Preußens Rechtsverfassung und wie sie zu reformiren sein möchte, Fortsetzung 1 [Reprint 2022 ed.] 9783112683361


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German Pages 363 [376] Year 1845

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Table of contents :
Inhalts- Verzeichnis
Einleitung
I. Die Instizbeamten
II. Die Institution der Justiz-Commissarien und die Untersuchungsmaxime
III. Die Winkelschriftsteller
IV. Das neue Bureau-Reglement
V. Die Posener Salarien - Kassen - Instruktion
VI. Das Insinuations - Wesen
VII. Das Akten - Aufbewahren und Vernichten
VIII. Der summarische Prozeß
IX. Der Bagatell - Prozeß
X. Der Strafprozeß
XI. Das Militair - Justizwesen
Anhang zu x und XI, betreffend die Frage wegen Veröffentlichung der Urtheilsgründe
XII. Die Abfassung glaubhafter Urkunden (Das Notariat.)
Schlußbemerkung
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Preußens Rechtsverfassung und wie sie zu reformiren sein möchte, Fortsetzung 1 [Reprint 2022 ed.]
 9783112683361

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Rechtsverfassnng wie sie zu rcfornttren sein möchte. Erste Fortsetzung: die Stift’«,beamten und deren Klagen, dabei von der Institution der Referendarien; die Institution der Iustizkonnnissarien und die Untersuchungsmarime; die Winkelschriststellerei; das neue BureauReglement; die Posener Kassen-Instruktion; das Instnuationswesen; das Akten - Ausbewahren und Vernichten; der summarische Prozeß; der Bagatellprozeß; der Strafprozeß; das Militair-Iustizwesen; die Abfassung öffentlicher Urkunden.

Von

C. £. Koch.

V

Sm Verlage von schienen :

G. P. Aderholz'

in Breslau

ist ferner er­

Die

Preußischen Städtevrdmmgen vom 19, 9tovber.l8«8 n 17. Marz 1831, eine systematisch geordnete Sammlung aller auf dieselben Bezug habenden gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere der in der Gesetzsammlung für die Preußischen Staaten in den v. Kamptz'scben Annalen für die innere Staatsverwaltung und in deren Fortsetzungen durch die Ministerialblätter ent­ haltenen Verordnungen und Nescripte, in ihrem organischen Zusammenhänge mit der früheren Gesetzgebung dargestellt unter Benutzung der Archive der Ministerien des Innern, der Justiz, der Geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten und der Hauptverwaltung der Staatsschulden, von

L. v. Norme,

unt)

48 Bogen,

Heinr. Simon, Oberlandesgerichts - Asseyor.

Kammergerichts - Rathe,

gr. 8.

2^ Rrhlr.

Die genaue Kenntniß der Preuß. Städteordnungen mit den dazu er­ gangenen Ergänzungen gewinnt doppeltes Interesse in einer Zeit, wo Staat und Gemeinden zu regerem politischen Leben erwacht sind, und wo eö sich um wesentliche Reformen der Gemeindeverfaüunq wichtiger Lan­ destheile handelt. Deshalb hatte bereits der Eine der Herren Verfasser im Jahre 1840 eine solche Schrift herausgegeben, welche Seitens deS hohen Ministeriums des Innern und der Polizei durch nachstehende, an sämmtl. Kgl. Negierungen erlassene, Cirkular-Verfügung empfohlen ward: „Der Oberlandesgerichts-Rath v. Nonne hat mir ein von ihm her* „ausgegebenes Werk, betitelt: Die Pveuß. Städteordnnugen rc., „Breslau bei Aderholz, übersandt, welches alle die beiden Gesetze ergän„zenden und erläuternden, und die Ausführung und Anwendung ord„nenden Gesetze und Ministerial-Bestimmungen so vollständig und in so „klarer wissemchaftiicher Anordnung enthält, daß eS allen zeitherigen „Arbeiten dieser Art bei weitem vorzuziel>en ist, und ich es als ein sehr „nützliches Hilfsmittel für alle diejenigen Behörden und Personen „betrachten muß, welche bei Ausführung beider Gesetze betheiligt sind. „Ich mache daher die Kgl. Regierung auf dieses sehr schätzbare Werk „aufmerksam, um eS nicht nur für Ihre eigene Bibliothek anzuschaffen, „sondern auch um eS in Ihrem Amtsblatte den Magistraten, „Stadtverordneten und allen Denjenigen zu empfehlen, welche sich „für diesen wichtigen Gegenstand interessiren." Berlin, den 17. Ian. 1810. Der Minister deS Innern u. d. Polizei

v. Rochow. Das Werk ist alS eine durchaus verbesserte, fast um die Hälfte vermehrte zweite Ausgabe zu betrachten, deren Werth außerdem noch durch eine wissenschaftliche Einleitung, welche die Geschichte deS deutschen und des vreuß. StädtewesenS ausführlich enthält, erhöht worden ist. Zweckmä­ ßige Register und Uebersichten erleichtern den Gebrauch.

Preußens Rechtsverfaffung und

tote fte zu reformiren fein möchte.

Erste Fortsetzung: die Justizbeamten und deren Klagen, dabei von der Institution der Neferendarien;

die Institution der Justizkommissaricn und

die Untersuchungsmarime;

die

Winkelschriftstellereiz

das

neue

Bureau-Reglement; die Posener Kassen-Jnstruktion; das Jnsinuationswesen z das Akten-Aufbewahren und Vernichten; der sum­ marische

Prozeß;

der Bagatellprozeß;

der

Strafprozeß;

das

Militair-Justizwesen; die Abfassung öffentlicher Urkunden.

Von

C. F. Koch.

Breslau, bei Georg Philipp Aderhvl;. 1S44.

Inhalts- Verzeichnis Seite. Einleitung................................................................................................. 1 L Die Zustizbeamten. 1) Klage über Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der Richter

in ihren Urtheilen............................................................................. 4 2) Klagen über Entwürdigung des Richteramts.

.

.

.20

3) Klagen über Erschwerung und Beschränkung der Concurrenz,

und die Institution der Referendarien

....

SO

4) Klage über zu geringe Besoldung....................................................... 84 ö) Klage wegen Ueberbürdung hinsichtlich der Pensionen

.

. 115

II. Die Institution der Zustiz-Commissarien und die Untersuchungs­ maxime

....................................................................................................... 129

III. Die Winkelschriftstellerei......................................................................... 171 IV. DaS neue Büreau-Reglement.....................................................178

.

. 206

VI. Das Insinuations-Wesen.............................................................

. 230

V. Die Posener Salarien-Kassen-Jnstruktion

.

.

VII. Das Akten.Aufbewahren und Vernichten.......................................... 247 VIII. Der summarische Prozeß.

252

IX. Der Bagatell-Prozeß........................................................................ 290

X. Der Strafprozeß..............................................................................................300 XI. DaS Militair.Zustizwesen.........................................................................311 Anhang zu X und Xi, betreffend die Frage wegen Veröffentlichung

der Uriheilsgründe................................................................................. 348 XII. Die Abfassung glaubhafter Urkunden.

(DaS Notariat.)

. 353

Schlußbemerkung..............................................................................................362

Ginleitnng.

4Jie rhapsodische Schilderung oder Andeutung mancher Zu­ stände unserer Rechtsverfaffung, womit ich im vergangenen

Jahre vor das verehrte Publikum getreten bin, enthält zu viel, als daß sie hätte unbeachtet bleiben können, und zu wenig, um überall und bei Jedermann die siegende Kraft der Wahr­

heit zu entfesseln.

Die Macht der Gewohnheit, Eigenliebe,

Vorurtyeile und Persönlichkeiten sind im Allgemeinen mächtige Stützen alles

einmal Eingeführten und Bestehenden,

und

müssen erst dadurch, daß man die daraus hervorgehenden Mißstände durch genau dargestellte Einzelnheiten der mensch­

lichen Vernunft klar vor Augen legt, wankend gemacht wer-

bern.

Welche dankonswerthe Anerkennung auch meine un­

maßgebliche« Vorschläge an höchster Stelle durch Wort und

That in mancher Hinsicht gefunden haben, so ist in anderer Hinsicht doch auch die von mir bezweifelte oder bekämpfte

Zweckmäßigkeit der einen oder der andern Institution theils

durch Zweifel an dem Thatsächlichen, theils dadurch, daß man wieder in dm Personen die Ursach des ungünstigen Erfolgs sucht, zu rechtfertigen versucht worden.

2 Dieß macht es nothwendig, Manches noch näher zu be­ gründen oder weiter auszuführen. Außerdem aber ist Vieles, was noch gar nicht berührt

worden ist und nicht weniger dringend eine Abhilfe oder Besserung fordert.

Davon bringe ich hier dasjenige, was

sich zunächst dargeboten hat, in Anregung.

Der Stoff aber

wird hierdurch noch lange nicht erschöpft, und darum will

ich den Weg, den ich mir dieser Schrift betreten habe, noch

nicht für zurückgelegt ansehen. Mein Zweck ist, für die Herstellung einer zeitgemäßen Rechtspflege zum Wohle meiner Mitbürger und folglich zum

Wohle meines Vaterlandes, nach meinen schwachen Mitteln und Kräften, nntzuwirken;

ich habe keine anderen Bewe­

gungsursachen als allein das glühende Verlangen, die In­

stitutionen hergestellt zu jehen, welche die allgemeine Stimme

und eine langjährige Erfahrung eben so sehr wie das We­

sen der Sache als die sichersten Bürgschaften einer unab­ hängigen und

selbstständigen Gerechtigkeitspflege

dringend

empfehlen. Aus diesem Gesichtspunkte ist das, was hier folgt, vor­

getragen; ich werde dabei nur das Sachliche im Auge ha­

ben und mich der Ruhe befleißigen, ohne welche der Sache nicht gedient werden kann.

Wäre aber der eine oder der

andere Ausdruck nicht glücklich gewählt, die eine oder die andere Redefigur nicht recht gerathen, die eine oder die an­ dere Thatsache überflüssig, so bitte ich den geneigten Leser,

nur die gute Absicht anznsehen.

3 Die Rechtschaffenheit meiner Gesinnungen, in welchen ich

die Mißstände und Beschwerden vor Augen führe, ist mir

Bürgschaft, daß meine Worte an allen Orten, wo es darauf ankommt, eine gute Stelle finden werden; und die Hoch­

herzigkeit und Freisinnigkeit unserer höchsten Staatsbehörden, so wie das eifrige aufrichtige Bestreben derselben, überall wo es

Roth thut, zu helfen und allen billigen Wünschen zu entsprechen, sind Gewähr, daß Mühe und Arbeit nicht verloren sind.

1. Die Jnstizbeamteir.

1) Klage über Beeinträchtigung der Unabhängig­

keit der Richter in ihren Urtheilen. Bei unsern Staatseinrichtungen hat kein einziger Beam­ ter die Würde oder den Charakter der Obrigkeit, jeglicher Beamter ist nichts weiter als ein Diener der Obrigkeit.

Mit

Verwunderung habe ich oftmals gehört und gesehen,

wie

einzelne Richter die Bestimmungen des Allg. Landrechts Th. II, Tit. 20, §. 580, wonach leichte Verbalinjurien, wenn sie

von Unterthanen gegen ihre Obrigkeit verübt worden, in schwere Injurien ausarten,

auf Beleidigungen gegen einen

Justiz- oder Polizei-Bedienten haben anwenden wollen, als wenn ein Beamter die Obrigkeit wäre.

überflüssig,

den Beamten zu sagen,

sind als Diener der Obrigkeit.

Es ist daher nicht

daß sie nichts weiter

Wir haben keine Magistrate

(Obrigkeiten), welche in Person den Dienst verrichten, es

müßte denn ein Guts- und Gerichtsherr sein, der in Per­

son die Polizei oder gar auch die Justiz auf seinem Gute verwaltete.

nicht,

Wir haben,

sage ich,

dergleichen Magistrate

weil es für ,den Dienstherr» viel zu kostspielig sein

würde, persönlich den Dienst zu verrichten.

Der Dienstherr

5 ist der Staat

keit,

(wol zu unterscheiden noch von der Obrig­

auf welchen Unterschied ich mich nicht einlaffe);

t’r

muß für die Verrichtung des Dienstes bei der Obrigkeit Sorge

tragen.

Sollte er also, wie in manchen Republiken, ohne

Miethlinge den Dienst versehen,

Reihedienst sein,

so müßte nothwendig ein

oder der Dienst solchen Mitgliedern der

Staatsgesellschaft überlassen werden, welche darin ihre Un­

terhaltung suchten.

Hierin liegt beiläufig ein Grund mit,

warum das gerühmte Institut der Schiedsmänner, in seiner

jetzigen Einrichtung, niemals volksthümlich werden, nie zur

Blüthe komme» wird.

Ein angesehener Bürger,

möge seiner Verhältnisse fortwährend zu

der ver­

Gemeindeämtern

angezogen wurde, sagte mir kürzlich: „ich bedaure, daß ich

nicht zum Schiedsmann gewäblt worden bin;

denn dann

wäre ich meine Gemeindeämter losgeworden, und als Schieds­

mann hätte ich auch nichts gethan."

Ein Bürger der alten

Republiken konnte freilich so nicht denken, wir aber keine alten Republikaner,

wir sind klüger,

sere Vorschriften (Gesetze)

sind

wir machen Mi­

und lassen die zur Vollziehung

erforderlichen Handgriffe durch Diener verrichten, was uns viel wohlfeiler zu stehen kommt, als wenn wir es persönlich

nach der Reihe thun sollten.

Das Institut der Lohndiener

bringt nun mit sich, in Beziehung auf die persönlichen Ver­ hältnisse:

daß alle für Lohn angenommene Beamten vom

Ersten bis zum Letzten, gehören,

zu einer und derselben Kathegorie

daß hingegen jeder freie Staatsbürger,

insofern

ihm die Mitgliedschaft in der Staatsgesellschaft zugestanden

ist, dem Beamten gegenüber zur Kathegorie der Diensther-

6 rett gehört; und daß in Beziehung auf die Befugnisse der

Bediensteten ein Beamter als solcher noch nicht Repräsen­ tant des Dienstherr« ist,

sondern daß, um dieses zu sein,

noch Etwas hinzukommen muß.

Die Nutzanwendung davon ist,

daß die Beamten nicht

Herren sondern Diener des Publikums sind, und daß sie nicht regieren und nicht anordnen können und dürfen, dern das thun und verrichten müssen,

was ihnen die von

der die Staatsgesellschaft repräsentirenden juristischen)

Person

(physischen oder

ausgegangenen Instruktionen,

ments und Bestimmungen vorschreiben.

son­

Regle­

Es wäre nützlich,

wenn diese Verhältnisse klar in das Bewußtsein aller Be­ diensteten übergingen, und wenn Zeder inüerhalb seiner Berufsgrenze bliebe:

die Klage über Beamtenregierung und

über Büreaukratie würde dann großeniheils grundlos werden.

Eine große Menge von Dienstleuten bringt eine ge­ wisse Gliederung mit sich, ohne welche sich das Ganze des

Dienstes nicht würde handhaben lassen.

Daraus folgen von

selbst gewisse Abstufungen unter den Dienstleuten und es kann nicht anders sein,

als daß gewisse Obere eine Anzahl

ihnen untergeordneter Dienstleistenden leiten und beaufsich­

tigen,

womit das Aufsichtsrecht gegeben ist.

Der Zweck

aller Aufsicht an sich ist lediglich die Erhaltung der Dienst­ thätigkeit,

sie, die Aufsicht, kann jedoch dabei ihr Augen­

merk auf zweierlei richten, uämlich auf das Ob und auf das Wie.

Zst der Dienstleistende bloß Maschine,

hat er

bloß die Handgriffe, wie sie von dem Dienstherr» oder dem

von diesem bestellten Aufseher vorgeschrieben werden, aus-

7 zuführen, werden:

so

muß selbstredend

eine Maschine,

auch ans das Wie gesehen

die nach der Ansicht — denn nur

diese entscheidet darüber — des Maschinisten nicht gut ar­ beitet, wird bei Seite geworfen, sie muß einer Bessern Platz Wo aber der menschliche Geist in Dienst genom­

machen.

wo das vernünftige Ermessen,

men ist,

der Verstand das

Wie der Thätigkeit bestimmen, das Erzeugniß hervorbringen

soll, da kann dem Aufseher kein Einfluß auf das Wie zu­ stehen, da ist eben der Verstand des Handelnden allein das

Bestimmende.

Ein berufener Sach- oder Kunstverständiger

in Sachen

kennt

seines Urtheils

keine

andere Richtschnur

als seinen Verstand, sollte er dem Einflüsse eines Andern

folgen müssen, so wäre nicht mehr Er selbst, sondern dieser

Andere

Dieses nun

der Urtheiler.

gilt vom Richteramt.

Die Richter sind Kunstverständige und haben ihr Amt ledig­ lich nach ihrem eigenen Wissen und Gewissen zu verrichten,

kein Anderer kann ihnen, ohne daß sie aufhören zu sein was

sie sein

sollen,

noch mehr:

darin Etwas vorschreiben.

sie sind durch ihren Dienstcontract zugleich be­

rufen und beauftragt,

Recht dem

zu

Sie sind aber

finden

als Stellvertreter der Obrigkeit das

und Urtheil zu sprechen,

bestehenden Recht,

welches ihnen,

und zwar nach

nach ihrer eigenen

Auffassung und nach eigenem Kunstverstande, dabei zur aus­

schließlichen Norm dient.

Wie der römische Arbiter in den

sogenannten causis arbitrariis lediglich ex officio, d. i. nach

seinem Ermessen und nach seiner Auslegung des Rechts sein

Urtel fällte,

so der heutige Richter nach Bewandniß der

Sache und seiner Rechtserkenntniß.

8 Bei allen civilisirten Völkern

keit der Richter für eins

die Unabhängig­

gilt

der größten Güter,

Rationen der Erde, selbst die rohesten,

und alle

halten die Würde

des Richters für heilig und unantastbar.

Selbst mensch­

licher Irrthum und Fehlgriff gibt kein Recht, die Person

des Urtheilers anzugreifen, weil damit die Unabhängigkeit im Urtheilen über den Haufen geworfen sein würde; man ehrt

selbst einen irrthümlichen Ausspruch noch als einen richterli­

chen Urtelsspruch, und hat nur Mittel und Wege erdacht, Ab­ hilfe zu erlangen dadurch, daß noch ein anderer Richter über die Sache sein Urtheil spreche. Dieser andere Richter ist aber

in keinem höher» Grade unabhängig als der erste, auch eben

so feblbar als der erste, und darum sind Beide an sich ganz gleiche Größen: der Zweite ist kein Oberer oder Vorgesetzter des ersten,

er ist nur der zweite Richter in der Sache und

hat als solcher mit der Person des ersten Richters gar nichts zu schaffen, der alleinige Unterschied zwischen Beiden beruhet

bloß darin, daß der Letzte Recht behält; aber wer von ihnen

wirklich das Rechte getroffen hat, ist nicht auszumachen. erhellet,

daß die Benennungen von Unterrichter

(ein Ausländer,

der unser Staatsleriko» nicht recht inne

Hieraus

hatte, verstand darunter eine Person, die Unterricht gibt,

einen Lehrer) und Oberrichter unpassend sind;

sie sind aber

auch schädlich, weil sie den Irrthum erhalten und die Be­

deutung des Richters Erster Instanz verkennen machen; und der aus Geringschätzung entstandene Gebrauch hat nicht ein­

mal das Herkommen für sich,

da unter den aus der Ge­

schichte bekannten Ober- und Riedergerichtei» etwas ganz

9 Anderes verstanden wird, soll.

alS hier damit bezeichnet werden

Roch jetzt kommt es vor, daß man, doch wol nicht

ans Hochachtung,

Gerichten erster Instanz

so von Oben

her Vorhalt: sie wären nur Untergerichte, wie man S. 186 des ersten Hefts lesen kann.

Mit sehr widerstreitenden Em­

pfindungen denkt man über dergleichen Vorhaltungen nach; ich gehe jedoch darüber hinweg und komme zurück auf den

vorhin entwickelten Satz: daß jeder Richter, nach der Natur seines Amts,

Richter

zweite

in seinem Urtheil völlig unabhängig sei,

erster Instanz in Richter,

Autorität

irgend

und

der

keinem geringern Grade als der

daß weder diesem noch einer andern

ein Einfluß

auf daS Wie der amtlichen

Thätigkeit des ersten Richters zustehe. Finden wir bei uns diese Unabhängigkeit anerkannt und

gewürdigt, finden wir sie gesichert?

Nein.

Derselbe Geist,

welcher einstmals in Folge der bekannten Müller Arnoldschen

Rechtssache,

traurigen Andenkens,

durch den Königlichen

Mund dem Minister v. Zedlitz vorschrieb: tote er das Ur­ theil sprechen sollte, derselbe Geist, welcher die Richter, well sie nach Pflicht und Ueberzeugung in jener

Sache geurthetlt

hatten, formlos und ohne Richterspruch wegjagte, bestrafte

und zur Entschädigung der unterliegenden Parthei (des Mül­ ler Arnold) verurtheilte, — dieser Geist ist noch da. Zwar,

das P wahr, in jener fürchterlichen Gestalt ist er seitdem

nicht wieder erschimeN, aber er lebt noch, er lebt in unserer, sich von daher schreibenden Zusiizeinrichtung.

Vermöge der­

selben sind es Geister untergeordneten Ranges, welche be-

ntfeit sind oder sich berufe« halten, de» Richtern vorzuschrei-

10 ben, wie sie urtheilen sollen. Ich bringe hierzu einen, mir von den Partheien zugestellten Belag aus der allerueuesten

Zeit. Zn einer ordinairen

Prozeßsache war der Beklagte

in dem Klagebeantwortungstermine

ausgeblieben und der

erschienene Kläger machte den Antrag, den Beklagten wegen seines ungehorsamen Ausbleibens in contumaciam zu verurtheilen.

Ehe jedoch dieser Antrag zum Bortrag bei dem

Richterkollegium kommen konnte, ging ein Promemoria des

Beklagten von demselben Tage ein, worin er anzeigte, daß gewisse namhaft gemachte Hindernisse ganz plötzlich am Bor­

mittage eingetreten seien und ihm das persönliche Erscheinen sowie die Absendung eines Bevollmächtigten unmöglich ge­

macht hätten; er brachte die Klagebeantwortung bald nach und bat die Sache zu verhandeln. Beide Anträge kamen zugleich zum Vortrage.

Das Richterkollegium fand die Ent­

schuldigungsgründe erheblich,

und

resolvirte, daß der Be­

klagte, weil er nicht für ungehorsam zu halten und auch die Klage bereits beantwortet habe, nicht in contumaciam zu verurtheilen, sondern die Sache zu verhandeln.

Damit war

der Kläger unzufrieden, er recurrirte, d. h. er beschwerte

sich über das Gericht bei dem Oberlandesgerichte.

Dieses

erforderte denn, nach der bekannten Weise, von dem Gericht Verantwortung, und das Gericht berichtete:

„daß der Bortrag richtig und die Instruction der Sache im Gange sei. Unter den in dem Proroga­

tionsgesuche vom 4. September angeführten Umstän­ den, heißt es: finden wir, wenngleich dasselbe erst

«ach Verlauf der Terminszeit eingegangen, die Be-

11 schuldigung

des Ungehorsams gegen die Beklagte

nicht begründet, und darum haben wir ein Contumacial-Erkenntniß

nicht

abfassen

nach ausdrücklicher Bestimmung Tit.

I,

können.

Denn

des §. 10, Tit. 8,

der A. G.-O. soll nur der

ungehorsame

Beklagte der in der Klage angegebenen Thatsachen für

geständig und überführt erachtet werden; ob aber der Beklagte ungehorsam sei oder nicht, das hat der

erkennende Richter zu befinden, und in dieser Eigen­ schaft haben wir die

Beklagte bei den augezeigten

erheblichen und plötzlichen Hinderungsursachen nicht ungehorsam befunden, folglich auch nicht in con­

tumaciam verurtheilen können."

Wäre nun daS Oberlandesgericht anderer Meinung ge­

wesen und hätte als Gericht Zweiter Instanz einen andern

Bescheid abfassen können und den Beklagten verurrheilt; so wäre solches justizmäßig gewesen.

Aber was geschah? Das

Oberlandesgericht belehrte, ganz im Berufe seiner Stellung, das Gericht Erster Instanz, daß der Beklagte ungehorsam

gewesen sei, und in contumaciam verurtheilt werden müsse; und befahl dem Gerichte, hiernach das Contumacial - Urtel

zu sprechen.

Dieses Dokument lautet wie folgt:

„Dem Königlichen rc. Gericht wird in Folge

des auf die Beschwerde des Kaufmann Moritz S. zu N. vom 23. September c., in dessen Prozeßsache

wider die Frau Landräthin von O., unterm 10. d. M. erstatteten Berichts hierdurch aufgegeben, unter

Aufhebung jedes ferneren Instruktions-Termins daS

12 Corttumacial - Erkenntniß nach dem Anträge des klägerischen Mandatarii abzufaffen.

Dieser Antrag erscheint nach §. 8, Tit. 8 der Pro­

zeß-Ordnung vollkommen gerechtfertigt, da hiernach angenommen werden muß, daß eine Partei, die in

dem Bormittags angestandenen Termine bis 12 Uhr nicht erschienen, als

ungehorsam

ausgeblieben

zu

erachten ist. Ferner geht auch aus den §§. 20 und 21 1. c.

ganz deutlich hervor,

wenn

daß ein Prorogakionsgesuch,

darauf gerücksichtigt werden soll,

Termine einzureichen ist.

vor dem

Wallte sich daher die Ver­

klagte vor den gesetzlichen Folgen der

Contumaz

schützen, so mußte sie sich in integrum restituiren

lassen." Indem diese Verfügung dem Gerichte erster Instanz an­

befehlen will, tote Es erkennen soll, negirt sie die richter­ liche Selbstständigkeit und spottet der Unabhängigkeit des

Richters in seinem Urtheil. Das betroffene Gericht that jedoch wie weiland der Minister von Zedlitz,

der dem König­

lichen Gebieter rund abschlug, das Urtheil so zu fällen, wie

befohlen war, «nd erließ folgendes Erkenntniß:

„Zn der ordinären Prozeßsache des Kaufmann Mo­ ritz S. zu 91., wider die Landräthin v. O. auf St., hat das Königliche rc. Gericht zu 91. in seiner Sitz­

ung vom 7. November 1843, an welcher Theil ge­ nommen haben: u. den erkannt:

Akten gemäß für Recht

13 daß Kläger mit seiwem Anträge: die Verklagte in contumaciam seinem Klageanträge gemäß

ju verurtheileN, abzuwrisen und die Kosten dieses ZwischenurtelS zu tragen schuldig.

B.

R.

W.

Gründ«. Der Kaufmann S. hat als Käufer der Erbpacht-

gertchtigkeit von Alt-G. gegen die Fideikommißbe«

sitzrrin, Landräthin v. O.> auf Ertheilung der Ein­ willigung in die Veräußerung der Erbpachtgerech­

tigkeit geklagt. Zm Klagebkantwortungstermine, den

4. September c., ist bis

12 Uhr von Seiten

Verklagten Niemand erschienen.

der

Kläger beantragte

daher gegen die Verklagte in contumaciam zu er­ kennen. Noch ehe der Contumazialbescheid abgefaßt wer­

den konnte,

kam indeß mittelst einer Vorstellung

Vom 4. September der JustlzcommiffariuS I. für

die Verklagte, Vollmacht von ihr überreichend, ein, mit der Anzeige, daß die Verklagte durch plötzlich

eingetretene Krankheit,

sowie unaufschiebbare Ehe­

haften ihres Gemahls, am Erscheinen verhindert

gewesen, und mir der Bitte,

einen anderweitigen

Dermin anzusetzen, wobei er sogl«ch versprach, die Klagebeantwortungsschrift schon den 7. September

emzureichr«.

Dies

letztere hat er auch gethan und

deßhalb erachtet« däs EvllegiUm in Berüekstchtigung des b. 23, Dit. 8 der Prozeßordnung, und weil

14 ordinairer

Prozeß vorlag, die Verklagte nicht für

contumax, faßte den Contumazialbescheid nicht ab,

sondern verordnete einen

Termin

zur

Instruction

der Sache.

Ueber

dieß

Verfahren hat sich der Kläger bei

dem Königl. Oberlandesgericht beschwert, und Dieses hat durch die Verfügung vom 27. Oktober c. dem rc.

aufgegeben,

Gerichte

unter Aufhebung

ferneren Znstruktionstermines kenntniß nach dem

jedes

das Contumazialer-

Anträge des klägerischen Man­

datars abzufassen. Da dem erkennenden Richter nicht vorgeschrieben werden kann, wie derselbe erkennen soll, so hat das

Eollegium in jener Anweisung nur den Befehl fin­ den können, über die Frage:

ob der Contumazial«

bescheid abzufassen, welche Frage in der Regel durch

einfache Verfügung des instruirenden erkennenden

und zugleich

Richters erledigt zu werden pflegt, in

dem vorliegenden Falle durch förmliches Erkenntniß

zu entscheiden. Das Collegium hat auch in seiner

erkennender

als

der Sache nicht des Klägers:

bei nochmaliger Prüfung

Richter finden

jetzt

Eigenschaft

können,

schon

in

daß

der

Antrag

contumaciam zu

erkennen, gerechtfertigt sei. Der §. 20, Tit. 8, Th: I, der A. G.-O.

ver­

ordnet zwar, daß ein Verklagter, 'der im Termine

nicht

erscheinen

kann,

dem Gericht noch vor dem

15 Termine davon Anzeige machen und um Berlegung

desselben Litten müsse, schon,

daß

ein

verspätetes

im

Prorogations-Gesuch Folge

die

demselben

Kosten erstatten muß. dabei,

Grunde

zuläßiges

sich

keine

als daß

fruchtlos

weitere er

dem

aufgelaufenen

Vorausgesetzt wird natürlich

daß bei dem Eingänge des Prorogationsge­

suchs der Contumazialbescheid

ist.

an

den Verklagten hat,

für

Kläger

allein der §. 21 eod. ergibt

Denn ist dieser ergangen,

bereits über den Ungehorsam

noch nicht abgefaßt so

hat Der Richter

des Verklagten ent,

schieden und diesem bleibt nichts weiter übrig, als

das

ihn«

Contumazialbescheide

gegen

zustehende

Rechtsmittel zu gebrauchen, weil ein einmal ergan­

genes Erkenntniß nicht durch bloße Verfügung be­ seitigt werden kann. Diese Ansicht wird durch die Vorschriften über

das Rechtsmittel der Restitution gegen Contnmazialbescheide bestättigt.

Es unterliegt nach §. 71, Tit.

14, Th. I der A. G -O. keinem Zweifel, daß

ein

Verklagter gegen ein Eontumazialurtel restituirt wer­

den muß,

wenn er neben der vollständigen Ein­

lassung auf die Klage, zugleich erhebliche Ursachen,

auS denen er zu erscheinen verhindert gewesen, be­ scheinigt.

Aus §. 75, 77 ib. und §. 125 ergibt sich

sogar, daß die unterlassene Bescheinigung der Hin­ derungsursachen,

oder

die Unrichtigkeit derselben

zwar den Verklagten unter Umständen einer Pro-

16 zeßstrase unterwirft,

di« Restitutio« ihm aber des-

balb nicht versagt werden kau«. Fällen

Muß in dergleichen

die Restitution gegen Contumazialurtel er­

folgen, so ergibt sich von selbst,

daß dann, wenn

der Verklagte noch vor Abfassung des Eontuma-

zialurtelS

die erheblichen Gründe des Ausbleibens

angibt und bescheinigt,

der Richter nicht erst den

Eontumazialbescheid abfaffen darf, sondern sofort

eine« andern KlagebeantwvrtungStermin ansetzt.

Es

würde in einen reinen Formalismus ausarten, wenn der Richter erst den

Eontumazialbescheid

abfassen,

demnächst aber zugleich unter einer Verfügung den

Verklagte« gegen diesen Eontumazialbescheid in in­ tegrum restituiren wollte.

So wie die Abfassung

des Eontumazialbescheides bedingt ist durch die rich­

tige und rechtzeitige Insinuation der Vorladung, so ist sie auf der andern Seite auch durch den Unge­ horsam des Verklagten bedingt.

§. 10, Tit. 8 ib.

Hat vor Abfassung des Contumazialbescheides der

Verklagte sich nicht gemeldet, allerdings Ungehorsam

so muß der Richter

voraussetzen.

Hat er aber

vorher erhebliche Hinderungsursachen angegeben und bescheinigt,

so fällt diese Voraussetzung «eg und

auf Ungehorsam kann dann ein Urtel nicht gegrün­ det werden, ohne daß der Richter mit sich selbst in

Widerspruch träte.

In dem vorliegenden Falle hat die Verklagte di« von ihr angegebenen Hinderungsursachen zwar

17 nicht bescheinigt, allein es ist anch der erste Termin

im ordinären Prozeß gewesen, dessen Verlegung sie nachgesucht hat,

und

zu dessen Verlegung bedarf

es nach §.23, Tit. 8 derA. G.-O. nicht der Bescheinigung des obwaltenden Hindernisses.

Es hat

daher dem Anträge des Klägers: in contumaciam gegen die Verklagte zu erkennen, nicht statt gegeben

werden können, und mußten derselben daher, nach §.2, Tit. 23, Th. I der A. G -O., auch die Ko­

sten dieses Zwischenurtels zur Last gelegt werden." Dieser Fall mag wol, so lange die Allgemeine Gerichts­ ordnung und ihr Vorgänger, das Corpus Juris Fridericia­

num in Anwendung ist, noch nicht vorgekommen sein; erscheint

ein bloßer Ausweg zu sein, persönlichem Streite und Berationen aus dem Wege zu gehen und sich als Richter nicht zur Ma­

rionette machen zu lassen. der Partheien.

Aber das geschieht auf Kosten

Ander« Beispiele, welche bisweilen ebenso

kurzweilig als niederschlagend sind, bringe ich nicht erst bei; die Beschwerde über Beeinträchtigung der richterlichen Un­

abhängigkeit ist begründet und «S fragt sich bloß,

wie dem

Mißstande abzuhelfen sein möchte. Es ist wahr, viel läßt sich thun durch weise Handhabung der Aufsicht,

durch vorsichtige Beobachtung der Grenzlinie

zwischen dem Ob und dem Wie, durch intelligente und wohl­ meinende Behandlung der Beschwerdesachen.

nehmen den dazu

Aber woher

erforderlichen Bedarf an Weisheit und

Intelligenz ohne Eitelkeit, Eigenliebe, ohne Eigenwillen und Borurtheil ? Und hätten wir auch daran Ueberflnß, so wäre da-

18 durch immer nur eine Minderung des Uebels zu erwirken, der Ucbclstand selbst würde dadurch nicht beseitigt, dieser ist

mit der bestehenden Entrichtung gegeben.

Um ihn ganz zu

beseitigen, ist Folgendes nöthig:

1) die Aufsicht muß schlechterdings keinen Einfluß auf das Wie der richterlichen Thätigkeit haben;

muß Sache des Partheistreits sein:

dieses

welch« Parthei

damit nicht zufrieden ist, mag sich auf den Ausspruch

des zweiten Richters, wo es zulässig, berufen; der zweite Richter muß mit der Person des ersten gar

nichts zu schaffen haben, nicht von ihm Antwort

und Vertheidigung verlangen,

nicht an ihn schrei­

ben dürfen, nicht seine vermeintlich höhere Weisheit ihm einflößen wollen, er muß es bloß mit den Par­

theien zu thun haben, diese anhören und seinen Aus­ spruch lediglich zwischen ihnen thun;

2) das Beschwerdewesen muß ganz Wegfällen;

3) das Belehren und das Auslegen der Geseye durch höhere Staatsbeamte mit dem amtlichen ^Ansinnen,

daß Richter sich darnach richten sollen, muß unter­ bleiben, wer sich dazu berufen fühlt, mag als Gelehrter auftrete« und den Schatz seiner Wissenschaft und Erfahrungen gemeinnützig machen.

Damit se-

doch alles dieses ermöglicht werde, muß

4) die für die Gerechtigkeitspflege unpassende Hierar­ chie mit ihrem Prinzip der Abhängigkeit aufhören;

das

gerichtliche Verfahren dahin geändert werden,

daß

der Richter nur durch Sentenzen oder Urtel

19 über alle vor ihn gebrachten Streitfragen wirksam

sei; und die Einrichtung muß dahin geändert wer«

den, daß der Richter nichts mehr mit Berwaltungsangelegenheiten zu thun hat. Die Besorgniß, daß bei derartigem gerichtlichen Verfah­

ren die Prozesse wieder verewigt werden würden, indem ge­ gen jedes Zwischenurtel appellirt werden könnte, verschwin­

det, wenn bedacht wird, daß solche Appellationen zur Siche­

rung der Partheirechte durchaus nicht nöthig sind: es kommt dabei auf gute Prozeßgesetze an. das französische Recht,

Ich erinnere hierbei an

ohne damit zu behaupten,

just überall Je und nicht anders sein müsse.

daß es

Dieses unter­

scheidet dreierlei Urtel: vorbereitende (jugemens preparatoires), das sind solche, welche die Instruction (die Auf­

klärung) der Sache verordnen und den Zweck haben,

die

Sache zum Endurtheil spruchreif zu'machen; dann Inter­ lokute (jugemens interiocutoires), als welche solche Ur­

theile angesehen werden, welche vor dem Rechtsftrruch einen Beweis aufgeben oder die Ausmittelung einer gewissen auf

die Entscheidung der Hauptsache wesentlichen Einfluß ha­ benden Thatsache (une instruction qui prejuge le fond), d. h. durch welche, wenn sie für erheblich gehalten wird,

der Klagegrund (die causa)

einen andern Charakter als

welchen die eine oder die andere Parthei behauptet, erhal­

ten könnte oder welche für den geltend gemachten Klage­ grund nach der Meinung der einen oder der andern Parthei

ein Erforderniß sein oder nicht sein soll; die Endurtheile

(jugemens definitifs ). Die Appellativ» ist nur gegen Jn2*

20 terlocnte und Endurtheile zulässig,

gegen vorbereitende

Urtheile während der Instanz nicht, sondern erst nach dem Endurtheile und in Verbindung mit der Appellation gegen das Endnrtheil*). Prozeßgang

Die Quere! einer Parthei über eine, den

betreffende richterliche Anordnung (gegen ein

vorbereitendes Urtel) ist dort ein unmögliches und unbekann­

tes Ding; man würde den für einen Narren halten, der,an irgend eine Behörde,

oder an ein Appellationsgericht sich

mit einer Beschwerde über ein Gericht wegen einer richter­ lichen Verordnung wenden wollte.

Hat man darum schon

von Klagen und Beschwerden über schlechte Justiz,

über

Versagung des rechtlichen Gehörs, oder über Verschleppung

der Prozesse wider den Willen

der Partheien — und ein

Dritter hat dabei nichts mitzureden — in den Rheinlanden

gehört? Hat man gesehen, daß die Rechtsstreitigkeiten dort

von den Richtern weniger gründlich und rechtswissenschaftlich entschieden werden als wir solche mit den von oben her empfangenen Belehrungen entscheiden?

2. Klagen über Entwürdigung des Richteramts. Ein Richter, zumal ein sogenannter Unterrichter, kann weise sein wie Salomo, gelehrt wie Leibnitz, fromm und got­

tesfürchtig wie Tobias, rechtschaffen und gerecht wie Da-

*) Code de procedure civile, Art. 31, 151, 451.

21 niet: das AlleS gilt — ich will nicht sagen: nichts, daS wäre Uebertreibung — aber es gilt bei uns wenig, Werthmesser

sind ganz andere Dinge,

hauptsächlich die Menge der ver­

brauchten Tinte; der Grad der Pedanterie und die Fertig­

keit in der buchstäblichen Vollziehung des Reglements über

den sogenannten Büreaudienst;

der Grad der Eilfertigkeit,

womit die vorgelegten Rechtssachen todt gemacht werden; und die Kunst, der Eitelkeit die Schleppe zu tragen.

Ei»

Justitiarius, den ich kürzlich revidirte, und dessen Rechts-

Verwaltung in materieller Hinsicht ganz tadellos war,

der

aber zur exacten Ausführung des Subalternen-Dienstes, den

er doch auch verrichten sollte, nicht hinlängliche Kunstfertig­

keit hatte, sagte treffend: die eigentliche Rechtsverwaltung

ist

eine unbedeutende Nebensache,

Schreiberei und die Rechnerei.

meister, der kunstgemäß

die Hauptsache ist die

Es ist wahr,

die wissenschaftlich

ein Schreib­ auspunktirten

Linien hält, genau die rechte (Solenne trifft, die Züge vor­ schriftsmäßig macht, die Sechs nach der Vorschrift von Oben

anfängt, statt, wie Viele, von Unten; ein Rechner, der die vorgeschriebenen Schemata kunstgerecht ausfüllt: diese Künst­

ler werden höher angeschlagen als ein verständiger Richter

Was thut man mit einem gelehrten Urtel? ringschätzig sageff hören: es gilt

habe ich ge­

ja doch nicht, der fol­

gende Richter wirft es über den Haufen, die Hauptsache ist das Abmachen und zwar das Abmachen in der verordneten

Schablone, just so und nicht anders; der Parthei ist das

egal, wenn sie nur ein Ende sieht, und es ist auch für daS Ganze egal, wenn nur die Sachen abgethan sind.

Dieß die

22 Philosophie.

Darnach wäre es das rathsamste, von jeder

Sache nur das Ende zu machen,

und gleich mit den unge­

lehrten Urteln letzter Instanz anzufangen. Ich komme zurück und nehme

die vorhin angegebenen

Werthmesser nach der Reihe durch.

1) Die Menge des gelieferten Schreibwerks, die Anzahl

der abgemachten Nummern Namen davon haben, der Umfang des

(Vortragsstücke, die wol ihren

daß sie nicht vorgetragen werden),

Haufens

abgethaner Aktenstücke ist das

erste Kennzeichen eines tüchtigen Richters; von Einem, der heißt es: der ist ein

dieses in befriedigendem Maße liefert,

ungeheurer Arbeiter! Ueber diesen Ruhm geht kein anderer.

Rheinische Richter! ich frage Euch: wie stellt Ihr Euch einen Richter, der als solcher ein ungeheurer Arbeiter ist, vor? Muß man sich darunter nicht einen Mann denken, der die Rechts­

sachen so verarbeitet wie der Schuster das Leder? Aber

wie soll man sich

das vorstellen? Zhr geht z. B. an dem

heutigen Tage in die Rathskammer,

hört den Vortrag des

Untersuchungsrichters an und beschließt: was weiter gesche­ hen soll; morgen geht Ihr in die Civilkammer, sitzet in Eu­

ren Amtskleidern hinter dem halbrunden Tisch und höret die Borträge der Sachwalter aufmerksam an, dann zieht Ihr

Euch zurück, deliberirt und beschließt; übermorgen versam­ melt Ihr Euch im Deliberationszimmer,

und überlegt mit

Bedacht die vorigen Tags vorgetragenen Sachen, deren Ent­

scheidung auf die nächste Audienz vertagt ist u. f. w.: wie soll dabei Einer vor dem Andern ein

ungeheurer

Arbeiter

sein können? Seid ihr nicht Alle äußerlich gleich viel und

23 gleich wenig thätig? Ja, darin liegt eben ein Unterschied

zwischen Euch und den allgemeinen gerichtsordnungsmäßigen

Richtern, daß ihr mit Verstand und Wissenschaft Dienste lei­ stet, während die Letzter» auch

mechanische

Arbeiter sind,

d. h. öffentliche Schreiber, Erecutoren und Boten.

Daß der

Richter in gewissen Fällen persönlich die Erecution in Civilsachen vollstrecken soll,

schreibt die Allg. Gerichtsordnung

Th. I, Tit. 24, §. 59 vor;

daß er sich auch als Bote soll

gebrauchen lassen, ist zwar nirgend vorgeschrieben, aber man ästimirt ihn gerade so viel, nm ihn dazu brauchbar zu hal­

ten.

Ein an mich selbst ergangener derartiger sehr geehrter

hoher Befehl vom Juni 18.. lauter wie folgt:

„Sie werden in (der und der) Sache hiermit an­ gewiesen, sich bei dem Hauptmann M. daselbst nach dem Aufenthalte der re. zu erkundigen, und darüber

binnen 8 Tagen zu berichten." Beiläufig ist bemerkenswerth, daß diese Manier, an einen

königlichen Oberlandesgerichts-Rath zu schreiben, der Schreib­ art in Verfügungen an Boten und Laudreuter ganz gleich ist.

Wer nun in solchen mechanischen Arbeiten etwas Ansehn­ liches leistet,

wer namentlich große Ladungen Akten abde-

cretirt, Haufen von Schreibwerk liefert und doch alle Zeit fertig, d. h. bereit ist, noch mehr zu vertilgen,

der erwirbt

der erregt Be­

den Ruhm

„eines ungeheuern Arbeiters",

wunderung

und wird auch was „ungeheures."

richtsdirector z. B., der eS zu was

bringen will,

Ein Ge­

schreibt

an die Behörde: sein Gericht sei, nach dem er es nun in muster­

hafte Ordnung gebracht, für seinen Durst nach Thaten viel

24 zu klein, feine Kräfte verlangten einen

größer» Wirkungs­

kreis. Erhält er dann em anderes Gericht, so kann er seinen

Ruhm und sein Ansehen durch nichts besser begründen, fei# nenLkuhmeslans durch nichts mehr beschleunigen, als dadurch, daß er es sein erstes Geschäft nach

seiner Dienstantretung

seht läßt, die bis dahin bestandene Vertheilung der Geschäfte als miserabel über den Haufen zu werfen, sich sämmtliche Akten vorlegen zu lassen, und zu jedem Aktenstück ein Scrip­

tum, etwa folgenden Inhalts zu machen und zum Vortrag zu geben:

Revisions - Decret in (der und der) Sache.

I. Vidi Acta. II. Diese Sache gehört zur (ersten, oder

zweiten

u. s. w.) Klasse*).

III. Der Herr N. N. wird zum Decernenten ernannt. Um solches auszuführen, sitzt er 8— 14 Tage zwischen großen Akten-Bergen, welche auf der einen Seite vor der Arbeitswuth des neuen Direktors wie Schnee am Feuer verschwinden, und sich auf der andern Seite hoch

aufthür#

men; die

kommen

Aktenverwahrer

(Registraturbedienten)

außer Athem und können die Akten kaum so rasch zustellen und wieder wegschaffen, als der penetrirende Blick und die

Schnelligkeit des Revisors dieselben abthut; nach 14 Tagen

hat der neue Dirigent alle Akten revidirt und eine nie zuvor

*) Um Ließ zu verstehen, muß man wissen, daß er tie Akte» nach der Stärke oder Schwere klassificirt, um die ArbcUspensa gleich »u machen.

25 gekannte Ordnung hergestellt; und sein Ruhm verbreitet sich in alle Lande.

2) Die Pedanterie und die buchstäbliche Ausführung der

mechanischen Dienste ist ein nothwendiges Muster-Richters;

Requisit

eines

denn die Erhebung gleichgültiger Dinge

zu wichtigen gilt für Gründlichkeit und

Genauigkeit. Ich

bringe dafür einige Beläge. Frage: Wenn ein Gericht in seinem Depositorium eine große

Anzahl Testamente aufbewahrt, ist es dabei von Belang: ob es dieselben, der leichtern Auffindung halber, nach alphabeti­ scher Ordnung, oder nach der Zahlenfolge gelegt hat? und zwar

von solchem Belange, daß darübergroße Berathungen der Auf­

sichtsbehörde gehalten und Spezial-Verordnungen erlassen wer­

den können? Man sollte denken: bad wäre etwas ganz gleich­ gültiges, wie das Gericht sich das baldige eben gesuchten

Testaments

der Mühe werth,

Auffinden

des

sichern wollte; und es sei nicht

darüber nur ein Wort zu verlieren, ge­

schweige etwas darüber schriftlich in die Welt gehen zu las­

sen. Gott bewahre! Dieses Wie, die Frage: ob nach Buch­

staben oder nach Nummer», ist eine wichtige ZustizverwalEin

tungsfrage.

der solches für

Revisor,

wichtig

er­

kannte, fand die Testamente in einem, in Fächer abgetheilten Deposital-Schranken, nach dem Alphabete in

»ertheilt,

aufbewahrt.

Da schien ihm,

den Fächern

daß ja auch die

Nummern die Ordnung bestimmen könnten; er entschied sich

für

die Nummern,

Verbesserung

und

brachte in seinem

in Vorschlag:

die Testamente

Berichte die

nicht mehr

nach den Buchstaben, sondern nach der Zahlenfolge zu legen.

26 Darauf erging denn von dem Oberlandesgericht an jenes Ge­

richt folgender Bescheid: „Beim Testaments--Depositorium

scheint

es

nicht

zweckmäßig zu sein, die Testamente nach Buchstaben in den Fächern des

Deposttal käste ns*)

wahren, da dadurch die Revision

des

sehr aufgehalten und erschwert sein muß.

aufzube­

Depositor« Die Bezeich­

nung nach Nummern scheint den Borzug zu verdienen." Wären die Testamente nach der Zahlenfolge

geordnet

gewesen — denn vermuthlich soll die Anordnung

nach der

Folge der Zahlen durch die „Bezeichnung nach Nummern" gemeint sein —; so wäre es vielleicht eingefallen,

daß ge­

rade umgekehrt die Ordnung nach den Buchstaben besser sei, was auch in der That praktischen Scharfblick bewiesen haben

würde; denn die Folgereihe nach den Zahlen ist ja augen­ scheinlich so sehr unpraktisch, daß, weil die ältern Nummern

mit der Zeit ganz wegfallen und die Zahl immer

wächst,

von Zeit zu Zeit immer von Neuem die Inschriften an den Fächern geändert und

müßten.

die Testamente umgepackt

werden

Bemerkenswerth ist aber der, übrigens für beide

Ordnungen passende, Grund:

„da die Revision sehr auf­

gehalten und erschwert sein muß." Nicht die Erleichterung des

täglichen Dienstes ist der Endzweck, sondern die Erleichterung

der Revision, die das ganze Jahr nur drei Mal vorkommt. Weiter. In der jüngsten Zeit sind gerade solche gleich­ gültige Nebendinge zu Hauptgegenständen der Justizvisitatio-

*) Dieser Kasten war beiläufig kein Kasten, sonder« ein Schrank.

27 nett gemacht.

Die Allg.

Gerichtsordnung Th. III, Tit. 8

gibt den Revisoren der Gerichte, abgesehen von der Anlei­

tung zur Prüfung des Depositalwesens, folgende Anweisung: §. 22. Sie müssen den Sessions- und Gerichtstagen bei­

wohnen; auf das Verfahren dabei, und wie die Rich­ ter in den dabei vorkommenden haupt ,

insonderheit

aber

bei

Geschäften

den

über­

Instruktionen

der Prozeßsachen zu Werke geben, genau Acht ge­

ben; die etwa vorkommenden Mißbräuche und Un­

regelmäßigkeiten sorgfältig bemerken; wenn sie wahr­ nehmen, daß selbige nur aus Mißverstand, Irrthum, eingeschränkter Kenntniß, oder Mangel an Uebung

herrühren, den Richtern mit

deutlichen

praktischen

Anweisungen dabei zu Statten kommen; wenn aber dergleichen

Mißbräuche in einer groben Ignoranz,

in der Faulheit und Fahrläßigkeit, oder gar in einer unredlichen, parteiischen, oder animirten Denkungs­ art eines solchen Unterrichters ihren Grund haben, denselben

näher nachzuspüren,

und wenn sich die

Sache zu einer förmlichen Untersuchung qualisicirt, dem Kollegia davon unverzüglich Anzeige machen. §. 23. Alle kurrente Prozeß-, Konkurs- und die wichtige­

ren Vormundschafts-Akten müssen sie sich vorlegen lassen; nachsehen, ob dieselben im gehörigen Gange befindlich sind,

und wodurch die Beendigung der

schwebenden Prozesse etwa noch aufgehalten wird; mich was

dabei zu thun, und wie die Sache, um

28 ihre Endschaft zu beschleunigen, einzuleitenfei, flei­ ßig erinnern und an die Hand geben.

