im gastrointestinalen System, in der Gefäßchirurgie sowie bei Operationen, bei denen aus kosmetischen Gründen eine unauffällige Narbe zurückbleiben soll, fer-
464
18 Chirurgische Technik
ner auch in der Handchirurgie und bei der Hautnaht, um eine möglichst geringe Traumatisierung des Gewebes zu erzeugen, indiziert.
18.5.5 Fadenmaterial Man verwendet: 1. resorbierbares Nahtmaterial (z. B. Vicryl“ rapid oder Plus, Monocryl“, PDSII), 2. nicht resorbierbares Nahtmaterial (z. B. Stahldraht, Mersilene“, Ethibond“, Ethilon“, Prolene“) wie folgt: ⫺ äußere Haut: nicht resorbierbares Nahtmaterial (wie z. B. Prolene“), ⫺ subkutanes Gewebe: resorbierbares Material (z. B. Vicryl“), ⫺ Faszien, Aponeurosen und Bänder: resorbierbares Material (Vicryl“, PDS), ⫺ Muskeln, Peritoneum; Vicryl“ Plus, ⫺ Sehnen, PDSII, Prolene“, Ethibond, Draht, ⫺ Schleimhäute: Vicryl“ rapid. Merke: 1. Nahtmaterial soll möglichst unter der geringsten Gewebespannung geknotet werden, da sonst Ödemgefahr und Nekrosegefahr infolge Gefäßzerrung und Gefäßkompression besteht. Erreger und Nekrosen führen unweigerlich zur Fremdkörperinfektion. Dies gilt vor allem bei Nähten an der Hand. 2. Breite Unterbindung, dickes Nahtmaterial, sich lösende Knoten und lange Fadenstümpfe begünstigen die Infektion. 3. Schlechte Blutstillung, Totraum, Quetschungen der Hautränder und dicke Fäden sowie strangulierende Fadenschlingen führen zur Infektion. Nie zuviel subkutanes resorbierbares Material versenken, sondern nur Adaptationsnähte, die die Hautnähte entlasten sollen, setzen (Abb. 18-3). 4. Muskelnähte dürfen nur ganz locker gelegt werden, um eine Adaptationsnaht zu erreichen. 5. Vor jedem Wundverschluss wird, wenn mit einer postoperativen Sickerblutung zu rechnen ist, eine Redon-Drainage (Fingerredon oder Normalredon) mit Saugöffnungen eingelegt, an der gesunden Haut fixiert und in eine Flasche mit Unterdruck geleitet. Redons bleiben durchschnittlich 3 Tage liegen.
18.6 Technik der Hautnaht
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Abb. 18-3 Minimaldosis zur Abszesserzeugung durch Staphylokokken; Fremdkörper vergrößern die Infektionsgefahr 100- bis 10 000fach.
18.6 Technik der Hautnaht 18.6.1 Vorbemerkungen Jede Hautnaht soll so angelegt werden, dass eine lückenlose, spannungsfreie Adaptation der frischen Wundränder gewährleistet ist. Einund Ausstichstelle der Hautnaht sollen vom Wundrand gleichen Abstand haben, und es muss jeweils gleich viel subkutanes Gewebe miterfasst werden. Einstich-Ausstich-Linie muss in allen Fällen die Wundlinie in einem rechten Winkel kreuzen (Abb. 18-4). Ein- und Ausstichstelle sollen gleich weit vom Wundrand entfernt sein; der Stich gleich tief und anschließend locker geknüpft sein. Besonders zu beachten sind die folgenden Punkte: 1. Exakte Readaptation der Wundränder ohne Überlappen oder Einstülpen der Wundränder.
Abb. 18-4 Technik der Blair-Donati-Naht.
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18 Chirurgische Technik
2. Korrektur von Hautzipfeln nach ovalärer Hautexzision durch Resektion dieser Enden. 3. Wundrandadaptation bei triangelförmigen Wunden durch intrakutane invertierende Naht. 4. Unterminierung der Wundränder zur Mobilisation der Haut mit Skalpell oder Schere, zur Entlastung der Hautnaht und zur Verminderung der Spannung. 5. Sicherung des Wundverschlusses mit Steristrips oder Pflaster von Master-Aid“. 6. Lückenlose Adaptation aller Schichten einer tiefen Wunde und vorübergehendes Einlegen einer Wunddrainage zur Vermeidung von Hohlräumen, Hämatomen und Seromen und zur Verbesserung der Wundheilung. Besonders zu beachten ⴚ Vermeidung von Komplikationen: Fadenfisteln entstehen, ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
wenn zu dickes Nahtmaterial verwendet wird, wenn zu viele Knoten gesetzt werden (mehr als drei), wenn die Knoten zu locker übereinander gelegt werden, wenn keine invertierende Subkutannaht gelegt wird, so dass die freien Ränder des abgeschnittenen Fadens im subkutanen Bereich zu einer Reizung und zu einem Serom führen.
Im Folgenden werden die vier wichtigsten Nahttechniken in der Unfallund Notfallchirurgie beschrieben.
18.6.2 Einfache Knopfnähte Einfache Knopfnähte (s. u., Abb. 18-8) sind am gebräuchlichsten. Hautränder müssen genau nebeneinander (Stoß auf Stoß) liegen (s. auch unter Technik der Hautnaht)!
18.6.3 Blair-Donati-Naht (evertierende Naht) Die Blair-Donati-Naht (Abb. 18-4) eignet sich besonders gut, wenn durch die Naht reichlich subkutanes Fettgewebe mit erfasst werden muss und Ein- und Ausstichstelle weiter als 10 mm vom Wundrand entfernt sind, wobei gleichzeitig eine gute Adaptation erreicht wird. Sie findet vor allem Anwendung beim Verschluss von Laparotomie- und Thoraxwunden sowie bei Hautnähten an den unteren und oberen Extremitäten.
18.7 Technik des Knotens
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18.6.4 Intrakutane Naht Die intrakutane Naht (Abb. 18-5) ist besonders dort indiziert, wo es aus kosmetischen Gründen auf eine später möglichst unauffällige Narbe ankommt. Intrakutan fortlaufende Hautnähte sind vor allem bei Eingriffen in der Kinderchirurgie indiziert.
Abb. 18-5 Technik der intrakutanen Einzelknopfnaht.
Abb. 18-6 Technik der ausstülpenden U-Naht.
18.6.5 Ausstülpende U-Naht Wenn die Wundränder dazu neigen, sich einzustülpen, verwendet man ausstülpende U-Nähte (Abb. 18-6).
18.7 Technik des Knotens 18.7.1 Vorbemerkung Knoten sind in unmittelbare Nähe des Wundrandes zu legen, denn nur so sind die Voraussetzungen für ein kosmetisch gutes Resultat gegeben (Abb. 18-7).
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18 Chirurgische Technik
Abb. 18-7 Lokalisation der Knoten.
18.7.2 Der einfache Knoten Technik des Knüpfens (Abb. 18-8): 1. Rotationsbewegung der rechten Hand von Pronationsstellung in Supinationsstellung. 2. Gekrümmtes Endglied des Mittelfingers führt den Faden in Pfeilrichtung. 3. Mittelfinger mit Faden kommt über dem zwischen Ringfinger und Daumen/Zeigefinger gespannten Faden zu liegen.
18.7 Technik des Knotens
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Abb. 18-8 Technik des Knüpfens.
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18 Chirurgische Technik
4. Streckbewegung des Mittelfingers, gleichzeitig Ringfinger aus der Schlaufe zurückziehen. 5. Parallel zur Mittelfingerstreckbewegung geht das Loslassen des Fadens durch den Zeigerfinger/Daumen 6. Durchziehen des Fadens über den Fingerrücken und erneutes Fassen des Fadens mit Daumen und Zeigefinger. 7. Gelegter Knoten.
18.7.3 Der chirurgische Knoten Die Abb. 18-9 zeigt den einfachen und den chirurgischen Knoten.
Abb. 18-9 Die zwei wichtigsten Knoten: (a) einfacher Knoten, (b) chirurgischer Knoten.
Abb. 18-10 Technik des Knotens mit dem Instrument (a⫺d).
18.8 Entfernen des Nahtmaterials
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18.7.4 Knoten mit dem Instrument Beim Knoten mit dem Instrument (Abb. 18-10) ist wichtig, dass der erste Knoten kein geworfener Knoten, sondern ein einfacher oder chirurgischer Knoten ist, auf den dann ein zweiter Knoten gesetzt wird, ohne dass sich bei diesem Knotenvorgang der erste Knoten lockert.
18.8 Entfernen des Nahtmaterials Die Reißfestigkeit der Wunde nimmt im Allgemeinen vom 4. Tag an zu (Abb. 18-11, Abb. 18-12). Bei Kindern ergibt sich eine Verschiebung der gesamten Kurve nach links und eine Zunahme der Steilheit; bei älteren Patienten sind die Verhältnisse genau umgekehrt. Beim Entfernen des Haut-Nahtmaterials muss daher auf folgende Punkte geachtet werden: 1. Kosmetischer Faktor: Je früher die Fäden entfernt werden, desto weniger auffallend das Narbenbild. 2. Altersfaktor: Je älter die Patienten, desto langsamer ist der Heilungsverlauf. 3. Lokalisationsfaktor: Hautfäden in mechanisch beanspruchten Körperteilen länger liegen lassen.
Abb. 18-11 Darstellung der Reißfestigkeit der Wunde in Abhängigkeit von der Zeit (RF: Reißfestigkeit).
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18 Chirurgische Technik
Abb. 18-12 Darstellung des Resorptionsverlaufes von Vicryl rapid und Vicryl.
