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German Pages 214 [209] Year 1961
D E U T S C H E A K A D E M I E D E R W I S S E N S C H A F T E N fcU B E R L I N SCHRIFTEN DER SEKTION FÜR ALTERTUMSWISSENSCHAFT 26
WIE DIE ALTEN ÄGYPTER SICH ANREDETEN, WIE SIE SICH GRÜSSTEN U N D WIE SIE MITEINANDER SPRACHEN VON
H E R M A N N GRAPOW
ZWEITE A U S G A B E
AKADEMIE-VERLAG 19 6 0
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BERLIN
H e r m a n n Grapow ist Mitglied der Sektion für Altertumswissenschaft
Redaktor der Reihe : Johannes Irmscher R e d a k t o r dieses Bandes : H e r m a n n Grapow
Alle Rechte vorbehalten Copyright 1980 by Akademie-Verlag GmbH, Berlin Erschienen im Akademie-Verlag GmbH, Berlin W 8, Leipziger Straße 3-4 Lizenz-Nr. 202.100/78/60 Satz, Druck und Einband: IV/2/14 . VEB Werkdruck GrSfenhainichen • 1387 Bestellnummer 2097/26 Printed in Germany ES 7M
VORWORT Als ich in den Jahren 1939, 1940, 1941 und 1943 in vier Abhandlungen der Berliner Akademie der Wissenschaften1) versuchte, darzustellen, „wie die Alten Ägypter sich anredeten, wie sie sich grüßten und wie sie miteinander sprachen", glaubte ich, sozusagen wissenschaftliches Neuland zu betreten. Seitdem habe ich gelernt, daß diese Fragen schon vielfach für die Bereiche anderer Sprachen gestellt und beantwortet worden sind. In welchem Umfang das geschehen ist, zeigt das Literaturverzeichnis in dem Buch von J. Svennung: „Anredeformen. Vergleichende Forschungen zur indirekten Anrede in der dritten Person und zum Nominativ für den Vokativ" (Uppsala 1958), das auf den Seiten XXIII—XL eine Fülle von Arbeiten nennt, welche die von mir angerührten Probleme teils im Allgemeinen und Grundsätzlichen, teils für bestimmte Sprachen (im Griechischen, Deutschen, Niederländischen, Französischen, Portugiesischen, Chinesischen — um nur einige zu nennen) behandelt haben. In der Hauptsache geht es dabei um Anreden und vor allem um das Sprachlich-Formale. Demgegenüber habe ich das Formale nur soweit berücksichtigt, als es mir für das Verständnis der Anreden usw. und für deren Übersetzung notwendig erschien. Worauf es mir ankam, ist das Inhaltliche. Und weiter unterscheidet sich meine Arbeit, soviel ich sehen kann, darin von den bei Svennung genannten, daß ich das Thema weiter gefaßt und seine Behandlung auf den ganzen Bereich des Ägyptischen ausgedehnt habe. Die im Kriege gedruckten vier Abhandlungen sind zum großen Teil durch Kriegseinwirkungen vernichtet worden, und sie sind überdies auch nicht so bekannt geworden, wie es unter friedlichen Verhältnissen wohl geschehen wäre. Ich glaube daher nichts Unnützes zu tun, wenn ich sie hier in einer neuen Ausgabe wieder vorlege, und das um so weniger, als die „Anreden" Gelegenheit geben, allerlei kulturgeschichtlich Bemerkenswertes mitzuteilen, das die Bekanntmachung verlohnt. Das Buch faßt die aus äußerlichen Gründen gesondert erschienenen vier Abhandlungen zu einer Einheit zusammen. Die damalige Aufteilung war so: I. Zum Formalen und Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften. PhilosophischHistorische Klasse 1939 Nr. 11 (51 Seiten); 1940 Nr. 12 (99 Seiten); 1941 Nr. 11 (120 Seiten); 1942 Nr. 7 (171 Seiten).
IV
Vorwort
Syntaktischen der Anreden, Anrufe, Auarufe, Wünsche und Grüße; II. Die Verwendung der Anreden; III. Zur Verwendung von Anrufen, Ausrufen, Wünschen und Grüßen; IV. Fragen und Antworten; Aufbau der Gespräche und ihre Wiedergabe in den Texten; vom Sprechen miteinander und voneinander; von den Sprechweisen und von der Sprache des Gesprochenen. Das Ganze, das mich damals mehrere Jahre beschäftigt hat, als ich am Wörterbuch nicht arbeiten konnte, da dessen Materialien in Sicherheit gebracht werden mußten, völlig neu zu gestalten, liegt kein Anlaß vor und auch keiner, es zu erweitern. Vielmehr habe ich mich bemüht, es straffer zu fassen, spezielle Teiluntersuchungen zu unterdrücken und nur das wirklich Wesentliche, mir für das Problem Wesentliche zu bieten. Aber doch enthält diese zweite überarbeitete Ausgabe in der Hauptsache das, was die Abhandlungen schon enthielten. Sie enthält aber nicht mehr auch den hieroglyphischen Wortlaut, in dem jedes der vielen hundert Beispiele gegeben war, sondern nur die Übersetzungen; auf den ägyptischen Wortlaut ist nur sehr gelegentlich in Transkription hingewiesen worden. Ähnlich wie in meinen „Bildlichen Ausdrücken" habe ich mich bemüht, die Beispiele in der Darstellung so zu verbinden, daß ein einigermaßen lesbares Buch entstanden ist, ein Lesebuch für jeden, der an dem „Wie" des Sprechens der Alten Ägypter durch dreitausend Jahre Anteil nimmt. Und für diesen weiteren Leserkreis sind auch die Stellennachweise nicht mehr erforderlich; ich habe sie fortgelassen. Der Ägyptologe findet sie in den Abhandlungen, an die sich das Buch ja eng genug in der Folge der Hauptabschnitte und der Unterabteilungen anschließt; auch die Formulierungen der Überschriften sind bis auf unwesentliche Änderungen mit übernommen worden. Das absichtlich knapp gehaltene Register soll nur der sachlichen Ergänzung des Inhaltsverzeichnisses dienen. Berlin, September 1960
Hermann Grapow
INHALTSVERZEICHNIS
Einleitung
1
Erster Abschnitt: Anreden Erster Teil: Die Formen der Anrede Erstes Kapitel: Die substantivische (nominale) Anrede A. Grammatische Form der Anrede B. Übersicht der Formen der nominalen Anrede 1. Eigenname 2. Appellativum C. Nackte Anreden mit Eigenname oder Appellativum D. Einleitung mit „ o " oder „ h e " E . Anredewort mit Demonstrativum 1. Mit vorangestelltem Demonstrativum 2. Mit nachgestelltem Demonstrativum F. Anredewort mit Artikel G. Anredewort mit Suffix oder Possessivum: „ m e i n " usw
5 5 5 6 7 7 8 9 9 10 10 10 11
Zweites Kapitel: Die pronominale Anrede: „ d u " ; „ i h r " Zweiter Teil: Die Verwendung der Anreden Vorbemerkungen A. Zum Vorkommen und Fehlen von Anreden B. Zum Ersatz der Anrede durch unpersönliches „ m a n ' ' C. Zur Frage der Wertung gewisser Anreden und Texte D. Zur Stellung der Anrede im Satz
14 16 16 16 20 21 22
Erstes Kapitel: Anreden im täglichen Leben A. I n der Familie 1. Eltern u n d Kinder 2. Geschwister untereinander 3. Verliebte miteinander 4. Eheleute zueinander 5. Anreden in der Totenklage B. Außerhalb des Familienlebens 1. Anreden a n sich selbst 2. Gleichgestellte untereinander 3. I n Unterhaltungen bei der Arbeit a) Genosse; Bruder b) Lieber; Freund c) Berufsbezeichnung d) Schimpfwort e) Verschiedenes
25 26 26 28 29 29 30 31 31 32 33 33 34 34 34 34
VI
Inhaltsverzeichnis 4. 5. 6. 7.
Antreibende Anreden an Arbeitende Höhergestellter zum Niederen Niederer zum Höhergestellten An die Grabbesucher
35 35 36 37
Zweites Kapitel: Anreden im Verkehr mit dem König A. Der König angeredet 1. Allgemeines 2. Gewöhnliche Anreden an den König a) Anreden seitens des Hofes, der Beamten usw b) Anreden seitens der unterworfenen fremden Fürsten c) Anreden seitens der ägyptischen Soldaten 3. Anreden an den König in Amarna 4. Anreden an den König in Hymnen und ähnlichen Texten . . . . 5. Anreden an die Königin B. Der König als Sprechender
38 38 38 40 41 43 45 46 50 51 52
Drittes Kapitel: Anreden im Verkehr mit der Gottheit A. Die Gottheit angeredet 1. Allgemeines 2. Anreden an die Gottheit seitens der gewöhnlichen Ägypter . . . . 3. Anreden an die Gottheit seitens des Königs B. Die Gottheit sprechend 1. Zum gewöhnlichen Menschen 2. Zum König
54 54 54 58 61 61 61 62
Viertes Kapitel: Anreden an Nichtpersonen A. Anreden an Tiere 1. An Göttertiere 2. An Haustiere 3. An böse Tiere B. Anreden an Pflanzen C. Anreden an Krankheiten D. Anreden an Gebäude und örtlichkeiten E. Anreden an Körperteile F. Anreden an Gegenstände und Geräte G. Anreden an Jahr, Tag, Wind
63 63 63 64 64 65 65 66 66 66 67
Zweiter Abschnitt: Anrufe, Auarufe, Wünsche und Grüße Erster Teil: Zur Bildungsweise A. Verkürzungen, Wechsel der vollen und verkürzten Ausdrücke . . . . B. Einzelne Wörter als Anrufe usw C. Wortverbindungen 1. Allgemeines 2. Nominale Wortverbindungen 3. Verbale Wortverbindungen a) Imperativ • b) Partizip mit Admirativpartikel D. Verschiedene verbale Ausdrücke
71 71 72 72 72 73 73 73 74 74
Inhaltsverzeichnis Zweiter Teil: Zur Verwendung von Anrufen, Ausrufen, Wünschen und Grüßen Erstes Kapitel: Ermunternde Anrufe und Kommandos A. Ausdrückliche pronominale Anrufe mit ,,du" oder „ihr"
VII 76 77 78
1. Vorangestellt a) Vor Sätzen mit Subjekt der dritten Person b) Vor Sätzen mit Subjekt der ersten Person c) Vor Sätzen mit ,,du" und „ihr" 2. Nachgestellt 3. Im „Dativus ethicus" Anrufe mit einem Körperteil und Suffix der zweiten Person Imperativische Verstärkung einer Aufforderung Anrufe mit Ausdrücken f ü r „siehe" und „höre" 1. Siehe 2. Höre, höret Kommandorufe 1. Militärische Kommandos 2. Kommandos bei der Schiffahrt
78 79 80 80 81 81 82 82 84 84 85 86 87 87
Zweites Kapitel: Versichernde Ausrufe und beschwörende Anrufe A. Versichernde Ausrufe: Schwurformeln 1. Die ältere Formel mit „leben" 2. Die jüngere Formel mit „dauern" B. Beschwörende Anrufe
89 89 89 90 91
Drittes Kapitel: Äußerungen des Beifalls, des Argers, der Klage A. Beifall und Ablehnung B. Ärger C. Klage
92 93 94 94
Viertes Kapitel: Äußerungen der Freude A. Ausrufe der Freude B. Anrufe der Freude
95 95 96
B. C. D.
E.
Fünftes Kapitel: Lobpreisungen A. Preisende Ausrufe 1. „Preis" selbständig gebraucht 2. Ausdrücke mit der Admirativpartikel „wie" B. Preisende Anrufe 1. Anrufe der Bildungsweise „Preis dir" 2. Verschiedenes
97 97 97 97 99 99 100
Sechstes Kapitel: Wunsch, Bitte und Dank A. Ausrufwünsche zum eigenen Besten B. Wünsche zum Besten einer anderen Person 1. Wünsche für das Wohlergehen jemandes 2. Wünsche zur Entgegennahme einer Gabe C. Bitte um etwas D. Dank für etwas
101 102 104 105 107 109 111
VIII
Inhaltsverzeichnis
Siebentes Kapitel: Grüße, Willkommen u n d Abschied A. Höflichkeit und Respekt B. Willkommen 1. Die Ausdrücke ,,wie gekommen" u n d „ d u bist gekommen" . . . . 2. Der Ausdruck „ i n Frieden" C. Abschied Dritter Abschnitt:
113 113 115 117 118 119
Wie man fragte und antwortete
Erster Teil: Die Fragen Erstes Kapitel: Allgemeines A. Wortfragen B. Doppelfragen 1. Doppelung einer Frage 2. Eigentliche Doppelfragen a) „und"-Fragen b) „oder"-Fragen C. Gruppenfragen
124 124 125 126 127 127 127 128 128
Zweites Kapitel: Ergänzungsfragen A. Wer? wessen? wem? 1. Wer? 2. Wessen? 3. Wem? B. Welcher . . . ? was f ü r ein . . . ? C. Was? 1. Fragegehalt „ w a s " (soll ich tun)? 2. Fragegehalt „ w a s " (bedeutet es, daß . . .) ? D. Wegen was? zu was? durch (mit) was? 1. Wegen was? 2. Zu was? 3. Durch was? mit was? E . Wie? F . Wo? woher? wohin? 1. Wo? 2. Woher? 3. Wohin? G. Wie groß? wieviel? H . Wie lange Zeit? wann?
129 130 130 130 131 131 131 132 132 133 133 133 134 134 134 135 135 135 135 135
D r i t t e s Kapitel: Bestätigungsfragen A. Allgemeines B. Ausgewählte Fragefassungen 1. „Bist du N. N . " ? ; „bist d u N. N. nicht"? 2. „Bist du in diesem Zustand"? 3. „ T u s t du . . . " ? ; „ t u s t du . . . n i c h t " ? 4. „ G i b t es . . . " ? ; „ist es . . ."?
136 136 137 137 137 138 138
Inhaltsverzeichnis
IX
Zweiter Teil:Die Antworten Erstes Kapitel: Satzantworten und Wortantworten A. Satzantworten B. Wortantworten Zweites Kapitel: Ausdrücke für „ J a " und „Nein" A. Zustimmung „ J a " 1. Ausdrücke mit „ich tue" 2. Der Ausdruck tjw „ J a " B. Ablehnung„Nein" 1. Verschiedenes 2. Einschränkende negierte Antworten
139 139 139 140 141 141 141 142 143 143 144
Dritter Teil: Fragen und Antworten im Verhältnis zueinander Erstes Kapitel: Fragen ohne Antworten und Antworten ohne Fragen . . . Zweites Kapitel: Fragen mit Antworten A. Antworten auf Ergänzungsfragen 1. Wer? wessen? wem? a) Wer? b) Wessen? c) Wem? 2. Welcher . . . ? was für ein . . . ? 3. Was? 4. Wegen was? zu was? mit was? 5. Wie? 6. Wo? woher? wohin? 7. Wie lange Zeit? B. Antworten auf Bestätigungsfragen
145 145 146 147 147 147 148 148 148 148 148 149 149 149 149
Vierter Abschnitt: Wie man miteinander und voneinander sprach Vorbemerkungen Zum Vorkommen von Gesprochenem in den Texten
153 155
Erster Teil: Von der Wiedergabe der Gespräche in den Texten Erstes Kapitel: Kenntlichmachung und Einführung des Sprechenden . . . A. Ohne Kenntlichmachung durch Worte B. Kenntlichmachung und Einführung durch Worte 1. Nachgestelltes „sagt er" 2. Vorangestelltes „er sagt" Zweites Kapitel: Berichtende Wiedergabe von Gesprochenem
157 157 157 159 159 161 163
Zweiter Teil: Von den Bestandteilen, Formen und Inhalten der Gespräche . Erstes Kapitel: Proben von Wechselreden Zweites Kapitel: Ausgewählte Einzeläußerungen verschiedenen Inhalts aus Gesprächen und Gesprächsbruchstücken A. Geburt und Tod; Eltern; Heirat; Kinder B. Laufbahn als Beamter und amtliche Stellung
165 166 170 171 172
Inhaltsverzeichnis
X C. D. E. F. G. H. I. K.
Alter; Aussehen; Tagesablauf; Essen Kommen, gehen, reisen, heimkehren Antreffen, verweilen, zusammen sein Holen, bringen, geben, nehmen Sehen, hören, verstehen, kennen, ausplaudern Stimmungen; Zustände; Befinden Anerkennung; Ermahnung; Schelten Tätig, untätig
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Dritter Teil: Wie man voneinander sprach Erstes Kapitel: Wie man von sich selbst sprach A. Zur Verwendung von „wir" B. Zum Gebrauch des Ausdrucks ,,der Diener d a " für „ich" und verwandter Ausdrucksweisen C. Wie der König von sich selbst sprach
179 179 179
Zweites Kapitel: Wie man von anderen sprach A. Was die Leute Gutes oder Böses über jemanden und sein Tun und Lassen reden 1. Gutes, das die Leute sagen oder doch sagen sollten 2. Ungünstiges, das die Leute nicht sagen möchten B. Wie man von Familienangehörigen sprach C. Wie man vom König sprach 1. Allgemeines 2. Vom Begierungsantritt und vom Tode des Königs
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Vierter Teil: Von den Sprechweisen und von der Sprache des Gesprochenen . Erstes Kapitel: Von den Sprechweisen A. Schlichtes, gehobenes, übersteigertes Sprechen B. Freundlich herablassendes, schroffes und grobes, demütiges und selbstbewußtes Sprechen C. Erregtes (staunend, besorgt, mahnend, klagend und ähnlich) und aufgeregtes Sprechen (zornig, drohend, sich verschwörend) D. Anhang: Zur unpersönlich-passivischen Bedeweise Zweites Kapitel: Zur Sprache des Gesprochenen Begister
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EINLEITUNG
Die wissenschaftliche Bemühung um da« Verständnis der Sprache der Alten Ägypter hat uns deren lautliche Verhältnisse und grammatischen Bau erkennen und ihren Wortschatz feststellen lassen. Wir überschauen die Entwicklung der Sprache und vermögen die in ihr geschriebenen Texte weitgehend richtig zu übersetzen und ihre Inhalte für die Kulturgeschichte des Alten Ägypten auszuwerten. Wir können wieder lesen,was diese Menschen vor fünftausend, viertausend, dreitausend Jahren bis in die ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung hinein aufgeschrieben haben, und wir können das so Gelesene auch verstehen. Aber nicht nur dieses können wir: wir können auch, obwohl die hieroglyphische Schrift als Abbildung der Sprache deren Vokale nicht wiedergibt und wir also den alten Klang nicht mehr vernehmen, den Niederschriften nicht mehr entnehmen können, doch noch „hören", wie sie sprachen. Wir können es nicht unmittelbar, aber doch durch das lesende Auge mit einem geistigen Ohr hören, wie sie sich anredeten und begrüßten, wie sie sich willkommen hießen und Abschiedsworte sagten, wie sie fragten und antworteten, wie sie wirklich miteinander sprachen: das alles vermögen wir aus den Texten zwar nicht wieder klingend, wohl aber in uns wieder lebendig zu machen. Und das zu tun, ist die Aufgabe, die dieses Buch zu lösen versucht. Es will aus unzähligen Texten die wesentlichen Äußerungen des in direkter Rede Gesprochenen zusammenstellen. Dem Versuch eines Einblicks in die Gedankenwelt der ägyptischen Sprache, der von mir in den „Bildlichen Ausdrücken des Ägyptischen: vom Denken und Dichten der ägyptischen Sprache" schon früher unternommen wurde, soll hier der Versuch folgen, dem sprechenden Ägypter selbst näher zu kommen, zu den so schwer zugänglichen Bezirken des eigentlich Ägyptischen des ägyptischen Menschen vorzudringen. Der Weg dazu, der hier betreten wird, ist nur einer, neben dem andere Wege verlaufen, etwa jene, die zu den Bereichen der Religion oder des Kunstschaffens führen, um nur diese zu nennen. Die Bearbeitung der Aufgabe ist ebenso reizvoll und lohnend, wie sie schwierig ist. Die Schwierigkeit liegt vor allem im Sprachstoff, dessen Umfang und Ungleichartigkeit von vornherein zur Beschränkung zwingen. Das
2
Einleitung
Koptische 1 ) bedarf um seiner starken Beeinflussung durch das Griechische willen einer Sonderbehandlung, und auch das Demotische 2 ) läßt sich nur hier und da vergleichsweise heranziehen, da auch diese Sprachstufe schon unter Einwirkungen von außen steht, Einwirkungen, die gerade für die hier zur Untersuchung kommenden Probleme sehr in Rechnung zu stellen sind. Demgegenüber ist das ältere Ägyptisch 8 ) zwar sprachlich und kulturell in sich geschlossen, dafür aber außerordentlich stoffreich. Eine andere Schwierigkeit entsteht durch die Notwendigkeit, den Rahmen weit zu spannen. Um überhaupt zu Ergebnissen zu gelangen und die sogenannte historische Entwicklung und den Wandel der Ausdrucksweisen zu erkennen und aufzuzeigen, muß das gesamte ägyptische Schrifttum durch die Sprachgeschichte hin herangezogen werden. Eine Untersuchung wie diese kann nicht auf eine bestimmte Zeit, etwa Altes Reich, oder auf eine bestimmte Textgruppe, etwa literarische Texte, oder auf eine bestimmte Sprachstufe, etwa Neuägyptisch, begrenzt werden. Inhaltlich hätte sich eine Beschränkung auf die Familie oder auf die Sprache am Hofe oder ähnlich eher rechtfertigen lassen. Aber es zeigt sich auch hinsichtlich des Inhalts, daß die Behandlung im ganzen Umfang auch den Teilgruppen sehr zu gute gekommen ist, zumal deren Grenzen, weil künstliche, fließende sind. Die ausgewählten Beispiele sind so genau wie möglich übersetzt, oft mehr wörtlich als schön, um das für alle diese Äußerungen sehr wesentliche Sprachlich-Formale deutlich werden zu lassen. Das Übersetzte ist durch kursiven Satz kenntlich gemacht und ebenso die Umschreibung eines ägyptischen Wortes in Konsonanten. Die Personennamen sind mit Einsetzung der herkömmlichen falschen Vokale wiedergegeben wie Paheri, Dedi, Unas. x
) Koptisch: die späteste Stufe und letzter Ausläufer des Ägyptischen seit dem dritten nachchristlichen Jahrhundert, die mit griechischen Buchstaben geschriebene Sprache der christlichen Ägypter, der Kopten (vgl. Note zu Seite 6). *) Demotisch: die vorkoptische Stufe des Ägyptischen seit der Perserzeit, niedergeschrieben in einer aus der Schreibschrift der Hieroglyphen, dem sogenannten Hieratisch, entwickelten stark kursiven Schrift (vgl. Note zu Seite 6). *) Es handelt sich um die Sprachstufen: Ältestes Ägyptisch-Altägyptisch (des Alten Reiches um 2600-2100) — Mittelägyptisch (des Mittleren und Neuen Reiches (um 2000—1200) — Neuägyptisch (des späteren Neuen Reiches von 1400 ab bis zum Aufkommen des Demotischen; vgl. Note zu Seite 6).
ERSTER TEIL
DIE FORMEN DER ANREDE
Die Anreden im Ägyptischen scheiden sich nach Bildungsweise und Gehalt in zwei Arten, in substantivische (nominale) Anreden wie z. B. Dedi! (Eigenname), mein Herr!, böser Junge! usw., und in pronominale Anreden mit du! oder ihr!
Erstes Kapitel
Die substantivische (nominale) Anrede Die substantivische Anrede wird durch Eigennamen und (oder) durch nominal gebrauchte Wörter ausgedrückt: Substantiv (auch in Wortverbindungen wie Genitiv oder Substantiv mit attributivem Adjektiv), Adjektiv, Partizipium, Relativsatz. Sie kann allein stehen und sie kann auch bestimmte Zusätze erhalten. Es kann ein demonstratives Pronomen hinter oder vor das Anredewort treten oder es kann diesem der bestimmte Artikel beigegeben werden oder auch ein besonderes hervorhebendes Einleitungswort. Alle diese Zusätze können auch in mannigfacher Verbindung miteinander verwendet werden. A. Grammatische Form der Anrede Das Ägyptische besaß keinen besonderen Anrede-Kasus, keinen Vokativ analog etwa einem lateinischen amice ,,(o) Freund!" zum Nominativ amicus „Freund". Die Anredeform eines Substantivums ist, soweit wir nach der Niederschrift urteilen können, dieselbe wie die des Subjekts eines Satzes: zwischen „mein Freund schrieb mir einen Brief" . . . und „mein Freund!" als Anrede besteht im Ägyptischen in der Form des Wortes „Freund" anscheinend kein Unterschied. Es liegt also ebenso wie gegenwärtig im Deutschen, in dem der Nominativ zugleich als Anredekasus gebraucht wird.
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Anreden
Das Ägyptische hat erst verhältnismäßig spät (im sogenannten Neuägyptischen1) seit der Mitte des zweiten Jahrtausends) einen Artikel „der", „die" (Femininum und Plural) aus einem ursprünglichen Demonstrativ „dieser", „diese" entwickelt. Das ältere und älteste Ägyptisch besaß keinen Artikel, auch keine einem Appellativum inhärente Determinierung: hnms bedeutete Freund und der Freund und ebenso in der Anrede Freund! Dieser Tatbestand ist für unsere Übersetzung der Anreden von Bedeutung. Denn wir verfälschen, vom Ägyptischen aus betrachtet, den Sachverhalt, wenn wir ein bloßes hnms und ein p] hnms als Subjekt („Nominativ") zwar mit Freund und mit der Freund übersetzen, als Anrede aber mit „o Freund!" und mit „du Freund!" wiedergeben. Ägyptisch gesehen besteht in einem p] ms pl itn „der Sohn der Sonne" kein formaler, sondern nur ein syntaktischer Unterschied zwischen den beiden sobald diese Wortverbindung als Anrede gebraucht wird: der Sohn der Sonne! (mögest du usw.). Wir pflegen in diesem Fall zu übersetzen „du Sohn der Sonne!" wie in diesem dd-f »3 n hnms ndm ib-tn „er sagt: ihr Freunde! euer Herz sei froh.'", was ägyptisch nur enthält er sagt: die Freunde, euer Herz sei froh! Unser „du" (Sohn der Sonne) und „ihr" (Freunde) kommt ägyptisch nur zum Ausdruck durch das „du" und „ihr" der Verbalformen „du mögest", „ihr s e i d . . „ e u e r Herz" usw., wofür auch imperativische Formen eintreten können: „mache!" „seid froh!" und so fort. B. Übersicht der Formen der nominalen
Anrede
Die nominale Anrede besteht ihrem Wesen nach auch im Ägyptischen entweder aus einem Eigennamen oder aus einem Appellativum („Nennwort") oder aus einer wie ein solches verwendeten Verbindung, deren Kern immer ein Nomen oder doch ein nominal gebrauchter Ersatz eines echten Nomens ist. Auch in den Seite 16 ff. angeführten Belegen für pronominale Anreden bilden Re! und König! die eigentlichen Anreden ebenso wie in diesen Beispielen aus dem koptischen Kambysesroman o du der Elende! das „der Elende" und du o der Ruchlose! das „der Ruchlose". Der Satz ich bin zu dir gekommen, mein Herr enthält die nominale Anrede „mein Herr". Der Satz siehe du, ich bin zu dir gekommen enthält keine solche Anrede, x ) Neuägyptisch: die gesprochene Volkssprache von Theben in Oberägypten, die seit etwa 1400 in immer stärkerem Maße die ältere Hochsprache von Memphis in Unterägypten verdrängt und selbst zur neuen Hochsprache wird. Ihre weitere Entwicklung stellt sich im Demotischen (vgl. Seite 2) dar als Literatursprache der griechisch-römischen Zeit und im Koptischen (vgl. Seite 2) als gesprochene Sprache der christlichen Zeit Ägyptens. Für die Unterschiede des Neuägyptischen gegenüber den älteren Sprachstufen vgl. die Hinweise im Register unter „Neuägyptisch".
Die Formen der Anrede
7
sondern in dem „siehe du" eine betonte pronominale „du"-Anrede, die in dem bloßen Imperativ nennet meinen Namen nicht vorliegt, wohl aber in eilt euch als einem ermunternden Zuruf. Der Satz eüt euch, gebet acht, die Diener! enthält denselben Zuruf, verstärkt durch „gebet acht" und dazu die nominale Anrede „die Diener". Im einzelnen kann die nominale Anrede vielgestaltig genug sein, je nachdem, welche Zusätze das nominale oder nominal gebrauchte Kernwort annimmt. Im folgenden sind die wichtigsten Formen in beliebig ausgewählten Beispielen aller Zeiten zusammengestellt. Das Einzelne zur Bildungsweise siehe unter den nächsten Abschnitten dieses Kapitels. 1. Eigenname Ohne Zusatz: Dedü; — mit Anruf: he Bata! — mit Verwandtschaftsangabe davor: mein Sohn Re!; — mit Verwandtschaftsangabe dahinter: Zazaemonch mein Bruder!; o Seanchenptah mein Vater!; — mit Titel davor: Schreiber Ennene!; mein Herr Re!; — mit Titel dahinter: Osiris mein Herr!; — mit Demonstrativ dahinter: diese Hathor!; — he dieser Unas! 2. Appellativum a) a l l e i n
Ohne Zusatz: Leute!; — mit Suffix: mein Herr!; mit Demonstrativ: dieser Gott!; — mit Anruf: o Götter!; o unser Herr!-, o diese Sonnenscheibe!; — mit Artikel: der Schreiber!; die Schlächter!; — mit Possessivartikel: der meinige Freund! b) G e n i t i v v e r b i n d u n g
Ohne Zusätze: Herr der Götter!; Sohn des Königs!; — mit Zusatz: o diese Stiere des Amon!; Vorsteher des Gutes, mein Herr!; o mein Herr, König der Ewigkeit! c) S u b s t a n t i v m i t a t t r i b u t i v e m
Adjektiv
Ohne Zusatz: starker König!; — mit Anruf: o jeder Fürst!; — mit Demonstrativ: dieser gute Gott!; — mit Possessivartikel: der meinige gute Herr! d) P a r t i z i p i u m
Liebster!; der Gelobte!; im Dunkeln Kommender!; o das Leben Liebende! e) R e l a t i v s a t z
der welcher bei mir ist!; die welche betrunken kommt! 2
Grapow, Anreden
8
Anreden
C. Nackte Anreden mit Eigenname oder
Appellativum
Anreden, die nur aus einem Eigennamen oder einem Appellativum (im Sinne des oben Angeführten) bestehen, sind im ganzen nicht häufig. Zumeist umkleidet man den Namen oder den Titel irgendwie: Man stellt ihm einen Anruf vor, wie o oder he, eine Grußformel, einen Wunsch. Man verlängert die bloße Anrede auch gern durch ein Demonstrativ oder durch den Artikel, gibt ihr durch Beifügung eines „mein", „unser" einen etwas wärmeren Ton. Bloße Anreden wie Dedi! oder Bauer! haben im allgemeinen, wie es scheint, etwas weniger Freundliches, zuweilen sogar etwas Grobes, wenn es auch solche Anreden dieser Form gibt, denen nach der Art ihrer Verwendung kein unfreundlicher Ton anhafiten kann, etwa wenn der König zum Obergutsverwalter sagt: du magst selbst entscheiden, Sohn des Meru! Anders klingt das bloße Dedi in der erstaunten Frage Was ist es, Dedi, daß ich dich noch nie gesehen habe? aus dem Munde des Cheops, während sein Vorgänger den obersten Cherheb-Priester Zazaemonch freundlich angesprochen hat: Zazaemonch, mein Bruder, ich habe getan, was du gesagt hast. Ein Bauer! kann ein grobes Anfahren sein in sei nickt so laut, Bauer! und freundlich gemeint sein in habe keine Furcht, Bauer! Die Situation gibt derselben Anrede je nachdem einen anderen Ton und eine andere Meinung im Munde des Sprechenden und im Ohr des Hörers, und wir können nur aus dem Zusammenhang vermuten, wie die zusatzlos gebrauchten Anrufe Genosse! und Männer! im Munde der Arbeitenden jeweils klangen und gemeint waren. Auch innerhalb derselben Sprachperiode und bei denselben Sprechenden finden sich bisweilen wechselnd einfache und vollere Formen der gleichen Anrede. Im Alten Reich sind in den Gesprächen der Arbeitenden gewisse Anreden mit demonstrativischem Zusatz beliebt: dieser Schlächter!; dieser Fischer! Aber neben dieser Tätige! kommt auch bloßes Tätiger! vor. Im Neuen Reich wechseln guter Gott! und dieser gute Gott! oft miteinander, und vereinzelt findet sich neben dem gewöhnlich üblichen Starker König! auch ein der starke König! und auch ein der Pharao! für das normale Pharao! In gewissen Zaubersprüchen werden die Krankheitsdämonen zumeist mit bloßem Namen oder mit einer bloßen anderen Bezeichnung angesprochen. Aber eine als böses fremdes Weib gedachte Krankheit wird dreimal diese Asiatin! angeredet neben einer anderen, die ohne Artikel nur Negerin! heißt. Außer den erwähnten Fällen von Gleichzeitigkeit der einfachen Anrede neben einer volleren Form gibt es auch nachzeitige Umgestaltungen, indem beim Umsetzen eines älteren Textes in jüngere Sprachen die ältere nackte Anrede durch eine erweiterte ersetzt wird wie ein älteres Frau! durch jüngeres o diese Frauensperson!