§. 25. Sie müssen die bei ihnen etwa angebrachten schwerden gegen das Untergericht hören;

Be­

dieselben

mit den Akten vergleichen; von dem Gerichte Aus­ kunft und Erläuterung darüber fordern; wenn die Beschwerde offenbar ungegründet ist,

den Suppli­

kanten umständlich bedeuten; wenn sie offenbar er­ heblich wäre, das Gericht wegen deren Abhelfung

gehörig anweisen;

in bedenklichen

Fällen aber die

weitere Beurtheilung und Verfügung dem Kollegia

Vorbehalten.

Die Allgemeine Gerichtsordnung will also hauptsächlich

auf eine intelligente materielle Thätigkeit der Richter hinge­ wirkt wissen.

Das ist letzt anders;

dergleichen materielle

Zustizvisitationen gehören heutzutage zu den allergrößten Sel­

tenheiten.

Dagegen ist in neuester Zeit eine andere Art von

Gerichterevisionen unter dem Titel von cursorischen schäftsrevisionen

eingeführt,

unverhältnißmäßig

Ge­

welche zum Zweck haben, mit

großen Kosten nachzusehen:

Geschäftsjournale und Listen alle die Kolonnen

ob auch die und Linien

haben, welche das Büreau-Reglement vorschreibt;

ob sie

gehörig ausgefüllt und zwar mit der angegebenen Floskel oder Zeichen,

nicht etwa bloß mit einem

gleichbedeutenden

Vermerk, und auch jnst von der befohlenen Person ausgefüllt

werden, u. bergt.

Wenn darin um ein Weniges gefehlt ist,

gleich viel: ob es bei der Sache darauf ankommt oder nicht, so ist das viel schlimmer und tadelnSwerther als ein dum«

29 mes Urtel.

Zuweilen führt das zu Lächerlichkeiten.

Ich

bleibe bei diesen Allgemeinheiten nicht stehen, sondern bringe Einzelheiten. Ich sage: es komme darauf wesentlich an, daß das Jour,

nal just in einer gewissen Manier ausgefüllt sei.

Das s. g.

Journal ist wesentlich ein Verzeichniß der eingegangenen Schriftstücke, und soll nachweisen: was aus den Schrift­

stücken geworden ist, wo sie zuletzt hingekommen. lein ist der Zweck.

Das al­

Neuerlich ist ein Schema mit einer über­

reichlichen Zahl von Colonnen und Rubriken und Unterab-

theilungen vorgeschrieben, welche durch Einschreibung des Datums, an welchem das was die Ueberschrift besagt, ge­

schehen, nachgetragen werden.

Nun kommt es oft vor, daß

Alles an demtelben Tage geschieht, so daß das Journal

unter demselben Tage das Decretiren, das Erpediren, das Jnsinuiren und das Einheftten des Schriftstücks in das Ak­ tenheft nachzuweisen hat. Die Registraturbedienten bei einem Gerichte hatten in solchen Fällen das Datum, z. B. den

in alle Colonnen geschrieben.

Was geschah? Ein Re­

visor tadelte das als sehr fehlerhaft, machte darüber viel

Aufhebens und wollte, daß nur in die erste Colonne das Da­ tum gesetzt, dann durch alle folgende Colonnen bis an die letzte

ei» Strich gemacht und nur in die letzte Colonne wieder das

Datum gesetzt werden sollte! Vieles ähnliche hierher gehörige übergehe ich um die Geduld der Leser nicht zu sehr zu ermüden.

Ferner, sage ich:

wird großes Gewicht darauf ge­

legt, daß die Colonnen just von einer gewissen Person ausgefüllt werden, ohne daß es darauf gerade ankommt.

30 Dieß ist z. B. der Fall bei den s. g. Jnsinuationsbüchern

der Gerichtsboten.

Alle Briefe, welche ein Bote zum Ab­

tragen erhält, werden in ein Buch geschrieben, welches eine Eoloime für den Vermerk hat:

gabe geschehen ist.

an welchem Tage die Ab­

Diesen Nachweis erfordert die Ordnung

und er ist auch schon seit langer Zeit geführt worden.

Das

neue Büreau-Reglement schreibt nun aber vor, daß die

Adressaten eigenhändig jenen Vermerk in das Buch schrei­

ben

sollen.

Ein gesetzliches Erforderniß ist dieß durchaus

nicht, aber es ist nun einmal Dienstvorschrift. Die Gerichts­

boten befolgen sie jedoch sehr unregelmäßig, und ein Revisor

machte denn daraus, wie natürlich, den Vorwurf einer unordeutlichen Gerichtsverwaltung.

Der Dirigent,

auf dem

der Vorwurf der Unordentlichkeit und Schlechtigkeit dieses

Dienstes sitzen blieb, wollte dafür die Boten hernehmen; bei der Verantwortung zeigte jedoch der Eine an:

„ich

bitte unterthänigst, mir gnädig zu verzeihen,

daß die Leute nicht schreiben können;

denn es steht

doch in meiner Instruktion auS der Gerichtsordnung daß eS auch gut ist, wenn ich auf meinen Amtseid

anzeige, daß die Verfügung infinuirt ist, wie es im­ mer gewesen, und da habe ich eS auch jetzt immer vermerkt, da ich es doch nicht zwingen kann,

daß

die Leute schreiben lernen."

Ein Anderer berichtete: „Ein hohes Direktorium, ich bitte ganz gehorsamst

«m hohe Verhaltungsbkfehlt. Stad», angesehene Personen,

Die Leute in der lachen mich ost auS,

31 wenn ich mein Buch aufmache und sage, unterschreiben.

sie sollen

Vorgestern sagte der N. R. lachend:

Ach gehen Sre, es ist schon gut; sagen Sie nur auf das

Gericht,

Buchquittiren nicht,

die

Gesetze verlangten

solches

sondern nur wenn Prozeß und

ein Jnsinuatious« Dokument ist mitgefchickt worden, und das Gericht möchte also die Leute nicht unnö-

thig inkommodiren lassen.

Da habe ich doch keine

Macht, die Adressaten selbst einschreiben zu lassen. Zur Probe theile ich noch ein Paar Vorschriften aus einem mir bekannt gewordenen, auf eine derartige kostspielige Geschäfts-Revision ergangenen, Visitations-Abschiede

mit.

Es heißt unter Ander«:

„Bei der Büreau-Einrichtung ist

1) das Insinuationsbuch nach dem dem Geschäfts-Re­ glement vom 3. August 1841 beiliegenden Formu­

lar P anzulegen (§. 22), 2) die Erecutionsliste nach dem Formulare N zu füh­ ren (8. 22)."

Die ganze Bedeutung dieser Verordnungen wird erst er­ sichtlich, wenn man weiß, daß es sich nicht darum handelte: ob das in dem erst kurz vorher eingeführten neuen Büreau-

Reglement vorgeschriebene Muster angewendet werden sollte oder nicht; sondern darum: ob das noch vorhandene, völ­

lig brauchbare, auf Staatskosten angeschaffte Material auf­

gebraucht,

oder wöggeworfe» werden sollte.

Das Oberge­

richt mochte es nicht auf sich nehmen, die alten Bücher noch verbrauchen, und unterdessen das neue Reglement hierin unbe-

32 folgt zu lassen, vielmehr mußte von dem betroffenen Gerichte deßhalb höheren Orts Folgendes vorgetragen werden:

„Das Jnssnuationsbuch, wie

der Revisor

es

vorgefunden hat, ist so eingerichtet, wie das sub I beigefügte lithographirte Formular auSweiset. Das­ selbe enthält nicht bloß die nämlichen Angaben wie

des neuen

das Formular P

Geschäftsreglements,

sondern ist in gewisser Hinsicht noch

übersichtlicher,

und kann daher wenigstens mit demselben Nutzen

für den

Dienst

angewendet werden.

Der Grund

aber, warum nicht schon ei» Buch nach jenem For­

mular P in Gebrauch ist, ist der, daß bei Einfüh­

rung des Geschäfts-Reglements vom 3. August 1841

noch beinah ein Rieß lithographirrer Formulare vorräthig war, welches bei seiner Brauchbarkeit als Maku­ latur wegzuwerfen nicht verantwortlich zu sein schien. Was die Erecutionsliste betrifft, so ist schon den 22. Oktober 1841

(lange vor d.er Revision)

eine

Erecutionsliste nach dem neuen Formular angeschaffl

worden.

Allein nicht lange zuvor erst war ein ziem­

lich starkes Buch eingebunden und nach dem sub II beiliegenden Formular liujirt worden,

Kosten für den

so daß die

Einband, für das Papier und die

Arbeit weggeworfen gewesen sei» würden, wenn von dem Buche kei» Gebrauch

gemacht worden wäre.

Deßhalb wurde verfügt, dasselbe zuvor vollzuschrei­

ben, ehe das angeschaffte neue Buch in Gebrauch genommen würde."

33 Weiter heißt es in jenem Dokument:

„In den Repertorien fehlt die Rubrik: ob und in welchem Jahre die Akten kassations­

fähig sind, und wenn

geschehen.

(soll heißen: wann)

sie

§. 18 ibid.

und in den Repertoiren der kurrenten Akten fehlt

die Rubrik: wenn (wann) und bis zu welchem Blatte die Kosten liqnidirt worden. §. 18 ibid.

So

lange noch

die alten Repertorien brauchbar

sind, hat das Direktorium genau darauf zu achten,

daß jene Vermerke in dieselben geschrieben werden." Repertorien sind,

wie zum Verständniß für den Richt­

kunstkenner bemerkt wird, Akten - Verzeichnisse, die der Ueber# sichtlichkeit wegen nach gewissen Rubriken geführt werden,

und wozu man große Bücher, die wegen des häufigen Gebrauchs

in Leder gebunden, und daher kostspielig

immer

auf mehrere Jahre

sind, verwendet.

angelegt,

Seitdem die Ver­

käuflichkeit der Akten eingeführt worden ist, hat man in die­

sen Repertorien bei jedem Aktenstücke das Jahr des tigen Verkaufs

angemerkt.

künf­

Das neue Reglement befiehlt

nun, daß dafür bei Anlegung neuer Repertorien besondere

Colonnen angebracht werden sollen.

Run waren auch bei

jenem Gerichte in den Repertorien,

die nod) für mehrere

Jahre ausreichen, die gedachten Vermerke immer genau und

pünktlich gemacht worden; das Gericht erstaunte daher über diesen

ans

den Wolken

fallenden Paragraphen des Vi-

34 sitations-Abschiedes, und berichtete, über den ohne alle 93er* anlassung strafenden und anbefehlenden Ton sich beschwerend,

daß dazu gar keine Veranlassung fei, es müßte denn der Revisor den Befund nicht vollständig registrirt haben; denn sonst müßte das Oberlandesgericht wis­ sen, daß dieses schon lange vor der Einführung des

neuen

Geschäftsreglements

regelmäßig

und

sehr

pünktlich beobachtet worden sei und fortgesetzt be­

obachtet werde, daher der Zweck dieses Befehls un­ erklärlich.

Die Rechtfertigung des Oberlandesgerichts darauf lautet so: „Da noch die alten Repertorien beibehalten wer­ den,

und

§. 18,

im

dieselben die

litt, a und

b

Geschäfts-Reglement

vorgeschriebenen Rubriken:

wenn (soll heißen wann) die Akten zur Kassation fähig sind,

und wenn (wann) sie geschehen ist —

nicht enthalten, so konnte unzweifelhaft die Anweisnng an das Direktorium ergehen,

ten,

daß jene Vermerke

darauf zu hal­

in den allen Repertorien

nicht unterlassen würden." Heißt das nicht einen treuen,

in ftiiur Emsigkeit nicht Nachlasse?

fleißigen Arbeiter mitten

ins Gesicht schlagen,

damit er

darin

Und ist es nicht eine Entwürdigung des

Richteramts, ihm in solcher Weise zu begegnen wegen einer in

Vergleich

zur

großen Wichtigkeit des richterlichen Berufs

schon an sich gar nicht beachtungswürdigen,

auch

in

vollkommener Ordnung befindlichen,

Operation?

Weil

aber überbieg mechanischen

ich nicht eine »»nöthige Sammlung un-

35 erfreulicher Sachen herausgeben, theilen will als nöthig,

sondern nur soviel mit­

um darzuthun,

daß die gethanen

Behauptungen nicht böswillig aus der Luft gegriffen sind, so lasse ich es hierbei bewenden. Die auf eine hohe Stufe der Vollkommenheit gebrachte

Cultur des mechanischen Justizdienstes, weit davon, Gott gefällige, prompte, solide, und

„eine

unparteii­

sche Justiz" zu befördern, hat bewirkt, daß ein sehr großer,

wenn nicht gar — wie zu besorgen — der größte Theil der Richter den in Aussicht gestellten Ruhm der Genauigkeit,

der Ordnungsmäßigkeit und der Gründlichkeit zu erwerben und die Krone zu verdienen bestrebt ist, dadurch, daß genau

in der vorgeschriebenen Zeit, in der angeordneten Manier, in der befohlenen Gleichförmigkeit die Handgriffe gethan

werden und auf die wissenschaftliche Güte der Berufshand­ lungen weiter keine Mühe verwendet wird, was noch dazu

den Vortheil der geistigen Ruhe und Bequemlichkeit gewährt; daß der andere Theil dagegen, der, von der Wichtigkeit und

Heiligkeit seines Berufs durchdrungen, den Werth der rich­ terlichen Verrichtungen so gering geachtet und zurückgesetzt

sicht, in dem „rechtschaffenen und lebhaften Eifer für die

Beförderung einer Gott gefälligen, prompten, soliden und unparteiischen Justiz," erkaltet. Daß ich es gestehen muß!

Die Preußische Justizverwaltung hat, nach Verhältniß des Standes der Wissenschaft und Cultur überhaupt, in Hinsicht

dessen, was die Geistigkeit, die Zuverläßigkeit, die Gründ­ lichkeit und die Rechtsverständigkeit in den richterliche« Be­

scheiden betrifft, zu keiner Zeit zuvor auf einer niederen Stufe 3*

36 gestanden als eben jetzt; die Gerichtsverwaltung hingegen ist, was die Gleichförmigkeit, die Pointillerie und die Hastig,

keit in der Zuwegebringung und Zutheilung der Bescheide

betrifft, nie zuvor vollendeter gemessn.

Aufgabe ist: nur

schleunigst den nummerirten Bescheid hinaus, und im Innern

des Heiligthums die Nummer durch die Eolonnen des Re­

gisters hastig und in der gebotenen Art nachgetragen u. s. w., die materielle Beschaffenheit des Bescheides ist Nebensache.

Noch ein Schritt, und wir haben auf alle erdenkliche Fälle

die Bescheide gedruckt oder lithographirt vorräthig, und es darf dann nur unter der Dille des Briefkastens, der jetzt auf

jedem Gerichte angebracht ist*), noch eine Oeffnung einge­ richtet werden, durch welche» der außen wartende Suppli­

kant auf seine oben hineingesteckte Eingabe unten gleich den

Bescheid zurückempfängt. 3) Die Eilfertigkeit in der Beseitigung der Sachen ist ei» unerläßlicher Zustand

eines normalen Richters.

Man

ist nämlich in der neuern Zeit der Meinung, daß eine schleu­ nige und prompte Justiz dadurch hergestellt werde, wenn für alle Handlungen und Geschäfte das Zeitmaß im Voraus

bestimmt sei; und man hat nun für die richterlichen Ver­ richtungen eben nur die Zeit erforderlich gefunden, welche

allenfalls nöthig ist, um jene in die äußere Erscheinung tre­ ten zu lassen.

So hat man z. B. im Voraus, ehe noch die

*) Diese Einrichtung macht die Gerichte in den Augen des Pub­ likums auch r» Briefbestell-Anstalten; es vergeht keine Woche, wo nicht eine Anzahl Briefe an andere auch auswärtige Behörden und an Personen, in dem Briefkasten des hiesigen Gericht- gefunden würden.

37 durch das Gesetz vom J. Juni 1833 eingeführte Art, sum­ marische Prozesse mündlich zu verhandeln, in Gang gekommen war, ermessen und danach gleich mit vorgeschrieben: wieviel

Sachen in einer bestimmten Zeit zu verhandeln und zu ent­

scheiden sein würden.

In einem Rescript vom 3. Angust

1833*) heißt es: „es werden 10Lis 20 Sachen in der Zeit von 9 bis 1 Uhr zu verhandeln sein," und — versteht sich — auch zu entscheiden, denn daß unmittelbar auf die Ver­

handlung die Berathung und Entscheidung erfolge, ist be*

kannte Prozeßvorschrift. Dieses macht auf einen jeden zur Verhandlung gekommenen Prozeß 12 bis 24,Minuten. Nun wende ich mich au Alle, welche von der Beschaffenheit und

Wichtigkeit des Richteramts durchdrungen sind, insbesondere an die Richter jener Länder, wo man die Handhabung der

Justiz nicht mit mechanische» Dienstleistungen in Verbindung gebracht hat, wie noch heut in den Rheinprovinzen — an Euch,

Ihr Rheinländischen Richter wende ich mich mit der Frage: würdet Ihr Euch nicht tief erniedrigt und entwürdigt fühlen,

wenn Euch irgend eine äußere Macht vorschreiben wollte: wie viele Minuten nur Ihr auf die Ueberlegung: wie eine

vor Euch gebrachte Rechtssache zu entscheiden sei, verwen­

den solltet? Weiter: Man möchte gar gern ein so einfaches und er»

pedites Bagatell«Prozeß - Verfahren haben, wie es vor den Rheinländischen Friedensgerichten statt hat: die Richter sollen

die Partheien mündlich vernehmen, darauf sogleich daS Urtel

*) Sabri’. B. 41, ®. -M>8.

38 sprechen, und über das Ganze ein Protokoll aufnehmen, welches Klagegrund, Antrag, und

Vertheidigung enthält»

so daß das kurze Protokoll den ganzen Prozeß mit der Ent­

scheidung darstellt, wie man es bei den Rheinischen Friedens­ richtern findet. Der Grund

Das will aber durchaus nickt recht gehen.

davon ist der, daß alle Voraussetzungen des

Verfahrens fehlen: man will den Erfolg

ohne die Mittel.

Statt die sachlichen Bedingniffe zu schaffen, wendet man sich wieder gegen die Person der Richter.

Bald soll es daran

liegen, daß nicht mit gehöriger Auswahl die Richter für die Bagatellsachen

ernannt

werden,

und

die Präsidenten und

Dirigenten werden angewiesen, nur die fähigsten und, tüchtig­ sten Richter dazu zu verwenden.

Dieses Mittel findet natür­

lich nur da Anwendung, wo eine Auswahl zu Gebote steht;

bei den allermeisten Gerichten kann Jeder die Auswahl nur mit seiner eigenen Person vornehmen.

Wer hat aber auch

jemals gehört oder gesehen, daß z. B. am Rhein daS schleu­ nige, prompte und regelmäßige Verfahren nur durch die Persön­

lichkeit der Friedensrichter gesichert wird? — Dann werden wieder die Präsidenten und Dirigenten und die Oberlandes­ gerichte erinnert, die Richter fleißig zu stoßen und zu treiben. Zn

einer allgemeinen Verfügung des Zustizministers, vom 17. Okto­

ber 1843*), welche auf Veranlassung eines Artikels der Bör­ sen-Nachrichten der Ostsee, worin dem Gesetze der Borwurf gemacht wird, daß es sich als durchaus unpraktisch erweise,

ergangen ist, wird dasselbe in Schutz genommen und be-

*) Zustü - Ministerial Blatt v. 1843 Rescript vom 5. Dezember 1639. (Iahrb. Bb. 51 S- 120),

77 Last nicht hätte, wenn er sich um die Erziehung und Aus­

bildung der Beamten nicht unmittelbar bekümmerte, vielmehr unter den, in der ganzen Nation sich findenden Bewerbern ein freies Wahlrecht ausüben könnte.

Ist biernach auch un­

ter den gegebenen Verhältnissen die Ueberfüllung für den

Staat ein Uebel, so kann doch nicht zugegeben werde», daß

dasselbe größer sei als der Nachtheil, der dem Gemeinwohl

durch die Ausschliessung

des Talents und des Fleißes er­

wächst; weshalb sich dieselbe, nach meinem Dafürhalten, selbst durch eine wirklich vorhandene Ueberfüllung nicht rechtfertigen lassen möchte.

Nun glaube ich aber auch, daß es mit dieser

Ueberfüllung nicht so gar schlimm ist, man muß sich nur erst über einige Voraussetzungen verständigen.

Der gesetzliche Unterschied, welchen die Allgemeine Ge­ richtsordnung

zwischen

den Mitgliedern

der sogenannten

Landes -Zustizkollegien und den sogenannten Unterrichtern

in Ansehung

des Verstandes und

der natürlichen Geistes­

fähigkeiten macht; die Bestimmung, daß die Erstem äußerst

kluge und geschickte Leute sein müssen, die Letztem aber al­ lenfalls Dummköpfe sein können,

weil sie von den Klugen

herumgeführt werden*), ist eine Beleidigung der Gerechtig-

*) Man lese und vergleiche hier die §§. 20 und 32, Tit 4-, Th. III der 51. G--O., welche lauten: „Diejenigen, welche mit den obgedachten Qualitäten (d. i. Fleiß, Applikation, Arbeitslust,' stilles und ordentliches Be­ tragen) zugleich einen vorzüglichen Grad von Scharfstnn, praktischer Beurtheilungskrafl, Rcchtskenntniß, Deutlichkeit und Präcision des Vortrags vcrvinden, sollen bei den LandesZnstizkvllegien als Assessoren und Räthe bestellt "werden."

78

feit und eine Entwürdigung der sogenannten Unterrichter, di« dadurch von Rechts - und Standeswegen für bornirt er­ klärt werden. Die Gerechtigkeit kennt nicht verschiedeü« Klassen oder Kathegorieu unter ihren Priestern, sie verlangt von Men gleiche Befähigung, gleichwie sie von dem Unter­ schiede zwischen vermeintlich wichtigen und unwichtigen Sa­ chen nichts weiß. Dieser Unterschied muß deßhalb wegfal­ len, und die Richter müssen alle gleiche Proben ihrer Tüch« rigkeit ablegen, folglich auch für jeden Richterposten grundsätzlich für gleichbefähigt gelten. Werden nun die Anforderungen, welche man an Dieje­ nigen macht, welche Oberlandesgerichts-Affefforen werden wollen, an Alle gemacht, die überhaupt ein Richterauw übernehmen wollen, und werden alle Richterstelleu mir mit solchen Männern besetzt, welche diesen Anforderungen ent­ sprechen, so wird die angebliche Ueberfüllung sich vielleicht, selbst wahrscheinlich, unter das volle Maaß vermindern, Denn eine große Menge Richterstellen im Lande sind »och nicht mit solchen Männern besetzt, und noch täglich werde» Referendarien als Königliche oder Patrimvnial-Richter angosteüt. „Referendarien, die zwar ebenfalls eine gründliche Kennte niß der Gesetze, und eine gute Fertigkeit in Anwendung der Vorschriften per Prozeßordnung sich durch mehrjährige Uebung erworben, auch sich durch Fleiß und Applikation, und durch einen stillen regelmäßigen Lebenswandel ausgezeichnet haben, denen aber ein geringeres Maaß an natür­ lichen Fähigkeiten zu Theil geworden ist,— sollen bei u. s. w. Untergerichten, wo sie unter der Aufsicht höherer Kollegien stehen, und von denselben dirigirt werden können, ihre Versorgung erhalten."

79 Diejenigen Referendarien, welche die nach diesem Grund« sahe

das

für

Richteramt

erforderliche

Befähigung

nicht

finden noch bei den zahlreichen höhern Subal­

Nachweisen,

tern-Stellen Gelegenheit zu der ihnen verheißenen Versor­ gung und

beiten;

können dabei an ihrer Vervollkommnung fortar­

zur Zeit werden dergleichen Stellen,

wie die An­

stellungs-Listen zeigen, noch immer von Referendarien selten

gesucht, was sich doch kaum erklären ließe, wenn eine große Ueberfüllung

in Verbindung mit Mittellosigkeit vorhanden

wäre.

Zuletzt aber, wenn bei einzelnen Individuen von Talent

und Fleiß hin und wieder die Dürftigkeit so groß wäre, daß um sie zu halten eine Unterstützung nothwendig würde, scheint

mir der Anspruch an den Staat um die erforderliche Unter­

stützung nicht bloß nicht unbillig, sondern selbst nicht ohne Rechtsgrund, denn der Staat bereichert sich durch die un-

vergolteneu Dienste, die er sich, von den Referendarien thun laßt; es sind Dienste, die er nicht entbehren kann und die

er, wenn es den Referendarim gefiele, ihre Thätigkeit auf gesetzlich Mäßigem Wege einzustellm, d. h. ihre Dimissivn oder Urlaick zu nehmen, sich «n schweres Geld verschaffm

müßte.

Darum könnte er weit eher im Nothfalle ein Ge­

ringes thun, als die Unbemittelten an der Schwelle zurückweifen.

Erzieht

doch der Staat, ungeachtet der sehr gro-

ßm Ueberfüllung im Offizierstande, auf seine Kosten, Söhne armer Keltern zu Offizieren, die doch dagegen nichts weiter thun als waS andere nenangesteüte Offiziere freiwillig und gern auch thun; warum sollte es für dm Staat nicht eben

80 so nützlich sein, einen armen Referendarius, der sich bis auf diesen Standpunkt durch eigene Kraft und eigenen Fleiß ge­

bracht hat und überdieß dem Staate Jahre lang unvergoltena Dienste leister, zu unterstützen?

Dieß sind die Gründe, aus welchem die Ausschließung

der Unbemittelten von der Vorbereitung zum Staatsdienst

durch Ueberfüllung in keinem scheint.

Falle gerechtfertigt

zu sein

Es werden dafür aber noch andere Rücksichten gel­

tend gemacht. Die große Anzahl, sagt man, welche durch ihre Mittel­

losigkeit die Regierung in die Verlegenheit setze, den Gesu­ chen um Remuneration oder Unterstützung

aus

Mitleid

nachzugeben, verursache dadurch Ausgaben, welche der Staats-« dienst, um gehörig besorgt zu werden, nicht erfordere.

Dieser Vorwand ist schon im Vorhergehenden gewürdigt; der Staatsdienst kann schlechterdings nicht bloß nicht gehö­ rig, sondern zum großen Theile gar nicht besorgt werden ohne die Dienstleistungen der Referendarien.

Daß die Be­

hauptung in Beziehung auf einen Einzelnen wahr ist, daß

sich just dem einzelnen Hilfsbedürftigen sagen läßt: Du kannst gehen. Deine Dienste sind zur

gehörigen.Besorgung des

Staatsdienstes nicht mehr nöthig, — das wird doch wol kein Beweis für die Entbehrlichkeit der Dienste dieser Klaffe

von Staatsdieuern sein sollen?

Die Entbehrlichkeit eines

Einzelnen in einer günstigen Zeit rechtfertigt nicht die allge­ meine Regierungs-Maxime, diesen Einzelnen in dem Augen-,

blicke, wo man ihn gerade nicht braucht, fallen zu lassen.

Eine Regierung,

welche

diese Maxime

befolgen woll«,

81 würde es nicht weit bringen; zu -entbehren sind zu manchen

Zeiten viele Einzelne, die Zeiten bleiben sich aber nicht gleich. — Uebrigens ist hierbei nicht zu übergehen, daß der Staat nicht allein die unentbehrlichen Dienste dieser bei der jetzt

bestehenden Nechtsverfassung nicht bloß nützlichen sondern durchaus nothwendigen Klasse von Staatsdienern ohne Ver­

gütung annimmt, sondern daß er noch obenein drückende Ge­ bühren und Abgaben für ihre Annahme von ihnen einzieht. Ich habe für die drei Examina und die Anstellungen auf den

drei Stufen als Auskultator, als Referendarius und als un­ besoldeter Kammergerichtsaffessor, obwohl nicht durch einen

mißlungenen Versuch eine unnütze Vermehrung der Kosten von mir selbst verschuldet worden, 30 Rthlr. Gold und 114 Rthlr. 10 Sgr. 4 Pf. Courant bezahlen müssen, und außerdem für

die bald darauf folgende erste besoldete Anstellung mit 500 Thlr. Gehalt noch 19 Thlr. 22 Sgr. 6 Pf. und 2 Thlr. 11

Sgr., so daß ich zusammen 170 Thlr. 13 Sgr. 10 Pf. zu be­ zahlen gehabt und auch wirklich bezahlt habe, ehe ich noch

einen einzigen Pfennig Entgelt für meine Dienste vom Staate erhalten.

Das ist für Jemand, der nicht von Renten leben

kann, keine Kleinigkeit.

Wenn man nun in einem Rescript

vom 19. Oktober 1831*) liesst: „ — da in neuerer Zeit Unterstützungsgesuche von

Auskultatoren und mehrere der letzter»

Referendarien

sogar

eingehen, und

um Erlaß oder Stun­

dung der Bestallungsgebühren, wegen Dürftigkeit,

gebeten haben" u. s. w. *) Lahrb. Bd. 38, S. 386.

8S fe ist mau mit seiner Philosophie am Ende: man sollte glau»

den, der Erlaß oder gar nur die Stundung der -Gebühren wäre das allerwenigste. Auch Gefahren, hört man, sollen sein, häufig sehr große

Gefahren, welchen der in Bermögensbcdrängniß befindliche Iustizbeamte hinsichtlich seiner Gewissenhaftigkeit und Dienst­

treue von oben und unten ausgesetzt ist; und weil dem Staate soll daran gelegen sein müssen, dcßfalsigen Pflichtverletzungen vorzubeugen, soll er den Unbemittelten den Eingang versperren

dürfen. — Soll man darauf wirklich eine ernste Antwort ge­ ben? Ist das nicht ein Pasquill auf jeden unbemittelten aber

rechtschaffenen Mann? Ist Nechlschaffenheit nur bei einem Nei­

chen anzutreffcn? Ist der von zeitlichen Glücksgütern

Ent,

blvßte darum ein Schuft?--------Bei den Ungebildeten soll auch das Ansehen der Beam­ ten geschmälert werden, wen» diese in ihren Vermögens-

Verhältnissen so beschränkt sind, daß sie zurückgezogen von Allem, was einen zum nothwendigsten Bedarf nicht gehöri­

gen. Aufwand erfordert, leben müssen. — Das ist zuzugeben; mau muß noch weiter gehen und behaupten,

daß auch bei

den Gebildeten, und vielleicht in den Hähern Ständen mehr noch als im Kreise der Ungebildeten, das Ansehen der Beam-

teu, welche aus Mangel an Mitteln nicht Alles mitmachen,

schwindet.

Daraus folgt aber mit Nichten, daß dem Mittel­

losen die Thüre zum Staatsdienste verschlossen werden darf;

es folgt vielmehr, daß,

weil der Staatsdienst heutzutage

ein Gewerbe ist, und jedes Gewerbe seinen Mann standes-

83 mäßig

nähren muß, wenn es

nicht

untergehen soll,

die

Beamten nicht nach den Zeitverhältniffen hinlänglich gelohnt werden, um ihrem Stande gemäß sich zu verhalten.

Selbst die Ausbildung

der Beamten in Kenntniß deS

Lebens und der gesellschaftlichen Verhältnisse soll beeinträch-

tigt werden, wenn dieselben an dem geselligen Verkehr, auS Mangel an Mitteln, so gut wie gar keinen Antheil nehmen

können. — Dieses Vorgeben hat indeß nicht einmal eine thatsächliche Wahrheit.

gen,

Um Kenntniß des Lebens zu erlan-

hat man nicht nöthig,

Festgelage zu halten, Opern

und Concerte zu besuchen u. bergt,

darin besteht der ge«

sellige Verkehr, den ein Beamter, insbesondere ein RechtS«

gelehrter kennen muß, nicht: dieser muß das Geschäftsleben,

das Rechtsleben, in welchem die bürgerliche Gesellschaft sich bewegt, kennen, er muß die Geschäftsbeziehungen verstehen

und mit den bürgerlichen Gewerben bekannt sein: dieß sind die Gegenstände der Wissenschaft,

in welchen er sich auS«

bilden muß, und dazu hat er bloß Talent und Fleiß nöthig.

Diese Betrachtungen, glaube ich, ergeben, daß die Aus­

schließung

der Unbemittelten vom Staatsdienst, in keiner

Hinsicht gerechtfertigt

und die Beschwerde darüber wohl

begründet ist. DaS einzig gründlich wirksame Mittel gegen alle Besorg­

nisse, welche möglicher Weise aus einer ganz unbeschränkten

Freiheit der Staatsangehörige» in dieser Hinsicht entstehe« könnten, ist, wie gesagt, die Aufhebung oder doch eine we­

sentliche Modifikation der Institution der Referendarien und Auskultatoren, -nach vorausgegangeuer Veränderung

der

84 Rechtsverfassung

bung

überhaupt.

Unabweislich

der Advokatur als Gewerbe.

ist di« Freige-

Dabei hat der Staat

zwei Wege, sich seine Beamten zn verschaffen.

Er kann sie

entweder alle aus dem Advokatenstande nehmen, das in ander» Ländern,

wie

die dabei recht gut gehen,

wir

sehen;

ober, wenn ihm das nicht genügt, mag er nebenher eine

besondere Pflanzschule — nicht halten, sondern gestat­ ten,

d. h. er mag erlauben,

Gerichten

beigesellen

und

daß Rechtsgelehrte sich den

üben.

Allein er muß sich nicht

unmittelbar um sie kümmern; er muß sich mit ihrem Unter­

richt

gar nicht befassen;

er muß ihnen schlechterdings gar

keine bestimmten Verheißungen machen,

wie es die Allge­

meine Gerichtsordnung thut; er muß sie kommen und gehen lassen wie sie wollen;

und er muß auf sie in keiner Hin­

sicht rechnen und seine Beamten wählen wo er will.

ist

Dieß

jedoch schlechterdings nicht ausführbar ohne die freie

Advokatur, weil außerdem die nicht Angestellten keinen Er­ werbszweig hätten: wollte man

diese Maxime bei der jetzt

bestehenden Rechtsverfassung, wonach die Quasi - Advokatenund Prokurator-Stellen als Staatsämter vergeben werden, annehmen, so wäre das die allergrößte Ungerechtigkeit und

Gewaltthat, eine Vernichtung des Rechtsstudiums, die sich

in nicht langer Zeit schwer rächen würde.

4) Klage über zu geringe Besoldung. Uederall in der Welt ist es dem Gewerbtreibenden, ab­

gesehen von einzelnen örtlichen Kalamitäten, möglich, sich

85 die nach den Zritverhältnissen und gangbaren Preisen zum

Unterhalt für sich und seine Familie nothwendigen Mittel

durch seine Gewerbthätigkeit zu verschaffen,

sei es, daß er

mit den steigenden Preisen der Lebensbedürfnisse auch die

Preise oder

feiner eigenen Erzeugnisse

daß

steigert,,

oder Leistungen

sein erhöhter Fleiß eine größere Menge schafft,

oder daß seine Industrie,

und Wege findet.

feine Geschicklichkeit neue Mittel

Nur in Preußen gibt es eine Klasse ge-

werbthätiger Personen, welche daran von Staatswegen ver­ hindert sind: dieß ist die Klasse der Rechtsgelehrten.

Diesen

ist die freie Ausübung ihrer Wissenschaft und Kunst verbo­

ten;

hat der Staat an sich ge­

das gewerbliche Rathgeben

zogen und

läßt es durch seine Richter und gewisse Beam­

teten, Justizkommissarien genannt,

ausüben;

wer

sich

Rechtswissenschaft und der Staatskunst widmet, um

der

damit

künftig seinen Unterhalt zu erwerben, ist gezwungen, in den

Staatsdienst zu treten.

Dieser Umstand begründet an sich

die Klage

der Justizbeamten über zu

die Klage

läßt sich eben dieses Umstandes wegen nicht da­

niedrige Besoldung;

mit abfertigen, daß Niemand gezwungen sei, um den gebo­

tenen Preis den Dienst anzunehmen,

und daß wenn er ihn

freiwillig annehme, ja gesucht und verlangt habe, ihm kein

Ich

sage,

mit dieser Redensart ist die Klage nicht zu beseitigen.

Ein

Anspruch

auf Erhöhung

Zwang freilich,

ausgeübt als

oder

in

des

Lohnes

ein physischer Zwang etwa

zustehe.

wird hier so wenig

in Birmingham von den Fabrikherren

den englischen Kohlengruben von den Bergherren

dadurch, daß sie unter sich verabrede», überall nur so und

86 soviel Lohn zu geben: die Arbeiter, wenn sie leben Wüllen,

müssen zuletzt doch dafür arbeiten; aber daß ihnen die Mög­

lichkeit entzogen wird, anderswo durch Fleiß, Geschicklichkeit und Betriebsamkeit mehr zu erwerben , darin liegt allerdings ein Zwang.

Wäre es in Preußen, wie in andern Ländern,

möglich, durch gewerbliches Rathgeben und Geschäftssühren

seinen Unterhalt zu verdienen,

die Besten und Geistvollsten

unter den heutigen Richtern würden auf ihre Aemter nicht

zehn Jahre lang gewartet baden und sie ohne nahe Aus­ sicht auf Verbesserung nicht behalten.

ich,

die Klage rechtlich wohl zu erheben,

darauf an: ist.

Darum ist, behaupte

und es kommt

ob dazu thatsächlich gegründeter Anlaß gegeben

Dieß läßt sich aber allerdings mit siegender Wahrheit

behaupten: während jeder freie Gewerbtreibende durch um­

sichtige Betriebsamkeit von

seinem Handwerk , oder

Kunst

sein standesmäßiges Einkommen und wol noch einen Ueber#

schuß für schlechte Zeiten gewinnt,

muß der Justizbeamte

mit Entbehrungen und Nahrungssorgen kämpfen.

Dir erste

etatsmäßige Besoldung, zu welcher ein bereits in die Drei­

ßiger gekommener,

oft den Vierzigen sehr naher,

Assessor

gelangt, sind 500 Rthlr., wovon ihm noch die Beiträge zum

Pensionsfonds abgezogen werden; manche Unterrichterstellen

sind noch viel schlechter dotirt.

Ist er in einem Kollegium,

so kann er mit den Jahren in besser dotirte Stellen auf­ rücken; diese Aussicht ist indeß auch nicht sonderlich ermun­

ternd, indem eine lange Reihe von Jahren dazu gehört, und die zuletzt erreichte Verbesserung von 300 — 400 Rthlr. dann

eben so wenig zulangt als anfänglich die 500 Rthlr., sö

87 daß ein solcher Mann,

zumal wenn tr Familie water ist,

auS seiner kümmerlichen Lage niemals herauSkommt.

(Sin

mir amtlich näher stehendes Mitglied eineS Richterkollegiums,

welches 52 Jahre alt

geworden ist und sieben noch uner­

zogene Kinder hat (das Aelteste ist erst 14 Jahre), hat eS

im vergangenen Jahre bis

erst

auf 700 Rthlr. gebracht.

Kann dabei Freudigkeit im Dienst, Liebe für den Beruf be#

stehe» ? der«

Anstrengung, Verdoppelung des Fleißes —: in an#

Verhältnissen

wirksame Mittel zur Vermehrung

deS

Einkommens — helfen ihm nichts, er erwirbt damit feinen

Groschen mehr; es ist Alles umsonst. Noch mehr.

Seit den letzten 20 Jahren haben sich die

Preise der nothwendigsten Lebensbedürfilisse verdoppelt; dack Dienst- und Arbeitslohn, der Preis der Fabrikate und der­

gleichen sind ungefähr in demselben Verhältnisse gestiegen, so daß der Gewerbsmann dabei nicht schlechter steht.

Man

sollte meinen, es sei dadurch die Nothwendigkeit gegeben» auch die Besoldungen

erhöhen.

Was

ist

der

Beamten

geschehen?

DaS

verhältnißmäßig gerade

zu

Gegentheil,

man hat die Gehälter um ein Fünftel heruntergesetzt, einen nicht unbedeutenden

Abzug von •/, 2 des

ganzen GehaltS

bei der Anstellung, und außerdem noch einen jährlichen Ab#

zug von 1 % bis 2 Prozent znm Pensionsfonds eingeführtund überdieß das 'Verhältniß hinsichtlich der Verbesserungen

durch Aufsteigen verschlechtert.

Dieses zeige ich an einem

bestimmten Beispiel.

Bei dem Fürstenthumsgericht zu Neisse waren nach dem

Etat auf die Jähre 18|i;

88 eine Direktorstelle mit 1900 Rthlr. eine Rathsstelle mir. . 1200



drei Rathsstellen mit . 1000



drei Rathsstellen mit.

800



zwei Assessoren mit. .

600



Der nächstfolgende Etat für die Jahre 18Z4 hingegen

bestimmte, in Folge der regulirten Normaletats, das Ein­

kommen der künftigen Mitglieder des Kollegiums wie folgt:

ein Direktor mit . . 1300 Rthlr. ein Rath mit . . . 1000

ff

zwei Räthe mit. . .

900

ff

zwei Räthe mit. . .

800

ff

Rath mit. . .

700

ff

zwei Assessoren mit.

600

ff

ein

Eine Rathsstelle sollte also ganz eingezogen werde«. Seit­ dem ist es noch jetzt so, nur mit dem Unterschiede, daß man die Direktorstelle wieder um 200 jRthlr. verbessert hat und die eingezogene Rathsstelle durch einen Hilfsrichter ver­

walten läßt, dem man 1 Rthlr. 10 Sgr. Tagelohn gibt, so daß man an ihm, der zufällig auch den Vierzigen nahe

und Familienvater ist, gegen früher, etwa 500 Rthlr. jähr­

lich profitier. Betrachtungen stelle ich hierüber nicht weiter an; ich

mache bloß darauf aufmerksam, daß nach dieser Darlegung das Einkommen der Richter, verhältnißmäßig zu de« heuti­

gen Zuständen und Preisen, gegen früher um die Hälfte herabgedrückt ist.

89 Die Dürftigkeit, in welcher demzufolge eine große Zahl, wo «icht die meisten Richter leben, die Entbehrungen, wo­ mit sie zu kämpfen haben, während der Gewerbtreibende sich im Wohlstände befindet und sich Lebensgenüsse verschafft,

nehmen dem Richterstande den Rest von Ansehen und Ach­ tung, welche persöntiche Haltung der unter Nummer 1 und

2 dargelegten Entwürdigung

«bringt, in den Augen des

Volks vollends.

Man sieht es ungern, daß die Richter,

besonders

die

höher gestellten, sich dem geselligen Leben und Verkehr ent­ ziehen, und es kann Ortsverhältnisse geben, unter welchen es bemerkbar wird.

Zn einer nicht unbedeutenden Stadt,

wo eine sehr starke Garnison, zwei Kommandanten, der

Staab einer Division,

drei Brigade-KommandeurS, drei

Regiments-Kommandeure und außerdem einige pensionirte

Generale, eine Menge Staabsoffiziere waren, befand sich von Civilbehörden nur ein ziemlich großes Untergericht und

der Kreislandrath. Dieser der zugleich Rittergutsbesitzer, und der Gerichtsdirigent waren daher, der großen Generalität

gegenüber, die höchsten Civilbeamten des Orts.

Der Ge-

richtsdin'gent vermied den geselligen Umgang mit den bohen Militairchargen und ließ es bei den konventionellen Ankunfts­

besuchen und Gegenbesuchen bewenden; er nahm keine Ein­ ladungen von ihnen an und erließ auch seinerseits keine Ein­

ladung. : Darüber hatte man sich

aufgehalten; man sagte

ihm nach: er vermeide allen Umgang, und repräsentire die Civilbeamten des Orts nicht.

Ein hochgestellter Staats­

beamter schrieb ihm: „vermeide« Sie nicht ferner den ge-

90 selligen Verkehr mit höher« Personen, sondern suchen Sie

ihn auf; mag auch häufig *-■ — darunter leiden , die Stele lung, in der Sie dort an der Spitze eines grossen Gericht­

stehen, erfordert es,

daß Sie- nicht bloß in den Bureau?

und Sitzungen thätig sind, sondern auch durch Wort und Rede wirken und

genheit geben,

heraustreten und

dadurch zugleich Gelee

Ihren Werth kennen zu

lernen." — Der

Gemeinte sagte dazu: der gesellige Verkehr, nämlich — wie

es verstanden wird — in den Privatgesellschaften,

Assem­

bleen, Soireen und dergleichen, ist unter den gegebenen Ver-

hältvissen und Umständen nur auf zweierlei Weise möglich: entweder so, daß ich den hohen Herren den Hof mache und mich dafür zu ihren Diners, Soupes und Bällen und FestinS

bitten lasse: dadurch würde ich mich verächtlich machen und meine Würde wegwerfen;

oder so,

daß — wie es mein

Standpunkt und mein geselliges Verhältniß mit sich bringen würde



ich

jeden

Neuangekommenen,

der

mir

die

Ehre seines Besuchs erweis't, zu Gaste bitte und keine Ein­

ladung schuldig bleibe: und dazu würde mein ganzer Lohn, den mir der Staat für meine „wichtige Dienstleistungen an

der Spitze eines große« Gerichts" zu geben für genügend hält, nid)t ausreichrn,

Schulden zu machen-

ich müßte noch die Kunst lernen,

Deßhalb bleibt, um unter so ungün­

stigen Umständen ohne Uuehre zu bestehen, nur das Mittel: für mich zu sein, und den geselligen Verkehr auf meine Kol­ legen und einen Familienkreis zu beschränken.

auch der Staat zu fordern.

Das scheint

Denn der Divisions - Komman,

deur braucht zum nothwendigen Unterhalt für sich und seine

91 Hamilie nicht mehr als ich; mir gibt der Staat 1500 Thlr.; jenem dagegen 4000 Thlr. Gehalt, für 8 Pferde Rationen

in Natur oder Gelde, wenn er auch nur 2 oder 4 Pferd«

wirklich hält, und außerdem noch 600 Thlr. sogenannte Ta« felgelder, folglich erhält er über 3000 Thlr. mehr als er braucht, jährlich zum LuruS.

Erst dem Präsidenten eines

Provinzial - Kollegiums wird für gleiche Zwecke der Geld­ kasten offen gehalten.

Soweit Jener.

Hieran ist die Bemerkung zu knüpfen, daß eS den socia­

len Stellungen wenig zuzusagen scheint, wenn an kleinen

Orten, wo ein Provinzial-Kollegium ist, ohne daß ein­ andere Autorität anzutreffen, Insterburg,

den

wie z. B. in Ratibor und

Präsidenten

desselben

eine so große

Menge Geld zur Repräsentation gegeben wird, was sie nicht

verbrauchen sönnen; »jährend an Orten, wie der vorhin in

Rede stehende, die an demselben befindlichen höchsten Eivil« beamten so gestellt sind, daß sie vor dem Glanz und LuruS

der Mikitair-Autoritäten, wie der Mond vor der hellleuchtenden Sonne verschwinden.

Darüber ließen sich viele Be­

trachtungen anstellen.

Der Staat kann nicht allen seinen Beamten die Mittel zum Lurus geben; darum ist es nicht gut, wenn höher ge­

stellte Beamte von eigenen Mittel entblößt sind, — hört

man wol sagen. Zugegeben werden muß, daß die Zahl der Beamten, na­

mentlich der Richter, in Vergleich mit andern Ländern, uh«

verhältnißmäßig groß ist und die Besoldung große Summen fordert.

Die Ursache davon liegt in der Art der Rechts«

82 Verwaltung und in der Gerichtsordnung, nach deren Prin­ zip der Staat die Besorgung aller Rechtsgeschäfte der Staats­

bürger, die Prokuratur und Advokatur an sich gezogen hat, und durch seine Beamten und Richter verrichten läßt, bis in das kleinste Detail, selbst bis zum Briefbestellen.

Allein

daraus folgt bloß soviel, daß wenn die daraus entstehende

Last zu groß wird, die dem Staat nicht einmal gedankte Geschäftsbesorgung aufhören und jedem Einzelnen sein Recht

und seine Sache zur eigenen Bewahrung überlassen werden muß; keinesweges aber mag unter dem Vorwande einer zu großen, ganz freiwillig übernommenen, Bürde die Verbind­

lichkeit gegen die angenommenen Beamten unerfüllt bleiben.

Diese Verbindlichkeit aber, die nicht bloß in der Bestimmung des

Gesetzes*),

daß

die

Räthe

Justiz-Kollegien —

der

durchgehends mit auskömmlichen

sorgt werden sollen,

Salarien

ver­

sondern die ohne dieses Gesetz

schon in den gegebenen sogleich anzudeutenden Verhältnissen,

beruhet, bringt es, wie allerdings zu behaupten ist, mit sich,

jedem Beamten gerade soviel Mittel zu gewähren, als er nach Maaßgabe seines Ranges, seiner Würde und der Wich­ tigkeit seines Berufs sowol zu einem bequemen und sorgen­

freien Familienleben,

Verkehr gebraucht. nes.

als zu

einem

anständigen geselligen

Das ist der geringste Preis des Man­

Dieser Satz gilt insbesondere von de» richterliche«

Beamten in Preußen unbedingt, darum, weil der Staat durch Monopolisirung des Rathgebens und Geschäftsführens

*) Allg. G.-O. Th. in, Tit. 3, §• 19.

93 die Rechtsgelehrten hindert, mit ihrer Kunst und Wissen« schäft diesen Preis sich im freien Verkehr zu erwerben: er läßt ihnen keinen andern Weg als den Staatsdienst.

Da­

rum darf er gerechter Weise jenen Preis nicht herabdrücken

wollen; darum darf er gerechterweise nicht sagen wollen: wem der Lohn nicht gefällt, der gehe weg.

Zuerst gestatte

er die vollkommen freie Ausübung der Advokatur und dann bestimme er den Dienstlohn für seine Richter unter dem

Preise! Während

hiernach

die Richter ein vollkommenes Recht

auf eine auskömmliche Besoldung zu haben behaupten, ohne

daß hierdurch andere Beamte im Entferntesten zurückgesetzt werden sollen,

finden sie sich gerade, im Vergleich mit an«

dern Staatsdienern, auffallend zurückgesetzt. Vergleicht man sie mit den Militair-Dignitäten, so fin­ det man, daß ein Oberrichter (Oberlandesgerichts-Rath,

früher Regierungs - oder Oberamts - Regierungs - Rath) nach

einer Verordnung Friedrich Wilhelm I. zwischen dem Oberst und dem Oberstlieutenant rangirt,

also ungefähr dem Re­

giments-Kommandeur oder doch wenigstens dem Batallions-

Kommandeur gleich steht.