4. Sterilitätsfaktor der Wunde: infizierte Wunde heilen schlechter, d. h. langsamer, manchmal mit Wundranddehiszenz, meist mit breiter Narbe, was sich bereits am 7.⫺10 Tag optisch deutlich anbahnt. 5. Narbenprophylaxe: Bei den unter Punkt 4 genannten Wundheilungsstörungen ist in diesen Fällen eine narbenpräventive Therapie mit Contractubex“ indiziert. Sie sollte zweimal am Tag appliziert werden über die Dauer von ca. 3⫺6 Monaten. Die entscheidenden pharmakokinetischen Komponenten sind Heparin, Extractum cepae und Allantoin. Um die Wirkung zu verstärken ist es empfehlenswert, nach Applikation einen Kompressionsverband anzulegen. 6. Im Allgemeinen entfernt man das Haut-Nahtmaterial im Bereich ⫺ des Kopfes zwischen dem 4.⫺6. Tag, ⫺ der Extremitäten zwischen dem 10.⫺14. Tag, ⫺ des Abdomens und Thorax zwischen dem 7.⫺10 Tag. Bei Leistenhernienoperationen und Appendektomien wird Nahtmaterial durchschnittlich am 7. Tag entfernt.
18.9 Hautklebung Um kosmetisch einwandfreie Verhältnisse nach Abheilen der Wund zu erreichen, kann an Stelle einer Hautnaht ein Hautkleber verwendet werden (z. B. Dermabond). Voraussetzung für optimale Wundheilungsverhältnisse und eine kosmetisch unauffällige Narbe ist eine invertierende, subkutane Hautnaht. Sie hat die Aufgabe, die Wundränder möglichst
18.10 Verbandtechnik
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spannungsfrei durch diese Nahttechnik möglichst eng aneinander zu bringen. Man verwendet eine invertierende Subkutannaht um den Knoten und das Nahtmaterial im subkutanen Fettgewebe zu versenken. Einzelnähte sind zweckmäßiger als eine fortlaufende Naht. Eine fortlaufende Naht kann sich lockern und erfüllt dann nicht mehr die Funktion der Entspannung des Gewebes und der Haut und kann deshalb die Ursache von breiten Narben sein. Deshalb ist es empfehlenswert, invertierende subkutante Einzelnähte zu verwenden. Empfehlenswert ist atraumatisches Nahtmaterial der Stärke 3-0, 4-0 oder 5-0 z. B. Vicryl“, wobei nicht mehr als drei Knoten verwendet werden und die Fadenenden über dem Knoten nicht länger als 2 mm betragen sollten. Sobald diese Naht beendet ist, kann man die äußere Haut, die absolut trocken sein muss, bimanuell so zusammenführen, dass sich die Wundränder direkt berühren. Dieser Vorgang kann auch erreicht werden durch Zusammenziehen der Wundränder mit einer chirurgischen Pinzette. Sobald die Wundränder sich berühren, d. h. readaptiert sind, wird der Wundkleber über die Wunde und über die der Wunde benachbarten Hautränder gestrichen und die Wundrandadaptation, wie oben beschrieben, über eine Dauer von ca. 30⫺40 s beibehalten. Dadurch kann der Wundkleber auf der Haut und über der Wunde trocknen und die Wunde gürtelförmig zusammenhalten. Die manuelle oder instrumentelle Wundrandadaptation muss immer so erfolgen, dass der Wundkleber niemals zwischen den Wundrändern in die Wunde abläuft. Dies würde zu entstellenden Narben führen. Die Wundklebung kann bei größeren Wunden ⫺ wir haben Wunden bis 30 cm mit Hautkleber adaptiert ⫺ auch abschnittsweise erfolgen, wobei die Wundrandadaptation, wie eingangs erwähnt, für die jeweiligen Wundabschnitte hintereinander erfolgt. Sechs verschiedene Dermabond“ Hautkleber-Applikatoren stehen zur Verfügung.
18.10 Verbandtechnik 18.10.1 Wundverband Jeder Verband (z. B. Fa. Trusetal) auf primär durch Naht verschlossener Wunden muss folgendermaßen angelegt sein: 1. steril 2. trocken, 3. rutschfest. Einen besonders sicheren, rutschfesten Sitz garantieren die MasterAid“-Verbände, z. B. bei Kopfverbänden, Rumpfverbänden, Fingerverbänden etc.
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18 Chirurgische Technik
Fantasy“-Verbände eignen sich besonders für Kinder, da sie lokal sehr anpassungsfähig sind und schmerzlos entfernt werden können. Feuchte Verbände werden immer dann angelegt, wenn Wunden primär offengelassen wurden und ein freier Sekretabfluss aus dem Wundgebiet erfolgen soll. Anschließend kann ein der Größe der Wunde angepasster Verband aufgelegt werden, der unter leichter Kompression mit Peha-Haftbinden fixiert wird. Am behaarten Kopf, wo trotz Rasierens oft der Verband ungenügend hält, kann Verbandmull mit lang belassenen geknoteten Fäden über der Wunde nochmals verknotet werden, wodurch die Wunde abgedeckt wird. Beachte: ⫺ Bei allen chirurgisch-ambulant versorgten Weichteilverletzungen der Hand größeren Ausmaßes empfiehlt es sich, den betreffenden Finger ganz mit elastischen Fingerbinden einzubinden und ihn vorübergehend (ca. 6 Tage) in Funktionsstellung auf einer Schiene ruhig zu stellen. ⫺ Bei allen offenen Frakturen ist bis zum Zeitpunkt der Operation immer ein ausreichend großer, steriler, primärer Wundverband mit Tüchern und Binden zur Vermeidung von Sekundärinfektionen anzulegen. ⫺ In der Regel werden Wundverbände bei sauberen Wundverhältnissen nach 24 h entfernt; die versorgte Wunde wird offen behandelt.
18.10.2 Bindenverbände Vorbemerkungen Entscheidend für gut sitzende Verbände ist die Wahl der richtigen Bindenbreite, die den lokalen Verhältnissen angepasst werden muss. Grundsätzlich ist zu beachten, dass Verbände der Hand und des Unterarms den Handrücken umfassen müssen, um eine Ödembildung im Handrückenbereich zu vermeiden. Dies gilt in gleichem Maße für Verbände am Unterschenkel und Fuß. Verbände sollen straff angelegt werden, ohne eine strangulierende Wirkung auszuüben, wobei der Zug von Tour zu Tour möglichst gleich groß sein soll. Beim Anlegen des Bindenverbandes lässt man die Binde immer in Pronationsstellung über den einzubindenden Körperteil laufen
18.10 Verbandtechnik
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Abb. 18-13 Bindenverband (Lohmann) an konisch zulaufenden Körperabschnitten.
(Hand umfasst die Binde in Pronation). Binden gibt es in verschiedenen Breiten und unterschiedlichen Strukturen (z. B. Fa. Lohmann). Spezielle Techniken bei Bindenverbänden ⫺ An konisch zulaufenden Gliedabschnitten ist es oft nur durch Umschlagtouren möglich, einen gleichmäßig anliegenden Verband zu applizieren (Abb. 18-13). ⫺ Bei Kopfverbänden benötigt man gleichzeitig zwei Binden, wobei die eine in sagittaler Richtung vom Os frontale zum Os occipitale läuft und jedesmal an ihrer Umschlagsstelle von der zirkulär verlaufenden Binde fixiert wird. Ist der Verband angelegt, so dient ein Heftpflaster, das von der lateralen Gesichtshälfte über den Verband zu anderen Seite läuft, zur zusätzlichen Fixation des Verbandes. Darüber wird ein TG-Schlauchverband angelegt. ⫺ Desault-Verband 1. Indikation: Ruhigstellung von Distorsionen und Knochenbrüchen im Schulterbereich, wie z. B. Skapulafraktur, Schulterluxation, Frakturen am Tuberculum majus sowie subkapitale Humerusfrakturen.
Abb. 18-14 Durchführung des Desault-Verbandes (Erläuterung im Text).
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18 Chirurgische Technik
2. Durchführung: a) Befestigung eines Wattekissens auf gepuderter Haut in der Achselhöhle der verletzten Seite mit zirkulären Bindentouren (Abb. 18-14a). b) Fixation des senkrecht herabhängenden Oberarms am Thorax mit zirkulären Bindenverläufen (Abb. 18-14b). c) Achsel-Schulter-Ellenbogen-Tour, wobei man die Binde von der Achsel der gesunden Seite über den Rücken zur Schulter der kranken Extremität und weiter ventral zum Ellenbogen und Unterarm laufen lässt, so dass dieser in Rechtwinkelstellung zum Oberarm, der am Thorax fixiert ist, gehalten wird. Sehr praktisch und zu empfehlen sind die TG-Schlauchverband bei Immobilisation des Schultergelenks (Abb. 18-14c). ⫺ Velpeau-Schulterverband 1. Indikation: Schulterdistorsionen und Zustand nach reponierten Schulterluxationen.
Abb. 18-15 Technik des Velpeau-Verbandes (Buchstaben weisen auf den Verlauf der Bindentouren hin).
2. Technik (Abb. 18-15): a) Hand der kranken Extremität wird auf die Schulter der Gegenseite gelegt. Zwischen Oberarm/Unterarm und Brust werden zwei gepuderte Polsterkissen gelegt. b) Achsel-, Schulter-, Ellenbogen-Achsel, Oberarm-Achsel-Tour: So verläuft die elastische Binde (8, 10, 12 cm) mehrere Male um den Körper, um eine Immobilisation des Oberarms zu erzielen. ⫺ Rucksackverband 1. Indikation: Klavikulafraktur. Sinn dieses Verbandes ist es, die Schultern nach hinten zu ziehen und die Beweglichkeit an der Frakturstelle zu hemmen als auch in der postoperativen Nachbehandlung nach Trichterbrust- und Kielbrustoperationen.