Die Formen der Anrede
D. Einleitung
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mit „o" oder „he"
Bei dem soeben erwähnten älteren Text mit neuägyptischer Übersetzung handelt es sich um ein Buch, das religiös-magische Beschwörungen enthält. Nur so erklärt sich die Einleitung des vulgären Frauensperson durch die Interjektion o! Diese findet sich in feierlicher Sprache zu allen Zeiten, ist aber der neuägyptischen Umgangssprache fremd! In der Umgangssprache des Alten Reiches dagegen ist o! gebräuchlich, sowohl vor Eigennamen, wie z. B. o Sobekkai! (hole mir das und das) oder o Mereruka! (Anrede der Frau des Mereruka an ihren Mann) als auch vor Appellativen: o Vater! sagt ein Sohn; o Mann! ruft jemand einem anderen zu; o Männer! (eilet euch) heißt es gelegentlich statt der sonst üblichen nackten Anrede Männer! Auch vor Anreden mit Demonstrativ oder mit anderen Zusätzen wird diese Interjektion in der Umgangssprache des Alten Reiches gebraucht (vgl. die folgenden Abschnitte). Sonst aber gehört ein o! so gut wie immer der gehobenen Sprechweise an. Es ist die bezeichnende Einleitung eines Anrufs an die Gottheit: o Re! o Atum! o Geb! o Nut! oder o Götter! und so weiter, eines Anrufs, der im Neuen Reich gern die Form o mein Herr Aman! hat (vgl. S. 58). Gelegentlich redet auch ein König seine Nachfolger so an: o Könige von Oberägypten und, Unterägypten, die hernach kommen! Die andere alte Interjektion he! gehört nicht der wirklich gesprochenen Umgangssprache an. Wenn die tote Frau Taimhotep ihren noch lebenden Gatten auf ihrer Totenstele so anredet he, mein Bruder, mein Gatte, (mein) Freund, Hoherpriester! (genieße dein Leben), so ist das eine Form, die im Leben gewiß nie gebraucht wurde. Dieses he! ist üblich vor Götternamen und in religiösen Sprüchen über das Jenseits vor dem Namen des Toten, ursprünglich dem des toten Königs. Aber sonst kommt es kaum vor. Die beiden Verwendungen im neuägyptischen Märchen von den zwei Brüdern sind ganz ungewöhnlich und gewiß absichtlich: he Bata! ist ein Anruf der Götter an den ihnen begegnenden Bata und der Ruf he die Lügnerin! richtet sich mit gewollter Schärfe an die böse Frau. Vereinzelte Anreden an die Grabbesucher wie he, alle Leute! oder he, jeder Priester, jeder Reine, jeder Wissende! sind jüngere Umgestaltungen der älteren Formeln mit o! E. Anredewort mit
Demonstrativum
Bei den Anreden mit Demonstrativum sind zwei Arten zu unterscheiden: solche mit vorangestelltem Demonstrativum und solche mit nachgestelltem. Diese findet sich in der alten Sprache, jene in der neuägyptischen Gemeinsprache. Q*
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Anreden
1. mit vorangestelltem Demonstrativum Diese seltenen mit dem voranstehenden p]j „dieser" gebildeten Anreden gehören der neuägyptischen Gemeinsprache an: (ich werde dich zu einem Menschen machen) dieser böse Junge!; (stehe) dieser Feind!; (mach voran) dieser Offizier! Alle drei p^'-Anreden sind dem Gesagten nachgestellt. 2. mit nachgestelltem Demonstrativum Das nachgestellte Demonstrativum hat zwei Formen, eine pw (tw; ipw; pwj; twj) und eine pn (tn; ipn), die sich im Gebrauch bei der Anrede voneinander unterscheiden. Von den mit pw (usw.) gebildeten Anreden ist in den ältesten Totentexten der Pyramiden dieser (tote) Unas! die Form der einer Aufforderung nachgestellten Anrede: hebe dein Gesicht, dieser Unas! Steht die mit pw gebildete Anrede voran, so hat sie die Fassung he dieser Unas! z. B. he dieser Unas erhebe dich! Dieser Unterschied der vorangestellten eingeleiteten Anrede und der nachgestellten ohne Einleitung wird auch in der Umgangssprache alter Zeit durchgeführt, in der aber als Einleitungswort nicht mehr he! gebraucht wird, sondern o! Anreden wie o dieser Hirt! oder o dieser Fischer! stehen vor der eigentlichen Aufforderung, während solche wie dieser Schlächter! dieser Hirt! dieser Fischer! dem Verlangten folgen. — Pluralformen sind selten wie z. B. o diese Stiere des Atum! (macht den Toten frisch). Solche Anreden mit pwj (derselben Reihe) finden sich auch an heilige Dinge gerichtet (vgl. auch Seite 66): o diese Sykomore!; sei gegrüßt, dieser Napf!; sei gegrüßt, dieses Auge des Horus! Der Gebrauch des anderen alten Demonstrativums pn (tn; ipn) ist erheblich beschränkter. Er ist nur in den ältesten Totentexten ähnlich dem Gebrauch von pw nachzuweisen und dann wieder im Neuen Reich, vor allem in der stehenden Wendung dieser gute Gott! als Anrede an den König. In der Umgangssprache des Alten Reiches fehlt die Anrede mit pn und auch in der des Neuen Reiches ist sie nicht häufig. In medizinischen Heilsprüchen kommen Anreden mit dem femininen tn „diese" vor wie diese Asiatin! als Anrede an einen Krankheitsdämonen oder wie o dieses Heilmittel! F. Anredewort mit
Artikel
Aus der Anrede mit voranstehendem Demonstrativum ist im Neuägyptischen die von da an nahezu allein gültige Form der appellativischen Anrede geworden, nämlich die im Appellativum mit dem Artikel der, die (Femininum bzw. Plural). Sie unterscheidet sich dadurch grundsätzlich
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Die Formen der Anrede
von den älteren Anredemöglichkeiten mit nachgesetztem Demonstrativum, daß sie, bis auf ganz vereinzelte Ausnahmen, nicht beim Eigennamen verwendet wird. Nach dem Alten Reich erhält ein Eigenname als Anrede wohl eine einleitende Interjektion, wie „ o " oder ähnliches, aber einen determinierenden Zusatz oder Vorsatz nicht mehr: der Name ist in sich bestimmt. Man vermeidet auch den Artikel vor einer aus Titeln und Name bestehenden Anrede: man sagt zwar der Schreiber, sei nicht faul!, aber mit Namennennung nur Schreiber Ennene, wende dich um! Neben Einzelanreden kommen auch Anreden vor, in denen zwei mit dem Artikel der versehene Appellativa unverbunden oder genitivisch verknüpft aufeinander folgen, deren beide der gleichwertig oder ungleichwertig sein können im Sinne der Zweiwertigkeit des Artikels als anredendes der ( = du) und als bloß bestimmendes der (als Artikel). Das Verhältnis der beiden Artikel ist eindeutig in Anreden wie der gute Sohn von der lebenden Sonne! oder der Sohn von der [göttlichen] Majestät! Beidemal hat das erste der Anredefunktion, das zweite der einfache Artikelkraft. Fehlt die deutliche genitivische Verbindung, dann bestehen zwei Möglichkeiten der Auffassung, da den beiden mit der versehenen Appellativen äußerlich nicht anzusehen ist, ob sie genitivisch verbunden sind oder ob sie appositionell nebeneinander stehen. Die Anrede der Sprößling der Sonne! enthält einen direkten Genitiv. Die Anrede der Böse!, der Starke! wird eine Doppelanrede enthalten ebenso wie der Pharao! der Sohn! im Sinne von „der junge Pharao". In solchen Fällen kann das zweite „der" auch fehlen. Anreden mit dem femininen Artikel die sind nicht häufig. Sie richten sich nur zum Teil an eine Frau, wie „für dich" die Herrin der beiden Länder! an die Königin, oder wie in der Anrede an eine Göttin die welche betrunken kommt! Andere gehen an personifiziert Gedachtes (als feminine Appellativa) wie an das Gift im Zauber das Gift! oder an den Wind der Nordwind! („komme"). Ein nur grammatisches Femininum liegt vor in der Anrede die Neunheit der Götter! „kommet!", wo der im Femininum Singularis enthaltene Plural (kollektivisch) durch den pluralischen Imperativ zum Ausdruck gebracht wird. Anreden mit pluralischem Artikel sind ebenfalls nicht häufig: „eilt euch" die Diener!; „verhöret" die Räte „jene fremden Menschen"; die Schlächter „schlachtet"; die Frauen „klaget sehr!" G. Anredewort mit Suffix oder Possessivum:
„mein"
usw.
Die bloßen Anreden mit dem Eigennamen oder mit einem Appellativum und ebenso die mit einer Interjektion eingeleiteten oder durch ein Demonstrativum oder durch den Artikel bestimmten enthalten sämtlich die An-
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Anreden
rede ohne eine Beziehung zwischen dem Sprechenden und dem, an welchen er sich anredend wendet. Diesen gleichsam unpersönlichen Anreden stehen die im folgenden besprochenen gegenüber, in denen durch ein beigefügtes „mein" oder „unser" oder „der meinige" usw. eine mehr oder weniger enge Zugehörigkeit des Angesprochenen zum Anredenden zum Ausdruck kommt. Die beiden Möglichkeiten der Sprache, die Zugehörigkeit in der Anrede auszudrücken, nämlich Suffix oder Possessivartikel, sind an sich gleichwertig, wenn auch zeitlich und syntaktisch verschieden. Das nachgestellte Suffix „mein", „unser" ist der ältere Ausdruck, das vorangestellte Possessivum „der meinige", „die unserige" ist der jüngere, vom Neuägyptischen bis ins Koptische übliche. Das Suffix folgt dem Anredewort, das übrigens immer, auch mit Possessivum, ein Appellativum, niemals ein Eigenname ist; das Possessivum geht dem Anredewort voraus und determinert es zugleich, gemäß dem Streben nach Bestimmtheit der jüngeren Sprache. Aber sonst besteht zwischen der Verwendung von nachgestelltem Suffix „mein" (Vater) und vorangestelltem Possessivum „der meinige" (Vater) kein Unterschied. Wie es beim einfachen Appellativum und bei einem durch Demonstrativum oder Artikel determinierten liegt, so auch beim Anredewort mit Suffix oder Possessivum: ob „mein Herr" oder „der unserige Herr" Anrede ist, oder nur die Feststellung enthält, daß der oder jener „mein Herr", „der unserige Herr" ist, das ist formal nicht zu erkennen, sondern ergibt sich nur aus dem Zusammenhang, aus dem Ton, ist nur ein funktioneller Unterschied. Im Ägyptischen hat ein „mein Herr", „der unserige Herr" dieselbe sprachliche Form in dem Satz „mein Herr ist der König" wie in der Anrede „mein Herr, der König!". Und im Deutschen ist es nicht anders. Etwas Äußerliches: es ist nicht in jedem Fall zu erkennen, ob eine Anrede das Suffix der ersten Person Singularis „mein" enthält oder nicht, weil die Schrift in alter Zeit das Suffix der ersten Singularis nicht regelmäßig bezeichnet (auch außerhalb der Anreden). Das besagt, daß wir, was die alten Ägypter vielleicht vermochten, in solchen Fällen nicht sagen können, ob Lieber! oder mein Lieber!, ob Freund! oder mein Freund!, ob Genosse! oder mein Genosse! gemeint ist, während ein der meinige Freund! eindeutig sprachlich zum Ausdruck kommt. Alle Anreden mit „mein" und „unser" sprechen eine persönliche Zugehörigkeit aus, aber doch mit mancherlei Ton- und Gefühlsunterschieden: zärtlich bei Verwandtschaftsbezeichnungen, ergeben als Ausdruck der Abhängigkeit bei Wörtern wie „Herr" oder „Herrin", vertraulich-herablassend in Fällen wie „mein Kutscher", und ähnlich noch sonst. Wer „mein" in einer Anrede gebraucht, ist ein einzelner, und „unser" wird von einer Mehrzahl von Personen gesagt. Aber manche Anrede mit
Die Formen der Anrede
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„mein" ist so formelhaft geworden, daß sie wie das am Hofe übliche König mein Herr! auch mehreren in den Mund gelegt werden kann, jedenfalls in der Literatur; im Leben hat der Hof schwerlich im Chor König mein Herr! gerufen: als Sinuhe vom König den Mitgliedern seines Gefolges vorgestellt ist, da sagten sie: „das ist er nicht" König mein Herr! Der Erzähler denkt sich jeden einzelnen so sprechend. In anderen Fällen sagt eine Mehrzahl von Personen König unser Herr! „Unser" wird, wie es sich von selbst versteht, da gebraucht, wo mehrere zugleich sprechen. Aber wie der Obergutsverwalter zu seinem Begleiter sagt hole ein Laken aus unserem Hause und wie ein Hymnus an den König als von mehreren vorgetragen gedacht ist und es demgemäß in ihm anredend unser Horus! heißt, und ebenso an eine Göttin unsere Herrin!, so spricht, auch der König wohl zum Gott Min o unser Herr! Mehr noch als die unpersönlichen Anreden bedürfen die Anreden mit „mein" usw. der Ergänzung durch Ausdrücke, die uns zufällig nicht als wirkliche Anreden belegt sind, die aber möglicherweise oder wahrscheinlich doch auch als echte Anreden verwendet wurden. Eine Anrede der Kinder an den lebenden Vater mit unser Vater! kommt nicht vor, aber an der Bahre spricht man so von ihm, ¡¿ewiß, damit der Tote es hören soll und weil man im Leben so zu ihm sprach. Und wenn in einer biographischen Inschrift jemand erzählt, daß seine Diener nicht als unser Vorgesetzter! von ihm sprechen, sondern als Vater, so wird unser Vorgesetzter! wohl eine Anrede sein, die im Verkehr zwischen Dienern und Herrn üblich war, gerade so wie das gut belegte unser Herr! Die Anreden mit „mein" und „unser" sind entweder einfach wie mein Vater!, unser Herr! oder sie sind zusammengesetzt aus einem mit „mein" oder „unser" verbundenen Appellativum und einem Eigennamen oder auch einem Titel. Diese Zusammensetzungen haben zwei Hauptformen, je nachdem das mit „mein" oder „unser" verbundene Appellativum dem Namen oder Titel folgt oder ihnen voransteht. Da das Appellativum entweder eine Verwandtschaftsbezeichnung ist (Vater, Sohn usw.) oder ein Wort für „Herr", so ergeben sich folgende Typen: 1. Verwandtschaftsbezeichnung und Name a) Zazaemonch mein Bruder!; auch mit o davor: o Ptahseanchni mein Vater! b) mein Bruder Osiris! 2. Verwandtschaftsbezeichnung und Titel mein Vater, mein Herr!-, auch o mein Vater, Herrscher der Unterwelt! 3. mein (unser) Herr und Name a) Osiris mein Herr! b) mein Herr Re!; auch mit o davor: o mein Herr Unnofre!
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Anreden
4. Titel und mein (unser) Herr a) König mein Herr! b) o mein Herr, König der Ewigkeit! Zu diesen Grundformen ist zu sagen: Die unter 2 gegebene Verbindung als Anrede des Königs an einen Gott ist ungewöhnlich. Die unter 4 a gegebene häufige Verbindung hat im Neuen Reich die Form Pharao der meinige gute Herr! Die „unser"-Fassung Pharao der unserige Herr! oder König unser Herr! findet sich auch so: unser König, unser Herr, unsere Sonne! Außer der Erweiterung um ein drittes Glied „unsere Sonne" liegt eine Auflösung des „König unser Herr" vor in „unser König, unser Herr". Aus dem Alten Reich haben wir für diese Zusammensetzungen keine Beispiele; sie werden im Mittleren gebräuchlich. Der Ausdruck König mein Herr! wird im Neuen Reich umgestaltet zu König der unserige Herr! Von den einfachen Anreden mit „mein" und „unser" seien als Typen genannt: 1. Verwandtschaftsbezeichnungen mein Vater!; o mein Vater!; der meinige Vater! — die meinige Mutter! — mein Sohn!; die meinige gute Tochter! — mein Bruder! — mein Gatte! 2. Bildungen mit „Herr" mein Herr!; o mein Herr!; unser Herr!; o unser Herr!; der meinige Herr!; — mein guter Herr!; der unserige gute Herr! 3. Bildungen mit „Herrin" meine Herrin!; unsere Herrin!; die unserige Herrin! 4. Verschiedene Bildungen, z. B. mein Freund!; der meinige Freund! — der meinige Wagenlenker! — mein Herz!; das meinige Herz! Das Einzelne enthält die Besprechung der inhaltlichen Verwendung dieser Anreden im „Zweiten Teil" (Seite 16ff.).
Zweites K a p i t e l
Die pronominale Anrede: „du"; „ihr" Wenn auch im Grunde jedes über eine bloße Aussage hinausgehendes „du" oder „ihr" eine Anrede enthält, die insbesondere im Wunsch und im Imperativ deutlich ist, so kann man von eigentlicher pronominaler Anrede doch nur da sprechen, wo eine ausdrückliche Betonung des „du" oder „ihr" vorliegt, also in Sätzen wie etwa „du, ich reise nach Ägypten", oder „ihr, ich habe euch rufen lassen". Die Mitteilung „man bringt dir diesen
Die Formen der Anrede
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Befehl" erhält durch die Beifügung eines betonten „du" eine pronominale Anrede du! man bringt dir diesen Befehl. Das Ägyptische besitzt kein eigenes Wort für ein voranstehendes anredendes „du", „ihr", sondern umschreibt es mit Hervorhebungen des Suffixes, Hervorhebungen, deren häufigste herkömmlich mit „siehe du", „sehet ihr" wiedergegeben wird, ohne daß die hervorhebende Partikel mit einem ägyptischen Verbum für „sehen" etwas zu tun hat. Ich „übersetze" mit „du!" und „ihr!" da, wo augenscheinlich (wir lesen ja nur und können nicht mehr hören) eine Betonung gemeint war; denn diese umschriebenen „du" und „ihr" sind oft stark abgeschwächt gebraucht. Beim Imperativ verwendet man neben einer Hervorhebung des Suffixes bevorzugt das absolute Pronomen: „du", „dich", „ihr", „euch". Etwas Anredendes liegt auch in einem „dir, dieser Blumenstrauß", wobei das „dir", „euch" häufig ersetzt wird durch einen volleren Ausdruck, den ich, um ihn kenntlich zu machen, mit „deiner (euerer) Person" wiedergebe, was aber nur ungefähr dem Ägyptischen gerecht wird und feierlicher klingt, als es oft gemeint war. Aber ich möchte zwischen „dir" und diesem „deiner Person" in der Übersetzung einen Unterschied machen. Beispiele für diese pronominalen Anreden, um sie so zu bezeichnen, enthält der zweite Teil über die Verwendung der Anreden (Seite 16ff.). Hier sei nur noch kurz auf die Zufügung des verdeutlichenden Pronomens beim Imperativ eingegangen. Sie kann erfolgen oder nicht erfolgen. Es ist keine Regelmäßigkeit zu erkennen, weder im allgemeinen noch in bestimmten Redewendungen. In den Gesprächen der Arbeiter finden sich nebeneinander einfache und verstärkte Formen: packe! neben packe du!; mache! neben mache du! Auch doppelte Verstärkung kommt vor, wie neben ziehe du! auch ziehe du! du! Aber gerade in diesen Gesprächen zeigt sich auch, daß im ganzen der einfache Imperativ häufiger ist als der verstärkte, der sich bei manchen Verben fast gar nicht findet, wie etwa schlachte! oder gib! Hier wie sonst entscheiden der Sprachgebrauch, die Notwendigkeit, die Häufigkeit, ob vorwiegend die einfache oder die verstärkte Imperativform verwendet werden. Daneben haben sich gewisse feste Wendungen herausgebildet wie etwa hüte dich! oder eile du!; eilet ihr! Ob ein bloßes höret! oder ein verstärktes höret ihr! oder ein erweitertes höret ihr alle Leute! passend ist, das entscheidet in jedem Fall der Wille des Sprechenden.
ZWEITER TEIL
DIE VERWENDUNG DER ANREDEN
Vorbemerkungen A. Zum Vorkommen und Fehlen von Anreden Wie wohl überall, so sind auch bei den Ägyptern die über bloßes „Du" hinausgehenden Anreden im Sprechen und Schreiben mehr Ausnahmeerscheinungen als häufig oder gar regelmäßig gebrauchte Redeteile. Im gewöhnlichen Gespräch pflegt man sich ja eigentlich nur selten geradezu mit dem Namen oder mit einem Titel oder mit einer Verbindung beider anzureden. Eine solche Anrede ist weder zu Beginn noch im Verlauf eines Gesprächs notwendig, während dessen man sie in der Regel nur gebraucht in Augenblicken besonderer Steigerung der Rede, um eindringlich etwas zu sagen, um eine notwendige Höflichkeit einzuflechten, und aus anderen Anlässen solcher Art. In der Regel geht das Gespräch nur mit „Sie" oder „Du" hin und her. Das gilt auch in Ägypten zu allen Zeiten, gilt auch für literarische Gespräche, gilt auch für Gespräche mit dem König oder mit der Gottheit. Um zu zeigen, wie sich das Verhältnis des Gebrauchs von Anreden zu deren Nichtgebrauch darstellt, seien einige größere Texte, Erzählungen und Märchen, kurz durchgenommen. Die zumeist irgendwie gehobene oder gesteigerte Ausdrucksweise religiöser Texte, Hymnen und Gebete, kommt für diese Frage nicht in Betracht: in solchen Texten pflegen feierliche Anreden oft bewußt reichlich verwendet zu werden. Im Alten Reich sind in den vielen, freilich meist nur kurzen Reden der Arbeiter und anderer Leute die Anreden durchaus in der Minderzahl. Was vorkommt, ist unten auf Seite 33 zusammengestellt. Sonst reden sich die Leute nicht eigens an: mach schnell!; halte fest! usw. genügt. Für das Mittlere Reich, aus dem wie aus dem Neuen Reich Arbeitergespräche und ähnliches weit seltener erhalten sind als aus dem Alten Reich, ergibt die Durchsicht der literarischen Texte folgendes Bild. In der Geschichte des Sinuhe findet sich nur die in dieser Zeit stehende Anrede Fürst mein Herr! und im Brief an den König, den die für Sinuhe bittenden Prinzessinnen im Liede einmal gnädiger König! ansprechen, die Wendung: (es ist sehr gut, daß diese Flucht richtig aufgefaßt wird) von Deiner Person, guter Gott! Das ist alles. Weder reden sich Sinuhe und der Beduinenschech gegenseitig an noch der König den Sinuhe oder sein Ge-
Die Verwendung der Anreden
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folge. Sogar die Königin muß sich mit einem bloßen Du! seitens des Königs begnügen, als er ihr den zurückgekehrten Sinuhe vorstellt. In der Geschichte vom Schiffbrüchigen spricht der Gefolgsmann den Fürsten zweimal mit Fürst! an, dieser den Gefolgsmann mit Freund! Der Schlangengott redet den Schiffbrüchigen mit Kleiner! an, der seinerseits diesen Herrn der Insel und ihrer Schätze nur mit Du! anredet. In der Geschichte vom beredten Bauern beginnen dessen Klagen regelmäßig mit Obergutsverwalter mein Herr!, einer offenbar ad hoc gebildeten Nachahmung des üblichen „Fürst, mein Herr". Nur einmal steht dafür am Anfang der vierten Klage Gelobter! (dich lobe der Gott Herschef), eine Anrede, die aus der Situation entstanden ist: der Bauer kommt zum Obergutsverwalter in dem Augenblick, als dieser aus dem Tempel des Gottes Herschef tritt als ein vom Gott Gelobter. Im übrigen sind die in der ersten und zweiten Klage auf das „Obergutsverwalter mein Herr" folgenden Anreden Größter der Großen, Führer dessen, was nicht ist und was ist! und Größter der Großen, Reichster der Reichen! sowie Steuer des Himmels, Balken der Erde, Meßschnur! literarische Anreden, die, dem Tenor der Klagereden des Bauern entsprechend, andeuten, wie der hohe Beamte eigentlich sein sollte. In anderen dieser Klagen haben ähnliche Zusätze zu der Anrede „Obergutsverwalter mein Herr" eine neutrale, nicht anredende Form. Der Obergutsverwalter wird von seinem Ratgeber mit mein Herr! angeredet, sagt auch seinerseits zum König mein Herr! und wird vom König mit der Anrede Sohn des Meru!, also mit seinem Namen, beehrt. Den Bauern sprechen die Beamten je nachdem freundlich oder barsch mit Bauer! an: „fürchte dich nicht, Bauer!"; „ich werde dir deinen Esel wegnehmen, Bauer!"; „schrei nicht so laut, Bauer!" Sonst reden sich der Beamte und der Bauer in ihrem langen Wechselgespräch nicht an, ebenso nicht der Bauer und seine Frau. — Auffällig ist noch, daß der Bauer zu seiner Frau das einemal von „meinen Kindern" spricht, das anderemal von „deinen Kindern"; wir würden „unsere Kinder" erwarten. In der Einleitung zur Weisheit des Neferti kommen außer der Anrede des Königs durch die Beamten mit Fürst unser Herr! und durch den Weisen mit Fürst mein Herr! noch vor die freundliche Begrüßung, die der König dem Neferti zuteil werden läßt: „komm doch" Neferti mein Freund! und die Ansprache der Beamtenschaft seitens des Königs mit Männer! In der Geschichte von der Errettung der Menschen vor der Vernichtung („Himmelskuh") sagt Nun, den Re als ältester Gott! (aus dem ich entstanden bin) angeredet hat, zu Re mein Sohn Re! und Re begrüßt Hathor mit den Worten Willkommen Hathor! Sonst fehlen Anreden, und sogar die vor Re berufenen Götter sagen zur Majestät des Sonnengottes Re nur „rede zu uns, damit wir es hören!"
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Anreden
Am Ende dieser älteren Literatur, deren Vertreter nicht sämtlich verhört zu werden brauchen, steht zeitlich und sprachlich das Märchenbuch des Papyrus Westcar. Es wird Gebrauch der Umgangssprache sein, wenn dieser an Gesprächen reiche Text in seinen langen Wechselreden, auch in denen zwischen dem König und den Haremsdamen, auf beiden Seiten Anreden meidet und daneben da, wo sie nötig werden, vorzugsweise solche mit Eigennamen verwendet. So sagt der König zum Weisen „was bedeutet es Dedü, daß ich dich noch nie gesehen habe ?", zum Zauberer Zazaemonch mein Bruder! und zu seinem Sohn Hardedef mein Sohn! Ebenso sagen die Göttinnen zum Priester: „freue dich" Rawoser! und sagt Dedi zum Prinzen: „willkommen, willkommen, Hardedef Königssohn! den sein Vater liebt". Der Umgangssprache werden auch die zufallig nur hier belegten Anreden angehören des Bruders der Dienerin an die Frau Reddedet meine Herrin! und des Rawoser an die Musikantinnen meine Herrinnen! sowie die Anrede Kleines Mädchen! des Bruders an die Schwester. Der Hofsitte entspricht die Anrede des Prinzen und des Dedi an den König Fürst mein Herr! Für die Beurteilung der n e u ä g y p t i s c h e n T e x t e müssen hier die in Ton und Inhalt überspannten Anreden der Hofleute an den König in Amarna unberücksichtigt bleiben. Zum krankhaft Gesteigerten dieser Anreden (vgl. S. 46) paßt gut, daß die Leute sich wünschen, noch im Grabe die süße Stimme des im Tempel betenden Königs zu hören. Die neuägyptischen Erzählungen zeigen ihren vulgären Charakter außer in der Sprache auch darin, daß sie arm an Anreden sind. Im gewöhnlichen Leben, dessen Sprache und Sitten in diesen Erzählungen ihren Niederschlag gefunden haben ebenso wie in den Westcarmärchen, spricht man einfach, ohne feierliche Nennung des Namens oder eines Titels, auch, wenn man zum König spricht. In manchen dieser Erzählungen fehlen eigentliche Anreden gänzlich, in anderen sind sie selten. Das Brüdermärchen enthält nur zwei bei besonderen Anlässen. Mit dem Ausruf der meinige gute Herr! wendet Bata sich betend an den Sonnengott; mit he Bata der Stier der Götterneunheit! begrüßen ihn die Götter. Dazu kommt noch der empörte Ausruf des Bata an seine ehemalige Frau he die Lügnerin! In der Prinzengeschichte findet sich als einzige echte Anrede nur die Begrüßung des Ankömmlings in der Frage: „woher kommst d u " der hübsche Junge? In der Erzählung von Horus und Seth fehlen in den Gesprächen Anreden, die auch sonst in diesem umfangreichen Text selten sind: Thoth und Seth reden den Sonnengott an mit der meinige gute Herr! Seth sucht die Isis als ihm fremde Frau mit einem schmeichelnden schönes Kind! für sich zu gewinnen, die den Antrag ablehnt, wobei sie ihn ironisch der meinige große Herr! tituliert. Horus, den der Sonnengott beschimpft der Junge dessen Mundgeschmack
Die Verwendung der Anreden
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schlecht ist!, ruft ängstlich komm die meinige Mutter Isis!, Seth in ähnlicher Lage nur Isis! In der Schulliteratur finden sich vereinzelt Anreden in den Mahnungen an den Schreiber, fleißig zu sein, und bei ähnlichen Anlässen: Schreiber Ennene! (wende dich um); dieser böse Junge! (ich werde dich zum Menschen machen); der Schreiber (sei nicht träge); junger Bursche! (sei nicht trotzig) und anderes dieser Art. In der Uterarischen Streitschrift des Papyrus Anastasi kommen als ironisch gemeinte Anreden beispielsweise vor trefflicher Bruder!; der meinige Freund!; der wachsame Schreiber! und andere. Die Häufung solcher Anreden in diesem Text erklärt sich aus einem besonderen Zweck, den Gegner verspotten zu sollen. Im Gegensatz zu diesem fingierten Brief enthalten echte Briefe keine Anreden. Die Mitteilungen erfolgen im schlichten „Du" und „Ihr". Die ägyptischen Liebeslieder sind nicht so sehr Liebesgespräche mit lebhaften Wechselreden als vielmehr betrachtende Schilderungen von Liebe, Sehnsucht und Erfüllung. Sie sind reich an bildlichen Ausdrücken und an Vergleichen, aber arm an wirklichen Anreden der Verliebten aneinander, von denen etwa vorkommen: geliebter Bruder! der meinige Freund!; der Bruder!; der Schöne!-, die Geliebte! Im Selbstgespräch klingt einigemal ein seufzendes mein Herz! auf oder ein Anruf der Liebesgöttin: Gold! Lebhafter und sinnlicher sind die Anreden in alten, spät niedergeschriebenen Hochzeitsliedern: mein Bruder! Herr der Lust! Herr der Liebe! und ähnlichem. Siehe auch Seite 29). Die unten anschließende Zusammenstellung enthält nur die eigentlichen, über bloßes „Du" und „Ihr" hinausgehenden Anreden, bei deren Betrachtung und Beurteilung man sich gegenwärtig halten muß, daß sie nicht alltäglich verwendetes Sprachgut sind, sondern immer nur mehr oder weniger feierlich gebrauchtes. Aber auch in ihrer seltenen und bewußten Anwendung stellen diese Anreden für uns wertvolle Zeugnisse dar für ägyptische Zärtlichkeit, Höflichkeit, Ehrfurcht, Herablassung, Autorität, die uns tiefe Einblicke gewähren in das Denken und Fühlen der Menschen, die sich solcher Anreden bedienten. Die Anreden wollen immer aus dem jeweiligen Verhältnis der Sprechenden zueinander, aus der besonderen Absicht des Anredenden und nach der Wirkung auf den Angesprochenen verstanden und bewertet sein. Sie bedürfen in jedem Falle der Ergänzung von uns durch anredefreies Sprechen mit „Du" und „Ihr" und sie müssen, im einzelnen und im ganzen, immer nur als ein Bruchteil der in Ägypten überhaupt üblich gewesenen Anreden betrachtet werden, deren ganzen Bereich wir nicht zu überschauen vermögen, da ja alles, was wir an Sprachproben besitzen, nur dem Zufall der Erhaltung und Auffindung verdankt wird.