Sieht man auf das Einkommen,

so hat ein solcher Oberrichter weniger als der Hauptmann; denn ein Hauptmann von der Artillerie hat 800 bis 1300

Rthlr., und 100 bis 200 Rthlr. Servis, also 900 bis 1500 Rthlr., je nachdem

er Hauptmann 1. oder II. Klasse ist

und in einer großen oder einer kleinen Stadt steht; außer­

dem ist er frei von allen directen Personal-Steuern, sowie

von Communal - Beiträgen. — Der Oberrichter. hat

nur

94 800 bis 1400 oder 1500 Rthlr., muß auch direkte Steuern

und

die oft sehr drückenden Communal-Beiträge geben.

Die Direktoren der Untergerichtskollegien stehen den Ober, richtern an Rang

und Einkommen gleich.

die Wichtigkeit der Stellung

Sieht man auf

und des Dienstes;

so findet

man, daß der Hauptmann eine vicht selbstständige Abtheitheilung von 100 Soldaten führt;

ein Gerichts-Direktor

hat bisweilen ein eben so großes Dienst-Personal unter sei, nem Befehl und — was eigentlich seine Bedeutung macht — verwaltet mit seinen Beisitzern

oft über mehr als 50,000 Menschen.

selbstständig

die Justiz

Entspricht dem Range

und der Wichtigkeit des Berufs eines solchen Mannes die

Löhnung eines Hauptmanns? Weiter. Auch in Vergleich mit andern Civil - Beamten werden die Richter in der Belohnung ihrer Dienste zurück­

gesetzt.

Die Verwaltungsbeamten, namentlich die bei dem

Abgaben - Wesen beschäftigten Beamten,

erhalten für gute

Dienstleistung, neben ihrer Besoldung, regelmäßig alle Jahre

bedeutende Geldsummen.

sensteuer

Wird z. B. der Ertrag her Klas­

durch Hinaufschrauben

der Abgabepflichtigen in

eine höhere Klasse erklecklich erhöht; so erfolgt für den ei­

frigen und treuen Staatsdiener eine besondere Remuneration

von mehreren hundert Rthlr. Die Richter hingegen mögen so ei­

frig und pflichtgetreu ihr Amt verwalten wie sie wollen, an sie oder vielmehr an ihre Entbehrungen wird nicht ge­

dacht. Doch ich irre mich: in meiner vieljährigen Dienstzeit

habe ich es in neuerer Zeit zwei Mal erlebt, daß zwei meiner Kollegen mit Fünfzig Thaler«, oder vielmehr, um genau

95 zu fein, nach Abzug der ihnen davon wieder abgenommenen Stempelabgabe von 5 Sgr. mit 49 Rthlr. 25 Sgr. außer»

ordentlich belohnt worden sind.

Wie es hiernach das positive Gesetz befiehlt und die Ge­ rechtigkeit fordert, die Richtersiellen auskömmlich zu bohren,

so gebietet solches nicht weniger auch die Staatsklngheit, die bem. Richterstande gebührende Achtnng und Würde durch

Gewährung eines anständigen Auskommens zu unterstützen

und aufrecht zu erhalten, und gegen Versuchungen zu be­

wahren.

Die Erhöhung der Besoldungen kann nicht länger

zurückgewiesen werden; sie muß aber auch mit Rücksicht auf

die örtlichen Verhältnisse verschieden eintreten. Beispielsweise bleibe ich bei Neisse stehen. Hier müssen, um anständig leben zu

könne», ans vielerlei Gründen, die Gehälter und zwar des Di­

rigenten auf 2000 — 2500 Rthlr., der ersten Hälfte der Mit­ glieder für jedes auf 1500 —1800 Rthlr., die der andern Hälfte quf 1000 Rthlr. erhöhet werden. Die viele» Abstufungen sind

nicht zu rechtfertigen. Der Grund, de» man wol dafür an­ gibt, daß das Alter mehr Bedürfnisse habe als die Jugend,

ist unerheblich; mit besserem Gewicht läßt sich a»S dem Al­ ter, ein Grund für das Gegentheil entnehmen, indem das

Alter weniger Lebensgenüsse hat als die Jugend, und im kräftigen Mannsalter Lasten, wie die Erziehung der Kinder, zu tragen sind, die im Alter nicht mehr Vorkommen.

Dieser durch Gesetz, Gerechtigkeit und Staatspolitik gleich

sehr gerechtfertigte Anspruch der Richter, auf eine auskömm­ liche anständige Besoldung ist schon vielfach, jedoch vergeb­ lich geltend gemacht.

Die vielfachen einzelnen Gesuche um

96 Gehaltserhöhungen werden abgeschlagen oder stillschweigend zu den Akten geheftet, und wenn die Klagen zu dringlich

werden,

erfolgt mitunter eine kleine Unterstützung als All­

mosen,. welche die Noth mit Unterdrückung des sich empören­

den Ehrgefühls anzunehmen gebietet. Einzelner

um

Verbesserung

Richt allein Gesuche

der Lage werden in grosser

Menge angebracht: es kommen auch Vorstellungen aller Mit­ glieder und Beamten von Gerichten in Pleno vor, und ich theile eine solche zur Probe hier mit:

R. N. den 24. März 1843. Euer Excellenz ist es nicht unbekannt, daß der

bei der Organisation des Königlichen rc. Gerichts zu N. N. für die Jahre 1823 und migte Etat später

1824 geneh­

in Rücksicht des Gehalts meh­

rerer Mitglieder und Beamten bedeutend herabgesetzt

worden ist. Diese Herabsetzung ist gerade in der

Stadt N. N. für alle Beamten, welche sie betrifft, äußerst drückend geworden.

Es ist Thatsache, daß in den Zähren 1823 und 1824 im Allgemeinen wohlfeiler zu leben war, als jetzt schon seit einigen Zähren zu lebe« ist, und die­

ser Unterschied stellt sich besonders in N. N. auf eine sehr bemerkbare und für den Beamten, höchst

empfindliche Art heraus, ja der Unterschied ist so groß,

daß alle

Lebensbedürfnisse,

besonders

Wohnung,

Holz und Blctualien, um das Doppelte im Preise

gestiegen sind.

Die Stadt N. N. ist als Festung

auf einen bestimmten Raum angewiesen und begrenzt,

97 eine Vergrößerung

der Stadt in ihrem Umfange

kann also nicht stattfinden.

Die Zahl ihrer Civil»

Einwohner hat sich seitdem

bedeutend vermehrt,

und wird von Jahr zu Jahr größer. ihre so sehr starke,

Hierzu kommt

aus zwei Regimentern Infan­

terie, einer Pionier- und einer Artillerie-Abtheilung

bestehende Garnison, hohem

zu welcher eine Menge in

Gehalte stehender Staabs-Offiziere gehö­

ren, und wozu noch eine große Zahl zum Gouver­

nement und zur Festung gehöriger Offiziere kommen.

Der lange Frieden trägt wohl auch dazu bei, daß unter dem Militair-Stande mehr Berheirathun-

gen stattfinden,

wovon die Folge ist,

daß immer

mehr Wohnungen in Anspruch genommen werden, und durch Alles dieß wird nicht nur eine Thenrung

der Wohnungen,

sondern auch eine Erhöhung der

Preise aller übrigen Lebensbedürfnisse herbeigebracht.

Eine Aenderung dieses Zustandes ist auch nicht abzusehen, eben weil N. N. eine Festung ist.

Der Gewerbtreibende leidet dadurch keinen Nach­ theil, weil er seine Arbeiten um so viel theurer liefert

und verkauft, als er zu seinem Unterhalt und Aus­ kommen nöthig hat; der Beamte aber ist auf seinen

feststehenden

Gehalt angewiesen,

kann nicht

den

Preis seiner Arbeiten nach dem Bedürfniß erhöhen, und muß davon «och zu den Kommunal-Lasten und

zum Pensions-Fonds beitragen.

98 Alle diese Umstände vereint, machen es ganz un­

möglich, daß der Beamte seine« Stande gemäß le­ ben kann, ja er muß oft darben.

Hierdurch werden die unterzeichneten Mitglieder

und Beamten des Königlichen rc. Gerichts veran­

laßt, Euer Excellenz unterchänigst zu bitten: bei

der

Regulirung des

neuen

Kaffen-Etats

vorstehend angegebene Umstande gnädigst zu be­ rücksichtigen und die Gehälter angemessen zu er­

höhen.

Die Mitglieder und Beamten des Königlichen rc. Gerichts."

Eine Antwort

darauf soll nach

Jahr

und

Tag

noch

kommen. Um die wohlbegründeten

Forderungen

ohne

alle Be­

schwerde für den Staat zu tilgen, ist nur das zu bewilligen nöthig, was allgemein so dringend gewünscht wird:

lichkeit

des Prozeßverfahrens,

der Gerichtsverfassung

entsprechende

mit Aufhebung

des

Münd­

Umänderung erimirten

Ge­

richtsstandes, Entlastung der Richter von der Schreiberar­

beit

und

den

staatsobervormundschaftlichen

Verwaltungen

der Geschäfte mündiger Staatsbürger, Freigebuag der Ad­

vokatur und der Rechtsgeschäftsführung.

Geschieht das, so

wird das ungeheure Heer von Richtern und Beamten selbst sehr vermindert,

von

die zum Staatsdienst nicht erforder­

lichen Rechtsgelehrten intb Geschäftskundigen finden eine an­

dere ehrenvolle Laufbahn und zur völlig auskömmlichen Be­ soldung der nöthigen. Richter und Beamten würden die näm-

«s lieben Mittel, welche' jetzt bet fo kärglicher Belohnung nicht ausreichen wollen, bei Weitem nicht erforderlich sein.

Aber

ehe noch dieses Radikalmittel zur Anwendung kommen kann, erfordert es die Dringlichkeit der Umstände, daß

vorläufig

bald Etwas geschehe.

Das ist der erste Theil der Klage, jetzt komme ich zu dem Zweiten, welcher sich auf die Subaltern-Beamten be­

zieht. Die Gerichtsverwaltung nach den Grundsätzen der Allgemeinen Gerichtsordnung und des Allgemeinen Landrechts

erfordert ein Heer von angelernten ausführenden Beamten, und jedes Gericht muß nothwendig seine Expedienten, Re­ gistratoren,

Calculatoren, Rendanten,

Aetuarien,

Kanz­

listen, Assistenten und Diener haben, um den Geschäftsbe­ trieb im Gange zu erhalten.

Das Geschäft deS Expedien­

ten und des Kalkulators erfordert mcht bloß allgemeine Ge­ schäftskunde, sondern auch eine wissenschaftliche Bildung und

Rechtskenntniß ; die Andern müssen, mit Ausnahme der Die­ ner , alle mehr oder weniger Geschäftskunde, eine allgemeine

Kenntniß

des

Verfahrens

und. gründliche Schulkenntnisse

haben, wenn sie brauchbar fein sollen.

Die Allgemeine Ge­

richtsordnung, würdigt das: sie verlangt zu Secretairen aus­ schließlich Referendarien,

zu Registratoren beruft sie Refe-

reudarien und Ausknltatorm vorzugsweise; und diesem ent­

sprechend sind denn bisher auch die Besoldungen gewesen. Zwar ist der Subaltern-Dienst im Ganzen kostspielig; allem die Verrichtungen^ welche man verlangt, setzen besonnene,

100 gehörig vorgebildete und zuverlässige Männer voraus, und

wenn die Kostspieligkeit ein Gebrechen ist, so liegt es nicht in der Bewilligung der für solche Arbeiter nothwendigen Be­

lohnung, sondern in der Einrichtung, welche einen solchen

^Geschäftsverkebr überhaupt bei den Gerichten mit sich bringt. Neuerlich ist ein davon sehr abweichendes sogenanntes

Büreau - System, über welches sich das neue Büreau-Re­

glement verhält, aufgekommen und in einigen Departements

eingeführt; seine Heimath ist die Provinz Posen.

Dieses

beruhet auf dem Grundsatz:

daß für jeden sogenannten Dienstzweig, das will sagen: für jeden Gegenstand der Gerichtsverwal­

tung, als: Prozesse, Vormundschaften, Hypotheken­ sachen, Untersuchungen, nur Ein verantwortlicher

Beamter bei dem Gerichte vorhanden sein soll, der Alles, was in diesem Zweige (in dem dazu bestimm­

ten Büreau) vorkommt, als: Zournalführen, Akten­

aufsuchen und zum Vortrag präpariren, Erpediren,

Kvpiren,

Briefe convertiren u. s. w., wie es ihm

vorkommt, eigenhändig thun, oder — wenn es für ihn allein zu viel werden sollte, durch sogenannt«

ihm auf seine Verantwortung beigegebene

Gehilfen

machen lassen soll. Dieser Beamte, Bureau-Vorsteher genannt, soll ferner

ein provortionirliches Gehalt, etwa das eines Registrators, beziehen, die Gehilfen hingegen sollen junge Leute sein, die eine Kleinigkeit erhalten, so etwa 8, 10, 12 '/2 Rthlr. mo­

natlich ; und das Schreibwerk soll hauptsächlich durch Lohn-

101 schreibet um 1 Sgr. für den Bogen verrichtet werden. Denn

der Geschäftsverkehr, wie ihn die Gerichtsordnung vorschreibt,

erfordert, sagt man, zu zahlreiche Arbeitskräfte und einen zu großen Geldaufwand; sie unterhalte eine Menge rein mechanischer Beamten gegen hohes Lohn, bei geringem Ta­

die Leistungen solcher Beamten könnten mit gerin­

gewerk;

gen Geldmitteln bestritten werden.

Der Vorzug

dieser Büreau-Verfassung ssoll nun darin

bestehen: daß die Aufgabe des Subalternen-Dienstes schnel­

ler, besser und besonders mit weit geringeren Mit­

teln und Kräften, als früher, gelöst werden könne. Mit der größern Schnelligkeit ist es nichts; Bessern verhält

es sich gerade umgekehrt;

mir dem

aber mit der

Wohlfeilheit, ja, damit hat es seine Richtigkeit, so lange die

Sache geht, lich

aber sie wird nicht lange gehen.

Wird näm­

daS Bureau-System mit seinen wohlfeilen Gehilfen

durch den ganzen Staat eingeführt,

und haben mithin die

die sich dem Subaltern-Beamtenstande widme»

Personen,

wollen, überall dieselbe traurige Aussicht, den größten Theil

ihres Lebens (ich kenne mehrere s. g. Gehilfen hoch in den Dreißigen,

die noch immer nicht mehr als 15 Rthlr. mo­

natliche Diäten haben) mit einem, nicht einmal die Lebens­ bedürfnisse

eines einzelnen Mannes

hinlänglich deckenden,

Lohne eiues Gehilfen sich abfinden lassen zu müssen: so ist künftig auf die erforderliche Zahl mit Sicherheit nicht zu

rechnen,

und nach nicht langer Zeit werden die Behörden

in Verlegenheit kommen;

denn jeder nur einigermaßen ge>

102 schickte Handwerksgeselle verdient ebensoviel wie ein Büreüu»

gehilfe und hat vor diesem -en Vortheil, daß er bei der

Arbeit — wäre es auch «Ur dmch ein Schurzfell — Klei­ der schonen, und daran im Verhältniß zu Jenem, Erspar»«,

gen machen kann.

Die Provinz Posen kann, bezüglich auf

etwa hinlänglichen Borrath, nicht entgegengehalten werden. Dort werden junge Leute angelernt und schon — wenn sie

auch nur im Schreiben helfen können — anfangs gelohnt,

daher sie für die erste Zeit ihrer Laufbahn keine günstigere Gelegenheit finden können; wenn sie aber überall brauchbar

geworden sind, so gehen sie weg und suchen in andern De­

partements,

wo jenes System noch keinen Eingang gefun­

den hat, ein vortheilhafteres Unterkommen.

rere Beispiele dieser Art, und

Ich kenne meh­

ich habe eine entschiedene

Abneigung gegen die Rückkehr in die Posen'er Dienstver­

hältnisse bei solcheri jungen Leuten gefunden.

Würde dieser

Ausweg dm jungen Leuten dadurch, daß mau alle übrigen

Departements den Posenschen hierin gleich machte, abge­ schnitten, so würde es bald an Zufluß der Zöglinge fehlen,

weil man

sich einem andern Erwerbe zuwenden würde.

Auf eine Nachhaltigkeit dieser Einrichtung ist mithin nicht zu rechnen.

Sieht man

auf den Zustand

und

die Stimmung der

Leute, die nun einmal in der Lage sind, nehmen zu müssen,

was ihnen geboten wird,

weil sie in so spätem Alter kein

anderes Gewerbe mehr anfangen können; so kann man sich eines tiefen Mitleids nicht erwehren.

Am schlimmsten .aber von Allen geht eö den Kanzlei­ beamten, welche man Lohnschreiber nennt: diese werden

buchstäblich wie Tagelöhner behandelt.

Sie erhalten mei-

stenrheils 1 Sgr. (einzelne wenige erhalten wol anch 1 Sgr.

3 Pf.) Arbeitslohn für den vorschriftsmäßig geschriebenen Bogen, und verdienen mithin an Wochentagen 8—15 Sgr.,

an Sonn- und Festtage» nichts, und wenn sie einmal krank sind, natürlich auch nichts, gleich dem Holzhauer und Last-

träger, verdient.

der — wenn er arbeitet — wenigstens

Diese Leute sind in einer beklagenswerthen Lage,

zumal wenn sie,

sind;

ebensoviel

was

häufig der Fall

ist, Familienväter

sie nagen da«n am Hungertuche und kämpfen oft mit

der Verzweiflung; es kostet ibne» viel Hunger, um nur nicht anstößig gekleidet in den Dienst zu komme«, worin sie gegen

dje gemeinen Tagelöhner in großem Nachtheil sind.

Doch

ihre elende Lage wird von ihnen selbst in einer mir mitgetheilteu

Vorstellung,

«t welcher die Lohnschreiber eines

Gerichts gar kläglich bitte« und welche ich hier wörtlich folgen lasse, am.beste« geschildert :

^Hochgebornor Hochzugebietender Herr Geheimer Staats- und Justiz-Minister,

Gnädiger Herr! N, N. de« 10. November 1843,

Die Lohnschreiber bei dem Königlichen rc. Gericht zu R. N. bitten ganz unterthänigst um gnädige Ab­

änderung ihres bisher so drückenden Dienstverhält­

nisses durch eine gnädigst zu gewährende Fmrung eventzrell durch Hchöhung des Ochrerblohnes.

104 Keine Zeit hat uns unsere drückende Lage so fühl­ bar werden lassen als die gegenwärtige.

Es ist die Zeit, wo durch hohe Preise der Be­

dürfnisse der Landmann und der Bürgerstand sich hebt und der mittelmäßig besoldete Beamte,

der

im äußern Verhältniße zu Jenem nur einem Skla­

ven gleicht, kaum so gestellt ist: daß er für die Ge­ genwart sorgen, geschweige denn für die Erziehung

seiner Kinder etwas zu erübrigen vermag, weil zu jener Zeit, als seine Anstellung erfolgte, sein Ge­

halt schon für eine sparsame Haushaltung berech­ net war, und er, nachdem seine Familie sich ver­ größert, und die Bedürfnisse um noch einmal so

hoch im Preise gestiegen, jetzt mit nur eben so viel

mehr zu bestreiten hat, als in jener für den Beam­ tenstand bessern Zeitperiode.

Das ist das Loos des Beamten, der sich heut zu Tage noch glücklich preisen muß, daß er d a s ist

und das hat, was er seit der Einführung des Po­

sener Geschäftsreglements nie erreichen kann und wird. Ganz anders aber gestaltet sich das Loos der

noch nicht definitiv angestellten Beamten und vor­ züglich das der Lohnschreiber.

Denn durch die Ein­

führung des in Posen erfundenen Geschäfts - Regle­ ments für die Subalternen - Büreaus ist den dem Schreibfach sich widmenden jungen Leuten, wenn

sie auch mit Opfern das Aktuariats - Examen Ister Klaffe hinter sich gebracht, nur die traurige Aus-

105 sicht eröffnet: eine Reihe von Zähren in einem un­ steten wandernden »nd kaum nur für ihre Person

die unentbehrlichsten Lebensbedürfnisse gewährenden

Dienstverhältnisse zu verharren, und im Dienste zu er­ grauen, ehe sie durch endliche Erlangung eines der

wenigen Büreauvorstehcrpostens in den Stand gesetzt

werden, aus ihrem Hagestolziat herauszutreten und

nothdürftig eine Familie erwähren zu können.

Dieses Dienstverhältniß ist jedoch noch ein glück­ liches gegen das eines Lohnschreibers.

Dieser, bei dem doch auch einige Ausbildung ge­ fordert wird, ist übler daran, als ein gewöhnlicher Tagelöhner, mit dem er fast gleichen Titel führt.

Nach Pfennigen wird seine Arbeit tarirt, und an jedem Morgen muß er mit dem Kummer sein Tage­ werk beginnen: ob er auch heute wieder so viel Pfen­

nige oder Points heraus bringen wird, um mit sei­ ner unglücklichen Familie

wenigstens trocknes Brot

genießen zu können.

Die Posener Verfassung geht aber noch weiter,

indem sie die Lohnschreiber der strengsten Kontrollirung ihrer Arbeiten unterwirft und die Büreau-

Vorsteher verpflichtet, darauf zu sehen:

daß der

Schreiber nicht um eine Zeile oder Silbe fehlt. Ze­ der Tagelöhner fordert selbst den Lohn seiner Arbeit, denn ja nur er allein kann die Mühe und Zeitver-

säumniß am besten berechnen, und nur den Gefan­

genen werden ihre Arbeiten abgetheilt und tarirt.

106 Denn so viel steht fest: daß die Arbeit sich nicht

immer gleich bleibt und der Büreauvorsteher beim

Geschäftsdrange

in

der Taxe leicht irren kann.

Aber hat er sich auch nachträglich von der Unrich­

tigkeit seiner Tare überzeugt, — was Hilsts? die Kopialien sind gebucht,

Hie Kosten-Noten schon

den Parteien notifizirt, und aus seiner Tasche wird

so wenig er wie die Kanzlisten dem

arme» Lohn­

schreiber für den error etwas vergnügen.

Unter

solchen Umständen bleibt dem Lohnschreiber nichts übrig, als , so lange es nicht etwa an Arbeit fehlt, Tag und Nacht zu arbeiten, um sein Leben zu fri­

sten , während bie, welche ihr Verbreche« in Straf­ anstalten büßen, sich der nächtlichen Ruhe erfreuen,

und ihren Kummer verschlafen. -Das ist sein Loos

bei regem Fleiße und Sparsamkeit! Das ist für ihn noch eine glückliche Zeitperiode zu nennen. Tritt aber der Zeitpunkt ein, wo er durch Krankheit Wmgesucht

wird, dann steht der Lohnschreiber als das elendeste

Geschöpf auf der ganzen Erde da, dann steht er nicht nur unterm Tagelöhner, sondern unterm Wurm im Staube! Für Gesellen, Tagelöhner und Gesinde

sind für diese» Fall Hospitäler errichtet, Gefangene nnd Verbrecher werden in ihren Anstalten verpflegt, den Wurm, der sich vor Schmerzen krümmt, zertritt

der Fuß eines für Leid gefühlvollen Herzens, —

aber an den leidende» Lohnschreiber denkt keine gefichlvoüe Seele;

denn, er trug ja nach,

weil er

107 »6th Volke in die Neide der Beamten gezählt wird, «ne anständige, wenn auch geliehene Kleidung,

er

ging ja noch nicht betteln, obgleich bei ihm der Hun­ ger weit mehr zu Hause ist, als in den erbärmlich,

sten Hütten; und wenn er genesen, wenn er Kleider,

Betten, kurz Alles, was er noch hatte, in dieser

Bedrängniß veräußert, dann steht er am Ende brot­ los

da.

Ja, wenn man sich diese Lage in ihrer

gräßlichen Wirklichkeit vergegenwärtigt, dann drängt -sich unwillkürlich der Gedanke auf:

daß es besser

wäre, wenn das Gesetz vorschriebe oder gestattete: daß man einen solchen unglücklichen durch Krankheit heim­

gesuchten Lohnschreiber einen

Stein anbände und

zur Rettung seiner Familie vor dem gänzlichen Ruin, und zu seiner Befreiung von Schmerzen und der quälenden, ängstlichen Sorge: was aus ihm werden würde, ins Wasser versenke;

dann wäre er wenig­

stens nicht noch der Versuchung ausgesetzt: sich ge­ gen den 'Ewigen, der ihm das Leben gegeben, durch eigene Handanlegung an dasselbe, zu versündigen.

Die Schilderung erscheint im ersten Augenblick

übertrieben, sie ist es aber nicht, sie hat sich schon

in ihrer Wirklichkeit theilweise bewährt uud ist aus dem Leben gegriffen. Vor Kurzem erst ist ein Lohn­ schreiber, der auf vieles Bitten und weil er ledig

war, in ein hiesiges Hospital ausgenommen worden,

daselbst gestorben, und hätten wir klebrigen nicht auf «inen Sarg gesammelt, so wäre er in einer söge-

108 nannten Rasenquetsche durch die Stadt getragen worden.

Dieß war aber noch eine Begünstigung,

weil der Verstorbene ledig war, und man kann den

Grundsatz: daß Gott für Alle gesorgt hat, nur dann gelten lassen, wenn man davon die Lohnschreiber

ausnimmt.

Abgesehen von jeglicher Krankheit, die

wol Jeder zu erwarten hat, ist der Lohnschreiber zu blosgestcllt, denn er steht kreditlos da; mangelt es ihm daher, was oft, namentlich während der

Ferien vorkommt, an Arbeit, und also an Brot,

so kann er nicht gleich einem Tagelöhner von Haus zu Haus gehen und nach Arbeit fragen; und eben­

sowenig kann er seiner Noth durch eine Anleihe abhelfen, sondern er muß mit seiner Familie hun­ gern ; denn wer wird einen Menschen, der nicht weiß,

ob er morgen noch im Brote sein wird, und der

kein bestimmtes Wort der Rückerstattung geben kann,

weil er nicht weiß: was der kommende Tag ihm bringt, etwas zur Abhilfe momentaner Noth borgen? Trifft aber gar den unglücklichen Lohnschreiber das

Loos, daß er, ohne sein Verschulden, wegen Man­ gel an Arbeit, entlassen wird, welche traurige Aus­

sichten liege» dann vor ihm?

Er ist an den Ort

durch seine Familie gebunden, und kann, weil es ihm an Mitteln fehlt, nicht wie die Handwerks­

gesellen, denen überall freie Herbergen offen stehen,

die Ferne suchen; denn den armen Lohnschreiber, der doch auch ein Mensch ist, nimmt ohne Geld

109 Niemand auf, ja er muß sogar um ein anderwei­

tiges Unterkommen zu finden, bei allem seinem Elend

und bei hungrigem Magen noch anständig erscheinen. Und was erwartet ihn am Ende für all' seine An­ strengung und Aufopferung seiner Gesundheit und

Kräfte für ein Loos, in welcher Gestalt erscheint

ihm sein einstiges Schicksal, wenn er sein Alter und den Zeitpunkt bedenkt, in dem seine Unbrauchbar, feit, die gewiß durch sein unglückliches und kum­

mervolles Dienstverhältniß beschleuniget werden muß, eintritt, wo er dann wird den Bettelstab ergreifen müssen?

Denn er ist sich bewußt, daß er ja nur

ein Lohnschreiber ist, der jederzeit entlassen werden kann, ohne Hoffnung auf Pension oder die gering­

sten Benefizien, auf was Alles er ja schon bei seiner Annahme ad protocollum verzichten mußte.

Die

Lohnschreiber in der jetzigen Zeitepoche, zu denen

wir leider gehören, sind gewiß nur die Unglücklichen,

denn sicher wird in späterer Zeit das Dienstverhält­ niß der Lohnschreiber verbessert werden müssen, um

gänzlichem Mangel an solchen Leuten vorzubeugen. Dieser Mangel ist jetzt auch wirklich schon mehr, mals bei dem hiesigen rc. Gerichte eingetreten, und

selbst die vorgesetzte Behörde desselben, das Königs.

Oberlandesgericht zu NR-, hat ihm nicht abhelfen und solche unglückliche Lohnschreiber-Subjekte nicht zuweisen können, weßhalb Stockungen im Geschäfts­ betriebe durch längere Zeit eingetreten sind, und

HO die auch wieder eintreten müsse», wenn wir dieses harte Dlenstverhältniß aufgeben, wozu uns leicht

Verzweiflung veranlassen kann.

Der Umstand, daß

bisher immer wieder, wenn auch mit .Mühe und Noth, die erforderlichen Lohuschrriber bei den Ge­

richten aufgebracht wurden, ist kein Grund zur Wi­ derlegung unserer,Behauptung; denn hätten wir,

und gewiß alle bei andern Gerichten fungirenden Lohnschrelber damals, als wir uns dem Schreibfach widmeten, wo von Lohnschreiberei noch keine Rede

war, geahndet: daß wir einstens Lohnschreiber hei­ ßen und das schauervolle Dienstverhältmß eines sol­

chen unser Loos sein würde, wir und alle ander» Lohnschreiber würden sicher jedes Handwerk vorge­

zogen und durch Erlernung eines solchen uns ein besseres Loos bereitet haben, als uns i» den Hallen der ho­ hen Gerichtshöfe zu Theil geworden ist. Der Lohn­

schreiber ist, vermöge dieses Looses, oft in die Noth­ wendigkeit versetzt: den nothwendigsten Lebeusbedarf

auf Kredit zu nehmen, wodurch der Charakter des Beamten und überhaupt der Beamtenstand, — zu dem wenigstens das Publikum den Lohnschreiber

zählt — in den Augen des Letzteren so sehr herab-

gewürdiget wird. So wenig, wie es wol der Wille Sr. Majestät des Königs unsers so hochherzigen Landesvaters,

der nur sein Volk glücklich zu machen strebt» sein

kann, eben so wenig ist es mit den allgemein be-

111 kannten hochedessten

Gesinnungen

in Uebereinstimmung zu bringen:

Euer

Excellenz

daß die Staats,

Kaffe durch die eingefübrte Art der Belohnung der

Lohnschreiber, ein paar Thaler ersparen soll. Wir sind weit entfernt, gegen unsere vorgesetzte

Behörde, daS Königliche rc. Gericht zu R. N. oder

gegen das Königliche Oberlandesgcricht zu N. N., Beschwerde zu führen, und wenden uns um deßhalb

unmittelbar an die Gnade Euer Excellenz, weil wir

die Ueberzeugung haben, daß es ja doch nur dieser Gnade anheimgestellt sein kann:

das herbe Dienst­

verhältniß der Lohnschreiber aufzuheben. Von Kummer und Sorge um das tägliche Brot

zu sehr gebeugt und keinen Ausweg sehend, unserm

gänzlichen Untergange bei Abnahme der Kräfte za entgehen, nahe« wir uns in tiefster Unterthänigkeit Euer Excellenz hochgepriesenen Gnade, mit der al­

lergehorsamsten Bitte:

durch gnädige Fixirung, unserer momentanen Noth huldreichst abhelfen, eventuell, wenn dieß wegen der hier den Kanzlisten überwiesenen Kopialien zur Zeit nicht statthaft, de« uns bis jetzt gewähr­

ten Lohn pro Bogen mit 1 Sgr. auf 2 Sgr. er­ höhen zu wollen.

Der schönste Lohn wird Euer Exzellenz in dem

Bewußtsein erblühen, uns so sehr-vom Kummer ge­

drückten und höchst mühsamen Arbeitern die Last er­ leichtert und uns in den Stand gesetzt zu haben, unsere

112 Familien wenigstens vor der Nothdurft und Blöße schützen. Aber auch wir werden nicht ermangeln die Groß«

und Gnade Euer Exzellenz zu preisen, und durch an­

gestrengten Fleiß und erneuerte Kraft, so viel in un­ sern Kräften steht, dem Staate zu nützen. Genehmigen Euer Erzellenz die Versicherung, daß wir im tiefster Unterthänigkeit ehrfurchtsvoll ver­

harren. Euer Exzellenz Unterthänigste."

Aehnliche Vorstellungen um Erhöhung des Lohnes sol­ len von

verschiedenen

Seiten

erfolgt

sein,

und

selbst

die Stände der Provinz Posen haben sich bekanntlich bei ihrer

letzten Versammlung dieserhalb zu einer Petition bewogen

gefunden. So ist es mit dieser unglücklichen Klasse von Beam­ ten, bei welchen noch Das zu wissen ist, daß, da die Par­ theien für den Bogen 2 Sgr. 6 Pf. bezahlen müssen, und zwar für jeden angefangenen Bogen, für jede Zuschrift, und

wäre sie nur eine Zeile lang, während dem Lohnschreiber die Zeilen zusammengezählt werden,

so daß

das

Schreib­

werk, wofür die Partheien 10 — 15 Sgr. zu bezahlen

ha­

ben können, der Lohnschreiber nur einen Silbergroschen er­ hält, — die Königl. Salarien - Kassen, noch mit Berücksich­ tigung

derjenigen Schreiberei, wofür keine Parthei Etwas

bezahlt (sogenannte Offizial- und Armen - Sachen), an je­

dem Lohnschreiber

jährlich, mehr als noch

wie der Lohn beträgt, gewinnt.

einmal so viel

113 Diese Herabdrückung des Arbeitslohnes für die Subaltern-Beamten überhaupt verträgt sich nicht mit der Würde des

Staats, verletzt den äußern Anstand durch das armselige

hungrige Auftreten der Arbeiter, untergräbt die Würde der Gerichtshöfe, und gefährdet die Sicherheit des Publikums hinsichtlich der theuersten Jrfleressen der Staatsbürger. Denn da die Arbeit wie der Loh» ist, so sind für das gebotene Arbeitslohn durchaus brauchbare, ordentliche Arbeiter in

ausreichender Anzahl dauernd nicht zu haben.

Die wichtig­

sten Arbeiten, wie z. B. das Erpediren, die Actuariatsge-

schäfte, werden zum Theil von ungeübten und unwissenden Personen, die mitunter nicht einmal die Regeln ihrer Mut­

tersprache kennen und nicht fehlerfrei schreiben könne«, ver­ richtet , die Last der Richter wird dadurch, daß sie die Con­ cepte wie Schul - Exercitien corrigiren, oft ganz durchstreichen

und neu machen müssen, vergrößert, ohne daß sie dabei im Stande sind, jeden Unsinn zu verhindern; die Lohnschreiber

müssen, um auf ihr Tagelohn zu kommen, flüchtig schreiben, welches Fehler und Unleserlichkeiten zur Folge hat. Dadurch

werden die Gerichte lächerlich gemacht und die Partheien in

Schaden gebracht.

Ein Revisionsbescheid eines Oberlandes­

gerichts , vom 12. Mai 1843, schließt z. 23., nachdem bogen­

lang gehofmeistert worden, emphatisch: „Ueber die Befolgung dieser Mängel ist binneu 3

Monaten zu berichten."

Zn einer mir unlängst vorgekommenen Bagatell-Prozeß,

Sache war die Zahl des Terminstages in der Vorladung so undeutlich geschrieben, daß der Beklagte den litten für den

114 IKtttt gsleseü hatte und auch hatte lesen können.

Er erscheint

daher nicht am 13., und als er sich am 15. einfindet, steht

seine Sache nicht auf dem Aushang und sie wird auch nicht

aufgerufen. Dadurch kommt er auf den Gedanken, der Klä­ ger werde die ganz grundlose Klage wieder zurückgenommen haben, und die Nachricht darüber habe noch nicht erpedirt

und ihm zugestellt werden können. Zn Erwartung Dessen, was weiter folgen werde, vergeht die Restitutionsfrist, und nun erst erfährt er, daß er wegen seines Ausbleibens am 13. kontumacirt worden.

Natürlich beschwert er sich über ein solches

Verfahren, da findet sich aber, daß in dem Behändigungs­

schein, Len er bei Zustellung der undeutlich geschriebenm Citation gesehen und unterschrieben hatte, die Zahl 15 deut­

lich war ; und nun galt er nicht allein für rechtskräftig ver-

«rtheilt, sondern er mußte auch noch die Kosten der Be­ schwerde dazu bezahlen. In Bescheiden an die Partheien und in Requisitions-

Schreiben an andere Behörden ist bald Dieß bald Das ganz

ausgelassen, oder unverständlich und unrichtig geschriebeu, so daß Rücksendungen und Rückfragen in großer Menge vor­ kommen.

Dieser Zustand kann unmöglich so bleiben, der Dienst in den Gerichtshöfen muß wieder zuverläßigett, wissenschaftlich

gebildeten und ihrem Fache gewachsenen Personen anvertraut

werden, welche anständig und auskömmlich besoldet sind.

Eine Verminderung der dadurch entstehenden Staatslast

ist nicht anders zu erreichen als auf dem oben, bezüglich auf Vie Richter angegebenen

Wege: durch die gewünschte Ver-

115 Änderung der Gerichtsverwaltung und des Rechtsverfahrens

fällt das ganze Heer der vom Staate zu besoldenden Subaltern - Beamten bis auf wenige Gerichtsschreiber weg, ohne

daß das übrige Personale erwerblos zu werden braucht.

5) Klage wegen Ueberbürdimg hinsichtlich der Pensionen. Zeder Dienstherr macht es sich zur Gewissenspflicht, einen

Diener, der bei ihm grau geworden und hinfällig, im Alter zu versorgen, ihn nicht von sich zu stoßen; und darum mag

auch der Staat, der seinen Dienern nicht soviel gibt, um für das Alter Etwas zu erübrigen, die alt und hinfällig

gewordenen Beamten nicht dem Erbarmen mildthätiger Her­ zen überlassen.

Darauf beruhet die durch Gesetz anerkannte

und näher bestimmte Berbindlichkeit des Staats, die nicht mehr dienstfähigen Beamten zu pensioniren.

In andern Län­

dern gibt dazu der Staat allein die Mittel her, in Preußen

nicht. Unterm 31. August 1824 erging eine Allerhöchste Kabi-

nets»Ordre an das Staats-Ministerium, durch welche meh­

rere Maßregeln angeordnet wurden, um besonders bei den damaligen, auf den Ertrag der Staats-Einnahmen ungün­

stig einwirkenden Zeitverhältnissen die nöthigen Beschränkun­ gen bei den Staats-Ausgaben herbeizuführen und diese mit den Einnahmen ins Gleichgewicht zu bringest. Ueber die Art,

116 in welcher, zur Errcichnng dieses Zwecks, auch sämmtliche

Staatsdiener beitragen sollten,

war Folgendes

bestimmt

worden: 1) Die in der allerhöchsten Kabinetsordre vom 29. Mai

1814 enthaltene Bestimmung, nach welcher ein Theil der Staalsdiener das Fünftel der Besoldung in Golde bezieht, ist vom Jahre 1825 an, in dem Maße aufgehoben» daß für

den ferneren Bezug der bisherigen Goldrate 13^tel Prozent angerechnet werden. 2) Um bei Beschaffung des Fonds zu den Pensionen der

Staatsdiener einige Erleichterung der Staatskasse zu bewir­ ken, soll nicht nur von den Staats-Beamten ein, mit ihrem

Diensteinkommen im Verhältniß stehender jährlicher Beitrag, sondern auch der 12te Theil eines jeden, den neu angestell­

ten Beamten bewilligten Jahrgehalts, sowie aller Gehalts­

zulagen , für den Pensionsfonds eingezogen werden.

Die

Erhebung dieser Beiträge geschieht nach folgenden 6 Ab­ stufungen :

1) von einer Besoldung bis einschließlich 400 Rthlr. zu 1 Prozent;

2) von einer Besoldung über 400 Rthlr. bis ein­ schließlich 1000 Rthlr. zu 1^ Prozent;

3) von einer Besoldung von 1000 Rthlr. bis ein­ schließlich 2000 Rthlr. der vorige Satz, und vom zweiten Tausend zu 2 Prozent;

4) von einer Besoldung bis einschließlich 4000 Rthlr. die Sätze 2 und 3, und von dem was über 2000

Rthlr. hinansteigt, zu 3 Prozent;

117 5) von einer Besoldung bis einschließlich 6000 Rthlr. die Sätze 2, 3 und 4, und von dem Betrage

über 4000 Rthlr. zu 4 Prozent;

6) von einer Besoldung, die mehr als 6000 Rthlr. beträgt, [bie vorigen Sätze, und von den über 6000 Rthlr. hinangehenden, zu 5 Prozent. Hiernach sind seit dem 1. Januar 1825 den Beamten die

Abzüge gemacht worden.

Wenn also z. B. einem Richter

eilte Besoldung von 500 Rthlr. jährlich versprochen ist,

so

erhält er nicht 500 Rthlr.; sondern das erste Jahr erhält er

nur 450 Rthlr. 25 Sgr. und die folgenden Jahre 492 Rthlr. 15 Sgr.

Davon kann nicht Rede sein, daß in Zeiten der Drang­ sal nicht jeder Staatsangehörige, mithin anst) jeder Staats­ beamte, und Dieser vor Allen, das Seine thun soll; hier ist die Rede davon: ob die Beamten ohne allgemeine Noth und

Kalamität, vorzugsweise zurückgestellt werden sollen.

Als

im Jahre 1824 die Zeitverhältnisse außerordentliche Anstreng­ ung und Opfer forderten,

wird

kein Beamter in Leistung

Dessen, was man von ihm forderte, haben zurückstehen wol­

len;

aber

diese

Anforderungen müssen wieder wegfallen,

wenn die Ursach dazu aufhört.

Diese Ursach, wird behaup­

tet, hat schon lange aufgehört, und der Beweis wird dar­

aus hergenommen,

daß vor zwei Jahren eine Ermäßigung

der Staatsabgaben um 2 Millionen, oder wieviel sonst, hat

eintreten können, wie allgemein bekannt ist.

Dabei hat Nie­

mand daran gedacht, in Erinnerung zu bringen, daß vorerst

die contractlichcVerbindlichkeit gegen die Staatsdiener zü

118 erfüllen,

und ihnen die versprochene Besoldung ohne allen

Abzug zu zahlen sei.

Die Pensionen find eine allgemeine Staatslast,

wie die

Besoldungen der Staatdiener, die Beamten müssen, gleich je­

dem andern Staatsbürger,

zu

den öffentlichen Lasten und

Abgaben beitragen, und noch überdieß wird ihnen die enorme Summe eines Zwölftels des ganzen Jahrgehalts bei der Anstellung und dann jährlich die angegebenen Prozente als

eine Abgabe

zu allgemeinen Staatszwecken abgenommen.

Die Aushebung aller Pensionen wäre überhaupt weniger un­

gerecht als dieseharte und ungleiche Belastung. Zum Genuß einer Pension gelangt,

zumal wenn von den schon als Invalide

in den Dienst tretenden Unterbeamten abgesehen wird, nicht der vierte Theil der Beamten;

die übrige große Menge

stirbt im Dienst oder wird ohne Pension entlassen. zahlen also die ihnen aufgebürdete enorme

Diese

hohe Staatsab­

gabe, ohne je einen Nutzen davon zu haben;

sie bereichern

bloß den Staat. Spräche der Staat sich einseitig frei von seiner Verbind­ lichkeit, die ausgedienten Beamten zu ernähren, so würden

Privat - Pensions - Anstalten entstehen, und es könnte Nie­ mand z» solchen basten gezwungen werden,

wovon er nach

seiner Wahrscheinlichkeits-Rechnung keinen Nutzen zu hof­ fen hätte.

Es ist also nicht blos Billigkeit, sondern es ist

Recht und Gerechtigkeit, welche gebiete«, den ohnehin zu

kärglich besoldeten Beamten diese enorme Staatslast abzu­ es nicht der Wille Sr. Majestät des

nehmen.

Gewiß ist

Königs,

dieselben unter veränderten ZeitverlMniffen fort-

lid dauern zu lassen,

und es kann nur daran liegen,

daß die

traurig« Lage der Beamten und die noch fortbestehende Mit» gleiche und harte Besteuerung derselben nicht Vorgelege wor­

den ist.

Es kommt nicht selten vor, daß die Penfivnir»

-Weiter:

«ng vorläufig abgelehnt oder doch verschoben werden muß, aus keinem andern Grunde, als weil der Pensionsfonds er­

Ein Rescr. vom 30. November 1843 bezeugt

schöpft, ist.

dieß wieder; es heißt:

„ Dem rc. wird auf den Bericht vom 17. d. M., betreffend die Peusiomrung des Registrators R. zu R. vorläufig

bekannt gemacht,

daß die Pension des

N. mit 250 Rtblr. für die Zeit vom 1. April 1844 ab ,

da

der

Zu st t z - Penstonsfonds

genwärtig erschöpft ist,

ge­

in die des Königs

Majestät vorzulegende Peusionsuachweisung aufge» nommen

migung

der

werden dieser

wird.

Nach Allerhöchster Geneh­

Nachweisung

Pension die weitere

wird wegen Zahlung

Verfügung erlassen wer­

den. " Daun beklagen sich die Beamten noch darüber,

Pension für langjährige Dienste zu niedrig sei;

daß die

sie berufen

sich auf andere Länder, z. B. Oesterreich und Sachsen,

wo

einem Beamten, welcher 40 Zahre vorwurfsfrei gedient har, freistehen

soll:

ob

er

Ruhestand zurücktreteu,

mit seinem ganzen Gehalte in den

oder weiter dienen will;

wogegen

in Preußen einem Beamten nach vierzigjähriger vorwurfsfreier

120 Dienstzeit nicht mehr als fünf Achtel seines Gehalts als Pension gelassen werden.

Ich kenne die Bestimmungen in

Oesterreich und Sachsen hierüber nicht, indessen scheint, auch abgesehen davon,

Manches dafür zn sprechen,

einem im

Dienste so alt gewordenen Manne — denn da die Dienst­ zeit erst nach dem LOsten Jahre anfängt zu zählen, so ist ein so lange dienender Beamter gewöhnlich von den Siebzi­

gen nicht mehr weit — für die wenigen ihm noch übrigen

Lebensjahre Das unverkümmert zu lassen, was er bisher

gehabt hat. Biele Beamtete beklagen sich endlich über den Druck, in

welchen sie dadurch kommen, daß sie gezwungen werden, ih­

ren Ehefrauen bei der Allgemeinen Wittwen - BerpflegungsAnstalt eine Pension zu versichern.

Bis zum Jahre 1800

bestand in dieser Hinsicht kein Zwang; in diesem Jahre er­

schien eine Kabinetsordre vom 18. Oktober,

welche den,

von dem damaligen General - Direktorium gemachten Bor­

schlag : daß alle zur Aufnahme qnalifizirte Königliche Die­

ner ernstlich durch die Landeskollegien aufgefordert werden, für ihre Frauen, Falls es noch nicht ge­ schehen, bei der Wittwenkasse einzusetzen, mit dem Beifugen,

daß sie im Unterlassungsfälle auf eine

Pension für ihre nothleidenden Wittwen nicht z»

rechnen haben, und daß von jetzt an, jeder Civil, beamte, welcher heirathen will, durch seinen unmit­

telbaren Borgesetzten, bei dem Chef des Departe­

ments sich melden und nachweisen muß,

mit wel-

121 cher Summe er sich bet der Wittwenkaffe affoziiren

wolle,

oder daß seine künftige Frau nach seinem

Tode ohnehin leben könne, widrigenfalls die Er« laubniß zum Heirathen, nur gegen einen von beide«

Theilen zu unterschreibenden Revers,

daß die zu,

rückbleibende Wittwe auf keine Pension Anspruch

mache, ertheilt werden soll, genehmiget, mit der Bestimmung, daß die Erlaubniß zum

Heirathen, wenn einer von den obigen Bedingungen Genüge geleistet worden, nie verweigert werden soll. Diese Bestim«

mungen wurden durch die spätere Kabinets-Orvre vom 17. Juli 1816*) dahin abgeändert: daß künftig, ohne allen Unterschied der Fälle, jedem Civiloffizianten, welcher den Heirathskonsens nach,

sucht, zur Pflicht gemacht werden soll, eine bestimmte Erklärung abzugeben, mit welcher Summe er seine künftige Gattin in die Wittwenkaffe emkaufen wolle,

und daß jedem Civiloffizianten, welcher diese be,

stimmte Erklärung abzugeben unterläßt, der Hei,

rathskonsens verweigert werden soll. Das Staats-Ministerium wurde angewiesen, diese an­

derweite Bestimmungen $us vollziehen, auch besonders darauf zu sehen, daß diejenigen Offizianten, welche nach Abgabe

obiger Erklärung den Heirathskonsens erhalten, auch wirk­ lich derselben gemäß, sich nach vollzogener Heirath bei der allgemeinen Wittwenkaffe affoziiren.

*) Gesetz - Sammt, von 1816, S. 814.

122 Die Schwierigkeit war nun, wie der Beitritt zur Wittwenverpflegungs - Anstalt, nach vollzogener Heirath, erzwun­ genwerden sollte, und, wenn der Beitritt wirklich geschehen,

wie man verhindere, daß die Vortheile des Einkaufs durch unterbleibende Zahlung der halbjährigen Beiträge wieder

verloren gehen.

Zn letzterer Hinsicht ist angeordnet, daß

jedem Justizbeamten, welcher in eiuem Zahlungstermine mit dem Beitrage im Rückstände bleibt, die folgenden halbjäh­

rigen Besträge von seinem Gehalte abgezogen, und unmittel­ bar aus der Kasse an die Hauptkaffe der Allgemeinen Witt­ wen-Verpflegungs-Anstalt abgeführt werden*). Hinsichtlich

des Zwanges zum Einkauf war die Sache weniger einfach.

Man dachte daran, den Einkauf der Ehefrau eines nicht willigen Justizbeamten von Amtswegen zu bewirken, was sich jedoch schon darum als unausführbar darstellt > weil die

Mitwirkung des Beamten zur Herbeischaffung der erforder­ lichen Bescheinigungen nöthig ist. Der Justiz-Minister schrieb

endlich vor:

daß die Beschlagnahme eines angemessenen Theils des Diensteinkommens zum Behuf der Bewirkung des Einkaufs der Ehefrau eines Beamten in die

Wittwenkasse, ohne Rücksicht auf den Betrag des

Dirnsteinkommens des betreffenden Beamten, anzu­

wenden sei; denn die gesetzliche Verpflichtung, den Einkauf zu bewirken, stehe mit de» Amtsverhältniffen in so genauer Verbindung, daß die für andere

*) Reser, v. 9. Octobr. 1816. (Zahrb. Bd. 8, S>. 270.)

123 Fälle

vorhandene

gesetzliche Bestimmung,

einem

Beamten 400 Rthlr. frei zu lassen, bei dieser Be­

schlagnahme nicht berücksichtigt werden könne.

Es

sei jedoch in keinem Falle erforderlich, so viel von

dem Gehalte des Beamten, der, ungeachtet er ge­ setzlich dazu verpflichtet sei, dieses zu thun sich xoeif gere, in einem Quartale in Beschlag zu nehmen, als die

Antrittsgelder, Retardat- Zinsen und die

laufendm Beiträge betragen.

Die Bestimmung der

in Beschlag zu nehmenden Summe bleibe vielmehr dem Ermessen des Gerichts überlassen; und es könne

daher auch in Ansehung der bereits verfügten Be­ schlagnahme bewenden, wenn das Gericht der Mei­

nung sei,

daß dieselbe die betreffenden Beamte«

schon dadurch bewogen werden, ihrer Verpflichtung nachzukommen*).