18.10 Verbandtechnik
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2. Technik: Zwei Achselringe aus TG-Schlauchverband werden über ein Schaumgummikissen am Rücken durch eine Querverbindung so unter Zug gesetzt, dass beide Schultern nach hinten gezogen werden. Die Beweglichkeit an der Frakturstelle wird somit weitgehend eingeschränkt. Einen ähnlichen Zweck erfüllt auch ein Achtertourenverband mit elastischer Binde, der um Schulter, Achsel und Rücken verläuft. Nach Anlegen des Rucksackverbandes müssen eine Stellungskontrolle der Klavikula durchgeführt, der Verband täglich kontrolliert und nachgezogen werden. Leicht anzulegen, sehr wirkungsvoll und nicht auftragend sind die sog. Geradehalter, die den gleichen Zweck erfüllen. ⫺ Stützverband 1. Material: Dabei handelt es sich um Idealhaftbinden, das sind kohäsive textilelastische Binden mit einer Dehnbarkeit von 60⫺70 %. Aufgrund ihrer hohen Elastizität üben sie einen kräftigen, kontinuierlichen Zug und Druck aus, der um so konstanter und höher ist, je mehr Bindentouren angelegt werden. Diese Binden sind gekennzeichnet durch hohe Luftdurchlässigkeit, Elastizität, rutschfeste stabilisierende Passform und gute Hautverträglichkeit. 2. Indikation: Hauptanwendungsgebiet sind Sportverletzungen wie Distorsionen (Sprunggelenk, Kniegelenk). 3. Technik: Vor dem Anlegen eines solchen Stützverbandes muss die Haut entfettet werden. Es empfiehlt sich, die entsprechenden Stellen zu rasieren. Idealhaftbinden am Fußgelenk werden nach leichter Unterpolsterung der Vertiefungen unter den distalen Enden des Malleolus medialis und lateralis als Spikaverbände (Verband in Achterform aufsteigend) angelegt. Der Heftpflasterstützverband ist aufgrund seiner Nachteile gegenüber dem Idelhaftverband verlassen worden. Idealhaftverbände am Kniegelenk (Stabilisierung des medialen Gelenkspalts: Abb. 18-16) werden so angelegt, dass nach Auspolsterung der Vertiefung medial des medialen Patellarandes die erste Tour von innen nach außen ventral um den Unterschenkel läuft, dann weiter von innen unten nach oben außen auf den Oberschenkel, in horizontaler Richtung um den Oberschenkel und weiter von innen oben nach unten außen über den medialen Gelenkspalt zum Unterschenkel. In Kenntnis des Bewegungsmechanismus der einzelnen Gelenke werden in ähnlicher Weise Stützverbände an anderen Gelenken angelegt.
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18 Chirurgische Technik
Abb. 18-16 Verlauf eines Idealhaftverbandes um das Kniegelenk.
⫺ Dachziegelverband Hauptindikationen: Zehenfrakturen und -luxationen. Er wird mit mehreren, ca. 1 cm breiten Heftpflasterstreifen so angelegt, dass sie sich von distal nach proximal über den betroffenen Zehen dorsal überkreuzen.
18.10.3 Ruhigstellende Verbände 1. Gipsverband (s. Abschn. 12.10) 2. Scotchcast-Verbände (s. Abschn. 12.11) 3. Aluminiumfingerschiene: Nachdem der Finger mit einer elastischen Fingerbinde oder mit einem TG-Schlauchverband versorgt wurde, wird eine einfache oder zur besseren Stabilisierung eine doppelte Aluminiumschiene um den betreffenden Finger, die Hand und den distalen Unterarm in Funktionsstellung der Hand (Apfelsinengriff) angelegt und mit elastischen schmalen Binden in dieser Stellung fixiert. 4. Volkmann-Schiene: Rinnenförmig gewölbte Schiene mit einem Fußteil, geeignet zum Transport des frakturierten Unterschenkels. Der Unterschenkel wird, nachdem er vor allem in der Kniekehlengegend unterpolstert wurde, mit elastischen Binden an der Schiene fixiert. Die sog. Luftkissenschienen werden erfolgreich beim Transport frakturierter unterer Extremitäten eingesetzt. 5. Braun’sche Schiene Verwendung: a) Postoperative Lagerung der unteren Extremität nach Osteosynthesen; bei Oberschenkelosteosynthesen wird der Oberschenkel
18.11 Narbenmanagement ⫺ Narbenprophylaxe und Narbentherapie
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senkrecht und der Unterschenkel horizontal zur Unterlage gelagert; bei Unterschenkelosteosynthesen erfolgt die Oberschenkellagerung auf der Schiene im Winkel von 45∞, und der Unterschenkel wird in einem Winkel von 10∞ hochgelagert. Das Fußteil des Bettes ist um 15∞ angehoben. b) Lagerung des Beins in Extension (selten). Dabei kommt es auf folgende Faktoren an: ⫺ Die Schiene muss der Beinlage angepasst werden. ⫺ Der Achsenknick der Schiene muss dort sein, wo die Kniekehle ist. ⫺ Der Unterschenkel liegt in der gepolsterten Schiene wie in einer Hängematte. ⫺ Die Ferse liegt nie auf. ⫺ Der Fuß ist durch Heftpflaster oder TG-Schlauchverband in Rechtwinkelstellung zur Unterschenkelachse und achsengerechter Rotation so fixiert, dass die Zehen beweglich sind und das Gewicht des Fußes entlastet wird. ⫺ Die Zugrichtung über den Extensionsbügel erfolgt in Verlängerung der Knochenachse des frakturierten Knochens. ⫺ Das Fußende des Bettes wird um 10⫺15∞ angehoben.
18.11 Narbenmanagement ⫺ Narbenprophylaxe und Narbentherapie Die beste Maßnahme, Narben zu verhindern, ist einerseits die Operationstechnik und die Maßnahmen zur Narbenprophylaxe andererseits. Was die Narbenprophylaxe und auch die Narbentherapie im Frühstadium betrifft, so eignet sich z. B. Contractubex“ hierfür im besonderen Maße. Die Pharmakokinetik von Contractubex“ mit Hilfe der Einzelwirkstoffe Allantoin, Heparin und Extraktum Cepae bewirken eine Reduktion der Fibroblasten- und Fibrozytenaktivitäten. Die Salbenapplikation sollte bei ersten Hinweisen auf Wunddehiszenzen und Narbenbildung bereits 14⫺28 Tage nach der Operation lokal zweimal am Tag mit anschließendem Kompressionsverband erfolgen. Die Dauer der Applikation richtet sich nach dem jeweiligen Therapieerfolg und kann sich über mehrere Monate erstrecken. Ultraschallkontrollen mit Prüfköpfen zwischen 7 und 20 MHz ermöglichen es, dem Patienten den Therapieerfolg optisch durch Vermessung zu dokumentieren, insbesondere, was die Narbentiefe und die Narbenbreite anbelangt.
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18 Chirurgische Technik
18.12 Esmarch’sche Blutleere 18.12.1 Indikation Operative Eingriffe an oberer und unterer Extremität, wobei durch die erzeugte Blutleere die Voraussetzungen für eine klare Übersicht im Operationsgebiet geschaffen werden und der Blutverlust auf ein Minimum reduziert wird.
18.12.2 Technik Man verwendet 6⫺8 cm breite Gummibinden. Die betreffende Extremität wird zunächst hochgehalten und das Blut proximalwärts ausgestrichen. Dann legt man, unter Beibehaltung dieser Extremitätenstellung, proximal von dem späteren Operationsgebiet 10⫺15 straff angezogene Bindentouren um die Extremität. Die Binde verschmälert sich beim richtigen Umlegen und Anziehen bis auf die Hälfte ihrer Breite. Danach wird die Blutsperre mit einer pneumatischen Binde, die bis zu einem Manometerdruck von 300 mm Hg, bei Kindern bis 200 mm Hg aufgeblasen wird, angelegt. Anschließend wird die Gummibinde entfernt. Die Dauer der Blutleere soll nicht mehr als 45 min betragen. Bei der Blutsperre an einem Finger legt man um das Grundglied des Fingers einen Gummischlauch unter Spannung an, der in dieser Position durch eine Klemme festgehalten wird. Nur so gelingt es, eine blutungsfreie, klare Übersicht im Operationsfeld zu erhalten und die Ausdehnung und das Ausmaß von Läsionen richtig zu beurteilen. Beachte: 1. Um Nervenläsionen zu vermeiden, werden zur Erreichung der Blutleere immer breite Gummibinden oder pneumatische Binden, niemals Gummischläuche verwendet. Ausnahme: Gummischlauch zur Erzeugung einer Blutleere am Finger. 2. Abschnürungen sollen immer möglichst weit distal und dort, wo dicke Muskelpolster sind, angelegt werden. Nervenschädigungen sind vor allem durch Druck am Oberarm zu befürchten. 3. In Abhängigkeit von der Dauer der Blutsperre kommt es später zu einer unterschiedlich lang andauernden Dysorie im Kapillarbereich, was sich als ödematöse Schwellung manifestiert. Bei Hochlagerung des Beins oder des Arms kann dieser Erscheinung entgegengewirkt werden.
18.13 Intragluteale Injektionstechnik
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18.13 Intragluteale Injektionstechnik Dabei handelt es sich um Verabreichen von Medikamenten durch Spritzen auf i. m. Weg in die Glutealmuskulatur. Besonders zu beachten: ⫺ Injektion in den oberen, äußeren Quadranten der Glutealmuskulatur, nicht in die Gesäßbacke. ⫺ Exakte Einhaltung der vertikalen Stichrichtung zur Hautoberfläche. ⫺ Tief einstechen. Technik im einzelnen (Abb. 18-17): 1. Man verwendet eine Nadel, 5⫺8 cm lang. 2. Der linke Handteller wird auf das Massiv des Trochanter major gelegt (bei Injektion in das rechte Gesäß). 3. Zeige- und Mittelfinger werden maximal gespreizt, und der jeweils ventral liegende Finger tastet die spina iliaca anterior superior (bei Injektion in die rechte Glutealmuskulatur ist dies der Zeigefinger; bei der Injektion in die linke Gesäßhälfte berührt der Mittelfinger die spina iliaca anterior superior und der Zeigefinger ist abgespreizt in Richtung Labrium cristae iliacae). Der andere Finger erreicht dabei das Labrium cristae iliacae. 4. Die so gebildete Sektorfläche (Zeigefinger-Mittelfinger-Crista iliaca) stellt das Injektionsfeld dar. 5. Dreimalige Desinfektion dieses Hautfeldes (z. B. Braunol-ratiopharm“). 6. Injektion im Schwerpunkt dieses Bereichs senkrecht zur Hautoberfläche. Die Injektion erfolgt kurz in einem Zug möglichst tief, bei stehendem oder seitlich liegendem Patienten. Vorsichtiges, langsames
Abb. 18-17 Durchführung der intraglutealen Injektion (i.-g.-Injektion) bei Injektion in die rechte Glutealmuskulatur. Die Injektion erfolgt in das Flächenareal gebildet durch Zeigefinger und Mittelfinger. Das Kreuz markiert die Injektionsstelle.