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Anreden
B. Zum Ersatz der Anrede durch unpersönliches
„man"
Die ägyptische Eigentümlichlichkeit, in der Erzählung vom König oft nicht eigentlich als von „Seiner Majestät", vom „König", von „ihm" zu sprechen, sondern von einem unpersönlichen „man" passivisch, zeigt sich bisweilen auch in der Anrede an den König, indem ein unmittelbares „du" durch ein „man" ersetzt wird. Über diese Sprechweise vom König mit „man", die wegen ihrer gelegentlichen Unklarheit und Undeutlichkeit nicht gerade einen stilistischen Gewinn des Ägyptischen bedeutet, ist unten Seite 198 noch ausführlicher gehandelt. Hier interessiert ihr Auftreten in der pronominalen Anrede neben und sogar an Stelle eines „du". Dafür seien ein paar bezeichnende Belege gegeben. Im Märchen des Papyrus Westcar sagt Dedi, als er aufgefordert wird, seine Kunst des Wiederansetzens eines abgeschlagenen Kopfes an einem Gefangenen zu zeigen, zum König: Doch nicht an einem Menschen, Fürst mein Herr! Du, man befiehlt doch nicht so zu tun (nämlich an einem Menschen; an seiner Statt wird einem Tier der Kopf abgeschlagen). Hier ist das „du" durch „man" fortgeführt, nicht durch „du befiehlst", wie zu erwarten wäre. Umgekehrt, erst mit „man", dann mit „du" fragt die Königin ihren Gemahl (übrigens in einem ganz anderen Text) nach seinem Gedanken: Weshalb gedenkt man an Dieses1 Weswegen spricht man diese Rede? Was ist es das in dein Herz gelangt? Im Vorspruch zu seinen Weisheitslehren sagt Ptahhotep im Hinblick auf sein Alter: Fürst mein Herr! Man befehle dem Diener da einen Stab des Alters heranzubilden (mein Sohn möge an meine Stelle gesetzt werden usw.). Es ist klar, daß hier mit „man" der König gemeint ist, der ja allein die Ernennung des Sohnes zum Nachfolger des alt gewordenen Veziers vollziehen kann. Aber gleich darauf heißt es, ebenfalls an den König gerichtet: ach man tue dir ein Gleiches auf daß man beseitige (den Unfrieden im Volk und daß die beiden Länder dir dienen). Hier kann das „man" nur auf die Götter gehen, jedenfalls nicht mehr auf den König. Und doch sind alle drei „man"-Verbalformen grammatisch gleichartig, wenn auch funktionell und bedeutungsmäßig verschieden: das erste „man" ist der König, das zweite mögen die Götter sein, und das dritte würden wir lieber rein passivisch wiedergeben „auf das beseitigt werde". Wenn diese Ausdrucksweise auch gesucht bescheiden sein mag, sehr klar und eindeutig ist sie nicht, wie es eben der Gebrauch von „man" statt eines deutlichen Wortes für „König" auch sonst nicht ist. Zu dem Wechsel der Person an der obigen Stelle: „man befehle dem Diener da usw., mein Sohn möge usw.'' ist zu bemerken, daß Derartiges nicht selten vorkommt. Gewiß ist der Ausdruck „der Diener da" eine bescheidene Umschreibung für „ich", aber grammatisch liegt die dritte Person vor,
Die Verwendung der Anreden
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nicht die erste. Aber hier ist der Ägypter für unser Sprachgefühl öfters aus der Konstruktion gefallen, wofür ein gutes Beispiel der Brief bildet, mit dem Sinuhe das Schreiben des Königs bestätigt. In ihm heißt es richtig: „es ist eine Bitte des Dieners da an seinen Herrn", aber an späterer Stelle geht es so weiter: „diese Flucht, die der Diener da vollführt hat, sie war nicht in meinem Herzen." Wir würden sagen: sie war nicht in seinem Herzen. C. Zur Frage der Wertung gewisser Anreden und Texte Für die richtige Bewertung der Anreden erhebt sich die Frage, wieweit sie jeweils aus der lebenden Sprache stammen, der lebendigen Redeweise angehören. Es ist schon oben Seite 9 auf die Anrede der toten Frau an ihren noch lebenden Mann hingewiesen worden, mit der sie ihn auf ihrem Grabstein mit he, mein Bruder, mein Gatte, (mein) Freund, Hoherpriester! anspricht, und der Zweifel geäußert worden, ob eine solche Anrede, die mit dem Titel des Mannes schließt, wirklich im Leben gebraucht worden ist. Hat die Ehefrau den Gatten, hat das Kind den Vater mit dessen Titel angeredet? Die echten Gespräche enthalten derartige Ansprachen nicht, und es liegt nahe, zu vermuten, daß derlei bloß literarisch zu nehmen ist, als Schreibe und nicht als echte Rede. Um dieser Bedenken willen sind die Anreden an die toten Familienmitglieder, insbesondere die an den Gatten und Vater gerichteten, unten auf Seite 30 in einer eigenen Gruppe besprochen, eben weil in ihnen ein anderer Ton mitzuklingen scheint, weil sie vielleicht nicht lebensecht sind. Im übrigen dürfen wir uns bei den Anreden im Kreis der Familie zwischen Eltern und Kindern, zwischen den Geschwistern, den Verliebten und den Eheleuten nicht einseitig auf die rein menschlichen, irdischen Verhältnisse beschränken, sondern müssen dazu sowohl die heilige Familie Osiris, Isis und Horas als auch die Beziehungen der Gottheit zum König als deren Sohn und die des Königs zur Gottheit als dessen Vater mit berücksichtigen. In dieser Hinsicht sind die menschlichen, die göttlichen und die göttlichmenschlichen Verhältnisse gleichwertig, insofern ja die Familienbeziehungen und ihre Bezeichnungen vom Menschlichen erst auf den göttlichen Bereich übertragen sind. Und es ist nicht anzunehmen, daß, abgesehen von gewissen besonderen Titulaturen etwa des Königs oder eines Gottes, die in den Texten vorkommenden Anreden zwischen Osiris und Isis oder zwischen der Gottheit und ihrem Sohn, dem König, grundsätzlich andere sind als entsprechende zwischen Mann und Frau oder zwischen Vater und Sohn bei den Menschen. Und der Befund bestätigt das. So sind wir beispielsweise gewiß berechtigt, eine in menschlichen Verhältnissen in unserem dürftigen
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Anreden
Material zufallig nicht belegte Anrede -wie mein geliebter Sohn!, die als Anrede der Gottheit an den König häufig ist, auch als bei den Menschen üblich gewesen anzusehen. Und die Begrüßung des neugeborenen Gottessohnes wird ähnlich im Menschlichen ihr Vorbild haben, wie noch anderes sonst. An die obige Frage schließt sich eine nicht minder wichtige zweite: wieweit gehören die uns als Quellen für die Anreden und das Sprechen der Ägypter vorliegenden Texte immer der lebenden Sprache an, bieten sie überall wirklich gesprochene Rede und nicht nur literarische Schreibe? Diese Frage von grundsätzlicher Bedeutung kann hier nicht in ihrem ganzen Umfang behandelt werden, wenn sie auch für den ganzen Bereich der ägyptischen Texte, für jede Stufe der Sprachgeschichte, ja sogar für jeden einzelnen Text zu stellen ist und beantwortet werden muß. Im Kähmen der Aufgaben dieses Buches wird die Frage besonders wichtig für die Zeit des früheren Neuen Reiches, für die Inschriften der achtzehnten Dynastie, in denen sich der mit dem Ausgang der Hyksoszeit anhebende Kampf zwischen der gesprochenen und der geschriebenen Sprache, zwischen dem jungen Neuägyptisch und dem bis dahin noch herrschenden Altägyptisch auf das Deutlichste widerspiegelt. Und da zeigt sich nun, was eigentlich selbstverständlich ist, daß in dem „Missingsch", als das uns die Sprache jetzt auf mehrere Jahrhunderte hin in vielen Texten erscheint, zuerst in den Reden das Neuägyptische am reinsten auftritt, während die Erzählung und der Bericht länger an der allmählich schwindenden älteren Sprache festhalten. Auch die Anreden, die ja eben nur in Reden üblich sind, zeigen das: sie verwenden so gut wie immer den jungen Artikel und sie ersetzen in steigendem Maße das ältere Suffix „mein", „unser" durch das junge Possessivpronomen „der meinige", „der unselige" (vgl. Seite 12). D. Zur Stellung der Anrede im Satz Ein weiterer Gesichtspunkt für die Bewertung der Anreden ist, daß ebenso wie bei uns und überall sonst, die Anwendung oder Nichtanwendung einer über das „du" oder „ihr" hinausgehenden besonderen Anrede oft ohne entscheidende Bedeutung ist für die Wirkung des Gesagten. Bei der Arbeit ist ein Zuruf „mach schnell" einem „mach schnell, Genosse" gleichwertig und ist eine Antwort „ich tue was du wünschest" so gut ein „ja" wie dieselbe Antwort mit Zufügung eines „mein Lieber". Hier handelt es sich höchstens um Tonunterschiede: ein zugefügtes „Genosse" kaiin den Ruf eindringlicher machen, kann ihn auch in seiner Schroffheit mildern. Der eine König redet seine Beamten nur an mit Ihr! (meine Majestät bestimmt
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usw.); der andere sagt bei ganz ähnlicher Gelegenheit Männer! Ihr! (ich habe euch rufen lassen usw.). Einleitungen wie „höret!", eine Grußformel, ein Anruf ersetzen oft genug die direkte Anrede. Sie heben ein bloßes „du" oder „ihr" hervor und genügen, um die Aufmerksamkeit auf das zu Sagende zu lenken. Die Anrede mit Eigennamen oder Titel oder einer Verbindung beider ist im Grunde entbehrlich, ist jedenfalls kein für das Verständnis des jeweils Gesagten notwendiger Redeteil. Sie kann durch die Stellung der Sprechenden einander gegenüber, durch eine Gebärde, durch anderes noch ersetzt werden und sie wird tatsächlich oft genug in solcher Weise ersetzt. Ist somit die Anrede im allgemeinen ein bloßer Zusatz zur Bede, so erklärt sich daraus ihre Stellung innerhalb des Satzes im Ägyptischen. Diese ist vorzugsweise am Ende des Satzes. Aus dem schlichten ziehe du! wird durch Hinzufügen von Genosse! die Aufforderung mit Anrede ziehe du, Genosse! Die Anrede muß aber nicht am Satzende stehen, sie kann ebenso gut auch einen Satz beginnen und sie kann auch in den Satz eingefügt werden. Die Anrede ist in der Tat derjenige Redeteil, dessen Stellung im Satz frei ist, abhängig vom Belieben des Sprechenden und natürlich vom Sprachgebrauch überhaupt. Eine mit o! oder he! eingeleitete Anrede pflegt am Anfang zu stehen, pflegt weder eingeschoben noch am Satzende gesprochen zu werden. Die Beweglichkeit der Anrede läßt sich an den folgenden Beispielen gut erkennen: Eilt euch Männer! lautet mit Betonung o Männer eiU euch! Der Ausdruck freue dich steht oft als Gruß am Anfang: freuet euch die Angehörigen meines Haushalts!; aber wir finden auch die Künstler freuet euch! Gewiß ist die Stellung der Anrede unter besonderen Umständen von der Satzform abhängig: eine mit „ich" beginnende Rede wird Anreden einschieben oder am Schluß verwenden, und auch die Fragesätze erfordern in bestimmten Fällen bestimmte gebundene Wortfolgen. Aber auch da kann man durch leichte Änderungen der Frageform Umstellungen der Anrede vornehmen. Dieselbe Frage nach der trüben Stimmung stellt Dedi dem König so was soll diese Stimmung, König mein Herr?, aber der Diener an die Dame Reddedet so meine Herrin, weswegen hast du diese Stimmung? Das einemal steht die Anrede am Ende, das anderemal am Anfang. Oder es wird gefragt, wie es mit dem Ergehen stehe: der Hitzige, wie geht es dir? kann auch so gewendet werden was ist denn mit dir, mein Vater Amon? Die Aufforderung „eile" pflegt im allgemeinen voran zu stehen, und so auch in einem Anruf an einen alten Mann eile dich, mach nicht viele Worte, der Alte! In demselben Grabe bei ähnlichen Szenen heißt es an anderer Stelle Freund, eile dich mit den Arbeiten! und an einer dritten Stelle eile dich, der Vormann, leite die Rinder! Also dreimal die nominale Anrede, aber an verschiedenen Stellen: nachgesetzt, vorangestellt, eingeschoben. Als Einschub findet sich eine An3
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rede auch sonst, zum Teil deshalb, um sie bei einer längeren Rede nicht an dem zu weit entfernten Schluß sprechen zu müssen. „Was ist es, daß ich dich noch nicht gesehen habe, Dedi?" ist langatmig; „Dedi, was ist es usw." macht das Eigentliche, die Frage, matt, weil die Anrede „Dedi!" sie übertönt; die Einschiebung wird der ärgerlichen Nennung des Namens und der verwunderten Frage zugleich gerecht: Was ist es, Dedi!, daß ich dich noch nicht gesehen habe ? Nach dem Muster aus der Geschichte vom klagendberedten Bauern entscheide du selbst, Sohn des Meru! hätte der König im Westcarmärchen seinem Sohn den Auftrag auch in anderer Form erteilein können als in der verwendeten du selbst, Hardedef, mein Sohn, mögest mir ihn bringen! Der König befiehlt nicht, wie in der Bauerngeschichte, sondern spricht einen Wunsch aus, und die Anrede schmiegt sich in seine freundlichen Worte ein. In der folgenden Zusammenstellung der Anreden hinsichtlich ihrer Verwendung ist versucht, die überall zerstreut erwähnten in Gruppen gleichen oder doch verwandten Inhalts zu vereinigen, soweit sich das ohne Zwang tun läßt. Dabei ergeben sich vier Hauptabteilungen: 1. Anreden im täglichen Leben 2. Anreden im Verkehr mit dem König 3. Anreden im Verkehr mit der Gottheit 4. Anreden an Nichtpersonen. Die beiden Untergruppen der Abteilung 1 als Anreden in der Familie und außerhalb des Familienlebens sind im einzelnen ebenso wie die Abteilungen 2 und 3 in der Hauptsache danach gegliedert, ob Gleichgestellte miteinander sprechen oder ob zwischen den Redenden irgendwie ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, durch das ja gerade die Anrede in Form, Inhalt und Ton beeinflußt wird. Dabei könnte gewiß manches auch anders gruppiert werden; aber im ganzen hat der Stoff sich selbst die ihm gemäße Aufteilung gegeben. Die Ordnung nach den obigen Gesichtspunkten erfordert die Herauslösung der Anreden aus ihrem natürlichen sprachlichen Zusammenhang. Es ist, wie man eine solche Ordnung auch durchführt, unvermeidlich, daß dabei Zueinandergehöriges zerrissen und an verschiedenen, manchmal entfernten Stellen untergebracht wird. Wenn die unter 2 behandelten Anreden im Verkehr mit dem König und die unter 3 besprochenen Anreden im Verkehr mit der Gottheit einen verhältnismäßig breiten Raum einnehmen, so liegt das an dem für sie vorhandenen reichen Stoff, an der Masse der so oder so den König betreffenden Texte und an der Überfülle solcher, die sich auf die Götter beziehen. Die Behandlung dieser Anreden noch mehr zu beschränken, als es geschehen
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ist, erschien nicht tunlich, weil sie, und das gilt im besonderen für die Anreden im Verkehr mit dem König, sowohl religionsgeschichtlich wie auch kulturgeschichtlich zu Beobachtungen anregen, die man sich nicht entgehen lassen sollte. Erstes K a p i t e l
Anreden im täglichen Leben A. In der Familie 1. Eltern und Kinder Die erste Anrede, die an das Kind gerichtet werden kann, ist seine Begrüßung bei der Geburt, bei der auch zugleich die Namengebung erfolgt. Für diese Begrüßung des Neugeborenen besitzen wir gute Zeugnisse in der Geburtsgeschichte des ägyptischen Königs als des Sohnes des Gottes Amon und der irdischen Königin in dem gewiß sehr alten Mythus, den uns Tempeldarstellungen mit Beischriften aus dem Anfang des Neuen Reiches bewahrt haben. Hathor als göttliche Geburtshelferin bringt das Königskind dem göttlichen Vater, der die Tochter Hatschepsut-Maatkere mit den Worten begrüßt wie gekommen ist mir, me gekommen ist mir in Frieden meine geliebte Tochter meines Leibes Maalkere! Ebenso wird auch Amenophis der Dritte von seinem Vater willkommen geheißen als mein Sohn meines Leibes Nebmaatre! Vielleicht dürfen wir in dieser Begrüßung mit „Willkommen!", mit „Benvenuto!" eine typische und regelmäßig auch im einfacheren menschlichen Verhältnis erfolgte Anerkennung des Kindes durch den Vater erblicken, bei der dieser dem Neugeborenen zugleich den Namen gibt. Eine andere, durch beide Eltern, unter bezeichnender Voranstellung der Mutter, erfolgte Begrüßung des ältesten Sohnes liegt, wie man vermuten möchte, den folgenden drei Stellen zugrunde, die, mit leichten Varianten, in religiösen Texten höchsten Alters bewahrt sind. Sie lauten: Guter, wie seine Mutter sagte; Erbe, wie sein Vater sagte. Guter, wie seine Mutter Nut sagt; Erbe der Isis, wie sein Vater Geb sagt. Wie gut bist du, wie seine Mutter sagt; mein Erbe, wie Osiris sagt. Die Gleichartigkeit, ja Identität der drei Textstellen ist unverkennbar, die Varianten „Guter" und „wie gut bist du", „Erbe" und „mein Erbe" und „Erbe der Isis" sind unwesentlich. Und unwesentlich ist es auch, um welchen Gott es sich als Sohn, um welche Gottheiten es sich als Eltern handelt. Was uns hier als eine Art Zitat erhalten ist, wird die Form sein, in der die ägyptischen Eltern den Erstgeborenen begrüßten, in dem seine 3*
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Mutter „Guter" (oder „Schöner"?) zärtlich sagte und sein Vater stolz „mein Erbe!" Im täglichen Leben werden Vater und Mutter den Sohn oder die Tochter nur aus besonderem Anlaß geradezu angeredet haben. Als Beispiel für Anrede mit Eigennamen sei der Ruf eines Mannes angeführt zu einem kleinen Jungen, der in der Antwort den Mann mit o Vater! anspricht, also wohl dessen Sohn ist: o Sebekkai! (bringe mir usw.) Manche solche Anreden sind unklar, wenn wir nicht eindeutig die Verwandtschaft erkennen können. Im ganzen ist unser Material an Texten für die einfachen menschlichen Verhältnisse anredearm, zeigt aber doch, daß im Neuägyptischen „der meinige Sohn" und „die meinige Tochter" (mit jüngeren Wörtern für Sohn und Tochter) üblich waren. Was der Arbeiter N. der „Bürgerin" N. N. „seiner Tochter" schreibt: „du bist" die meinige gute Tochter usw., das hat er zu ihr wohl auch anredend im Gespräch gesagt. Und mögen auch ein Junge, zu dem ein Erwachsener beim Pflügen sagt: „wie schön ist deine Äußerung der meinige Sohn!" oder ein anderer, den ein alter Mann fragt „über wen jauchzt man so der meinige Sohn?" keine Söhne dieser Männer sein, sondern beliebige Jungen, gewiß hat man auch den leiblichen Sohn so angeredet, ist diese Anrede erst vom Sohn auf einen fremden Jungen übertragen worden. Daneben waren auch Verbindungen mit dem Namen gebräuchlich, die uns aber nur als Anreden des Königs oder einer Gottheit an ihr Kind belegt sind. In diesen Verbindungen werden stets die älteren Wörter für Sohn und Tochter gebraucht, wie in der Anrede des Königs Cheops an den Prinzen Hardedef mein Sohn!, der des alten Himmelsgottes an seinen Sohn Re mein Sohn Re!, in der Anrede der Göttin Isis mein Sohn Horns! und in dem häufigen mein geliebter Sohn N. N.!, wie die Gottheit gern zum König sagt, die auch voller und feierlicher den königlichen Sohn anspricht mein Sohn meines Leibes mein geliebter, Thutmosis! Andere Anreden des Gottes an seinen Sohn, den König, sind noch: dieser mein Sohn, den mein Herz lieb hat! oder guter Gott mein wahrer Sohn! oder mein Sohn, mein geliebter! Auch die Anrede mit bloßem Namen findet sich: „Willkommen Hathor! sagt Re zu seiner Tochter. Gewiß nur „literarisch" ist der Gruß des zum Gott gewordenen toten Sethos an den lebenden Nachfolger froh sei dein Herz König von Ober- und Unterägypten Ramses! Aber wo derselbe Sethos väterlich zu Ramses „wie ein Vater auf Erden zu seinem Sohn spricht" sagt er froh sei dein Herz sehr, mein lieber Sohn Ramses! Auch in der königlichen Familie sprach man sich wohl ohne Anrede an: Ramses der Zweite empfangt die aus der Schlacht kommenden Söhne und sagt zu dem Kronprinzen „mache die Gefangenen zu Trupps" usw. Und
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ebenso läßt man auch die Mitglieder einer göttlichen Familie ohne feierliche Anrede miteinander sprechen. So redet der Gott Ptah „seinen geliebten erstgeborenen Sohn den göttlichen König" Ramses zu Beginn einer langen feierlichen Rede gar nicht an, sondern beginnt so „ich bin dein Vater" usw., und der königliche Sohn antwortet in derselben Form „seinem Vater aus dem er hervorging": „ich bin dein Sohn". Beim Ansprechen des Vaters oder der Mutter durch das Kind wird zumeist die pronominale Anrede mit „du" oder an beide Eltern mit „ihr" verwendet sein, wie uns das die ja dem Leben entnommenen und das Leben wiedergebenden Szenen auf den Grabsteinen und in den Gräbern oft zeigen, wenn Sohn oder Tochter den Toten Gaben reichen oder etwas zu Essen und zu Trinken anbieten. Da sagt man nur deiner Person! oder euerer Person! (die und die Gabe). Es ist ganz ungewöhnlich und gewiß nicht Brauch des täglichen Lebens, wenn die Tochter, die dem toten Vater zu trinken reicht, dabei sagt deiner Person! mache dir einen guten Tag, der Schreiber (und) Kornberechner, in deinem Grabe! Der Titel ist gewiß nur gebraucht, um ihn eben möglichst oft zu nennen, gerade so wie in den Totenklagen (vgl. Seite 30). Werden die Eltern — die als Gemeinschaftsbegriff für Vater und Mutter im Ägyptischen ebenso wenig vorhanden sind wie das Wort dafür — mit ihren Bezeichnungen „Vater", „Mutter" angeredet, so ohne oder mit Beifügung des Namens. Der kleine Sohn, dem der Vater zugerufen hat „o Sebekkai, bringe mir Stricke!" bringt sie und sagt dabei o Vater! (oder o mein Vater!) „nimm dir diesen Strick". Von den lobenden Inschriften auf den Verstorbenen in dem späten Grabe des Petosiris werden manche den Töchtern in den Mund gelegt, die dann den Vater jedesmal ansprechen mein Vater, mein Vater! (höre was die Menschen von dir Gutes sagen u. ä.), mit Doppelung des Anredewortes, die auch gelegentlich sonst vorkommt und die möglicherweise auch im Leben bei besonderen Anlässen gebräuchlich gewesen sein kann. Die Anrede eines Königs an den Gott Osiris o mein Vater! (Herrscher der Unterwelt usw.) ist wohl nicht nur formelhaft, da vorher ausdrücklich gesagt wurde, daß der König „zu seinem Vater Osiris spreche", also wie ein Sohn. Die Verbindung der Bezeichnungen „Vater", „Mutter" mit den Eigennamen kommt in zwei Fassungen vor, von denen die Voranstellung des Namens eine losere zu sein scheint als die andere, in welcher der Name einem „mein Vater", „meine Mutter" folgt. Beispiele sind: o Ptahseanchni, mein Vater! (sei geneigt zu hören, was ich dir zu sagen habe) beginnt ein dringender Brief an den Vater, und der in Not befindliche Horus ruft nach seiner Mutter Komme zu mir Isis, meine Mutter! Im Schlachtgetümmel
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wendet sich Ramses der Zweite an seinen göttlichen Vater was ist denn mit Dir mein Vater Amon ? (ist das das Verhalten eines Vaters zu seinem Sohn, wenn du mich im Stich läßt?). Der Ruf, mit dem Ramses der Zweite seinen im Grabe schlummernden Vater aufweckt: „Wache auf! dein Antlitz zum Himmel! damit du den Re schaust" mein Vater Sethos, der ein Gott ist! könnte man sich auch im täglichen Leben ähnlich als Weckruf am Morgen denken. Amenophis der Vierte spricht seinen himmlischen Vater mit dessen Bezeichnung als Atön (als Sonnenscheibe) an du erscheinst schön mein Vater Atön. 2. Geschwister untereinander So berechtigt die Scheidung der Anreden der Geschwister, der Verliebten (unter 3) und der Eheleute (unter 4) ist, so schwierig ist sie durchzuführen bei einem Volk, das wie das ägyptische die Geschwisterehe als rechtliche Einrichtung besaß, in dessen Sprache die Bezeichnungen für „Bruder" und „Schwester" als männlicher und weiblicher Abkömmling von gleichen Eltern nicht nur auch „Genosse" und „Genossin" bedeuten (vgl. unten Seite 34), sondern über diese gleichsam natürliche Übertragung hinaus auch von den Verliebten und den Eheleuten für einander gebraucht werden. Anreden mit „Bruder" oder „Schwester" von Geschwistern untereinander als nur Geschwistern, ohne gleichviel welche sexuelle Beziehungen, sind selten, am häufigsten noch im Kreise der heiligen Familie, in der mein Bruder! als Anrede der Isis an Osiris oder mein Bruder Osiris! ebenso vorkommt wie als Anrede des Bruders an die Schwester ein bloßes Isis! oder meine Schwester Isis! Diese Anreden mit dem bloßen Namen, mit „mein Bruder", „meine Schwester Isis" werden auch in rein menschlichen Verhältnissen gelegentlich üblich gewesen sein, und die Anrede „mein Bruder Setne!" beweist es für das Demotische. Aber im allgemeinen haben sich die Geschwister mit „du" angesprochen, wie es die beiden Brüder gesprächsweise stets tun in demselben Märchen, in dessen erzählenden Teilen so oft von „seinem jüngeren Bruder" und „seinem älteren Bruder" die Rede ist. Die Anrede mein großer Bruder! „ich bin dein kleiner Bruder" (ich mache dir dies und das) ist jedenfalls ganz ungewöhnlich und wohl gewählt, um den toten älteren Bruder auf die Anwesenheit des zu ihm am Grabe sprechenden jüngeren recht aufmerksam zu machen. Eine Anrede der Schwester mit Kleines Mädchen! hat eine besondere persönliche Note. Im übrigen können Anreden wie mein geliebter Bruder! an den König seitens seiner Gemahlin oder an Osiris seitens der Isis schon auch auf die Zärtlichkeit der Ehefrau gehen. Sie gehören dann zu Abschnitt 4.
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3. Verliebte miteinander Für die Anreden der Liebenden besitzen wir zwei Hauptquellen, auf deren Eigenarten schon oben auf Seite 19 hingewiesen ist: die neuägyptischen Liebeslieder und die sogenannten „Festgesänge der Isis und Nephthys", wohl im Grunde alte Hochzeitslieder. Dem mehr allgemein gehaltenen Ton der Liebeslieder entspricht es, daß Namen bestimmter Liebender fehlen; gemäß dem besonderen Zweck der „Festgesänge", den Osiris wieder zu seinen Frauen Isis und Nephthys zurückzurufen, wird sein Name so oft wie möglich sehnsuchtsvoll genannt. Diese Gesänge sprechen unverhüllt aus, was erreicht werden soll (z. B. „damit du dich mit uns geschlechtlich vereinigst" oder „damit du deine Schwester Isis beflatterst"). Die Liebeslieder sind voll verhaltener Sinnlichkeit und deuten nur an. Zu solcher Zweideutigkeit gehört auch die offenbar gewollte Unklarheit der Bezeichnungen für die Hauptpersonen als Bruder und Schwester. So scheinen sich die Liebenden anzureden, nicht mit „mein Bruder" und „meine Schwester". Aber es gibt für diese mein-Anreden keinen sicheren Beleg; der meinige Freund! ist die einzige einwandfreie Anrede dieser Form in den Liebesliedern. Es heißt eben Bruder! mein Herz ist hinter deiner Liebe her oder (wie jubelerfüllt ist mein Herz) Bruder! seit ich dich sah. Zu solchen Anrufen kommt noch der Gute! (oder der Schöne!) und die Geliebte! Wie überall und zu allen Zeiten genügt den Verliebten ein „Du!". Die sinnlich lockenden Sehnsuchtsrufe der Isis und Nephthys nach ihrem Bruder und Gatten, er möge wieder zu ihnen ins Haus zurückkehren, und sie aufs neue lieben, sind voll von Anreden, die Osiris als den jugendkräftigen, den geschlechtlich Starken, den Herrn, den liebenden Gatten bezeichnen: der jugendliche Knabe!; schöner Jüngling!; der große Stier, Herr der Wollust!; der Schöngesichtige, Herr der Liebe!; unser Herr!; Gatte, Bruder, Herr der Liebe! und anderes mehr. 4. Eheleute zueinander Mann und Frau sagen „du" zu einander. Anreden mit dem Eigennamen werden daneben gebräuchlich gewesen sein, sind jedoch nur vereinzelt nachzuweisen. 0 Meraf (gib mir usw.) sagt die Frau des Mereruka mit dessen Kosenamen Mera zu ihrem Gatten, und auch in der demotischen Erzählung spricht man noch so mit Nennung des Namens: Ahure sagt zu ihrem Mann Setne! und er zu seiner Frau Ahure! Ein bloßes „du" ist auch üblich, wenn die Frau ihrem Manne die Trinkschale reicht: nimm! trinke! mache dir einen guten Tag! Aber solche Aufforderung kann auch lauten: deiner Person, Vater, trinke bis zur Trunkenheit, mache dir einen guten Tag,
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der gelobte Truchsess! und damit etwas hineinbringen, das nach unserem Gefühl fremd und steif klingt und wohl Schreibe ist und nicht Bede, nämlich die Anrede mit dem Titel, während das „Vater" eine Zärtlichkeit sein kann; denn die so Sprechende ist sicher die Ehefrau, nicht etwa eine Tochter des Angeredeten. Die Nennung des Titels findet sich öfters und wird sich zum Teil daraus erklären, daß diese Äußerungen in den Gräbern auf den Wänden aufgeschrieben sind und daß sie den das Grab Besuchenden und die Texte Lesenden den Titel des Grabesherrn möglichst oft angeben sollten. Aber allerdings ist die Anrede mit dem Titel recht häufig, und undenkbar ist es auch wieder nicht, daß die Ehefrau und andere Angehörige den Gatten und Vater auch im Leben respektvoll mit seinem Titel angesprochen haben. Es sei noch ein bezeichnendes Beispiel gegeben: die Frau des Toten sagt zu ihm, indem sie ihm eine Gabe reicht deiner Person, der Oberschreiber des Königs, mache dir einen guten Tag! So mit dem Titel spricht die Lebende — denn diese Szenen und Texte im Grabe sollen das Leben abbilden — und spricht auch die Tote aus dem Grabe zu ihrem noch auf Erden weilenden Gatten: die in der Unterwelt unglückliche Frau Taimhotep ruft auf ihrem Grabstein dem Manne zu, ja das Leben zu genießen, und redet ihn an mit he, mein Bruder, mein Gatte, (mein) Freund, Hoherpriester! (vgl. dazu oben Seite 21), wie sie übrigens auch von ihm in der Inschrift als von „diesem Hohenpriester" spricht, nur einmal mit Nennung seines Namens nach dem Titel. Wenn die Tote ihren noch lebenden Mann mit „mein Gatte" anredet und ihn zugleich beschwört, unter den Freuden des Lebens sich auch der geschlechtlichen Lust hinzugeben, so klingt das merkwürdig, da ihr der „Gatte" ja nichts mehr sein kann. Im Munde der verlassenen Frauen Isis und Nephthys, die den Bruder und Mann zurückrufen, hat die Anrede „Gatte" einen besseren Sinn (vgl. Seite 29). 5. Anreden in der Totenklage Über die Gründe, die Anreden in der Totenklage gesondert zu behandeln, ist oben Seite 21 schon gesprochen worden. Die Anreden sind hier vom Inhaltlichen ausgehend gruppiert, ob es sich um Verwandtschaftsbezeichnung, ein allgemeines Beiwort, einen Titel und Namen handelt, und es wird dabei beachtet, wer solche Anrede gebraucht, soweit das aus den Beischriften zu den redenden Personen ersichtlich ist. Nur so ist es bei diesen Klagen zu erkennen, ob ein Leidtragender ein Verwandter des Toten ist oder ein Fernerstehender, ob eine klagende Frau die Witwe oder die Tochter oder ein gemietetes Klageweib ist. Daß es sich durchweg um Anreden an Männer handelt, mag eine Zufälligkeit des Materials sein.