Diese Beschlagnahme des Gehalts, die man dadurch aus­ führt, daß der vorenthaltene Theil von der Staatskasse an das Depositorium abgegeben wird, ist mithin eine Zwangs­

maßregel, darauf gerichtet,

Etwas zu thun (executio ad

faciendum), ein ganz abnormes, singulaires Erecutions-

mittel. ergehen

Es kommt vor, daß Beamte dieses ruhig über sich lassen,

weil die

Zwangsmaßregel

bisweilen im

schlimmsten Falle noch immer vortheilhafter ist, als derprä-

tendirte Einkauf in die Wittwenkasse in irgend einem Falle

je werden kann.

Denn stirbt die Frau vor dem Wanne,

*) Resc. v. 7. Septbr. 183» (Zaheb. Bd. 86, S. 155.)

124 so sind alle Zinsen und Beiträge, die vielleicht für eine lange Reihe von Jahren gezahlt sind, verloren; stirbt der Mann innerhalb der ersten Jahre nach der Versicherung, so hat die

Frau auch nichts und Zinsen und Beiträge sind weggewor­ fen; stirbt aber der Mann nach vielen Jahren, so hat die

Frau an dem aufgesammelten Gelde auch wol zu leben. Der Grund, warum man so große Abneigung gegen den Beitritt

zur

Preußischen Allgemeinen

Wittwen-Verpfleg«

ungs - Anstalt in Berlin hat, sind die außerordentlich ungünsti­ gen und lästigen Bedingungen und

der Zwang, für die

versäumte Zeit Beiträge und Zinsen von dem Einkaufsgelde nachzuzahlen, und überdieß noch' ein viel höheres Antritts­

geld zu erlegen. Wer z. B. im Alter von 40 Jahren erst 5 Jahre nach seiner Vcrheirathung seine 30 jährige Frau einkauft, hat erstlich soviel an Beiträgen zu bezahlen, wie er

bezahlen müßte wenn er sich erst gestern verheirathet hätte; zweitens muß er auf die schon

vergangenen

5 Ehejahre

von der Summe des Antrittsgeldes 4 Prozent für jedes

Jahr nachzahlen; und drittens muß er das gewöhnliche An­ trittsgeld doppelt erlegen*). Bei dem besten Willen kommt es vor, daß einige Receptionstermine vergehen, ehe die er­

forderlichen Atteste und Bescheinigungen alle können zusam­

men gebracht werden, und es ist eine nicht zu rechtfertigende Härte,

daß alsdann der Anstalt eine Summe gezahlt wer­

den soll, die doch ein reiner Gewinn für sie ist, weil darauf

bei der Wahrscheinlichkeitsrechnung, nach welcher Prämie *) Information der General-Direktion der Köm'gl. Preuß. Allge­ meinen Wittwenkasse, vom so. August 4816.

125 Mttb Beiträge bestimmt werden, nicht Rücksicht genommen lein kann. Schon darin liegt eine große Erschwerung für die Seihte# tenden, daß man nur zu zwei bestimmten Terminen im Jahre

aufnimmt, mithin just vor dem bestimmten Tage Alles ein­ zureichen hat, so daß, wenn dabei Ausstellungen gemacht

werden, oder auch nicht zeitig genug vorher Alles zusam­

mengebracht wird, wieder ein ganzes halbes Jahr gewartet werden muß. Wer im vorgerückten Alter heirathet, dessen Abzüge

werden so bedeutend, daß er sie nicht erübrigen kann. Durch die Kabinets - Ordre vom 27. Februar 1831*) ist eine neue

sehr lästige Bedingung hinzugekommen.

Bis dahin konnte

man das Antrittsgeld baar bezahlen oder auch schuldig blei­

ben;

im letztern Fall verzinsete man das Kapital mit 5

Prozent.

Seitdem aber kann man sich nicht mehr durch Zah­

lung befreien, sondern die Zinsen werden von dem zu be­

rechnenden Antrittsgelde zu 5 Prozent gleich bei der Auf­ nahme den halbjährig zu zahlenden Beiträgen hinzugerechnet, und die Beiträge mithin um so viel erhöhet. Dadurch werden

die Beamten gezwungen, immerfort Fünf Prozent Zinsen zu zahlen, und der Anstalt ist die Sorge und die Arbeit ab­

genommen, die Kapitalien unterzubringen und zu verwal­

ten.

Die

Fonds

dieser Staatsanstalt, die doch von den

Mitgliedern zusammengebracht werden, lernt man nicht ken­

nen; sie müssen bedeutend sein, und man glaubt, daß unge­ heure Ueberschüsse gewonnen werden. In der That, es

möchte, auch ohne das Verbot in dieser

*) Gesetz-Sammt, von 1831, S. 3.

Kabinets-Ordre

vom 27. Februar 1831,

bei den jetzt sich darbietenden w

sich fach en Gelegenheiten, seine Hinterbliebenen mit Vortheil gegen Mangel zu sichern, sich schwerlich noch Jemand finde»,

der sich bei dieser Staatsanstalt interessirte, wenn nicht die Königlichen Beamten gezwungen würden beizutreten; sie ist

jetzt eine Staatsanstalt, die allein durch die Staatsbeamten aufrecht erhalten wjrd.

Es gibt keinen Rechtsgrund, der den Beamten eine solche

Last aufbürdete; der Staat hat kein anderes Interesse, als sich zu sichern,

daß die Wittwen seiner Beamten ihn nicht

mit Gesuchen um Unterstützung behelligen, und diese Siche­

rung kann geschehen, ohne daß werden,

die Beamten gezwungen

zu ihrem Schaden die bestehende Staatsanstalt zu

erhalten; die deßfalsige Beschwerde der Beamten erscheint mithin nicht so ungegründet.

Zur Abstellung derselben und

zugleich zur Sicherung jenes Staats-Interesses, welches ohnehin nicht erheblich ist, weil eine wirkliche Verbindlichkeit

zur Verpflegung

der Beamten-Wittwe» gar nicht besteht

würde Folgendes genügen: 1) Wer so bemittelt ist, daß seine Wittwe für den er­

forderlichen Lebensunterhalt nicht zu

sorgen

muß nicht weiter belästigt werden;

er mag ein

hat»

Witthum oder ein Leibgedinge bestellen. L) Wer zwar selbst mittellos ist, aber eine reiche Fran

heirathet, muß ebenfalls ungestört bleiben.

3) Wer ohne Vermögen ist,

mag dafür sorgen,

daß

seine arme Wittwe die erforderlichen Mittel hat, und

daß er dieß gethan nachweisen;

es muß ihm aber

127 freie Wahl

in

der Art

der Versorgung

Diese läßt sich bewirken,

werden.

Leibrente

gelassen

entweder durch

Versicherung

einer

verschiedenen

Nentenversicherungs - Anstalten,

in

irgend

einer der

oder

durch Lebens-Versicherung mit einem Kapitale, wel­ um der Wittwe ein sorgenfreies

ches hinlänglich ist,

Auskommen zu gewähren. Dabei geht das Staatsin­ teresse nicht weiter als zuerst die Nachweisung der gesche­

henen Versicherung zu fordern, und dann darauf zu

halten,

daß

die

damit

erlangten Vortheile durch

Ausscheiden nicht wieder verloren gehen.

tere

wird

jährlichen

vollständig dadurch erreicht,

Beiträge

den

Beamten

Das letz­

daß er die

vom

abziehen und unmittelbar abführen läßt.

Gehalte

Hierdurch

entsteht keine neue Arbeitslast, denn gerade dasselbe

thut er jetzt auch schon,

mit den Beiträgen zu sei­

ner Wittwen - Verpflegungs - Anstalt.

128

II. Dre Institution der Justiz -Comnrifsarien und die Untersuchungsmaxime.

Was in dem ersten Hefte dieser Schrift über die Advo-

katen vorgebracht worden ist, erfordert bei der unermeßlichen Wichtigkeit dieses Standes in der bürgerlichen Gesetzgebung

noch eine weitere Ausführung und eine ruhige Betrachtung der Ursachen seines Verfalls in Deutschland und besonders in Preußen, und die Würdigung der Mittel, ihn in sein na­

türliches Ansehen zurückzuversetzen. Worin liegt es nur, daß in keinem Lande dieser ganz

unentbehrliche,

hochzuverehrende Stand in eine solche Miß­

achtung gekommen ist, wie in Deutschland? Die Grund­ ursache davon ist ganz allein der Znqnisttionü-Prozeß in Civil - und Criminal - Sachen, welchen Deutschland mit sei­

nem eigenthümlichen, auf Freiheit und Selbstständigkeit der

Individuen gegründet gewesenen, Prozeßverfahren hat vertau­ schen müssen; alles Uebrige, was sonst noch als Ursach der

Unterdrückung dieses Standes angegeben wird, sind bloße

Folgen.

Zerschneide man die Wurzel der Schlingpflauze,

129 so wird das edle, nutzbringende Gewächs ganz von selbst

emporschiessen. Als nun der Untersuchungsprozeß dem ge­

sellschaftlichen Bedürfniß nicht entsprach, als man einerseits dem Herrn des Rechts (der Parrhei) Zwang anthun wollte, so oder so seine Sache anzugreifen, anderseits aber der ge­

wünschte Erfolg nicht zu erreichen war, und in Folge Des­

sen allgemeine Klage

entstand: da

waren die Advokaten

der Sündenbock; der Volkshaß wurde auf sie gelenkt, es

gab keinen Spott- und Schimpfname», den man ihnen nicht beilegte, sie waren die Vampyre, die Blutsauger, welche nur in Ränken und Kniffen, in Entzündung von Zank und Zwie­

spalt, in Vermehrung und Erzeugung von Prozessen Nah­

rung fanden. Die höchste Höhe hatte diese bornirte Ansicht

in der Mitte des vorigen Jahrhunderts erreicht, wo man öffentlich darüber disputirte: ob denn überhaupt in einem wohlgeordneten Staate Advokaten geduldet werden dürften*). Es war damit wie zu seiner Zeit mit dem Volksglauben an

Heren und Zauberer.

Bei dieser herrschenden Volksmeinung

mag es dem großen Könige Friedrich II. nicht zum Vor­

wurf gemacht werden, daß sein Scharfblick nicht durchdrang, daß er vielmehr, vorbereitet durch seine technischen Rathge­

ber, und außer Stande, selbstständig zu urtheilen, fortgerissen ward von der Volksmeinung, die in der Unterdrückung,

*)

sind darüber eine Anzahl Broschüren erschienen, von welchen ich hier bemerke: Cramer disquisitio an advocati in rebiis publicis tolerandi sint, -der ob die Advokaten in der Republik zu dulden sind? Lips. 1736. — Erörterung der Frage: ob die Abschaffung der Advokaten dem gemeinen Leben nützlich oder schädlich sei? Berlin, 1780.

130 in der Ausrottung der Advokaten Heil suchte.

die Advokaten ganz ab.

an den

Er schaffte

In der bekannten Kabinets - Ordre

Großkanzler v. Carmer, vom

14. April 1780,

heißt es:

„Es ist wider die Natur der Sache, daß die Par­ theien mit ihren Klagen und Beschwerden von dem Rich­ ter nicht selber gehört werden,

sondern ihre Nolhdurft

durch gedungene Advokaten vorstellen sollen.

Diesen Ad­

vokaten ist sehr daran gelegen, daß die Prozesse verviel­

fältiget und in die Länge gezogen werden; denn davon dependirt ihr Verdienst und ihr ganzes Wohl.

Selbst der redliche Mann unter ihnen, welcher mit Hintenansetzung seines Interesses, die Pflichten eines gu­ ten Bürgers zu erfüllen wünschte, darf als Kläger oder

Verklagter nicht offenherzig zu Werke gehen, weil sein Gegner eine umständliche Erzählung des Facti dahin miß­ brauchen könnte, ihm eine Menge Beweise auf den Hals

zu schieben, und ihn dadurch in ein Labirinlh zu führen, aus welchem er sich ohne Gefahr oder Verlust seines

Rechts kaum wieder herauswickeln würde.

Denn wenn der Richter die Akten nicht eher in die Hand bekommt, als bis die Advokaten durch ihr« Schrift­

sätze das Faktum nach Wohlgefallen verdreht und ver­ dunkelt oder mangelhaft vorgetragen haben, so ist es sehr

natürlich, daß der Urtelsfasser .den rechten Gesichtspunkt verliert, folglich auf unadäquate Beweise erkennet, und weil er auf dem eingeschlagenen irrigen Wege fortgehen

131 muß, oft wider seine Ueberzeugung am Ende ein offenbar

ungerechtes Urtel zu sprechen genöthiget ist. Ich kann kaum glauben, daß jemalen einer der alten und vernünftigen Gesetzgeber auf die Gedanken gerathen

sein könne,

eine dergleichen unnatürliche Prozeßordnung

statuiren zu wollen, und vermuthe vielmehr, daß die Bar­ barei späterer Zeiten, und die Bequemlichkeit der Richter,

diese Mißgeburt veranlaßt haben. In der römischen Geschichte finde Ich nichts, so Mich

ein anderes vermuthen ließe. Die Richter bei den Römern

mußten erst die Sache in facto selbst untersuchen, ehe die

von den Partheien bestellte» Redner angehört und das

Urtheil gesprochen wurde; und wenn es wahr ist, daß auch die päbstlichen Gesetze ausdrücklich verordnen,

daß der

Richter das Faktum untersuchen, und die Advokaten nur die Rechte der Partheien defendiren sollen, so wird Meine

obige Vermuthung zur Gewißheit.

Dem sei aber wie ihm wolle, so ist es Mein ernst­ licher Wille:

daß der Richter künftig die Partheien mit ihrer Klage und Verantwortung

selber hören, ihre Er­

zählungen und mitzubringenden Beweisthümer ge­

geneinander halten, und so den wahren Zusammen­ hang der Sache, welche zu dem Rechtsstreit Anlaß gegeben, eruiren; hiernach aber denselben den Rech­

ten und der Billigkeit gemäß Vorschläge zum Ver­

gleich machen solle.

132 Ich halte Mich versichert, daß schon dadurch, daß die Panbeien von der eigentlichen Lage der Sache unterrichtet werden, die allermehresten Processe sich durch Vergleich wer­

den heben lassen.

Diejenigen Rechts-Händel, welche auf diese Art nicht beigclegt werden können, sind wenigstens gegen alle BeweisErkenntnisse, welche bisher die allermehrsten Weitläuftigkei-

ten verursacht haben, gesichert; und können sodann, so viel die Rechts-Fragen betrifft, sehr leicht ferner zum Spruch iustruirt werden. Es ist Meine Meinung hierbei nicht, daß den Partheien

bei dergleichen gerichtliche» Handlungen die Assistenz eines Rechts-Freundesversagtwerde; vielmehr finde Ich es nö­

thig, sowol dem Kläger als Beklagten, auch schon bei Un­ tersuchung des Facti, seinen Advokaten zu dem Ende zu accordiren, damit derselbe den Richter, welcher vielleicht ans Nachlässigkeit, Mangel der Penetration oder wol gar

aus Partheilichkeit, der ihm obliegenden Untersuchung keine

Satisfaction leisten möchte, seiner Pflicht erinnern, ihn in

allem controlliren, die Rechts - Gründe der Parthei deduciren, und also für die Sicherheit seines Clienten auf alle Art Sorge tragen solle.

Damit aber diese neue Art von Advokaten nicht wieder auf die alten Irrwege gerathen möge; so muß die Sache

so eingerichtet werden, daß solche bei dem Verzüge der Ent­ scheidung und Vervielfältigung der Prozesse nicht interessiret

sind, sondern einen ganz andern Gesichts-Punkt zur Beför­

derung ihres Glücks und ihres Interesse erhalten.

133 Die Referendarien müssen nemfidj bei Meiner neuen Ein­ richtung, hauptsächlich bei den Untersuchungen der Sache

in Facto gebraucht, und den Räthen dabei zur Hilfe ge­ geben werden.

Diejenigen Referendarii, welche bei diesen Gelegenhei­ ten die mehrste Geschicklichkeit und Penetration zeigen, wer­

den zu fernerer Beförderung beibehalten; und aus diesen sollen die Advokaten, oder wie man sie füglicher nenne»

möchte, die Assistenzräthe; aus diesen aber in der Folge die

wirklichen Räthe der Landes-Collegiorum gewählt werden. Diese Assistenz-Räthe müssen eben sowol, als die Räthe

der Landes-Eollegiorum auf stritte Besoldungen gesetzt, und zu dem Ende ihre Defensions-Gebühren in einer gemein­

schaftlichen Sportul-Casse gesammelt werden. Es kann wol sein, daß nur sehr wenige X) er bisherigen Advokaten sich zu künftigen Räthen qnalificiren, und also

brotlos werden dürften.

Ich werde aber die Verfügung

treffen, daß, in sofern brauchbare und ehrliche Leute da­

runter sind, solche vorzüglich zu Magistrats-Bedienungen,

Justiziariaten und andern dergleichen Aemtern wieder em« ploiret werden sollen. Ganz schlechte Leute verdienen keine

Attention." Das war das

Preussen.

Todes urtheil

des Advokatenstandes in

Der Vollstreckung ging jedoch noch eine Art von

Anklage-Akte voraus.

Zn dem

Vorbericht zum Corpus

Juris Fridericianum wird sehr wortreich erzählt, daß die

Advokaten als eigennützige Menschen, welche keinen andern

Grundtyieb ihrer Handlungen hätten als ihr Interesse, sich

134 nur darum bekümmert hätten: wie sie den Prozeß für ihren Clienten gewinnen, den Gegentheil durch Umzüge und Kosten

ermüden, sich dadurch in Ruf und Ansehen bringen, und durch Anhäufung der Gebühren, als der einzigen bei ihrem Metier zulässigen Art des Erwerbs, ihre Glücks-Umstände

emporheben wollen, und durch alle nur ersinnliche Kunst­

griffe den Gegentheil entweder gänzlich um fein Recht zu

bringen oder ihn doch durch alle Jrrgänge der Jahre lang herumzuführen,

Chikane

„dabei es listigen und eigen­

nützigen Advokaten niemals an Gelegenheit ermangelt, eine große Zahl von Nebenpluckten auf die Bahn zu bringen.

Das Wohl und Weh der Unterthanen des Staats ist der Diskretion eines solchen Sachwalters völlig überlassen ge­

wesen, dergestalt, daß dieser entweder aus Bosheit, Ge­ winnsucht und andern gleichsträflichen Nebenabsichten, oder auch aus Trägheit, Unverstand und Leichtsinn, durch Ver-

absäuniung gewisser Formalitäten, durch Mangel an Einsicht

und Thätigkeit

die gerechteste Sache verderben können."

Zwar habe es bisher schon an Verordnungen nicht gefehlt,

wodurch den Mißbräuchen der Advokaten gesteuert werden

sollen; diese Verordnungen aber hätten ihren Endzweck nicht erreichen können, weil es dem Richter, welcher bloß nach

den von den Advokaten aufgenvmmenen Akten hätte ur­ theilen müssen, nicht möglich gewesen, „dergleichen schlaue»,

in den Kunstgriffen der Chikane geübten Sachwaltern nach­ zuspüren." — „Um daher diesem landverderblichen Uebel in seinen ersten Quellen abzuhelfen", schien es nothwendig, das verworfene Geschlecht ganz auszurotten und den Rich-

135 ter selbst an die Stelle der Advokaten zu sehen. Als Grund­

sätze der neuen Prozeß ♦ Ordnung wurden unter Andern hin­ gestellt:

I. „ Die Untersuchung des Faktums soll von dem Richter unmittelbar und hauptsächlich besorgt werden; und dieser soll schuldig sowol als

befugt sein, alle an

sich erlaubte und der Sache gemäße Mittel zur Er­

forschung der Wahrheit anzuwenden."

V. „ Da der Richter die Wahrheit von Amtswegen auf­ zusuchen schuldig ist, so darf er sich an die von den

Partheien angegebenen Mittel, zu deren Erforschung

nicht schlechterdings binden: sondern er ist berechttgt, wenn sich — «och mehrere oder andere ergeben, —

solchen auch ohne besondere Anregung der Partheien nachzugrhen." —

VII. „ Die bisherigen Advokaten sind aus den oben ange­ führten

Gründen

gänzlich abgeschafft.

Dagegen

werden "

VIII. „ Assistenz-Räthe bestellt, deren Amt in sofern, als von der Untersuchung des Facti die Rede, ein wirkliches richterliches Amt ist. Sie sind also keinesweges Söld­ ner und bloße Sachwalter der Partheien, sondern Beistände und Gehilfen des Richters. Nur das ein­

zige Geschäft haben sie mit den bisherigen Advoka­ ten gewissermaßen gemein,

daß sie mit den Par­

theien über die bei der Instruktion vorkommend»

Angelegenheiten und beizuschaffende Beweismittel corre spoudiren ; nach hinlänglich entwickeltem Fac»

136 tum aber die daraus entspringenden Rechte der ihnen

besonders angewiesenen Parthei herleiten, oder ver­ theidigen sollen; doch muß auch dieß von ihnen ge­

schehen, ohne sich strafbarer Versuche zur anderwei­

tigen Verdunkelung des Facti, oder rabulistischer Verdrehung des Gesetzes, schuldig zu machen." Nach solchen Grundsätzen wurde denn durch die nens Prozeß-Ordnung das Prozeßführen eine Staatssache, welche

die Partheien der Obrigkeit und deren Beamten zur Besor­ gung überlassen, und wobei sie selbst, nach Art der allge­

meinen Staatslasten, persönliche Leistungen verrichten muß­ ten', indem ihnen die Verbindlichkeit, persönlich zu erschei­

nen und sich dem inquisitorischen Verhör zu unterwerfen,

auferlegt wurde.

Hierin lag zweierlei: erstlich wurde den Staatsange­

hörigen soweit der freie Gebrauch ihres Privatsrechts ent­ zogen und zur Pflicht gemacht, ihre Prozesse genau so, wie es die Vormundschaft für gut finden würde, führen und besor­

gen zu lassen; zweitens wurde die Advokatur und die

Prokuratur ein Staatsmonopol, welches der Staat, in der­

selben Art wie das Salzregal oder das Tabaksregal, durch seine Agenten und Commiffarien, gegen Entrichtung der vor­

geschriebenen Gebühren, verwalten ließ. Bon nun an hatten die Staatsbürger außer dem mit der Sache von Obrigkeits wegen beauftragten

Agenten nie­

mand, mit dem sie sich über ihre streitigen Angelegenheiten berathen konnten.

Denn der Satz, daß die Partheien un­

mittelbar dem Richter ihre Sache vortragen sollten, hat bei

137 dem schriftlichen Verfahren, und wenn auf Akten, die dem eigentlichen Richter ldem Spruchkollegium) später vorgele« sen werden, das Urtel gefällt wird,

selbstredend keinen

Sinn; Derjenige, welcher diese Akten macht, ist nicht der Richter, er ist in Verrichtung dieses Geschäfts überhaupt gar

ein Richter, sondern Agent der Staatsbehörde, welche Besorgung der Prozeßhandlungen kuratur-Geschäfte) übernommen

(Advokatur- und

die Pro«

hat. Zwar ward gleichzei«

tig noch eine besondere Art von Commisstonairen unter der

Beneunung von

Zustizcommissarien geschaffen, allein

Diese hatten andere Geschäfte zu besorgen, und durften sich bei Strafe mit dem Rathsieben in Prozeß-Sachen nicht be­

fassen. In Beziehung auf diese neue Art von Commission nairen verordnete die Prozeß-Ordnung, Th. III, Tit. 7:

§. 1. „ Ausser den eigentlichen Prozessen fallen im bür­

gerlichen Leben häufig Geschäfte vor, bei welchen,

wenn sie auf eine gültige und gesetzmässige Art voll­ zogen werden sollen, die Unterthanen und Einwoh­ ner des Staats den Rath und die Assistenz eines

Rechtsverständigen nicht entbehren können." „Da von einer ordentlichen, zuverlässigen und

legalen Besorgung solcher

Angelegenheiten,

Sicherheit und der Wohlstand

die

der Unterthanen

größkentheils mir abhangen; so kann es dem Staat nicht gleichgültig sein, was

für Leute zu solchen

Besorgungen gebraucht werden; sondern er muß dazu Männer von geprüfter Geschicklichkeit und

Rechtschaffenheit aussuchen, und dem

Publiko als

138 solche, an die eS sich in seinen Privatangelegen­

heiten wenden könne, bezeichnen." §.

2.

„Aus diesem Grunde haben Se. Königl. Majestät resolvirt, — dergleichen Personen anzusetzen, welche dazu bestimmt und authorisirt sind, den Ein­

wohnern und Unterthanen in ihren, keinenProzeß betreffenden, Rechtsangelegenheiten,mit ihrem Rath und Beistand, auf Verlangen, an die Hand

zu gehen." 3.

„ Diesen Justizbedienten wird der Name von Justiz«

§. 4.

„ Diese Justizcommiffarii sind zur Besorgung solcher

S.

commiffarien — beigelegt."

ad Processualia nicht gehörigen

genheiten

Rechtsangele­

ausschliessungsweise

befugt,

dergestalt, daß ausser ihnen niemanden erlaubt sein

soll, sich mit dergleichen Geschäften abzugeben; und

daß folglich keine Vorstellungen und Exhibita, in Sachen dieser Art, welche nicht von recipir-

ten Justiz- Commissariis unterschrieben und lega-

lisirt sind, bei den Collegiis angenommen, oder Verfügungen darauf erlassen werden sollen." §. 13. I.

„Die Verrichtungen der Justizcommiffarien sind:

Daß sie den Partheien in ihren rechtlichen Angele­ genheiten auf Verlangen mit Rath und Gutachten

an die Hand gehen;

II.

daß sie von denselben in dergleichen

Geschäften,

besonders wenn solche gerichtlich vollzogen werden sollen, Aufträge und Vollmachten übernehmen."

139 §. 24.

„Als Consulenten der Partheien sind sie berech­

tigt, denjenigen, welche sich an sie wenden, in allen Arten von außergerichtlichen Angele­

genheiten mit ihrer Rechtswissenschaft und Rath­

schlägen zu assistiern." §. 25.

„So lange Partheien, welche über eine Sache streiten, solche bei Gerichten noch nicht anhängig

gemacht haben, können die Zustizcommiffarii den­ selben dabei mit ihrem Rath — zu statten kom­

men. Sobald aber die Sachs zum Prozeß gediehen ist, müssen sie sich alles weitern Consulirens oder

anderer Einmischungen dabei gänzlich enthalten." §. 27.

„ Als Bevollmächtigte der Partheien können die Justizcommissarii sich von denselben zu allen und

jeden gerichtlichen und außergerichtlichen Angele­ genheiten, die currenten Prozesse allein ausge­

nommen, gebrauchen lassen." §. 28.

„Bei Instruktionen der Prozesse hingegen können

Justizcommissarii, so wenig in - als außerhalb deS Departements, zu Bevollmächtigten der Partheien — admittirt werden." —

Hierdurch war auch das Rathgeben und Verfertigen von Eingaben und Vorstellungen in nichtprozessualischen Angele­

genheiten zum Staatsmonopol gemacht, dessen Ausübung den dazu creirten Commissionairen aufgetragen wurde.

Die prozessirenden Partheien waren indeß mit den ihnen aufgedrungenen Prozeß-Agenten unzufrieden, und die Staats­

behörde mußte nachgeben, einestheüs, daß die Parrheien

140 statt des persönlichen Erscheinens sich durch Bevollmächtigte vertreten lassen konnten, und daß^dazu die Justizcommissarien

gebraucht wurden.

Die revidirte Ausgabe der Prozeßord­

nung, nämlich die Allgemeine Gerichtsordnung, hat nun beide Institute nebeneinander, nämlich die alte Assistenzschaft und die Stellvertretung, die Erstere jedoch mit der Modifikation,

daß nur auf Verlangen der Parthei ihr ein Assistent zuge­

ordnet und dazu, weil die Assistenzräthe abgeschafft worden waren, entweder ein Beisitzer des Gerichts, oder ein Refe-

rendarius, oder ein Justizcommissarius verwendet werden sollte*).

Diese Assistenten werden jedoch ebenso behandelt

wie die Stellvertreter der Partheien, d. h. sie müssen sich, wie die Parthei selbst, von dem Richter, oder vielmehr von

dessen Commissiouair, befragen und vernehmen lassen. Die Zulassung der Justizcommissarien als Bevollmächtigte

der Partheien hat in dem Grundsätze: daß die Advokatur und die Proknratur sich in den Händen der Staatsbehörde

und deren Beamten befindet, gar nichts geändert, vielmehr ist ausdrücklich verordnet:

„Die Zulassung von Bevollmächtigten an die Stelle

der Partbeien selbst ändert nichts in der Art der Instruktion.

Diese muß schlechterdings auch als­

dann von dem Richter selbst dirigirt und betrieben, und den Bevollmächtigten muß dabei kein Schrift­

stellen, Diktiren oder Rezessiren zum Protokoll ge­

stattet werden.

Vielmehr muß der Richter sie eben

*) A. G.-O. Th. I, Tit. 3, §• 14.

141 so, wie in Ansehung der Partheien selbst in der

Folge verordnet wird, vernehmen und befragen, und sie müssen demselben über alle und jede zur Sache

gehörige Umstände eben so die nöthigen Antworren

und Auskünfte ertheile», als wenn die Parthei in Person gegenwärtig wäre "*).

Ein allgemein anerkannter Rechtssatz ist, daß ein Zwangs« berechtigter den Bedürfnissen des Verpachteten gehörig Ge­

nüge leisten muß,

nur allein in diesem Verhältnisse der

Staatsbürger zum Staat scheint er keine Geltung zu haben: der Staat hat nicht qualifizirte Beamten genug, um die Verhöre

und Vernehmungen ordnungsmäßig und vollständig verrichten zu lassen, er bedient sich dazu der noch nicht hinlänglich geüb­ ten Auskultatoren und Referendarien, wie schon vorhin nachge­

wiesen worden ist. Ich kenne Sachen, in welchen Landleute, um mit ihrer Klage vernommen zu werden,

ihren Marsch

sieben, acht Mal haben machen müssen und wo über ein halbes Zahr darüber hingegangen ist, ehe eine vollständige Klage

zum Dasein kam, aus dem alleinigen Grunde, weil der zum Deputirten bestellte Referendarius die Sache nicht verstand.

Wegen der Wichtigkeit des Gegenstandes und weil man sich die Sache ohne zu lesen oder zu sehen gar nicht so denken

kann wie sie ist, muß ich, zum Beweise meiner Behauptung, auf die Gefahr hin noch mehr zu mißfallen, eine solche Ver­

nehmung, welche „das Wohl der Unterthanen und Einwoh­

ner des Staats" begründet, von der Klageanmeldung an

*) Ebendas. §. 74.

142 bis zur Aufnahme der für vollständig angenommenen Klage wörtlich mittheilen.

Ein Bauer, welcher drittehalb Meilen vom Gerichtsorte entfernt wohnt, klagt gegen die Erben seines gewesenen HypothekengläubigerS auf Löschung der bezahlten Post. Die

Sache ist höchst einfach. Rr. 1. Verhandelt N. den 25. Mai 18..

Erscheint der Bauer Johann L. aus L... und trägt vor: Auf meinem Bauergute Nr. 11. zu L. haften Rubr.

III. Nr. 1. 192 Thlr. für die verstorbene Auszügerin Catharine N. geb. E. —, meine Großmutter.

Mehrere

Erden derselben haben die Quittung verweigert und ich

bitte daher: zur Aufnahme der Klage wider sie Termin an-

zusetzen. Borgelesen, genehmigt und unterschrieben. Johann L.

V.

w.

o.

NN. Nr. 2.

Citation zur Klageaufnahme ad terminnm den

17. Juni, vor dem Devutirten des Gerichts. Nr. 3.

Verhandelt N. den 17. Juni 18.. In dem heutigen ex decreto vom 30. v. M. zur Auf­

nahme einer vollständigen Klage anberaumten Termine er­ schien der Bauer Johann L. aus L..., und gab wider die

143 Erben der Auszüger «Wittwe 8-, Catharina gehonten E., folgende Klage zum Protokoll:

Ich habe das Bauergut Nr. 11. zu L... an Ostern d. I. von meinem Vater Franz L. übernommen für die Kaufsumme von 1000 Thalern.

Zn der gerichtlichen Ver­

handlung d. d. den 24. Juli und 27. September 18.. bei

den Grundakten vonL... Nr. 11, die ich zu adhibiren bitte, haben: 1) der Häusler Joseph L. aus Wackerau,

2) die Erbe» der Catharina, verehlicht gewesenen B.,

gefronten L., als: A. deren Ehemann, Bauerauszüger Franz L.aus L. ;

B. deren

mit dem

ad A.

Erwähnten erzeugte

Kinder:

a. die Catharine, verehlichte G., gefronte L., mit ihrem

Ehemann,

dem Robotgärtner

Joseph G. aus L-, b. der Bürger und Hausbesitzer Johann L.

aus Z., c. der Dienstknecht Peter L. aus N., d. der Häusler Johann K. aus Sch., jedoch

ohne den Beitritt seiner Ehefrau Rosalie,

gebornen L-, e. der Bauer Anton Z. aus L. (derselbe war mit der Anna Maria gebornen L. verhei«

rathet und hat mit derselben einen Sohn erzeugt, den noch minorennen Anton Z.)

für sich und seinen Sohn

144 erklärt, daß sie aus dem Nachlasse der Gläubigerin des nun­

mehrigen Bauer-Auszügers Franz L., meines Vaters, meiner Großmutter Catharina L. gehonten E. noch Ansprüche hätten,

und haben daher in die Löschung der auf meinem Bauergute Rubr.

III. Nr.

1. für meine Großmutter Catharine L. geborne E. ein­

getragenen rückständigen Kaufgelder per 192 Thlr. nicht

gewilligt und die Quittung verweigert, obgleich der Chri­

stoph L>, der Bruder meines Vaters, welcher der noch mi­ norennen Rosalie verehlichten K. zum Curator bestellt worden war, sowohl für sich als diese Letztere erklärte,

daß er in

die Löschung der beregten Post von 192 Thlr. willige.

Derselbe hat behauptet, daß diese rückständigen Kauf­ gelder richtig und

vollständig bezahlt worden seien,

und

zwar von dem frühern Besitzer des Gutes, meinem Vater Franz L.

Daher berufe ich mich auf sein eidliches Zeugniß.

Ich lege ferner dieser Klage zwei Quittungen bei über 195 Thlr. Erbe- und Ausstattungsgelder für die Catharina

L. geborne L., worin deren Ehemann Fran; L. in L. mei­ nem Vater völlig Decharge leistet, und resp, über 45 Thlr. Zinsen und Kapital, als den Rest der Erbegelder für den Freigärtner Joseph L. in W.

Da hiernach die rechtliche Vermuthung für meinen Vater streitet, so hoffe ich, daß er auf Grund dieser Dokumente

zum Zeugniß darüber verstattet werden wird, daß er auch diese 192 Thlr. rückständige Kaufgelder bezahlt hat. Auch meine Mutter Rosalie geborne B. weiß um die

Bezahlung der 192 Thlr.

Ich trage darauf an;

145 die obengenannten Erben der Catharina L. gebornen E. zur QuittungSleistnng über das Jntabulat

von 192 Thlr. zu verurtheilen, sie mit ihren An­ sprüchen an den Nachlaß der Catharine L. gebornen

E. abzuweisen, so wie ihnen die Kosten zur Last zu legen.

Vorgelesen, genehmigt und unterschrieben. Johann L.

a.

u.

N.?

Deputatus.

s.

Nr. 4.

Decret.

Die Klage ist überhaupt nicht klar.

Die eingereichten

Quittungen scheinen gar nicht die in Rede stehende Post zu

betreffen; denn a, die Quittung über 45 Rthlr. spricht über Erbtheil

eines Joseph. L., und d, die Quittung über 195 Rthlr. spricht über Erbtheil

und Ausstattung einer Catharina L. gebornen L.,

während der Kläger eine Quittung über 192 Rthlr. Kauf­

gelder verlangt, die für eine Wittwe Catharina L. gebor­ nen E. eingetragen stehen.

Citetur daher der Kläger ad novum terminum den 12.

Juli, Vormittags 11 Uhr, zur Aufnahme einer substantiirten Klage.

N. den 23. Juni. 1840.

v.

U.

146 Ar.

5.

Verhandelt, R. den 12. Juli 1840.

ün heutigen ex decreto vom 2.3 v. M.

Es erschien

anberauinten Termine der Bauer Johann

L. zu L., und

ergänzte seine unvollständige Klage folgendenmaße«:

Mein Vater hat von seiner Mutter Catharina L. gebor-

nen E. das sub No. 11 gelegene Bauergut im Jahre 1810 übernommen.

Er

hatte an dieselbe

noch ein Hypotheken--

Kapital per 192 Rthlr. zu zahlen, welches, als sie im Jahre 0814

gestorben

war, i» 6 Theile zerfiel, da sie 5

Kinder

hinterließ und ein Theil auf Begräbnißkosten verwendet wurde. Mein Vater hat den

betreffenden Miterben, die im vorher­

gehenden Protokolle namentlich aufgeführt sind, ihre Erbes« Portionen, Jedem i« Höhe von 32 Rthr. ausgezahlt.

wird der

Christoph L.,

Dieß

mein Vetter, ein Miterbe meines

Vaters, nöthigenfaüs bekunden, wie derselbe ja auch schon in der bei den Grund-Akten Nr. 11 befindlichen Verhandlung vom 27. September v. I. erklärt hat.

ten

zu

adhibiren.

Auf den

Grund

Ich bitte, diese Ak­ dieser Zeugenanssage

des Christoph 8., hoffe ich, wird mein Vater Franz L., und

meine Mutter

Rosine geborne Berger, zum Erfiillungseide

darüber verstattet werden, daß sämmtliche 5 Miterben der Catharina L. gebornen E., Jeder in Höhe von 52 Thlr.,

befriediget worden sind.

Die sub A. eingereichte Quittung

Aber zusammen 45 Thlr. 6 Sgr. lautet auch

über die Post

per 32 Thlr. Dieß war nämlich Münze und ist mit 26 Thlr.

Erbegelder in Courant berechnet worden. bei meinem früheren Anträge stehen:

Ich bleibe daher

n« Die Behandlung des Eingangsporto

nach Vorschrift des Posener Regle­

ments verlangt daher einen Zeitauf­

1 15 Std. 18 Min.

wand von Nach der vorigen Instruktion stellt sich

Folgendes heraus:

a.

von den 1586 Nummern wurden kon«

tirt 1146, ä 3 Mi».

57 Std. 18 Min.

1>. 440 Posten wurden

in die kleine SportelKontrolle ausgenom­

men und in derselbe« kreditirt, ä 2 Min.

14 „

40



---------------- ~

71 "

58 "

Es muß daher nach der Posener. In­

struktion mehr gearbeitet werden . 2.

.

43 Std. 20Min.

Abgangsporto.

Im Jahre 1841 sind 1098 Nummern vorgekommen und davon 341 zur kleinen Sportel - Kontrolle

Rücksichtlich

übergegangen.

aller Auslagen gilt daS beim Eingangsporto

Gesagte; nach Maßgabe der Posener Instruktion sind

daher auf daS Kontiren von 1098 Posten zu rechnen: 54 Std. 54 Min. und auf das Notiren von 341 Posten in der

kleinen Sportel-Koutrolle-und das Kreditiren im Konto-Buche . 22

„ 44 „

zusammen 77 Std. 38 Min.

216 Transport 77 Std. 38 Mm.

Nach der vorigen Instruktion waren nur er­

forderlich: auf das Kontiren von 757 Posten .... 37Std.5lMin. auf das Hinübernehmen von 341 Posten zur kleinen

Sportel-Kontrole

.

.

.11



22



Es ist daher nach der Posener Jnstruk-

tion Mehrarbeit 3.

Stempel,

28 „

25 „

deren Verwendung nicht bis zur Been­

digung der Sache ausgesetzt werden darf.

Ueber diese Auslagen - Gattung wird der Belag C. ge­ führt, welcher sich nach beiden Instruktionen ganz gleich

behandeln läßt.

4.

Reisekosten, Diäten und baare Auslagen

der Gerichts-Beamten, Gebühren der Sachver­ ständigen und Zeugen, Jnsertionskosten rc.

Nach

der Posener Instruktion bedarf die Kaffe über die meisten, zum Auslagenbuch gehörige Beträge vollständiger, mit dem

Festsetzungs-Dekrete und der Zahlungs,Anweisung versehener Liquidationen.

Ausgenommen sind:

a) Auslagen und Gebühren fremder Königlicher Ge­ richte und anderer Staatsbehörden,

b) Jnsertionskosten und Alimenten - Vorschüsse, c) Kalkulatur - Gebühren und Kostenvorschußbestände. Nach der vorigen Instruktion mußten nur die Reisekosten

und Diäten der Gerichts-Koyunissarien mit Liquidationen

belegt werden. Das Auslagen buch für das Jahr 1841 wei-

217 von denen 509 kontirt und 568

set 1077 Nummern nach,

Ferner sind nur zu

anderweitig abgewickelt worden sind.

105 Posten Liquidationen erforderlich gewesen. Nach der Posener Zustruktion würde folgende Arbeits­

zeit nothwendig gewesen sein: 1) Kontiren von 1077 Posten ....

53Std. 51Min.

2) Anhängen von 568 Posten an andere

Kontrolen 3) Kreditiren von 568 Posten ....

18



56 „

18



56 „

4) Anfertigen von 571 Liquidationen und

das unter dieselbe zu setzende,

durch

Expedition besonders auszufertigende, zu mundirende und dem Gerichrsvor-

tzande zur Unterschrift vorzulegende Festsetzungs-Decret, zusammen ä 10

Minuten .

. 95

.................................



10



5) Prüfung der Liquidationen durch den Sportel-Revisor ä 2 Minuten

. .

19 „ 2 „ 205StH5Mm.

Nach der vorigen Instruktion ist aber nur gebraucht worden:

1) zum Kontiren von 509

Posten

25Std. 27Min.

2) zum Anhängen von

568 Posten

an an­

dere Kontrolen

.

. 18



56 „

Latus 44 Std. 23Min. 205 Std. 55Min.

218 Transport 44Std. 23 Mm. 205 Std. 55 Min.

3) zum Unfertigen 105 Liquidationen

von 8



45 „ 53



8 ,,

Die Posener Instruktion verursacht mit«

hin Mehrarbeit

152 Std. 47Min.

Hierbei muß bemerkt werden, daß mit

Auflösung der Kontrole für Untersuchungs­ dem Auslagenbuche jährlich min­

kosten,

destens 300 Nummern zutreten und ebenso

viele

Liquidationen

müssen.

angefertigt

werden

Es kommen daher zu der berech­

neten Arbeitszeit:

1) für das Kontiren von 300 Posten

.

15



— „

2) für daS Anfertigen von 300 Liquida«

datiotten.....................................................25 „

— „

3) für Prüfung derselben und für die Ein­

tragung, welche früher unter Einem mit den Kosten

erfolgte,

ä 3 Mi­

nuten ...........................................................15



— „

und ist die Arbeit hiernach um



47 „

.

. 207

vermehrt worden.

B. Nachliquidiren und Einfordern der Kosten. Das Nachliquidiren der Kosten macht zwischen der frü­ hern und der gegenwärtigen Einrichtung keinen Zeitunter«

219 schied; wohl aber ist zu beachten,

was alles jetzt befolgt

werden muß, bevor die Zahlungs-Mandate zum Znstnuiren

reif sind.

Nach

der vorigen Instruktion kamen die Akten

zur Anfertigung der Liquidation in die Kasse, gleichviel, ob

die Kosten in die kleine oder in die Haupt-Sportel-Kontrole gehörten. - Die Kosten liquidirte der Kontroleur,

zur Haupt-Sportel-Kontrole

der Kontobuchführer

fügte

die

gebuchten Kosten 6er, berechnete die Quote, schloß die Note, machte die Anträge

auf Zurückgabe der Borschußbestände,

und

legte die Rechnung dem Kaffen-Kurator zur Revision

vor.

Nach der Revision und Festsetzung wurden die nach-

liquidirten Kosten durch den Kontroleur in die Haupt-Spor­

tel - Kontrole eingetragen, die Noten und die im FestsetzungS-

Dekrete angegebenen Zahlungs-Mandate vom Kaffenschrei­

ber mundirt und die Reinschriften vom Kaffen-Kurator voll­ zogen, die Konzepte der Liquidationen aber blieben bis nach

Abwickelung des Konto

in der Kaffe.

Die nachliquidirten

Stempel wurden vom Stempel-Distributor auf Grund der Kontrole kassirt und von ihm dieselben gegen Quittung der

betreffenden Beamten in die Registraturen abgeliefert. Kontirt wurde erst am 14. Tage nach bewirkter Eintragung in die Haupt-Sportel-Kontrole, eingehenden Beträge in

und

alle

während

derselben kreditirt.

dieser Zeit

In die kleine

Kontrole wurden alle vom Kollegium eingeforderten Kosten,

in der Regel auch die Kosten in Hypotheken-Sachen, ein­ getragen,

und

aus

derselben

erst am 68. Tage nach der

Eintragung kontirt, während dieser Frist aber das Kredi­ tiren in derselben vorgenvmmen.

Jetzt werden die Koste«

220 in den Büreaur liquibirt und die Zusammenstellungen dem

Sportel-Revisor gegen Quittung übergeben. Das Einträgen in das Quittungsbuch erfordert für jede Post ................................................................................ 1 Minut. Der Sportel-Revisor braucht zur Vergleichung

der Rote mit den Akten und Prüfung der Sätze im Durchschnitt.......................................................... 8



Nach Festsetzung der Kosten durch den KassenKurator gelangt die Rechnung zum Rendanten. Dieser fügt die schon erwachsenen, zur Soll-Ein­

nahme gekommenen Auslagen nebst der KassenQuote hinzu, schließt die Rechnung und entwirft

............................................6

das Zahlungsmandat



Darauf erhält der Kontroleur die Kostenrech­ nung, welcher sie in calculo revidirt und zur Kon-

trole einträgt. Die Revision in calculo verlangt

2



1



Es ist ein zweimaliges Quittiren über die Stem­ pel nothwendig.

Der Kontroleur quittirt nämlich über die zu den Rech­

dem Stempeldistributor

nungen beigelegten Stempel, und der Büreau«

Vorsteher wiederum dem Kontroleur bei Abliefe­

rung der Rechnungen und Stempel.

Die dop­

pelte Eintragung in die Quittungsbücher macht für jede Nummer einen Zeitaufwand nöthig von Jede Kosten-Liquidation erfordert daher gegen

sonst an Zeit mehr

.

.

...................................... 18 Minut.

Dieß ist von den zur Haupt-Sportel-Kontrole gehörigen

Posten zu verstehen.

Die zur kleinen Sportel - Kontrolle

221 kommenden Kosten verlangen nur dieselbe Zeit wie früher.

Es sind im Jahre 1841

a. in die Hpt.-Sportel-Kontr. ausgenommen 1982 Posten, 1», in die kleine Sportel-Kontrole, welche nach der jetzigen Einrichtung gleichfalls zurHpt.Sportel-Kontrole gehören

und diese

1641.



................................. 3623 Posten

hätten nach Maßgabe der vorstehenden Berechnung

einen

größeren Zeitaufwand zur Folge gehabt von 1086 Stunden 34 Minuten.

Kreditirt wurden:

1. in der Haupt-Sportel-Kontrole

.

.

. 1198 Posten

2. von obigen 1641 Beträgen in der kleinen

1510

Sportel-Kontrolle

Wären diese



2708 Posten

kontirt worden, so würden dazu 135 Stunden 24 Minuten nöthig gewesen

sein und es ergibt sich hieraus,

daß die

Posener Instruktion bei dem Nachliquidiren und Einfordern

der Kosten die Arbeit um und

1086 Std. 54 Min.

135



24



zusammen um 1222 Std. 18 Min.

vergrößert hat.

Dazu kommt noch das Aussüüen und Abres-

siren der, aus der kleinen Sportel-Kontrole hergenommenen

1641 Zahlungs-Mandat« a 3 Minuten mit 82 Stunden 5 M muten.

Alle übrigen mechanischen Berrichtungen werden sich an Zeitbedarf das Gleichgewicht halten; denn obgleich die Po> sene r Instruktion «ine Anzahl besonderer Listen vorschreibt,

222 so hat dieselbe stuf der andern Seite verschiedene Soll-Eio-

nahme-Beläge in der Haupt-Sportel-Kontrole vereinigt.

II. Legung, Revision und Abnahme der Rechnung. Die außerordentliche Vermehrung der Special-Beläge

und Zahlungs-Anweisungen, die früher durch revidirte mtb.

attestirte Listen, welche die Quittung unmittelbar neben der, angewiesenen Post in der letzten Colonne enthielten, durch

Bücher u. s. w.

ersetzt wurden,

Rechnungslegung und Neviston.

hat auch

Einfluß auf die

Der Rechnungsleger muß

a) die Beläge nach den verschiedenen Listen absondern und mit diesen vergleichen,

b) bei

der

Rechnungslegung selbst

Vergleichung

die

nochmals vornehmen, außerdem die Beläge nummeriren und die Nummern in den Listen vermerken,

c)

nach Zurückkuuft der gehefteten Beläge vom Buch­ binder die Vergleichung zum dritten Male

vorneh­

men, um ein mögliches, bei dem Eiubinden vorge­

fallenes, Versehen zu berichtigen. Zu der Rechnung von 1841 wären jetzt gegen früher 766

besondere, einzelne Beläge mehr erforderlich.

Angenommen,

daß zu dieser dreimaligen Prüfung für jede Liquidation nur drei Minuten nothwendig find, Arbeit von

Außerdem. aber

der

so

gibt dieß eine Mehr-

........................................ 38 Stunden, hat. der Kalkulator

Rechnungs- Durchsicht, und der

bei

SuperLatus 38 Stunden.

223 Transport 38 Stunden. Revisor ebenfalls Belästigung, welche gering

gerechnet Jedem 1 */2 Minute für den einzelnen Belag mehr kostet, thut ebenfalls

.... 38



76



Dieß macht zusammen

Zusammenstellung.

Die Posener Instruktion fordert gegen die

vorige

bei dem gedachten Gerichte mehr Zeitaufwand: 1) bei Behandlung des Eingangs-Porto

2) bei Behandlung

des Abgangs - Porto

43Std. 20Min. 28



25 „

................................. 207



47 „

1222



18 „

82



3 „

76



— „

3) bei Behandlung der Reisekosten, Diä­

ten,

baaren Auslagen der Beamten,

Gebühren der Sachverständigen Zeugen rc.

.

4) beim Nachliquidiren

und

und

Einfordern

der Kosten und

5) bei der Rechnungslegung rc. In Summa

.

.

.

.

.

1659 Std. 53Min.

Rechnet man 7 Arbeitsstunden auf ein Tagewerk, weil

in den 8 Dienststunden mehr nicht gearbeitet wird, so gibt dies 237 Tagewerke oder, nach Abzug der Sonn- und Fest­

tage, beinah ein Jahr, d. Iy. es wird beinah ein ganzer Ar­ beiter mehr erfordert.

Dabei ist die Erschwerung und Ver­

längerung der zahlreichen ordentlichen und außerordentliche«

Kassenrevistonen noch gar nicht in Anschlag gebracht. Ueberdieß sind die baaren Auslagen um Folgendes ver­ mehrt:

224 1. Für Papier und Druck zu 1641 Zahlungs-Mandaten 105%. 275%. 6H 2. Lohnschreibergebühren, ü I V, -Ä .

. 11 „ 25 „

2 „

Die Partheien müssen dafür 136 5%. 22 LA 6 H bezahlen, so daß mithin um

so viel mehr ganz unnütz auf Kosten ausgeschrieben wird, was ein Grund mehr zur Abschaffung ist.