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18 Chirurgische Technik
Injizieren ist immer schmerzhaft. Verwendete Nadel: lang, schmal, steril. 7. Abnehmen der Spritze von der Nadel zur Beurteilung, ob die Nadelspitze in einem Gefäß liegt. 8. Dann erfolgt der Aspirationsversuch, indem man die Spritze wieder auf die Nadel aufsteckt und aspiriert, um eine intravenöse Injektion zu vermeiden. 9. Injektion des Medikaments. Jede so durchgeführte intragluteale Injektion vermeidet die Hauptkomplikation: die Spritzenlähmung des Nervus ischiadicus, da die meisten Medikamente zu einer Nervenschädigung führen, wenn sie in dessen unmittelbare Nähe injiziert werden. Beachte: Vermeidung folgender Komplikationen: 1. Spritzenlähmung des Nervus ischiadicus. Vermeidung durch die Wahl der adäquaten Injektionsstelle mit Hilfe des Dreiecks zwischen Zeigefinger und Mittelfinger (Handdreieck). 2. Blutungen aus der Arteria glutaea superior. Vermeidung durch Absetzen der Spritze und Aspirationsversuch. 3. Spritzenabszesse und Nekrosen. Vermeidung durch exaktes, steriles Arbeiten und dreimaliges Desinfizieren der Injektionsfläche.
18.14 Intravenöse Injektionstechnik 1. Inspektion Wo findet man eine punktionsgeeignete Vene? ⫺ Ellenbeuge (Vena basilica, Vena medialis cubiti, Vena cephalica), ⫺ radiale Unterarmseite (Vena cephalica), ⫺ Handrücken (Vena cephalica, Vena basilica), ⫺ ventral des Malleolus medialis (Vena saphena magna). Bei Säuglingen und Kleinkindern eignen sich die Vena jugularis externa oder eine der Schädelvenen zur Venenpunktion. 2. Anlegen einer Druckmanschette, einer Staubinde oder eines Stauschlauches an den Extremitäten proximal von der zu punktierenden Venenstelle, so dass der Rückfluss des venösen Blutes gestaut wird. 3. Wenn die Vene sichtbar anschwillt, wird z. B. mit einem Alkoholtupfer der entsprechende Hautbezirk desinfiziert. Die Haut über der Einstichstelle wird leicht angespannt, indem die linke Hand von hinten den Arm oder den Fuß umfasst. Gleichzeitig soll eine Schwester die
18.14 Intravenöse Injektionstechnik
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betreffende Extremität festhalten, um unwillkürliche Ausweichbewegungen der Patienten im Moment der Punktion zu verhindern. 4. Vor der Injektion kann man lokal ein EMLA-Pflaster anlegen oder durch Dermojet eine zirkumskripte Schmerzunempfindlichkeit der Haut herbeiführen. 5. Venenpunktion, indem die Kanüle, die fest an der Spritze fixiert ist, mit einem gezielten Ruck in die sich vorwölbende Vene vorgeschoben wird. Es empfiehlt sich, den Anstellwinkel (Winkel zwischen Spritze und Hautoberfläche) nicht zu klein zu wählen, sondern im 30∞-Winkel die Spritze anzusetzen. 6. Die linke Hand hält nun die Spritze beim anschließenden Aspirationsversuch (mit der rechten Hand) fest. Strömt Blut in die Spritze, ein, so wird bei Blutentnahme die Stauung belassen und die entsprechende Blutmenge je nach Erfordernissen der Untersuchung entnommen. Bei i. v. Applikation von Medikamenten wird nach positivem Aspirationsversuch die Stauung aufgehoben und das Medikament injiziert. Beim Anlegen der Infusion wird die Metallkanüle, die zusammen mit der Plastikkanüle in der Vene liegt zurückgezogen und die Plastikkanüle weiter in die Vene vorgeschoben und mit einem Pflaster z. B. Steriblock“ Veno an der äußeren Haut fixiert.Vorteil: In der Venenwand liegt ein flexibler Katheter, der auch bei brüsken Bewegungen die Venenwand nicht durchsticht. Anforderungen, die an i. v. verabreichte Medikamente gestellt werden: ⫺ Sie müssen blut- und gewebsisoton sein, ⫺ sie dürfen die Venenwand nicht reizen, ⫺ sie müssen steril sein. Die Spritze sollte mit einem Ruck herausgezogen und die Injektionsstelle mit einem Alkoholtupfer komprimiert werden über einen Zeitraum von 1⫺2 min. Beachte: ⫺ Rollvenen: Venen, die kurz vor Ihrer Punktion infolge perivaskulärer Bindegewebsschlaffheit zur Seite ausweichen. Abhilfe: Haut über der Vene ganz straff ziehen, um so ein Ausscheren der Vene weitestgehend zu vermeiden. Steiler Anstellwinkel, bis man die Venenwand durchstochen hat, dann die Nadel vorsichtig vorschieben. ⫺ Hämatom: Man hat die Venenwand auf der Rückseite durchstochen, und beim Zurückziehen der Nadel blutet es aus dieser Stelle in das perivaskuläre Gewebe. Abhilfe: Man sollte die Nadel ganz
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18 Chirurgische Technik
entfernen und Kompression über dem sich bildenden Hämatom ausüben. Injektion an anderer Stelle. ⫺ Perivaskuläres Depot: Injektionsflüssigkeit gelangt nicht in das Gefäß, sondern daneben. Abhilfe: Nadel ganz entfernen und Kompression. Injektion an anderer Stelle. Maßnahmen bei mehrmaligem erfolglosem Stechen: 1. Betreffende Extremität unter Körperniveau herabhängen lassen (Versacken des Blutes). 2. Heiße Kompressen auf die betreffenden Stellen auflegen oder ein warmes Handbad machen lassen. 3. Hand auf- und zumachen lassen. 4. Hilft auch das nicht: Venae sectio oder Anlegen eines Cavakatheters. Dieser sollte nur in der Klinik unter Röntgenkontrolle eingeführt werden.
18.15 Venae sectio / Subklaviapunktion 18.15.1 Definition Dabei handelt es sich um Freilegen und Eröffnen einer Vene zur i. v. Infusion oder Transfusion. Lokalisation: ⫺ Vena saphena magna (ventral des Malleolus medialis), ⫺ Venen der Ellenbeuge (Abb. 18-18). ⫺ Subklaviapunktion (Abb. 18-19).
18.15.2 Technik 1. Allgemeine lokale Vorbereitungen zur Venae sectio. 2. Dreimaliges Desinfizieren des betreffenden Hautabschnittes; zirkuläre Desinfektion an Extremitäten ca. 30 cm breit (z. B. Braunolratiopharm“). Absolut steriles Vorgehen (siehe Abschn. 18.1-2), Anlegen von OP-Handschuhen (Lohmann). 3. Infiltrationsanästhesie mit z. B. Xylocain“. 4. Sensibilitätsprobe im anästhesierten Bereich. 5. Schnitt senkrecht zur Verlaufsrichtung der Vene. Lateral der Vena saphena magna verläuft der Nervus saphenus, medial der Vena saphena magna verläuft der Ramus cutaneus cruris tibialis des Nervus saphenus. 6. Kutis und Subkutis stumpf durch Spreizen der Branchen einer Metzenbaum-Schere von tiefer gelegenem Gewebe abpräparieren.
18.16 Infusionstechnik
485
Abb. 18-18 Technik der Venae sectio. 1: Venenkatheter; 2: Durchlass-Schnitt für den Katheter durch die Haut; 3: freigelegte Vene, in die der Katheter eingeführt wird.
7. Aufsuchen der blauschimmernden Vene. In manchen Fällen empfiehlt es sich, proximal von der Stelle der Venenfreilegung eine pneumatische Staubinde anzulegen, um die Vene leichter aufzufinden. 8. Hat man die Vene gefunden, wird die Stauung gelöst und die Vene stumpf freipräpariert. Proximal und distal wird ein Vicrylfaden gelegt. Mit der Potts-Schere wird ein kleiner Schnitt in die Venenwand gemacht. Der distale Faden wird geknüpft, das freie Ende der Schnittstelle in der Venenwand mit einer feinen Pinzette gefasst und der vorher bestimmte Venenkatheter, der mit Infusionslösung gefüllt ist, in die Vene eingeführt. Dann wird der proximale Faden um die Venenwand, in der der Katheter liegt, geknüpft. Der Venenkatheter wird vorher durch eine kleine Hautinzisionsstelle subkutan in das OP-Feld vorgeschoben. 9. Wundschluss mit 2⫺3 Hautnähten. Fixation des Katheters im Wundwinkel durch eine in unmittelbarer Nähe des Katheters gelegene Naht, ohne den Katheter zu strangulieren. 10. Anlegen eines Kompressenverbandes.