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a) V e r w a n d t s c h a f t s b e z e i c h n u n g
„Vater" im eigentlichen und übertragenen Sinn: klagende Frauen rufen o unser Vater, gütiger Herr! Der Sohn klagt am Sarge komm (wieder) zu mir, der meinige Vater! Eine klagende Frau ruft bei der Bestattung ihres Vaters (? ihres Mannes ?) der meinige Vater! An der Mumie gedenkt eine Frau des Toten so deine Art war gut, der gute Vater! Ein Lied beginnt Vater N. N., mögest du die Ewigkeit erlangen! b) A l l g e m e i n e s B e i w o r t
Eine Frau klagt an der Leiche: (verlaß mich nicht) der Große! den sie an anderer Stelle so anredet der gute Mann, von guter Art! In einer anderen Totenklage spricht die Ehefrau zu ihrem Mann der liebte mit mir zu plaudern! (du schweigst und redest nicht mehr). 0 der welcher sein Haupt zur Erde gab! (demotisch übersetzt mit o der welcher starb!) ist eine späte Anrede an den Verstorbenen. c ) Titel und N a m e
In den Klageliedern des Neferhotepgrabes wird der Tote angeredet als der gelobte Neferhotep! oder Neferhotep der Selige, der treffliche Gottesvater mit reinen Händen! oder auch der mit reinen Händen, der Gottesvater Neferhotep! Im Grabe des Mereruka — Mera beginnt ein Lied der Klagefrauen o Mera! mit derselben Koseform des Namens, den auch die Gattin des Mereruka gebraucht (vgl. Seite 29): sie wird das Klagelied mitsingen. d) B l o ß e r T i t e l
Zu den Beispielen in Abschnitt 4 noch diese: der Gelobte! als Anrede der klagenden Frauen, und der Große! du bist zum Totenreich hingewendet sagen die Angehörigen beim Begräbnis. B. Außerhalb des Familienlebens 1. Anreden an sich selbst Der Ägypter denkt, überlegt, faßt Entschlüsse usw., indem er mit sich selbst wie mit einem anderen Menschen „spricht", und dieses andere Ich ist sein Herz, das ihm zur Aussprache immer zur Verfügung steht, auch wenn er ganz einsam ist, wie der Schiffbrüchige „allein ist nur mit seinem Herzen als Gefährten". Wer ein Selbstgespräch führt, der redet zu seinem eigenen Herzen, und das Herz seinerseits erwidert, es sagt ihm, was er tun
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soll. In einem Selbstgespräch geht, wie in einem Gespräch mit einem anderen Menschen, die Rede gewöhnlich mit „ich" oder „du" hin und her. Aber zuweilen spricht man sich auch in feierlicher Weise an, auch wohl in unziemlichem Dünkel, also anders als der Vezier Hör, der in seiner Biographie ausdrücklich angibt, daß er trotz seines hohen Ranges im Tempel vor dem Gott und zu den Priestern sich nicht überheblich gefühlt habe: nicht sagte ich in meinem, Herzen „Fürst!" zu mir. Wenn den Liebenden in den Liebesliedern die Gefühle übermannen, dann spricht er in seinem Herzen mit seinem Herzen, das er ja selbst ist und das daher in diesen Liedern oft für „ich" oder „mich" steht, etwa so es klopft hastig mein Herz oder so mein Herz ist nicht zufrieden. Mit derselben Undeutlichkeit, die es schwer erkennbar macht, ob „Bruder" und „Schwester" als bloßes Subjekt oder Objekt gebraucht sind oder als Anrede, wird in den Liebesliedern auch „mein Herz" gebraucht, das als sichere Anrede vorkommt in mein Herz, klopfe nicht! Anredend ist wohl auch der Satz, gemeint sei nicht töricht das meinige Herz! Falls das „Gespräch des Lebensmüden mit seiner Seele" ein reines Selbstgespräch ist, und es könnte wohl so aufzufassen sein, dann gehören hierher auch die Anrede „mein Bruder" in der Rede des Menschen zu seiner Seele neige dein Herz, meine Seele, mein Bruder! und in der Antwort der Seele, die den Lebensmüden zuletzt gleichfalls mit mein Bruder! anredet. 2. Gleichgestellte untereinander Auf die grundsätzliche Gruppierung der Anreden in allen folgenden Abschnitten nach der gesellschaftlichen Stellung, welche die Sprechenden zu den Angesprochenen als gleichrangige, als vorgesetzte oder als untergebene Menschen einnehmen, ist schon oben Seite 24 hingewiesen. Gleichgestellte sprechen auch in dem nächsten Abschnitt 3 zumeist und in Abschnitt 4 bisweilen zueinander, so daß die Einteilung hier nicht streng durchgeführt ist. Aber es scheint wichtig, die Anreden in den Gesprächen bei der Arbeit und in antreibenden Aufforderungen zur Arbeit zusammenzufassen. Somit werden hier in diesem Abschnitt eigentlich nur solche Anreden besprochen, die in die folgenden Gruppen nicht passen, sozusagen als „Verschiedenes", wie man derartige Verlegenheitsrubriken zu bezeichnen pflegt. An einige Anreden mehr allgemeinen Inhalts schließen sich die Anreden aus dem Gezänk der beiden „Kollegen" einer neuägyptischen literarischen Streitschrift. Das Ansinnen, das Seth an die von ihm nicht erkannte Isis, die er für eine beliebige Frau hält, stellt: ich möchte hier mit dir [zusammen] sein, schönes Mädchen! mag so oder ähnlich oft ausgesprochen worden sein. Die
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Antwort der Isis lautet ablehnend ach, der meinige große Herr! (ich bin eine Witwe usw.). Bei Erstbegegnungen mit einem Fremden redet man ihn an, etwa wie die fremden Prinzen den ägyptischen, als er auf der Wanderung zu ihnen stößt: (Woher kommst du) der hübsche Junge? Aufforderungen, sich über etwas besonders zu freuen, fügt man gern eine Anrede bei: die weisen Frauen verkünden dem Vater die Geburt seiner Kinder froh sei dein Herz Rawoser! (dir sind Drillinge geboren). Ahnlich lautet die Aufforderung an die Angehörigen, sich mit dem Sprechenden über die Gnade des Gottes Thoth zu freuen: froh sei euer Herz, die Angehörigen meines Haushalts; freuet euch, alle meine Verwandten! So werden auch die Bewohner von Ortschaften zur Freude aufgerufen: (freuet euch) o die von Edfu! und die Frauen, die in Busiris sind! Die mannigfachen Anreden, mit denen der Schreiber Hori seinen Kollegen, den Schreiber Amenemope, in seinem kritischen Sendschreiben beehrt, haben wohl durchweg ironischen Klang. Einige Beispiele: der meinige Freund!; trefflicher Bruder!; der tüchtige kluge Schreiher!: der auserlesene Führer! Ironisch wird auch die Antwort des Jungen sein, dem sein Kamerad einen Auftrag gegeben hat: (ich werde gehen . . .) mein Oberster! 3. In Unterhaltungen bei der Arbeit Unterhaltungen arbeitender Gleichgestellter, in denen sie sich gegenseitig anreden, sind uns vor allem aus dem Alten Reich erhalten. Was im Mittleren und Neuen Reich zu dem alten Material hinzukommt, ist wenig: in diesen Epochen werden Arbeitsszenen mit entsprechenden Beischriften in den Darstellungen auf den Grabwänden nicht mehr so gegeben wie in alter Zeit; das Interesse an' dem, was man den Besuchern des Grabes zeigen wollte, ist ein anderes geworden. Im Hinblick auf die im ganzen ziemlich zahlreichen Reden dieses Inhalts sind echte Anreden selten, Ausnahmen, entbehrliche Bereicherungen, die auch fehlen können. Was tatsächlich vorkommt, läßt sich von ein paar vereinzelten Anreden (unter e) abgesehen, gruppieren als a) Genosse, Bruder; b) Lieber, Freund; c) Berufsbezeichnung; d) Schimpfwort. a) G e n o s s e ; B r u d e r
Der Ausdruck, der im folgenden mit „mein Genosse" übersetzt wird, bedeutet eigentlich der welcher mit mir ist. Er steht immer am Ende der Ansprache oder der auf diese erteilten Antwort. Ein paar Beispiele: stehe schnell auf mein Genosse! oder rudere schnell mein Genosse!, was auch lautet
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rudere sehr mein Genosse! Eine Antwort lautet: ich tue (es) mein Genosse! Zu solchen Beispielen aus alter Zeit noch diese aus dem Mittleren Reich: ziehe tüchtig mein Genosse! oder bringe du (es) mein Genosse! Später kommt dieser Ausdruck nicht mehr vor. Als Synonym wird „mein Bruder" und „meine Schwester" gebraucht: ziehe du mein Bruder! oder strecke deine Hand aus nach vom mein Bruder! oder sei geneigten Herzens mein Bruder! mögest du geben (das und das). — Von mahlenden Frauen sagt eine: (arbeite ordentlich) meine Schwester! und an eine Worfelnde richtet ein Mann die Forderung: beeile dich meine Schwester! b) Lieber; Freund
Bei den ägyptischen Bezeichnungen für „Lieber" und „Freund" in diesen Anreden läßt sich nicht mit Sicherheit ersehen, ob sie mit „Lieber" oder „mein Lieber", mit „Freund" oder „mein Freund" übersetzt werden müssen. Einige Beispiele: beeile dich damit (mein) Lieber!', Du ich bin deswegen hier (mein) Lieber!; (mein) Freund eile dich! Als Antwort auf einen Satz, in dem der Partner mit mein Bruder! anredet: ich tue was du lobst (mein) Lieber! c) B e r u f s b e z e i c h n u n g
Schlächter: dieser Schlächter! (ziehe sehr); — Vogelfanger: o dieser Vogelfänger (paß auf)!; (es ist ein Fang für deine Hand) dieser Vogelfänger!-, (strecke deine Hand aus) Vogelfänger! — Hirt: dieser Rinderhirt (deine Hand über das Wasser)!; o dieser Rinderhirt (paß auf); (löse sehr) dieser Rinder hirt! — Handwerker: dieser Handwerker (du bist ein tüchtiger Mann!); (ich bin schwer beladen) dieser Handwerker! — Priester als Begutachter des Opferfleisches: komme, Priester, mit reinen Händen zu dieser Rinderkeule! d) S c h i m p f w o r t
Von Anreden dieses Inhalts sind sicher die folgenden: o dieser Kölker! (oder: Bekackte!) ruft ein Hirt einem anderen zu, ohne daß ersichtlich ist, warum er zu dieser Derbheit greift. Beim Schifferkampf fordert der eine: (komm an mich ran) dieser Hurer! Und der unaufgefordert und zu Unrecht mit einem überflüssigen Rat Bedachte schreit den Aufdringlichen beleidigt mit dieser Dieb! an. e) Verschiedenes
Als Anrede allgemeinen Inhalts: Tätiger! oder dieser Tälige! an irgendwelche Arbeitende. Beim Flachshecheln ermahnt ein jüngerer Mann einen Alten: beeile dich, mach nicht so viele Worte, der Alte! Eine Korn mahlende
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Frau redet die Genossin mit Dienerin! an, die andere sagt zu ihr: „meine Schwester". Ein Kranker wird über mögliche Schmerzen beruhigt und dabei, spöttisch, dieser Fürst! angeredet. 4. Antreibende Anreden an Arbeitende Die Scheidung der hier zu besprechenden Anreden von den im vorher^ gehenden Abschnitt 3 behandelten beruht darauf, daß dort ein einzelner zu einem anderen einzelnen spricht; hier zu mehreren. Hier kann über das kameradschaftliche der Mahnungen hinaus mehr ein Befehlen gemeint sein. Die Anrede in solchen Weisungen lautet in älterer Zeit Männer!: (ich sage euch) Männer! (die Gerste ist schnittreif), was als unmittelbare Mahnung zur Ernte so gefaßt ist: Männer beeilt euch sehr! (der Spelt ist schnittreif) oder so o Männer beeilt euch! Dieses beeilt euch Männer! ist eine Mahnung, die auch sonst üblich ist, so beim Forttragen des Opferfleisches und bei der Arbeit im Papyrussumpf. Im frühen Neuen Reich findet sich diese Anrede in Verbindung mit „euere Füße", „euere Hände" an Lastentragende und an Handarbeiter im Sinne von: „rührt euere Füße (euere Hände)". Beim Abtransportieren der Weihrauchbäume auf die ägyptischen Schiffe, die Königin Hatschepsut nach Punt an der Somaliküste entsandt hat, sagt einer der tragenden Puntleute (die man natürlich ägyptisch in der Inschrift sprechen läßt) zu den anderen euere Füße! Männer! Und wie hier der Vormann der Puntleute, so ermahnen auch seine ägyptischen Kollegen in den Beischriffcen zu Bauarbeiten ihre Arbeitsgenossen stampft! euere Hände! Männer! (wir tun was der Vezier lobt) und macht euch stark! euere Hände! Männer! (wir bauen Karnak aus Stein). Andere Anreden in der Mehrzahl an Arbeitende sind selten. Aus der neuägyptischen Umgangssprache: diese Schlächter! (schlachtet usw.); diese Handwerker! (seid fröhlich, aber schweiget und schwatzet nicht), ermahnt der Türhüter der Goldschmiedewerkstatt, als der Vezier seinen Rundgang macht; die Diener! (eilt euch, die Zeit zum Dienst ist da) ruft der aufsichtrührende Priester den Opferträgern zu. Hierher gehört auch die Auffordefung an die Klagefrauen diese Frauen! (klaget sehr). 5. Höhergestellter zum Niederen Es gibt nicht eben viele Beispiele für eigentliche Anreden eines Höhergestellten an Niedere. Man befiehlt mit „du", aber man redet den Untergebenen nur ausnahmsweise an. Aber wir haben doch so viele Beispiele,
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daß wir alle Stufen, vom schroffen Befehlen und groben Anfahren bis zum herablassend freundlichen Ansprechen, beobachten können. In der Geschichte vom beredten Bauern, der, seiner Habe beraubt, lange Klagereden führt, steigert sich der Ton des gewalttätigen Beamten von der Warnung gib acht Bauer! und erstaunten Frage dient dir mein Korn zum Weg, Bauer ? zur Drohung du! ich werde deinen Esel nehmen, Bauer! und endlich zur Wut über das Geschrei des Mißhandelten schrei nicht so laut, Bauer! Ganz zum Schluß der Geschichte, als der Bauer schon verzweifelt, sein Recht beim Obergutsverwalter, dem Vorgesetzten des räuberischen Beamten, zu erhalten, beruhigt ihn der hohe Herr mit einem freundlichen habe keine Furcht, Bauer! (du sollst dein Recht haben). Im Ton freundlicher Herablassung spricht der Fürst in der Erzählung vom Schiffbrüchigen zu seinem Gefolgsmann mit leichter Ironie zugleich für dessen gut gemeinte Ratschläge spiele nickt den Wichtigtuer, Freund! Die in einem Lehrbrief über den Soldatenstand angeführten Worte, die „man" zu dem Krieger vorm Feind „sagt" beeile dich, vorwärts! dieser starke Offizier! klingen wie ein militärischer Befehl, zu dem das unmittelbar folgende hole dir einen guten Namen! allerdings nicht recht paßt. Ein Befehl liegt auch vor in der Aufforderung an die Räte!, die gefangenen Fremden zu verhören. Die Polizisten, die einen die Erde vor dem König küssenden Neger festhalten, fahren ihn an der Neger-Feind! Freundlich gemeint ist die Anrede des Veziers an seinen tüchtigen Bildhauer, den er lobend der Bildhauer! anspricht. Die Anrede des fünfzehn Meter langen Schlangengottes im Märchen an den Menschen mit Kleiner! soll den Gegensatz hervorheben. Zu diesen Anreden der Höherstehenden an den Unteren sind auch die des Lehrers an den Schüler in den neuägyptischen Schultexten zu stellen. Sie sind, gemäß dem Bestreben des Lehrers, den schreibfaulen Schüler zur Arbeit anzuhalten, meist kräftig. Neben der einfachen Anrede der Schreiber! oder mit Namensnennung Schreiber Ennene! finden sich auch, immer von einer Mahnung „sei nicht trotzig" u. dgl. begleitet, junger Bursche! oder der Böse, der starke [Bengel]! oder dieser böse Junge! 6. Niederer zum Höhergestellten Der Unterschied zwischen den Anreden eines sozial niedriger Stehenden und eines Höhergestellten beruht vor allem auf der Wortwahl: „mein Herr" sagt man unten oder nennt den Amtstitel, „mein Freund" sagt man bestenfalls oben oder ersetzt das bloße „du" vielleicht durch den Namen des Angesprochenen. Der Gefolgsmann redet den Fürsten, der ihn herablassend mit „Freund" beehrt, an mit Fürst! Der Königssohn begrüßt den ehrwürdigen Dedi, bei aller Freundlichkeit zu ihm sonst, nur mit „ d u " ,
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wird aber seinerseits angesprochen mit Hardedef, Königssohn, den sein Vater lieb hat! Der Priester redet die als Tänzerinnen erscheinenden Göttinnen (der Erzähler weiß, daß es solche sind!) höflich als „Damen" mit meine Herrinnen! an; sie sagen zu ihm nur seinen Namen Rawoser! Dies „meine Herrinnen" ist höflich, ist so höflich, wie sonst der Diener spricht, der die Frau Rededet ergeben meine Herrin! anredet. Die entsprechende Anrede an einen Mann ist „mein (unser) Herr". So sagt der Diener, wenn er etwas reicht deiner Person mein Herr!, so sagen die dienenden Leute des Gutsbetriebes komme unser Herr! oder unser Herr, unser Herr, komme! (damit du siehst, was wir geleistet haben). Auch dieser Ausdruck des wirklichen Abhängigkeitsverhältnisses wird zur höflichen Anrede: der Bauer redet den Obergutsverwalter an Herr! du mögest geneigt sein (zu tun), und jeder der Räte sagt zu demselben hohen Beamten mein Herr! Ob die ständige Anrede Obergutsverwalter mein Herr! am Anfang der Klagereden in dieser Fassung auch sonst üblich war oder ob sie nur für diese Gelegenheit gebildet ist, um zu zeigen, daß der Bauer sogar die höfische Ausdrucksweise kennt, läßt sich nicht entscheiden. Jedenfalls ist der Anredetypus „Titel mein Herr" sicherlich nach dem Muster der Anrede „König mein Herr" gestaltet. Zu der Anrede der Diener unser Vorgesetzter! vgl. Seite 13. Neben solchen Anreden mit „Herr" sind auch, und wohl öfters, Anreden mit Amtstitel üblich. Dieselben Hirten, die zu Anfang ihrer Bitte um Besichtigung ihrer Leistung den Herrn mit „unser Herr" angesprochen haben, sagen später Größter der Fünf, Leiter der Amtsstellen, Petosiris, Herr der Würdigkeit! zu ihm. Ähnlich wird der Yezier Rechmere angeredet der Vorgesetzte der Hauptstadt! oder dieser Ratsherr! Ein Diener reicht dem Herrn Blumen und sagt: (für Dich, begehe einen frohen Tag) der Wekil, den der Herrscher lieb hat! Für eine über das sonst übliche „du" hinausgehende Anrede des Lehrers seitens des Schülers gibt es ein Beispiel in einer Schilderung des Schlosses, das der Schüler seinem Lehrer wünscht. Sie beginnt mit „Raja" (so heißt der Lehrer) baut ein schönes Schloß" usw. und endet mit einer Anrede an eben diesen Raja, der schon im Verlauf der Schilderung mehrmals mit „du" angesprochen ist: (die Nahrung des Gottes Amon wird dir zuteil) Raja, der Hawptverwalter der Rinder des Amon! 7. An die Grabbesucher Anhangsweise seien ein paar typische Formen der Anreden an die Grabbesucher oder Anrufungen an sie genannt. Sie werden gewöhnlich mit o! eingeleitet, auf das am häufigsten folgt auf der Erde Lebende!, wofür aber
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auch stehen kann: jeder Fürst, jeder Priester usw.; das Leben Liebende, den Tod Hassende!; alle Leute!-, und ähnliches. Daneben gibt es örtliche Sonderfassungen. So wendet sich der Fürst des oberägyptischen Gaus Schlangenberg nicht an alle Vorübergehenden überhaupt, sondern zunächst an die Leute seines eigenen Bezirkes und weiter an die benachbarten Gaufürsten: o alle Leute des Gaus Scklangenberg, o Oberhäupter der anderen Gaue! In Amarna lautet die Anrede so: o jeder einzelne derer, die in Amarna sind! und in Theben gelegentlich o Thebaner!
Zweites Kapitel Anreden im Verkehr mit dem König A. Der König angeredet 1. Allgemeines Am stärksten von allen Anreden sind die an den König gerichteten in feste Formen gebunden, welche die Etikette des Hofes und des Herkommens herausgebildet haben. Diese formale Bindung betrifft aber nur einen Teil, wenn auch den wichtigsten, der Königsanreden, nämlich diejenigen, welche im ruhigen Gespräch mit dem König und in Schreiben an ihn verwendet werden. Anders steht es mit den Anreden, die in einem Preislied auf den König gebraucht werden oder sonst in erhöhter Stimmung. Solche Anreden der Begeisterung, des Jubels sind sowohl in der Form frei als auch dem Inhalt nach unbeschränkt. Wie man bei uns zum Kaiser sagte „Euer Majestät!" oder „Majestät!", wie man im Kurialstil schrieb „Allerdurchlauchtigster Kaiser und König!, allergnädigster Kaiser, König und Herr! Euer Majestät!" und wie man den Monarchen poetisch wohl anredend pries „Held der Mark!", „Herrscher des Vaterlandes!", „Preußens Aar!" — ganz so spricht man in Ägypten mit dem König schlichter als man an ihn schreibt oder gar als man ihn in einem Liede ansingt. Und nur in solchem Fall darf man den König auch, wie einen Gott, mit seinem Eigennamen anreden: „Sahure!" oder „Sesostris!" sagen, wie man bei uns in einem Gedicht wohl „Friedrich!" oder „Wilhelm!" sagen konnte. Derartige nach Form und Gehalt unterschiedliche Anreden sind auch in Ägypten jederzeit nebeneinander verwendet worden mit einer Ausnahme: in
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Amarna 1 ) kommen fast nur Anreden an den König vor, die sonst dem Liedstil angemessen sind. Es gehört zu der rauschhafiben Begeisterung, in welcher der König und seine Umgebung sich im „Aufgangsberg der Sonnenscheibe", in Amarna, dauernd befanden, daß der Gottkönig kaum je mit einer einfachen Anrede wie „der Pharao!" oder „mein Herr!" angesprochen wird, sondern daß zum wenigsten Häufungen an sich schlichter Anreden gebraucht werden, wenn es sich nicht, wie oft, um formal und inhaltlich übersteigerte Prädikationen handelt, die außerhalb dieser besonderen, schwärmerisch bewegten Welt von Amarna auch in Ägypten ihresgleichen suchen (siehe Seite 46). Man spricht in Amarna nicht zum König, man singt ihn an oder betet zu ihm. Den Anreden an den König in Amarna fehlt seitens der Sprechenden Haltung und Selbstgefühl, seitens des Angesprochenen Geschmack und Urteil für das Erträgliche. Manches erklärt sich aus der Seltsamkeit des Amarnaherrschers und aus der ephemeren Entstehung des Hofes. Die Umgebung des Königs besteht zum guten Teil aus Leuten, die sozusagen erst frisch geadelt sind, die aus kleinen Verhältnissen zu hohen Beamtenstellungen nicht durch sich selbst emporgestiegen sind, sondern von Königs Gnaden emporgehoben wurden, und die sich nicht genug tun können, dem „Herrscher, der sie zu Menschen machte", wie es in den Texten heißt, ihre Dankbarkeit schon dadurch zu bezeigen, daß sie ihn anbetend anreden. Wie auf anderen Gebieten, so mag auch auf diesem der Hofetikette die Amarnazeit nicht ohne Nachwirkungen auf die nächste Folgezeit gebheben sein. Manche Anreden an den König aus dem späteren Neuen Reich klingen so, als hätten sie Vorbilder am Hofe Amenophis' des Vierten gehabt, wie etwa die Anrede der Hofleute an Ramses den Zweiten Pharao, die Atemluß für unsere Nase!
Man muß mit dem König nicht immer in besonderen Anredewendungen sprechen, man kann auch nur „du" zu ihm sagen, wie die Haremsdamen im Westcarmärchen oder sowohl die Gemahlin des Königs als auch seine Beamten im neuägyptischen Märchen von den beiden Brüdern, um ein paar Beispiele anzuführen. In der Hofgesellschaft und bei den Beamten ist es sonst Sitte, den König zum wenigsten beim Beginn eines längeren Gesprächs, beim Erstatten einer Meldung und bei ähnlichen Anlässen förmlich anzureden oder doch das „du" in die Form „deine Majestät", „deine Per1
) Amarna(zeit): die nach der Stadt Amarna in Mittelägypten benannte kurze Episode der Regierung Amenophis' des Vierten (1377—1350), religionsgeschichtlich bemerkenswert durch den fruchtlosen Versuch des Königs, einen Monotheismus der reinen Sonnenverehrung durchzuführen, und spraohgeschichtlich wichtig, weil seit dieser Zeit das Neuägyptische (vgl. Seite 6) zur vollen Entfaltung gekommen ist. Für die Eigenarten der Sprache dieser Zeit (die außerhalb der Hauptstadt Amarna kaum in Erscheinung tritt) vgl. die Hinweise im Register unter „Amarnasprache". 4
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son" zu kleiden. Wenn in den halbfamiliären Szenen des Westcarmärchens, dessen Erzähler im übrigen die Prinzen und den weisen Dedi die herkömmlichen Anreden an den König gebrauchen läßt, und wenn in den neuäyptischen literarischen Texten zum König unfeierlich nur „du" gesagt wird, während in den gleichzeitigen offiziellen Inschriften die üblichen Anreden verwendet werden, so erklärt sich das wohl aus dem volkstümlichen Ton dieser Märchen und Erzählungen, die sogar das Leben am Hof des Königs sich in der kleinbürgerlichen Welt abspielen lassen, in welcher sowohl Erzähler wie Hörer zu Hause sind, in der man sich eben nicht eigentlich anzureden pflegt. Die wirklich gesprochenen Anreden des Königs, außerhalb Amarna und der Hymnen und ähnlicher Texte, sind Appellativa, die nur selten allein gebraucht werden, sondern in der Regel noch einen zweiten ergänzenden nominalen Ausdruck als Apposition bei sich haben oder einen attributiven Zusatz. Bloßes Fürst! oder Pharao! sind nicht häufig, gewöhnlich sagt man Fürst mein Herr! oder Pharao unser gütiger Herr! oder starker König! Dabei haben sich so regelmäßig in bestimmter Wortwahl und Wortfolge immer wieder auftretende Verbindungen herausgebildet, daß es stört, wenn einer der Bestandteile einmal selbständig gebraucht wird. Bloßes unser Herr! als Königsanrede verwenden zuerst die Soldaten und die gefangenen Feinde unter Thutmosis dem Dritten; einfaches mein Herr! kommt erst in Amarna auf. 2. Gewöhnliche Anreden an den König Hauptformen dieser Anreden sind: Fürst mein Herr!; Fürst unser Herr!, beide im Neuägyptischen umgesetzt in Pharao der meinige gute Herr! und Pharao der unserige gute Herr! — Guter Gott!, im Neuen Reich gern dieser gute Gott! — starker König! und der starke König! — der Herrscher! und der gute Herrscher!, beides neuägyptisch. Der Ausdruck, den wir herkömmlich mit „deine Majestät" wiedergeben (er scheint etwa „deine Persönlichkeit" zu bedeuten), kommt nicht als eigentliche Anrede vor, sondern nur als betontes „du" („dein", „dir", „dich"). Und so auch neben einer echten Anrede wie an dieser bezeichnenden Stelle aus einer Inschrift über das Wirken eines Königs Neferhotep für den Gott Osiris in Abydos: die Hofherren sagen was deine Person befohlen hat, ist geschehen, Fürst mein Herr! Deine Majestät begebe sich zu den Bücherhäusern; deine Majestät sehe sich die Gottesworte an. Da begab sich seine Majestät (usw.). Die Anrede lautet „Fürst mein Herr!", die Ausdrücke „deine Person" und „deine Majestät" sind Betonungen eines „du". Die angeführten Hauptformen der Königsanrede verteilen sich im wesentlichen auf zwei Gruppen von Sprechenden, auf den Hofstaat und alles was
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dazu gehört, und auf die gefangenen, um Gnade flehenden oder Gaben bringenden Fürsten der Fremdländer. Sie werden aber auch von den Soldaten und anderen verwendet. Daß ganz niedere Leute den König unmittelbar ansprechen, ist nicht belegt und wird auch kaum oder doch nur selten vorgekommen sein. Im ganzen ist es so, daß in den Anreden des Hofes, der Beamten, des Militärs das „Herr" betont wird, in den Ansprachen der gefangenen Fremden die „Güte", die sie erhoffen oder die „Stärke", die sie gespürt haben. Aber solche Verteilung der Anreden hinsichtlich ihres Inhalts ist nur im allgemeinen gültig. Im folgenden können für die häufigeren Anreden nur ausgewählte Beispiele gegeben werden. a) A n r e d e n s e i t e n s d e s H o f e s , d e r B e a m t e n usw.
Die bezeichnende regelmäßig verwendete Anrede bei Hofe ist „Fürst mein Herr", „Fürst unser Herr". Wir kennen sie zuerst aus der Literatur des Mittleren Reiches. Unmittelbare Anreden des Königs aus dem Alten Reich sind kaum bezeugt. Die biographischen Urkunden dieser Zeit berichten über mancherlei, was man vom König erbeten hat, aber sie geben in der Regel nur den Inhalt solcher dem König vorgetragenen Bitten wieder, nicht den genauen Wortlaut. Die wörtlich mitgeteilte Bitte eines Oberarztes an Sahure ist eine Ausnahme Ach es befehle diese deine von Re geliebte Person (daß usw.). Vielleicht hat man öfters so gesprochen. Wenn König Neferkere in seinem Brief an Herchuf als Inhalt einer von dessen Meldungen anführt, daß er geschrieben habe, „die Göttin des Landes Jamu habe Gaben gesandt der Person des Königs Neferkere, so deutet das auf eine ähnliche Anredewendung in der direkten schriftlichen Meldung als „deiner königlichen Person". Wenn andererseits die Lehre des Ptahhotep wirklich von dem gleichnamigen Vezier aus dem Alten Reich verfaßt sein sollte und wenn der Text uns in der Fassung und in der Sprache des Originals vorliegt, dann hat man auch im Alten Reich bei Hofe schon ebenso „Fürst mein Herr" gesagt wie im Mittleren Reich. Die Erwähnung des Königs in den Biographien als die Majestät meines Herrn würde auch dafür in Anspruch genommen werden können. Der Anrede Fürst mein Herr! bedienen sich die einzelnen Mitglieder der Familie des Königs, der Vezier, der Gelehrte, der weise Dedi, und andere. Fürst unser Herr! sagen die Hofherren, die Räte, die Priester, kurzum mehrere Personen. Das ist nicht selbstverständlich. Denn die Anrede Fürst mein Herr! wird auch bei einer sprechend gedachten Mehrzahl gebraucht, von der jeder einzelne ja tatsächlich „mein" Herr sagt. Jedenfalls bei einem gemeinsamen Aufschrei wie in der Sinuhegeschichte (die Königskinder 4*
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stießen einen sehr lauten Schrei aus in „einem" Ruf; sie sagten zu Seiner Majestät er ist es nicht wirklich Fürst mein Herr!) oder beim Vortrag eines Hymnus wie des auf Sesostris den Dritten: Preis dir Sesostris unser Horns! Wie ist es aber zu denken, wenn es heißt „die Räte sagten Fürst unser Herr (oder: Fürst mein Herr!), mögest du so und so handeln". Eigentlich kann in solchem Fall nur ein einzelner sprechen, soll anders der König nicht in einem Chor die Meinung seiner Ratgeber hören. Soll ein „die Räte sagten" nur die Einhelligkeit ihrer Ansicht ausdrücken? Beide Anreden kommen richtig angewendet in der Einleitung zur Weissagung des Neferti nacheinander vor: Auf die Frage des Königs nach einem Manne, der ihn mit guten Worten und erlesenen Sprüchen erfreuen könne, sagten die Räte es gibt einen großen Cherhebpriester der Göttin Bostel, Fürst unser Herr!, der Neferti heißt und als Neferti vor dem König steht, der ihn begrüßt .hat „komm Neferti mein Freund, daß du mir sagst, was mich erfreut" fragt der Weise von dem was geschehen ist ? von dem was geschehen wird ? Fürst mein Herr! Die Etikette des Hofes verlangt die Anwendung dieser Anrede, aber sie bestimmt nicht ihre Stellung im Satz. Der Vezier Ptahhotep, der den König und den der König kennt, beginnt seine Bitte um Entlastung durch einen Gehilfen mit der Anrede Fürst mein Herr! Neferti, der zum erstenmal vor dem König steht, der ihn auch noch nicht kannte, stellt seine Anrede hinter die Fragen. Der Prinz Hardedef meldet dem Könige Fürst mein Herr! (ich habe den Dedi geholt); Dedi seinerseits, in derselben Lage wie Neferti, antwortet auf die Frage des Königs, weshalb er ihn nicht schon früher gesehen habe: der Gerufene ist es, der kommt, Fürst mein Herr! Wir würden die Anrede voranstellen. Sogar der Bote aus dem Lande Bechten meldet dem Könige mit Einschub der Anrede ich komme zu Dir, Fürst mein Herr! (mit dem „ich" als erstes Wort gewiß nicht nach der Etikette). Neben dieser Anredeform, die einmal in einer Ansprache der Hofgesellschaft merkwürdig aufgelöst und zugleich erweitert ist unser Fürst, unser Herr, unser (Sonnengott) Re!, kommen noch andere Anreden vor, aber selten. Die Prinzen, die Ramses dem Dritten Blumensträuße reichen, begrüßen ihn mit du erscheinst schön, starker König, wie Re!, mit derselben Anrede, welche auch die Töchter zu ihrem königlichen Vater gebrauchen bei dem gleichen Anlaß der starke König!-, diese Anrede verwenden sonst die fremden Fürsten. Als nach dem Empfang des Sinuhe der König zu zögern scheint, das Wort der Begnadigung auszusprechen, musizieren die Damen des Hofes vor dem Herrscher, den sie anprechen [strecke doch] deine Hände zu Schönem hin, gnädiger König!', ihre Bitte geht dann in ein kleines Lied über (ob das „gnädig" den König beeinflussen soll?). Ganz ungewöhnlich ist der Gruß eines Stallmeisters an den König, dem er dessen Leibpferd vorführt:
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nach einem einleitenden Preis werde dir zuteil redet er den König an der Pharao! . .. der große Herrscher! ... der Re für Ägypten! Die Empfangsanzeige des königlichen Erlasses, in der sich Sinuhe bedankt für die Rückberufung nach Ägypten und für die in Aussicht gestellte Begnadigung, ist die einzige uns überkommene Probe für ein längeres Schreiben eines hohen Beamten an den König. Anlaß und Inhalt geben diesem Brief naturgemäß eine besondere Note, und bei anderen Gelegenheiten mit anderen Zwecken verfaßte Schreiben an den König werden auch in ihrer Fassung anders gewesen sein. Aber dieser Brief ist dafür auch von einem alten Hofmann hohen Ranges verfaßt (oder soll es doch sein) und gewährt uns eben darum eine besonders deutliche Vorstellung von den in solchen Schreiben üblichen Kurialien. Er beginnt nicht mit einer Anrede, sondern mit einem Gruß In Frieden! Die einzige echte Anrede, die der Brief enthält, folgt erst ziemlich spät auf die an den Gruß anschließenden Worte es ist sehr gut (daß) Kenntnis genommen wurde von dieser Flucht, die „der Diener da" unbewußt vollzogen hat, durch deine Person, guter Gott, Herr der beiden Länder! Im übrigen ist der im Brief angeredete König bald „du", bald „deine Majestät" und Sinuhe spricht von sich hier als „ich", dort als „der Diener da", was siebenmal als bescheidener Ausdruck für „ich" gebraucht ist, dem ein „sein Herr" anstatt „du" entspricht. Die Unterwürfigkeit des Schreibers, der im Anschluß an die Anrede und zum Schluß des Ganzen den König der Gnade aller Götter empfiehlt, die „Leben an des Herrschers Nase geben" möchten, kommt insbesondere zum Ausdruck in den Schlußworten Deine Majestät möge tun wie sie wollen wird: man lebt von der Luft, die du gibst. So sprechen sonst die unterworfenen fremden Fürsten, wenn sie den König von Ägypten um Begnadigung anflehen. b) A n r e d e n s e i t e n s der u n t e r w o r f e n e n f r e m d e n F ü r s t e n
Wenn die Anreden, welche die Fremden an den König richten, in einer Untersuchung über das Sprechen der Ägypter mit behandelt werden und das gerade an dieser Stelle, hinter den Anreden des Hofes und der Beamten, so mit Recht. Denn alle diese besiegten nach Ägypten gebrachten Syrer, Nubier, Libyer usw. sprechen ja nicht in ihren Sprachen, sondern reden ägyptisch. Und sie sprechen nicht nur ägyptisch, sondern was sie sagen ist auch ägyptisch gedacht, nicht etwa aus ihrem eigenen Denken in ägyptisches umgesetzt, aus ihren Sprachen ins Ägyptische übertragen. Sie sprechen wie gebildete ägyptische Beamte in den Wendungen des höfischen Stils. Die Beischriften zu den heimkehrenden Schiffen im Grabdenkmal des Königs Sahure aus dem Alten Reich sind gedacht als von den Insassen der Schiffe, Ägyptern und gefangenen Asiaten, dem König zugerufen. Aber
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diese Zurufe wie Preis dir Sahure, von Thoth geliebt, Herr der Fremdl&nder! oder Preis dir Sahure, Gott der Lebenden, wir sehen deine Schönheit! sind in Gedanken und der Form nach rein ägyptisch. Ob diese Asiaten, mit denen sich die Ägypter an Bord nur mit Hilfe von Dolmetschern verständigen können, wirklich so gerufen haben, so rufen konnten? Bestenfalls waren ihnen diese Anrufe, deren Sinn sie schwerlich verstanden, eingeübt wie die dem Preis entsprechende Geste der betend erhobenen Arme. Und es fragt sich weiter, ob die langen formelhaften Reden, mit denen die gefangenen Fürsten der Syrer, Libyer und Nubier den Pharao bei ihrer Vorführung durch ägyptische Beamte in der Proskynese und in anderen Situationen grüßen müssen, wirklich von den Fremden gesprochen sind? Ob nicht in den meisten Fällen oder in allen die begleitenden Ägypter in diesen Reden vortrugen, was die Gefangenen als Wunsch auf dem Herzen hatten: die Begnadigung, und was sie erzwungen anerkennen mußten: die Macht des Siegers? Schwerlich werden die Fremden so schnell „die Sprache der Menschen im Gefolge des Königs" angenommen, also Ägyptisch gelernt haben, und „ihre Sprache zum Verschwinden gebracht haben, so daß sie ihre Zunge vergaßen" (So ist in einer Inschrift angedeutet, wie aus den gefangenen Libyern treue Söldner des ägyptischen Königs wurden). Für die Bewertung der Königsanreden in den angeblichen Äußerungen der Fremden ist es auf jeden Fall wesentlich, wie man diese Äußerungen hinsichtlich ihrer Abfassung und ihres Vortrags beurteilt. Haben die von Ramses dem Zweiten am Strick geführten Fürsten der Philister wirklich „gesagt" Wie groß ist deine Kraft, starker König, großer Re für Ägypten, deine Stärke ist groß mehr als ein Berg von Erz! oder die mit Gaben zu Haremheb kommenden Puntleute Sei gegrüßt, König von Ägypten, Re für die Völker!? Das ist nicht semitisch und kaum puntisch gedacht und formuliert, sondern ägyptisch, und war gewiß recht schwierig zu sprechen für die Zunge eines Philisters und eines Mannes aus Punt an der Somaliküste. Die beiden Themen der gewöhnlichen, immer wiederkehrenden Reden der fremden Fürsten als Sprecher ihrer Völker sind: Anerkennung der Macht des ägyptischen Königs und Bitte um Begnadigung. Beide kommen auf unter Thutmosis dem Dritten und bleiben dann, solange die Pharaonen überhaupt eroberten und Gefangene nach Ägypten brachten und zur Huldigung zwangen. Was die besiegten Großen der Stadt Megiddo in ihrer Urfehde erklären vnr haben seine Gewaltigkeit gesehen, er hat uns Luft gegeben nach seinem Bdieben wird auch früher schon die Form gewesen sein, in der die Ägypter die Besiegten sich unterwerfen ließen. Aber vor den Eroberungszügen des Königs Thutmosis' des Dritten haben wir dafür keine Belege. Die Formel der Machtanerkennung lautet wie groß ist deine Macht! Die Bitte um Gnade spricht den Wunsch aus, am Leben gelassen zu werden:
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gib uns deine Luft! oder gib uns die Luft, die du zu geben vermagst! oder auch nur Luft! Luft! An diese Ausrufe und Bitten, die einzeln oder zugleich, geäußert werden, schließen sich die Anreden: unser Herr! (nicht häufig); starker König! auch der starke König! auch starker König, Fürst, den Re liebt! oder guter Gott! oder dieser gute Gott!, auch guter Gott, Herr der beiden Länder! Der gute Herrscher! auch der gute Herrscher, groß an Kraft wie Gott Month, der in Theben wohnt! oder auch der gute Herrscher starken Armes groß an Kraft! Dazu kämen noch Anreden wie König von Ägypten! und Re für die Völker! und großer Re für Ägypten! und andere — alles im Munde von Semiten, Libyern, Nubiern, Puntleuten seltsame Anreden! In dem Schreiben des Sinuhe an den König besitzen wir eine Probe für den Stil eines gebildeten Ägypters an „Seine Majestät". Der Brief klingt echt und könnte wirklich so geschrieben sein. Das Schreiben, das der besiegte Hethiterkönig nach der Schlacht an den Pharao schickt, kann auch echt sein, ist aber nach Inhalt und Wortwahl so unhethitisch wie möglich, ist rein ägyptisch und wird, wenn überhaupt wirklich geschrieben und nicht etwa bloß für den Kriegsbericht an den Tempelwänden erfunden und zurecht gemacht, von einem ägyptischen Schreiber am Hofe des Chatuschil verfaßt sein. Ganz abgesehen vom Historischen, von der Frage, ob das Eingeständnis der Niederlage und die Furcht vor völliger Vernichtung und die Bitte um Milde und Gnade sachlich begründet und geschichtlich wahrscheinlich sind: wie steht es mit den Formalien dieses Briefes? Der Fürst der Hethiter, der schon vorher durch eine „Sendung" (wohl ebenfalls durch einen Brief) „den großen Namen Seiner Majestät verehrt hatte: du bist Re-Harachte, du bist Sutech, der starke Sohn der Nut, Baal ist in deinem Leibe, der Schrecken vor dir ist im Hethiterland, du hast den Bücken des Hethiterfürsten für immer gebrochen"(!) schreibt: Fürst, der seine Soldaten schützt, auf dessen Arm Stärke ist, Mauer für seine Truppen am Tage des Kampfes, König von Ober• und Unterägypten Ramses! (usw.). Der Brief schließt mit der Bitte gib uns Luft!