3. Für Papier zu 766 Belägen

.

.

.

1 „ — „ — „

4. Lohnschreibergebühren für 766 Fest-

setzungs-Decrete, ä

.

5. Für das Ein bind en der 766 Beläge

1 „

2 „ — „

— „

6 „ — „

6. Mehrkosten auf Konto-Bücher un-

ssefähr

.. 5 ,, —- „

Thut zusammen 305%. —

f>

8^

Dieses Alles um Nichts.

III.

Die Posener Instruktion veranlaßt durch

das

die Kosten zu liquidiren und einzufordern,

den

Verfahren,

Partheien unnöthige Gänge und Reisen.

auf dem Lande unnütze

Es ist vorgeschrieben: §. 13. „Die sämmtlichen — Kosten werden am

Schluß

der Sache oder bei Beendigung des Ge­

schäfts, nachliquidirt —"

§. 14. „Sobald nämlich gediehen ist,

eine Sache so weit

fertigt der betreffende Sekretair, aus

den vollständige» Akten, indem er solche Blatt für

Blatt durchgeht, die Kostenrechnung an."

225 §. 15.

„Die Anfertigung der Kostenrechnung

durch den betreffenden Beamten muß erfolgen 1) u. s. w. 2) in Hypotheken- und Testaments - Sachen, bei

Erbeslegitimationen und Handlungen der frei­

willigen Gerichtsbarkeit, sobald die Ausfertigung des beweisenden Dokuments

erfolgt." §. 16. „Die angefertigte Kostenrechnung wird —

mit den Akten (zur Kasse gegeben und) dem —

Sportel-Revisor — zur Prüfung vorgelegt." §. 17. „Nach erfolgter Revision — gelangt die

Rechnung an den Kassen-Kurator, Behufs der rich­

terlichen Festsetzung." §. 20. „— Darauf müssen die Mandate nebst den Kostenrechnungen (in der Kasse) mundirt, und

dem

Kurator zur Unterschrift vorgelegt werden,

welcher alle Verfügungen in Kaffensachen, Namens

des Kollegii, vollzieht." Und in der Beilage G, S. 86: 25. „Nach der Vollziehung des Kurators wer­

den die Reinschriften der Zahlungs-Mandate, nach einem darüber zu führenden Journal an den Boten­

meister abgegeben, die Konzepte aber bleiben, bis zu ihrer Erledigung — in der Kaffe, die Kosten-

Rechnungen

dagegen werden nebst den kassirten

Stempeln in das betreffende>Büreau gegeben." Wo „beweisende Documente" ausgefertigt werden, gehen 15

226 diese zur Kaffe, bis die Koste» bezahlt sind, und den De«

benten wird gesagt, daß sie die Documente gegen Zahlung der Kosten in der Kasse in Empfang zu nehmen haben.

Während so die Kostenrechnung mit dem Zablungsmandat vom Büreau aus ihren besondern Weg geht, werden die „beweisenden Documente" im Büreau ausgefertigt.

Weil

diese aber oft lang sind und, zumal Hypotheken-Jnstrumente,

mit den Hypothekenbüchern verglichen, dann auch von meh,

reren Mitgliedern unterschrieben werden müssen; so sind in den meisten Sachen die Kostenzahlungsmandate schon immer

viel früher iusinuirt, ehe die Dokumente bis zur Ausreichung fertig geworden sind.

Daher kommt es, daß die Partheien,

welche dieselben in der Kasse abzuholen kommen, ihren Weg umsonst machen, wodurch die Landleut sehr beschwert wer­

den.

Es werden eine Menge Beschwerden darüber geführt,

in der Meinung, daß die Beamten die Schuld davon tragen.

Zum Belage theile ich eine dergleichen (es ist eine der aller, neuesten, vom 6. des laufenden Monats) hier mit.

Sie

lautet:

„Durch die Verfügung vom 27. v. M. bin ich an, gewiesen worden, die in der Grundsache Nr. 77 Waltdorf, für die Bestellung

der Hypothek über

80 Dhlr. für den Gastwirth G.— mit 4 Thlr. 19 Sgr. 7 Pf. an die rc. Gerichts-Salarien-Kaffe zu zahlen. Dieser Anweisung habe ich genügt und die Kosten am 4. h. M — bezahlt; aber das Hypotheken-Znstru,

ment hat mir die Kasse nicht aushändigen können, weil es — wie mir gesagt worden — noch nicht

227 fertig ist.

In der Voraussetzung, daß das Instru­

ment vielleicht heute fertig fein würde, habe ich mir

deute abermals den Weg von zwei Meilen gemacht, um es in Empfang zu nehmen und vom Gläubiger die Valuta zu erheben; allein ich muß zu meiner Verwunderung wieder vernehmen, daß das Instru­

ment noch nicht fertig ist. Da ich nicht gesonnen bin, zum dritten Male

einen Weg von 2 Meilen zu machen

und wieder

einen ganzen Tag zu versäumen, so bitte ich — zumal ich das Geld höchst nothwendig bedarf: das Instrument mir

noch heute zustellen zu

lassen. N. N."

Eine andere gleichzeitige Beschwerde dieser Art zeigt zu­ gleich, daß die Verfahrungsart auch zur Ausdehnung auf

andere Fälle Veranlassung gibt,, wo noch andere Nachtheile

daraus entstehen können: ich meine wirkliche Prozesse.

Zn

diesen sollen zwar die Kosten „gleich nach Publikation oder

Insinuation des Urtels" liquidirt werden; allein der Secrc« fair liquidirt sie wol auch, wie in jenen Sachen, gleich bei

Ausfertigung des Urtels, was manche Vortheile im Ge­ schäftsgänge bei der einmal bestehenden Vorschrift für die

Beamten hat.

Geschieht das, so werden der in die Kosten

verurtheilten Parthei die Kosten eher abgefordert als sie das

Erkenntniß erhält, wie folgende Beschwerde zeigt:

„Bis heut noch kein Erkenntniß erhalten, ist mirmittelst Mandats vom 30

v. M

und behändigt 15*

228 erhalten den 1. d. M. schon anfgrgeben worden, in Zahlung von 4 Thlr. 28 Sgr. 6 Pf. Kosten

binnen 14 Tagen bei Vermeidung der Ereeution das Erkenntniß im Kostenpunkte zu erfüllen. Zu dieser Zahlung kann ich wohl nach, nicht

aber vor Empfang des Erkenntnisses aufgefordcrt

werden, und kann die Zahlungsfrist erst von dem

Tage an gerechnet werden, an welchem nach Em­ pfang des Urtels mir das Zahlungs-Mandat behän­

digt werden wird, wenn das Erkenntniß, wenn auch

noch nicht rechtskräftig, doch im Kostenpunkte als

ein Interimistikum betrachtet werden sollte. Ich bitte gehorsamst:

das zu frühzeitig erlassene Zahlungs-Mandat bis

nach rechtskräftiger

Entscheidung in dieser Sache

auszusetzen.

Gehorsamster Franz B—" IV. Die Posener

Kosten durch

Instruktion vermehrt unnöthig die

die große Menge von

Zahlungsmandaten,

welche früher ganz entbehrlich waren. Vorhin, bei Ziffer II,

ist schon angegeben, daß bei dem gedachten Gericht nur für eine Cathegorie derselben allein schon 136 Thlr. 22 Sgr. 6 Pf. Kopialien zum Ansatz kommen.

Rechnet man diejenigen

Sachen, in welchen, wie in Testaments«, Hypotheken-Sachen

und dergleichen, sonst die Kostens» der Zufertigung der Ur--

künden, oder in der Benachrichtigung am Schluffe eingeforderL wurden, während jetzt, wie gesagt, noch besondere Zah­

lungs-Mandate von der Kasse ausgehen, noch dazu; so

229 steigen die Kopiakien für unnöthige besondere ZahlungS-Man« date, bei einem einzigen Gerichte von dem Umfange des oben Gedachten, auf mehrere Hunderte von Thalern jährlich.

Diese verschiedenen und mannigfache» Belästigungen sind

sehr wohlfeil zu beseitigen: man hat bloß nöthig, die Vor­ liebe für die Posener Instruktion und die uniforme Hand­

habung derselben aufzugcben und den Vernunftsatz wieder

anzuwenden:

daß es nur darauf ankomme,

wie mit de»

gegebenen Kräften und mit Rücksicht auf Lokalität und Um­ stände die Verwaltung am leichtesten, schnellsten und für Pub­ likum wie für Beamte am zweckdienlichsten zu handhaben.

Das läßt sich nicht durch Vorschreibung eines allgemei­ nen Reglements,

und durch erercirmeisterliche Vollziehung

der Handgriffe erreichen: dazu

dient keine todte Maschine,

sondern allein die menschliche Vernunft und der Verstand, welche

aller

dergleichen

anzutreffen

Orten

Dinge,

die

im

sind.

Ich

Vergleiche zu

will

sagen,

den höchsteil

und wichtigsten Interessen des Publikums, welche man den

Gerichten

anvertrauet,

wahre Lapalien sind,

müssen den

kollegialisch formirten Gerichten selbst überlassen sein: em jedes große Gericht mag selbst, nach dem Bedürfniß und seinen Umständen, die Einzelheiten seiner inneren Admini­

stration regeln und es ist genug,

völlig genug, wenn der

Erfolg günstig ist. Bei kleinen Gerichten init Einem Rich­ ter und Actuarius paßt gar nichts von

dieser Posener

Instruktion, man muß sich abmarrern, um nur etwas Ana­

loges zu erfinden und darzustellen.

23V

VI. Das InsinuationS - Wesen. Die Insinuation der Vorladungen im Civil-Prozeß ist wegen der damit verbundenen Wirkungen ein sehr wichtiger

Act, oft so wichtig, daß davon das ganze Vermögen Einet

der Partheien abhängt.

Darum wird auch dieser Act in

allen bekannten Prozeß-Ordnungen mit besonderer Aufmerk­ samkeit

behandelt und von

Beamten ausgeführt.

besonders dazu

verpflichteten

Nur bei uns wird darauf weit weni­

ger Werth gelegt als auf die Eintragung einer Nummer in das Journal.

Wer den Zusammenhang und das Getriebe

nicht kennt, begreift das nicht.

Die Prozeßordnung würdigt diesen Akt nach seiner Wich­ tigkeit; sie verordnet, daß die Citationen und andere Vor­

ladungen , durch einen dazu bestellten und vereideten Gerichts­ bedienten insinuirt werden müssen, und schreibt mit vieler

Sorgfalt vor, wie bei der Ausführung zu verfahren und

wie die Insinuation mit rechtlicher Wirkung selbst dann zu bewerkstelligen, wenn der Adressat die Annahme ver­

weigert*).

Dieß ist von besonderer Wichtigkeit, weil sonst

*) A. 0..JÖ. LH. i, rit. 7, z. 19 flg.

231 ein Beklagter die ihm nachtkeiligen Wirkungen der Jnsinua»

tion einer Klage oder soiistigen Verordnung willkührlich zu vereiteln in seiner Gewalt hätte. der Prozeßordnung

hierüber nur

Werden die Bestimmungen einigermaßen vernünftig

angeweudet und ausgeführt, so ist so leicht kein Nachtbeil für die Parthei zu besorgen.

Allein hier stoßen wir auf ein

neues Uebel, welches durch das Prinzip der Vormundschafts«

fühnmg und

Geschäftsbesorgung des

Gerichte für die Staatsangehörigen,

sirung der Prozeßschriften-Anfertigung

Staats durch seine durch die Monopoliund dergleichen er­

wachsen ist: die ungeheure Menge der abzutragenden Briefe,

Schreiben und Schriften konnten durch die angestellten Ge­ richtsdiener, welchen auch die Insinuationen übertragen waren, nicht bestellt werden, und das Personal mochte man zur Erspa­

rung der Kosten nicht vermehren. Die Gerichtsdiener, die ohne­

hin zu den Insinuationen schlecht qualificirt sind, mußten den größten Theil ihrer Zeit als Laufburschen zu bloßen Be­ stellungen und Ablieferungen, welche auf die für das Pub­

likum besorgten Geschäfte und verfertigten Schriften Bezug

hatten, verwenden, für den eigentlichen Gerichtsdienst blieb ihnen viel zu wenig Zeit übrig.

leichterung geschafft werden.

Es mußte Hilfe und Er­

Wäre dabei der Gesichtspunkt

genommen worden, daß man die Geschäftsbestellungen An­ deren übertragen und nur die Insinuationen der richterlichen

Dekrete und Urtheile den Gerichtsdienern vorbehalten hätte;

so würde unleugbar eine Verbesserung eingetreten sein. Allein man machte hierin gar keinen Unterschied, man nahm Alles

en bloc.

Dabei muß jedoch anerkannt werden, daß bei

232 der innige» Verschmelzung der bloßen GeschäftSbesorgungSAugelegenheiten mit den eigentlichen richterlichen Verfügun­ gen eine Sonderung zu neuen Verwickelungen und Fehlgriffen

geführt haben würde; denn wenige Beamte, ja bei weitem

nicht alle Richter, sind im Stande, eine genau richtige Son­ derung zu bewirken.

Das erste Auskunftsmittel war vor ungefähr 12 Jahren

die Zuhilfenahme der die

Dorfschulzen.

Insinuationen durch

In Westpreußen, wo

die Gerichtsboten

Wochen lang

dauerten oder ganz unterbleibe», so daß immer wieder neue

Termine angesetzl und neue Vorladungen geschrieben werden mußten, wurde den Dorfschulzen aufgebürdet, an bestimmten Tagen wöchentlich zu kommen, das für sie bestimmte Packet

mit Briefen abzuholen und für die Bestellung zu sorgen*). Allgemein wurden die Postboten für die Insinuationen au

Auswärtige zu Hilfe genommen**); und zuletzt sind die In­ sinuationen durch die Postboten auf alle Fälle, wo ein Be­ händigungsschein beigebracht werden muß, und wo die Ver­ fügungen nicht an Personen, die am Absenduugsorte oder an *) Nach §. 25, Tit. 7, ThI. I der A. G.-O.

**) Anh. zur A. G.-O. §. 56, (zu §. 26, Tit. 7); Instruktion vom 24. Zull 1833, §. 42 (Zahrb. Bd. 41, S. 437); Verordnung vom 5. Mai, 1838 §. 3, Buchst, d (G.-Samml. S. 274); Rescripte vom 14. Januar 1830 (Jarhb. Bd. 35, S. 128), vom 24. Januar 1836 (Bd. 48, S. 480), vom 11. März und 26. Juni 1837 (Bd. 49, S. 173, und Bd. 50, S. 153), vom 6. März 1838 (Bd. 51, S. 147), vom 12. März, 20. September und 3. Dezember 1839 (Justiz - Ministerialblatt S. 116, 326 und 417), vom 24. November 1840 (jJustiz - Ministerialblatt, S. 385), vom 29. Mai und 23. Oktober 1811 (Justiz - Ministerialblatt S. 194 und 329).

233 solchen Orten wohnen, wohin weder Postverbindungrn beste­

hen, noch Landbriefträger gehen, gerichtet sind, mit eingehvlter Königlicher Genehmigung ausgedehnt*).

Seitdem ist die

Unsicherheit und die Schädlichkeit des Jnsinuationswesens

noch vergrößert, und Das liegt 1) in der den Postboten gegebenen Instruktion, welche im §. 6, Buchst, c vorschreibt:

„ Verweigert derjenige, an den die Verfügung gerichtet ist,

die

Annahme oder

die

Bescheinigung

des

Emgfanges, so ist dieses von dem Boten auf dem

Behändigungsschein zu vermerken. Wird die Annahme

verweigert, so ist die Verfügung, gleich unbe­ stellbaren Adressen, sammt dem mit dem erwähnten

Attest

versehenen

Behändigungsschein, zurückzu­

senden**):

Dieses Verfahren ist den Vorschriften der Prozeß-Ord­ nung***) zuwider und hat zur Folge, daß ein Beklagter, dem es darauf ankommt, noch über das Streitobjekt zu verfü­ gen, bevor es litigiös wird, oder sonst eine mit der Insinua­ tion verbundene ihm nachtheilige Wirkung hinauszuschieben,

hat.

Dieses zu thun in seiner

Gewalt

sind schon vorgekommen.

Ferner liegt es:

Dergleichen Fälle

2) in der fahrlässigen und mangelhaften Ausrichtung der Insinuationen durch die Postbriefträger, und

*) Rescript vom 23. Mai 1842 und Kabinets-Ordre vom 31. Mai 1842 (Justiz-Ministerialblatt S. 199).

**) Justiz-Ministerialblatt, 1842, S. 201.

***) A. G.-O. Thl. I, Tit. 7, §. ri.

234 3) in der Vorschrift des neuen Bureau-Reglements, daß alle Jnsinuationsberichte und Behändigungsscheine, sofern

sie

nicht

wegen

Mangelhaftigkeit

der Insinuation eind

Verfügung nothwendig machen, von der Eintragung in das

Journal und von der Vorlegung zur Prüfung und zum vor­ trage ausgeschlossen

sind *). Die Prüfung:

ob

die In­

sinuation richtig sei oder nicht, ist dem Büreau - Beamten

aufgetvagen, in folgender Anweisung: „ Da

die Jnsinuations - Berichte

scheine zur Vereinfachung der Eintragung

geschlossen

des

und Behändigungs­

Geschäftsbetriebes

in das Journal in

bleiben ,

so

liegt

den

von

der Regel aus­ Büreau - Vorste­

hern ob: 1) sofort nach ihrem Empfang genau zu prüfen, ob die Insinuationen vorschriftsmäßig erfolgt und ob die

Behändigungsscheine vollständig sind, oder ob und

was dagegen zu erinnern ist, und ob deßhalb oder

in anderer Beziehung eine weitere richterliche Ver­ fügung und deßhalb di« Eintragung in das Journal nothwendig wird.

Vorzüglich haben dieselben auf die Bescheini­ gungen über die Insinuationen der Urtels-Ausfer­

tigungen und Abschriften der Urtelsformeln, inglei­

chen auf diejenigen, welche in Subhastations-Sache« die Bekanntmachung des Bietungstermins und die Benachrichtigung

der

Subhastations - Interessenten

betreffen, ihr besonderes Augenmerk zu richten — *) Be ilage B, Dem nkuug 5 Buchst, a.

235 2) Die Znsinnationsberichte und Bebändigungsscheine sind von den Bureau-Vorstehern, sofern sich nicht-

1» erinnern findet, — zu den Akten, sonst aber zum

Vortrag zu schreiben." Diese Anordnung hat zur Folge, daß die Prüfung unter»

bleibt oder keinen Erfolg hat, so daß die mangelhaften In­ sinuationen »«verbessert bleiben, bis sich zuletzt die Wirkungs­

losigkeit zeigt.

Daraus entsteht für die Partheien Schaden

und Nachtheil, für die Sachen Verschleppung und für die Gerichte eine Menge unnützer Arbeit. Es liegt mir ob, dieß darzulegen und ich thue solches mittelst folgender Beispiele:

1. Jemand wurde als sogenannter Natural-Besitzer eines Grundstücks vor dem Richter der Sache mit einer Real­ klage zu einer Zeit, wo er gerade mit dem Verkaufe um­

ging, belangt, und die Citation wurde ihm nach seinem ent­

fernten Wohnort zugeschickt.

Der Postbote bringt des Mor­

gens den Brief mit dem Behändigungsschein, und, weil er wegen seiner übrigen vielen Briefbestellungen nicht warten

mag, gibt er denselben dem Dienstboten mit der Bemerkung, daß er wiederkommen und die Bescheinigung abholen werde.

Der Borgeladene, ein Rechtsverstänbiger, mochte nicht gern

kurz vor dem Ende seines Besitzes noch in vielleicht nach­ theilige Rechtshändel kommen; er unterschreibt den Behän­ digungsschein nicht, sondern geht, sobald er den Inhalt des

Briefes erkannt hat, weg, verschließt sein Zimmer, thut als

wenn er den Brief vergessen hätte, und bringt eilig sein Verkaufs- und Uebergabe-Geschäft in Ordimng.

Den Be­

händigungsschein datirt er darauf erst vom folgenden Tuge,

236 und der Briefträger nimmt denselben auch erst am folgen­ den Tage in Empfang, so daß die Postbehörde ihre Be­

scheinigung erst von diesem Tage datirt.

In dem Klage­

beantwortungs-Termin leugnete nun der Mandatarius des

Beklagten, daß der Beklagte das betroffene Grundstück besitze

oder zur Zeit der Insinuation der Klage noch besessen habe, und der Kläger war genöthigt, seine Klage zurückzunehmen

und dafür an Prozeßkosten zu bezahlen: a) Gerichtskosteu b) Gebühren seines Mandatars .

.

.

c) außergerichtliche Kosten des Beklagten Die

5,A

14Atz.

14 „ 10 „ — ,,

13 „

2 „

6 „

postamtliche Insinuation kostete

diesem Mann also..........................................41 Atz 19 Ar UH, und seine Sache mußte er wieder von

vorne

anfangen.

Dieser Schade würde unmöglich gewesen sein, wenn die In­ sinuation

durch

einen

ordentlichen und

geschäftskundigen

Gerichtsbeamten vorschriftsmäßig geschehen wäre.

Ein anderer Fall dieser Art: Jemand wird wogen meh­ rerer Tausend Thaler, nebst Zinsen vom Tage der Insinua­ tion der Klage verklagt; er hat davon durch die Drohung

des Klägers selbst Nachricht erhalten, und ist in Erwar­ tung der Citation.

Diese bringt der Postbote endlich an;

der Adressat verweigert aber die Annahme, und nun macht

der Brief den Rückweg.

Darüber wird die Frist, welche

dem Beklagten bis zum Termin freibleiben muß,

zu kurz

und es muß eine neue Citation ausgefertigt und diese durch

eine» Gerichtsdiener iusinuirt werden.

Das Alles kostete

237 uber einen Monat Zeit und der Kläger verlor darüber an

den Verzugszinsen mehr als 30 Thlr. 2. In dem Fürstenthum N. gibt es zwei Brüder v. H.,

welche beide Rittergutsbesitzer sind.

Der Eine hat die be­

nachbarten Rittergüter Fraueneck und Schwammwitz, und

wohnt auf dem Erster»; der Andere besitzt das nahe dabei gelegene Schloß O. in dem gleichnamigen Städtchen, und

das Gut N. — Der Kaufmann I. zu B. klagte wegen einer Bagatellforderung gegen den Rittergutsbesitzer von H. auf

Schwammwitz, Adresse ab.

und die Vorladung geht unter dieser

Der Postort ist das Städtchen O.

Der Be­

händigungsschein wird von dem Postamte zurückgesandt und, wie vorgeschrieben, von dem Büreaubeamten in die Akten geheftet.

In dem Termine bleibt der Beklagte aus, daher

er für in contumaciam verurtheilt gilt.

Der Kläger, der

noch immer keine Befriedigung erhält und die Prozeßkosten vorgeschossen hat, bringt nach einigen Wochen die Erecution

in Antrag, die auch verfügt wird.

Als der Zahlungsbefehl

bei dem Beklagten eingeht, fällt er aus den Wolken; er

prorestirt gegen die Erecution und versichert, von der gan­

zen Sache nicht das Mindeste zu wissen.

Es wird ihm ge­

sagt, daß ihm die Klage an dem und dem Tage insinuirt worden sei; er kann sich aber auf nichts besinnen, und fragt an: zu wessen Händen denn die Insinuation bewirkt worden

sei.

Er erhält den Bescheid,

daß nach dem Botenbericht

„die Insinuation in Abwesenheit des Adressaten an dessen Frau Gemahlin geschehen."

Darauf bittet er, doch ein Ein­

sehen zu haben, er hätte ja gar keine Gemahlin ; und nun

238 findet sich, dass der Postbote den an den Rittergutsbesitzer

v. H. ans Schw ammwi'tz adressirten Brief der Frau des gleichnamigen Gutsbesitzers v. H. auf dem Schloff« O. in-

sinuirt hatte.

Folglich hatte der Kläger die Prozeßkosten

weggeworfen und mußte von Neuem klagen.

3.

In einer weitläuftigen Prozeß-Sache sollte das er­

gangene Erkenntniß den Erben einer inzwischen verstorbenen

Parthei insinuirt werden.

Dieß wurde zufolge eines, von

dem Appcllationsgcricht erlassenen Resoluts, den 23. Juni

1841 verfügt.

Nach drittchalb Monaten waren die Behän­

digungsscheine noch nicht alle von den Postämtern einge­ gangen.

Auf mehrmalige Erinnerung antwortete das colli-

girende Postamt, den 6. October 1841: das fehlende Insi­

nuations-Dokument sei nicht nachzuweisen; der Adressat solle von W. nach B. verzogen sein, wohin die Erinnerung zur

weitern Ermittelung abgegeben worden.

Endlich, den 29.

October 1841, meldete das Postamt: der Verbleib des Be­

händigungsscheins sei nicht zu ermitteln, es werde aber eine Empfangsbescheinigung der

Adressatin

übersendet.

Diese

hatte kein Datum, und es mußte deshalb die sechswochent-

liche Appellationsfrist von Neuem abgewartet werden. Dar­ auf wurden die Akten wieder zum Spruch cingesandk, es

erging jedoch abermals folgendes Resolut vom 20. Apr. 1842: Nach dem Resolut vom 2. Juni 1841 sollte das Erkennt­ niß vom 25. Juni 1838 für die Johann Gottlieb R.schen Erben ausgefertigt, einem von ihnen insinuirt, jedem der übrigen

aber, unter abschriftlicher Mittheilung des Tenors, Nachricht

239 davon gegeben und dieselbe« zugleich zur Beantwortung der Appellations - Rechtfertigung aufgefvrdert werden.

Nach Lage der Akten gehören zu den Erben des am 7.

April 1831 in Glockschütz verstorbenen Oekonomen Johan« Gottlieb R.:

A. dessen Ehefrau Anna Rosina geb. R. verwittwete R. B. seine Kinder und zwar: 1) Johanna Caroline R-, 2) Eleonore verehel. Kammerdiener K. geb. R.,

3) Ernestine verehel. Schullehrer W. geb. R-, 4) nnverehel. Amalie R.,

5) unverehel. Pauline R>, 6) Henriette verehel. Schuldirector H. geb. R. Die Verfügungen sind erlassen, die Behändigungen aber

nicht rite erfolgt. Rach §. 20, Tit. 7, Th. I der A. G.-O. muß, wenn der

Vorzuladcnde in seiner Wohnung nicht angetroffen wird,

die Citation seinen Angehörige» oder seinem Gesinde 'zuge­ stellt, und wie dieses geschehen, mit Benennung der Person

und ihres Verhältnisses gegen den Vorgeladenen in der von dem insinuirenden Boten azrf seinen Amtseid zu machende«

Anzeige genau vermerkt werden. In dem hier vorliegenden Falle ist

1) die an die Rosina verwittwete Oekonom R. geb. R. qdressirt« Vorladung vom „Helmholz" unterschrieben und von dein Boten vermerkt worden', daß er die Behändigung,

da er die Adressatin nicht persönlich angetroffen, durch den Lehrer Helmholz bewirkt habe.

240 Es fehlt also die Angabe, in

welchem Verhältniß der

Letztere zu der Wittwe R. steht.

2) Die an die Caroline R. gerichtete Verfügung ist von einer Pauline R. unterzeichnet, und doch bemerkt der Bote,

daß er die Adressatin, also die Caroline, persönlich an­ getroffen. Hier muß eine Ausklärung gegeben werden.

3) Die

an

die verehelichte W. und ihren Ehemann,

Schullehrer W., adressirte Verfügung ist unterschrieben:

„Im Auftrage W."

Der Boten-Bericht lautet, daß er den Adressaten per­ sönlich angetroffen. Es ist nicht ersichtlich, ob der unterzeichnete W. der Ehemann der verehelichten W. ist.

4) Die der unverehelichten Amalie R. zu behändigende Verfügung ist unterschrieben:

„W. ehelicher Kurator."

Der Bote bemerkt, daß er, da er die Adressatin nicht angetroffen, die Insinuation an ihren Kurator bewirkt.

Es muß hier ein Irrthum vorgefallen sein.

5) Endlich ist über die, der Eleonore verehel. Kammer­ diener K. zu insinuiren gewesene Verfügung, kein Boten-Be­ richt vorhanden.

Die in Folge einer Aufforderung des Post­

amts in H., vom 24.-Oktober 1841, geschriebenen Worte:

-^Erhalten Eleonora K.",

ohne Bestimmung von Ort und

Zeit, sind durch nichts beglaubigt.

241 Hiernach können die Verfügungen an die hier gedachten 5 Personen für rite insinuirt nicht erachtet werden.

Es müssen daher,

ehe definitiv erkannt werden kann,

Insinuations-Dokumente, welche den gesetzlichen Bestimmun­ gen §. 20 seq. Tit. 7, Thl. I, der A. G.-O. entsprechen,

zu den Akten beschafft werden." Nun eröffnete sich eine besondere Instanz znr Ermitte­

lung und Ergänzung der Insinuationen. Nicht allein meh­ rere Postämter, sondern auch andere Gerichte mußten requirirt

werden,

um

gewisse

theile ich zwei mit, um

Verfahren bei

Vernehmungen zu bewirken. Davon

das fahrlässige und unregelmäßige

den postamtlichen Insinuationen

ersichtlich

zu machen:

Nr. 1.

„Verhandelt, Breslau den 17. Juli 1842. In Sachen der Amtsrath Franz W—schen Erben, wi­

der die Amtsrath Franz W—schen Concurs - Gläubiger stand

auf heute in Verfolg der Requisition des Königl. it. Gerichts

zu N., vom 7. Juni d. I., Termin an. In demselben erschien

die verehlicht gewesene, jetzt verwittwete Kammer­

diener Eleonore K. geborne R.. Derselben wurde die auf der Rückseite der Original - Bei­ lage der gedachten Requisition befindliche Unterschrift unter

dem Empfangsbekenntniß vorgelegt und erklärte sie hierauf, nachdem sie noch eine Verfügung des re. Gerichts zu N., vom

23. Juni 1841, wodurch ihr in Appellations-Sachen der Amts­

rath Franz

W—schen

Erben

gegen die Amtsrath Franz

W—schen Concurs - Gläubiger, eine Abschrift des Tenor-

242 des Erkenntnisses erster Instanz, vom 25. Juni 1839, und eine Abschrift der Appellations-Rechtfertigung, vom 3. Okto, der 1839, mit der Auflage, die Gegendeduction binnen 6

Wochen einzureichen, sowie einige andere Anzeigen zu machen, mitgetheilt worden, vorgezeigt hatte:

Ich erkenne die mir vorgelegte Namensunterschrift „Elenore K." für die meinige und von mir geschrieben an.

Ich

habe dieselbe zum Zeichen des Empfanges der hier von mir vor, gezeigten Verfügung des Kgl. k. Gerichts zu N., vom 23. Juni

1841, auf die Rückseite der Original-Beilage der jetzt an das hiesige Gericht ergangenen Requisition gesetzt, doch muß

ich bemerken, daß als ich dieses Empfangs - Bekenntniß nie,

derschrieb, ich di« gedachte Verfügung vom 23. Juni v. I. noch nicht erhalten hatte.

Zur Erklärung, wie ich dessen,

ungeachtet den Empfang bekennen konnte, führe ich Folgen,

des an: Als der Postbote mir die auf der Rückseite der gedachten Requisition befindliche Anfrage: ob ich die vorgedachte Ver­

fügung erhalten habe, vorlegte, antwortete ich ihm, daß dies noch nicht der Fall wäre, und fragte ihn, da ich nicht wußte,

wie ich mich zu benehmen hatte: was ich auf das mir vor-

gelegte Schriftstück schreiben sollte.

Er antwortete mir dar­

auf: Wenn Sie die Verfügung noch nicht haben, so wird

sie wol beim Amte in H. liegen; schreiben Sie nur: „ er,

halten"; und diesen Rath befolgte ich auch, wobei ich noch bemerk«, daß der Postbote E. heißt und in W. wohnt.

In

Folge der mir vom Postboten E. gemachten Anzeige ging

ich einige Tage darauf zu drei Malen nack) $>., um die ge-

243 Es gelang mir erst ungefähr

dachte Verfügung zu holen.

drei Wochen nach dem erzählten Vorfall mit dem Postboten,

den Herrn NN. in H. zu treffen, welcher mir die gedachte

Verfügung vom 23. Juni v. I. selbst übergab.

Ich fragte

hierbei denselben noch um Rath, was ich damit thun scllte, und er erwiederte mir:

„Da Sie jetzt von W. weggehen,

so thun Sie nur was Ihr Schwager thut." Die Zeit,

um

welche ich

die vielerwähnte Verfügung

vom 23. Juni v. I. erhalten habe, kann ich jetzt nicht genau

angeben,

und bemerke nur, daß es ungefähr 11 Wochen

nach Dem geschah, als mein, den 25. Juni d. I. verstor­ bener Ehemann, der Kammerdiener K., von W. weggereis't

war, um sich einen neuen Dienst zu suchen; die Abreise war aber am 8ten August v. I. erfolgt.

Etwas Näheres kann

ich nicht anführen. V.

g.

u.

Eleonore verwittwete K. geborne R. 8«

Ue

Se

NR., Deputirter."

Nr. 2.

„ Verhandelt, B ..., den 22. August 1842. Zufolge Requisition des König!, rc. Gerichts zu N., vom

16. August 1842, wurde der Briefträger N. unter Verlegung

des betreffenden DocumentS über die nähern Umstände bei der Insinuation eincS Schreibens vom 2. Juli 1841 befragt. Derselbe gibt an:

Das Schreiben mit Jnsinuations-Document an Ca-

roline R. habe ich, da Adressatin verreis't war, am 16*

244 L. Juli 1841 an deren Schwester Pauline R-, in

Diensten beim Herrn Regierungsrath v. 9L, überge­ ben, welche auch unterschrieben und die Weiterbe­

förderung an die Schwester versprochen hat.

Die

Caroline R. dient beim Herrn Rendanten C., welche auf Requisition des König!, rc. Gerichts zu N. das

in Rede stehende Dokument noch nachträglich am

21. Mai 1842 unterkreuzt hat.

Mehr wußte der Briefträger N. nicht anzuführen, weshalb die Verhandlung nach nachmaliger genauer Durchsicht ge­

schlossen wurde. Vorgelesen, genehmigt und unterschrieben. N. N.

Briefträger. So geschehen, wie oben. S.

Postsecretair." Diese Nachforschungeu dauerten fünf Monate und ver­ stärkten die Akten um 40 Blätter. Darauf mußten die Akten von Neuem zum Spruch vorgelegt werden und ihren Weg zum zweiten Male durch die Hände zweier Referenten zurücklcgen, so daß das Appellationsurtel beinah ein ganzes

Jahr (genau 11

Monate 5 Tage) später einging als ge­

schehen sein würde, wenn die Insinuationen durch gehörig qualificirte Gerichtsbeamten bewirkt worden wären.

Außerdem

haben zwei Referenten die ohne die Adhibenda über 300

Blätter starken Akten ein Mal umsonst durchlesen, und jeder

eine schriftliche Relation in einer verwickelten Punktensache

245 umsonst machen müssen, was für Jeden «ine Arbeit von we­

nigstens fünf Tagen, a 3 Thlr. zusammen von 30 Tblr., gekostet hat, die Versäumniß deS Kollegiums bei dem Por­

trage ungerechnet; und

die Kosten der stattgehabten Er­

mittelungen für Reisen und Schreiberei sind auf 20 Thlr.

zu veranschlagen. Dieß sind nur Einige von den mir in der neueste» Zeit

bekannt gewordenen Fällen aus einem verhältnißmäßig sehr klei­ nen Kreise.

Erwägt man, daß anderwärts die Sache eben

so geht, so kann man sich vorstellen, wie groß im Ganze» der Schade und Nachtheil sein muß, der durch die mangel­ haften Insinuationen

in

Prozcßsachen

hcrbeigeführt wird.

Darum ist es dringend nothwendig, diese Insinuationen durch

gehörig qnalificirte Gerichtsbeamte verrichten zu lassen, welche unter unmittelbarer Aufsicht und Leitung der Gerichte stehen

müssen, so lange die Richter die Prozeßleitung haben.

Wie

es jetzt ist, wo die insinuirenden Boten nicht einmal in der Disciplinar-Gewalt des Richters stehen, wird es nicht blei­ ben dürfen, wenn die Rechtssicherheit und das Wohl der

Rechtsuchenden für beachtungswerth gehalten werden.

Schwierig ist es aber, angemessen zu helfen.

Durch die

jetzt angestellten Gerichtsdiener, die ohnehin auch nicht Alle

zu Insinuationen gehörig qualificirt sind, kann die Bestellung

sämmtlicher Briefe in den Gerichtsbezirken nicht bewerkstel­ liget werden.

So lange die jetzige Gerichtsverfassung besteht,

möchte es das Beste sein, alle Citationen und präjudicirliche»

Mandate in den Prozessen, sowie die Urtel, von den post­

amtlichen Insinuationen anszunehmcn, und in diesen Sachen

246 die Jnsinuationsberichte auch nicht den Subalternbeamten zur Prüfung zu überlassen, sondern ordentlich zum Vortrag

zu bringen. Eine gründliche Besserung ist indeß bei dem jetzt

bestehenden Verfahren, ohne unverhältnißmäßig große Kosten,

überhaupt nicht möglich; denn der Uebelstand hat eben in

dem jetzigen Gerichtswesen, welches die Quelle so vieler Miß­ stände in der Rechtspflege ist, seine Entstehung und Dauer.

Mit der Einführung des mündlichen Verfahrens und Aufgebung der Prozeßleitung durch den Richter, fallen auch die

aus dem jetzigen Znsinuationswesen hervorgehenden Nachtheile der Parthkien von selbst weg.

247

VII. Das Akten - Aufbewahre» rmd Vernichte». Eine Folge des jetzt bestehenden Gerichtswesens ist, daß die Gerichtslokalien zugleich Magazine für Aufbewahrung

der Akten sind.

Schon vor beinah 50 Jahren wußte man

sich damit keinen Rath mehr, es fehlte an Raum in den

Gerichtsgebäuden.

Durch die Königl. Kabinetsordres vom

22. und 31. August 1799 wurde die Wegräumnng und Ver­ nichtung

der unbrauchbaren

Akten

anbefohlen,

und eine

Ministerial - Verordnung vom 21. Februar 1800*) gab dazu nähere Anweisung. Die dadurch geschaffte Hilfe war jedoch

nicht nachhaltig; die jährlich wieder fertig gewordenen Akten übertrafen an Menge die zur Vernichtung bestimmten Schrif­

ten.

Achtzehn Jahre später „machte das Anhäufen der Akten

bei den

Gerichten

die

Erweiterung

der Gerichtslokalien

nöthig,"und man erweiterte die Grundsätze, nach welchen die Akten vernichtet und

weggeschafft werden

solle» **).

Heutzutage ist es bei solchen Gerichten, welche seitdem keine Veränderung erlitten und auch kein erweitertes Lokale er-

*) Diese Verordnungen sind nicht gedruckt. *a) Reser, vom 30. Dezember 1818 (Jahrb. Bt. Xli, S. 282).

248 halfen haben, wie damals: man möchte eine abermalige Erweiterung des Akten-Vernichtungswesens anordnen, um

Raum zu gewinnen.

Nach 100 Jahren würde man, wenn

die jetzige Einrichtung so lange aushalten könnte, besondere

Magazine bauen müssen, denn der Polyp wächst immerfort. Das Eigenthum der für unbrauchbar gehaltenen Akten

eignet sich der Staat an; die vernichteten Akten werden theils als Makulatur, theils zum Einstampfen nach dem

Gewicht verkauft,

und der Erlös wird zur Unterstützung

hilfsbedürftiger Justiz-Offizianten-Wittwen verwendet. Ge­ gen diese Verwendung wird sich wol schwerlich irgend Etwas

sagen lassen;

allein die wenigen Groschen, welche für das

eine oder andere Aktenstück nach Maßgabe seines Gewichts

eingehen, kommen zuweilen einzelnen Partheien, die durch

Zufall gerade getroffen werden, sehr theuer zu stehen.

Mir

sind schon viele Fälle vorgekommen, wo man Akten, die lange vernichtet waren, zum Beweise verlangt hat, nicht allein in späteren Prozessen, sondern auch in Fällen,

wo

man zum Nachweise des Status, namentlich gewisser Ber-

wandschaftsverhältniffe, der ehelichen Geburt oder sonstiger Legitimationen, Urkunden forderte, die in vernichteten Akten

gewesen waren und sich nicht"wieder ersetzen ließen.

Man

darf z. B. nur an Anerkennungen unehelich geborner Kinder

denken,

deren Eltern sich später geheirathet haben, und

deren Legitimation in den Vormundschaftsakten geführt wor-

den ist, die nach 30 Jahren vernichtet werden.

Die Erbes­

legitimation, wie sie nach unserem Landrecht verlangt wird

und geführt werden muß, erfordert verschiedene Urkunden,

249 welche bei den sogenannten Nachlaßakten und beziehungs­ weise Bormundschaftsakten verbleiben, und zu seiner Zeit mit diesen Akten vernichtet werden.

mundschaftsakten sind von

Nur diejenigen Bor,

der Vernichtung ausgenommen,

welche über die Vormundschaft der Besitzer solcher Güter,

oberlandesgerichtliche Hypothekenbücher eingetragen

die in

sind, geführt worden.

eben kommt es vor, daß zwei

So

Pfandbriefe, ä 200 Thlr., von dem Inhaber präsentirt wer,

den, welche im Jahre 1813, für das Gerichts --Depositorium

ausser Cours gesetzt, mit einem, von Niemand unterschrie­

benen, bloß mit dem Gerichtssiegel gestempelten, Wiederin-

courssetzungs-Vermerk wieder ausgegeben worden sein sollen. Der Inhaber verlangt die ordnungsmäßige Jncourssetzung.

Aber bei dem Gerichte findet sich keine Spur mehr von den Deposita!-Rechnungs- und Revisions-Akten, oder von den

Akten betreffend den Verkehr mit der Landschaft, vernichtet und es ist nun durchaus

nicht zu ermitteln: ob

diese Pfandbriefe überhaupt dem Depositorio

wesen, noch an

wen sie

Alles ist

ausgegeben

zuständig ge,

worden

sind.

Der

jetzige Inhaber will sie im Verkehr an sich gebracht haben;

eine Ermittelung des rechtmäßigen Empfängers ist schlech­ terdings

unmöglich,

eine Menge Kosten.

und

es

entstehen

in

Folge

dessen

Dergleichen bedeutende Nachtheile für

Einzelne erwachsen aus dem Vernichtungswesen schon nach den dafür gegebenen Regeln.

Run kommen aber die zahl­

reichen Versehen nnd Mißgriffe bei der Ausführung noch dazu.

Denn das Vernichlungsgcschäft,

welches nach der

jetzt bestehenden Anordnung alle zwei Jahre sich erneuert,

250 erfordert viel Zeit und Arbeitskraft und soll nichts kosten. Deshalb muß es von den Beamten nebenher, oder von Ap­

plikanten*) ausgeführt werden.

Zwar wird einem Richter

die Leitung übertragen, und dieser muß unter dem Verzeich­

nisse der zu vernichtenden Akten pflichtmäßig versichern, daß

er sich vollständig überzeugt habe, daß sich unter den abge­

sonderten Akten keine solche befinden, deren Verkauf oder Vernichtung nach den festgestellren Grundsätzen unstatthaft sein würde**).

Zeder kann indeß von selbst ermessen, in

wiefern eS bei großen Gerichten menschlich möglich ist, daß ein Richter, neben seinen gewöhnlichen Obliegen­

ten, in Zeit von einigen Monaten mehrere Tausend Akten­

stücke genau durchsehe.

Mit dem Befehl ist es nicht gethan;

nemo ultra posse obligatur.

Mir ist es sehr zweifelhaft, ob nach dem geltenden Recht einem Staatsangehörigen zugemuthet werden kann, sich die

Nachtheile gefallen zu lassen, welche ihn in Folge der Akten­ vernichtung treffen. Zu diesem Zweifel habe ich zwei Gründe:

erstens sind nicht alle Akten und Schriftstücke das Eigen*) Diese erhalten gewöhnlich 10 Prozent des Erlöses als Remune­ ration, welches einem Tagclohne von etwa 2 — 3 Sgr. gleich kommt. Das Zerschneiden wird von gemeinen Handarbeitern gegen gewöhnliches Tageloh» besorgt. Unter diesen Tagelöhnern hatte sich einmal auch ein Frauenzimmer befunden, und daraus nahm das vorgesetzte Oberlandesgerichl Veranlassung, dem be­ troffenen Untergerichte pathetisch zu rescribircn und zu belehren: „daß es nicht angemessen erscheint, künftig das Zerschneiden der zu kassirendenAkten einerFrauensperso n zu ü bertragen. " Vermuthlich, weil Frauensperso­ nen keine Gerichtsgeschäfte verrichten können!

**) Rescr. vom SS. Septbr. 1830 (Jahrb. Bd. 36, S. 157).

251 thum des Staats oder des Gerichtsherrn, und zweiten-

hat er in Folge der von ihm selbst so beliebten Gerichts« einrichtung die Verbindlichkeit übernommen, die Akten, welche

die Interessenten gezwungen den Gerichten überlassen müssen, auch wirklich so aufzubewahren, daß sie zu allen Zeiten wie­ der erlangt werden können.

Von dieser Verbindlichkeit, die

freilich eine große Last ist, kann er sich durch Vernichtung des Gegenstandes nicht einseitig befreien; will er sich der­

selben für die Zukunft entledigen, was eine gebieterische Nothwendigkeit werden wird, so muß er die Einrichtung än­ dern, durch welche er Selbst sich die Last aufgebürdet hat. Das eben ist es, worauf wir überall wieder zurückkommen.

Die einmal übernommenen Akten muß er, glaube ich, im­

merfort aufbewahren, so weit dieselben nicht sein unzweifel­ haftes alleiniges Eigenthum sind; alle übrigen kann er nur mit Zustimmung der Interessenten los werden.

Wird die Rechts- und Gerichtsverfassung nach dem Vor­ schläge geändert, so fällt diese sehr schwere und kostspielige Last für die Zukunft von selbst weg und die Gerichte be­

dürfen so wenig einer Erweiterung ihrer Lokalien, daß sie an den jetzt vorhandenen Räumlichkeiten Ueberfluß haben

werden.

252

VIII. Der summarische Prozeß. Das summarische Prozeßverfahren nach den Bestimmun­

gen der Verordnung vom 1. Juni 1833 habe ich als unzu­ reichend und in mancher Hinsicht noch schlimmer als den

ordinairen Prozeß nach der Allgemeinen Gerichtsordnung bezeichnet.

Dieß ist zu meinem Bedauern Anlaß gewesen,

wieder, um nichts auf die Sache kommen zu lassen,

die

Person der Richter, denen nach meiner Ueberzeugung nicht das Mindeste vorzuwerfen ist, in einer allgemeinen und durch

den Druck veröffentlichten Verfügung, unter der Voraus­ setzung

anzugreifen und zurechtzuweisen, daß die von mir

behauptete Thatsache richtig sein sollte. Deßhalb muß ich nun darlegen, daß der ungenügende Erfolg des summari­

schen Verfahrens durchaus nicht an den Personen sonder»

lediglich und ganz allein an der Sache liegt. Zu diesem Zwecke wolle der geneigte Leser gestatten, die

allgemeine Verfügung, welche der Herr Justiz-Minister die serhalb unterm 19. Juli 1843 an sämmtliche Gerichtsbehörden in den Provinzen, in welchen die Verordnung vom 1. Juni

1833 angewendet wird,

erlassen hat*),

*) Justiz-Ministerialblatt, 1843, S. 196.

soweit hierher zu.

253 setzen, als es mir zur Sache dienlich scheint. Die Verfiigintg lautet:

„In der Schrift

„Preußens Rechtsverfassung und wie

sie zu r(formtreu sein möchte, von E. F. Koch," welche

manche zweckmäßige Vorschläge Ausnahme

einiger wenigen,

enthält,

von denen, mit

die meisten übrigen,

hohem

Orts schon früher angeregt, bereits in der Bearbeitung be­

griffen sind und nachdem sie die verfassungsmäßigen Stadien der Gesetzgebung durchgegangen sein werden, ihrer Aus­

führung entgegenschreiten, finden sich auch einige Bemerkun­

gen vor, die weniger das Gesetz als die Personen treffen, deren Ausführung jenes unterliegt.

Besonders befremdend

ist folgender Satz, Seite 243: „Das sogenannte mündliche Verfahren (im summarischen

Prozesse) ist

nichts weiter, als ein Instruktions-Termin,

welcher, wenn das Gericht ein Kollegium ist, mit der Vor­ lesung einer schriftlichen Relation durch Einen der Richter eröffnet

wird,

Partbeien

worauf denn

zu sagen

alles

dasjenige,

für gut finden, von

Richter zu Protokoll genommen werden muß.

was die

dem Einen der Da nun keine

schriftliche Replik vorhergegangen ist, so erfolgt diese bei der Gelegenheit, und der Gegner, wenn er persönlich

wesend

ist und Information hat,

an­

duplizirt, sodaß dieses

Protokoll öfter Bogen lang wird, während dessen Abfassung die andern Richter stillsitzen und Langeweile haben."

Wäre dem also, so läge in dieser Behauptung der Vor­

wurf einer gänzlichen Unfähigkeit der Referenten nnd der

254 Vorsitzenden der Deputationen für summarische Sachen. DaS Gesetz bestimmt Folgendes:

§. 36 der Verordnung vom 1. Juni 1833. Ueber die mündlichen Verhandlungen wird ein Proto«

koll ausgenommen, welches enthält:

1) die Namen der anwesenden Gerichts-Mitglieder; 2) die Namen der Partheien und ihrer Sachwalter, und

ob sie erschienen sind oder nicht; 3) den Gegenstand des Rechtsstreits;

4) den Gang der stattgefundenen Verhandlungen im Allgemeinen; 5)

die Zugeständnisse der Partheien, deren Aufzeichnung

verlangt wird,

so wie diejenigen

Erklärungen

der Par­

theien, deren Aufnahme das Gericht für erheblich hält. Dieser letztere Vermerk wird den Partheien vorgelesen, und diese sind mit ihrer Bemerkung über dessen Fassung

zu hören.

1. Einen Kommentar zu

diesem

§. 36

enthält

das

Werk „der Mandats-, summarische und Bagatell-Prozeß nach der Verordnung vom 1. Juni 1833 und den späteren

darüber ergangenen Bestimmungen", herausgegeben von dem

Zustizrath Schering, Seite 336 und flg. Art 422 — 429, welche also lauten:

Art. 422.

Das Protokoll über die mündliche Verhand­

lung nimmt der Referent auf; er bemerkt darin die Zuge­ ständnisse der Parlheien,

deren

Aufzeichnung der

Gegner

verlangt, sowie die Erklärungen deren Aufnahme das Ge­

richt für erheblich hält» liest dieselben den Partheien vor und

255 berichtigt die Fassung, wenn sie dabei etwas zu erinnern finden.

Wenn dieß geschehen, und der Rechtsspruch erfolgt

ist, trägt er den Inhalt des letzteren in das Protokoll nach, legt dasselbe am Schluß*) der Sitzung den Richtern zur

Unterschrift vor, und arbeitet hierauf bis zur nächsten Sitz­

ung das Erkenntniß mit seinen

Entscheidungsgründen aus,

wobei er das Referat, das Protokoll über die mündliche Verhandlung und den publizirten Urtels-Entwurf zum Grunde

»u legen hat. Art. 423, 1.