18.16 Infusionstechnik 1. Vorbereitung der Infusion mit den individuellen Bestandteilen zur intravenösen Infusion. Aufgrund verschiedener Infusionsbestecke
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18 Chirurgische Technik
Abb. 18-19 Subklaviapunktion. Orientierungslinien zur infraklavikulären Punktion: die Punktionsrichtung verläuft senkrecht zur Mitte einer gedachten Linie von der vorderen Achselfalte zum lateralen Ende des Schlüsselbeins; der Punktionspunkt liegt vor der Kreuzung von Schlüsselbein und erster Rippe (aus: Gabka, J., Injektions- und Infusionstechnik, Walter de Gruyter, Berlin, 1988).
empfiehlt es sich, vorher die Technik zum Anlegen des jeweiligen Bestecks durchzulesen. 2. Infusionskanüle durch Venenpunktion einlegen (s. Abschn. 18.14). Vorteil: In der Venenwand liegt ein flexibler Katheter, der auch bei brüsken Bewegungen die Gefäßwand nicht durchsticht. 3. Nach Anlegen der Infusion und Herstellung der Verbindung zum Infusionsbesteck lässt man die Infusion laufen und ermittelt an der Frequenz der Tropfen im Tropfenzähler die optimale Lage der Nadel bzw. der Kanüle in der Vene. In dieser Position erfolgt die Fixation der Nadel und des Schlauches mit Heftpflaster. Es empfiehlt sich, den Unterarm an einer Schiene mit elastischen Binden zu fixeren. Beachte: Das Infusionssystem muss luftblasenfrei an die Venenkanüle angeschlossen werden.
18.17 Intrakardiale Injektionstechnik Injektion mit langer dünner Nadel im 4. ICR links parasternal 4⫺5 cm tief (Abb. 18-20). Dann Aspiration (rechter Ventrikel) und Injektion.
18.18 Implantation von bioabbaubaren Patches Hierbei handelt es sich um bioabbaubare und in körpereigenes Gewebe umbaubare Implantate die zu einer Verstärkung von kollagenem Bindegewebe bzw. Sehnenanteilen führen. Es handelt sich nicht um Fremdkörper. Sie müssen nicht wieder explantiert werden. Ihr Umbau und
18.19 Tracheotomie
487
Abb. 18-20 Lokalisation der Injektionsstelle bei intrakardialer Injektion: 4. ICR links parasternal.
ihre Transformation erfolgt je nach Größe innerhalb von 3⫺6 Monaten, wie histologische Untersuchungen gezeigt haben. Hauptindikationen sind angeborene oder erworbene Defekte in der Bauchdecke, im Zwerchfell, an der Thoraxwand, bei Leistenbruchoperationen im Jugend- und Erwachsenenalter, Rektumprolaps-Operationen und der Ersatz von Gelenkbändern und Sehnen.
18.19 Tracheotomie 18.19.1 Indikation Als lebenswichtiger Eingriff zur Beseitigung akuter Atmungsbehinderung: Jede Intubation, die innerhalb von 2⫺3 Wochen nicht aufgegeben werden kann (der Zeitfaktor als Indikator ist fließend und hängt von dem Grundleiden und der zu erwartenden Entwicklung der Lungenfunktion ab), kann durch eine Tracheotomie ersetzt werden. Ebenso bei Kehlkopfverletzungen und -fremdkörpern, Glottisödem unterschiedlicher Genese, Glottiskrampf bei Aspiration, Kehlkopfphlegmone, Tracheomalazie, Lungenkontusion, schweres Schädel-Hirntrauma, Querschnittslähmung mit sekundären Veränderungen an Trachea und Lungen.
18.19.2 Technik Man unterscheidet die technisch einfachere ⫺ Tracheotomia superior (Eröffnung der Trachea kranial vom Isthmus der Schilddrüse im Bereich des 2.⫺4. Trachealringes) und die
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18 Chirurgische Technik
⫺ Tracheostomia inferior (kaudal vom Isthmus der Schilddrüse im Bereich des 6.⫺7. Trachealringes).
18.19.3 Tracheotomia superior 1. Lokale Vorbereitungen für den Eingriff, Patient in Rückenlage, Kopf in Hyperextension. 2. Vollnarkose. 3. Längsschnitt in der Mittellinie vom unteren Rand des Schildknorpels (Incisura thyreoidea inferior) ca. 4⫺5 cm in kaudaler Richtung. 4. Durchtrennung und Abpräparieren des subkutanen Bindegewebes von der Raphe der beiden Mm. sternohyoidei und exakte Blutstillung. 5. Spaltung der Raphe in der Medianlinie und Darstellung der Trachea unter Abschiebung des Isthmus der Schilddrüse. 6. Eröffnung der Trachea durch einen der Größe der Trachealkanüle entsprechenden kreisrunden Schnitt, 2⫺3 Ringknorpel distal der Cartilago cricoidea. 7. Anlegen von zwei Haltefäden an den seitlichen Partien der eröffneten Trachea. 8. Einführen der Kanüle (Trachealkanüle aus Plastik und nicht aus Metall) und Aufblasen der die Trachea abdichtenden Manschette. 9. Die Trachealkanüle ist somit fest fixiert; es werden einige Subkutanund Hautnähte angelegt (Naht der Tracheawand an dem Subkutanund Hautgewebe mit Einzelknopfnähten). Die Kanüle wird über ein breites Halsband außen in entsprechender Position gehalten. Exakte Blutstillung. Beachte: Bei der Tracheostomie von Säuglingen und Kleinkindern niemals eine Exzision an der Trachea durchführen; dies führt immer zu Trachealstenosen. Tracheotomie erfolgt nur durch Längsinzision.
18.20 Koniotomie In äußerst dringenden Fällen und nur dann, wenn das nötige Instrumentarium nicht vorhanden ist, führt man die Koniotomie aus. Technik (Abb. 18-21): 1. Desinfektion der Haut (z. B. Braunol-ratiopharm“). 2. Hautschnitt von der Mitte der Cartilago thyroidea ca. 4 cm nach kaudal.
18.22 Präoperative Lagerung der Patienten
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Abb. 18-21 Tracheotomie (aus: Pschyrembel“, Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter, Berlin, 2004).
3. Darstellung des Ligamentum cricothyroideum (Ligamentum conicum). 4. Durchtrennung des Ligamentum conicum durch horizontal Schnittführung. 5. Einführung der Kanüle unter Spreizung der Öffnung und Schonung der Cartilago cricoidea. 6. Fixation der Kanüle am Hals durch ein um den Hals gelegtes, 2⫺ 3 cm breites Bändchen.
18.21 Schockposition, Antiaspirationsstellung bei Bewusstlosen Das Drei-Punkte-Programm, das die Atmung bei Mehrfachverletzten betrifft, lautet: 1. Freimachen der Atemwege durch Entfernen von Fremdkörpern in den oberen Luftwegen mit Hilfe einer Fasszange. Absaugen von Blut, Sekret und Erbrochenem. 2. Freihalten der Atemwege: ⫺ durch Schockposition des Patienten, somit Vermeidung der Aspiration von Mageninhalt (Abb. 18-22); Kopftieflagerung, ⫺ durch hebenden Kieferwinkelgriff und Hyperextensionsstellung des Kopfes, wobei die Larynxblockade durch Zurückfallen der Zunge nicht mehr möglich ist. 3. Aufrechterhaltung der freien luftzuführenden Atemwege und künstliche Beatmung über Tubus oder Trachealkatheter.
18.22 Präoperative Lagerung der Patienten Bei der Lagerung von Patienten vor einer Operation ist Folgendes zu beachten:
490
18 Chirurgische Technik
Abb. 18-22 Lagerung bewusstloser Patienten.
1. Die definitive Lagerung des Patienten erfolgt immer vor der Desinfektion. 2. Für die richtige Lagerung ist der Operateur verantwortlich. 3. Richtige Lagerung bedeutet: keine Schädigung des Patienten während der Operation, Fixation des Patienten am Operationstisch,
18.23 Katheterismus
4. 5. 6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
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Verbesserung der Zugangswege und der Übersicht zum eigentlichen OP-Feld durch eine auf die OP ausgerichtete Lagerung. Die Lagerung des Patienten muss dem Anästhesisten einen sicheren Zugang zum Nasen-Rachenraum geben. Die Lagerung muss dem Anästhesisten einen sicheren venösen/arteriellen Zugang ermöglichen. Wenn die Arme nicht am OP-Tisch, sondern auf extra Armschienen gelagert sind, ist darauf zu achten, dass im Ellbogenbereich eine Polsterung erfolgt und durch die Kanten der Armschiene keine Nervenkompressionen und Nervenschäden eintreten. Der Arm darf im Schultergelenk nicht über 90∞ abduziert werden, um Plexusschäden durch Überdehnung zu vermeiden. Bei Abdominaleingriffen befindet sich der Patient in Rückenlage, durch Tuchrollen unter dem Rücken sind die Abdominalbereiche angehoben, so dass der Bereich in dem der Hautschnitt liegt (OPFeld) immer die höchste Stelle darstellt. Bei thorakalen Eingriffen ⫺ außer, wenn eine mediane Sternotomie geplant ist ⫺ erfolgt eine Seitenlagerung des Patienten und eine Überstreckung des Thorax für die laterale Thorakotomie: Anheben des OP-Feldes. Bei proktologischen Eingriffen befindet sich der Patient in Rückenlage, das Gesäß ist am OP-Tischende gelagert, die Beine in der Hüfte um 90∞ abgewinkelt und abduziert und die Unterschenkel horizontal auf Beinschienen fixiert (Steinschnitt-Lage). Bei handchirurgischen Eingriffen lagert der gesamte Arm abduziert nicht am OP-Tisch, sondern auf einem Handtisch, der stufenfrei mit dem OP-Tisch verbunden ist. Kinder liegen bei Operationen entweder auf einem speziellen Kinderoperationstisch oder auf einem OP-Tisch mit Wärmevorrichtung, um ein Auskühlen mit nachfolgender Azidose, Hypoglykämie oder Sklerem zu verhindern. Die Kinder können an den seitlichen Körperpartien vor Auskühlung durch Watte und Tücher geschützt werden. Bei thorakoskopischen/laparoskopischen Eingriffen sind das OPFeld, die Monitore, die Position des Operateurs und der OPSchwester in einer abgestimmten Zuordnung auszurichten.
18.23 Katheterismus Vorgehen (siehe auch Abb. 18-23, 18-24). 1. Rasieren der Schamhaare.
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18 Chirurgische Technik
Abb. 18-23 Blasenkathether. 1: TiemannKatheter; 2: Mercier-Katheter; 3: Ne´latonKatheter; 4: Ballonkatheter (aus: Alken, C.-F., Sökeland, J. Urologie. Leitfaden für Studium und Praxis. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1983).