c) Anreden seitens der ä g y p t i s c h e n Soldaten Uns sind aus dem Alten und Mittleren Reich gar keine Ansprachen der Soldaten an den König überkommen, und auch aus dem Neuen Reich, aus der Zeit der großen Eroberungskriege und der Kämpfe um die Bewahrung des Eroberten, haben wir nur wenige Belege dafür. Die üblichen Kriegsberichte bieten ja auch nach ihrer ganzen Anlage kaum Gelegenheit dazu: immer ist es der König, der alles geleistet hat und der erzählt, was und wie er es erreicht hat. Es wird oft genug berichtet, wie tapfer der König und seine Truppen kämpften, aber diese selbst kommen kaum zu Wort. Da ist
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die inschrifbliche Erhaltung der Notizen aus dem Kriegstagebuch über den Kriegsrat, den Thutmosis der Dritte auf seinem ersten syrischen Feldzug vor dem Übergang über den Karmel mit seinen Soldaten abhielt, ein besonderer Glücksfall. Diese Besprechungen, in denen die Soldaten dem Könige ihre Bedenken und ihre schließliche Zustimmung zu seinem kühnen Plan aussprechen (in der aufkommenden neuägyptischen Umgangssprache, nicht sehr altertümelnd), zeigen, in wie schlichten Formen sich die Soldaten dem König gegenüber äußern durften. Ihre halb im man-Stil und in dritter Person gefaßten Reden beginnen ohne jede feierliche Anrede mit es ist ivie was? (das beabsichtigte Marschieren) und mit dein Vater Amon macht usw. Neben betontem du kommt auch deine Majestät vor, als eigentliche Anrede unser Herr! und unser starker Herr!, aber auch nur mittelbar ach es möge unser starker Herr gehen. Diese Anrede wird die übliche in der sonst knapp gehaltenen Sprechweise des Militärs gewesen sein. Denn auch die Soldaten Ramses' des Dritten jubeln dem König zu mit dem Anruf unser starker Herr! Und auch der verängstigte Wagenlenker redet seinen Herrn, Ramses den Zweiten, während der Schlacht an mit der meinige gute Herr! Was er freilich weiter sagt: „Der starke Herrscher! der gewaltige Schirmer Ägyptens am Tage des Kampfes! (wir stehen allein inmitten der Feinde usw.), um mit dem Ruf zu enden mögest du uns retten, Ramses! ist literarisches Geschreibe; so spricht kein Wagenlenker im Kampfgetümmel zum König. In demselben Gedicht auf die Schlacht bei der Stadt Kadesch preisen nach dem Siege die Soldaten den König der tüchtige Kämpfer! und reden ihn die Offiziere bei der Beratung über den Brief des Hethiterkönigs an mit der höfischen Formel Fürst unser Herr! 3. Anreden an den König in Amarna Diese schon oben Seite 39 gekennzeichneten Anreden finden sich so gut wie ausschließlich in den Inschriften der Gräber der Vornehmen am Hofe Amenophis'des Vierten; die übrigen Texte aus der Amarnazeit enthalten nichts für unsere Frage Wesentliches. Wie es ja auch sonst bei den Inschriften der ägyptischen Privatgräber der Fall ist, bezieht sich ein guter Teil der Texte in den Gräbern von Amarna auf das, was der Grabesherr im Leben t a t und sagte: es sind Hymnen auf den Gott, Gebete für den König, biographische Inschriften, erläuternde Beischriften zu Darstellungen der Belehnung von Beamten und noch manches andere. Das Besondere in Ton und Fassung der Anreden an den König in Amarna beruht nicht auf einer inhaltlichen Besonderheit der Texte, in denen sie verwendet werden. Die Form vieler dieser Texte ist die der Hymnen und Gebete. In solchen pflegen die Anreden gern, über das sonst übliche hinaus, eine höhere Stufe
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des Ausdrucks anzunehmen. Aus diesem Grunde werden die Amarnaanreden hier vor den Königsanreden in Hymnen sonst besprochen, für die der folgende Abschnitt bestimmt ist. Aber auch die Annahme, daß die Eigenart der Anreden an den König in Amarna durch die Liedform beeinflußt sei und daß sie eigentlich nicht der gewöhnlichen Sprechweise angehören, gibt keine ausreichende Erklärung. Als der Vorsteher des königlichen Frauenhauses Huja befördert worden ist und Orden bekommen hat, dankt er folgendermaßen: Preis deiner Person, der Waenre, guter Herrscher, der Vornehme macht, der hohe Nil für das ganze Land, die Nahrung für alle Leute! usw. Diese Anreden sind also wirklich gebraucht worden, sie sind echte Zeugnisse für die geistige Haltung derer, die sie im Leben verwendeten, für deren Verhältnis zum König und für die seltsame Luft, in der man an dem halb weltlichen, halb geistlichen Hof des „Ketzers von Amarna" lebte oder doch leben mußte. Gewiß ist der ägyptische König auch vor der Amarnazeit und nach ihr als „Sohn des Re", „Sohn des Amon" usw. betrachtet und auch angesprochen worden. Er ist „der gute Gott" als Lebender und ist „der große Gott" nach seinem Tode. Man vergleicht ihn unter anderem auch mit dem Nil und mit der Nahrung für die Ägypter. Aber es ist ein Unterschied, ob man den König nur mit dem Nil vergleicht oder ob man ihn geradezu mit ihm gleichsetzt, ihn so nennt, anredend so nennt. Gewiß kann man den König, gerade auch in einem Hymnus, mit seinem Eigennamen und ohne einleitende Titel anreden: „Preis dir Sahure!" ruft die Schiffsbesatzung (vgl. S. 44), und in solcher Weise hat man zu allen Zeiten rufen dürfen (vgl. den folgenden Abschnitt), hat man auch in Amarna gerufen: Preis deiner Person, Amenophis IV., guter Herrscher, geliebt vom Aton! Aber so wie man daneben in Amarna den König sonst mit Namen anredet, ist es weder vorher noch später üblich gewesen. Davon zunächst. Man hat in Amarna den Eigennamen des Königs Nefer-cheperu-Rewaenre Schön an Gestalten ist Re, einzig für Re verkürzt zu „Waenre" Einzig für Re und verwendet nun diese Kurzform sowohl als Namen des Königs wie als Appellativum, sogar mit dem bestimmten Artikel der Waenre. Ein Beamter Mahu sagt grüßend zum König: Waenre, du wirst ewig sein!-, man empfiehlt dem Sonnengott von Amarna (als Sonnenscheibe Atön genannt) seinen Sohn als dein Sohn Waenre; ein Mann bezeichnet sich als Diener des Waenre, des Herrschers; eine Frau in der Menge, die einem frisch Geadelten zujubelt, spricht vom König als dem Waenre. Und endlich wird diese Verbindung des Kurznamens mit dem Artikel sogar als Anrede an den König selbst gebraucht wie in dem oben erwähnten Dank des Huja und wie in einem Preis eines anderen Beamten Preis dir der Waenre! ich preise dich bis zur Höhe des Himmels, ich stelle zufrieden den von der Wahrheit Lebenden,
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den Herrn der Diademe Echenatön, groß in seiner Lebenszeit, den Nil auf dessen Befehl man reich wird usw.). Hier ist Waenre wohl zu einem Appellativum geworden, zu einer Bezeichnung wie „König". Für die Frage, ob dieses Waenre, das übrigens immer ohne den Königsring wie ein gewöhnliches Wort geschrieben wird, noch als Name oder schon als Appellativum aufgefaßt werden muß, ist der „Preis" eines anderen Mannes interessant. Begann der Preis oben mit „der Waenre" und nannte er den anderen Namen des Königs, Echenatön, erst später, so fängt hier der Preis mit demselben Vollnamen an, aus dem die Kurzform Waenre erst abgeleitet ist, die gleichfalls genannt wird: Preis deiner Person, Nefer-cheperu-Re- Waenre, guter Herrscher, geliebt vom Atön, der hohe Nil für das ganze Land, von dessen Anblick man lebt, Waenre, geliebt wie Atön! Jedenfalls: wenn Waenre noch wirklich der Name des Königs ist, dann hat man in Amarna vom König und zum König mit einer Vertraulichkeit gesprochen, die in Ägypten sonst unerhört ist. Man kann nicht sagen „ich war der Diener des Men-cheper-re" (um den Eigennamen Thutmosis des Dritten zum Vergleich zu nehmen) oder von diesem Herrscher als „der Mencheper-re" sprechen oder ihn gar anreden mit „der Men-cheper-re!". In Amarna ist man noch weiter gegangen. Waenre ist der zweite Bestandteil eines Doppelnamens, der zu einer Kurzform oder Koseform geworden ist. Das ist gerade so, als hätte man am Hof von Weimar statt Karl-August nur August gesagt, womöglich noch mit Änderung der Betonung von August in Aügust, als hätte man von dem Herzog oder Großherzog als „der August" gesprochen oder ihn angeredet mit „du August", was dem „der Waenre" entsprechen würde. Auch wenn es nicht plump vertraulich gemeint sein sollte, sondern vertrauensvolle Zugehörigkeit zum Herrscher ausdrückt, ist Waenre wohl auch für Amarnaverhältnisse merkwürdig genug. Dem Gott gegenüber wird dein Sohn Waenre ebenso gebraucht wie dein Sohn Nefer-cheperu-re- Waenre. Spricht man den König mit diesem seinem unverkürzten Eigennamen an, so im allgemeinen ohne Titel davor: Nefercheperu-re- Waenre, der meinige Gott, der mich machte. Aber sonst, in anderen Erwähnungen des Namens, heißt es der Herr der beiden Länder Nefercheperu-re- Waenre oder der König von Ober- und Unterägypten Nefer-cheperure- Waenre und ähnlich. So, mit Titel, wird der Name auch in Anreden gebraucht, wenn er eine schon unmittelbar vorher verwendete Anrede begleitet: (Willkommen) von der Wahrheit Lebender! Herr der beiden Länder Nefer-cheperu-re-Waenre! Es ist für die Verwendung des Königsnamens als Anrede bezeichnend, daß solche Anrede gern zwischen einem Gebet an den Atön, in dem von dem Könige gesprochen wird, und etwa einem Dank an den König steht, in welchem dieser angesprochen wird. Dabei ist nicht
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deutlich, ob die Nennung des Namens den Schluß des Gebets zu dem Gott oder den Anfang des Preises des Königs bildet; der Name gehört zu beiden. Dafür zwei Beispiele: (Atön) existierst du, so existiert auch seine Majestät, der Sohn des Re, Echenaton, groß in seiner Lebenszeit, mögest du gewähren, daß ich dir folge wie ein von dir Gelobter usw. Der „du", dem der Betende dienen möchte, ist offenbar der König. In einem Gebet an den Gott für den König heißt es: er [der Gott] gebe ihm [dem König] die Ewigkeit als König wie der Atön [d. h. wie der Gott selbst ewig herrscht], Nefer-cheperu-reWaenre, mein Gott, der mich machte, mögest du gewähren, daß ich satt werde an deinem Anblick usw. Es ist überhaupt in den Hymnen und Gebeten in Amarna oft unklar oder zweideutig, an wen die Worte eigentlich gerichtet sind, ob an den König oder an den Gott. Sie wenden sich oft an beide, die für den Durchschnittsgläubigen wohl miteinander verschmolzen. Der König als Verkünder und eigentlicher Träger der neuen Religion, die gewiß viele Mitbeter, aber wenige überzeugte Gläubige hatte, zumal sie ja eben erst entwickelt war (und sich ja auch über den Tod des Königs hinaus nicht erhielt), wurde „geboren wie die Sonne geboren wird" (also täglich aufs neue) und „aus den Strahlen des Atön selbst gebaut". Der irdische Sohn des himmlischen Vaters war dessen lebendiger Zeuge und Vertreter, ja die einzige wirklich anschauliche religiöse Erscheinung der neuen Religion für die in ihrem früheren Glaubenszustand an menschengestaltige Götterbilder und Göttervorstellungen gewöhnten Neubekehrten, deren religiösen Bedürfnissen das Bild der Sonnenscheibe mit den Strahlen schwerlich genügte. Es kommt hinzu, daß die ganze Hofgesellschaft durchaus von Königs Gnaden war und sehr darauf angewiesen, dem Herrn zu gefallen und immer erneut ihre Anhänglichkeit und Dankbarkeit zu bekunden. So erklärt es sich, daß in den Texten in Amarna nur kleine Leute, Türhüter, Polizisten, Knaben wirklich sprechen; die Großen beten und preisen und danken nur, singen im Hymnenstil, aber sprechen nicht. Wir haben nicht ein einziges Zeugnis für eine ruhige Unterhaltung des Königs mit seinen Getreuen und ähnliches dieser Art, was uns doch in den Inschriften der Zeit vor und nach Amarna gut bekannt ist. Es gibt keinen stärkeren Gegensatz in dieser Hinsicht als die klare, bestimmte Sprache der Texte seines Nachfolgers Haremheb gegenüber dem schwärmerischen, dauernd begeisterten Gerede oder besser Gesinge der Amarnatexte, von dem auch der Gottkönig selbst nicht frei ist. Diese allgemeine Eigenart der Sprechweise in Amarna kommt auch in den Anreden des Königs zum Ausdruck. Von ihm spricht man ganz in den hergebrachten Wendungen mit den üblichen Königsbezeichnungen als vom „Herrn der beiden Länder", dem „König von Ober- und Unterägypten", nennt sich „einen den der gute Gott gelobt hat' oder „einen den der König
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groß gemacht hat". Zu ihm aber spricht man kaum in den einfachen Anredeformen der früheren Zeit. Gewiß wird er noch angeredet mit der gute Herrscher! oder mit der meinige Herr! Aber auch die Anrede „Pharao" ist schon geändert in der Pharao, der Sohn, von dessen Anblick ich lebe! Am liebsten verwendet man Anreden, die auf seine religiöse Sendung Bezug nehmen wie der gute Sohn des lebenden At6n! oder das Geschöpf des At6n! oder von der Wahrheit fd. h. der neuen „wahren" Lehre] Lebender, Herr der beiden Länder, Nefer-cheperu re-Waenre! oder lebende Sonne für alle Leute! oder Anreden, die aussprechen, was er praktisch für seine Anhänger bedeutet, wie der Nil durch dessen Süße man reich wird! oder die Nahrung für alle Leute! Solche Anreden, die auch zu mehreren nacheinander gebraucht sind, werden in ihrem Gefühlsgehalt noch gesteigert, wenn sie durch ein „mein" in unmittelbarer Beziehung zum Sprechenden gesetzt werden, wenn man betend zum König sagt der meinige Herr, der mich entstehen ließ! oder der meinige Gott, der mich machte! oder gar meine Luft, von der ich lebe, mein Nordwind, meine unendliche Zahl täglich flutender Nile! Übrigens, um das doch zu vermerken, sind auch die "biographischen Teile der Gräbertexte anders als sonst, auffallend unsachlich und inhaltsleerer als Texte in den Gräbern Vornehmer es zu sein pflegen. 4. Anreden an den König in Hymnen und ähnlichen Texten Für Anreden des Königs im Hymnus, auf deren Besonderheiten im Vorstehenden schon hingewiesen wurde, ist das Material gar nicht so umfangreich, wie man zunächst denken würde. Denn es sind uns zwar ziemlich viele längere und kürzere Lieder erhalten, die den König preisen, besonders aus dem Neuen Reich, aber nur in einem Teil derselben wird der König wirklich angeredet. Die meisten dieser Dichtungen sind nicht Preislieder an den König, sondern solche auf ihn, die nicht zu ihm sprechen, sondern von ihm das Rühmenswerte aussagen. Gerade manche der bekannten großen Texte, an die man bei Königsliedern denkt, sind „Er"-Hymnen: so das Lied auf den König in der Sinuhegeschichte, das Lied auf Ramses den Zweiten in Abusimbel, das Lied auf die Siege des Merenptah (Israelstele) und andere. Neben solchen „Er"-Hymnen des Typus „er ist der Starke, der . . . der . . . " über die Macht usw. des Königs stehen die an den mächtigen usw. König selbst gerichteten „Du"-Hymnen, deren wohl bekanntester Vertreter, das Lied auf Thutmosis den Dritten aus Karnak, hier nicht in Betracht kommt, da es dem Amon in den Mund gelegt ist, der seinen lieben Sohn als sieggekrönten König begrüßt. Das wesentliche Neue, das die „Du"-Hymnen und ihnen verwandte Texte für die Frage nach der Königsanrede bieten, ist die nur in ihnen er-
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laubte Anrede mit dem Namen, die auch in der Amarnasprache erscheint, dort freilich in einer Ausartung, die außerhalb dieser Episode unerhört ist. Als ältestes Beispiel haben wir die Begrüßung des Königs durch die Ägypter und gefangenen Asiaten im Totentempel des Königs Sahure Preis dir, Sahure, Gott der Lebenden! Der schöne mehrstrophige Hymnus auf Sesostris den Dritten aus Kahun beginnt Sei gegrüßt, Chakaure, unser Horus Netericheperu!, also mit einer Anrede des Königs sowohl mit seinem Eigennamen Chakaure als auch mit einem seiner amtlichen Namen, der durch die Zufügung des „unser" an den Horus-Titel in persönliche Verbindung zu den Sprechenden gebracht ist. Ein bezeichnendes Beispiel aus später Zeit bietet der Anfang des Jubelliedes, das die Ägypter auf Pianchi singen, als er triumphierend nilaufwärts in seine Residenz Napata zurückfährt: der starke Herrscher! der starke Herrscher! Pianchi, der starke Herrscher! Es liegt nicht so, daß man den König mit seinem Namen anreden muß, wenn man ihn preist, man darf es aber. Man kann ebenso gut sagen Sei gegrüßt, König, Herr der beiden Länder, Aacheperure! oder Sei gegrüßt, König von Ober- und Unterägypten, Aacheperure! wie auch Sei gegrüßt, König von Ägypten, Sonne der Völker!, also ohne Nennung des Namens. Aber sei gegrüßt! ist bevorzugt die Formel, mit der eine Gottheit begrüßt wird, die mit ihrem Namen genannt zu werden pflegt. Und ebenso steht es mit Preis dir!; auch dieser Ausdruck kommt zumeist in Verbindung mit einem Gottesnamen vor. Die Formen und sprachlichen Mittel sind in einem Preislied an den König dieselben wie in einem Hymnus an einen Gott und ebenso ist der Aufbau derselbe. Was unten Seite 58 über Hymnen an Gottheiten festzustellen ist, gilt grundsätzlich auch für die Königslieder. Auch in ihnen wird die „Du"-Anrede in der Regel nicht mit weiteren „du"-Aussagen fortgeführt, sondern mit „er"-Sätzen. Der Hymnus auf Sesostris den Dritten mit seinen sechs Strophen ist ein Musterbeispiel. Er enthält eigentlich nur die einzige oben erwähnte Anrede „Sei gegrüßt Chakaure, unser Horus Netericheperu!" Auf sie folgt in der dritten Person „der das Land schützt, der . . . der . . . " usw. bis zum Schluß der ersten Strophe. Die zweite Strophe enthält nur pronominale „du"-Anreden in der Form „du hast. . . getan", die in der Mitte der Strophe einmal durch „deine Mächtigkeit" für „du" verstärkt sind und denen bei den Appellativen ein „ d e i n . . . " entspricht. Die Strophen drei bis sechs sind nur in „er"-Formen gehalten. 5. Anreden an die Königin In den uns vorliegenden Texten wird die ägyptische Königin als solche von ihren, ihres Gemahls, Untertanen nicht angeredet, sondern angebetet.
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Denn auch die huldigende „Rede" der bittflehenden Häuptlinge sei gegrüßt König Ägyptens, Sonnengöttin, die strahlt wie die Sonnenscheibe, unsere Gebieterin, Herrin von Punt! ist nur mittelbar an die Königin Hatschepsut gerichtet, die selbst nicht dargestellt ist, sondern durch ihre Namen vertreten wird, vor denen die Großen von Punt knien. Überdies liegt hier mehr ein kleiner Hymnus vor als eine Anrede an Hatschepsut, die doch •wirklich Königin von Ägypten war, nicht nur „Gemahlin eines Königs", wie die ägyptische Königin gewöhnlich bezeichnet wird und wie auch die wenigen sonst selbständiger hervorgetretenen Königinnen mit ihrem Haupttitel bezeichnet sind, an die uns Anbetungen vorliegen: Aahhotep, Ahmesnefretere und die Gemahlin Amenophis' des Vierten in Amarna. Von der Königin Aahhotep wissen wir nur, daß die Untertanen aufgefordert werden, der Herrin des Landes Lobpreis zu spenden. Vor dem Bilde der Königin Ahmesnefretere, die später göttlich verehrt wurde, wird geräuchert und dabei gesagt deiner Person, die Herrin der beiden Länder! und mit demselben, neuägyptisch mit Artikel versehenen Titel preist Huja in seinem Grabe die Königin von Amarna Preis deiner Person, die Herrin der beiden Länder! „Herrin des Landes" war demnach in der frühen achtzehnten Dynastie, „die Herrin der beiden Länder" war in neuägyptischer Sprache der, Titel der Königin im Gebet. Ob so die Königin auch im Leben angeredet worden ist, steht nur zu vermuten. Eine gewiß nur literarische Anrede im Hymnus findet sich einmal in einem Grabe in Amarna, dessen Inhaber neben Preis deiner Person, der lebende Atön! und Preis deiner Person, der Herrscher der Wahrheit!, also zum Gott und zum König, auch zur Königin so betet Preis deiner Person, Große Königsgemahlin des Waenre! B. Der König als Sprechender Den recht zahlreichen und verschiedenartigen, teils förmgebundenen, teils in der Fassung freien Anreden an den König seitens der Ägypter stehen nur wenige eigentliche Anreden gegenüber, die der König als Herrscher gebraucht, wenn er zu seinen Soldaten, Beamten, Untertanen sonst spricht. Und das ist ja auch nicht verwunderlich. Wenn einer, so ist der König berechtigt, den einzelnen oder eine Mehrzahl ohne besondere Anrede mit bloßem „du" oder „ihr" anzusprechen. Und so hat der König in der Regel gesprochen. Eine eigentliche Anrede ist ganz selten und war gewiß immer eine Auszeichnung, soweit sie nicht bloß literarisch zu werten ist, als vom Dichter in die Erzählung eingefügt, weil er meinte, daß der König so gesprochen habe oder daß ein König so sprechen müßte. Ob Ramses der Zweite
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im Schlachtgetümmel, umringt von angreifenden Streitwagen, wirklich seinen Wagenlenker so ermuntert hat, wie das Gedicht auf die Hethiterschlacht berichtet, und seine Fußtruppen und Wagenkämpfer, noch dazu mit anschließenden langen Reden ? Hat er seinen Wagenlenker wirklich angeredet mit der meinige Wagenlenker!, seine Fußtruppen mit das meinige Heer! und seine Wagenkämpfer gescholten, „wie feige seid ihr die meinigen Wagenkämpfer!" ? Diese Anreden passen zu der wortreichen, breiten, unlebendigen und kraftlosen Schilderung in diesem Gedicht und zu den langen prahlerischen Reden in ihm, die der König halten muß anstatt zu handeln. Schwerlich hat Ramses seinen Kutscher in der höchsten Not so beruhigt: „fasse Mut, fasse Mut, mein Wagenlenker! Ich werde unter die Feinde eindringen wie ein Falke stößt. Ich töte, ich schlachte, ich werfe zu Boden. Was sind diese Feiglinge für dich ? Mein Gesicht ist nicht vor einer Million von ihnen erblaßt!" und schwerlich hat auch der Wagenlenker seinen Herrn vorher so gebeten: „Mein guter Herr, starker Herrscher, großer Beschützer Ägyptens am Tage des Kampfes! Wir stehen allein in der Mitte der Feinde. Das Fußvolk und die Wagenkämpfer haben uns verlassen. Warum willst du stehen bleiben, bis sie uns den Atem rauben % Laß uns unversehrt bleiben, rette uns, Ramses!" Im Hinblick auf die sonst im Verkehr zwischen König und Militär auf beiden Seiten übliche Kürze des bloßen „du" und „ihr", sogar im Kriegsrat Thutmosis' des Dritten, erscheinen die „mein" und „meine" in den obigen Anreden an Wagenlenker, Fußvolk und Wagenkämpfer vollends als nur literarische Mittel, das Verhältnis zwischen dem König und seinen Truppen als besonders eng und persönlich zu kennzeichnen. Daß es sich hierbei aber um etwas Äußerliches, Formales handelt, zeigt neben anderen die folgende Stelle des Gedichts. Am Abend des ersten Kampftages macht der König dem Heer über dessen jämmerliches Verhalten Vorwürfe. Der Dichter erzählt so: da sagte seine Majestät zu dem seinigen Fußvolk, den seinigen Großen samt den seinigen Wagenkämpfern: Weshalb denn, die meinigen Großen, das meinige Fußvolk, die meinigen Wagenkämpfer, habt ihr nicht gekämpft ? Das „mein" der Anreden nimmt das „sein" des erzählenden Textes wieder auf. Das ganze Gedicht, das ja eine persönliche Heldentat des Königs feiert, ist in auffallender Weise reich an diesen Fürwörtern „sein" und „mein". Alles soll in Beziehung zur Person des königlichen Helden gebracht werden. Das ist dem Dichter auch gelungen, und die Anrede „mein Wagenlenker", an anderer Stelle „Menna, mein Wagenlenker!", gibt gut das vertraulichherablassende Verhältnis des Königs zu seinem Begleiter wieder. Das Bedenken richtet sich aber gegen die Anwendung solcher Anrede in der vom Dichter geschilderten Situation und es fragt sich auch,.ob solche Anrede
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sonst üblich gewesen ist. Freilich sagt der König im Märchen zum Zauberer Zazaemonch mein Bruder! und bittet ein anderer König den ihm empfohlenen Weisen komm, doch, Neferti, mein Freund, mögest du mir sagen! aber das sind Anreden, die, in ruhigem Gespräch vorgebracht, ganz besondere Freundlichkeiten für die so Beehrten enthalten. Sie sind ungewöhnlich. Bestenfalls spricht der König jemanden mit dem bloßen Namen an: Was ist es, Deii! (daß ich dich noch nicht gesehen habe?) oder entscheide du selbst, Merus Sohn! Sogar die Anrede mit dem Titel ist selten, wie die Aufforderung an den Beamten: der Verwalter des Schatzhauses! (gib Gold usw.). Zumeist fehlt eine eigentliche Anrede. Als Sinuhe nach der Rückkehr aus der Fremde, aus der ihn der König selbst gnädig zurückgerufen hat, bei der Empfangsaudienz vor dem Herrscher steht, wird er nur mit „du" angesprochen, und seine Begnadigung und Ernennung zum Hofherrn wird ihm in seiner Gegenwart nur indirekt mitgeteilt: der König sagt zum Hofstaat „er soll sich nicht fürchten . . . " , „er soll ein Hofherr sein", „gehet, ihm seinen Rang anzuweisen." Einem Beamten teilt der König seine Ernennung ohne den Namen zu sagen mit du, ich setze dich mir zum Hohenpriester ein. Es ist ungewöhnlich, daß der König zu seinen versammelten Räten sagt Männer! ihr! ich habe euch rufen lassen; es genügt Ihr! ich habe euch rufen lassen. Sogar die pronominale Anrede kann fehlen: ich lasse euch wissen, daß usw. Die übliche Form eines Befehls nennt weder Titel noch Namen: eile! hole mir! Nach dem häufigen einleitenden höret! findet sich ein paarmal noch eine Anrede wie höret, Leute! oder höret, ihr, alles Volk, die Untertanen, soviel ihrer sind! Aber ein höret, ihr! genügt. Drittes Kapitel
Anreden im Verkehr mit der Gottheit A. Die Gottheit angeredet 1. Allgemeines Die Anreden im Verkehr mit der Gottheit sind nur insoweit echte, wirklich verwendete Anreden, als der Mensch zur Gottheit spricht; die Anreden der Gottheit an den Menschen sind nur gedachte. Aber ebenso wie der Mensch sich die Götter nach seinem Bilde geschaffen hat, ebenso läßt er sie auch nach seiner Weise sprechen, und in den Formen, die der menschlichen Sprache und Ausdrucksweise gemäß sind. Das zeigt sich insbesondere in den Gesprächen, die der Tote im Jenseits mit den Göttern führt. Diese Ge-
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spräche werden wie im gewöhnlichen Leben in einfachen Redewendungen geführt und entbehren zumeist besonderer Anreden. Das Gespräch geht wie auf Erden im bloßen „du" hin und her, es sei denn, der Tote spricht zu einem großen Gott, wie zu Osiris, den er dann zu Eingang höflich anredet ich bin zu dir gekommen, mein Herr!, den er aber weiterhin nur mit „du" anspricht ich kenne dich oder Du! ich komme zu dir. Sprechen auch Menschen und Götter miteinander dieselbe Sprache, so besteht doch gerade bei den Anreden an die Gottheit ein Unterschied, ob der gewöhnliche Ägypter spricht oder der König. Dieser Unterschied ist in dem Verhältnis zwischen Gottheit und Mensch, Gottheit und König begründet. Der Mensch ist das Geschöpf, der König aber der Sohn der Gottheit. Gewiß gibt es Textstellen, in denen etwa Amon als „Vater der Menschen" oder Geb als „Vater und Mutter der Menschen" bezeichnet sind. Aber bei diesen Zeugnissen für eine Verinnerlichung des Gottgefühls, die selten sind und erst im Neuen Reich vorkommen, handelt es sich immer um die Menschen-Ägypter als Gesamtheit. Als „Vater" des einzelnen Menschen wird ein Gott nur bezeichnet, wenn dieser Mensch der König ist, und also eigentlich kein Mensch ist, da er von väterlicher Seite her seit ältester Zeit als göttlicher Herkunft gilt, erzeugt von einem Gott, der in der Person des menschlichen Vaters der Königinmutter beigewohnt hat. Nur der König redet einen Gott mit „mein Vater" an, nur zum König spricht ein Gott als zu „seinem Sohn". Das Verhältnis des Menschen sonst zum Gott ist das des Abhängigen zum Herrschenden, des Dieners zum Herrn; eine Anrede wie „Vater unser!", ägyptisch gewendet „mein Vater Amon!" kommt nicht vor. Gerade die Hymnen und Gebete des späteren Neuen Reiches, die mit Recht als Zeugnisse persönlicher Frömmigkeit angesehen werden, die sich einem freundlich helfenden Gott zuwenden, sprechen dies Verhältnis deutlich aus: wie der Diener geneigt war zu sündigen, so ist der Herr geneigt gnädig zu sein heißt es darin als allgemeine Sentenz. Immer ist der Gott, an den sich der Betende wendet, der „Herr". An diesem Verhältnis ändert nichts, daß „Herr" zuweilen auch prägnant „gütiger Herr" besagt, wenn es etwa von Amon heißt du bist der Herr für den der zu ihm ruß im Sinne von „du bist der gütige, helfende und verzeihende Herr usw." Dabei braucht nicht ausdrücklich ein Wort für „Herr" ausgesprochen zu werden. Es gibt Anreden, die nur den Gottesnamen nennen oder allerlei Beiworte des Angerufenen wie der „Vezier", „der gute Helfer", „der Gute" oder den Gott überhaupt nicht eigens bezeichnen. In jedem Fall spricht der Schwache zum Starken, ruft der Abhängige die in der Gottheit verkörperte höhere Macht an, eben den Herrn, den auch der König im Gott erkennt, den als seinen Vater anzurufen aber nur ihm als dem Sohn zusteht. 5