Die Vorschrift, daß die Namen der anwe­

senden Gerichts-Mitglieder in dem Protokoll mit ausgenom­ men werden sollen, steht im Einklänge mit dem §. 24 der Verordnung vom 14. Dezember 1833

(Gesetz - Sammlung,

307), wonach aus den Ausfertigungen der von kollegiali-

schen Gerichten abgefaßtett Erkenntnisse die Namen der Rich­ ter ersichtlich sein müssen

(§. 5, Nr. 4 daselbst)**). Wenn­

gleich diese Vorschrift zunächst nur für solche Verhandlungen

bestimmt ist, welche vor der Deputation, also vor einem

Kollegium ausgenommen werden, so ist es doch ganz zweck­ mäßig, wenn auch

bei den Einzelrichtern der Name des

*) Warum gerade erst am Schluß der Sitzung, die 4—6 Stunden und noch länger dauert, die Protokolle unterschrieben werden sollen, ist nicht erfindlich. Vorsicht und Geschäftsordnung empfeh­ len das Unterschreiben sogleich beim Schluffe jedes einzelnen Pro­ tokolls. Cs trifft sich, daß das eine oder andere Mitglied die Sitzung verlassen muß und später schwer oder gar nicht wieder zu erlangen ist.

**) Für diejenigen geneigten Leser, welche das französische Prozeßrecht nicht kennen, bemerke ich, daß diese Bestimmung eine Nachah­ mung des französischen Rechts ist.

256 Richters und des Protokollführers in der Verhandlung bemerkt wird.

(V. §. 62.)

R. v. 8. September 1834, Nr. i. (Jahrb. Bd.44, S. 87.)

Die Namen der Gerichts-Mitglieder sind am zweckmä­

ßigsten an der Seite der Verhandlung zu verzeichnen, Gegenstand des Rechtsstreits aber,

der

sowie die Namen der

Partheien in den Tert des Protokolls aufzunehmen.

Ist die

namentliche Bezeichnung der Gerichts-Mitglieder unterlassen,

so hat dieß zwar keine Nichtigkeit der Verhandlung zur Folge, es soll jedoch jeder Verstoß der Art im

Disciplinarwege

gerügt werden*).

Instruktion vom 7. April 1839, Nummer 13. (Gesetz­

sammlung S. 138.)

Wenn für die Partheien Bevollmächtigte erschienen sind, so ist bei deren Benennung zugleich die Uebergabe der Voll­ machten event, wo dieselben befindlich sind, zu bemerken.

Art. 424, 2.

Sodann muß der Gang der Verhandlung

im Allgemeinen angegeben werden.

Sind z. B. beide Par­

theien ausgeblieben u. s. w.

*) Ein der neuern Grund gemachter licher Vorschriften viel zu rügen und

preußischen Justiz-Administration nicht ohne Vorwurf ist der, daß eine Menge unwesent­ und Bestimmungen gegeben werden, die recht zu strafen geben. Was nicht wesentlich ist und

mithin dem Verfahren nicht hilft und nicht schadet, das muß gar nicht vorgeschrieben werden. Die fort und fort und immer wie­ der angedrohten Disciplinar-Rügen wegen unwesentlicher Dinge sind ein Hohn der richterlichen Würde. Man denke stch | lebhaft einen alten ehrwürdigen Richter, der wegen einer auf die Gültigkeit des Protokolls einflußlosen Weglassung, wer weißhvon wem, sich Hofmeistern und zurechtstoßen, oder wolIgar bestrafen lassen soll! Zu keiner Zeit ist die Richterwürde so verletzt worden.

257 Sind endlich beide Theile erschienen, so ist der wesentliche Inhalt der gegenseitigen Erklärungen in dem Protokoll

aufzunehmen.

Der Referent muß dabei von dem Gesichts­

punkte ausgehen, daß das Protokoll nur das Resultat der Verhandlung enthalten soll,

und dasselbe dem Referat so

anschließen, daß es mit diesem die Grundlage für die Ent­

scheidung bilden kann. Er hat daher

a) nur diejenigen Erklärungen der Partheien aufzuneh­ men, welche nach seiner Ueberzeugung oder nach der Ansicht

des Dirigenten und der übrigen Mitglieder für die Ent­ scheidung der Sache von Erheblichkeit sind.

Die Allg. Ge­

richtsordnung Th. I, Tit. 10, §§. 41 flg.,

die Verordnung

vom 14. December 1833, §. 5, Nummer 10a, die Deklara­ tion vom 6.

April

1839, Art. 3, Nummer 1 und 4, und

die Znstr. v. 7. April 1839, Nummer 18, werden ihm dabei hinreichenden Anhalt gewähren.

Sollte darüber,

ob die

Erklärung einer Parthei für erheblich und deren Aufnahme

in das Protokoll für nothwendig zu erachten sei oder nicht, eine Meinungsverschiedenheit unter den Gerichts-Mitgliedern obwalten» so ist darüber nicht etwa durch Stimmenmehrheit zu entscheiden, vielmehr hat der Vorsitzende der Deputation

darüber zu bestimmen*), da ihm nach§. 28 der Verordnung

*) Diese Meinung ist handgreiflich irrig, weil nicht der Dirigent allein, sondern das Richtercollegium zu erwägen hak, welche von der Parthei vorgebrachten Allegationen erheblich sind oder nicht; denn darüber müssen sich die Urtelsgründe auslassen. Daraus ergibt sich zugleich, daß der ganze hier gegebene Unterricht falsch ist, indem zuletzt weder der Dirigent noch ein Beisitzer, sondern

558 die Leitung und Schließung der Verhandlung, die Sorge

für die gehörige Erörterung der Sache, und die Stellung der Fragen, mithin auch die Leitung des darüber aufzu-

nehmenden Protokolls gebührt.

Er hat aber dabei auf die

Meinung der beisitzenden Richter Rücksicht zu nehmen, und

sowie

er Fragen,

welche diese den Parrheien

vorgelcgt

zu sehen wünschen, stellen muß, ebenso muß er auch Er­

klärungen der Partheien, welche jene für erheblich halten,

protokolliren lassen.

R. v. 24. April 1841, Nummer 2 l Zust.-Min.-Bl. 154,

Nummer 118). Bon einem Gericht war die Frage aufgeworfen worden: ob die von einer Parthei bei der mündlichen Verhandlung

abgegebenen neuen thatsächlichen Erklärungen auch alsdann

in das Protokoll ausgenommen werden müssen,

wenn sie

auf die von der betreffenden Deputation beschlossene Ent­ scheidung von keinem Einfluß sind.

Der Fall kann aber so,

wie er hier gestellt ist, gar nicht vorkommen, wenn ordnungs­ mäßig »erfahren wird, indem die Aufnahme des Protokolls über die mündliche Verhandlung dem Beschluß der Deputalediglich'die Parthei zu bestimmen hat, was in ihre Prozeßschrifl ausgenommen werben soll. Denn da diese Deputation nicht der einzige und letzte Richter in ter Sache ist, und im weitern Verlauf des Prozeßes viel darauf aukommt: ob eine Allegation

schon in den früheren Instanzen vorgekommen, aber von dem Richter unbeachtet gelassen ist; so muß eine Parthei das Recht haben, in ihrer Prozeßschrift, also hier in dem Protokoll, dasje­ nige nieterzulegen, waü sie für erheblich hält. Jede Verhinde­ rung daran ist Versagung des rechtlichen Gehörs; denn die münd­ liche Rede der Parthei allein ist bei einem wesentlich schriftlichen Verfahren unzureichend für das rechtliche Gehör, welches bei die­ sem Verfahren die rechtliche Sicht heißen muß.

259 tion über die Entscheidung der Sache vorhergehen, das auf#

genommene Protokoll also erst den Partheien vorgelesen, und nach ihren Einwendungen berichtigt werden muß, bevor

der Rechtsspruch erfolgen kann. R. v. 24. April 1841, Nummer 1.

(J.-M.-Bl. S. 154,

Nummer 118.)

b) Außer den erheblichen Erklärungen der Partheien müssen in dem Protokoll auch diejenigen Zugeständnisse der­

selben ausgenommen werden, deren Aufzeichnung der Gegner verlangt.

Dies kann sich natürlich nur auf solche Zuge­

ständnisse beschränken, welche zur Sache gehören, und aus

die Entscheidung derselben von Einfluß sind. Man hat zwar aus der Allgemeinheit der Fassung des §. 36, Nr. 5, fol­

gern wollen, daß auch andere Zugeständnisse einer Parthei, wenngleich sich dieselben nicht auf den vorliegenden Rechts­

streit beziehen, in das Protokoll mit ausgenommen werden

müßten, sobald der Gegner dies verlange, und bat sich da­ bei auf §. 83, Th. I, Tit. 10 der Allg. Gerichtsordnung

bezogen, indem der Gegner hierdurch ein Interesse dabei habe,

daß dergleichen Geständnisse gerichtlich protokollirt

werden, damit er sich vielleicht in einem späteren Prozesse

darauf berufen könne.

Allein eine solche Annahme würde

mit der Tendenz der Verordnung — die bisherige übermä­

ßige Schreiberei in den Prozeß-Verhandlungen zu vermin­ dern — im Widerspruch stehen, und möglicherweise dahin

führen, daß die Protokolle mit fremdartigen, zu dem vor­

liegenden Rechtsstreite in keiner Beziehung stehenden Erklä­ rungen

überfüllt

werden.

Wenn schon im

gewöhnlichen 17*

260 Prozeß dem Deputaten eine Verpflichtung der Art nirgends anferlegt ist*), so kann sie um so weniger im summarischen

Prozeßverfahren der Deputation zugemuthet werden**). c) Außerdem ist es noch rathsam, in dem Protokoll jit

bemerken, welchen Thatsachen von dem Gegner widerspro­

chen worden ist, damit bei einer etwanigen künftigen Kontumazial-Instruktion, bei welcher nach §. 25 d. V. die von

der einen Parthei angeführten Thatsachen, denen der Gegner

noch nicht ausdrücklich widersprochen hatte, für zugestandcn erachtet werden müssen, kein Streit darüber obwalten könne,

bei welchen Thatsachen ein solcher Widerspruch Statt ge­

funden habe. Art. 425.

Sobald das Protokoll aufgenommen ist, muß

dasselbe den Partheien vorgelesen, und nach deren Einwen­ dungen berichtigt oder verständigt werden.

Der Unterschrift

von Seiten der Parlheien bedarf es bei Verhandlungen vor

der Deputation nicht; nur bei Einzelrichtern ist dieselbe er­

forderlich.

V. §. 62.

Es liegt hierin eine Abweichung von

dem gewöhnlichen Prozeßverfahren; indem nach der Allgemei­

nen Gerichtsordnung jede mit einer Parthei aufgenommcne

Verhandlung von derselben unterschrieben,

oder wenn sie

nicht schreiben kann, unter Zuziehung eines Beistandes unter­ zeichnet werden muß.

Anhang zur Allgemeinen Gerichts-

Ordnung §§. 66 — 75.

*) Doch, Loch. Ter 8- 76, Tit. 3 ter Prozeß-Ort», bestimmt wört­ lich , taß ter Protokollant stch am Schluffe des Protokoll- die Nachträge von ter Parlhei muß tiftire» lassen. **) Daß dieses gleichwohl geschehen kann, wird stch weiterhin zeigen.

261 Nach btr Vorlesung deS Protokolls folgt die Berathung

der Deputation und deren Beschluß.

Der Letztere wird den

Parthcien von dem Vorsitzenden eröffnet und damit die Ver­

handlung geschloffen.

Der Referent nimmt sodann das Konklusum wörtlich in das Protokoll auf, bemerkt darin die erfolgte Publikation desselben, schließt das Protokoll, und legt es den übrigen Mitgliedern der Deputation zur Mitunterschrifr vor.

Art. 426, 3.

Das Protokoll wird von dem Referenten

ausgenommen u. s. w.

Art. 427, 4.

Wenn in dem Audienz-Termine sogleich

die definitive Entscheidung der Sache erfolgt, so muß seden-

falls der Tenor des Erkenntnisses in das Protokoll mit aus­ genommen werden u. s. w.

Die Dirigenten sollen streng darauf halten*), daß die

Absetzung des Erkenntnisses bis zur nächsten Sitzung erfolgt, und zu diesem Behuf die Einrichtung treffen, daß das Sitz­ ungsprotokoll nach beschlossener Entscheidung sogleich mit dem

vollständig abgesetzten Erkenntnisse zur Präsentation vorgelegt, und dann zur Registratur und zum Journal abgegeben werde.

R. v. 12. November 1836. (Gräff, S. 638, Zus. 2.) Das Erkenntniß wird dann von den übrigen Mitgliedern der Deputation unterschrieben und hiernächst ausgefertigt.

*) Mit dem „Daraufhalten" ist es nicht gethan. Wenn, wie wöhnlich, die Richter zu viel zu schreiben und zu terminiren ben, so können sie es nicht machen, wie es denn auch in Wirklichkeit vorkommt, daß Urtel wol erst 4 Wochen nach Publikation zur Ausfertigung gelangen.

ge­ ha­ der der

262 (Die noch folgenden beiden langen Artikel 428 und 429 aus der genannten Druckschrift bleiben hier weg, weil wir

solche nicht gebrauchen.

Das Ministerial - Nescript

fährt

dann nach diesem langen Auszug fort wie folgt:) Hou einem Repliziren und Dupliziren, von einer schrift­ lichen Instruktion des Prozesses im Protokolle über die münd­

liche Verhandlung, ist im Gesetz und in der dazu ertheilten

Instruktion überall nicht die Rede.

In der Nummer 5 des

§. 36 ist nur die Aufnahme dessen gemeint, was nicht bereits

in der schriftlichen Klage und in der schriftlichen Beantwort­ ung vorgekommen, und doch für die Entscheidung von Er­

heblichkeit ist, weil das Erkenntniß in dem Referate und in dem Protokolle seine Begründung finden muß.

Vollständige

Auslassungen des Klägers oder des Verklagten sollen nicht

in das Protokoll ausgenommen werden, sondern nur That-

umstände, die der Richter bei der Abfassung des Beweis-

Resoluts oder des Erkenntnisses, nach der nähern Anleitung der §§. 29 und 30 der Instruktion vom 24. Juli 1833 zu jener Verordnung, zu berücksichtigen verpflichtet ist.

Der Justiz-Minister darf von der Einsicht der Gerichte erwarten, daß bereits in dieser Weise verfahren worden ist, und daß sich nie Referent oder Dcpulirter dazu hergcgeben haben wird, den Protokollführer der Partheien und deren

Anwälte zu machen.

Wo dieß aber dennoch geschehen sollte,

haben sich die Gerichte fortan nach der vorstehenden An­

weisung zu achten; die Dirigenten der summarischen Depu­ tationen aber haben die Partheien und Justiz-Kommissarien in gebührender Ordnung, ingleichen strenge darauf zu halten,

263 daß die Vermerke in abgesonderten, mit besonder« Nummern zu versehenden, zunächst dem Gange der Klage folgenden

Sätzen in das Protokoll ausgenommen werden, um alles

Repliziren und Dupliziren schlechterdings unmöglich zu machen. Daß bei jedem dieser Sätze, er mag vom Kläger oder Ver­

klagten aufgestellt sein, die Erklärung des Gegners, wenn er eine abweichende Erklärung abzugeben bat, sofort mit

aufgeführt werden muß, verstellt sich von selbst.

Jeder Satz

muß als das Ergebniß der mündlichen Verhandlung völlig abgeschlossen für sich da stehen.

Darum ist, wo es nur

immer möglich ist, auch darauf zu halten, daß das Protokoll von dem Referenten selbst ausgenommen werde, der mit den Vorverhandlungen vertraut, am besten im Stande ist, kurz

und klar die Vermerke zu fassen, deren Aufnahme nothwen­

dig erscheint."

In dieser Verfügung wird voran ein Zweifel an der

Wahrheit meiner angeführten Behauptung ausgedrückt, und

für den Fall, daß Dem also wäre, den Richtern, und zwar den Referenten und den Dirigenten der Vorwurf einer gänz­

lichen Unfähigkeit gemacht, weil in dem summarischen Prozesse 1) von einem Repliziren und Dupliziren, und

2) von einer schriftlichen Instruktion des Prozesses im

Protokolle über die mündliche Verhandlung nicht die Rede sein könne;

3) kein Referent oder Deputirter sich dazu hergeben darf, den Protokollführer der Partheien und deren Anwälte zu

mache»;

264 4) die Dirigenten die Partheien und Instizkommissarien in gebührender Ordnung und strenge darauf zu halten haben,

daß die Vermerke in der vorgeschriebenen Ordnung und Art von dem Referenten ins Protokoll geschrieben werden, um alles Repliziren und Dupliziren schlechterdings unmöglich zu machen.

Das Erste, was ich zu thun habe, ist, den ausgespro­ chenen Zweifel gegen die Wahrheit der Thatsache zu besei­ tigen.

Ich thue dieses durch wörtliche Mittheilung eines

Protokolls über eine solche mündliche Verhandlung, wie es

mir gerade auf mein Ersuchen mitgetheilt worden ist.

Der

gütige Leser wolle mir deßhalb Nachsicht schenken. Es lautet: „Verhandelt, N. den 15. Februar 1843, in der Sitzung der Deputation des Königlichen rc. Gerichts,

in Gegenwart nachbenannter Richter: 1) des rc. Raths N. als Vorsitzenden,

2) des rc. Raths N. 3) des rc. Assessor N. Zur mündlichen Verhandlung in Prozeßsachen des Dr. G.

zu Berlin, Klägers, wider den Gutsbesitzer F. zu G., Ver­ klagten, wegen 350 Thlr., fand sich heute bei dem Aufrufe

der Sache ein: 1) für den Kläger der Herr Zustizkommiffarius S-, 2) für den Verklagten der Herr Justizkommiffarius H.

Der Referent, Gerichts-Rath N-, eröffnete durch münd­ liche Darstellung des Sach-Verhältnisses nach Maßgabe des bei den Akten befindlichen Referats, die Verhandlung, deren

Resultat Folgendes war:

265 Kläger bemerkt, eS finden sich noch in Wittstock, in Zech, lin in der Mark, Schönwalde in Pommern * * * Fabriken.

Am letzter» Orte habe Kläger schon * * * Fabriken mit Er» folg vor 12 Jahren eingerichtet; Beweismittel würden vor,

behalten.

Kläger läugnet, daß er ihm besondere Versprechungen über den Erfolg seiner Einrichtung gemacht habe, wie dieß

Verklagter Folio 15 der Akten in der Klagebeantwortung

behauptet habe. Kläger nimmt den Eid hierüber an, hält ihn indeß für

unerheblich. Kläger übergibt den mit der Klage nur in Abschrift über, reichten Revers des Beklagten im Original.

Kläger rekog,

noscirt das vom Verklagten produzirte Schreiben.

Wenig­

stens gehe daraus hervor, meint er, daß Kläger vorzugsweise für das qu. Fabrikat gestimmt habe.

Klägerischer Mandatar fährt sodann weiter fort: Kläger bestreitet, daß er das in G. Vorgefundene rc. Fabrik für aus­ reichend erklärt habe.

Gegen die Zeugen wird protestirt

wegen des Verwandschafts -

und Dienstverhältnisses jum

Kläger. Was Verklagter über

die stattgehabte Prozedur beim

Einmaischen anführt, ist im Wesentlichen richtig.

Bestritten

aber wird, daß Kläger zum Einmaischen die ganze Hefe von

232 Quart verwendet habe, ebenso, daß Kläger eine außer­ gewöhnliche Quantität von Salmiak, Schwefelsäure und Pottasche verbraucht habe.

266 Nach welchen Prinzipien, nach Maßgabe der Sache, ver­

fahren werden mußte,

und auch wirklich verfahren worden

ist, hat Kläger in der anliegenden Schrift auseinandergesetzt, und er hat sie durch zwei Sachverständige, V. und P., vor­ läufig begutachten lassen, die er überhaupt als Sachverstän­ dige darüber vorschlägt, daß er bei der Sache gehörig ver­

fahren. —

Uebrigens bleibt Kläger dabei stehen, daß das, was ab­ geschöpft worden, *** war.

Es ergibt sich dies aus der

eigenen Aeußerung des Verklagten sogar, daß 10 Menschen einen ganzen Tag beim Pressen beschäftigt gewesen. Kläger bestreitet, daß die mit der gewonnenen *** beleg­ ten Bottiche nicht in Gährung gekommen, und daß die vom

Maischbottich

abgeschöpfte Masse nur eine unreife 'Masse

gewesen, die nie eine *** habe abgebcn können. —

Gegen die vom Verklagten angegebenen Sachverständige»

hat Kläger, vorausgesetzt, daß sie in diesem Geschäft Kennt­ niß haben, nichts einzuwenden, beruft sich aber seinerseits auf die von ihm vorgeschlagenen Sachverständigen, die auch,

wenn es erheblich, bekunden können, daß er die Fabrikatio» verstehe.

Unwahr ist es, daß dem Verklagten 6000 Quart

Maische verloren gegangen.

Die sonstigen Thatsachen, die

Verklagter angeführt, werden bestritten.

Anlangend die Bemängelung der Reisekosten, so ist Klä­ ger mit der Schnellpost gereist, und übergibt die Beläge.

Das Trinkgeld rechtfertigt sich von selbst. von Berlin war damals noch nicht eröffnet.

Die Eisenbahn

Kläger blieb

in Breslau, um vom Schwager des Verklagten *** zu be-

267 kommen; allein tiefer wat nickt zu Hause und er konnte daher die *** nicht erlangen. —

Ueber die Steife von Breslau übergibt Kläger den Belag. Die Jehrkosten Litt. f. der Beläge in N. sind auf der Stück­ reise entstanden. Kläger mußte in N. bleiben, weil die Fuhre

von G. ihn zu spät nach N. gebracht hatte,

worüber der

Eid beferirt wird. — Verklagter behauptet, Kläger habe ihm versprochen,

a) daß bei seiner Art der Fabrikation er durch die künf­

tige *** dasselbe Resultat erzielen würde, als durch Pfund- oder Bier***,

b)

daß er mit grünem Malze dasselbe Resultat erzielen werde, wie mit gedörrtem Malze,

c)

daß bei der Fabrikation der *** dieselbe starke Einmai-

schung beibehalten werden könne, wie dies beim Alkohol

der Fall sei, wenn man, ohne *** erzielen zu wollen, einmaische;

d)

daß man in Stettin nur mit l/3 einmaische, wogegen

er die Bottiche voll einmaischen werde. Dieß Alles habe er Folio 13 in der Klagebeantwortung

sagen wollen. Unter der Voraussetzung, daß Kläger die Fabrik so er­

richte und ihn mit der Fabrikation bekannt gemacht haben

werde,

habe er versprochen, dem Kläger 300 Thlr. zu

zahlen. — Ergänzen muß Kläger, daß die 232 Thlr. Quart Sier#

*** dem Kläger zu drei Bottichen gegeben worden; er habe

sie auch zu drei Bottichen verwendet. Die Masse fei darum

268 eine unreife gewesen, weil sie sich nicht habe durch einen Kanavas - Beutel durchdrücken lassen, dazu vielmehr erst 10 Menschen nothwenvig gewesen; dies sei das ' Wesentliche,

worüber die Sachverständigen zu vernehmen seien.

Eine

solche unreife Masse sei aber zur ***fabrikation untauglich

gewesen. —

Der Verklagte habe dem Kläger nicht gesagt,

er solle fortreisen,

sondern Kläger sei selbst

aus freien

Stücken fortgereist, ohnerachtet ihn der Wirthschaftsbeamte

W. aufgefordert habe, die Arbeit doch fortzusetzen, was W. bekunden könne.

— Verklagter behauptet, daß das vom

Kläger überreichte Gutachten zu seinen Gunsten spricht, in­ dem daraus hervorgeht, daß er in der That die Bottiche mit zu vieler Hefe versetzt habe, wodurch die Gährung zu

stark geworden» und daher eben eine unreife Masse gewon­ nen worden. — Verklagter kann sich übrigens im Speziellen

über die in diesem Gutachten

erwähnte Verfahrungsweise

und auf die Behauptung des Klägers, daß ganz so verfah­

ren worden, nicht auslassen; er bittet um Abschrift des Gut­ achtens und Ansetzung eines neuen Termins. In Betreff der Reise- und Zehrkosten beruft sich Ver­

klagter auf richterliches Ermessen. —

Kläger kann, da heut Verklagter erst deutlich erklärt hat, was Folio 13 der Klagebeantwortung

undeutlich erklärt

worden, sich heut darüber nicht aussprechen, ob Kläger ihm die Zusicherungen gemacht habe. Er bittet um einen neuen Termin. Kläger bestreitet, daß er ans freien Stücken fortgegan­

gen, und daß ihn der Wirthschaftsbeamte W. aufgefordert,

die Arbeit fortzusetzen. —

269 Was den vom Kläger produzirten ReverS vom 23. Juli 1842 betrifft, so rekognoscirt Verklagter die Unterschrift, gibt auch zu, daß Verklagter denselben von den Worten an

„dieses Abkommen rc." selbst geschrieben habe. —

Der Vermerk ist vorgelesen, nichts erinnert worden.

und gegen dessen Fassung

Das Kollegium beschloß die An­

setzung eines neuen Termins zur fortgesetzten mündlichen

Verhandlung, was den Partheien eröffnet worden.

NN.

NR.

NN."

Frage: welche Angabe in dem, in der Ministerial - Ver­

fügung vom 19. Juli 1843 hervorgehobcnen und bezweifel­ ten Satze ist es, die durch dieses Protokoll nicht bestättigt

würde?

Selbst an der behaupteten Langeweile der andern

Richter, welche während dessen Abfassung stillgesessen haben,

fehlt kein Strich; denn dieses zwei Kanzleibogen lange Pro­ tokoll hat weil über eine Stunde gedauert,

durch welche

Zeit die beiden andern Richter und die beiden Justizkommissarien müßig zugesehen haben; und ich habe schon noch län­

gere Protokolle gesehen. Wenn nun also auch meine Angaben in der That wahr sind, so muß der Vorwurf der Unfähigkeit der Richter doch

ganz und gar abgelehnt werden, ich werde deßhalb die zur

Rechtfertigung solches Vorwurfs angegebenen Gründe nach der Reihe erwägen, ohne Mißachtung, aber mit Freimü­

thigkeit. 1) Ein Repliziren und Dupliziren soll und

darf im summarischen Prozeß nicht vorkommen

27« sondern muß schlechterdings unmöglich gemacht

werden. Wir wollen zusehen, was dieser Satz besagen will, und

dazu müssen wir wissen, was „Replizüen und Dupliziren"

heißt. Wir erfahren solches am sichersten, wenn wir Dieje­ nigen, von welchen wir es gelernt und angenommen haben, mit ihren eigenen Worten hören:

a) Gajus sagt Lib. IV darüber so: §. 126 Interdum evenit, ut exceptio, quae prima facie

justa videatur, inique noceat actori. Quod cum accedit, alia adjectione opus est adjuvandi actoris

gratia, quae adjectio replicatio vocatur, quia per

eam replicatur atque resolvitur jus exceptionis. Nam si verbi gratia pactus sim tecum, ne pecuniam,

quam mihi debes, a te peterem, deinde postea in contrarium pacti simus, id est, ut petere mihi liceat,

et, si agam tecum, excipias tu, ut ita demum mihi condemneris, si non convenerit, ne eam pecuniam

peterein, nocet mihi exceptio pacti conventi^ namque nihilominus hoc verum manet, etiamsi postea

in contrarium pacti simus: sed quia iniquum est,

me excludi exceptione, replicatio mihi datur ex posteriore pacto hoc modo: si non postea conve­

nerit, ut eam pecuniam petere liceret §. 127. Interdum autem evenit, ut rursus re­ plicatio, quae prima facie justa sit, inique reo no­ ceat.

Quod cum accidit, adjectione opus est ad­

juvandi rei gratia, quae duplicatio vocatur.

271 b) Justinian wiederholt dieß in pr. et §. 1, Inst.de

replic. (IV, 14) wörtlich, bis auf den auf das Formelwe­ sen sich beziehenden Ausdruck „adjectio“, den er in den für den damaligen Prozeß, in welchem die in unserer Gerichtsord­

nung damals noch vorausgesetzten und deßhalb verbannten

formulae actionum schon lange vor Justinian nicht mehr

vorkamen, passenderen Ausdruck ,, allegatio “ umändert. c) Utpian in L. 2, §. 1 D. de except. (XLIV, 1): Replicationes nihil aliud sunt, quam exceptiones,

et a parte actoris veniunt.

Quae quidem ideo ne-

cessariae sunt, ut exceptiones excludant: semper enim replicatio

idcirco objicitur, ut exceptionem

oppugnet.

Dem rechtsunkundigen geneigten Leser mache ich mich durch ein Beispiel verständlich.

Hinz borgt dem Kunz 500 Thlr. Schon vorher hatte Kunz dem Hinz ein Pferd für 300 Thlr. verkauft, aber

nicht gleich übergeben.

Nach jenem Darlehn leistet er die

Uebergabe und hat mithin nun 300 Thlr. Kaufgeld zu for­ dern.

Hinz bezahlt das nicht, sondern fängt nach einiger

Zeit an über Fehler des Pferdes zu mäkeln, so daß Kunz

sich bereit findet, von dem bedungenen Kaufgelde 200 Thlr. zu erlassen.

Bald nachher verkauft Hinz das Pferd um

300 Thlr. und es zeigt sich, daß das Pferd keinen sichtbaren Fehler hat.

Darüber stellt ihn Kunz zur Rede, und Hinz

versteht sich dazu, daß er den Erlaß von 200 Thlrn. am

Kaufgelde bis auf 50 Thlr. wieder aufhebt.

So steht die

Angelegenheit, als Hinz sein Darlehn von 500 Thlr. zu-

272 rückverlangt, und, da Kunz nicht zahlt, gegen ihn auf

Zurückzahlung der 500 Thlr. nebst Zinsen klagt. Kunz wendet ein, daß der Kläger (Hinz) ihm 300

Thlr. Kaufgeld schuldig sei, und weil compensirt werde, nur noch 200 Thlr. zu forden habe.

Diese Einrede ist eine

exceptio.

Hinz (der Kläger) sagt dagegen, daß der Beklagte von

dem Kausgelde der 300 Thlr. die Summe von 200 Thlr.

erlassen habe.

Dieß ist eine Replik, replicatio.

Kunz (der verklagte) hingegen bringt vor, daß Hinz den Erlaß von 200 Thlr. bis auf 50 Thlr. später wieder,

aufgehoben habe, mithin noch 150 Thlr. Kaufgeld restire. Dieß ist Duplik, dnplicatio. Wäre das sogenannte Repliziren und Dupliziren verbo­ ten, so dürste indem vorgeführten Falle Hinz nicht sagen, daß ihm 200 Thlr. rechtmäßig nackgelassen seien, und Kunz

dürfte wieder nicht sagen, daß der Erlaß theilweise wieder

aufgehoben worden sei. Beide Theile müßten mithin dulden, daß ihr Recht keine Anerkennung, keine Geltung fände. Nun ist es von selbst verständlich, was der in der all­

gemeinen Ministerial-Berfügung ausgesprochene Satz:

ein Repliziren und Dupliziren darf im summarischen Prozesse nickt vorkommen und muß schlechterdings un­ möglich gemacht werden, bedeutet; hätte er Geltung, so würde man in unserem

Vaterlande, wo Person und Eigenthum so kräftigen Schutz

finden, eine Justiz zu dulden haben, wie sie zu keiner Zeit zuvor und in keinem Lande der Welt bisher gewesen ist.

273 Das hieße aus lauter Justizeifer das Recht selbst gänzlich

verweigern, was freilich ein durchgreifendes Mittel wäre,

die Rechtspflege zu vereinfachen.

Denn das Repliziren und

Dupliziren verbieten, ist soviel wie die Prozesse selbst oder vielmehr die Verfolgung und Vertheidigung des Rechts ver­

bieten, folglich eine vollkommene Rechtsverweigerung.

Ein

solches Verbot ist eine rechtliche Unmöglichkeit, und wider­

streitet auch dem geltenden Prozeßgesetz.

Die Verordnung

über den summarischen Prozeß, vom 1. Juni 1833 bestimmt: §. 14. Bestreitet der Verklagte den Anspruch, so muß derselbe die Klage nicht nur vollständig beantwor­

ten, sondern auch alle Einreden in dem Klagebeantwor«

tungstermine vorbringen. Thatsachen und Urkunden,

worüber er sich nicht

erklärt, werden für zugestanden^und anerkannt gehalten. Fernere Einreden, welche auf Thatsachen beruhen,

dürfen im Laufe

der ersten Instanz vom Verklagten

nicht mehr vorgebracht werden."

Unter Einreden versteht man im Allgemeinen auch die

Repliken und Dupliken, und insofern gestattet zwar der Ausdruck,

ihn darauf zu beziehen; hier aber ist dieß unzu­

lässig, weil gerade erpreß von der Klagebeantwortung, und

von den gegen die Klage vorzubringenden Einreden, also

von Erceptionen im engern Sinne die Rede ist. Zu Gun­ sten des Verklagten sollen späterhin keine neuen Ercep­

tionen mehr vorgebracht werden dürfen lWiederherstellung der Eventualmaxime), so also, daß z. B. ein Verklagter,

welcher dem Darlehnsanspruche die beiden Einreden der

274 Verjährung und des Erlasses entgegensetzen könnte, und in der Klagebeantwortung nur die Verjährung al,

lein eingeweudet hätte, späterhin mit der Einrede des Er­

lasses nicht mehr gehört werden darf. Was geschieht nun mit

den vorgebrachten Einreden?

Darf darauf der Kläger nach dem Prozeßgesetz nichts ant­

worten? Allerdings!

Der Richter muß einen Termin zur

mündlichen Verhandlung ansetzen und hier hat der Kläger das erste Wort, wobei ihn« natürlich erlaubt ist, zu sagen,

was er gegen die Einrede des Verklagten einzuwenden hat. Dieß ist die Replik.

Indem also der Kläger den Mund

aufthut, um die Einreden des Verklagten zu entkräften, re« plizirt er schon; wie soll nun „alles Repliziern schlechterdings

unmöglich zu machen" sein? Die eigene Instruktion des Ju­

stizministeriums, vom 24. Juli 1833*), bestätigt durch die Allerhöchste Kabinets-Ordre vom 17. October 1833**), er. kennt auch die Zulässigkeit des Replizirens und Duplizirens,

wie es nicht anders sein kann, ausdrücklich an, «'««dein §. 28 gesagt wird: „in so weit die Klage-Beantwortung dem Kläger Ver­

anlassung zur Anführung neuer Tbatsachen, und diese dem Verklagten Veranlassung

zu deren Widerlegung

gibt, bleibt die Erörterung derselben im Fortgänge des

Prozesses, d. h. bei der mündlichen Verhandlung, noch zulässig."

Aus diesen Gründen glaube ich, daß das, in der allge*) Jahrb. Bd. XM, S. 437. **) Ebend. S. 607.

275 meinen Ministerin!- Verfügung vom 19. Zuli 1843 erlassene

Verbot gegen das Repliziern und Dupliziren bei der münd­ lichen Verhandlung im summarischen Prozesse nicht nach dem

Wortverstande gemeint ist; doch ist mir, wenn dieses richtig, der Sinn dunkel.

Denn was der Sprachgebrauch des ge­

meinen Prozesses als Replik und Duplik auch noch bezeich­ net, nämlich den Schriftsatz, worin die Parthei die Replik

und Duplik vorbringt, kann auch nicht gemeint sein, weil ja nur von dem mündlichen Vorbringen der Repliken und Dupliken bei Gelegenheit der mündlichen Verhandlung ge­

redet wird und eben hiergegen die Verfügung gerichtet

ist.

Hiernach ist der von mir behauptete Satz: „Da nun keine schriftliche Replik vorhergegangen ist, so erfolgt diese bei dieser Gelegenheit (der mündlichen

Verhandlung) und der Gegner, wenn er persönlichLanwesend ist und Information hat, duplizier",

buchstäblich wahr und die darin behaupteten Prozeßhandlun­ gen sind schlechterdings auch gar nicht zu verbieten. 2.

Von einer schriftlichen Instruktion im Pro­

tokolle über die mündliche Verhandlung soll nicht die Rede sein können.

Jnstruiren heißt, nach der Allgemeinen Gerichtsord­ nung, die Partheien, nachdem die Klagebeantwortung aus­ genommen worden, wechselseitig über ihre Angaben verneh­

men, d. h. diese Angaben niederschreiben.

Es ist dabei hin­

reichend, wenn der Jnstruent bloß die factischcn und recht­

lichen Streitpunkte aufnimmt und *) Anh. zur Allg. G.-O. §■ 76-

niederschreibt*).

Kein

276 preußischer Gerichtötechniker,

der sich auf

das Jnstruiren

verstanden, hat das jemals anders gemacht, als daß er bei jedem Streitpunkt Erklärung und Gegenerklärung

zusam­

mengeschrieben, d. h. zusammengestellt oder selbst mit einan­ der verwebt hat.

Dieß ist eine der ersten Regeln,

welche

in den Mustern und Anweisungen gegeben werden;

man

braucht nur die Muster-Instruktions - Protokolle in dem be­ kannten „Briefwechsel über die gegenwärtige Justiz-Reform

in den Preußischen Staaten, Berlin 1780" anzusehen, um sich davon zu überzeugen; und v. Trützschler hebt im §. 3

seiner, den Kammergerichts-Referendarien gegebenen,

An­

weisung über die Methode zu instruiren, v. 2. Dezember 1817, besonders hervor: „Auch da, wo diese (Separations-)Methode nicht an­ wendbar ist, müssen Sie wenigstens nicht

beziehungs­

weise ad 1, 2, 3 u. s. w. instruiren, weil es höchst un­ bequem ist, die in solcher Manier abgefaßten Erklärungen

aufzusuchen, und nicht selten Verwechselungen und we-,

sentliche Mißverständnisse daraus entstehen." Und dann schärft er im §. 1 besonders ein, sich nur mit

erheblichen Thatsachen zu befassen, sagend:

„— er versteht sein Amt nicht,

oder er überschreitet

die Grenzen seiner Pflicht, wenn er sich um Dinge küm­

mert, die auf die Entscheidung keinen Einfluß haben.

Denn nur mit

erheblichen Thatsachen darf sich die

Instruktion befassen."

Die hier vorliegende allgemeine Ministerial- Verfügung, vom 19. Juli 1843, gibt darüber: wie das Protokoll über

277 eine mündliche Verhandlung beschaffen sein müsse, folgende Beschreibung: „ ist nur die Aufnahme dessen gemeint, was nicht bereits

in der schriftlichen Beantwortung vorgekommen, und doch für die Entscheidung von Erheblichkeit ist —>. Vollstän­

dige Auslassungen des Klägers oder des Verklagten sollen nicht in das Protokoll ausgenommen werden, son­ dern nur Thatuinstände»

die der Richter bei der Ab­

fassung des Beweis-Resolnts oder des Erkenntnisses — zu berücksichtigen verpflichtet ist*)." „ — darauf zu halten, daß die Vermerke in abgesonder­

ten, mit besondern Nnmmern zu versehenden, zunächst

dem Gange der Klage folgenden Sätzen in das Pro­ tokoll ausgenommen werden — Daß bei jedem dieser Sätze, er mag vom Kläger oder

Verklagten aufgestellt sein, die Erklärung des Gegners,

wenn er eine abweichende Erklärung abzugeben hat, sofort mit aufgeführt werden muß, versteht sich von

selbst.

Jeder Satz muß als das Ergebniß der münd­

lichen

Verhandlung völlig

abgeschlossen

für sich da

stehen**)".

Noch niemals habe ich ein Jnstruktionsprotokoll von einem gescheidten und geübten Praktiker gesehen, welches anders beschaffen gewesen wäre als ein nach dieser Anweisung auf­ genommenes

vollständiges

Protokoll.

Vollständige Aus-

*) D. h. erhebliche. **) Das ist, wie sich t'. Trützschler ausdruckt: es muß nicht be­ ziehungsweise ad 1, 2, 3 ii. s. w. infnuirt werken.

278 laffungen des Klägers und des Verklagten werden auch in einem

Jnstruktionsprotokolle

der Klage und in der

nicht wiederholt, da diese in

Klagebeantwortung

enthalten sind:

die Instruktion beschäftigt sich wesentlich nur mit den Differenzpunkten und mit dem Repliziren und Dupliziren, just so

wie die s. g. mündliche Verhandlung im summarischen Pro­ zesse.

Die ganze Anweisung, welche die allgemeine Ministe-

rial- Verfügung durch den ans einem Privatwerke aufgenom­

menen Auszuge gibt, enthält Regeln, die für jeden Jnstruenten brauchbar sein können, wie denn darin auch aus die Vorschrift der Allgemeinen Gerichtsordnung über die In­ struktion der Prozesse, namentlich auf Th. I? Tit. 10, §§. 41

flg. ausdrücklich verwiesen wird.

Demnach ist es wieder buchstäblich wahr, wenn ich ge­ sagt habe:

„DaS sogenannte mündliche Verfahren (iw summari­ schen Prozesse) ist nichts weiter, als ein Instruktions­

termin, welcher, wenn das Gericht ein Kollegium ist,

mit der Vorlesung einer schriftlichen Relation durch Einen der Richter eröffnet wird, worauf denn alles dasjenige, was die Partheien zu sagen für gut finden,

von dem Einen der Richter zu Protokoll genommen werden muß." Daß daö Erhebliche zu Protokoll genommen werden muß, darüber ist kein Zweifel. Frage kann nur sein: ob and) solche Angaben, die dem Rid)ter unerheblick) scheinen,

auf Verlangen der Parthei (oder deren Mandatars) nieder­ geschrieben werden müssen. Ick) behaupte auch Dieses «ach

279 dem bestehenden Prozeßgesetz.

Zur Widerlegung dessen wird

in der allgemeinen Ministerialverordnung weiter angeordnet: 3) Kein Referent

dazu

hergeben,

theien und

den

deren

oder Deputirter darf sich Protokollführer der Par­

Anwälte

zu machen.

Daß stch solches nicht paßt, behaupte ich eben; ich sage

aber, daß das Prozeßgesetz den Richter in die Lage setzt,

stch dazu hergeben zu müssen, wovon schon S. 46 Rede ge­ wesen. Wir wollen nnn sehen, ob die Ministerial-Verfügung hierin mit dem Gesetze in Einklang steht.

Dieses befiehlt:

§. 36. „Ueber die mündlichen Verhandlungen wird ein

Protokoll aufgenommen, welches enthält:

rc. rc. 5) Die Zugeständnisse der Partheien, deren Aufzeich­ nung verlangt wird, sowie diejenigen Erklärungen der

Partheien, deren Aufnahme das Gericht für erheblich hält.

Dieser letztere Vermerk wird den Partheien vorgelesen,

und diese find mit ihrer Bemerkung über dessen Fassung

zu Horen." Kurz vorher, ehe die vorliegende Ministerial-Verfügung ausspricht: hergeben,

kein Referent oder Deputirter dürfe stch dazu

den Protokollführer der

Partheien zu machen,

schreibt ste durch den aufgenommenen Auszug wörtlich vor.

Art. 425. „Sobald das Protokoll ausgenommen ist, muß dasselbe den Partheien vorgeleseu, und nach deren Ein­

wendungen berichtigt oder vervollständigt werden."

280 Frage: Wenn nach der Vorlesung des Protokolls die Parthei sagt: das Protokoll ist nicht richtig gefaßt und ich habe dagegen zu erinnern, daß u. s. w., muß dieses nach

jener Vorschrift hingeschrieben werden, oder nicht? Muß es, nun, so ist ja eben der Richter der Protokollant der Parthei,

die es durchsetzen kann, daß ihre Angabe wider den Willen des Richters ins Protokoll geschrieben wird, sowie es die Allgemeine Gerichts-Ordnung vorschreibt, nur mit dem Bei­

satz , daß der Znstruent am Schluffe des Protokolls von der

Parthei sich diktiren lassen

muß*).

Muß es nicht, nun,

so ist die Vorlesung, und die Erklärung der Parthei über die

Fassung unnöthig und das Gesetz sammt der Vorschrift in

der Ministerialverfügung (Art. 424, Buchst, a, am Ende u. Art. 425), muß wegfallen, wozu jedoch ein neues Gesetz erforderlich ist. Um alles Repliziren und Dupliziren schlechterdings un­

möglich zu machen, sollen 4) die Dirigenten die Partheien und Justiz-

kommissarien in gebührender Ordnung und strenge

darauf halten, daß die Vermerke in der

vorge­

schriebenen Ordnung und Art von dem Referen­

ten ins Protokoll geschrieben werden.

Dieser Befehl hat zwei Richtungen.

a)

Die Dirigenten sollen die Partheien und

Justizkommissarien

in

halten.

*) 51. G.-O Thl. t,.Tlt. 8, §. 76.

gebührender Ordnung

281 Die gebührende Ordnung besteht in Anstand, Ruhe und

regelmäßigem Verlauf der Verhandlungen.

Damit die Par­

theien und Justizkommissarien sich darin halten, ist erforder­ lich, daß Einer nach dem Andern, wie ihm dazu das Wort bewilligt wird, spricht, seinen Vortrag mit Ruhe, Anstand

und geziemenden Ausdrücken hält. Keiner dem Andern in

die Rede fällt, und Zeder sogleich stillschweigt, wenn ihm das Wort entzogen wird.

Ich gestehe, ich sehe nicht, wie

hierdurch den Partheien soll schlechterdings unmöglich ge­ macht werden können, zu Repliziren und zu Dupliziren, so lange man ihnen nicht überhaupt das Sprechen verbieten darf,

was doch nicht gemeint sein kann. b) Die Dirigenten.sollen strenge darauf hal­

ten, daß die Vermerke in der vorgeschriebenen Ordnung und Art von dem Referenten ins Pro­

tokoll geschrieben werden. Diese Maßregel ist so weit davon entfernt, das Replizi­

ren und Dupliziren schlechterdings unmöglich zu machen, daß es im Gegentheil gerade die Form, und zwar, wie wir

weiterhin sehen werden, eine sehr mangelhafte Form ist, in

welcher das Repliziren und Dupliziren im summarischen Prozesse ermöglicht wird.

Die Partheien haben schon repli-

zirt und duplizirt, wenn sie ihre Allegationen vorgebracht

haben, und indem der Referent dieselben ins Protokoll schreibt,

mag es in einer Ordnung geschehen, in welcher es will, macht er den Schriftsatz der Replik, Duplik u. s. w. Dem geneigten Leser überlasse ich nun, Selbst zu beur­

theilen, in wiefern der von mir behauptete Satz, welcher

282 zu der allgemeinen Mim'sterial - Verfügung Anlaß gegeben

hat, wahr ist oder nicht, und in wiefern dabei den Personen, nämlich den Richtern, denen die bezeichneten Mängel aufge­ bürdet werden sollen, mit Grunde Etwas zur Last gelegt

werden mag.

Hier muß ich noch einen Augenblick bei der

letzten Vorschrift Ziffer 4 stehen bleiben. Die Dirigenten sollen strenge darauf halten, daß die

Vermerke just in der vorzuschreiben beliebten Ordnung und Art von dem Referenten ins Protokoll geschrieben werden.

Diese Ordnung ist, wie schon

oben angedeutet,

für das

Wesen der Sache völlig gleichgültig; ich stimme aber darin

bei, daß es zweckmäßig ist, das Protokoll in solcher Art ab­ zufassen.

Diese zweckmäßige abgerundete Fassung ist indeß

nicht so leicht gethan als gesagt.

In seiner Stube freilich,

wo man mit sich allein ist, da läßt sich das sehr hübsch aus­

denken und als Muster hinschreiben. Aber bei dem wechsel­ seitigen Partheien-Vortrage selbst, wo die anhörendeu Richter

noch nicht wissen, was

die Partheien sagen werden? —

Man stelle sich eine solche mündliche Verhandlung, wo wirk­

lich erhebliche Umstände von beiden Seiten angegeben wer­ den, vor.

Beide Theile sprechen nicht zugleich und auch

nicht mit Unterbrechung des Vortrags wechselsweise, viel­

mehr ist es Regel, daß Einer nach dem Andern seine Sache vollständig entwickelt und darstellt.

Der Referent, d. h. der

Protokollant, hat nun zwei Methoden,

den Schriftsatz, in

welchem die Repliken, Dupliken u. s. w. den Akten einver­ leibt werden müssen — denn es gilt trotz der sogenannten mündlichen Verhandlung der Satz des schriftlichen Prozesses:

283 quod non est in actis, non est in mundo — für die Partheien zu verfertigen:

entweder kann er während des

Vortrags schreiben und den Parthei-Vorträgen unmittelbar

folgen: — dies hat den Nachtheil, daß er nicht so wie der Herr Justizminister befiehlt,

die Erklärungen und Gegen­

erklärungen unmittelbar beieinander vermerken, in hübsch

abgerundeten Perioden gleichsam mit einander vermählen kann, es hat aber den praktischen Vortheil, daß Auslassun­ gen seltener find und bei weitem weniger Zeit erforderlich ist;

oder er kann den Schluß der mündlichen Parthei-Vorträge abwarten: — alsdann ist es möglich, die wechselseitigen Al-

legationen zusainmenzufaffen,

es kommen dann aber öfter

Auslassungen, Verwechselnngen und Mißverständnisse vor, und die

Abfassung dieses kunstgerechten Protokolls kostet

wenigstens noch einmal so viel Zeit

Methode.

als nach der ersten

Für die Sache ist es, wie gesagt, ganz gleich­

gültig, wie das Protokoll gefaßt ist, wenn es nur die Re­ pliken, Dupliken und Tripliken, d. h. die erheblichen Alle-

ga tionen der Partheien, wirklich enthält; der geübte Prak­

tiker wird in jedem Falle diejenige Methode anwenden, bei welcher seinen Kollegen und den Partheien die kürzeste Zeit

versäumt wird.

Nun komme ich auf Das zurück, was der

Herr Justizminister hier den Dirigenten anbefiehlt.

Sie sol­

len strenge darauf halten, daß der Referent das Protokoll just so, wie vorgeschrieben ist, abfaßt.

Personen in

Man stelle fich beide

der Gerichtsfitzung lebhaft vor.

gleichgestellte Kollegen.

Beide find

Wie soll der Dirigent es angreifen,

um dem Befehle gemäß strenge auf etwas Unwesentliches zu

284 halten?

Ansehen kann er doch dem Protokollanten nicht,

was derselbe im nächsten Augenblick niederschreiben will; er

muß also aufstehen, sich hinter ihn stellen,

sein Auge un­

verwandt auf die Hand des Schreibers richten und, wenn

er meint, daß nun etwas folgen soll, was nicht in der Ord­ nung, Halt! gebieten.

Der Protokollant,

der die Sache

so gut wie der Dirigent, vielleicht noch besser versteht, und sich, zumal im Angesicht der Partheien, so schülerhaft be­

handelt sieht, hält nur mit Mühe seinen Unwillen an sich,

und fertigt den Dirigenten ab.

Ist der Dirigent klug, so

schweigt er still und geht auf seinen Platz, wo nicht, so ver­

wandelt sich die Scene: die Richter agiren und die Par­

theien werden Zuschauer und Zuhörer. So gestaltet sich die

Wirklichkeit.

Ohne daß nachträglich noch näher vorgeschrie­

ben wird, wie es die Dirigenten angreifen und machen sol­

len, um den Befehl: „strenge darauf zu halten, daß die Ver­ merke, wie vorgeschrieben, in das Protokoll ausgenommen werden," auszuführen, weiß man nicht, was man sich dabei

zu denken hat.