2. Anlegen von OP-Handschuhen (z. B. Lohmann). Es ist auf absolut steriles Vorgehen zu achten. 3. Säubern des Meatus mit Braunol-ratiopharm“. 4. Anheben des Penis, um die physiologische Abknickung der Urethra auszugleichen. 5. Die linke Hand umfasst den sterilen, mit Instillagel bestrichenen peripheren Abschnitt des Katheters zwischen Ring- und Mittelfinger; der Penis wird mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand gehalten. 6. Die rechte Hand fasst mit steriler Pinzette den Katheter handbreit oberhalb der Spitze. Der Katheter ist mit Instillagel“, das Lidocain enthält, zur Schleimhautanalgesie bestrichen. 7. Rechte Hand schiebt dann den mit der Pinzette gefassten Katheter in die Harnröhrenöffnung und weiter, bis aus dem Katheter Urin läuft. 8. Der Katheter liegt dann richtig, wenn sich die Katheteröffnung ca. 1⫺1,5 cm oberhalb vom Orificium urethrea internum befindet; das erreicht man dann, wenn der Katheter während des Abfließens von Urin so weit herausgezogen wird, bis der Abfluss sistiert.
18.25 Vorhaut im Reißverschluss fixiert
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Abb. 18-24 Suprapubische Blasenpunktion (aus: Wetterauer, U., Rutishauser, G., Sommerkamp, H., Urologie mit Repetitorium, Walter de Gruyter, Berlin, 1995).
9. Dann wird der Katheter 1⫺1,5 cm eingeschoben, abgestöpselt und fixiert. Einfacher zu fixieren sind in dieser Hinsicht Ballonkatheter. Beachte: 1. Die Vorhaut muss immer in physiologischer Stellung sein, um die Ausbildung einer Paraphimose zu vermeiden. 2. Der Meatus soll möglichst frei sein, da die Reizung der Urethraschleimhaut durch den Katheter einen dauernden Sekretabfluss bedingt. 3. Wählt man anstelle des Tiemann-Katheters einen Ballonkatheter, der nach Aufblasen des Ballons ohne Außenfixation festhält, erspart man sich das zeitraubend und für den Patienten lästige Fixationsmanöver sowie die ständigen Kontrollen.
18.24 Paraphimose Dabei handelt es sich um eine Arretierung der über die Glans zurückgestreiften, meist verengten Vorhaut hinter dem Sulcus glandis. Durch eine sekundäre Schwellung der Glans wird dieser Zustand noch verstärkt. Therapie: Wenn man die Glans zusammendrückt, gelingt meist die unblutige Reposition, so dass die Eichel durch den Vorhautring zurückschlüpft. In allen Fällen, bei denen dies nicht möglich ist, muss der Vorhautring über einer Rinnensonde mit dem Messer dorsal gespalten und eine Phimosenoperation durchgeführt werden.
18.25 Vorhaut im Reißverschluss fixiert Wenn sich die Vorhaut im Reißverschluss verfängt, geht man folgendermaßen vor:
494
18 Chirurgische Technik
1. Die Vorhaut löst sich vom Reißverschluss nur dann, wenn man den Reißverschluss in die Richtung bewegt, in der man den Verschluss schließen möchte. 2. Man kann vor diesem Manöver lokal Instillagel“ (mit Lidocain) applizieren. 3. Die Bewegung, den Reißverschluss zu schließen, erfolgt langsam, Millimeter für Millimeter. 4. Erfolgt die Bewegung des Reißverschlusses in die entgegengesetzte Richtung (Öffnen), so ist dies extrem schmerzhaft und weiteres Vorhautgewebe wird vom Reißverschluss verletzt.
18.26 Hautschnitte ⫺ Schnittführung Hierbei ist auf Folgendes zu achten: 1. Alle Hautschnitte sind entsprechend des Verlaufs der Spaltlinien (Langer) zu legen. 2. Faszienschnitte erfolgen in der Hauptfaserrichtung. 3. Schnittführungen im Handbereich unterliegen speziellen Richtlinien (s. Abschn. 14.2.3) 4. Abdominelle, mediane Längsschnitte erfolgen zwischen Processus xiphoideus und Symphyse. 5. Abdominelle quere Bauchschnitte können im Oberbauch supraumbilical oder im Unterbauch infraumbilical erfolgen. 6. Rippenbogenrandschnitte rechts oder links infracostal werden bei isolierten Eingriffen an Gallenwegen oder Milz durchgeführt. 7. Mittelbaucheingriffe können von semizirkulären, supraumbilicalen oder semizirkulären, infraumbilicalen oder von lateralen periumbilicalen Hautschnitten erfolgen. 8. Infraumbilicaler, sagittaler, pararektaler Bauchschnitt bei Eingriffen im Unterbauch. 9. Wechselschnitt rechter Unterbauch bei Appendektomien: schräger Unterbauchschnitt im Winkel von ca. 45∞, dann Längsschnitt durch Fasziengewebe und durch das Peritoneum. 10. Schräger Inguinalschnitt bei Leitstenbruchoperationen im Erwachsenenalter. 11. Horizontaler Inguinalschnitt in der Inguinalfalte bei Kindern mit Leistenbruch-, Hydrozelen- oder Leistenhodenoperationen. 12. Dorsale Vorhauterweiterungsplastik (DVE) bei Phimosenoperationen im Kindesalter: dorsale Längsinzision der Vorhaut über dem Schnürring. Readaptation des inneren und äußeren Präputiums semizirkulär.
18.27 Wunddrainagen
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13. Trokarinzision bei Thorakoskopien und Laparoskopien entsprechend der Spaltlinien der Haut. 14. Kocher-Kragenschnitt: bogenförmiger, querer Hautschnitt am Hals als Zugang zur Schilddrüse, zum Jugulum und vorderem Mediastinum. 15. Sagittaler, seitlicher Thoraxschnitt in der vorderen Axilarlinie in Richtung lateraler Rippenbogen, medial des nervus thorakodorsalis als lateraler thorakaler Zugang bei Kindern. 16. Periareolarschnitt um den Mamillenhof bei Brustdrüsenoperationen und Augmentationsplastiken. 17. Pfannenstiel-Schnitt: querer, bogenförmiger suprasymphysärer Schnitt als Zugang zur Blase. 18. Querer Flankenschnitt als Zugang zur Niere und Nebenniere.
18.27 Wunddrainagen Über die Indikation der Wunddrainagen gehen die Lehrmeinungen auseinander. Grundsätzlich dienen Wunddrainagen am Ende einer Operation dazu, Wundsekrete und kontaminierte Körperflüssigkeiten abzuleiten und Wundhohlräume in den Weichteilen durch Sog zu verkleinern. Untersuchungen bei Kindern und Jugendlichen haben ergeben, dass bei Peritonitits die abdominelle Robinson-Drainage über 6⫺8 Tage signifikant weniger Schlingenabszesse, Adhäsionen, Reoperationen und Wundheilungsstörungen ergab als bei jenen Patienten, bei denen darauf verzichtet wurde. Besonders zu beachten: 1. Abszesse machen an den Seitenpartien der Abszessvorwölbung eine sog. Doppelinzision nötig mit anschließender Kürettage von Nekrosen, entzündeten Lymphknoten und Detritus mit einer Wundspülung und Einlegen einer breiten Drainage für 4⫺6 Tage, um einen freien Abfluss zu gewährleisten. 2. Zwischen dem 7. und 9. Tag entstehen nach Peritonitis am häufigsten intraabdominelle Abszesse und lokale Wundheilungsstörungen. Solange müssen Wunddrainagen liegen bleiben, unabhängig davon, ob der Patient stationär oder ambulant behandelt wird. 3. Man kennt subkutane Drainagen (Redon-Wunddrainagen), Bauchhöhlendrainagen (Robinson-Drainagen), Thoraxdrainagen (BülauDrainagen, Monaldi-Drainagen), Drainagen des Magens (Magensonden als Antiaspirationsmaßnahmen) oder suprapubische Blasendrainagen.
19 Diagnostische Technik
19.1 Röntgentechnik 19.1.1 Allgemeine Vorbemerkung Notfall- und unfallchirurgische Patienten werden im Rahmen diagnostischer Maßnahmen geröntgt. Die Beachtung wichtiger Grundsätze ist die Voraussetzung dafür, den gewünschten Körperabschnitt in diagnostisch optimaler Weise abgebildet zu bekommen. Im Folgenden sollen kurz und übersichtlich die verschiedenen Aufnahmetechniken entsprechend den jeweiligen Erfordernissen aufgezeigt werden. Die Dringlichkeit der lebensnotwendigen Therapie von Herz-Kreislauf- und Atemstörungen, insbesondere auch bei Mehrfachverletzungen, verweist die Dringlichkeit der Durchführung der Röntgendiagnostik in die zweite Instanz. Die Priorität hat in diesen Fällen die Wiederherstellung lebenswichtiger Funktionen.
19.1.2 Wichtige technische Grundsätze 1. Der darzustellende Körperabschnitt muss möglichst nahe an den Film gebracht werden; dementsprechend ist die betreffende Aufnahmerichtung anzugeben: ⫺ a.-p. ⫽ anterior-posterior (Strahlengang), ⫺ p.-a. ⫽ posterior-anterior (Strahlengang), ⫺ seitliche Aufnahmerichtung, ⫺ Schrägaufnahme und Tangentialaufnahme. 2. Alle Röntgenbilder müssen ⫺ Seitenbezeichnungen, ⫺ Name, Vorname, Geburtsdatum, ⫺ Aufnahmedatum tragen. 3. Bei keinem Patienten dürfen lokale Maßnahmen ergriffen werden, bevor das als notwendig erachtete Röntgenbild befundet bzw. exakt beurteilt worden ist; dies gilt in besonderem Maße für Frakturen. Kein ambulanter Patient darf entlassen werden, bevor das angeord-
19.1 Röntgentechnik
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nete Röntgenbild entwickelt und befundet worden ist. Man erspart sich so Korrekturen bereits falsch eingeleiteter therapeutischer Maßnahmen. 4. Bei Kindern, besonders bei Extremitätenaufnahmen, soll die Gegenseite zum Vergleich mitgeröngt werden. 5. Nach jeder Reposition und jedem angelegten Gipsverband ist eine Röntgenkontrolluntersuchung durchzuführen.