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Das Dogma von der Gotteskindschaft des Königs und nur des Königs, das zu allen Zeiten Geltung hatte, wird in der Namengebung nicht eingehalten. Seit dem frühen Mittleren Reich kommen in steigendem Maße Personennamen auf und bleiben bis in die koptische Zeit hinein üblich, die den jeweiligen Träger des Namens als Sohn oder als Tochter einer Gottheit bezeichnen. Es handelt sich um Namen wie Sohn des Onuris; Sohn der Mesechenet; Tochter des Stiers von Heliopolis; Tochter der Bastet usw. Wie auch immer diese dem Alten Reich durchaus fremden Sonderformen der theophoren Namenbildung zu erklären sein mögen, sicher ist, daß ihre Träger sich nie als echte Götterkinder gefühlt haben oder als solche angesehen wurden. Das beweisen außer anderem gerade auch die von ihnen gebrauchten Anreden an die Götter. Die Airreden an die Gottheit sind zumeist bittende, preisende, dankende Anrufe, und die Form, in der man sich so an die Gottheit wendet, ist das Gebet und ist der Hymnus. Die Fragen, die schon bei der Behandlung der Anreden im Königshymnus gestellt waren, erheben sich erst recht hier bei den Götterhymnen, die jene zahlenmäßig und hinsichtlich der Mannigfaltigkeit der in ihnen verwendeten Anreden weit übertreffen, zumal die Lieder auf die Gottheit ja wohl die eigentlichen sind. Die Lieder auf den König und im besonderen auf den König von Amarna sind doch gewiß erst nach dem Muster der Lieder auf Götter geformt werden. Die bei den Liedern auf oder an den König festgestellte Scheidung in „Er"-Hymnen und in „Du"-Hymnen gilt auch für die Götterlieder. Und auch hier finden sich Texte, die beide Formen, die der Aussage und die der Anrede, nebeneinander verwenden, ja sogar durcheinander bringen. Ein gutes Beispiel für solchen gemischten Stil bietet der Text auf einem Denkstein, den der Maler Nebre dem Amon zum Dank dafür weihte, daß der Gott den Sohn des Nebre namens Nechtamon aus der Krankheit errettete, mit der er ihn für einen Frevel am Tempelgut bestraft hatte. Das Ganze ist bezeichnet als Preis geben dem Amon. Dieser „Preis" besteht in Hymnen auf seinen Namen, die Nebre gesungen und auf dem Stein aufgeschrieben hat, wie er selbst ausdrücklich angibt. Zunächst erzählt er von der Gewaltigkeit des Gottes und fordert er die Leser des Steins auf, den Ruhm des Gottes weiter zu verkünden. Dieser kunstvoll geformten Aufforderung folgen zwei parallele Strophen, in denen sich Nebre an den Gott selbst wendet. Jede fängt an mit du bist Amon (der gütige Herr usw.), ganz im „Du"-Stil gehalten. Dann wird wieder erzählt, daß und weshalb die Hymnen verfaßt sind, und dabei wird vom Gott gesprochen. Weiter folgt nach einem er [Nebre] sagt eine allgemeine Betrachtung darüber, daß „der Herr von Theben nicht dauernd zürnt, sondern auch wieder gnädig wird" die, in dritter Person vom Gott redend, so endet: bei deiner Persem! du wirst
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gnädig sein mit dem unpersönlich gehaltenen Schluß nicht wird, wiederholt was gewendet ist! Was auf diesem Denkstein dankend und preisend teils vom Gott ausgesagt, teils ihm unmittelbar zugerufen ist, bildete für Nebre und die alten Leser des Textes ein Ganzes, einen „Preis" des Amon und auch wir müssen die „Er"-Aussagen und die „Du"-Anreden zusammen betrachten, um alles zu würdigen, was Nebre ausdrücken wollte. Gerade der erste Teil dieses „Preises", in dem nur von der Macht des Gottes gesprochen wird, zeigt, daß es möglich war, in Aussage-Hymnen, gleichsam nur mittelbar, einer Gottheit „Preis zu geben". Solche Texte sind als preisende Dankgebete gedacht, auch wenn sie stellenweise nur vom Wirken des Gottes rühmend berichten. Daß sie so gemeint und von den Frommen empfunden wurden, zeigen die plötzlich im „Du"-Stil ausbrechenden Anrufe mitten in Betrachtungen über das göttliche Wesen wie auf dem Stein des Nebre oder wie in dem Schluß der Schilderung von einem Vergehen eines Mannes namens Neferabu gegen den Gott Ptah. Der als Erzählen von der Gewaltigkeit des Ptah überschriebene Text spricht vom Gott und von dem, was er dem Neferabu angetan hat. Er schließt so: Gerecht war Ptah, der Herr der Gerechtigkeit, gegen mich, als er mich bestrafte. Sei mir gnädig, damit ich sehe, daß du gnädig bist! Ganz unvermittelt wendet sich der Erzähler mit dem Ruf um Gnade an den Gott selbst. Anders liegt es natürlich mit einem Gebet wie diesem: Amon, gib dein Ohr dem, der allein und arm vor Gericht steht usw. Hier handelt es sich um eine klare Anrede. Dies Gebet ist übrigens ganz unpersönlich gefaßt: es betet nicht ein „ich", sondern es ist von einem „er" die Rede, dem der Gott beistehen möge. Sonst heißt es in Gebeten, die so beginnen: „gib mir!", „rette mich!". Ob ein Gebet oder ein Lied den Gott anredet oder nur von ihm etwas aussagt, das wird im wesentlichen aus der Fassung des Wortlauts deutlich. Die literarische Gattungsbezeichnung wie Preisgebung oder Das Erzählen von der Gewaltigkeit des und des Gottes bindet den ihr folgenden Text nicht an die eine oder andere Form der Anrede oder der Aussage. Nur die Hauptgattung, das „Morgenlied" pflegt zumeist echte „Du"-Hymnen zu bezeichnen. Auf die Überschrift, die den Gott nennt, an den sich das Morgenlied wendet, folgt in feierlicher Form oder auch nur mit einfachem „du" die Anrede mit dem weiteren Wortlaut. So heißt der große Amonshymnus von Kairo „Morgenlied" auf Amon-Re; er beginnt Gegrüßt seist du, Amon-Re! Auch der große Amarnahymnus ist ein „Morgenlied" auf den Atön; er fangt schlichter an: du erscheinst schön usw. Diese teils infinitivische („das ein Morgenlied sagen"), teils rein nominale Bezeichnung eines Hymnus kann auch fehlen oder kann ersetzt werden 5»
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durch „ich preise am Morgen", wie es der Fall ist bei einem kurzen Hymnus auf den Gott Min: N. N. er sagt: ich preise am Morgen den Min, ich erhebe den Horns, der den Arm hochhält; gegrüßt seist du, Min! usw. Ganz ebenso beginnt ein Hymnus auf den Nil: ich preise am Morgen den Nil; gegrüßt seist du, Nil! usw.; eine Variante lautet „Morgenlied" auf den Nil: gegrüßt seist du, Nil! So wichtig die äußere Form ist für die literarischen Gattungen HymnusGebet : Das Verherrlichende eines Lobliedes, die Innigkeit eines Dankgebets, die Dringlichkeit einer Bitte, alles das wird nicht so sehr durch die äußere Form des Ganzen und seine Einleitung und durch die Einkleidung der Anrede und ihre Stellung bewirkt oder gesteigert als vielmehr durch die Worte des Preisenden und die innere Einstellung des Betenden. Gewiß macht ein gegrüßt seist du! einen Hymnus von Anfang an feierlich, spricht ein Preis dir! den Zweck des Gesagten schon zu Beginn aus, hebt ein o! den Angerufenen hervor, stellt ein mein Herr! sogleich eine Verbindung zwischen Mensch und Gottheit her. Aber ebenso gut können solche Einleitungen auch fehlen und auch das „mein" braucht nicht ausdrücklich betont zu werden. Der Anruf des Gottes nur mit seinem Namen oder mit bloßem „ d u " genügt. Und solche anrufende Nennung muß nicht gleich zu Beginn erfolgen, sie kann auch eingeschaltet werden. Ob es heißt Thoth, gib . . . / oder komm zu mir, Amon!, ob man sagt o mein Herr, Osiris, mögest du mir geben! oder mit anderer Stellung des Namens Preis dir, Osiris, mein Herr!: Das ist in Ägypten von denselben allgemeinen oder persönlichen sprachlichen Einflüssen bestimmt worden wie etwa in Kirchenliedern im Deutschen, deren einige Anfänge zum Vergleich angeführt seien: „Gelobet seist du . . . . " ; „Lob sei. . . " ; „o heiliger G e i s t . . . " ; „Herr G o t t . . . " ; „komm heiliger G e i s t . . ."; „mein Gott, du . . . " . Und auch im Deutschen gibt es Lieder wie die Ägypter sie hatten, die sich an Gott wenden und die doch nicht zu ihm sprechen, sondern nur ^on ihm, sei es, daß sie völlig unpersönlich gehalten sind, wie etwa das Lutherlied „ein feste Burg ist unser Gott", sei es, daß auf einen unpersönlichen Anfang ein Schluß folgt, in dem Gott selbst angerufen wird: das Lied „sollt ich meinem Gott nicht singen" usw. schließt mit den Worten „ei, so heb ich meine Hände zu dir, Vater, als dein Kind". Nur durch solche Vergleiche ist es möglich, sich das zunächst Befremdliche klar zu machen, „ein unbekanntes Verhältnis auf ein bekanntes zurückzuführen", um mit Schopenhauer zu sprechen. 2. Anreden an die Gottheit seitens der gewöhnlichen Ägypter Anreden mit dem Appellativum „ G o t t " sind im ganzen selten und sind, allgemein gehalten, das heißt an die Gottheit an sich gerichtet, oder an
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Götter als unbestimmter Begriff, ungebräuchlich. Wenn der Ägypter sich an einen Gott oder mehrere Götter wendet, so denkt er wohl immer an bestimmte, auch wenn er die Namen nicht nennt. Er ruft auch gelegentlich o südliche nördliche westliche östliche Götter! oder o diese Götter! oder Preis euch, Herren der Ewigkeit, große Götterschaft! Aber lieber nennt er die Namen: o Re, o Atum, o Geb, o Nut!, soweit er überhaupt mehrere Götter anruft anstatt eines einzelnen, was durchaus das Gewöhnliche und Übliche ist und was, wenn man will, auch in dem zuletzt angeführten Anruf zum Ausdruck kommt, der aus einer Reihe von Einzelanrufen besteht; man sagt nicht „ o Re Atum Geb N u t ! " sondern vereinzelt „o Re", „o Atum" usw. Bei der anrufenden Anrede der einzelnen Gottheit mit ihrem Namen kann man diesen in seiner einfachsten Form aussprechen oder ihn mit Zusätzen gebrauchen, und weiter ist die Stellung des Namens, wie schon oben erwähnt, völlig frei. Ob man betet Amon gib dein Ohr dem ...! oder komm zu mir Thoth!, ob man ruft o Geb! oder o Geb Stier der Nut!, ob man den Gott nur mit seinem Namen zum Opfer einlädt deiner Person AmonRe! oder dem Namen noch einen Zusatz gibt deiner Person, Osiris, Herrscher der Ewigkeit!, das ist für die Anrede selbst ohne Belang. Im allgemeinen fügt man dem Namen gerne noch einen das Wesen des angerufenen Gottes kennzeichnenden Zusatz bei: nach der Grußformel Gegrüßt seist du! genügt Min-Harnecht, aber den Osiris nennt man bevorzugt Osiris Sohn der Nut oder Osiris Erster der Verstorbenen und Ptah so Ptah Herr von Memphis. Ebenso steht es nach der Formel Preis dir! Von den zahlreichen Fällen solcher Verbindungen von Götternamen mit attributiven Zusätzen in der Anrede seien als besonders kennzeichnende noch Anrufe an Amon als Helfer der Schwangeren angeführt, die in der Spätzeit auf Hathor angewendet sind, die aber, was auch ihre neuägyptische Fassung mit dem Artikel wahrscheinlich macht, gewiß im täglichen Leben so gebraucht sein mögen: Komm zu ihr, Amon, der gute Helfer! oder die süße Luft, Amon! (laß sie nicht in Atemnot daliegen) oder Amon-Re, der Herr der süßen Luß! (eile als Nordwind herbei) und ähnlich. Das Beiwort wird nicht selten vor den Namen gestellt wie Preis dir, der die Götter schuf, Amon-Horus! neben Preis dir Re-Atum, Herr des AUs, der schuf, was existiert! oder der Name wird eingeschoben Preis dir, König der Ewigkeit, Osiris, Herrscher der Ewigkeit! Bemerkenswert ist die Teilung eines Preises des Re-Atum in Preis dir Re, Preis dir Atum! — Als Anreden an eine Göttin seien erwähnt Hathor, diese da, die inmitten des nördlichen Himmels weilt! und Preis deiner Person, Meresger, Herrin des Westens! In Amarna redet man im Gebet den dortigen neuen Gott mit seinem Königsnamen an, und zwar in dessen dogmatischer Fassung „Es lebt Re, der Herrscher der beiden Horizonte, der frohlockt im Horizont, in seinem
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Anreden
Namen Vater des Re, der gekommen ist als Atön", etwa nach du gehst schön auf oder nach einem Preis dir. Aber die Ansprache mit diesem langen feierlichen Namen ist selten, falls sie nicht nur geschrieben, aber nicht gesprochen worden ist. Wirklich betend angerufen hat man den Amarnagott als lebende Sonnenscheibe, als Atön: du gehst schön auf am Horizont des Himmels, der lebende Atön! und du gehst schön unter, der lebende Atön! Andere solcher Anreden sind ich bin zu dir gekommen, der Atön oder als Willkommengruß wie gekommen ist der Atön! Am häufigsten in den Amarnatexten ist die preisende Anrufung Preis dir der lebende Atön /oder Preis deiner Person, der lebende Atön! Anreden an die Sonne oder an den Mond als leuchtende Scheiben anstatt an den Sonnen- oder Mondgott finden sich gelegentlich auch sonst. Der Anfang eines in thebanischen Gräbern öfters niedergeschriebenen Liedes an die aufgehende Sonne o diese Sonnenscheibe ( = Atön), Herr der Strahlen! Wenn du aufgehst usw. preist wie in Amarna das Gestirn, nicht den Sonnengott Re. Und den Mond als Vollmond verehrt man wir jubeln bei deinem Anblick, die große Scheibe! In Verbindung mit dem Namen der Gottheit oder ohne deren ausdrückliche Nennung kann auch das betreffende Göttertier angeredet werden. So bittet man den Thoth komm zu mir, Thoth, der heilige Ibis! oder preist man ihn du seist gepriesen der Herr des Hauses, Affe, mit grauweißer Mähne! (am Schluß deutlich als Thoth bezeichnet). Anreden an andere Göttertiere oder Tiergötter, in denen nur das Tier genannt ist oder die Tiernatur stärker betont ist, siehe unten Seite 63. Die Anrede der Gottheit mit ihrem Namen und mit dem Zusatz „mein Herr", „meine Herrin" ist erst im Neuen Reich häufig und mag eine Nachbildung der Anrede „König mein Herr!" sein. Die Folge „Name, mein Herr" ist selten: Preis dir, Osiris, mein Herr! oder Erglänze du, Min, mein Herr! Die gewöhnliche Folge ist die mit Voranstellung des „mein Herr" o mein Herr, Ptah! oder o mein Herr, Osiris! Dabei geht der Anrede mehrfach noch eine Aussage vorher: „ich komme zu dir" mein Herr, Re!; „sie preisen dich" mein Herr, Re!; „du gehst für uns auf" unser Herr, Horus! An Stelle des Namens kann auch als Ersatz desselben ein Beiwort treten: o mein Herr, König der Eivigkeit! ebenso an Osiris gerichtet wie mein Herr, großer Gott, Herrscher der Ewigkeit! Die bloße Anrede an einen Gott mit „mein Herr" ist verhältnismäßig selten und ist wohl in jedem Falle die Verkürzung einer der vorstehend angeführten Verbindungen. Eine solche liegt deutlich vor in der Anrede an den um ein Orakel befragten Sonnengott, der auch Amonrasonter der meinige gute Herr! angesprochen wird, zumeist aber nur der meinige gute Herr! Auch im Brüdermärchen redet Bata den Sonnengott so an und in
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der Geschichte von Horus und Seth spricht Thoth so zu Re, Seth so zu Atum. Hier ist diese Anrede vielleicht nur eine Höflichkeitswendung, möglicherweise mit einer ähnlichen Abschwächung des „gut" wie in der lächerlichen deutschen Anrede „gnädige Frau", in der das „gnädig" völlig bedeutungslos geworden ist. An eine Göttin wendet man sich nicht mit einem „meine Herrin" (als Analogie zu „mein Herr"), sondern mit einem „meine Gebieterin", und man scheint dabei den Eigennamen zu vermeiden. Schon in einem alten Totenspruch wird die Göttin Butö nur mit meine Gebieterin! angeredet, ebenso Isis in einem Gebet meine geliebte Gebieterin! Im Ritual wird die Göttin Mut aufgefordert als die unserige Gebieterin!, in einem Hymnus an Hathor grüßen die Freisenden sie als unsere Gebieterin!, in Lied auf Isis heißt es vom König er ist dein Sohn, unsere Gebieterin! 3. Anreden an die Gottheit seitens des Königs So häufig auch der König, von dessen einzigartigem Verhältnis zur Gottheit als deren Sohn schon mehrfach die Rede war, von den Göttern spricht, so verhältnismäßig selten unmittelbar zu ihnen. Eine Aufforderung an den Gott, sich den ihm erbauten Tempel anzuschauen, wird in die Form gekleidet komm, Amon-Re, Herr von Karnah, Erster der Stadt der Götterthrone, sieh dir dein Haus an, das ich dir errichtet habe! Und es ist für die Gotteskindschaffc des Königs bezeichnend, daß der Gott erwidert mein Sohn Amenophis, ich habe gehört, was du sagtest, ich habe dein Denkmal gesehen (ich bin dein Vater usw.). Wie ein gewöhnlicher Sterblicher spricht der König den Gott gern mit „mein Herr" an, mit oder ohne Nennung des Namens, die in der Form mein Herr, Ptah! erfolgt und in poetischer Zerdehnung so ich komme zu dir, mein Herr; ich komme zu dir, Osiris! Eine Einladung an die Gottheit, sich die Tempelfeste gefallen zu lassen, lautet tritt ein, feiere jegliches schöne Fest, mein Herr! B. Die Gottheit sprechend 1. Zum gewöhnlichen Menschen Die Gottheit wird vom Menschen betend, dankend, preisend oft angeredet, aber sie selbst spricht in den uns vorliegenden Texten kaum zum Menschen und nur ganz vereinzelt würdigt sie ihn einer besonderen Anrede. Und wenn es überhaupt geschieht, dann ist es der Verstorbene, der angeredet
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Anreden
wird, beim Willkommen im Totenreich durch die Göttin des Westens (die Sonnenuntergangsgegend ist die des Reiches der Toten) Willkommen, der BriefSchreiber, der Gelobte von Theben, der Ehrwürdige der Stadt der Götterthrone! (ich breite meine Arme aus usw.), oder, ungewöhnlich mit Nennung des Namens, Verwalter des Kornrechnungsbüros, Schreiber Amenemhet, Willkommen mir, Willkommen mir, in Frieden! Ahnlich sprechen die Totengötter Willkommen, der Diener, der uns tvoMgefälli! Anders klingt der Gruß des Seelenführers Anubis o der Gute! (du bist schön gestorben). Freundlich spricht die Westgöttin zum früh gestorbenen Kind deine Person habe Anteil an allen guten Dingen, Ideines Mädchen! 2. Zum König Im Gegensatz zum gewöhnlichen Ägypter wird der König oft von der Gottheit angesprochen, sei es, daß er ausdrücklich als „Sohn" oder als „König" angeredet wird, sei es, daß die Gottheit sich mit bloßem „du" an ihn wendet. Bloße „du"-Anreden sind sehr häufig, insbesondere in den Götterreden ich gebe dir oder ich bringe dir mit folgendem beliebigen Objekt (das Königtum des Re; die Jahre des Atum; die und die fremden Völker; alles Leben; usw. usw.). Eine andere Gruppe solcher „du"-Anreden bilden die Aufforderungen, der König solle in den Tempel eintreten, um dessen Bewohner als seinen Vater zu begrüßen: Komm du zum Gotteshaus! oder tritt ein du! oder komm du, um dir deinen Vater anzuschauen! Derartigen „du"-Anreden wird nicht selten auch noch eine eigentliche, den König bezeichnende Anrede beigefügt. So sagt Thoth zum König empfange das Leben dieser gute Gott (König N. N.) oder Amon, der eingangs seiner Rede den König mein lieber Sohn Thutmosis! angeredet hat, späterhin dir sei Leben und Genuß an deine Nase, guter Gott! oder mit deutlicher Beziehung des anredenden Titels auf die Gabe spricht Horas empfange dir das Schwert, starker König! (um die Feinde niederzuschlagen). Ähnlich beziehungsvoll wird in den späten Tempeln der König, wenn er Blumen darbringt, als Kind der Flurgöttin! angeredet oder, wenn er vor dem Götterbild steht, als Oberpriester! Auch die einladenden „du"-Anreden können solche Zusätze haben: komm mit zum großen Hause, guter Gott! (daß du deinen Vater schauest) oder komm du, starker König! oder höre du, trefflicher König! Dieselbe Anrede mit dem Königstitel, der auch am Anfang genannt sein kann dieser gute Gott, Horus, groß an Königtum, dein Vater Amon befiehlt dir! usw. sagt z. B. Chons, ist auch beliebt bei Begrüßungen. Mut begrüßt den König ,Willkommen" Herr der beiden Länder, guter Gott!-, Hathor „willkommen"
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guter Gott Herr der beiden Länder, den Re lieb hat! Oder es heißt „willkommen" starker König! oder auch wie schön ist dein Antlitz, starker König! Viertes Kapitel
Anreden an Nichtpersonen Diese Gruppe von Anreden an Tiere, Pflanzen und allerlei an sich Unbelebtes müßte genauer überschrieben sein „Anreden an nicht wirkliche Personen" oder ähnlich. Denn abgesehen von den Tieren, ja eigentlich mit Einschluß der Tiere, sind alle im folgenden angeredeten Pflanzen usw., ja sogar die Zeitbegriffe Jahr und Tag, für den Ägypter, und im Grunde auch für uns, in dem Augenblick echte Personen, göttliche Wesen, in dem ihnen deren Kräfte angedacht werden. Die Vermenschlichung der Tiere, von den Göttertieren oder Tiergöttern ganz abgesehen, geht ja so weit, daß sie, wie auch bei uns, im Märchen wie Menschen sprechen. Ebenso sprechen auch Bäume. Und gewisse Krankheiten werden sogar rein menschlich vorgestellt. Alle Nichtpersonen werden Personen, zu denen man wie zu Menschen mit „du" oder „ihr" spricht. A. Anreden an Tiere 1. An Göttertiere Die Abtrennung einiger dieser Anreden von den oben Seite 60 bei den Göttern besprochenen ist so anfechtbar, wie es jede Einteilung nun eihmal ist. Es sind sonst nicht näher oder nicht sicher bekannte Tiergötter, deren Anreden hier zusammengestellt sind, wie der Gruß an einen Affen gegrüßt seist du, der Affe von sieben EUen! in einem Zauberspruch, wie der Anruf an vier Affen, die zusammen mit acht Schlangen und vier brennenden Fackeln um einen Teich im Totenreich hocken o diese vier Affen! und wie der Gruß an einen löwengestaltigen Gott im Jenseits gegrüßt seist du der Löwe! Eine als diese Katze! in einem Zaubertext angeredete Göttin könnte die Bastet sein, aber unbekannt ist wieder die Göttin, die in Gestalt eines Gepards (?) die Krankheit auffressen soll, gegen die sie in einem medizinischen Zauberspruch mit dem Ruf o Mafedet-Tier! herbeigefleht wird. Es ist eine bloße Vermutung, daß sich der Anruf o diese Stiere des Atum (erfrischt und erquickt den toten König)! an die verstorbenen heiligen Mnevisstiere wendet. Unbekannt sind die in einem anderen alten Spruch zum besten des Toten angeredeten Tiere: gegrüßt seist du Vogel Strauß auf
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Anreden
dem Uferrand des gewundenen Wasserlaufs (öffne dem Toten den Weg)! gegrüßt sei du Rind des Re (mit vier Hörnern; biege dein Horn zur Seite, damit der Tote passieren kann)! Wie hier ein Rind, so sind es an anderen Stellen ein Stier, der dem Toten den Weg freigeben soll Stier der Opfergaben (beuge dein Horn, laß den Toten vorbeigehen) und eine Schlange o Höhlenschlange (öffne dem Toten den Weg)! 2. An Haustiere Im allgemeinen wird der Ägypter seine Arbeitstiere, Esel und Bind, nicht anders als wir auch, mit kurzen Rufen wie „hü!" und „hott" angetrieben haben. Aber zuweilen wird der Esel ausdrücklich angeredet lauf herab zum Feld, Esel! oder fast zärtlich mein Lieber, mein Bruder! Mit ähnlichem freundlichen Zuruf wird einem kranken Rinde etwas zum Pressen gegeben he, Lieber, friß du das Brot! Dem Stier, der sich mit seinen Hörnern in denen eines anderen verfangen hat, ruft der Hirt zu löse dein Horn, starker Stier! Das Lied an die das Getreide austretenden Rinder möget ihr schlagen für euch, möget ihr schlagen für euch, Rinder, möget ihr schlagen für euch! endet mit derselben Mahnung, mit der auch die liedmäßigen Treiberrufe an die den Sarg ziehenden Rinder zu enden pflegen: gebet euren Herzen keine Ruhe! Diese Treiberheder beginnen ziehet sehr, ziehet sehr! oder reden die Rinder dabei an diese Rinder, ziehet sehr, ziehet sehr! Zum unruhig stampfenden Pferdegespann vor dem auf seinen Herrn wartenden Streitwagen sagt der Kutscher beruhigend stehe still, stampfe nicht, das treffliche Gespann! 3. An böse Tiere Man kann ein böses Tier auch beschwören, ohne seinen Namen zu nennen, dadurch, daß man auf seine schlimme Art hinweist, wie in einem alten Spruch gegen eine Giftschlange, der anfangt „deine beiden Giftquellen ( = Giftzähne) seien in der Erde!" Aber wirkungsvoller ist die Aussprache des Namens, dessen Kenntnis allein schon eine Schwächung bedeutet. Man redet das Tier an: Schlange! oder Skorpion!, dessen Weibchen die Skorpionin!, den Skorpionsmann dieser Feind! und Wurm und Skorpion so kleine, kleine, Schwester der Schlange! Skorpionin, Schwester des Apophisdrachens! Auch der böse Wolf wird so berufen, stehe, der böse Wolf! Die gefährlichen Tiere im Nil, in der Hauptsache gewiß die Krokodile, werden in ihrer Gesamtheit angeredet o die im Wasser Befindlichen (euer Maul sei verschlossen!) oder so zurück, die im Wasser Befindlichen!, was nach der Schreibung des Ägyptischen auch zugleich auf gewisse gefräßige Fische geht.
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Auch das einzelne Krokodil wird aufgefordert „nimm den Toten nicht fort" dieses Krokodil! B. Anreden an
Pflanzen
Der Baum am Rande der Wüste, aus dessen Zweigen eine Göttin dem Toten Speise und Trank reicht, wird selbst gebeten o dieser Laubbaum der Göttin Nut! (gib mir Wasser). Die Lotusblume, in die der Tote sich verwandeln möchte, wird von ihm begrüßt o diese Lotusblume, dieses Ebenbild des Nefertem! ( = des in der Lotusblume wohnenden Gottes). Dem Weihrauchbaum, den sie, mit den Wurzeln ausgepflanzt, im Kübel aufs Schiff tragen, um ihn nach Ägypten zu bringen, reden die Träger freundlich zu geh mit uns, Weihrauchbaum, der im Gotteslande Punt zu Haus ist, zum Tempel des Amon! (wo die Königin Hatschepsut dich im Garten vor dem Tempel wieder pflanzen wird). C. Anreden an
Krankheiten
Solche Anreden an Krankheiten beruhen darauf, daß der Ägypter viele von ihnen dämonischen Mächten zuschrieb, die er wie lebende Wesen ansah und beschwörend ansprach, besser: besprach. Ein Krankheitsdämon, der als der chw-Dämon! angeredet wird und, wohl wegen seiner den gesunden Körper verzehrenden Wirksamkeit, auch als der Wauwau(-Hund) der Knochen kaut!, hat eine Mutter, die ihn zur Welt brachte. Andere anredende Bezeichnungen dieses oft erwähnten Dämons sind der smn-Dämon! und der Sohn der Dienerin! (also niedriger Herkunft) und der, der gegen den Bauch schlägt! Freundlicher wird der Erreger einer sich schnell wie ein laufender Schakal verbreitenden Erkrankung angesprochen bnw-Krankheit, Bruder des Blutes, Freund des Eiters, Vater des Geschwürs, oberägyptischer Schakal, komm, leg dich schlafen (bei deinen schönen Frauen)! Andere Kranheitsbringer werden als spukendes Gespensterpaar vorgestellt und aufgefordert: „geh zu Grunde" der im Dunkel kommt, schleichend eintritt; die im Dunkel kommt, schleichend eintritt! oder als böse Frau gedacht und entsprechend angeredet, wie die ungeratene Tochter des Osiris, die als Krankheit durch Erbrechen, Harnen, Niesen und Schwitzen aus dem Körper des Kranken wieder herauskommen soll: „geh zugrunde" diese Asiatin, die aus der Fremde kam, Negerin, die aus der Wüste kam! Wie diese und andere Krankheiten, so gilt auch das in den Körper eingedrungene Schlangen- und Skorpionsgift als etwas Wesenhaftes, das man beschwören kann „laufe aus, weiche davon" das Gift!
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Anreden
D. Anreden an Gebäude und
örtlichkeiten
Dieses Grab, du wurdest gebaut zum Fest, du wurdest gegründet für Gutes! singt der Harfenspieler vor den Lebenden beim Gelage zu Ehren und in der gedachten Anwesenheit des Verstorbenen, der seinerseits betet o diese Unterwelt, die Geheimes verbirgt, Herrin des Eintretens, die keinen Ausgang hat: öffne deine Türflügel (und nimm mich auf). Auch das Gefilde der Seligen wird so angesprochen gegrüßt seist du, Feld des Ruhens! und auch einzelne Teile des Totenreiches, zu denen der Verstorbene gelangen möchte, werden angerufen o diese Stätte (namens N.)! Das übliche Gebet des Toten zur aufgehenden und zur untergehenden Sonne, welcher die Berge des Ostens und des Westens sich auftun sollen, ist einmal mit Anreden an die Berge selbst gefaßt o dieser Berg des Ostlandes! und o dieser Berg des Westlandes! Sein Schreiben mit der Aufforderung zur freiwilligen Übergabe des von ihm belagerten Memphis richtet der König Pianchi dem Sinne nach an die Bewohner, formal aber an die Stadt selbst: Verschließ [dich] nicht, kämpfe nicht, Heimai, des Gottes Schu in der Urzeit! (laß frei hinein- und herausgehen, wer will). E. Anreden an. Körperteile Anstatt des dem Re feindlichen Tieres, das ihn nicht beißen soll, wird dessen Zahn beschworen Zahn! Zahn! (Re schützt sich gegen dich). Das Zeugungsglied des Sonnengottes wird in einem Totentext unklaren Inhalts angeredet o dieses Glied des Re! Diejenigen Gefäße (Adern u. a.) des Körpers, in welche der cAw-Krankheitssto£F eingedrungen ist, werden aufgefordert, ihn wieder herauszulassen öffnet euere Münder, diese Gefäße! (des Kranken, speiet den chw aus, der in euch ist). F. Anreden an Gegenstände und Geräte Es sind insbesondere im Kultus verwendete Dinge, die namentlich angeredet werden. So der Weihrauch mit einem uralten, auch später im Ritual gebrauchten Anruf gegrüßt seist du, Gottesduft; gegrüßt seist du, Gottesbruder; gegrüßt seist du, Weihrauch!; eine andere Fassung lautet o Weihrauch, o Gottesduft! Sogar das Näpfchen für den Weihrauch auf der als „Arm des Horus" bezeichneten und entsprechend gestalteten Räucherpfanne wird feierlich angeredet gegrüßt seist du, dieser Napf! wenn der Priester das Gerät in Gebrauch nimmt. Wie das Salböl o dieses Salböl!, so wird auch die Kerze, die der König dem Gott darbringt, angesprochen gegrüßt seist du,
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diese schöne Kerze des Amon! Daß die heiligen Kronen des Königs als etwas Lebendiges angesehen werden, kommt oft zum Ausdruck, da ihre Schützerinnen Göttinnen sind, die geradezu mit den gegenständlichen Kronen gleichgesetzt werden. Darum gehört der Anfang eines alten Liedes auf die Krone von Unterägypten, um ein Beispiel für diese Vergottung anzuführen, nur halb hierher: he nt-Krone, he inw-Krone, he Große, he Zauberreiche, he Uräusschlange! Ungewöhnlich ist die Anrede an ein medizinisches Heilmittel o dieses Mittel als Aufforderung, seine Wirkung zu tun. Die große Standwaage, die mit ihrem beweglichen Doppelarm (auch ägyptisch so bezeichnet „Armpaar") von den Geräten am ehesten lebendig wirkt, wird ermahnt tue das Rechte, gib nicht auf die Seite! dieser Gott verabscheut das Unrecht, Waage! (Es handelt sich um das Abwiegen von Gaben für den Tempel „dieses Gottes", des Amon) G. Anreden an Jahr, Tag, Wind Das Jahr, das ebenso wie der Tag, die Ewigkeit, die Unendlichkeit, als göttlich verehrte Kraft auch sonst erwähnt wird, erscheint personifiziert in einer langen Litanei, deren jede Strophe anfängt o Jahr!, und weiter im Anfangsteil eines „Buches von den Schalttagen". In ihm wird das vergangene Jahr verabschiedet und das neue begrüßt: Lebe, lebe, altes Jahr! in Frieden, neues Jahr! und das neue Jahr gebeten, sich des Besitzers jenes Buches oder dessen, der es rezitiert, anzunehmen: Siehe, neues Jahr, meine Person ist in Frieden; lasse mich wohlbehalten sein, lasse mein Haus wohl behalten sein! Mit dem Preis gegrüßt seist du, dieser schöne Tag, an dem Isis erschienen ist! beginnt ein später Isishymnus. Ein kleines Lied beim Gelage im Harem, das eine Lautenspielerin singt, fängt an der Nordwind, komm!