Welcher ehrliebende Richter wird sich wäh­

rend der Arbeit, wie ein Schüler beim Ererzizium, von sei­

nem Kollegen Hofmeistern lassen!

Daß alle Protokolle just

nach einer bestimmten Schablone verfertigt werden, läßt sich

den Dirigenten nur dann anbefehlen, wenn ihnen zur Pflicht gemacht wird, dieselben zu diktiren.

Schon dieses wäre für

die Mitglieder, wenn diesen das Schreiben nach dem Diktat ihres Kollegen zngemuthet würde, ehrenrührig, um wieviel mehr jede andere persönliche Einwirkung auf das Protokoll­

schreiben.

285 Nach dieser Betrachtung der veröffentlichten allgemeinen Ministerialverfügung komme ich zu dem summarischen Prozeß

Dieser Prozeß, behaupte ich, ist wesentlich nichts

selbst.

weiter, als das durch die Eventualmaxime verbesserte und

dadurch, daß die Jnstruenten auch das Urtel abfassen, vortheilhaft modifizirte schriftliche Verfahren der Allgemeinen Gerichtsordnung, welches wesentlich darin besteht, daß die

Gerichte den Prozeß leiten und die Partheien beherschen, und

für beide Partheien die Schriftsätze machen.

Die übrigen

am meisten in die Angen springenden Unterschiede zwischen

dem alten und dem modifizirte» neuen Verfahren sind fol­

gende:

1) In dem alten Verfahren wird, wenn die Sache nicht sehr weitläuftig ist, in dem Klagebeantwortungstermin die Sache zugleich instruirt und bis zur Beweisaufnahme gebracht;

in dem neuen geht das nicht, vielmehr muß, wenn Beweis aufzunehmen ist, alle Mal zur Instruktion ein besonderer Termin, nämlich der Termin zur sogenannten mündlichen

Verhandlung, angesetzt werden, die Sache mag so klar und einfach sein wie sie will.

2) In dem alten Verfahren kann Einer die Sache instruiren; in dem Neuen sind dazu in der ersten Instanz drei,

und in der Zweiten fünf Richter nöthig. Daß dieses soge­ nannte mündliche Verfahren wesentlich ein Jnstruktionstermin im schriftlichen Prozesse ist, macht sich durch folgende Merk­

male kenntlich:

a. es kaun nicht auf die mündliche Verhandlung erkannt werden, sondern dazu ist ein schriftliches Aktenstück über

286 die wechselseitigen Einreden und Allegationen der Par­ theien wesentlich nothwendig;

b. dieses Aktenstück, Schriftstück oder Protokoll, gleichviel wie es genannt wird, muß der die Partheieu anhörende

Richter im Beisein der Partheien verfertigen, und er

muß darin alle wechselseitige Allegationen aufnehmen; c. der Status causae ist, gerade wie es die Allgemeine

Gerichtsordnung verlangt, im Voraus entworfen (das Referat); ä. die Streitfragen, über welche Beweis aufgenommen werden soll, werden,

sowie es nach 8.76 des Anhan­

ges zur Allgemeinen

Gerichtsordnung

im ordinairen

Prozeß geschieht, am'Schluß des Protokolls niederge­

schrieben, nämlich in der Bestimmung: worüber und wo­

durch der Beweis erhoben werden soll. Alles dieses, nicht mehr und nicht weniger, ist der Gegen­

stand und Zweck eines Jnstruktionstermins nach der Allge­ meinen Gerichtsordnung. 3) Die Jnstruklionsprotokolle im alten Verfahren sind vollständig und zuverlässig, und geben dem richterlichen Ur­

theil eine sichere Grundlage; die in dem neuen Verfahren aufgencmmenen sogenannten Audienzprotokolle entbehren diese

Eigenschaften, weil sie in größter Hast und unter dem Vor­

trage der Partheie» niedergcschrieben werden.

Daher kom­

men öfter Auslassungen, Verwechselungen, Mißverständnisse

und Undeutlichkeiten, ja noch mehr: vor nicht langer Zeit

hat es sich sogar bei einem Obergerichte zugetragen, daß das gerade Gegentheil von Dem, was die Parthei gesagt hatte,

287 in das Protokoll, das nicht immer vorgelesen wird, geschrie«

den worden war.

Bei der nächsten Fortsetzung der sogenann­

ten mündlichen Verhandlung

brachte die betroffene Parthei

diesen Fehler zur Sprache, das Gericht aber konnte natür­

lich davon nichts mehr wissen und wollte auf seine schrift­ liche Akten fußen.

Da wendete sich

die Parthei an ihren

Gegner, ihn auffordernd, auf seine Ehre zu erklären: ob nicht das gerade Gegentheil von ihr gesagt worden sei.

Der ehren­

hafte Gegner antwortete mit einem „ich kann das nicht

leugnen." Bedenkt man nun, daß derartige Protokolle die Grund­ lage des künftigen Urtels, besonders in den folgenden In­

stanzen sind, so ist es in der That schwer, diesem Verfahren zu vertrauen.

Das summarische Verfahren ist ein verstüm­

melter schriftlicher Prozeß nach der alten Fasson; denn gerade der Schriftsatz (die Prozeßschrift), worauf so ausserordent­ lich viel ankommt, nämlich die Replik und Duplik, worunter

hier dasjenige Schriftstück zu verstehen ist, in welchem die Partheien ihre wechselseitigen Allegationen, technisch Replik,

Duplik, Triplik u. s. w. genannt, bei den Gerichtsakten nie#

derlegen müssen, wird von dem damit beauftragten Beam­ ten mit Hastigkeit im Gedränge verfaßt, und wird deßhalb lückenhaft, ungeordnet, unverständlich ja stellenweise selbst

ganz unrichtig, ist aber dennoch völlig beweiskräftig und die

Grundlage des Urtels. Jeder Unbefangene muß, Alles wohl erwogen, anerkenne»,

daß ein solches Prozeßverfahren für die Rechtssicherheit un­ genügend ja gefährlich ist,

und unmöglich die Grundlage

288 deS

künftigen

civilrechtlichen

Verfahrens sein

oder wer­

den kann. Ueberdieß wird dieser Prozeß entsetzlich vertheuert durch die unzweckmäßige Prozedur.

Denn da der alte Grundsatz

beibehalteu iß, daß wesentlich der Abgeordnete des Gerichts

die Prozeßacte aufnehmen muß, so sind beide Partheien ge­

nöthigt, in dem Klagebeantwortungs-Termine vor dem De-

putirten, der die Klagebeantwortung aufzunehmen hat, zu erscheinen.

Bringt nun der Beklagte, wie ihm freisteht, eine

schriftliche Beantwortung, so empfängt der Deputirte solche

im Termine aus den Händen des Beklagten oder dessen Bevollmächtigten, der Kläger oder dessen Bevollmächtigter

sieht zu, und der Deputirte nimmt darüber eine Registratur

auf, nach deren Vollziehung man wieder nach Hause reist. So eben kommt mir eine Sache von einem kleinen formir-

ten Land- und Stadtgericht vor, wo die in der l'/2 Meile entfernten Kreisstadt wohnenden Zustizkommiffarien prakti-

ziren dürfen.

In dieser Sache wegen einer Forderung von

mehr als 500 Thlr. kostet der Termin zur Klagebeantwortung: 1) Gebühren des für den Verklagten erschienenen Justiz-

kommissarius: a) für die schriftliche Klagebeant­ wortung ............................................ 2 b) Schreibgebühren für die Rein­ .

1 „

........

2 ,,

schrift und das Duplikat c)

.

d) Reisekosten auf 3 Meilen ä 1^.

3 „ ------------ 8

gifc.

289 Transport

8 SSfc.

2) Gebühren des für den Kläger erschienenen Ju-

stizkommissarius: a) Diäten

. 2 Atz,

............................

b) Reisekosten............................ 3 „

3) Gerichtskosten für den Termin

.

.

.

. ,

Zusammen .

.

5 2 „ 15

bloß dafür, daß die schriftliche Klagebeantwortung überge­ ben worden ist.

Wenn die Klagebeantwortung sowie die

Klage durch die Post eingeschickt werden dürste, was die Sache just eben so weit brächte als das Botengehen der

Zustizkommissarien, so würden die Kosten dafür in dieser Sache 12 Thlr. weniger betragen haben.

Z» der Sache

liegt kein Grund, warum die Partheien oder deren Bevoll­

mächtigten im Klagebeantwortungstermin persönlich zusam­ men kommen müssen.

290

ix. Der Bagatell - Prozeß. Difficile est satyram non scribere.. Der heutige Baga­

tellprozeß ist die siebente Klaffe des Konkurses der Justiz­ verwaltung.

Der Maffenkurator bietet allen Scharfsinn, alle

ihm ju Gebot« stehenden physischen und psychologischen Mit­

tel auf, die Kräfte der Masse zu verstärken, aber die Masse bleibt unzureichend, di« Gläubiger können nur verhältnißwäßig (in tributum) befriedigt werden, so sehr man auch

die vermeintlichen Schuldner der Masse drängt und treibt.

Der geneigte Leser wolle sich zuvörderst hier dessen erin­

nern, was ich vorhin

bei Gelegenheit der Klage über die

Behandlung der Richter, die für die materielle Jnsufficienz

aufkommen sollen,

S. 37 und flg., in Beziehung auf den

Bagatell - Prozeß angemerkt habe.

Diesem will ich noch Eini­

ges beifügen, um ersichtlich zu machen, daß der moderne Bagatell-Prozeß, wie er durch die Berordnung vom 1. Juni

1833 und die dazu gekommenen zahllosen Ministerialbefehle

jetzt vorgescbrieben ist, ein formloses Verfahren ist, waS weder -dem

Kläger noch

dem Verklagten

Rechtssicherheit

gewährt. 1) Jedes richterliche Erkenntniß soll die Entscheidungs­

Gründe angeben, so daß es sonst eine Nichtigkeit ist, wenn

291 der Richter gar keine Entscheidungsgründe angegeben hat*). Nur im Bagatell - Prozeß ist dieß kein Erforderniß eines voll­

ständigen und gültigen Richterspruchs, obwohl der Gegen­

stand, in Folge einer Klagecumulation, sich auf Hunderte

und mehr belaufen kann.

Denn die Vorladung des Verklag­

ten verurtheilt denselben zugleich in contumaciam auf den

Fall des Ausbleibens, ohne daß irgend ein Rechtsgrund dafür angegeben wird, warum aus den für wahr anzunehmenden

Thatsachen das Urtheil rechtlich folgen soll**).

2) Befindet der Richter, daß aus der il m vorgetragenen Klage der Anspruch nicht folgt, so weiset er den Kläger

ohne weiteres zurück, ohne daß davon der Gegner Etwas erfährt.

Diese Zurückweisung hat eben so wie in dem vo­

rigen Fall die Natur eines richterlichen Ausspruchs,

wird

aber nicht als ein solcher behandelt. Nicht ausschließlich der

ordentliche zweite Richter,

sondern zunächst das Kollegium,

welchem der selbstständige Richter angehört, soll zur Reme­ dur berechtigt sein***), ohne alle Fasson, man weiß nicht ob als zweite Instanz oder als was sonst.

Man kann sich

aber auch an den ordentlichen zweiten Richter wenden. Hier

wird uun die Sache nicht als eine Berufung

(Rekurs)

gegen einen Richterspruch behandelt, sondern als eine Be­ schwerdefache, in welcher der Richter als Parthei traktirt

und zur Rechtfertigung seines Verfahrens aufgeforderl wird. Wird die Beschwerde für begründet gehalten, so sollte man *) Verordnung vom 14. Dezember 1833, §. 5, Nr. S.

♦*) Verordnung vom 1

Zuni 1833, §. 68-

) Schering, der Mandats-Prozeß, Art- 528, S- 425 19*

292 denken, es sei die vorgeschriebene Resolution des zweiten Spruchrichters abzufassen, wodurch der Ausspruch des ersten

Richters aufgehoben und anderweit erkannt wird, zu welchem Zwecke nur vorher noch die in derKlage behaupteten That­ sachen ausgemittelt werden müßten.

Richter,

So ist es nicht.

Der

der selbstständige Richter erhält vielmehr Befehl,

die vorgeschriebenen Vorladungen zn erlassen und in seinem

Namen den Verklagten, sowie es der Kläger verlangt oder wie es etwa der Befehl modificirt, zu vernrtheilen*). Erscheint der Verklagte, und räumt die Thatsachen ein, bestreitet aber

den Anspruch,, selbst ohne sich eines Grundes bewußt zu sein, so weis't der Richter den Kläger natürlich wieder ab,

wie er es gleich anfangs gethan.

Nun haben wir drei ver­

schiedene Aussprüche eines und desselben Richters, über eine und dieselbe Rechtssache.

Der Erste lautet: wenn auch die

Thatumstände gegründet sind,

so ist der darauf gestützte

Anspruch doch unstatthaft, und der Kläger wird abgewiesen.

Der Zweite lautet: wenn die Thatumstände gegründet sind,

so ist der Anspruch zulässig, und der Verklagte wird für

schuldig erkannt u. s. w.

Der Dritte lautet:

Thatumstände als richtig zugestanden sind, spruch den Rechten nach doch nicht

Kläger wird abgewiesen.

obgleich die

so ist der An­

begründet, und der

Nun muß der Beklagte nochmals

den Recurs einlegen, und es erfolgt eine Resolution, wo­

durch der zweite Richter unmittelbar entscheidet. Wird hingegen die Beschwerde unbegründet befunden, *) Reser- vom 10. Oktober 1831 u. vom 15. Februar 1839. (Zust.Min.-Bl. 1839, S. 83.)

293 so wird freilich der Kläger abgewiesen,

sein Bewende».

und es

hat dabei

beliebten Verfahren er­

Allein nach dem

fährt davon der Verklagte kein Wort,

und darum ist es

möglich, daß 3) der Kläger vielleicht bei einem ander» Richter, wie

namentlich bei dem Institut der Kreis »Justizräthe, wo der Kläger die Wahl hat, ob er bei dem Kreis-Justizrath oder bei den« Bagatell-Kommiffarius des Oberlandesgerichts kla­ gen will, wirklich vorkommt,

und sonst auch bei Personal­

oder Wohnsitz-Veränderungen geschehen kann, sein Gluck von Neuem versucht, ihm

den

Einwand

ohne daß der Kläger im Stande ist,

entschiedener

rechtskräftig

Sache

zu

machen. 4) Die erste Vorladung an den Verklagten muß, wie falls er ausbleibt, dem

gesagt, bestimmen, was derselbe,

Kläger zu leisten ha^.

Dieß wird nach einem vorgeschrie­

benen Formular von 1834*) so u. s. w. nicht ii. s. w.,

ausgedrnckt:

liegt Ihne» ob,

„ Wenn Sie

dem Kläger die

eingeklagte Summe von .... binnen 14 Tagen zu bezahlen, widrigenfalls die Erecutio» ohne Weiteres auf den Antrag

desselben wider Sie verfügt werden wird."

Zur Verein­

fachung des Geschäfts soll es zweckmäßig sein, sowohl dem

Verklagten als auch dem Kläger gleich in der Vorladung

den Betrag der Kosten anzugeben,

den sie bei ihrem Aus­

bleiben an die Gerichtskasse zu bezahlen oder an de» Geg­ ner zu erstatten haben, und es ist 1837 ein zweites Formu-

*) Lahrb. Bd. 43, S. 529.

294 lar vorgeschrieben *), wonach die Urtelsformel lauten soll:

„Für den Fall u. s. w. liegt Ihnen ob,

dem Kläger die

eingeklagte Summe von .... binnen 14 Tagen zu bezahlen, auch sämmtliche Kosten, nämlich an Gerichtskosten

Thlr.

Sgr.

Pf. zu

Sgr.

Pf., und an Deserviten

Thlr.

erstatten, widrigenfalls die Erecution" u. s. w.

Unter den

„Deserviten" werden nämlich die außergerichtlichen Kosten

gemeint, welche theils aus Deserviten d. h. Anwaltsgebüh­

ren, theils aus verschiedenen andern Kosten und Auslagen bestehen,

Ganze.

es gilt mithin in diesem Muster ein Theil fürs

Dieß nebenher. Was jedoch eine Hauptsache: die­

ses Formular ist so weit davon entfernt, zur Vereinfachung

des Geschäfts zweckmäßig zu sein, daß es das gerade Ge­ gentheil, also zweckwidrig ist. Der Betrag der außergericht­

lichen Kosten läßt sich begreiflich nicht im Voraus bestim­ men, noch dazu ohne Wahrscheinlichkeitsberechnung durch

einen Dritten, wie der Richter ist,' der den Kläger gar nicht gefragt hat, wieviel dessen außergerichtliche Kosten muth« maßlich betragen werden.

Nicht einmal die Deserviten des

Anwalts sind genau vorauszuberechnen, weil man die noch

über das Pauschquantum zustehenden Schreibgebühren und Auslagen noch nicht kennt, ja selbst die Gerichtskosten las­

sen sich, trotz deS Pauschquantums, in sehr vielen Sachen wegen der noch unbekannten bäaren Auslagen,

noch nicht

im Voraus genau bestimmen.

Man kann sich daher kaum

etwas vorschnelleres denken,

als

*) Zahrb. Bd. 50, ®. 496.

ein solches Vorurtheil.

295 Wird nun von dem Richter eine beliebige Summe an „De« serviten" angenommen, so ist Streit und Schreiberei, also

gerade

Weiterung

statt Vereinfachung

Denn die außergerichtlichen Kosten,

die Folge

davon.

deren Zahlung ohne

spezielle Rechnung übrrdieß dem verklagten wider alles Recht anbefohlen wird,

da er sich darauf ja gar nicht speziell

anslassen kann, betragen alle Mal mehr als der Richter ins Ungewisse anzuuehmen beliebt;

in dem zum Urtel ge­

wordenen Befehl ist aber der Verklagte verurtheilt, sämmt­

liche Kosten,

nämlich n. s. w.

zu bezahlen,

das Urtel

spezifizirt mithin dasjenige, was er zahlen soll, mehr ist er aus diesem Erkenntnisse nicht schnldig.

Darüber erheben sich

dann unnütze Wcitläuftigkeiten.

5) Rach

einer andern Richtung hin hat diese Art, die

Erkenntnisse im Voraus zu machen, den Uebelstaüd, daß der Kläger den Inhalt nicht kennen lernt; denn Er seinerseits

wird nach dem vorgeschriebenen Formular bloß zum Termin norgeladen, oder laut Vorschrift auch nur mündlich bestellt, unter der Warnung,

daß wenn er ansbleibt und der Ver­

klagte den Anspruch nicht anerkennt, die Akten auf seine Kosten reponirt werden.

Wie der Verklagte in eventum

verurtheilt worden ist, wird ihm nicht gesagt.

Vorgeschlagen

worden ist*), solches in der Vorladung an den Kläger zu

thun, oder ihm eine Abschrift der an den'.Verklagten erlas­ senen Vorladung mitzutheilen.

Die erstere Methode würde

den Vorzug verdienen, weil eine

simple Abschrift beweis-

*) Schering, a. a. ü-, Formulare Nr. 25, S. 506.

296 unkräftig ist; indessen gehören solche willkuhrliche Nachhilfen immer nicht zum Verfahren, und außerdem fehlt es in Fäl­ len,

wo der Kläger für eine ganze Anzahl von Sachen

mittelst nur einer Verfügung vorgeladen wird, wie es ge­

schehen soll, wenn Jemand, z. B. ein Apotheker, Kaufmann n. s. w., mehrere Klagen gegen verschiedene Personen zu gleicher Zeit emreicht*), sowie wenn er nur mündlich be­

stellt wird, an dieser Benachrichtigung.

6. Erscheint in dem Termin der Kläger,

der Verklagte

aber nicht, so wird eine Registratur ausgenommen, in wel­ cher solches, und von dem Kläger der Antrag: die Vorla­ dung nun als ein Kontumacial - Erkenntniß anzusehen, ver­

merkt ist. Weiter geschieht nichts, die Akten werden nun re-

ponirt.

Daß die Vorladung in die Kraft eines Erkennt,

nisses übergegangen,

braucht dem Verklagten nicht bekannt

gemacht zu werden; er erfährt mithin nicht,

ob er für ver-

urtheilt gilt oder ob, was eben so gut möglich ist, der Klä­ ger ausgeblieben und die Sache bei Seite gelegt ist, bis ihm der Erecutor ins Haus kommt, indem nach Ministerialbestim-

mung auch nicht einmal der sonst vorgeschriebene monitorische Zahlungsbefehl (das Eommendement) der Erecution voraus­ gehen soll**).

Der Kläger seinerseits erhält eben so wenig

eine Urkunde, was noch schlimmer ist.

Die praktische Folge

davon besteht darin, daß wenn z. B. die Erecution fruchtlos

gewesen wäre > und erst nach 5 Jahren Erfolg verspräche,

*) Reser, vom 16. Mai 1842; bei Schering S. 430. **) Reser, vom rz. Septbr. 1840 (Just.-Min.-Bl. 1840, S. 315).

297 der Kläger abgewiesen wird; denn da ausdrücklich auch für

den Fall, wenn die Vorladung des Verklagten bei dem Aus­ bleiben desselben in die Kraft eines Kontumazial-Erkennt-

nisses übergegangen ist und die Befriedigung des Klägers nicht erhellt, die Kassation der Akten anbefohlen ist*), so sind die Gerichtsakten nun schon als Makulatur verkauft und der

Kläger kann keinen erecutorischen Titel vorlegen, hat viel­ leicht auch nicht mehr die Beweise, nm sich

von einem

neuen Prozeß Erfolg zu versprechen. Es scheint auf das Zweckwidrige dieses Verfahrens schon von andern Seiten her vergeblich aufmerksam gemacht wor­

den zu sein, denn man liest in einer gedruckten MinisterialVerfügung, vom 6. März 1838**1: „zu einer Aenderung des

Kontumazialverfahrens vorzuliegen.

scheint

kein

praktisches

Bedürfniß

Die Kontumaz und deren Folgen treten ein,

sobald der Verklagte im Termine nicht erscheint, was durch

die von dem Kommissarius darüber aufgenommene Registra­ tur konstatirt wird.

Wünscht der Kläger eine Be­

scheinigung darüber, so kann sie ihm der Kom­

missarius ertheilen".

Wieder eine Art Nachhilfe, die

das Verfahren nicht mit sich bringt, und auch dann erst ge­

währt werden soll, wenn der Kläger weiß, daß er sie wün­

schen muß, und auch just daran denkt,

solches zu thun.

Ueberdieß ist selbst die Bescheinigung zu weiter nichts nütze,

da für den gedachten Fall immer nicht die Erecution daraus

*) Rescr. vom 21. Februar 1812, bei Schering S. 185. **) Zahrb. Bd. 51, S. 150.

298 statthaft ist, weil das documentum relatum ldie Vorladung)

fehlt, und die Sache sich nicht übersehen läßt. Ist es hiernach nicht, als reichte der Justizverwaltungs­

stoff nicht für Alle völlig aus, und als müßten sich die Ba­

gatellkläger und Verklagten, wie die Concursgläubiger der siebenten Klasse, mit Dem begnügen, was noch für sie übrig

ist? Dabei passirt es, daß ab und zu auch ein Gläubiger einer bessern Klasse in der Hast hier hineingeworfen wird; denn wenn aus Irrthum daS Bagatellverfahren angewenhet

worden ist, und der Verklagte ausbleibt, so gilt die Vorla­ dung als ein Urtel, der Gegenstand mag so viel betragen

wie er will, und es soll nur da allein die Restitution dage­ gen übrig bleiben*), was ich indeß doch nicht glaube, auS

vielerlei Gründen, wozu auch der gehört, daß in der Vorladung

ein Urtel über ein höheres als ein Bagatellobject ohne Ent­ scheidungsgründe gegeben worden ist, und ein solches grund­

loses Urtel nichtig ist. Soll das Verfahren das Rechtsbedürfniß völlig befriedi­

gen, so muß es folgendes sein:

1. Auf die Klage müssen allemal Vorladungen erlassen werden, mag die Klage statthaft zu sein scheinen oder nicht.

Die Vorladungen werden unter der gewöhnlichen Prozeß­

verwarnung erlassen, wenn überhaupt die Warnungen bei­ zubehalten beliebt wird; im Grunde sind sie »»nöthig.

L. In der Audienz muß der Richter, auch in contuma­

ciam gegen den ausgebliebenen Verklagten, erkennen, was

*) Schering, a. a. O. S. 140-

299 er, die Thatsachen als richtig vorausgesetzt, für Recht findet,

und dieses Urtel mit Gründen in Gegenwart des erschiene­

nen Klägers aussprechen. 3. Darüber ist ein Akt zu fertigen (ein Protokoll aufzu­ nehmen).

4. Jeder Parthei ist davon eine Ausfertigung gehörig zu

instnuiren. 5. Bei der kontradiktorischen Verhandlung ist die Unter­

schrift der Partheien nicht nöthig; der Richter erkennt auf den mündlichen Vortrag was Rechtens, und fertigt auch hierüber einen Akt, wovon jedem Theil eine Ausfertigung zu instnuiren.

aoo

x. Der Strafprozeß. Die Gefährlichkeit des preußische» Untersuchungsvert'ahrens für die Rechtssicherheit bringe ich von Neuem in ($r>

inneriing. Die Beschwerden nnd Klagen der Angeschnldigten über Einseitigkeit und Vorurtheil der Inquirenten, über üble

Behandlung bei verweigertem Geständnisse, über Unvollstän­

digkeit und Ungenauigkeit der Protokolle über die Verueh-

mungeu, über verweigerte Ausnahme vorgebrachter Vertheidigungsmittel sind stehend,

und,

was die Hauptsache ist,

oft nicht ungegründet. Sind die Betroffenen nicht verhaftet, so suchen sie gewöhnlich durch Vorstellungen bei der Dienstbe­ hörde Abhilfe.

Zur Ansicht lasse

ich aus einer

solchen

Vorstellung, wie sie mir so eben ohne Auswahl vorkommt, den Hanpttheil hier folgen:

„Die Aussage des einen Zeugen ist uirs gar nicht be­ kannt gemacht worden, wiewohl dieses nach §. 343 der Cri-

minalordnung hätte geschehen müssen, da der heutige Termin

nach der Verfügung vom 15. December 1843 znm Schluß

der Untersuchung anberaumt worden war; dagegen ist uns aus der Aussage des andern Zeugen mündlich mitgetheilt

worden, daß er die Behauptungen des Denuncianten voll­

kommen bestättigt habe. Der Inquisitor berüchtigte uns frü-

301 her vorgebrachter Lügen auf Grund der Aussage deS Zeu­

gen H., weil wir die Behauptungen des Denuncianten der

Wahrheit getreu widersprechen mußten. Wir wendeten gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen H. Folgendes ein: 1) daß dieser Zeuge eigentlich derjenige sei, der am 19.

November v. I. Abends im Kretscham zu D. in unserm Beisein den Denuncianten gröblich beleidigt habe, und um

die Schuld von sich abzuwenden, er aus Furcht vor Strafe fein« eigene Schuld auf uns geworfen und fälschlich dem Denuncianten die Mittheilung gemacht habe, als hätten

wir ihn — den Denuncianten — »ijuriirt; 2) daß dieser Zeuge H. eventualiter der Zuträger der

Injurie sei, uud somit die Veranlassung zur Denunciation gegen uns gegeben habe, und 3) daß ich, der Johann B., gegen eben diesen Zeugen H. wegen mir am 19. November v. I. Abends im hiesigen

Kretscham zngefügten Beleidigungen

förmlichen Prozeß ge­

führt habe, in Folge dessen er nach Ausweis der Akten

des Königlichen Gerichts zu N. mit fünftägigem Gefängniß bestraft nnd zur Tragung und resp. Erstattung aller Kosten

verurtherlt worden ist. Damit wurden wir ebensowenig gehört, als mit nnserm Verlangen, ins Protokoll niederzuschreiben, daß, wenn wir

wirklich uns über die unrichtige Handlungsweise des Denun­

cianten, in seiner Eigenschaft als Gerichtsscholze, geäußert hätten, es doch in der Wahrheit bestände, daß er durch 6 Jahre 10 Monate, monatlich 5 Sgr., also 13 Thlr. 20 Sgr.

302 zuviel an Klassensteuer von dem Bauer St. erhoben habe,

welchen Betrag er auf Befehl des Königs. KreiS»Landraths eben dem ic. St. am 20. November v. Z-, also erst Tags

darauf, nachdem am 19. desselben Monats im Kretscham

Seiten des Zeugen H. von dieser Handlungsweise des De­ nuncianten zu uns gesprochen worden war, habe zurücker­ statten müssen, worüber wir »ns heute auf das Zeugniß

1) des Königlichen Kreis - Landrathes Herrn N. N.

2) des Bauer St. hierselbst berufen. Nichts von allen diesen, zu unserer Rechtfertigung, Ver­

theidigung resp. Entschuldigung dienende» Beweismittel», wurde ins Protokoll niedergeschrieben, wir wurden vielmehr zur

Unterschrift aufgefordert, ohne uns zufragen, ob wir zur Sache noch Etwas anzuführen hätten oder uns vertheidigen lassen wollten, und da wir bei dieser mangelhaften Untersuchung,

wie sich's von selbst versteht, unsere Unterschrift versagen mußten, so befahl uns der Inquisitor, uns sofort zu ent­

fernen, mit dem Bedeuten, daß es sich ganz gleich bleibe,

ob wir unterschreiben wollten oder nicht. Wir können diese Untersuchung, insbesondere das heu­

tige Verfahren des Inquisitors, um so weniger für gültig erkennen, als er gegen den §. 5, 343 und 344 der Crimi-

nalordnung verstoßen,

und die Vorschrift aus den Augen

gesetzt hat, mit gleicher Sorgfalt nach denjenigen Umständen

zu forschen,

resp, sie nach unserem Verlangen

iu'S Pro­

tokoll niederschreiben zu lassen, die wesentlich zu unserer

Rechtfertigung, Vertheidiguug und Entschuldigung gereichen. Ein ic. bitten wir ganz gehorsamst: dem Inquisitor hoch-

303 geneigtest aufzngeben, die Untersuchung zu vervollständigen,

unsere Defenstonalzeugen abzuhören, uns mit unsern Vor-

und Anträgen gelassen und bescheiden

zu hören, sie alS

wesentliche Bestandtheile des Nachweises unserer Unschuld

ins Protokoll niederschreiben zu lassen, und sodann erst die

Untersuchung zu schließen."

Ist der Angefchuldigte verhaftet, so ist er ganz in der Gcwa.lt des Inquirenten, er kann nicht einmal den gewöhn«

lichen Weg

der Beschwerde, wenigstens nicht ohne große

Schwierigkeiten und Hindernisse, betreten.

Bei sörinlichen Criminal-Untersuchungen hat der Ange­ schuldigte allenfalls noch eine schwache Stütze an dem Pro­ tokollführer, wenn ein solcher von Anfang und nicht erst, wie oft

geschieht, am Schluß des Protokolls zugezogen wird, indessen ist

auch dieser Rückhalt äußerst schwach, weil der Protokoll­ führer sehr viele Gründe hat, seinem Vorgesetzten nicht zu widersprechen.

Der letzte Hoffnungsanker bleibt ihm dann

noch die Unterredung mit dem Vertheidiger und der von dem Inquirenten verschiedene Referent, weil dieser vielleicht

liest und vorträgt, was in dem Unterredungsprotokoll und

in der Defension steht.

Allein vollends verlasse» ist man

bei den neuen summarische» Untersuchungen.

Denn diese

können, soweit sie polizeilich zu führen, von dem Inquiren­ ten allein, ohne Zuziehung eines Protokollführers, abgemacht

werden, es steht mithin ganz bei ihm, wie er die Protokolle fassen und was er daraus vorlesen will; er selbst ist es

endlich auch, der den Inhalt dieser Akten den beiden Kol­

legen des Spruchkollegiums vorträgt.

Wenn nun die Er-

304 fahrung gemacht worden ist und noch täglich gemacht wird, daß auch ohne alle Böswilligkeit sehr oft etwas ganz An­ deres, auch mehr oder weniger vorgetragen wird, als die Akten entkalken: so wird man eingestehen müssen, daß nicht

leicht ein schlimmeres geheimes Verfahren ersonnen werden

kann.

Es ist mit diesen summarischen Strafsachen wie mit

den Bagatellsachen: das Verfahren ist auf Kosten der Rechts­ sicherheit vereinfacht worden, weil die Kräfte der Justiz­

masse unzureichend sind. Daß die Strafen nicht so gar hoch ausfallen können, gilt, wie ich schon früher gesagt habe, gar nicht für einen Rechtfertigungsgrund, auch die geringste

Strafe ungerecht einem Unschuldigen zugefügt, ist ein Justiz­

mord. Ueberdieß müssen doch auch wol anderwärts die von den sogenannten summarischen Deputationen erkannten Strafen

das vorausberechnete Maß, in Folge der Concurrenz gleich­

artiger Vergehen, oft überschreiten, da durch eine Ministe-

rial-Verfügung vom 16. Januar 1844 (Minist.-Bl. S. 31) aus Anlaß einer Anfrage den Gerichten besonders bekannt

gemacht wird, was im Grunde nicht zweifelhaft ist, daß nämlich

das Zusammentreffen mehrerer Vergehen, deren

jedes Einzelne an sich zur Untersuchung im summarischen

Verfahren geignet ist, diese Form der Untersuchung nicht

ausschließe, wenn auch durch das Zusammentreffen der für die verschiedenen Vergehen verwirkten Strafen das in der Kabinels-Ordre vom 24. März 1841 bezeichnete Maß der

Strafe überstiegen wird.

Aber auch wenn nach Vorschrift der Criminal - Ordnung ein von dem Inquirenten verschiedener Referent die Sache

305 vorträgt, so ist auch dabei für die Rechtssicherheit noch wenig gewonnen, einestheils, weil die Aktenvorträge immer mehr oder

weniger unvollkommen sind, anderntheils, weil ein Theil der Richter während des Vortrags sich mit Decretiren oder an­ dern Dingen beschäftigt, und dadurch von der Sache abge­

zogen wird, so daß beim Votiren mitunter Lächerlichkeiten

vorkommen. Ich gestehe aufrichtig, daß wenn ich so unglücklich würde,

ingeklagt (zur Untersuchung gezogen) zu werden, wofür mich Gott in Gnaden bewahren wolle! und ich wäre unschul­ dig; so würde ich, wo möglich, landflüchtig.

Nichts in dem

ganzen Gerichtswesen und in der ganzen Nechtsverfassung

ist nothwendiger und zugleich dringender, als die Ein­

führung der Mündlichkeit; jede Stunde Verzug wirkt nach­ theilig. Hierbei komme ich auf meine schon im ersten Hefte ge­

machten Vorschläge in Beziehung auf das Geschwornengericht zurück.

Man hat gegen den S. 262 anerkannten Umstand

gesagt, „wenn ich diesem zwar historischen, für unsere Zeit aber unsinnigen Principe zu Liebe die Wahl von Geschwornen

auf die schon angestellten Richter fallen lassen will, — so muß Zeder, dem es nicht um einen scheinbaren, sondern wahr­

haftigen Fortschritt in unserm Staatsleben zu thun ist, aufs Entschiedenste und mit aller Kraft gegen ein Institut von Geschwornen protestiren,

die von der Regierung aus den

angestellten Richtern zu ernennen wären — "*). Ich wider-

*) Breslauer Zeit, von 1843 Nr. 157, S. 1247-

306 spreche nicht; aber eö ist unbestreitbares Berfassnngsrecht, daß

der König

der

alleinige Gesetzgeber

und

folglich auch seine Stellvertreter zu ernennen

Richter,

befugt ist;

ich bestreite es nicht und untersuche auch nicht die Entste­ hung, hoffe aber für mein Theil zuversichtlich, daß die Weis­ heit des Königs und seiner Rathgeber dieses Princip zu beseitigen wissen wird, wonachst sich das Uebrige ohne Zwie­

spalt und Conflict von selbst regelt.

Doch muß ich dabei

bleiben, daß auch die angestellten Richter, welche sich nur

nach ihrer subjeciiven Ueberzeugung, ohne Anwendung von vorgeschriebenen Beweisregeln, zu bestimmen haben, in so

weit wirkliche Geschworne sind, daher ich gegen den Ein­ wurf: wie es denn mit meinem Prinzipe, demzufolge ich mich für Richter-Geschworne erkläre, in den preußischen Rhein­

landen stehe, ob hier die Geschwornen nicht aus dem Volke

genommen würden, und ob es etwa Beamtete, angestellte Richter seien, — auf die rheinische» s. g. Correctionsgerichte

verweisen muß, die bloß aus Richter-Geschwornen bestehen

und (gegen Rückfällige) bis auf 10 Zahre Einsperrung und zugleich mehrere 1000 Fr. Geldbuße erkennen können, auch

werden überdieß zu den Geschwornen bei den Assisen aller­

dings auch Staatsbeamte genommen*).

Ich bitte wohl zu

bemerken, daß ich nicht behaupte, es müsse fust so fein; mir

kommt es zunächst auf Erringung der Einrichtung in ihrem Wesen an, die Ausführung nach Maßgabe der Wesenheit findet sich dann schon.

Indessen

gestehe ich freilich, daß

Code d’instruction criminell^ Art. 982.

307 wenn der Angeschuldigte bei dem Prinzipe der Geschwornen­ gerichte, wo Zeder nach seiner individuellen Meinung über

die Thatfrage urtheilt, nicht ein freies und unbedingtes Rekusationsrecht gegen die Geschwornen bis zu einer gewissen Grenze haben sollte, dieß eine sehr schlimme Einrichtung sein

würde, denn schon der Gedanke, daß man sich von Personen, welchen man nicht traut oder die wol gar Privathaß, den

man nicht immer nachweisen kann,-gegen Einen hegen, soll

richten lassen, ist entsetzlich: dieß ist gerade einer der Haupt­

gebrechen der jetzt bestehenden Einrichtung. Bei Dieser sollen

doch noch die Gründe, welche anzugeben sind, gewissermaßen schützen, wenngleich Das nicht viel sagen will,

da in sehr

vielen Fällen die nämlichen Gründe dem Einen für, dem Andern wider den Angeschuldigtrn vorgeblich gelten; indeß fehlt es bei dem Richter-Geschwornengericht selbst auch an

diesem Schein von Schutz gegen Willkühr.

Darum ist das

freie Rekusationsrecht unzertrennlich von dem Geschwornen­ gericht, folglich wird man nicht Richter-Geschwornengerichte,

bei welchen die freie Rekusation unausführbar ist, allgemein

einführen wollen.

Roch einen Umstand hebe ich hervor, der wol künftig durch eine veränderte Strafgesetzgebung von selbst wegfallen wird, aber bis dahin doch einer Berücksichtigung werth ist.

Die entmenschende Prügelstrafe, die zur Freude des Men­ schenfreundes so selten wie möglich von den Richtern ange­ wendet wird, kostet durch das beobachtet werdende Verfahren

dem Lande eine enorme Summe Geld.

Die Eriminalord-

uung schreibt nämlich im §. 261 vor, daß gleich nach der 20*

308 ersten Vernehmung die Leibes-Constitution des Angcschnl-

bißteit, und ob und welchen Grad der körperlichen Züchti­ gung derselbe ertragen könne, genau untersucht und beschrie­

ben werden solle; und im §. 432, daß am Schluß der Un­

tersuchung, wenn die zu erwartende Strafe in körperlicher

Züchtigung bestehet, die körperliche Beschaffenheit des Angcschuldigten in Rücksicht auf die Fähigkeit, die Züchtigung

ohne Gefahr zu erleiden, nochmals geprüft

werden soll.

Darunter versteht man mit Recht eine ärztliche Untersuchung.

Der Arzt erhält für jede Besichtigung auf die Person 4 Thlr. Wird nun nach dem Buchstaben verfahren, so erfolgt im

Laufe einer.langwierigen Untersuchung eine zweimalige Be­ sichtigung, welche 2 Thlr. für die Person kostet, und es

wird nachher gar nicht auf Züchtigung erkannt; in dem an­ dern Falle, wenn einmal auf Züchtigung erkannt wird, ist

man durch jene schon vor längerer Zeit geschehene Unter­ suchung keincsweges sicher,

daß der Sträfling die Schläge

werde ohne Gefahr für seine Gesundheit erleiden können, sondern es muß dann öfter noch

eine dritte Besichtigung

dazu kommen, wenn bis zum zweiten Erkenntniß

längere

Zeit verlaufen ist; »nd bei dieser als der eigentlich entschei­ denden Besichtigung zeigt sich dann eine Züchtigungsunfähig­ keit. Zu diesem Falle, wenn einmal auf Züchtigung erkannt

worden, sind dann 3 Thlr. umsonst ausgegeben, während in den meisten andern Fällen das Geld darum weggeworfen ist, weil gar nicht auf Züchtigung erkannt wird.

Darum

wird bei vielen Gerichten so verfahren, daß eher keine Be­

sichtigung vorgenommen wird, als bis wirklich auf Züchti-

309 gung rechtskräftig erkannt worden ist, und für den Fast, daß sich dabei eine Züchtignngsunfähigkeit zeigen sollte, ist

dann allemal schon in dem Erkenntnisse

Freiheitsstrafe substituirt.

eine angemessene

Durch diese verständige Praris

wird eine bedeutende Summe Geld erspart, es geschieht dem Gesetz viel besser Genüge, und die mögliche Gefahr für die

Gesundheit des Sträflings ist viel sicherer abgewendet, weil

in der Zwischenzeit seit der am Schluß der Untersuchung vorgenommenen Besichtigung bis zur Vollstreckung der Strafe

eine dem Sachunkundigen nicht wahrnehmbare Veränderung mit ihm vorgegangen sein kann, welche macht, daß die zu­ gefügten Schläge lebensgefährlich werden.

Dieses Verfah­

ren hat sehr vernünftige Gründe für sich und verdient all­

gemein beobachtet zu werden, selbst auf die Gefahr hin, daß einmal der Sträfling auf die Besichtigung einen Tag länger warten müßte, was indeß bei ordentlichen Gefängnißanstal­

ten, wo der Hausarzt alle Tage kommen muß, nicht ohne

Versehen vorkommen kann, was sich aber eben so gut auch dann zuträgt, wenn die Besichtigung am Schlüsse der Unter­ suchung erfolgt.

Ein Oberlandesgericht hat indeß durch eine an ein Inquisitoriat erlassene Verfügung vom Januar d. I. dieses

Verfahren verboten, und die Besichtigung vor dem Schlüsse der Untersuchung angeordnet.

Seitdem wird bei dem ge­

dachten Jrquisitoriat eine Menge Geld, woran es sonst zu

nothwendigen Dingen fehlt,

unnütz weggegeben, indem der

Inquirent, um sich möglichst gegen Vorwürfe zu sichern, die köroerliche Untersuchung in allen Sachen vornehmen läßt,

310 wo die Strafgesetze überhaupt nur von der körperlichen Züchtigung reden, indem er immer nicht wissen kann, wie

erkannt werden wird. Man kann annehmen, daß unter zehn Sachen, welche, weil oft mehrere Personen darin vorkom­ men, 15 bis 30 Thlr. Besichtigungsgebühren kosten, vielleicht

nur eine oder zweie sind, in welchen wirklich auf Schläge

erkannt wird; und dann muß mitunter zuletzt doch noch eine Besichtigung eintreten, so daß die erste ganz und gar nutzlos ist.

311

XI.

Das Mkilitakr - Justizwefen.

Die Mängel der bestehenden Preußischen Militair-Straf­

rechtspflege sind größtentheils in der schätzbareti Schrift „Andentungen zu einer Reorganisation der Preußischen Militair-

justiz, aus den nachgelassenen Papieren eines alten Militairs, von Dorow, Leipzigs 1843," und in den „Bemer­ kungen über die Preußische Militairgerichtsbarkeit," in Bie­

dermanns deutsche Monatsschrift für Litteratur und öffent­

liches Lebe», Nvvemberheft

1843, S. 401 und flg., aufge­

deckt, mancherlei ist jedoch noch nicht hervorgehoben und ich unternehme es deßhalb, mit Zuhilfenahme der eigenen Er­

fahrung die außerordentliche» Gebrechen der in Rede stehen­ den Justizverwaltung kurz zusammenzustellen und die nach meiner Einsicht zweckdienlichen Vorschläge zur Verbesserung

des Zustandes beizufügen. Die vorhin genannten Schriftsteller finden in der Mili­

tair-Justiz nicht die geringste Garantie gegen die gröbsten

materiellen Rechtsverletzungen, der Verfasser der „Bemer­

kungen ic.“ bei Biedermann spricht den Kriegs- und Standgerichten jede Selbstständigkeit und richterliche Würde ab und bezeichnet sie nur als ein Spielwerk in den Händen

der Auditeure, S. 403.

Dieses Urtheil ist zutreffend, denn

es muß behauptet werden, daß die Kriegs- und Standge-

312 richte überhaupt gar keine Gerichte, sondern blosse begutach­

tende Militairkommando's sind, bei deren Gutachten der Au» diteur Alles thut. Das charakteristische Merkmal eines jede«

Gerichts überhaupt ist nämlich die Befähigung, ein richterliches d. h. einen Ausspruch zu thun, dessen

Urtheil abzufassen,

Kraft und Wirksamkeit von dem Willen irgend eines Andern

völlig unabhängig ist. Das können die Kriegs- und MilitairGerichte nicht, vielmehr sind sie nur befugt, bloße Entwürfe zu Urteln zu machen,

gleichwie gewisse Untergerichte die

Befugniß haben, in Criminal-Sachen, welche ihrer Competenz entzogen sind, ein Urtel zu entwerfen und dem kompe­ tenten Richter vorzulegen*). Kein einziges kriegs- oder stand­

gerichtliches Erkenntniß hat ohne Besiättigung irgend eine

rechtliche Wirkung.

Die Bestättignng erfolgt theils von deS

Königs Majestät, theils von dem Kriegsminister, theils von

den kommandirenden Generalen, theils von den Divisions >

Kommandeuren, theils von andern Befehlshabern.

Diesen

wird ein vollständiger Vortrag mit gutachtlichen Vorschlägen

gemacht, und sie verfahren darauf nach ihrem Befinden. Das entworfene Erkenntniß kann selbst ganz bei Seite ge­

legt (aufgehoben) werden, was nicht selten geschieht; doch

ist dazu alle Mal die Königliche Zustimmung nothwendig. Hieraus

erhellet, daß die Kriegs- und Standgerichts

nur uneigentlich den Namen der Gerichte führen; das eigent­

liche kompetente Militairgericht oder der Richter ist diejenige

Person, welcher die Bestältigung des Entwurfs zum Erkennt-

*) Criminal-Ordnung

513.

313 niß rechtlich zustehet.

Ordentlich

organisirte wirkliche Mili-

tairgerichte bestehen so nach gar nicht.- Dieß ist ein Haupt­ übelstand.

Jeder Angeklagte wird endlich immer nur von

einer einzelnen Person gerichtet, die weder ihn selbst gesehen

oder angehört, noch auch die Akten gelesen hat: ste urtheilt lediglich nur nach dem ihr gehaltenen mündlichen Vortrage.

Ein zweiter Hauptübelstand beruhet in der Art und Weise, wie die Vorarbeiten für jenen, dem wirklichen Richter zu haltenden, Vortrag, nämlich die Untersuchung und die Gut­

achten bewerkstelliget werden.

Dieses Verfahren ist aus einer

Reihe von Gebrechen zusammengesetzt. Die Mängel lassen

sich in zwei Gruppen scheiden: in solche, welche sich in den Zuständen und Verhältnissen der handelnden Personen fin­

den, und in solche welche die Handlungen betreffen.

I. Die in einem Criminal- Prozeß gegen einen Militair handelnd auftretenden Personen sind außer dem Angeklagten:

1) Derjenige Militair-Vefehlshaber, welchem in dem Falle die Gerichtsbarkeit zusteht.

Dieser beschließt und befiehlt,

mit Zuziehung des Auditeurs oder untersuchungsführenden

Offiziers, die Eröffnung der Untersuchung. 2) Der Inquirent.

Dieser ist in allen Untersuchungen,

welche nicht von einem nur mit der s. g. niederen Gerichts­

barkeit versehenen Befehlshaber angeordnet sind, ein Audi­

teur; sonst ist es ein Offizier.

technischen

Von den Auditeuren, diesen

Militair - Justizhadienten,

sagen Dorow

und

Biedermann a. a. O., es sei für einen großen Mißgriff

zu halten,

daß die Anstellung und Beförderung

derselben

fast ganz allein in den Händen des General-Auditeurs ruhe,

314 der dadurch ein höchst gefährliches Uebergericht über die ihm untergeordneten

Beamten

erhalte, was von umsogrögerem

Einfluß sein könne, als er, als Dirigent des General-Auditoriats,

bei Revisionen,

bei

Anfrage»,

bei

zweifelhaften

Rechtsfällea, bei Auslegungen der Gesetze», s. w. eine ent­ scheidende Stimme habe.

Ausser den Rücksichten, welche die

Auditeure gegen den General-Auditeurzu beobachten haben,

wären sie auch noch genöthigt, sich mit ihren militairischen Vorgesetzten auf einen guten Fuß zu stellen, da sie zu dem­

selben in einem Subordinationsverhältniffe ständen und selbst dann

einen

unbedingten

Gehorsam zu

leisten verpflichtet

wären, wenn der Gerichtsherr Anordnungen treffe, welche die bestehenden

Gesetze wesentlich verletzen.

Der Auditeur

sei also nicht einmal, wie der Patrimonialrichter, eine selbst­ ständige Gerichtsperson, sondern er sei nur das willenlose

Werkzeug in der Hand des Gerichtsherrn, der, mit den Gesetzen unbekannt, vielleicht aus Laune und Partheilichkeit

dagegen fehle, und dessen Befehl der Auditeur sich unbedingt zu fügen habe, da ihm in solchen Fälle» kein anderes Mit­

tel, als ein Recurs an das Generalauditoriat übrig bleibe.

Da dergleichen Conflicte zwischen den Auditeuren und ihren

Gerichtsherren nickt gern gesehen würden,

so suche man

denselben, wenn sie häufig vorgekommen seien, durch Ver­

setzung der betreffenden Auditeure für die Zukunft vorzu­ beugen, und Dieß sei ein Mittel mehr, um einen Auditeur

gegen den Willen seiner Vorgesetzten nachgiebig zu machen, wenn er vielleicht aus Familien- und Privatrücksichten einen Garnisonwechsel nicht wünsche.

Diese Nachgiebigkeit werde

315 aber auch noch dadurch vermehrt, daß selbst die Besoldung der Auditeure nicht nach festen Grundsätzen geregelt, son­

dern der Willkübr überlassen sei, und di« Gehaltserhöhungen nicht immer an das Dienstalter gebunden seien, sondern von den Vorschlägen abhingen, welche das Auditoriat dem KriegS-

ministerium in dieser Beziehung mache. Da der Gerichtsherr über die ihm beigegebenen Auditeure auch geheime Condui-

tenlisten einreiche, so sei die Stellung der Auditeure eine so unangenehme, so vielfach beschränkte, daß es nicht Wunder

nehmen könne, daß sich befähigte, selbstständige Männer, die von dem Gefühle der Unabhängigkeit der richterlichen

Würde

durchdrungen seien,

nicht gern

der militairischen

Praxis widmeten, und daß in der Armee, trotz der Cabinetsordre vom 26. August 1829, welche eine höhere wissen­

schaftliche Befähigung für die Auditeure vorschreibt, noch immer ein

Vorurtheil gegen die Brauchbarkeit

derselben

bestehe." — Hiermit bin ich völlig einverstanden. Die Audi­ teure sind wesentlich nichts anderes als die Sekretaire der Gerichtsherren, wozu sich befähigte Männer nicht gern her­ geben mögen. Die untersuchungsführenden Offiziere werben ganz nach

Willkühr des Gerichtsherrn zu ihrem Geschäft berufen und davon wieder entfernt, und bleiben in einem streng dienst­

lichen Subordinationsverhältnisse.