19.1.3 Schädelaufnahmen 1. Sagittale Aufnahmerichtung: ⫺ p.-a. ⫽ posterior-anteriore Strahlenrichtung zur Darstellung von Gesichtsschädel und seinen Höhlen. ⫺ a.-p. ⫽ anterior-posteriore Strahlenrichtung zur Beurteilung okzipitaler Schädelteile. 2. Seitliche Aufnahmerichtung (rechte oder linke seitliche Schädelhälfte filmanliegend je nach Fragestellung) zur Darstellung der Gesichtshöhlen, der seitlichen Schädelwand, der Schädelbasis, des Kiefergelenks und der obersten Halswirbel. 3. Axiale Aufnahme der Schädelbasis und der Jochbögen aus kraniokaudaler Richtung, zur Darstellung des Schädeldachs in kaudokranialer Richtung. 4. A.-p.-Aufnahmen bei geöffnetem Mund zur Darstellung der obersten Halswirbel (Diagnostik der Densfraktur). 5. Aufnahme nach Schüller zur Darstellung des Processus mastoideus, des äußeren und inneren Gehörganges, die sich aufeinander projizieren, und des Kiefergelenks. (Abb. 19-1).
Abb. 19-1 Schädelaufnahme nach Schüller zur Darstellung des Processus mastoideus. DH ⫽ Deutsche Horizontale
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19 Diagnostische Technik
Abb. 19-2 Schädelaufnahme nach Stenvers, die Pfeile markieren die Strahlenrichtung.
6. Aufnahme nach Stenvers zur Darstellung der Pyramide und des inneren Gehörgangs in Bauchlage des Patienten, wobei die Längsachse der Pyramide parallel zur Filmebene zu liegen kommt (Abb. 19-2).
19.1.4 Aufnahmen der Wirbelsäule Standardaufnahmen: ⫺ ⫺ ⫺ ⫺
ventrodorsal (am häufigsten), dorsoventral, seitlich (am häufigsten), Schrägaufnahmen zur Darstellung der Foramina intervertebralia.
19.1.5 Aufnahmen der Rippen ⫺ A.-p.-Strahlengang zur Beurteilung der dorsalen Rippenabschnitte, ⫺ Schrägaufnahmen zur Beurteilung der vorderen Rippenabschnitte,
Abb. 19-3 Aufnahmetechnik bei Rippenfrakturen: (1) a.-p.-Aufnahme, (2) Schrägaufnahme, (3) Tangentialaufnahme.
19.1 Röntgentechnik
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⫺ tangentiale Aufnahme, die manchmal Dislokationen von Rippenfragmenten zeigen, die durch die vorgenannten Aufnahmen nicht zur Darstellung kommen (Abb. 19-3).
19.1.6 Sternumaufnahmen Sternum und Articulatio sternoclavicularis werden im II. schrägen Durchmesser aufgenommen, wobei das Sternum der Filmkassette gut anliegen muss. Der Sternalrand wird dabei durch seitliche Verschiebung der Röhre vom Herz und von der Wirbelsäule entfernt.
19.1.7 Klavikulaaufnahmen Klavikulafrakturen werden im a.-p.-Strahlengang dargestellt, wobei auf die entsprechenden Klavikulaabschnitte konzentriert werden kann. Bei Verdacht auf A-C-Luxation (Klaviertastenphänomen) immer die andere Seite mitröntgen. Schrägaufnahmen vom Rücken her, A-C-Spalt verläuft schräg.
19.1.8 Schultergelenksaufnahmen Standardaufnahmen: 1. sagittale, ventrodorsale Aufnahmerichtung bei Mittelstellung des Humerus, 2. axiale Aufnahme bei abduziertem Arm, axillärem axialem Strahlengang; Lage der Kassette auf der Schulter oder in der Axilla. Zur exakten Beurteilung von Schultergelenk und Humeruskopf sind immer beide Aufnahmerichtungen indiziert; darüber hinaus kann man noch spezielle Aufnahmen, wie z. B. Humeruskopfaußenrotation, anfertigen.
19.1.9 Ellenbogengelenksaufnahmen Standardaufnahmen: 1. seitliche Aufnahme (radioulnar bei zu 90∞ gebeugtem Ellenbogen und Mittelstellung der Hand), 2. sagittale Aufnahme (ventrodorsal bei gestrecktem Ellenbogen und Supinationsstellung der Hand).
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19 Diagnostische Technik
19.1.10 Aufnahmen von Handgelenk und Finger Standardaufnahmen: 1. a.-p. ⫽ dorsovolar, 2. seitliche Aufnahme ⫽ radioulnar. Bei Aufnahmen der Mittelhand, speziell bei Verdacht auf Navikularefraktur, muss eine sogenannte Navikulareserienaufnahme durchgeführt werden (dorsovolar; dorsovolar, wobei das Handgelenk in leichter Dorsalflexion und Ulnarabduktion ausgerichtet ist; Schreibfederstellung).
19.1.11 Thoraxaufnahmen Standardaufnahmen: 1. a.-p.-, p.-a.-Aufnahme, 2. seitliche Aufnahme. Nur beide Bilder zusammen sollen zur Interpretation eines Befundes herangezogen werden.
19.1.12 Beckenaufnahmen Standardaufnahmen: 1. Beckenübersichtsaufnahme a.-p. ⫽ ventrodorsal, 2. seitliche Aufnahme des Kreuzbeins.
19.1.13 Abdomenübersichtsaufnahmen Wenn möglich, Abdomenübersichtsaufnahme (Leeraufnahme) immer im Liegen und Stehen durchführen (Spiegelbildungen!). Bei schwerkranken Patienten, die nicht stehen können, stattdessen in Linksseitenlage röntgen.
19.1.14 Hüftgelenksaufnahmen und Aufnahmen des Schenkelhalses Zwei Aufnahmerichtungen zur Beurteilung des Hüftgelenks: ⫺ a.-p. ⫽ ventrodorsale Aufnahmerichtung, ⫺ Lauenstein’sche Aufnahme, wobei die Aufnahmerichtung der Röhre im Vergleich zur a.-p.-Aufnahme beibehalten wird und die Aufnahme
19.1 Röntgentechnik
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bei rechtwinkliger Beugung des um 45∞ abduzierten Oberschenkels im Hüftgelenk erfolgt, wobei das Kniegelenk ebenfalls um 90∞ flektiert ist, also der Unterschenkel parallel zur Körperachse verläuft.
19.1.15 Oberschenkelaufnahmen Standardaufnahmen: 1. a.-p. ⫽ ventrodorsale Aufnahme, 2. seitliche Aufnahme.
19.1.16 Kniegelenksaufnahmen Standardaufnahmen: 1. a.-p. ⫽ ventrodorsal, 2. seitliche Aufnahme, 3. Frick’sche Einsichtaufnahme (zur Beurteilung des Interkondylärraumes), 4. Patellaaufnahme: Seitenaufnahme in 30∞-Flexion (Beurteilung eines Patellahochstandes), Patella axial in 60∞-Flexion, 5. gehaltene Aufnahmen a. p. bei 30∞ und seitlich zur Beurteilung einer Knieinstabilität (chronisch oder traumatisch bedingt).
19.1.17 Unterschenkelaufnahmen Standardaufnahmen: 1. a.-p., dabei sollte der Unterschenkel um ca. 15⫺20∞ einwärtsrotiert werden, damit beide Unterschenkelknochen gut übersehbar sind. 2. seitliche Aufnahme.
19.1.18 Knöchel- und Sprunggelenksaufnahmen Standardaufnahmen: 1. a.-p. ⫽ ventrodorsaler Strahlengang, 2. Schrägaufnahmen ⫽ tibiofibulare Richtung, 3. Schrägaufnahmen (Einwärtsrotation um 20∞) zur Beurteilung der vorderen Syndesmose.
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19 Diagnostische Technik
19.1.19 Mittelfuß- und Zehenaufnahmen Standardaufnahmen: 1. a.-p. ⫽ dorsoplantare oder p.-a. ⫽ plantodorsale Aufnahmerichtung, 2. seitliche Aufnahme. Kalkaneusaufnahmen: 1. tibiofibulare Aufnahmerichtung, 2. Aufnahme schräg von hinten oben oder von vorne unten.