ERSTER TEIL ZUR B I L D U N G S W E I S E Die Redeteile, die in diesem Abschnitt zu behandeln sind, lassen sich mehr oder weniger zwanglos in folgende Gruppen einteilen: 1. Ermunternde Anrufe und Kommandos. 2. Versichernde Ausrufe und beschwörende Anrufe. 3. Äußerungen des Beifalls, des Ärgers, der Klage. 4. Äußerungen der Freude. 5. Lobpreisungen. 6. Wunsch, Bitte und Dank. 7. Grüße, Willkommen und Abschied. Alle diese Anrufe, Ausrufe, Wünsche und Grüße stellen ähnlich wie die Anreden hinsichtlich des Formalen, der Bildungsweise, Fragen. Vielgestaltiger als die auf Eigennamen und Appellativum beschränkten Anreden, von der pronominalen Anrede abgesehen, treten die Anrufe usw. in mannigfachen Wortarten, grammatischen Formen und syntaktischen Verbindungen auf, die ihnen allen grundsätzlich gemeinsam sind oder doch sein könnten, und die deshalb gemeinsam besprochen werden müssen, bevor auf das Inhaltliche und die Verwendung eingegangen werden kann. Rufe und Wünsche und Grüße können sowohl durch einzelne Wörter ausgedrückt werden als auch durch Verbindungen von Wörtern, wobei es für sie bezeichnend ist, daß sie gern mit dem Dativus ethicus, einem „dir" und ähnlich, verbunden sind, und daß sie häufig Verkürzungen aus volleren Ausdrücken darstellen, die daneben auch im Gebrauch sein können. Für die Bildungsweise genügt es hier, das Typische aufzuzeigen, knapp und auf wenige ausgewählte Beispiele beschränkt. Ihre Vervollständigung bringt die im zweiten Teil dieses Abschnittes dargestellte Verwendung der Anrufe, Ausrufe, Wünsche und Grüße.
A. Verkürzungen, Wechsel der vollen und verkürzten
Ausdrücke
Zunächst sei bemerkt, daß in den Anrufen usw. vielfach und wohl noch häufiger, als sich von uns feststellen läßt, Kürzungen vollerer Ausdrücke vorliegen, sei es, daß die vollen Fassungen neben den verkürzten noch in der Sprache vorhanden waren und auch gebraucht wurden, sei es, daß sie nur in Gedanken bestanden, so daß immer nur die Kürzung tatsächlich ausgesprochen wurde. Nebeneinander von verkürzter und voller Form: Luft! Luft! starker König! neben gib uns die Luft, die du gibst, starker König! Ähnlich wird ein 6
Grapow, Anreden
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Anrufe, Ausrufe, Wünsche und Grüße
Preis dir, Sahure! aus einem „wir geben dir Preis, Sahure" entstanden sein, zumal die Überschrift zu den heimkehrenden Schiffen, deren Insassen so rufen, lautet Preisgeben dem Sahure. Der Gruß „Willkommen" lautet neben wie gekommen in Frieden! und du bist gekommen in Frieden! oft nur wie gekommen! oder du bist gekommen! und auch nur in Frieden!, also mit Unterdrückung des ersten Teils des vollen Ausdrucks. Nur in Kürzung übliche oder belegte Ausdrücke: Der Anruf an den Viehtreiber beim Übersetzen mit den Rindern über das Wasser dein Arm über das Wasser! setzt ein „strecke deinen Arm über das Wasser" voraus. Solcher Voraussetzungen gibt es mehr, wie in euere Füße, Männer! (aus „bewegt euere Füße") oder in fitere Hände unter die Last! (aus „haltet eure Hände unter die Last"). Eine andere sichere Kürzung liegt vor in dem Abschiedsgruß indem du gesund bleibst! (aus: „Kehre heim, indem du gesund bleibst"). Zu solchen Fällen nachweisbarer oder zu vermutender Kürzung gehören noch manche der Anrufe und Grüße.
B. Einzelne Wörter als Anrufe
usw.
Interjektionen oder wie solche gebrauchte Wörter: hü! und he! als Zurufe an Tiere; wehe!; unübersetzbare erste Rufe des Neugeborenen, Anrufe an Ruderer, Äußerungen des Beifalls, und ähnliches. Nominale Wortformen: Lobpreis!-, Atemluft!; Böses!; Friede! und viele andere. Imperative ohne Zusatz: siehe!; höret!; falle!; geh schlafen! usw. Negiert hob keine Furcht! u. a. C.
Wortverbindungen 1. Allgemeines
Den nominalen Wortverbindungen (unter 2) und den verbalen (unter 3) sind drei Bildungsweisen gemeinsam. Es handelt sich um die Bildungen mit der Admirativpartikel wie!, um den häufigen Gebrauch des Dativus (ethicus) dir u. ähnl. und um die beliebte Verstärkung des bloßen Suffixes durch eine Körperbezeichnung wie dein Gesicht für du. Die Admirativpartikel findet sich sowohl bei Adjektiven als auch bei Partizipien: wie schlecht und wie gedeihend sind die beiden Typen. Auf das Inhaltliche gesehen, kommen diese Bildungen in drei Gruppen vor: preisend, bewundernd (wie erfreulich!; wie groß!; wie gedeihend! usw.); klagend
Zur Bildungsweise
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(wie elend! usw.); bewillkommnend in dem Ausdruck wie gekommen! Der Gebrauch kann ohne oder mit pronominalem Subjekt erfolgen: wie groß (ist) deine Kraft! oder wie elend (ist) es, euer Herz! Die Stellung solcher „wie"-Ausdrücke ist oft die am Satzanfang und vor dem Anredewort: wie groß (ist) deine Gewaltigkeit, guter Gott! Aber die Anrede kann auch voranstehen : mein Herr, wie groß (ist) doch deine Gewaltigkeit! Der Dativus (ethicus) ist bei den Anrufen usw. außer in verbalen Verbindungen wie dir sei .. .; es lebt mir N. N.; sieh dir (an) auch in nominalen üblich, die allerdings wohl sämtlich als Kürzungen (vgl. das oben Bemerkte, anzusehen sind: Preis dir!; Lob dir! usw. Verstärkungen eines „du", „dein" erfolgen mit „Herz", „Gesicht" und „Person": froh sei dein Herz!-, gegrüßt sei dein Gesicht; [so wahr] deine Person dauert, eine Verbindung, die auch mit einem Eigennamen, [so wahr] Amon dauert oder Appellativum [so wahr] der Herrscher dauert vorkommt. Vgl. auch dieselbe Verstärkung in der pronominalen Anrede oben Seite 15).
2. Nominale Wortverbindungen Substantiv mit Suffix: Solche durchweg als Kürzungen zu verstehenden Ausrufe wie euere Hände!; dein Arm!; dein Auge! und andere werden so allein gebraucht oder auch mit Zusätzen in Form präpositioneller Verbindungen: dein Arm über das Wasser!; dein Gesicht hinter dich! (= blicke rückwärts); deine Hände nach dem Schönen hin! In allen Fällen sind es Bezeichnungen für Körperteile, die so mit Suffix gebraucht werden. Substantiv mit Attribut: ein sicheres Beispiel ist der Ausruf schöner Tag! als Anfang eines Liedes. Substantiv mit Dativ: zu den obigen Fällen wie Preis dir! usw. gehört auch Leben dem Pharao, Preis dem Herrn der beiden Länder! Präposition mit Substantiv: in Frieden! nach Westen! für deine Person! und andere. Adjektiv mit bestimmendem Substantiv: sichere Fälle sind die Rufe der Soldaten bleibenden Herzens! (= standhaft)und wachen Kopfes! ( = wachsam). Adjektiv mit Admirativpartikel: wie groß!; wie angenehm! usw. (vgl. dazu oben). 3. Verbale Wortverbindungen a) I m p e r a t i v
Den schon erwähnten bloßen Imperativen entsprechen solche mit allerlei Zusätzen. 6*
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Anrufe, Ausrufe, Wünsche und Grüße
Mit betonendem absoluten Pronomen wie hüte dich!] eilet ihr!; ermuntere dich!; wende dich um! usw. Mit dativischem Zusatz: sieh dir an! ( = paß auf) oder komme mir! (zu Hilfe). Mit verschiedenen Zusätzen wie in den Schiffskommandos mache das Gesicht [nach] Backbord! und mache nach Steuerbord! So auch in dem Willkommensgruß komme in Frieden! als alte, später nicht mehr gebräuchliche Form desselben Grußes im Paritzip (siehe unter b). b) Partizip mit Admirativpartikel Unter den Ausdrücken dieser Bildungsweise ist der häufigste der Willkommensgruß wie gekommen! (ist der und der). Dieser seit dem Mittleren Reich bele'gte Gruß erscheint in vierfacher Form: wie gekommen!; wie gekommen in Frieden!; wie gekommen, wie gekommen!; wie gekommen, wie gekommen in Frieden! Diese vier Fassungen können allein verwendet sein und auch erweitert werden durch Angabe des Begrüßten oder des Grüßenden oder des Ortes, auf den sich das „Willkommen" bezieht. Allein gebraucht ist der Ausdruck, der so schon bei seinem Aufkommen gut und häufig belegt ist, wohl eine Kürzung, bei der die willkommen geheißene Person als bekannt nicht ausdrücklich genannt ist. Bei Angabe des Begrüßten erfolgt dessen Nennung mit einem Substantiv wie gekommen, wie gekommen (ist) der gute Gott! oder mit einem Pronomen wie gekommen (bist) du!, auch wie gekommen (ist) deine Person! Die Angabe des Grüßenden geschieht mit Hilfe einer Präposition wie gekommen (ist) mir, wie gekommen (ist) mir in Frieden mein lieber Sohn! oder wie gekommen (ist) zu mir mein Sohn meines Leibes! Fälle der Angabe des Ortes sind beispielsweise zu dir wird gesagt; „wie gekommen, wie gekommen!" in diesem deinem Hause (d. h. man heißt dich in deinem Hause Willkommen) oder wie gekommen (bist) du, Amon, zu deinem Tempel!
D. Verschiedene verbale
Ausdrücke
Der im Vorstehenden besprochene Willkommensgruß hat ein jüngeres Synonym der Form du bist gekommen. Der Unterschied ist nicht nur ein zeitlicher, sondern vor allem ein inhaltlicher: das „wie gekommen" ist hinsichtlich des Begrüßten an sich unbestimmt, das „du bist gekommen" enthält in dem „ d u " die Angabe dessen, an den sich der Willkommensgruß, auch hier liegt ein solcher vor, wendet. Auch dies „du bist gekommen" hat öfters den Zusatz „in Frieden" bei sich, kann daneben auch unter anderem
Zur Bildungsweise
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so gefaßt sein: du bist gekommen, du bist gekommen, in Wohlsein und Wohlbehalten! Wird der Begrüßte eigens genannt, so lautet der Gruß etwa du bist gekommen in Frieden, mein Sohn! Andere verbale Ausdrücke sind die Schwurformel [so wahr] Amon dauert!, der Weckruf am Morgen du mögest erwachen in Frieden!, der Wunsch beim Überreichen einer Gabe er (ein bestimmter oder gedachter Gott) lobe dich! und ähnliche Wendungen.
ZWEITER TEIL
ZUR VERWENDUNG VON ANRUFEN, WÜNSCHEN UND
AUSRUFEN,
GRÜSSEN
Von den hier hinsichtlich ihrer Verwendung zu besprechenden Bedeteilen gehören manche noch zu den Anreden: ein Anruf, ein Gruß, ein Wunsch enthält, soweit er nicht ganz allgemein gefaßt und gemeint ist, sondern sich an eine bestimmte Person oder deren mehrere wendet, zugleich eine Anrede. Diese kann durch einen Imperativ oder durch irgendeine andere Verbindung mit „ d u " oder „ i h r " deutlich gemacht sein. Sie kann ebenso gut auch nur im Sinne des Sprechenden und des Hörenden gemeint und aufgefaßt sein, wie etwa das Kommando „nach Steuerbord!" als an die Schiffsbesatzung gerichteter Ausruf. Im Gegensatz zum Anruf, gleichviel welcher besonderen Art, der sich immer irgendwie an jemanden oder an ein Etwas wendet, ist der Ausruf richtungslos, ohne Bezug auf ein bestimmtes angeredetes oder angeredet gedachtes Ziel: Jubel- und Klagerufe, Äußerungen der Freude und des Schmerzes sind reine Ausrufe, deren wir im Ägyptischen nicht eben viele kennen. Denn tatsächlich sind derartige Ausrufe vielfach auch anrufend gemeint wie etwa Klagerufe an der Leiche o oder hei; sie sind nicht an den Verstorbenen gerichtet, aber er soll sie doch hören. Die Grenzen zwischen „absoluten", beziehungslosen Ausrufen und „relativen", an jemanden gerichteten Anrufen sind so fließende, daß die Zuweisung einer solchen Äußerung zu jener oder dieser Gruppe oft schwierig ist. Für die Frage Anruf? oder Ausruf? ist auch zu beachten, daß solche Rufe nicht selten Sätze vertreten, wenn man als Satz jede Äußerung betrachtet, durch welche ein Sprechender einem Hörenden eine Mitteilung gleichviel welcher Art machen will. In diesem Sinne unterscheidet sich ein bloßer Ausruf wie „Juchhe!" oder „ W e h e ! " von einem auch nur aus einem einzigen Wort bestehenden R u f wie „ L u f t ! " : Ein solches „ L u f t ! " oder gedoppelt „ L u f t , L u f t ! " ist als R u f des Clavigo und der sterbenden Marie Beaumarchais in Goethes Trauerspiel ebenso ein Satz wie der R u f der um Gnade flehenden Gefangenen zum ägyptischen König Luft! Luft! D a ß uns daneben eine vollere Fassung dieses „Satzes" erhalten ist in der Form gib uns Luft! ist lediglich ein freundlicher Zufall. Es seien noch ein paar Beispiele solcher Ausrufe als gemeinter Sätze angeführt. Als Isis den fieberkranken kleinen Sohn Horas nach langem Suchen findet, ruft sie ich! ich!, aber, so heißt es im ägyptischen Text, das Kind
Zur Verwendung von Anrufen usw.
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war zu schwach zum „Antworten", zum antworten nämlich auf den Ruf der Mutter „ich, ich" (bin da, um dir, mein Kind, zu helfen). Wenn der Holzarbeiter sein gestriges Arbeitspensum erst heute erledigt, dann tritt der Vorarbeiter ihn an den Hintern und sagt Böses!, und er spricht mit dem erzürnten Ausruf einen ganzen kräftigen Satz über die Nachlässigkeit des Mannes aus. Auf die Frage des Pürsten des Libanon an Unamun: „Was soll dies zwecklose Reisen, das man dich machen läßt?" antwortet Unamun Unrechtl, und meint damit, du hast unrecht, es ist kein zweckloses Reisen. Noch sei bemerkt, daß im Gegensatz zu grober Redeweise bei uns mit Ausdrücken wie „raus!", „rein!", „auf!" usw. für „scheer dich raus!", „komm rein!", „steh auf!" der Ägypter in solchen Fällen nicht abkürzt. Ihm ist die Bewegung wesentlicher als uns die Richtung derselben, und so sagt er immer „geh heraus.!", „komm herein!", „steh auf!". Wenn in der Geschichte von Horas und Seth zu einem Gott, der sich unbeliebt gemacht hat, grob gesagt wird geh heraus nach außen!, so ist das „geh heraus" das Eigentliche, das „nach außen" ist nur zugesetzt, um das „geh heraus" zu verstärken. Bloßes „nach außen" wäre unägyptisch. Soviel zum Grundsätzlichen. Die oben Seite 71 aufgestellten Gruppen der Anrufe usw. mit vielfach unscharfen, sogar fließenden Abgrenzungen gegeneinander sind ziemlich ungleich an Umfang und Inhalt. Das wird durch den Stoff bedingt, der uns hier reichlich, dort nur spärlich vorliegt, ganz abgesehen davon, daß die Äußerungen selbst in ihren verschiedenen Verwendungsbereichen in verschiedener Fülle in der Sprache vorhanden waren und gebraucht wurden. Die Ungleichheit des Umfangs der Gruppen ist aber auch dadurch bedingt, daß der Stoff keineswegs erschöpfend dargeboten wird, sondern mehr andeutend, und daß gewiß manches übersehen ist, auch im Rahmen des hier verarbeiteten Materials. Im übrigen wird nicht die Verwendung der Anreden usw. dargestellt, sondern es wird ein Beitrag zur Verwendung von Anrufen usw. gebracht. Erstes Kapitel
Ermunternde Anrufe und Kommandos Unter dieser weitgreifenden Bezeichnung werden die sehr verschiedenen sprachlichen Mittel zusammengefaßt, durch die der Sprechende die Aufmerksamkeit des Hörenden zu erregen sucht, durch die er die Ausführung einer verlangten Tätigkeit beeinflussen möchte, durch die er eine Mahnung oder Warnung nachdrücklich machen will usw. In diesem Sinne ist ein
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Anrufe, Ausrufe, Wünsche und Grüße
ermunternder Anruf auch jedes ausdrückliche „du" und „ihr", das einer Verbalform der zweiten Person Singularis oder Pluralis eigens beigefügt ist, ohne für deren richtige Auffassung unbedingt notwendig zu sein, also ein „höre d u " neben bloßem „höre", „ihr, ich gebe euch" neben bloßem „ich gebe euch", „packe dir dieses" neben bloßem „packe dieses". Von eigentlichen Kommandos lassen sich nur einige Gruppen deutlich herausheben: militärische Kommandos, Kommandos bei der Schiffahrt und Zurufe an Haustiere bei ihrer Arbeit. A. Ausdrückliche pronominale Anrufe mit „du" oder „ihr" 1. Vorangestellt Von der Notwendigkeit des Ägyptischen, ein vorangestelltes, den Satz beginnendes „du" und „ihr" durch eine Umschreibung, durch eine hervorhebende Partikel plus Suffix wiederzugeben, ist schon oben Seite 15 kurz gesprochen worden. Die herkömmliche Wiedergabe dieser Wortverbindung mit „siehe", „sehet" ist insofern nicht gut, als die Partikel mit keinem der ägyptischen Wörter für „sehen" etymologisch etwas zu tun hat, während unser „siehe", „sehet" doch von „sehen" kommt. Das echte ägyptische Wort für „siehe!" ist unten auf Seite 84 besprochen. Für die sorglose Art unseres Übersetzens sind zwei Stellen bezeichnend, in denen wir das eigentliche Verbum für „sehen" und das angebliche Wort für „siehe" in gleicher Weise wiederzugeben pflegen: Macke [es] und du wirst [den Erfolg] sehen. Siehe, es ist ein wirkliches [Heilmittel] lautet eine Weisung an den Arzt als Zusatz zu einem Rezept. In der Geschichte vom Schiffbrüchigen sagt der Erzähler am Ende zu seinem Begleiter Sieh mich, an (nachdem ich heil den Gefahren entronnen bin); höre auf mich; siehe, es ist gut, auf einen Menschen zu hören. Der deutsche Leser muß, wenn er genau und besinnlich liest, an beiden Stellen für „sehen" und „siehe" denselben ägyptischen Wortstamm vermuten. Ein „du, es ist ein wirkliches Mittel" und „du, es ist gut auf einen Menschen zu hören" würde dem ägyptischen Text besser gerecht werden und in der Übersetzung ein Mißverständnis ausschließen. Allerdings: diese Wiedergabe des angeblichen „siehe" mit „du" paßt nur für den älteren Sprachgebrauch. Sie paßt nicht mehr immer für die jüngere Sprache, in der seit dem Neuägyptischen die alten „du" (o Mann), „du" (o Frau) und „ihr" in der gemeinsamen Mehrzahl zu einem „du" (o Mann) zusammengefallen sind, das für alle drei pronominalen Anreden gemeinsam verwendet wird. Hier wäre ein allgemeiner deutscher Ausdruck als Übersetzung angebracht. Aber es brauchte nicht gerade „siehe" zu sein.
Zur Verwendung von Anrufen usw.
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Es ist nicht zu verkennen, daß ein solches betontes „du" (und „ihr"), wie die hervorgehobenen Suffixe in diesem Buch durchweg wiedergegeben werden, zuweilen gebraucht wird, wo es nach unserem Gefühl nicht recht passen will, so zum Beispiel, wenn Sinuhe zum König sagt du, ich bin vor dir oder wenn die Soldaten dem König zurufen du, wir sind im Gefolge deiner Majestät. Aber hier liegt dann eben gerade eine ägyptische Ausdrucksweise vor, die wir nicht durch Umschreibungen wie mit „siehe", das durch nichts begründet ist, verwässern dürfen, so bequem eine solche Wiedergabe auch manchmal sein mag, wie etwa bei der Übersetzung einer Ansprache der Soldaten: sie sagten zu Seiner Majestät: du! Deine Majestät, ist herausgekommen [aus dem Engpaß] mit seinen starken Truppen. Gib, daß unser starker Herr diesesmal auf uns hört (und vorsichtig handelt usw.). In dieser seltsam zum Teil in der dritten Person gefaßten Rede liegt, wie die Umschreibung des Optativs „möge unser Herr hören" mit gib daß unser Herr hört zeigt, schon neuägyptischer Spracheinfluß vor; auch das „du" ist wohl schon abgeschwächt. In älterer Zeit sind beim flektierten „du" (o Mann), „du" (o Frau), „ihr" der gemeinsamen Mehrzahl zwei Hauptverwendungen festzustellen, je nachdem, ob ein im anschließenden Satz stehendes „du", „dir", „ihr" betont wird, oder ob ein Satz in der ersten oder dritten Person folgt, also keine „du" oder „ihr" Hervorhebung geschieht. Diese Fälle seien zunächst besprochen, mit einigen ausgewählten Beispielen in allen drei Verwendungsarten. a) Vor S ä t z e n mit Subjekt der d r i t t e n Person :
Älteste Beispiele liegen vor in kurzen Reden, die auf etwas dem Angeredeten Vorgezeigtes hindeuten. Der Schlächter zeigt einem anderen das soeben herausgelöste Herz des Schlachtrindes du! dieses Herz oder mit zweimaliger Betonung des „du" du! du, es zuckt (noch) in meiner Hand. Ähnlich preist auf dem Markt ein Verkäufer seine Ware an mit den Worten du! die Sandale ist fest. Andere solcher Reden enthalten eine Anerkennung oder ein Lob, so wenn ein Beamter zu einer Frau, die Stoff abgeliefert hat, sagt du! ein trefflicher Zeugstoff oder zu einer anderen du! ein weiches Fett. Im einzelnen sind die Bedeutungsfarbungen solcher „du"- und „ihr"Anrufe mannigfaltige. Als Sinuhe noch in Beduinentracht vor dem König erscheint, sagt dieser zu seiner Gemahlin du! Sinuhe ist als Asiat zurückgekommen mit einem „du" im Sinne von „sieh dir das an!" oder „was sagst du dazu?". Wie ein „merkt es euch!" ist „ihr!" an diesen Stellen verwendet: bei den Abmachungen über den Totendienst will der Gaufürst den Totenpriestern klar machen, daß die gegenseitigen Leistungen und Zahlungen nicht nach gewöhnlichen Tagen berechnet werden sollen, sondern
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Anrufe, Ausrufe, Wünsche und Grüße
nach „Tempeltagen" und deshalb sagte er zu ihnen: Ihr! ein Tempeltag ist 1l3«ostel des Jahres (obwohl das Kalenderjahr 365 Tage hat). In einer Aufforderung an die Untertanen, den König zu ehren, heißt es: „Höret ihr Menschen, ehret den König und schwört bei seinem Namen"; Ihr! der Gott ist, er im Lande! Es gibt viele Stellen solcher Art. b) Vor S ä t z e n m i t S u b j e k t der e r s t e n P e r s o n
Mehrfach belegt ist die offenbar stehende Wendung, mit der jemand seine Ankunft mitteilt du! ich bin gekommen oder auch du! ich bin zu dir gekommen. Ganz ähnlich teilt der Oasenbewohner seiner Frau mit, daß er verreisen will du! ich bin im Begriff nach Ägypten zu reisen und sagt der König seinen Bäten Ihr! meine Majestät bestimmt eine Arbeit. Einen starken Ausdruck für „ich" enthält der verkürzte Satz du! ich! der sowohl im Anschluß an einen „ich"-Satz als auch selbständig gebraucht wird: ich habe den Weg zurückgelegt, du! ich! oder du, ich bin gekommen, du! ich! In einer Wendung für „jawohl" schließt dieses „du! ich!" sich an „ich tue [es]" an: ich tue [es], du! ich! ich tue [es]. Daneben kommt der Ausdruck auch allein vor: auf das Verlangen, im Jenseits die Ackerarbeiten zu verrichten, soll die Totenfigur an Stelle des Verstorbenen antworten du! ich! im Sinne von „ich bin zur Stelle" und der Tote rühmt sich du! ich! ich bin ein Schreiber. Auch vor der ersten Person Pluralis findet sich solches du! in Gesprächen zweier Personen und zwar sowohl unmittelbar vor einer „wir"-Verbalform du! wir haben die Heimat erreicht als auch vor einem absoluten wir, das durch die Verbalform des folgenden Satzes aufgenommen wird: du! wir, wir kommen glücklich heim. Zu seiner Geliebten sagt jemand du! wir, wir verbringen eine Stunde. c) Vor S ä t z e n m i t „ d u " und „ i h r "
Es sind zumeist präpositionelle Verbindungen „für dich", „für euch", „an dich", „zu euch", deren „dich" und „euch" durch das vor dem Satz stehende „du!", „ihr!" betont werden sollen: du! das ist mein Anliegen an dich oder ihr! ich, komme zu euch oder besonders „für dich" und „für euch" als Dative „dir" und „euch", etwa in Mitteilungen wie an Rawoser über die Geburt seiner Kinder du! dir sind drei Söhne geboren oder in den Ankündigungen einer königlichen Botschaft, die dann im Wortlaut folgt du! man bringt dir diesen Erlaß des Königs oder ihr! man bringt euch diesen Erlaß. Aber auch das „du"-Subjekt kann so betont werden; wie es scheint, war dieser Gebrauch in der Literatursprache des Mittleren Reiches beliebt. Der böse Beamte sagt drohend zum Bauern du! du bist [auf dem Wege] zur
Zur Verwendung von Anrufen usw.
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Stadt des Herrn der Stille, droht also mit dem Tode. Verheißend tröstet der Drachengott den Schiffbrüchigen du! du wirst in die Heimat gelangen. Zum nach Ägypten zurückgelangten Sinuhe sagt der König du! du bist angekommen. Zum Toten, der Einlaß ins Jenseits fordert, spricht dessen Wächter Geh du! du! du bist angemeldet. 2. Nachgestellt Die Nachstellung des pronominalen Anrufe mit „ d u " oder „ihr", die bei Optativen und vor allem nach Imperativen beliebt war, erfolgt in zwei Formen: durch das mittelst einer hervorhebenden Partikel betonte Suffix oder durch Beifügung eines absoluten Pronomens. In den Fällen der Beifügung des absoluten Pronomens der zweiten Person des Singularis oder Pluralis, also „ d u " oder „ihr", sind im Deutschen solche bei einem intransitiven Verbum übersetzungsmäßig nicht von den Fällen zu unterscheiden, in denen ein „ d u " oder „ihr" mittelst der hervorhebenden Partikel durch die Personalsuffixe ausgedrückt ist. Nimm Platz, du, auf deinem Thron oder erhebe dich, du, dieser Osiris oder he, Osiris, stehe auf, du mit äurch die Partikel hervorgehobenem „ d u " lassen sich im Deutschen in der Übersetzung nicht unterschiedlich machen gegenüber der Beifügung eines absoluten „ d u " oder „ i h r " in Wendungen wie erdscheide, du, du selbst oder gehet, ihr oder eile, du, meine Schwester oder Freund, eile, du, mit der Arbeit usw.; und dieser Fälle gibt es viele. Anders steht es, wenn solches absolutes „ d u " bei einem transitiven Verbum steht, wenn es also, nach unserer Auffassung, das Objekt ist. Dann übersetzen wir wende um, dich oder mache fest, dich oder hüte, dich und so fort. Aber es ist zweifelhaft, ob sich unsere, auf transitiv und intransitiv beruhende sprachliche Auffassung solchen Gebrauchs mit dem ägyptischen sprachlichen Empfinden deckt. Nur soviel läßt sich feststellen, daß sich das durch die Partikel hervorgehobene Suffix der zweiten Person des Singulars oder Plurals als „Objekt" nicht findet. 3. I m „Dativus ethicus" Der sogenannte „Dativus ethicus" dir usw. ist bei Imperativen besonders häufig, wenn im Gebrauch auch nicht auf sie beschränkt. Ein solches rückbezügliches „ d i r " (für dich), das bei einem Verbum des sich-Nehmens, wie bei „empfangen" in empfange dir, nichts Auffälliges hat, wird auch Imperativen solcher Verben beigefügt, bei denen keine Rückbeziehung notwendig oder uns erkennbar ist. Es genügt nach Analogie von packe Dieses zu sagen
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Anrufe, Ausrufe, Wünsche und Grüße
„packe den N. N. bei seiner Hand". Wenn man statt dessen sagt packe dir den N. N. bei seiner Hand oder trage dir den der größer ist als du oder bemanne dir ein Boot oder mach es dir bequem oder verbringe dir die Nacht, so liegt dem Hinzufügen von „dir" doch wohl die Absicht zugrunde, das „du" des Imperativs zu verstärken, es zu betonen. B. Anrufe mit einem, Körperteil
und Suffix der zweiten
Person
Es handelt sich um Anrufe der Form euere Füße, Männer! als Rede an die Träger einer Last, um sie zu schnellerem Gehen zu veranlassen oder vielleicht auch, um sie zu ermahnen, unter der schweren Last nicht zu straucheln. Jedenfalls liegt wohl eine Kürzung vor aus „beweget euere Füße" oder „achtet auf euere Füße", wie schon oben Seite 72 vermutet ist. Und das gilt gewiß für die meisten oder alle Anrufe dieser Bildung, die in der Regel noch einen Zusatz mit Angabe der Richtung bei sich haben. Der Wunsch an die aufgehende Sonne dein Gesicht zu mir! (== wende mir, o Sonne, dein Gesicht zu) kommt auch in der Sprache des Alten Reiches in den Gesprächen der am Vogelnetz Beschäftigten vor als dein Gesicht zu mir, dein ganzes ( = wende mir dein volles Gesicht zu). Ähnlich sagt man dein Gesicht nach vorn! und dein Gesicht zum Himmd! Der Ruf, das Gesicht abzuwenden, lautet dein Gesicht hinter dich! und ebenso die Aufforderung, die Hände oder den Fuß abzuwenden, deine Hände hinter dich! und deinen Fuß hinter dich!, wobei die Übersetzung „deinen" schon die Annahme einer Kürzung voraussetzt; dem Ägyptischen ist nicht anzusehen, ob „dein" Fuß als „Nominativ" oder „deinen" Fuß als „Akkusativ" gemeint ist. Dasselbe gilt für den Zuruf an den Hirten, beim Durchzug seiner Herde durch das Wasser mit einem Gestus die Krokodile zu verscheuchen: deinen Arm über das Wasser! Dem Befehl beim Tragen von Krügen euere Hände unter sie! entspricht die Aufforderung euere Hände unter mich! d. h. tragt mich. Den Männern, die den Sargschlitten ziehen, wird zugerufen euere Hände an euere Seile! C. Imperativische
Verstärkung einer
Aufforderung
Im Ägyptischen spricht man gern vor einem Imperativ noch einen, der die Bewegung angibt, die zur Ausführung des im zweiten erteilten Befehls erforderlich ist. Diese häufige Sprechweise hat in der Literatur des Mittleren Reiches zu einer festen Wendung geführt eile! bringe mir!-. Ein Beamter befiehlt seinem Diener eile! bringe mir ein Laken aus unserem Hause! und der König seinem Sohn eile! bringe mir den Zauberer! und seinem Schatzverwalter eile! bringe mir die Beamtenschaft! und so fort. Diese formelhaft
Zur Verwendung von Anrufen usw.
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gewordene; Wendung erhält dabei öfters den Zusatz es (er) wurde ihm auf der Stelle gebracht. Solche imperativische Verstärkung eines Imperativs ist von mannigfaltiger Verwendung. Der Bauer fordert seine Frau auf geh also, miß mir Korn ab! oder Reddedet heißt die Magd, aus dem Keller etwas zu holen geh hinunter, hole davon. Schon die ältesten Texte der Totensprüche in den Pyramiden kennen den Gebrauch: stehe auf, entferne dick! oder stehe auf, erhebe dich! oder sogar vor einer Reihe von Imperativen Thoth! eile! nimm den Toten zu Osiris; hole den, der über den Namen des Toten schleckt redet; leg ihn dir in deine Hand! Und nicht anders spricht man noch neuägyptisch nimm Platz, schreibe den Brief! oder gehe, öffne! usw. Eine eigene Gruppe bilden Verstärkungen mit komme!, ebenfalls durch den ganzen Sprachbereich hin: Re, komme, fahre den Toten über das Walser; komme, eile herbei auf der Stelle!; komme, eile zum Speicher!; komme, lande am Goldhaus!; (Gift im Körper) komme, geh heraus zu Boden! In der alten Sprache erfolgt solche Verstärkung auch durch Nachstellung des zweiten Imperativs eines Verbums der Bewegung. Die in der feierlichen Ausdrucksweise eines an den toten König gerichteten Spruches zweigliedrig geformte Aufforderung zur Beeilung im Sinne von „auferstehe schnell" erhebe dich, dieser tote König; eile, du, kraftreicher! ist in der Sprache der Unterhaltungen bei der Arbeit auf den Gräberbildern des Alten Reiches knapper gefaßt. Im allgemeinen wird der Imperativ durch einen adverbiellen Zusatz verstärkt wie in rudere sehr! oder gib dieses Herz her auf der Stelle! oder stehe auf sehr (d. h. schnell). Daneben aber kann die Betonung, die fast immer auf Beeilung bei der Arbeit abzielt, auch durch einen zweiten Imperativ ausgedrückt werden, und die drei obigen Aufforderungen lauten dann so: rudere, eile! und gib dieses Herz her, eile! und stehe auf, eile! Weiter sei noch der Ruf an den Schlächter angeführt schlachte, eile! und an den Mann, der das Feuersteinmesser zu wetzen hat schärfe dieses Messer, eile! Es gibt auch eine Verstärkung eines Optativs durch einen ihm vorausgesprochenen Imperativ „komme'® in der Sprache des Rituals, wenn der Gott aufgefordert wird, sich kleiden oder speisen zu lassen komme, mögest du dir das Kleid anlegen! oder komme, mögest du die Opfergaben empfangen! und weiter öfters im Neuägyptischen, zum Teil stark abgeschwächt, wie in der Wendung am Anfang eines neuen Abschnittes der Rede im Sinne von „Nun will ich dir noch weiter sagen": Komme, daß ich dir noch von anderen Städten erzähle und ähnlich.