Biedermann a. a. O.

S. 406 fügt hier bei, daß diese Offiziere mitunter aus Pri«

vatrücksichten, um ihnen vielleicht, wenn sie verschuldet oder verheirathet sind, eine kleine Zulage zu verschaffen, erwählt

werden, und daher mitunter weder durch ihre Bildung noch

316 durch ihre Charakiereigenschasten dazu befähigt sind.

In

vielen Fällen beauftragen die Gerichtshcrren ihre Adjutanten

mit dem Justizdienst.

Diese Offiziere sind mithin in allen

Fällen bereitwillige Vollstrecker des Willens ihres Gerichts-

Herrn und Vorgesetzten. 3) Die Gutachter, nämlich die sogenannten Richter bei den Kriegs- und Standgerichten.

Diese sind Alle Militair-

Personen, bis auf den Auditeur, wenn der Fall einen sol­ chen erfordert.

Was bei Biedermann a. a. O. in Bezie­

hung auf diese Gutachter gesagt wird, bedarf keiner weitern Bekräftigung noch Ausführung.

Es heißt S. 402: „ man

kann sich kaum etwas Widernatürlicheres denken, als

von

rechtsunkulidige», zum Theil völlig ungebildeten Richtern zu

verlangen,

daß

sie

die feinen Unterscheidungen

erkennen

sollen, welche die Bcweistheorie erfordert, welche Letztere ordentliche und außerordentliche Strafen, völlige, vorläu­ fige und Freisprechungen aus Mangel an Beweisen mit sich

führt.

Es werden bei den Preußischen Kriegs- und Stand­

gerichten an die Urtheilskraft rechtsunkundiger, ungebildeter Richter Anforderungen gemacht, die selbstJuristen von Fach nur

mit Schwierigkeiten zu lösen vermögen, und diese Schwierige

leiten noch dadurch erhöht, daß das Richterpersonal ludji nur über die verschiedenen Nüancirungen der Schuld oder

Unschuld der Jnkulpaten zu entscheiden hat, sondern daß et auch nach den Bestimmungen der verschiedenartigsten Rechts-

bücher, nach unzähligen Kabinetsordern, Declarationen, Oll servanzen, Reskripten, ja selbst, in manchen Fällen, nacl

alten, außer Kraft gesetzten Reglements das Urtheil finde»

317 Aid das Strafmaß bestimmen muß".

S. 410 wird als

traurige, die Würde des Gerichts herabsetzende Erscheinung, welche man bei den Kriegs- und Standgerichten leider so oft sehe, mitgetheilt, daß einfältige Rekruten, weil man sie

vielleicht noch nicht in die Parade einstellen will, vorzugs­ weise zu Gerichtsbeisitzern kommandirt werden. Ist es nicht eine ungeheure Ironie, von solchen Perso­

nen ein Rechtsgutachten zu erfordern: wie gegen einen An­ geklagten zu erkennen sei?

Weiterhin wird sich zeigen, wie

es damit geht.

II.

Die Handlungen, durch welche ein solches Rechts­

gutachten vorbereitet und zu Wege gebracht wird, oder daS Verfahren ist folgendes:

1) Die Untersuchung wird geheim, nach den Vorschriften der Criniinalordnung von 1805 geführt,

aber wie?

Die

Untersuchungen der Eivilgerichte sind hiergegen ein wahres Paladium der Unschuld und des Rechts.

Bei den c vilge-

richtlichen Untersuchungen besteht doch das Gericht aus zwe Gerichtspersonen,

von welchen die Eine der Andern die

Aussagen der eben vor Gericht stehenden Personen laut in die Feder diktirt, so daß die vernommene Person kontroli-

ren und den Abweichungen, Ungenanigkeiten oder Unvoll­ ständigkeiten auf der Stelle entgegentreten kann.

Bei den

Militairgerichten aber ist der Auditeur, dem nur ein oder

zwei Offiziere als Beisitzer zugeordnet werden, ganz allein

thätig bei der Nicderschreibung der Aussagen.

Run denke

man sich eine mehrere Stunden dauernde Vernehmung, bei welcher der Auditeur still für sich das Protokoll schreibt,

318 und zuletzt die nicht selten rasche und undeutliche Ablesung des bogenlangen Protokolls, welche Ablesung, wie wohl zu

merken, eben Derselbe, der das Protokoll geschrieben hat,

verrichtet, ohne daß ein Anderer sieht, was wirklich darin steht.

Frage: welche Sicherheit gibt es hier dafür, daß das

Protokoll ganz genan die Aussage der abgehörten Person,

nicht mehr und nicht weniger und auch unverändert enthält? Ist eS nicht entsetzlich, zu wissen, daß von derartigen, von abhängigen und nicht immer ausgezeichnet befähigten Per»

fönen

anfgenommenen Protokollen Ehre,

Leben, Freiheit

und Vermögen, kurz alle irdischen Güter abhängen? Und nun muß

mungen,

man erfahren haben, selbst

ohne alle

wie dergleichen Verneh­

Böswilligkeit, ausfallen.

wenn nun erst der Wille als Factor dazu kommt!

Und

So ein

Inquirent kann, unter gegebenen Umständen, einen Feder­

strich machen und mit dem „alten guten Gottlieb Cooke"

sagen: „nun ist er todt!" Ein Vertheidiger, welcher wegen der Gefährlichkeit des Verfahrens für seinen eines Capital­

verbrechens grundlos angeschulbigten und voreilig zur Cri-

müialuntersuchung gezogenen Clienten einigen Vernehmungen

beiwohnte, führte darüber Beschwerde und sagte unter An­ dern Folgendes:

„ Die Protokolle sollen ein treues Bild von dem Hergänge bei der Vernehmung und von dem Benehmen der erzählen­

den Personen geben, damit der erkennende Richter, welcher

bei dem geheimen und schriftlichen Verfahren die sprechenden und handelnden Personen nicht selbst sehen und höre» kann,

doch einigermaßen in den Stand kommen soll, sich die Zeu-

319 gelt und Angeschuldigten in ihrem Benehmen bei ihren Aus­ sagen vorznstellen. Zu diesem Zwecke soll der Inquirent:

a) nach §. 320 der Criminal - Ordnung eine zusammen­ hängende und umständliche Erzählung abfordern und getreu

und vollständig, auch soviel möglich mit des Zeugen eigenen

Worten niederschreiben, und sodann über erhebliche Umstände

noch spezielle Fragen

vorlege» und züederschreiben, hier-

nächst aber b) nach §. 326, wenn sich tu der Aussage auf die vor­

gelegten Fragen ei» Widerspruch mit Demjenigen, was er etwa schon zuvor in der summarischen Erzählung bekundet hat, zu äußern scheint, Vorhaltungen darüber mache», und

die Antworte» darauf ebenfalls in das Protokoll nieder­ schreiben; und

c) nach §. 320, in keinem Falle Suggestiv-Fragen, d. h. Fragen, worin die Antwort schon liegt (gewöhnlich solche, worauf bloß mit Ja oder Nein geantwortet zu werden braucht),

oder verfängliche Fragen vorlegen. Wird so verfahren, so wird in der Regel jedesmal aus

dem Protokolle doch einigermaßen zu erkennen sein, in wie­ fern der Abgehörte geordnete Vorstellungen

hat und nach

Maßgabe seiner Fassnngsgabe glaubwürdig sein kann. Die Methode des Herrn Inquirenten weicht hiervon ganz ab.

Er fährt den Zeugen mit den speciellen Fragen mitten

durch die summarische Erklärung, ohne Beides niederzu­ schreiben, und unterbricht sie; er combinirt aus dem Da­

zwischenfragen und den darauf erhaltenen meistentheils aus

Ja und Nein bestehenden Antworten eine zusammenhängende

320 Erzählung in einem wohlgeordneten blühenden

abgerundeten Sätzen und Perioden.

Styl mit

Ich berufe mich auf

die Protokolle: ob darin der natürliche schlichte und einfache Vortrag, wie er Leute aus der niedern Volksklasse eigen

ist, von einem einzigen Zeugen aus dieser Klasse zu finden ist.

Diese Methode ist jedoch höchst gefährlich,

denn die

Aussagen verlieren ihre ursprüngliche Natur und nehmen

eine fremde Färbung nach den Voraussetzungen oder Mei» nungen des Uebersetzers an.

Hiervon könnte ich eine An­

zahl Beispiele aufzählen; ich beschränke mich aber auf We­

niges : 1) Soviel ich errathen habe, ist der Umstand erheblich: ob es in dem abgebrannten Schafstall bei Tage dunkel und

wie dunkel gewesen; je dunkler je günstiger für die Verthei­ digung des Angeschuldigten.

Der Zeuge O. sagte auf die

Nachfrage nach der Art des Lichts im Stalle:

„es war

sehr dunkel", und auf mehrmals wiederholte Frage wieder­

holt: „es war sehr dunkel."

Es wurde aber immer die

Frage wiederholt: wie dunkel es gewesen; worauf der Zeuge denn auch einmal sagte: „es war ziemlich dunkel."

Nun

aber steht in der zusammenhängenden Erzählung, wie man

sie im Protokoll liesst, nicht, was der Zeuge mehrmals ge­ sagt hatte: „es war sehr dunkel", sondern nur, was er endlich auch einmal gesagt hatte: „es war ziemlich dunkel."

2) Derselbe Zeuge antwortete auf die Nachfrage:

wie

die Beleuchtung des Schafstalles in der Nähe der Thüre, wenn

diese

Worten:

offen

stand,

beschaffen gewesen,

mit diesen

321 „da war es in der Nähe der Thüre hübsch hell, aber

nach den Enden blieb es doch dunkel." Hieraus ist in der schön stylistrten Erzählung geworden: es war ganz hell u. s. w.

3) Die Zengin G-, erheblich

scheinenden

die einzige Person,

welche

einen

Umstand gegen den Angeschukdigten

behaupten will, welche aber nach der Behauptung des Letz-

lern eine falsche Zeugin ist und mit dem Angeber unter einer Decke spielt, — diese Zeugin wurde am 9. d. M., und nachher nochmals am 11. d. M. vernommen.

Am 9. be­

hauptete sie: die Thüre, durch welche der Angeschuldigte in den Stall gegangen, habe offen gestanden, und daher habe sie denselben, im Stalle mit dem Schäfer sprechend, stehen

sehen.

Am 11. aber sagte sie aus: sie wisse nicht, ob die

Thür, durch welche der Angeschuldigte in den Stall gegan­ gen, offen gestanden habe, oder nicht. Es ist von höchster Wichtigkeit, die Unglaubwürdigkeit

dieser Person durch ihre eigenen Widersprüche, in welche sie

sich verstrickt, nachzuweisen.

Der Widerspruch wurde ihr

also zur Erklärung vorgehalten.

Aber wie verfuhr der In­

quirent dabei? Als die Zeugin auf die Vorhaltung stockte und um die Antwort verlegen war, dann aber sagte: sie wisse es nicht mehr, es sei schon so lange her, da sagte der Inquirent, welcher der Meinung zu sein schien, als sei es

seine Aufgabe, den Widerspruch befriedigend und unbescha­ det der Glaubwürdigkeit aufzulösen, zu der Zeugin:

Was wissen Sie nicht mehr, wissen Sie nicht mehr:

ob dqs ganze Thor mit beiden Flügeln, oder ob nur 21

322 Ein Thorflügel, oder die in dem tüten Flügel befind­ liche kleine Tl'üre offen war? Auf diese der Zeuge« sehr willkommene Suggestiv-Frage

antwortete sie alsbald mit einem lauten Ja. Diese Auflösung des

Noch mehr.

Widerspruchs wollte er sogar durch

AuSstreichung und Einschaltung im Protokoll an der betref­ fenden Stelle bewirken, so daß, wenn dieß geschehen wäre, nicht einmal das Dasein des Widerspruchs aus den Akten zu

erkennen gewesen wäre. Erst auf meine Protestation hiergegen trug er die Erläuterung iw Protokolle nach; aber auf welche

Weise die Erläuterung entstanden, und die von dem Inqui­ renten vorgelegte Suggestiv - Frage ist nicht in das Pro­

tokoll viedergeschricben worden.

Es ist nicht bloß eine Befugniß, sondern die Schuldigkeit

des Vertheidigers, darauf zu wachen, daß die Aussagen vor­ schriftsmäßig zu Protokoll genommen werden.

Dieser Pflicht

gemäß wollte ich mir am 9. Juni, bei Vernehmung der Zeu­ gin W., einen Antrag in Beziehting auf das Protokoll er­

lauben,. ich hatteiedoch denselben eben erst begonnen und meint

Gedanken noch lange nicht vollständig ausgesprochen, als ich von dem Inquirenten schon durch den Bescheid unter­ brochen wurde: das Protokoll geht Sie nichts an, das ist meine Sache.

Ganz natürlich war ich darauf ganz still, weil gegen ei­

nen abweisenden Bescheid für den Augenblick nichts zu thun ist, sondern auf dem gesetzlickM Wege Remedur gesucht werbett muß; der Inquirent war aber nach ausdrücklicher Vor­ schrift der Eriminal-Ordnung §. 39, wo es heißt:

32S „ Damit das Verfahren des Richters vollständig übersehen und geprüft werden könne, muß über Alles, was ;»m

Zwecke der Untersuchung verhandelt wird, jederzeit und ohne Ausnahme ein Protokoll ausgenommen werden, "

verpflichtet,

zu solchem Zweck mein Ansuchen und seinen

Bescheid in das Protokoll zu schreiben.

DaS hat er wieder

nicht gethan, und ich habe nachträglich, um es wenigstens aus den Akten ersichtlich zu machen, durch Verweigerung

meiner Unterschrift erst einen Vermerk darüber erzwingen müssen.

WaS an jenen Bescheid sich nun noch anreihete, das will

ich, weil es mir nur auf die Sache ankommt, so lange über­ gehen, als es im Jntertsse der Sache und der Vertheidigung nicht nothwendig wird, von Uebereilungen und Persönlichkeiten

Gebrauch zu machen." 2.

schwert.

Die Vertheidigung

wird nach der Möglichkeit er­

Bei keinem Verfahren in der Welt ist dem An­

geschuldigten ein Vertheidiger nothwendiger als gerade bei

den militairgerichtlichen Untersuchungen;

aber selbst

diese

einzige Beruhigung wird ihm nicht vollständig und nicht mit

derjenigen Freiheit, wie sie eine ordnungsmäßige Verthcidignng erfordert,

gewährt,

gleichsam als wollte

man

die

Rechtlosigkeit des Menschen, der das große Unglück hat, vor ein Militair- Gericht gestellt zu werden, möglichst voll­ kommen machen.

Wegen gemeiner Verbrechen und Vergehen gelten hin­

sichtlich der Vertheidigung die Bestimmungen der Crimiual-

Ordnung ; es soll mithin,

nach der Vorschrift, dem Ange21*

324 schuldigten die Wahl eines Vertheidigers, von Anfang der

Untersuchung, freistehen, und ein solcher Vertheidiger hat

dann die Befugniß, sich zu allen Zeiten mit dem Augeschuldigten zu untergeben und den Vernehmnugeli beizuwohnen. Zn der Anwendung ist es jedoch ganz anders.

Der Fall

mag wol überhaupt unerhört fein, daß eine angeklagte Militairperson von der gesetzlichen Befugniß, sich von Anfang

einen selbstständigen, unabhängigen Vertheidiger zu wählen, Gebrauch macht, zumal wen» sie zum Stande der Unter­ offiziere und Gemeinen, die schon wegen des Subordinations­

verhältnisses keine vollkommene Willensfreiheit haben, gehört;

allenfalls mag es Vorkommen, daß ein angefochtener Offizier

diesen Schein von Schlitz ergreift.

Ereignet sich ein solcher

Fall, so ist es dem Auditeur, dem dieß vielleicht zum aller­

ersten Male in seinem Leben passirt, höchst zuwider, das

Verhältniß ist ihm ungewohnt, er sieht, zumal wenn seine Befähigung manches zu wünschen übrig läßt,

den Verthei­

diger für seinen natürlichen Feind an, tritt ihm von Anfang

taktlos und feindlich entgegen, verhindert so viel wie möglich,

sich in die Karte sehen zu lassen und ihm zu folgen, nimmt die Anträge und Gesuche des Vertheidigers schief auf und sucht den lästigen Zeugen allenfalls durch Anzüglichkeiten,

wo

nicht gar durch grobe Beleidigungen, ganz zu entfernen oder

doch abzuhalten.

Hierzu bringe ich einen Belag und bitte,

mir zu erlauben, die Beschwerde eines Vertheidigers über den Auditeur in einem solchen Untersuchungsfalle mitzu-

theilen:

„Die Untersuchung wider den NN., welche in ihrer An-

325 läge wie in ihrer bisherigen Behandlung eine Merkwürdig­

keit der geheimen schriftlichen Znquisitionsprariü ist und kei­ nen ungewichtigen Beitrag zur Lehre der Gemeinschädlichkeit und Gefährlichkeit des geheimen schriftlichen Verfahrens zu liefern verspricht, wird in einer Art geführt, daß der An­

geschuldigte zu Beschwerden genöthigt ist; und ich bin alS sein Vertheidiger verbunden, diese Beschwerden »ach seinem

Auftrage schon jetzt aktenmäßig zu mache» und zur Remedur

anzubringen;

denn

Pflicht gemäß, um nicht allein

ich will und

werde,

meiner heiligen

kein erlaubtes Mittel unangewendet lassen, die durch die bis dahin ungerechtfertigte

Einleitung einer solchen Untersuchung angetastete Unbeschol­ tenheit des Mannes zu retten, sonder» auch die Reinbeit

und Klarheit seiner Unschuld vor einem trübenden Anhauch, wo möglich, zu schützen.

I. Schon vor den am 9. und folgende Tage in B. und S. stattgefnndenen Zeugenverhören hat sich

ein Vorurtheil

hier in R. dadurch geltend zn machen gesucht, daß mit be­

denklichen Mienen einzelnen Personen insinuirt worden, lägen sehr gravirende Umstände wider den

Akten vor.

es

RN. in den

Durch diese unerlaubten Insinuationen einsei­

tiger Meinung oder Ansicht wird auf die öffentliche Mei­

nung zum Schaden und Nachtheil meines Defendendus influirt, und möglicherweise können selbst seine künftigen Richter ganz unbewußt von diesem in Umlauf gebrachten angeblichen

Akten - Inhalt,

der

mir,

seinem

Vertheidiger,

bisher

auf das Sorgfältigste verheimlicht worden ist, eingenommen

werden und sich ein Urtheil bilden, welches wider Wissen

326 und Wollen ihrem künftigen Ausspruch eine Färbung gibt. So lange es nicht durchaus nöthig wird, will ich keine Per«

soncn nennen, welchen derartige Aeußerungen zugegangen sind, auch nicht die Quelle bezeichnen, aus welcher sie ge­

flossen, weil ich sorgfältig jede Persönlichkeit vermeiden will

und nur die Sache verfolge, diese aber auch verfolgen muß.

II. Der Angeschuldigte beschwert sich über die große kangsamkeit und Verzögerung der Untersuchung.

In den

drei Tagen vom 10. 11. und 12. d. M. sind in B. und S.,

außer der Besichtigung der unbedeutenden Localität, nur 7 Zeugen sich müßte mich irren, wenn es 8 wären) vernom­

men worden; und obwohl noch mehrere Zeugen oder Personen daselbst sind, welche vernommen werden sollen, so hat der Untersuchungsrichter doch die Untersuchung abgebrochen, ist

zurückgereist und beabsichtigt,

nach seiner Aeußerung, die

weite Reise dahin nach einiger Zeit wieder zu machen. Dazu

ist in der Sache durchaus kein Grund; nach der Versicherung des Angeschuldigten aber hat der Untersuchungsbeamte diesen Plan schon von Anfang gemacht und zwar aus Gründen,

die den Angcschnldigten sehr frappirt haben, und welch« er mir zu dem Zwecke mitgetheilt hat, anznzeigen.

um sie zu den Akten

Dieses will ich mir für den Fall vorbehalten,

wenn mein unten folgendes Perhorrcscenzgesuch abgeschlagen werden sollte.

III. Der Untersuchungs-Richter erschwert die Vertheidi­ gung gegen Humanität und Recht dadurch, daß er mir ver­ weigert hat, mich durch Einsicht der Akten, selbst in seiner

und der Herren Beisitzer Gegenwart, zu infvrmiren.

Die

327 Criminal - Ordnung schreibt zu

dem Zweck, um den Ange­

schuldigten gegen die Gefährlichkeit deö geheimen schriftliche»

Verfahrens an sich, und gegen die noch größere Gefährlich­

keit, welche darin liegt, daß ein einzelner Mensch (der In­ quirent) das Ganze in seiner Hand hat und die Aussagen

der

seine

durch

Personen

Auffassung

und

Uebertragnng

durchgehen, doch Ein, wenngleich unzureichendes Mittel zu

geben, im §. 433 vor, daß der Angeschuldigte sich einen Vertheidiger wählen und dessen Zuziehung bei der Verneh­

mung über die Species facti,

oder bei dem

artiknlirten

Verhör und bei Vernehmung der Zeugen verlangen, und

sich mit demselben über die Vertheidigungsmittel

Diese Unterredungen nun sind durch­

unterreden könne.

aus

nicht an

einen gewissen Termin gebunden,

vielmehr

können und müssen sie zu allen Zeiten und so oft stattfinden, als es der Angeschuldigte und der Vertheidiger für nöthig

oder zweckdienlich hält.

richten

niemals

Zweifel sein.

Darüber ist bei den Criminal-Ge-

Zweifel gewesen und kann auch kein

ein

Wie in der Wirklichkeit darüber bei den Ge­

richten gedacht wird, drückt der bekannte Commentator der Criminal - Ordnung, Pa a lz ow, Bd. II, S. 351 mit fol­ genden Worten aus:

„Die Unterredung des Vertheidigers mit dem Ange­

schuldigten ist ein sehr wesentliches Stück der Unter­ suchung, denn es geschieht öfters, daß die zu deö Jnkulpaten Vertheidigung

vorzüglich

dienende Umstände

entweder gar nicht, oder doch nur mangelhaft aufge­ nommen sind.

Sowohl der Richter als der Beschnldigte

328 können zu diesem Mangel Gelegenheit gegeben haben.

Der Richter hat sich

vielleicht aus

Unverstand

oder

Bosheit nur um Dasjenige bekümmert, was den An­ geschuldigten gravirt, von welchem ungerechten Verfah­

ren die Verhöre der Zeugen und des Beschuldigten nicht selten deutliche Merkmale geben.

Er kann die im Ge­

richte wirklich vorgekommenen, dem Jnquisiten Vortheil­ hafte Umstände nicht haben registriren lassen; er kann

andere Nullitäten begangen haben, davon qber in

den Akten keine Spur zu finden ist. — Zu Ab­

hebung dieser Mängel soll die Unterredung mit dem Defensor dienen, und es ist also klar, daß sie nicht bloß an den Schlußtermin gebunden werden kann, sondern daß sie so oft geschehen muß, als es der Angeschuldigte

verlangt —".

Um den Zweck der Unterredung zu erreichen, ist wesent­

lich erforderlich, daß der Defensor die Sache kennen muß,

und deßhalb macht es ihm die Criminal-Ordnung §. 451 zur Pflicht, sich zur Unterredung durch das Lesen der Ak­

ten vorzubereiten, zu welchem Ende ihm solche von dem Richter

vorgelegt und sogar,

wenn

der Vertheidiger ein

öffentlicher Beamter ist, ins Hans verabfolgt werden sollen.

Dieses Alles steht im §. 451 wörtlich. Dessenungeachtet hat sich der Auditeur N. erlaubt, mir die Einsicht der Akten zu verweigern, ja er hat mir — was er aber nicht in das Pro­ tokoll geschrieben hat — sogar gesagt: es sei Sache des An­ geschuldigten, mich zu informiren.

mich informiren,

der selbst

Der Angeschuldigte soll

die Akten

nicht

kennt

und

329 keinen Ueberblick hat! Der Herr Auditeur meint: die Ein­ sicht der Akten Seitens des Vertheidigers sei noch zu früh.

Dieses mag er aus dem §.451 entnehmen wollen, wo es heißt: „Zu dem Unterredungstermine muß sich der Ver­

theidiger. durch das Lesen der Akten vorbereiten rc.," und er scheint sich zu denken, daß weil er keinen Unterre-

dungstermin angesetzt habe, auch die Unterredung nicht nöthig sei.

Der Herr Auditeur hat außer Acht gelassen, daß diese

Bestimmung den Fall voraussetzt: wo

der Ange sch ul«

digte eingesperrt ist, und wo also, wenn eine Unterre­

dung vor sich gehen soll, erst der Antrag dazu gemacht und eine Zusammenkunft veranstaltet (ein Termin dazu angesetzt) werden muß.

Wäre der Angeschuldigte verhaftet und hätte

mich, seinen Vertheidiger, vor dem Zeugenverhör sprechen

wollen; so wäre es Pflicht und Schuldigkeit des Richters gewesen, zur Zusammenkunft (Unterredung) eine Zeit (Ter­

min) zu bestimmen, und es wäre eben so seine Schuldigkeit gewesen, mir zur Vorbereitung dazu die Akten ins Hans zu schicken. Nun aber, da der Angeschuldigte nicht eingesperrt

ist und er keine» besondern Termin zur Zusammenkunft mit

seinem Vertheidiger bei dem Richter zu ertrahiren nöthig hat — nun soll die Unterredung ohne Vorbereitung des Ver­

theidigers geschehen müssen?

Wäre das logisch

so müßte

ja besonders der Unschuldige seine Einsperrung als eine

Wohlthat

erbitten,

damit ihm nur die Möglichkeit

gehörigen Vertheidigung zu Theil würde.

einer

Es wäre über­

flüssig hierüber noch Worte zu machen; ich werde den noch

330 nie vorgekommenen Vorfall noch besonders zur Kenntniß deS Hochlöbl. General-Auditoriats bringen; hier aber muß ich

ihn zu dem Zweck vortragen, um gleich hervorzuheben, daß wegen der mir vorenthaltenen Information Vieles, was dem

Angeschuldigten günstig ist, bei Vernehmung der Zeugen unerörtert geblieben, Anderes aber, was zn seinem Nach­ theile ausgelegt werden könnte, als anscheinend gleichgültig und unerheblich nicht berichtigt und näher erklärt worden

ist. Dahin gehört unter Anderm ein Umstand, bezüglich auf die verbrannten Schafe, angeblich 126 an der Zahl. Der

Schäferknrcht IL und der sehr beschränkte Schäferjunge G. geben an, diese 126 Stück wären einige Zeit vor dem Brande aus der übrigen Heerde ausgebrackt (ausgewählt) und in eine Abtheilung für sich gebracht worden. Daraus sind denn

in den Protokollen „ Brackschafe", die bestimmt gewesen wären, immer im Stalle zu bleibe», geworden, worunter

man im engern Sinne das zur Zucht untauglich gewordene Vieh, welches man abschaffen oder los werden will, versteht;

im Allgemeinen aber noch' etwas Anderes. Wegen der mir

fehlenden Information konnte ich nicht wissen, wo das hin­

aus sollte. Nach beendigtem Verhör erfuhr ich ganz zufällig, daß zur Zeit des Brandes das Brackvieh schon verkauft, und gar kein Brackvieh mehr vorhanden war. Dadurch auf­

merksam geworden auf jene Aussage, brachte ich in Kenntniß:

1) daß nach den Wirthschafts- und Schäferei-Rechnun­ gen das sogenannte Brack- oder Mcrzvieh schon im

Sommer ausgebrackt und auch verkauft worden,

2) daß von dem sogenannten Ausbracken, welches nicht

331 lange vor dem Brande stattgefunden haben soll, dem

Beamten sowenig wie dem Angeschuldigten Etwas be# sannt geworden ist und, wen» es wirklich stattgefunden hat, von dem Schafmeister ldem Denuncianten) zu ei­

nem ökonomischen Zwecke geschehen ist, 3) daß diese in einen besonderen Haufen gebrachten Schafe

nicht im Stalle behalten, vielmehr wie die übrigen Hau­ fen bei Tage geweidet worden sind und an dem Tage des Brandes eben als das Feuer ausbrach eingetrieben worden waren, während die übrigen Schaafe, unter wel­

chen sich nach dem Zeugniß des U. ausgesuchte schlechte Mut­ tern befanden, auf dem Rückwege noch geweidet wurden. Dieses kann der Beamte O. bezeugen und beziehungsweise

durch die Rechnungen

nachweisen.

Wären mir die Akten

nicht vorenthalten worden, so hätte ich auf der Stelle eine

bestimmtere und speziellere Vernehmung des U. darüber in Antrag bringen und solchergestalt auf der Stelle diesen Um­ stand in das wahre Licht

setze»

lassen können.

Ich kenne

zwar den Zusammenhang, in welchen dieser Umstand in dem Gewebe der Denunciation gebracht worden sein mag, noch nicht, ich vermuthe aber, daß darauf eine der Combinationen des rachgierigen und eigennützigen Denuncianten beruhet. Ist

diese Voraussetzung richtig, so muß ich darauf bestehen und darauf antragen: „diesen

Umstand durch nochmalige Vernehmung

der

Zeugen U. und G. und durch Vernehmung des Beam­ ten O., sowie durch Einsicht der Rechnungen gründlich und vollständig auszumilteln."

332 Um diesen, dem Auditeur gar sehr unangenehmen Verthei­

diger zu beseitigen, war an das General - Auditoriat geschrie­ ben und vorgeschlagen worden,

daß dem Vertheidiger der

Zutritt zu den Vernehmungen ferner nicht gestattet würde.

Man hatte, zur Motivirung dieses Vorschlags einseitig in die Akten geschrieben nnd vorgetragen: der Defensor habe sich erlaubt,

den Auditeur über die Ordnung in welcher

die Zeugen abzuhören seien, ob eidlich oder informatorisch —

über die formelle Fassung des Protokolls instruiren und ihm Anleitung geben zu wollen, selbst unmittelbar in sein Amt

eingegriffen,

das

Zeugenverhör

unterbrochen,

selbst

die

Zeugen mehrfach befragt, und dadurch— wie es dem Auditeur angeblich geschienen, eine Zeugin zu verwirren gesucht, ihn

selbst persönlich über die Achsel angesehen. Diesen sachlichen

Bemerkungen folgte dann noch eine Reihe persönlicher Be­ leidigungen.

Dem General-Auditoriat ward vorgestellt, daß

wenn dem Vertheidiger ferner die Gegenwart bei den Ver­

hören gestaltet würde, er jedes Mal sogleich dem Angeschul­ digten Alles hinterbringe», und Dieser dann neue Weiter­

ungen veranlassen nnd die Sache in die Länge ziehen würde. Jedenfalls möchten dem Vertheidiger die Akten vorenthalten

werden.

Auf diese» einseitigen Vortrag antwortete das Ge­

neral - Auditoriat Folgendes:

„Zn der Untersuchungssache wider den RR. erwiedern wir Einer rc. auf das gefällige Schreiben vom 3. d. M. bei Wiederanschluß der uns mitgetheilten 6 Vol. Act. und des

Schreibens des Auditeur N. vom 2. d. M. Folgendes ergebenst: Was zuvörderst die Frage betrifft: ob der von dem

333 Angeklagten erwählte Defensor noch weiter bei Abhörung

der Zeugen zugezogen werden dürfe?

so läßt der Inhalt

der §§. 318 und 340 der Criminalordnung keinen Zweifel

darüber, dem Defensor zu gestatten, daß er bei der Verneh­ mung ingleichen bei der Vereidigung der Zeugen anwesend sei.

Die Criminalordnung beschränkt jedoch den Vertheidiger

lediglich auf die Befugniß seiner Gegenwart bei diesen Ver­

handlungen; die Einmischung in das Verhör selbst, oder

Einreden gegen die Verfahrungsweise des Inquirenten kön­ nen nicht gebilligt werden; letzterem stehl unbedenklich daS

Recht zu, dergleichen nicht zu dulden, vielmehr den Defen­ sor

damit

Ermessen

jurückzuweisen überlassen,

und es bleibt lediglich

ob und

seinem

wie weit er Anträge

des

Vertheidigers, welche am Schlüsse eines ZcUgenverhvrs etwa

gemacht werden,

nöthig erachtet.

für erheblich und zu berücksichtigen für

Der Inquirent hat sein Hauptaugenmerk

streng auf die Wahrheit zu richten, und dieselbe mit gleicher Gewissenhaftigkeit zu erforschen, möge sie für den Angeklag­ ten nachtheilig oder vortheilhaft sein.

Die eigentliche Thä­

tigkeit des Vertheidigers aber ist erst mit dem Schlnsse der

ganzen Untersuchung zulässig, auch dürfen demselben, wenn

der Angeklagte,

wie im vorliegenden Fall, nicht verhaftet

und ein besonderer Unterredungstermin vor Gericht nicht erforderlich ist, erst nach dem Schlußvcrhör die Akten jedoch

ohne von deren Inhalt etwas zu sccretirru, vorgelegt oder

mitgetheilt werden. (§§. 422. 430. 451. 452. 454 a. a. C.) Was sodann die zweite Frage" u. s. w.

Die Angaben deö Vertheidigers aber lauten darüber ganz

334 anders.

In der an das General-Auditoriat eingereichten

Denkschrift heißt es mit Bezug darauf: „Die faktischen Behauptungen (des Auditeurs) sind

theils ganz unwahr, theils entstellt und verdreht:

das

Wahre davon ist, daß ich als Defensor Anträge und Erklärungen gemacht habe,

damit sie sollten mS

Protokoll geschrieben werden, welches zu verlangen nicht

bloß meine Befugniß, sondern meine Pflicht war.

Der

Inquirent aber hat sie nicht protokollirt, wie er hätte thun müssen, und wir auf meine Anträge auch keinen

aktenmäßige« Bescheid gegeben,

ebenfalls hätt«

damit das erkenuende Gericht

geschehen müsse»,

Borträge

was

und das Verfahren zu prüfen im

sein konnte."

die

Stande

Und:

„ Im Interesse

der Wahrheit

und Vertheidigung

machte ich einige Anträge, die der Inquirent jedoch

so wenig als solche fachlich würdigte, daß er vielmehr,

statt darauf ordnungsmäßig Bescheid zu geben und den Bescheid aktenmäßig zu machen, in Leidenschaft gerieth

und in Persönlichkeiten ausbrach.

Da es mir lediglich

um die Sache zu thun war, nahm ich davon gar keine

Notiz, und erwirkte nur, durch Versagung der Unter­

schrift, wenigstens soviel, daß doch Einiges zu Protokoll

genommen

und

dadurch- urkundlich

gemacht

wurden

Dieses nun ist dem Auditeur N. Veranlassung gewesen, mich in den Akten zu injuriiren."

Durch diese Beläge wird die Behauptung bei Bieder­ mann a. a. O., daß die Vertheidigung Schwierigkeiten finde,

335 und daß man dem Vertheidiger die Akren vorenthalte, be«

stättigt.

Auch das Generalauditoriat ist nach seinem Be­

scheide der Meinung, daß wenn in Kapitalfällen ein Verthei­ diger von Anfang der Untersuchung zugezogen werde, der­

selbe die Sache nicht zu kennen brauche und so lange die ganze

Untersuchung nicht geschloffen sei, wesentlich unthätig sein müsse.

Nicht einmal das freie Wort der Vertheidigung wird

mit Gleichmuth ausgenommen. In derselben Sache hatte der

Vertheidiger in der Verthcidignngsschrift mancherlei Klagen

seines Schützlings — eines Offiziers, der nach der Ueber­ zeugung aller seiner nähern Bekannten, und wie denn auch

der Erfolg bewies, schuldlos angegriffen worden war — laut werden lassen und unter Anderm, bezüglich auf einen

ganz gleichgültigen Umstand, den Ausdruck gebraucht: „ES

ist schmachvoll, sich darauf peinlich inquiriren lassen zu müs­ sen, das kann auch mir bei einem Militärgericht Vorkom­

men 2t.“ —

Dieserhalb beschwerte sich das Generalaudito­

riat über den Vertheidiger bei dessen Dienstbehörde.

Dieses ist die Gestalt der Sache, wenn einmal ein freier unabhängiger Mann als Vertheidiger dazu kommt, welcher Fall wegen der persönlichen Verhältnisse und Verdrießlich­ keiten so selten ist, wie ein weisser Rabe.

Die Regel ist, daß

wenn einem Angeklagten ein Vertheidiger von Amtswegen zu be-

will^en, ihm v o r z u g s w e i se ei« Auditeur als Defensor zuge­ ordnet werden muß*). Das ist eine bloße Formalität, denn erst­ lich verursacht Niemand seinem Freunde und Collegen Wei-

*) Erlaß deS Kriegs.Min. v. iS. Januar 1883.

336 ternngen, und zweitens sind die Auditeure, wie wir gesehen

haben, Männer, welchen die einem Vertheidiger nothwendige

Unabhängigkeit abgeht. 3. Die dritte Handlung des Schauspiels ist die Znwegebrin-

gung deS Gutachtens oder des Entwurfs zum Erkenntnisse. Zu der dazu bestimmten Kommission, Kriegs- oder Standrecht

genannt, werden die Personen von dem Militair- Befehls­

haber (Gerichtsherrn) kommandirt, und dahin vereidigt, daß

sie nach ihrem besten Wissen und Gewissen und nach ihrer Einsicht, den Akten und Gesetzen gemäß, Recht sprechen wollen.

Da sie jedoch weder den Inhalt der Akten noch

die Gesetze kennen, so wird ihnen Beides von dem Auditeur,

in der Regel eben demselben, welcher die Protokolle geschrie­ ben hat, bekannt gemacht, und er sagt ihnen seine eigene

rechtliche Meinung darüber: ob, weshalb, und wie der

Angeklagte zu bestrafen

fei.

Run

ist dieß zwar nur ei»

Ratb, allein, wiegst es möglich, von rechtsnnkundige», und

oft selbst geschäftSnNkundigcn Personen eine eigene rechtliche

Meinung zu fordern?

Der geehrte Verfasser der „Bemer­

kungen rc.", bei Biedermann, S. 40L, sagt in dieser Beziehung:

„Da es fast keine Offiziere, noch viel weniger aber Unter­ offiziere und Gemeine gibt, die in diesem Labyrinthe Bescheid wissen, so wäre ein Urtheil ohne die Hilfe der den Kriegs­

und Standgerichten als Referenten beigeordneten Auditeure oder untersuchungsführenden Offiziere ganz unmöglich, und es erhalten daher die Rechtskundigen

bei diesen

Gelegen­

heiten, obgleich sie nach, den gesetzlichen Bestimmungen nur eine berathende Stimme haben sollen, in der That allein

337 das entscheidende Votum, indem es von Seiten derselben nur einer geringen dialektischen Fertigkeit bedarf, um ihre

Ansichten gegen die der nicht sachverständigen Richter geltend

zu

machen.

Es

wird

dieß

dem

untersuchungssührenden

Auditeur noch dadurch erleichtert, daß die Besorgniß, für Bota, welche nicht innerhalb

der gesetzmäßigen

Schranken

geblieben sind, später vielleicht von dem Gerichtsherrn oder

andern vorgesetzten

einer

zu erhalten,

blinden

häufig sonst

Werkzeugen

eines

Behörde ganz

und Verweise

selbstständige Männer zu

Juristen

den Prozeß als Inquirent —

Rügen

macht,

geheim

der

instruirt

vorher

hat

und

dessen Urtheil dadurch nothwendig mehr oder minder be»

fangen sein wird."

Was noch mehr als alles Dieses die

Gutachter in die Hand des Auditeurs gibt, ist die Bestim­ mung, daß ein Jeder, welcher anders stimmen will, als der

Auditeur vorgeschlagen hat, seine abweichende Meinung mit Gründen unterstützen muß, und daß der Auditeur, wenn er

ein solches Votum ungesetzlich findet, ihn besonders belehren muß.

Von einer selbstständigen Meinung ist mithin schlech­

terdings keine Rede, und der Auditeur hat gar keinen dia­

lektischen Aufwand nöthig, um die formelle Zustimmung der Gutachter zu erhalten.

Ist das Gutachten abgegeben, so faßt nun derselbe Au­ diteur auch den Entwurf zum Erkenntnisse ab, und dieser

Entwnrf wird mit den Akten dem eigentlichen Richter, d. h.

derjenigen Person, die es bestättigen, abändern oder verwer­ fen kann, zu ihrer Entschließung eingesendet. Hier haben wir also eine richtende Anstalt, wobei

338 1) das ganze Verfahren ausschließlich in der Hand eines

einzigen vielseitig abhängigen Menschen ohne Controle, ohne Beaufsichtigung liegt, indem er die Eröffnung der Unter­ suchung decretirt, die Vernehmungen bewirkt, die Protokolle

darüber still für sich schreibt, dieselben auch selbst vorliest, so daß möglicherweise

etwas Anderes

darin

stehen kann

als vorgelesen wird; indem er ferner selbst-auch die zusam, mengeschriebenen Akten den unkundigen Gutachtern vorträgt,

und endlich ihnen noch mit Erfolg sagt,

wie sie sich dar­

über äußern sollen; und wobei

2) die richtende Person

wieder ein einzelner Mensch ist,

der bloß nach Dem, was ihm ein Anderer aus jenen Akten vorträgt, über Leben und Tod erkennt.

Kann der Mangel an aller und jeder Rechtssicherheit vollkommener sein?

Wie ist Dem abzuhelfen?

Dor ow findet die Wurzel aller Uebel „in der unnatür­ liche» Verschmelzung des Prinzips der Geschwornengerichte mit dem Prinzip der Beweistheorie und mit dem, zur Un­

terstützung der letzter» aufrechterhaltenen Institute der Militairjustizbeamten".

Er will

deshalb

die Auditeure

ab­

schaffen, die Militärgerichte in Criminal- und Ehrengerichte

eintheilen und sie nur mit Militairpersonen besetzen.

Bei.

den Eriminalgerichten soll das untersuchende Gericht in der Regel aus dem Befehlshaber als Gerichtsherrn, einem Sub­ alternoffizier als Rechtsbeistand und einem Unteroffizier als

Protokollführer, welche heimlich inquiriren sollen, und das erkennende (Kriegs-) Gericht außer dem Präsidenten, Höch-

339 stens aus 12 Richtern, wovon die eine Hälfte der Charge

des Angeklagte», die andere Hälfte den beiden nächst höher» Chargen angehören müßte, bestehen.

Bei dem Spruch soll

der Angeklagte und sein Vertheidiger zugelaffen und mit seinen Einwendungen gegen die Richter gehört werden; dann, nach Vereidigung der Richter, soll der Protokollführer die Akten vollständig, Blatt für Blatt, vorlesen, darauf der Angeklagte oder dessen Vertheidiger seine Defenstonsgründe,

und nach ibm der untersuchungsführende Offizier die Bela­ stungsmomente entwickel».

Rach Entlassung des Angeschul­

digten und dessen Vertheidigers wäre dann über daS schul­ dig oder nicht schuldig, und zuletzt über die Strafe abzu­

stimmen.

Das Erkenntniß soll der Gerichtsherr bestättigen.

Ueber diesen Criminalgerichten sollen Militairappellhöfe ste­ hen, die, mit Ausschließung jedes wissenschaftlich gebildeten

Rechtsgelehrten, nur aus halbinvalideu, im Dienste ergrau­ ten höheren Offizieren zusammengesetzt werden sollen. Diese Vorschläge dürften wenig Beifall finden. Schon die vorausgesetzte Quelle der Uebel ist in der Wirklichkeit nicht da; die vermeintliche Verschmelzung des Prin­

zips der Geschwornengerichte mit dem Prinzipe der Beweis­ theorie findet sich durchaus nicht. Durch den Umstand, daß ein

Gericht aus Standesgenoffen und rechtsunkundigen Personen besteht, wird das Gericht noch kein Geschwornengericht, sonst

wären alle Handels- und die Geistlichen Gerichte, bei wel­ chen ost keine Zuristen sind, auch Geschwornengerichte.

Die

sogenannten Kriegs- und Standgerichte unterscheiden sich, abgesehen davon, daß sie nicht selbst erkennen, sondern nur 22*

340 Las Urtel Vorschlägen können, von andern ans einer Anzahl von

Personen zusammengesetzten Gerichten in den alten Provinzen im wesentlichen gar nicht; sie sollen, wie die Civilgerichte

eben auch, nicht, wie Geschworne, lediglich nach ihrem Ge­ wissen und ihrer innersten Ueberzeugung, sondern — nach äußern Rechtsgründen urtheilen, und die Civilgerichte könn­

ten, wie die Milirairgerichte, aus Ungelehrten gebildet wer­ den, ohne daß sie dadurch Geschwornengerichte sein würden.

Der Verfasser der „Bemerkungen rc." bei Biedermann, S. 412, schlägt dagegen vor, mit Beibehaltung des General-

Auditoriats als einer bloßen Aufsichtbehörde,

die höhere

Gerichtsbarkeit bei den Armeecorps-,Divisions-,Gouverne­

ments- und Commandantur-Stäben von nur einem Rechts­ gelehrten lAuditeur), und die niedere Gerichtsbarkeit bei den

Regimentern und Bataillonen

von einem untersuchungs­

führenden Offizier handhaben zu lassen. Dieser Auditeur, so­

wie der Offizier, sollen von dem Militair-Befehlshaber ganz unabhängig, die Militairgerichtöhcrrlichkeit soll aufgehoben und

die Justiz im Namen des Landesherrn verwaltet werden. Das Verfahren soll Folgendes sein.

Die Eröffnung einer

Untersuchung kann nicht von Amtswegen, sondern nur auf

Grund einer Anklage des Befehlshabers des Angeschuldig­ ten von 'dem Militairgericht geschehen.

Der Auditeur oder

uurersuchungsführende Offizier hätte sodann den Prozeß sum­ marisch schriftlich zu instruiren und hiernächst ein Kriegs- oder

Standgericht zusammen zu berufen, welches ■— ohne Präses

— von Militairpcrsoncn, mit Berücksichtigung der Charge des Angeschuldigten, zu besetzen wäre.

Der Angeschuldigte

341 und dessen Vertheidiger wüßten zugegen sein und freie Aus­

wahl der Richter haben.

Nach der Zusammensetzung des

Gerichts hätte der Inquirent die Anklage zu verlesen, den Augeschuldigten und die Zeugen in Gegenwart der Richter

noch einmal mündlich zu verhören, darauf die Sachlage kurz vorzntragen, und endlich der Vertheidiger seinen Vortrag zu halten, worauf dann das Richterpersonale über die Schuld oder Unschuld abzustimmen hätte, wobei dem Inquirenten gar

kein Einfluß zu gestatten wäre.

Würde der Angeschuldigte

freigesprochen, so müßte sofortige Freilassung erfolgen und

jede fernere Prozedur unzulässig sein; würde er aber für schuldig erklärt, so hätte der Inquirent das Strafgesetz zu

verlesen, über die anzuwendende Strafe einen Beschluß fassen zu lassen, darnach daS Erkenntniß auszufertigen und dasselbe zur Bestättigung an den ihn correferirenden Auditeur zu über­ schicken. Wem dieser Auditeur correferiren soll, wird nicht

angegeben, eS scheint eine Revision des Verfahrens gemeint zu sein; denn es wird weiter vorgeschlagen, daß wenn Die­

ser nichts zu erinnern fände, so müßte das Urtel bindende Kraft erhakten und vollstreckt werden; fände er aber Milderungsgründe, bedeutende Formvcrletzungcn, oder legre der

Angeschuldigte

oder dessen

Vertheidiger Cassations- und

Restitutionsgesuche ein, so würde die Sache dem General-

Auditoriate zur Revision vorzulegen fei«, bei dessen Aus­

spruch es verbleiben müßte.

Bezüglich auf das vorhin er­

wähnte Correferat wird noch vorgeschlagen: „Um die Uebel­ stände zu vermeiden, welche mit dem gegenseitigen Eorreferate der Auditeure eines Truppentheils verbunden sein köu-

342 neu, erscheint es zweckmässig, künftig die erkennenden Rich­

ter von den correferirenden gänzlich zu trennen und z. B.

die Divisions-, Gouvernements- und Commandantur-Audi­ teure nur mit der Ausübung der höheren Gerichtsbarkeit

und dem Correferate der von den untersuchungsführenden

Offizieren, die jetzigen Corpsauditeure dagegen nur mit dem Correferate der von den Auditeuren ihres Armeecorpü be­

arbeiteten Sachen zu beauftragen, und die Letzteren von der Abfassung eigener Erkenntnisse auszuschließen." Dieser Pas­ sus ist mir unklar.

Denn erkennende Richter kommen unter

den Auditeuren, nach dem obigen Borschlage, gar nicht vor,

weil die Auditeure nur als Inquirenten und Referenten ohne Stimmrecht thätig sein sollen; und einen Correferenten kann

ich mir nicht denken, wenn Niemand ist, der die Correlation anhört.

Würden nach diesen Vorschlägen des Herrn Verfassers, der ziemlich treu das Verfahren vor den französischen Assisen

wiedergegeben hat, die Militairgerichte eingerichtet, so wäre ihm unzweifelhaft darin beizustimmen, daß durch Einführung

des Prinzips der Geschwornengerichte, wobei sich die Ab­ schaffung der Bcweistheorie von selbst versteht, durch Münd­

lichkeit, durch Aufhebung der Gerichtsherrlichkeit, durch grö­ ßere Selbstständigkeit der Inquirenten und der Richter, durch

Zulassung eines Vertheidigers, durch freigestellte Verwerfung der Richter eine erhöhte Rechtssicherheit für den Angeklagten,

und überdieß eine große Ersparniß durch Verminderung der schon jetzt zum Theil unbeschäftigten Auditeure gewonnen sein

würde.

343 Indessen hat diese Einrichtung zuvörderst alles Daö gegen

sich, was man gegen das Institut der Richter-Geschwornen, d. h.

die Einrichtung, daß die eigentlichen Richter, welche das Straf­ gesetz anzuwenden haben, auch über das „schuldig oder nicht

schuldig" urtheilen sollen, nicht ohne Gewicht einwendet. Dann findet sich dabei derselbe Mangel, wie bei den fetzigen Kriegs­ und Standgerichten, daß nämlich die Richter, die doch nicht

bloß nach ihrem Gefühl über das Dasein einer Thatsache urtheilen,

sondern

das

geltende

Recht

anwenden

sollen,

rechtsunkundige Männer sind und ganz rathlos bleiben. Was jedoch tiefer eingeht, ist, daß bei dieser Einrichtung die Ju­

stiz für Militairpersonen wieder eine ganz andere als die für die übrigen Staatsangehörigen sein würde.

Mir scheinen die Spezialgerichte ein Uebel zu sein, welche

nicht ohne Nothwendigkeit zu hegen; und selbst für die ganz unentbehrlichen Spezialgerichte muß das Verfahren so wenig

wie möglich von dem

abweichen.

allgemeinen landüblit