19.2 CT-Untersuchungen Die Computertomographie (CT) ist ein röntgendiagnostisches, computergestütztes, bildgebendes Verfahren (Abb. 19-4). Das Prinzip der Bilderzeugung besteht darin, dass von einer Röntgenröhre aus ein Röntgenstrahl von einem bestimmten Winkel (Fächerstrahl) auf einen bestimmten Körperabschnitt gerichtet wird. Der Röntgenstrahl durchläuft dabei z. B. Fettgewebe, Knochen, Organe und Gefäße und wird dabei entsprechend der jeweiligen unterschiedlichen „Dichte“ der Organe beim Durchstrahlen geschwächt. Auf der „Rückseite“ der Organe werden diese geschwächten Stellen als Signale wieder aufgefangen und durch sog. Detektoren und über ein Computersystem in Grautöne unterschiedlicher Intensität abgebildet. Das System ist jedoch nicht starr, sondern rotiert um einen bestimmten Körperabschnitt um 360∞, d. h. der zu untersuchende Körperabschnitt wird in seiner gesamten Zirkumferenz durchleuchtet. Darüberhinaus werden, wie eingangs erwähnt, die abgeschwächten Strahlen nach der Röntgendurchleuchtung aufgefangen und zu einem zirkulären Grauzonen-Schichtbild zusammengesetzt. Verändert man die Durchleuchtungsebene, d. h. bewegt man den Patienten um 1 oder 2 mm z. B. nach oben oder unten, so erhält man ein analoges Querschnittsbild, das die Nachbarschaftsstrukturen des vorausgegangenen Bildes darstellt. Auf diese Weise erhält man exakte Bilder von Organen und Organstrukturen bzw. pathologisch-anatomischen Veränderungen oder Unfallfolgen: ⫺ Schädel (Tumore, Blutungen, Gefäßanomalien), ⫺ Hals (Schilddrüse, Gefäße, Wirbelsäule), ⫺ Thorax (Anomalien, Tumore, Wirbelsäule, Herz, große Gefäße, Lunge, Mediastinum), ⫺ Abdomen (Tumore, Organverletzungen, Anomalien, Wirbelsäule, Gefäße, Genitalien),
19.2 CT-Untersuchungen
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⫺ Extremitäten (Muskelverletzungen, Sehnenverletzungen, Knochenveränderungen, Gefäße). Man unterscheidet: 1. Kraniale CT (CCT): bei intrakraniellen Blutungen (meist durch Kernspintomographie ersetzt), Frakturen, Tumoren. 2. Wirbelsäulen-CT: bei Bandscheibenerkrankungen, Tumoren. 3. Ganzkörper-CT: thorakale oder Abdomen-CT bei Anomalien, Tumoren, Metastasen, Aortenaneurysma, zur Nieren-Nebennierendifferenzierung, zur Differenzierung zwischen Zysten und Tumoren, bei Parenchymorganveränderungen, zur Retroperitonealdiagnostik. 4. High-resolution-CT (HRCT): bei Lungenveränderungen, Bronchienund Tracheaveränderungen. 5. Dynamische CT: Hierbei erfolgt z. B. eine i. v. Kontrastmittelapplikation zur Gefäß- und Organdarstellung. 6. Emissionscomputertomographie (ECT): Computertomographie unter Zuhilfenahme der Szintigraphie (Radionuklide). Man kennt: ⫺ SPECT: Single-Photo-Emissions-Computertomographie (gammastrahlende Radionuklide). ⫺ PET: Positronen-Emissionscomputertomographie (positronenstrahlende Radionuklide). Hauptindikationen sind Myocardszintigraphie, Hirnszintigraphie, Tumorszintigraphie.
Abb. 19-4 Computertomographie-Untersuchung bei einem Patienten mit Trichterbrust, wobei die Trichtertiefe, die Trichterform und die Verlagerung intrathorakaler Organe beurteilt werden können.
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19 Diagnostische Technik
19.3 Kernspintomographie/Magnetresonanztomographie Im Gegensatz zur CT werden bei der Magnetresonanztomographie (MRT, Kernspintomographie) keine Röntgenstrahlen verwendet. Es wird stattdessen ein Magnetfeld von außen auf den betreffenden Körperabschnitt angelegt. Dieses Magnetfeld ist in der Lage, über die Protonen der körpereigenen Wasserstoffatome in unterschiedlichen Organen elektromagnetische Wellen auszulösen, die als Signale aufgefangen und über Detektoren und über einen Computer zu einem Schichtbild zusammengesetzt werden. Sie entsprechen dann sehr genau den einzelnen Gewebeschichten. Dadurch ist eine sehr hohe Kontrastauflösung und Darstellung von anatomischen Strukturen möglich. Es ist mit diesem Verfahren auch möglich, eine Blutflussmessung durchzuführen: Magnetresonanzangiographie (mit MRT-Kontrastmittel). Hauptindikationen sind: Weichteilanalysen, zentrales und peripheres Nervensystem, Organveränderungen bei Kindern.
19.4 Sonographie Mit Hilfe des Ultraschalls lassen sich Organstrukturen analysieren. Verwendet werden Ultraschallsonden, die den Ultraschall linear aussenden (lineare Ultraschallköpfe) oder den Ultraschall sektorförmig aussenden (Sektorultraschallköpfe) unterschiedlicher Größe für Kinder und Erwachsene. Dargestellt werden können hierbei Hautstrukturen, Gefäße und Organe. Rotierende Ultraschallsonden ergeben ein semizirkuläres oder ein zirkuläres Bild von Organen und deren unmittelbar angrenzenden Gewebestrukturen: intraanaler Ultraschall, Sektorultraschall in der Vagina oder in Kombination mit endoskopischen Geräten z. B. der Speiseröhre. Ultraschallsonden sind mit unterschiedlicher Hertzfrequenz ausgestattet: je höher die Hertzfrequenz, umso niedriger die Eindringtiefe des Ultraschalls in das Gewebe und umso genauer die lokale Gewebsanalyse. Mit Hilfe des Ultraschalls lassen sich im Rahmen der chirurgischen Erstversorgung feststellen: 1. intrakranielle Blutungen bei Neugeborenen und Säuglingen, 2. Hämatome am Hals, in der Bauchdecke, im Thorax (Hämatothorax), in der Muskulatur der Extremitäten und als freie Flüssigkeit/ Blutungen im Abdomen, 3. Organrupturen (Abb. 19-5), 4. retroperitoneale Organrupturen und Blutungen, 5. Veränderungen im Becken und Flüssigkeitsansammlungen/Blut im Douglas Raum mit Hilfe des endoanalen Ultraschalls,
19.5 Endoskopie
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Abb. 19-5 Sonographieaufnahme. Oberbauch-Ultraschalluntersuchung nach stumpfem Bauchtrauma und Leberruptur mit Blutung aus einem Leberriss. Links oben ist die Leber dargestellt, darunter in Bildmitte sind gekammert Blutungsherde (hypodense, dunkle Zonen) sichtbar.
6. Gefäßveränderungen und Durchblutungsstörungen im Bereich der Hals-, Bein- oder Armgefäße durch den farbkodierten Doppelultraschall: Diese Veränderungen können auch hörbar gemacht werden, 7. Intrathorakale Gefäßdarstellungen (Aorta, Vena cava) und intraabdominelle Gefäßdarstellungen (Aorta, Vena cava, arteria/vena iliaca) und Ausschluss von Aneurysmen. 8. Bei entsprechenden Erfahrungen lassen sich durch den Ultraschall auch Frakturen diagnostizieren (Willital).
19.5 Endoskopie Im Rahmen der chirurgischen Erstversorgung kommen folgende endoskopische Verfahren zum Einsatz: 1. präoperative Endoskopie (diagnostische Endoskopie), 2. diagnostische und therapeutische Endoskopie, 3. intraoperative Endoskopie,
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19 Diagnostische Technik
4. Thorakoskopie, 5. Laparoskopie. Mit Hilfe der Endoskopie (starre und flexible Instrumente z. B. der Firma Storz) lassen sich traumatische Läsionen des Ösophagus, des Magens und des Duodenums sowie von Trachea und Bronchien, aber auch Läsionen im Enddarm- und Dickdarmbereich sowie der Urethra, der Blase und der Ureteren diagnostizieren. Darüber hinaus ermöglicht die Notfallthorakoskopie oder die Nottfallaparoskopie, die Ursache von traumatischen Organläsionen mit großer Sicherheit zu diagnostizieren und gegebenenfalls dann chirurgisch zu behandeln. Beispielsweise lassen sich dadurch intraabdominelle Blutungen oder subkapsuläre Organrupturen und Blutungen oder Pankreasläsionen, die häufig klinisch übersehen werden, einwandfrei feststellen.
19.6 Thermographie Die Thermographie gewinnt in der chirurgischen Erstversorgung in zunehmendem Maße an Bedeutung. Sie ist eine nicht invasive, beliebig häufig wiederholbare, relativ einfach durchzuführende und auszuwertende Diagnosemethode (Abb. 19-6). In der chirurgischen Erstversorgung können mit Hilfe der Thermographie Durchblutungsstörungen an Zehen und Füßen, an Unterschenkel und Oberschenkel sowie Durchblutungsstörungen der oberen Extremitäten sicher diagnostiziert werden. Weiterhin ist es möglich, topographisch-anatomisch sehr präzise umschriebene Haut- und Organbezirke mit Entzündungsherden unterschiedlicher Ursache sowohl im Initialstadium als auch im fortgeschrittenen Stadium unter Mitbeteiligung von Nachbarorganen darstellen, um dann die entsprechende Therapie einzuleiten. Auf weitere Indikationen wird in diesem Zusammenhang nicht eingegangen, da ausschließlich auf die diagnostischen Möglichkeiten im Rahmen der chirurgischen Erstversorgung hingewiesen werden soll. Auch zur Früherkennung eines Kompartmentsyndroms nach Weichteilläsion oder nach Frakturen ist die Thermographie empfehlenswert und von therapeutischer Bedeutung. Bereits Temperaturdiffenenzen von 0,5 ∞C lassen sich mit diesen farbkodierten, bildgebenden Verfahren optisch exakt darstellen. Die Technologie der „Flir-Systeme“ hat sich bei diesen Diagnoseverfahren im Hinblick auf die Anwendung, Auswertung und Diagnostik sehr gut bewährt.
19.6 Thermographie
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Abb. 19-6 Thermographieaufnahmen. (a) Traumatische Verletzung der rechten Hand und des Unterarms mit Durchblutungsstörung. (b) Thermographiebild zur Identifizierung von durchblutungsgestörten Körperanteilen (dunkle Bereiche) im Vergleich zu durchblutungsgefährdeten Abschnitten (Bereiche mittlerer Helligkeit) und normal durchbluteten Körperabschnitten (helle Bereiche).
20 Anhang: Normalwerte, Schnelltests, Infusionslösungen, Nahtmaterial, Schmerzdiagnostik, Laseranwendung, Proktologie
20.1 Referenzbereiche für die Notfalldiagnostik (geordnet in alphabetischer Reihenfolge) Parameter
Referenzbereich
Einheit
Albumin alkalische Phosphatase Amylase
3,5⫺5,0 < 170 i. S.: < 120 i. U.: < 560 < 1,0 < 0,25 < 0,75
g/dl U/l U/l U/l mg/dl mg/dl mg/dl
7,35⫺7,45 75⫺100 35⫺45 21⫺27 ⫺3 bis ⫹3 35 < 150 Männer: < 70 Frauen: < 60