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Anrufe, Ausrufe, Wünsche und Grüße
D. Anrufe mit Ausdrücken für „siehe" und „höre" Die ältere ägyptische Sprache kennt keinen Anruf im Sinne unseres „siehe!", der, wie der deutsche Anruf, von einem der Verben des Sehens gebildet ist. Erst das Neuägyptische verwendet eine von dem Verbum ptr „sehen" gebildete Interjektion siehe. Die ältere Sprache besitzt nur Ersatzausdrücke für unser „siehe", in erster Linie das oben Seite 78 besprochene betonte „du" und „ihr", und weiter einleitende Partikeln zur Hervorhebung. Denn auch ein vermutlich als Imperativ eines seltenen alten Verbums aufzufassender Ausdruck siehe du bedeutet an den wenigen Stellen, an denen er mit Sicherheit zu erkennen und zu verstehen ist, schon „gib acht", „paß auf". So mit Angabe dessen, worauf acht zu geben ist, in dem Anruf an den Hüter der Tür des Himmels gib acht, du, auf diesen Götterboten (der kommen wird) und in dem Zuruf beim Niederwerfen eines Rindes zum Schlachten, paß auf, du, sehr, auf dieses Rind oder auch allein als Ruf beim Segeln paß auf, du, sehr als Weisung, gut auf den Wind zu achten. Diesem alten Warnruf entspricht im Neuägyptischen ein ebenfalls mit einem Verbum des Sehens, mit ptr, gebildeter Anruf sieh dir an! Die Bedeutung ist überall schon auf dem Wege vom körperlichen Sehen, Ansehen, Betrachten zum geistigen Bedenken, Beachten. Die Mahnung am Schluß der Lehre des Amenemope sieh dir an diese dreißig Kapitel (die vorher durchgenommen sind) bezieht sich weniger auf ihre Lesung als vielmehr darauf, sie zu überdenken und zu beachten. Dasselbe meinen die Worte des Königs seht euch an die große Kraft meines Vaters oder seht euch an die vielen Guttaten (die Amon mir erwiesen hat). Und die Formel der neuägyptischen Briefe sieh dir an, sieh dir an, hüte dich! hat vollends nur den Sinn einer scharfen Warnung wie „nimm dich doch in acht!" Ihr folgt „denke an morgen!" oder „sei nicht träge!" oder „halte dich nicht auf!" und ähnliches. 1. Siehe Der neuägyptische Ausdruck für echtes „siehe" als Interjektion gehört, das zeigt die Schreibung des Wortes, zu dem soeben erwähnten Wort für „sehen"; in welchem sprachlichen Verhältnis es zu diesem Verbum steht, ist nicht bekannt. Sein Gebrauch ist ganz ähnlich dem unseres „siehe" mit derselben Abwandlung vom eigentlich Hinweisenden auf etwas, das vorgezeigt wird und betrachtet werden soll, zu einem Anruf, der die Aufmerksamkeit auf das lenken soll, was man sagen will, und sogar zu einer einen Gegensatz oder eine Anknüpfung ausdrückenden Partikel, in der die Grundbedeutung schon völlig verblaßt ist. Einen Hinweis auf die angeredete Person („du" oder „ihr") enthält diese Interjektion nicht, die in den
Zur Verwendung von Anrufen usw.
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folgenden Beispielen durchweg mit „siehe" übersetzt wird, ohne Versuch, die verschiedenen Färbungen der Bedeutung wiederzugeben. Man gebraucht „siehe" gern am Anfang von Reden. Als Bata durch die Wiederaufnahme seines Herzens in den Körper aus dem Todesschlaf erwacht, verkündet er seinem Bruder siehe, ich werde zu einem großen Stier werden und er teilt in dieser Gestalt seiner eigenen Frau, die ihn ja hatte töten lassen, mit siehe, ich bin wieder lebendig. Nachdem der Fürst von Byblos nach seiner Meinung alles getan hat, was der Bote des Amon von ihm zu fordern hat, erklärt er ihm siehe der Auftrag . . . ich habe ihn ausgeführt. Am Schluß seines auf einem Denkstein „veröffentlichten" Dankgebets für gnädige Errettung aus einer ihm durch eine Göttin gesandten Krankheit wendet sich der Genesene noch einmal an die Leser seiner Inschrift siehe, jedes Ohr möge hören (: hütet euch vor dieser Göttin). Dieser Gebrauch ist nicht auf literarische Texte beschränkt. Er findet sich auch in geschäftlichen: Jemand erklärt z. B. siehe, ich gebe euch (so und so viel Sack Korn). Weiter verwendet man „siehe" gern, um feierlich etwas Wichtiges mitzuteilen: (von den vorher aufgezählten Geschenken an den Gott erklärt der König, von dem sie stammen) siehe, ich habe (sie) zusammengestellt aufgeschrieben, oder auch um einen Gegensatz hervorzuheben: (du hast mir geschworen, mir den Esel zu schicken) siehe, du hast ihn nicht geschickt, und so auch mit noch einem „aber" davor: (deine Frau wollte mich verführen, nicht ich sie) aber, siehe, sie hat es dir in anderes verkehrt (d. h. gibt mir die Schuld). Mitunter ist dieses „siehe" sehr abgeschwächt: (sei nicht faul bei der Arbeit) siehe, eine große Zahl von Menschen ist hier zu deiner Verfügung. 2. Höre; höret Eine so starke Abwandlung wie bei „siehe" vom körperlichen Sehen zum geistigen Wahrnehmen und zu noch weitergehender Schwächung der Grundbedeutung haben die Anrufe „höre", „höret" nicht erfahren. Sie behalten ihre ursprüngliche auffordernde Bedeutung, etwas aufmerksam anzuhören, das gesagt wird, auf das anschließend hingewiesen wird. Den Sinnbereich einer einleitenden Redewendung wie unser „hören Sie mal, Liebster!" haben die ägyptischen Anrufe nie verlassen. Zu einem absolut gebrauchten, vorwurfsvoll oder erstaunt ausgerufenen „hören Sie mal!" ( = „das ist doch wohl nicht möglich" oder ähnlich) ist es bei den ägyptischen Anrufen nicht gekommen. Die gewöhnliche Absicht dieses Imperativs, der übrigens zumeist im Plural steht oder sich doch an eine Mehrzahl von Personen richtet, ist die, die Aufmerksamkeit nachdrücklich auf das Gesagte zu lenken, für das Beachtung und Glauben gefordert wird. So in den Inschriften der Gräber,
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Anrufe, Ausrufe, Wünsche und Grüße
wenn der Tote den lesenden Besuchern zuruft höret, ihr, die im Dasein sind, ich spreche zu euch, ohne daß Lüge dabei ist. Die Königin Hatschepsut erzählt von der Errichtung der Obelisken höret, ihr, ich gab dazu Elektron, und fügt auch dem Bericht über ihre sonstigen Taten ein solches „höret" ein, ähnlich wie Thutmosis der Dritte in dem großen Bericht vom Gebel Barkai über seine Taten nach der Erzählung von der Elefantenjagd fortfahrt ich berichte euch weiter: höret, Menschen (Amon überwies mir usw.). Ramses der Dritte spricht zu den Soldaten und anderen Ägyptern höret! ich lasse euch meine glänzenden Taten wissen. Andere mit „höre", „höret" eingeleitete Reden fordern auf, etwas zu tun. In einem sehr alten Spruch wird Geb gebeten höre, Geb, Erbfürst der Götter insgesamt! Versieh den König mit dem was er braucht. In dem Lob des Königs Amosis werden die Untertanen aufgefordert höret, Menschen! gebt den Ruhm des Königs an andere weiter. Ramses der Dritte bittet in derselben Form die Götter höre, große Götterschaft! gebt die glänzenden Taten, die ich vollbrctcM habe, in euer Herz. Auch eine allgemeine lehrhafte Aufforderung kann so eingeleitet sein: jemand ruft den Besuchern seines Grabes zu hörei! möget ihr das Gute tun, das ich getan habe, damit euch ebenso getan werde.
E. Kommandorufe Während im weiteren Sinne jeder imperativische Befehl ein Kommando ist, handelt es sich hier um „Kommando als vorgeschriebenes Befehlswort für die Ausführung einer bestimmten Handlung oder Bewegung", wie Wort und Begriff definiert zu werden pflegt. Der regelmäßig gebrauchten Befehlsworte zur Ausführung bestimmter Handlungen oder Bewegungen gibt es allerdings viele. Immer hat der eine Schlächter dem andern zugerufen halte fest! oder ziehe du! und beim Schleppen einer Last hat der antreibende Ruf zu allen Zeiten ziehe! gelautet und die Weisung zum Rudern rudere! und so fort. Derartige Kommandos sind übliche; vorgeschriebene sind militärische, sind Kommandos bei der Schiffahrt bezüglich Steuerung, Segelmanöver u. dgl. Aber solche Kommandos kennen wir im Ägyptischen nur wenige, kennen wir auch aus anderen alten Sprachen nur in beschränkter Weise, in der Regel durch einen günstigen Zufall. Ob es sich bei den im folgenden zusammengestellten militärischen Kommandos und denen bei der Schiffahrt in jedem Fall um richtige Kommandos, also um regelmäßig bei demselben Anlaß in der gleichen Wortwahl und Formulierung verwendete Befehle handelt oder um gelegentlich so, ein andermal etwas modifiziert erteilte Weisungen, das läßt sich nicht erkennen. Das Material ist zu dürftig.
Zur Verwendung von Anrufen usw.
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1. Militärische Kommandos In den Annalen Thutmosis des Dritten ist wenigstens an einer Stelle ein echter Befehl im Wortlaut erhalten: (nachdem das Lager bei Megiddo bezogen ist, da gab man dem gesamten Heer den Befehl:) Rüstet euch! bringt euere Waffen in Ordnung! (denn man wird vorrücken, um mit jenem Feind zu kämpfen usw.). Der begründende Satz, daß man (d. h. der König), angreifen wolle, wird ein Zusatz zu dem eigentlichen Befehl sein. Wie ein Befehl zum Angriff lautet, erfahren wir aus dem Prosabericht über die Hethiterschlacht Ramses des Zweiten: als Boten kommen, um das Heer eilends zu holen rufen sie ihm zu marschiert! vorwärts! Ähnlich befiehlt Kanchi beim Angriff auf die Stadt Memphis vorwärts! auf sie! und weiter stürzt die Mauern um! dringt in die Häuser ein! Aus der Inschrift desselben Pianchi, die ja in sehr lebendigem Ton gehalten ist, sind noch die Befehle an die Führer der gegen Ägypten entsendeten Armee zu nennen belagert! (die und die Stadt), erbeutet! (Leute und Vieh), laßt die Ackerer nicht aufs Feld hinaus, laßt die Pflüger nicht pflügen! Wie wortreich und im ganzen unsachlich auch die Kampfschilderungen im Gedicht von der Hethiterschlacht Ramses des Zweiten sind, die ermutigenden Zurufe an den Wagenlenker mach dich fest, mach dein Herz fest! und an die Soldaten macht euch fest, macht euer Herz fest! können echt sein und mögen auch sonst üblich gewesen sein. Auch die Geschichte von der Einnahme der Stadt Joppe wird in der Weisung seid ihr in die Stadt hineingekommen, so öffnet den Befehl im Wortlaut enthalten und ebenso wird die Meldung wir haben den Thuti gefangen, deren eigentlichen Wortlaut wiedergeben. Ein anderes Beispiel für eine militärische „Meldung" liegt vor in den Worten, mit denen „man kommt, um Seiner Majestät zu sagen": das Land ist gesund und ebenso die südliche und nördliche Truppe, im Sinne von „alles ruhig im Lande und in der Truppe". Dieselbe Stelle in den Annalen Thutmosis des Dritten hat uns auch den Ruf an die Wache vor dem Zelt des Königs bewahrt, die vom Wachhabenden ermahnt wird standhaften Herzens, standhaften Herzens, wachsamen Kopfes, wachsamen Kopfes! 2. Kommandos bei der Schiffahrt Unsere Hauptquelle sind die Beischriften zu Gräberbildern aus dem Alten Reich, die durch einige spätere ergänzt werden. Von den gewiß zahlreichen Kommandos, die für die Navigation im allgemeinen und im besonderen für die Handhabung der Ruder und des Steuers und für die Bedienung der Segel und der sonstigen Takelage vorhanden waren, kennen wir nur wenige, soweit wir die Beischriften zu den Schiffsbildern überhaupt ver7
Grapow, Anreden
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Anrufe, Ausrufe, Wünsche und Grüße
stehen, die sowohl im bloßen Wortsinn als auch in ihrer Bedeutung in der Fachsprache der Schiffer Schwierigkeiten bieten. Dieser Fachsprache gehören insbesondere die beiden Bezeichnungen für die Langseiten des Schiffes an, von denen die für „Steuerbord" dem Wortsinn nach der welcher in der Großen ist und die für „Backbord" das große Flachland besagen. Beide Bezeichnungen haben dann die Nebenbedeutung „Westen" und „Osten" erhalten, wie schon ganz ähnlich zu früher Zeit von den Wörtern für „rechts" und „links" Wörter des gleichen Stammes für „westlich; Westen" und „östlich; Osten" abgeleitet sind. Wie diese Benennungen, so setzen auch die beiden Bezeichnungen für die Langseiten des fahrenden Schiffes eine allgemeine Südorientierung voraus, da ja nur bei solcher die rechte Steuerbordseite westlich, die linke Backbordseite östlich weist, während bei jeder anderen Fahrtrichtung die Borde auch nach Süden oder Osten oder Norden weisen können. Ob das langgestreckte Oberägypten selbst als Schiff gedacht ist, dessen Spitze nach Süden gerichtet ist ? Jedenfalls wird in den bildlichen Ausdrücken für das Land als Staatsschiff das Bugtau mit Oberägypten, das Hecktau mit Unterägypten zusammengebracht. Das Staatsschiff fährt mit Südkurs. Für die beiden Hauptrichtungskommandos, das Schiff auf der Fahrt nach rechts oder links abzulenken, sind auch bei den Ägyptern „nach Steuerbord" und „nach Backbord" die allein üblichen schiffermäßigen Ausdrucksweisen; „nach Westen" oder „nach Osten" wäre wie bei uns unsachlich gewesen. Der im Neuen Reich bei der Überfahrt des Toten über den Nil so oft gebrauchte Ruf nach Westen ist kein Schiffskommando, sondern bringt nur zum Ausdruck, daß die Fahrt zur Totenstadt geht. Das Kommando „nach Backbord" wird immer mit einem Verbum gebraucht: zumeist wörtlich mache Backbord = halte nach Backbord. Das Kommando „nach Steuerbord" wird alt ebenso verwendet, wird aber später verkürzt zu bloßem „Steuerbord". Was wir über diese allgemeinen Bichtungskommandos hinaus an besonderen Kommandos kennen, bezieht sich, soweit verständlich, auf die Bedienung der Segel und die Handhabung der Ruder. Ein sicher deutbares Segelkommando besagt wachsam auf das Bugtau! Einen Befehl an die Ruderer enthält der Ruf bewegt die Ruder! Andere Weisungen wie lande am Goldhaus! oder rudere sehr! brauchen nicht eigentliche Kommandos zu sein.
Zur Verwendung von Anrufen usw.
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Zweites K a p i t e l
Versichernde Ausrufe und beschwörende Anrufe A. Versickernde Ausrufe:
Schwurformeln
Das Ägyptische besitzt zwei versichernde Ausrufe, um den Hörer oder Leser mit Nachdruck auf die Richtigkeit einer Behauptung hinzuweisen. Der ältere Ausdruck mit „leben" (so wahr) mir N. lebt hat zu einem noch im Koptischen gebräuchlichen Wort für „Eid" geführt (eigtl. „Leben"). Der jüngere, erst seit Anfang des Neuen Reiches bezeugte Ausdruck ist mit „dauern" gebildet (so wahr) N. dauert. Unsere herkömmliche Übersetzung trägt mit ihrem „so wahr" etwas in diese Wendungen hinein, das im Ägyptischen genau genommen nicht enthalten ist, das wohl durch den Ton zum Ausdruck kam. Beiden Ausdrücken ist gemeinsam, daß sie die Wahrheit der Aussage gleichsam vom Leben oder der Dauer einer Gottheit oder des Königs abhängig machen und daß sie in der Regel vor der eigentlichen Behauptung ausgesprochen werden. 1. Die ältere Formel mit „leben" Sie wird in zwei Hauptfassungen gebraucht, die sich darin unterscheiden, daß der Versichernde das einemal seine Behauptung an das Leben einer anderen Person knüpfb „(so wahr) mir N. lebt" (diese Fassung ist die häufige) und das anderemal an sein eigenes Leben „(so wahr) ich lebe". Diese seltene zweite Fassung ist schon im Alten Reich belegt. Denn wenn es in dem Erlaß des Königs Assa an seinen Vezier heißt (so wahr) König Assa lebt; sagst du irgendeinen Wunsch von dir zu meiner Majestät (dann werde ich ihn sofort erfüllen) so ist gemeint „so wahr ich lebe"; denn der König spricht hier ebenso von sich mit seinem Namen, wie er zu Eingang des Schreibens sagt „als du das Herz des Königs Assa erfreutest" für „als du mein Herz erfreutest". Sonst ist diese „ich"-Fassung noch belegt in der Formel (so wahr) ich lebe, ich den Re liebe als ungewöhnliche Fassung des üblichen Königsschwurs „(so wahr) mir lebt, mich liebt Gott N." einmal im frühen Neuen Reich und mehrmals in der späten Inschrift des Äthiopenkönigs Pianchi sowie in der Versicherung (so wahr) ich mir lebe, mit der Re bei seinem eigenen Leben erklärt, daß er der Menschsn überdrüssig sei und sie ausrotten wolle. In demselben Text versichert die Gottin Hathor dem Sonnengott: (so wahr) du mir lebst (ich habe mich der Menschen bemächtigt). Diese Fassung 7*
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Anrufe, Ausrufe, Wünsche und Größe
mit „ d u " ist ganz vereinzelt. Abgesehen, von den vorstehend besprochenen seltenen „ich"-Fassungen wird die Versicherung sonst immer an das Leben eines anderen in der dritten Person gebunden, wobei der Sprechende sich gern mit „mir" („für mich") einschaltet. (So wahr) mir der König lebt (ich rede wahrhaft), was im Munde des Königs so klingt (so wahr) mir mein Vater lebt, ich rede wahrhaft. Der Königsschwur des Neuen Reiches nimmt deutlich Bezug auf den göttlichen Vater. Er lautet (so wahr) mir lebt, mich liebt Re, mich lobt mein Vater Aman. Diese bis in die Spätzeit gültige Hauptfassung des Königsschwurs hat in Amarna eine sehr bezeichnende Abänderung erfahren. Als Amenophis der Vierte seinen Entschluß verkündet, die neugegründete Sonnenstadt nicht wieder verlassen zu wollen, bekräftigt er seinen Eid so: (so wahr) mein Vater Atön lebt, mein Herz sich freut an der Königsgemahlin und an ihren Kindern (usw.). Es ist bemerkenswert, wie hier das Familienglück des Königs in den Schwur hineingebracht ist und dafür in den Anfangsworten die Existenz des göttlichen Vaters ohne das „mir" ausgesprochen wird, durch das die Könige in dieser Formel sonst das Leben der Gottheit zu sich in Beziehung setzen. Allerdings findet sich die Fortlassung des „mir" im späteren Neuen Reich auch außerhalb von Amarna: ein vom König Belohnter versichert, daß er in seiner Biographie nicht gelogen habe (so wahr) Ptah, der Herr der Wahrheit, der Herr von Memphis lebt: ich habe dieses als Wahrheit gesagt. Isis erklärt, sie werde sich beim Sonnengott beklagen (so wahr) meine Mutter Neith, die Göttin, lebt (und) Ptah lebt. 2. Die jüngere Formel mit „dauern" Diese jüngere, neuägyptische Schwurformel unterscheidet sich von der mit „leben" gebildeten vor allem dadurch, daß sie niemals die Dauer der genannten Person mit dem Sprechenden durch ein „mir" in Verbindung bringt. Sie ist die Schwurformel des täglichen Lebens und die vor Gericht verwendete. Daher kommt sie auch nur vereinzelt als Königsschwur vor. Auf das „dauert" folgt stets ein nominaler Ausdruck; ein pronominales „ d u " dauerst, „er" dauert kann nur in der Form „(so wahr) deine Person dauert" ausgedrückt werden. Aber man sagt auch „(so wahr) die Person des Gottes N (des Königs NN) dauert" neben „(so wahr) Gott N (König NN) dauert." In der Regel beruft man sich auf die Dauer eines Gottes oder des Königs, in der Rechtssprache sogar auf beide. Aber man kann auch auf die Dauer der eigenen Person Bezug nehmen, wie König Merenptah ausruft (so wahr) meine Person dauert (ich bin Herrscher usw.) oder wie der Feigenbaum der Liebenden etwas versichert (so wahr) meine Person dauert, die Geliebte!
Zur Verwendung von Anrufen usw.
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Von den Berufungen auf die Dauer des Königs ist eine, die der Form (so imhr) der Herrscher dauert, der ewig lebt in die Rechtssprache übergegangen (siehe unten). Andere nennen aus bestimmtem Anlaß den lebenden König mit seinem Namen. So der Fürst von Joppe, der die Keule des Königs Thutmosis des Dritten gerne sehen möchte und deshalb den Offizier dringend bittet, sie ihm zu zeigen (so wahr) die Person des Königs Thutmosis des Dritten dauert (du hast die Waffe doch bei dir, also zeige sie mir) oder der Arbeiter, der bei seiner Beschäftigung ausruft (so wahr) König Hatschepsut dauert (ich arbeite so gern für meinen Herrn täglich). Dem König gegenüber kann man eine Behauptung dadurch bekräftigen, daß man anredend Bezug nimmt auf die Person des Herrschers. Die vor den König geführten Puntleute versichern ihm (so wahr) deine Person dauert (wir kannten Ägypten noch nicht) und ähnlich die Hofleute dein König Merenptah nach dem Siege (so wahr) deine Person dauert, (so wahr) dein Uräus dauert (wir haben dergleichen nie gesehen). Der besiegte Tefnacht fleht den' König Pianchi an, von seinem Zorn zu lassen (so wahr) deine Person dauert (der Schrecken vor dir ist in meinem Leibe). In dieser Weise, halb ausrufend, kann man sich auf die Dauer eines Gottes nicht beziehen. Seine Nennung erfolgt immer in der dritten Person. (So wahr) dauert der große Gott, der in dem Himmel ist (dies ist die richtige Sache, die ich gesucht und gefunden habe), stellt jemand fest. Die Prinzessin, die ihren Geliebten in Gefahr sieht, droht (so wahr) Re dauert (tötet man ihn, so sterbe ich noch diesen Abend). Der Königsschwur bei der Dauer eines Gottes ist selten. Im Ärger über das Verhalten der Truppen ruft Ramses der Zweite aus (so wahr) die Person meines Vaters Amon dauert (wäre ich doch in Ägypten geblieben!). Pianchi beruft sich auf den göttlichen Ursprung seiner Macht: „der Same eines Gottes ist in mir; (so wahr) seine Person dauert (er ist es, der mir zu handeln befiehlt). Die vor Gericht und sonst in der Sprache des Rechts übliche Schwurformel dieser Bildung nennt zugleich einen Gott, zumeist Amon, und den König. Sie lautet in ihrer häufigsten Fassung (so wahr) Amon dauert, (so wahr) der Herrscher dauert! und findet sich gelegentlich abgewandelt in (so wahr) Amon dauert, Amon dauert! und in (so wahr) der Herrscher dauert, der Herrscher dauert! In Amarna hat sie, wie selbstverständlich, die Fassung (so wahr) der At6n dauert, (so wahr) der Herrscher dauert! B. Beschwörende
Anrufe
Der beschwörende Anruf an jemanden, etwas zu tun, das im Interesse des Sprechenden liegt, wendet sich an die Eigenliebe des anderen, dessen
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Anrufe, Ausrufe, Wünsche und Grüße
Wünsche usw. hinsichtlich ihrer Erfüllung davon abhängig gemacht werden, daß er die fremden Forderungen berücksichtigt. Sofern diese nicht die Gestalt einfacher Bedingungen haben mit ausgesprochenem oder gedachtem „wenn . . . dann . . . " , so erfolgen sie bevorzugt mit „lieben" = „wollen" in zwei Hauptformen, einer schlichten ihr wollt (daß usw.) und einer emphatischen wollt ihr (daß usw.). Die erste Form mit „so wahr ihr wollt" zu übersetzen ist genau so berechtigt oder unberechtigt wie bei den unter A besprochenen Wendungen. Die zweite Form hat etwas dem „so wahr" Entsprechendes durch den Modus der Emphase und durch eine einleitende Partikel. Ein typisches Beispiel aus den sehr zahlreichen Anrufungen an die Grabbesucher: „o ihr auf Erden Lebenden, jeder Priester usw., die vorbeigehen werden an diesem Grabe, das ich gemacht habe" (so wahr) ihr wollt, daß euch eure heimischen Götter loben (so sprecht für mich das Totengebet). Und ein Beispiel außerhalb dieses gewöhnlichen Vorkommens: als der Obergutsverwalter dem König meldet, daß ein Bauer zu ihm gekommen sei, der bei seiner Klage wegen einer Beraubung eine ungewöhnliche Bedegewandtheit zeige, sagt der Herrscher zu ihm (so wahr) du mich weiter bei guter Gesundheit sehen willst, halte ihn hin (damit er noch andere Proben seiner Bedekunst gebe). Eine Sonderform solcher beschwörenden Anrufe gleicht äußerlich der Schwurformel „so wahr mir N. lebt", ohne inhaltlich etwas mit ihr gemein zu haben. An Stelle des üblichen „so wahr ihr wollt, daß . . . , so tut mir das und das" heißt es ein paarmal wie folgt: „o ihr Lebenden usw." (so wahr) euch der König lebt, ihr sollt usw.; „o die Lebenden, die in dieses Grab eintreten werden" (so wahr) euch der Wolfsgott, der Herr von Siut, lebt (ihr sollt für mich beten); „o ihr Lebenden, die diese Kapelle sehen" (so wahr) euch euer heimischer Gott lebt (ihr möget mir tun usw.). Sogar mit der Einleitung „so wahr ihr wollt" findet sich diese Sonderform: „o ihr Lebenden" (so wahr) ihr wollt, daß euch der König lebe usw. Drittes Kapitel
Äußerungen des Beifalls, des Ärgers, der Klage Bei diesen Äußerungen handelt es sich um solche, die in der Form kurzer Ausrufe wie „gut", „wahr", „falsch" usw. getan werden. Ihrer gibt es in den uns vorliegenden Texten weniger als man erwarten sollte, und hat es im Ägyptischen vielleicht überhaupt nicht viele gegeben. Der Ägypter sprach anscheinend derartige Urteile ebenso gern in vollen Sätzen aus wie in verkürzten, wie es Ausrufe ja im Grunde sind. Daher die zahlreichen
Zur Verwendung von Anrufen usw.
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Äußerungen mit der Admirativpartikel, „wie", die offenbar sehr beliebt waren, so beliebt und gebräuchlich, daß sogar der zornige König in der Schlacht seine feigen Truppen nicht anders anfahren kann als mit wie jämmerlich ist es, euer Herz, die meinigen Wagenkämpfer! Bezeichnend für die Sprechweise in Sätzen statt in Ausrufen sind die Unterhaltungen der einfachen Leute auf den Gräberbildern des Alten Reiches, in denen fast immer in korrekten Sätzen gesprochen wird, auch bei Gelegenheiten, bei denen man sonst in vulgärer Bedeweise kürzere Ausdrücke zu wählen pflegt. Der Mann, der sich eine Gans rupft und feststellt, daß sie fett ist, könnte sich auch kürzer äußern als mit dem wohlgebauten Satz ist sehr fett diese Gans, oder der Arbeiter, der ein Steingefaß ausbohrt, könnte seine Freude über das Gelingen auch knapper zum Ausdruck bringen als mit den Worten dieser Topf wird sehr schön. Man sagt nicht einfach „rein" oder „schlecht", sondern ist rein oder ist schlecht, mit demselben unpersönlichen „ist" wie etwa in einem berlinischen „is jut". Bis zu einem bloßen „jut" oder „scheen' wird im Ägyptischen selten verkürzt. A. Beifall und Ablehnung Hierher gehören eigentlich auch die Wortantworten „ja" und „nein", die aber passender im Dritten Abschnitt (Seite 141) im Anschluß an die Besprechung der Fragen und Antworten erwähnt werden sollen. Für den beifalligen Ausruf „gut" haben wir einen hübschen Beleg in einer späten Biographie, deren Erzähler die Leser bittet sagt „gut" zu meinen Worten, sagt nicht „schlecht" zu meinen Reden. Das eigentliche Gegenteil zu „gut" ist „böse", das einmal sicher als Ausspruch bezeugt ist: den Holzarbeiter, der nicht rechtzeitig geliefert hat, tritt der Vorarbeiter an den Hintern und sagt zu ihm: Böses!, oder „böse", jedenfalls ebenso in gedachtem Gegensatz zu „gut" wie in dieser Mitteilung in einem Brief: (die Speicherverwalter haben mit mir gezankt über die Gerste, die du geliefert hast) und sagten: sie ist schlecht (und taugt nicht als Abgabe); ich untersuchte sie und fand, daß sie tatsächlich nicht gut war. Dieses „sie ist schlecht" ist schon kein Ausruf mehr, sondern ein Satzurteil wie es die oben erwähnten Äußerungen „ist rein", „ist schlecht" sind und wie es der nominal gebrauchte Ausdruck für „Richtigkeit" ursprünglich gewiß gewesen ist, ist richtig, der allerdings als selbständiger Ausspruch nicht mehr vorkommt. Auch sonst ist ein urteilendes „wahr", „wirklich" kaum belegt. Zwar heißt es oft „das was man sagt ist wahr" oder „ja, es ist wahr, was der Schreiber sagt", aber nur selten findet sich ein alleinstehendes „es ist wahr" : bei einem Verhör von Leuten sagten sie zu uns als Aussage „es ist wahr". Aber auch hier und ähnlich sonst hat die
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Anrufe, Ausrufe, Wünsche und Grüße
Feststellung die Form eines Satzes, nicht die einer Verkürzung zu einem einzigen Wort, wie es bei der Behauptung des Gegenteils von „wahr" an Stelle eines negierten Satzes es ist nicht wahr (als Aussage in der Sprache des Bechts) der Fall ist in der Geschichte des Unamun: als der Fürst des Libanon dem armen Beisenden vorhält, daß seine Beise doch zwecklos sei, antwortet dieser: Unrecht! (mein Beisen ist gar nicht zwecklos) und in Aussagen vor Gericht: der Verhörende hält dem Angeklagten vor „du warst mit dem und dem da und da", worauf der Beschuldigte sagt Unrecht! ich habe ihn nicht gesehen. Dieses „Unrecht" ist eine echte Verkürzung aus einem „Unrecht, was du da behauptest" wie es in der Geschichte von Horns und Seth tatsächlich lautet: Unrecht ist alles was Seth sagt. B. Ärger Es ist zur Genüge von Zanken und Schelten und Zornausbrüchen mit Toben und gegenseitigem Anschreien in den Texten die Bede. Und wer „wütend" geworden ist wie ein Leopard, hat gewiß nicht immer seine Worte genau abgewogen und wird manchmal zu derbsten Ausdrücken gegriffen haben, etwa wie der fälschlich von seiner Schwägerin verklagte Bata im Brüdermärchen, der zuerst von ihr „wie von seiner Mutter" spricht und sie später in seiner Auseinandersetzung mit ihrem Mann, seinem älteren Bruder, als dreckige Fotze bezeichnet (sie hatte ihn des Ehebruchs bezichtigt). Aber eigentlich scheltende Ausrufe sind nicht belegt außer Schimpfworten, die man voneinander gebraucht und sich gegenseitig gesagt hat. Einige sind schon oben Seite 34 bei den Anreden erwähnt worden. Andere finden sich in Aufzählungen beschimpfender Namen für den bösen Gott Seth, unter denen auch solche sein werden, die man ebenso im täglichen Leben gebraucht haben mag wie Räuber!; Verlogener!; unmännlicher Feigling! und derlei mehr. — Mit Tiernamen haben die Ägypter niemals geschimpft. C. Klage Wir kennen mehrere Wörter für „Klagen" und für „Wehgeschrei", die aber als wirkliche Ausrufe nicht häufig belegt sind und die wir nur andeutend übersetzen können und von denen wir nicht wissen, wie sie geklungen haben. Allerdings bei einem Verbum für „klagen", „jammern" legt eine nicht unwahrscheinliche etymologische Verbindung mit einem Wort für „Hund", das denselben Konsonantenbestand hat, es nahe, in ihm einen Heullaut zu vermuten. Aber gerade von diesem Verbum ist ein echter Ausruf nicht bezeugt.
Zur Verwendung von Anrufen usw.
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Die Ausrufe bei der Totenklage an der Mumie, soweit sie Äußerungen des Schmerzes um den Verstorbenen sind und nicht Rufe wie „zum Westen!" und andere, haben wohl „ach!" „ooh!" oder ähnlich geklungen und sind ganz so geschrieben, wie Aufschreie der Freude. Es sind Ausrufe, die sowohl Lust wie Schmerz ausdrücken können. In der Totenklage klingt auch ein Ruf auf, den wir etwa mit Wehe! wiedergeben können, ohne seinen Klang zu ahnen, der auch als Wehe! Wehe! von den Klageweibern ausgestoßen wird. Und diesen Ausruf treffen wir auch sonst an in einem ich beweine, dich mit „Wehe!" oder in der Beschreibung, wie Isis um ihren vom Skorpion getöteten Sohn klagt: sie durchzog ihr Dorf mit „Wehe"!, aber es gab niemand, der auf ihre Stimme hin kam. Dieser Ausruf liegt auch vor in dem Ausdruck „Wehe dem" (der dies oder das Böse tat): Jemand betet zum vergötterten König Amenophis „Wer betrübten Herzens zu dir kommt, geht jubelnd wieder fort" es freut sich der, welcher sein Herz mit dir erfüllt; Wehe dem, der dich angreift; und so heißt es auch in einem Lied auf Amon, der über den falschen Gott von Amarna gesiegt hat Wehe dem der dich angreift! Dieser Ausruf „Wehe!" muß sehr gebräuchlich gewesen sein, da er sich auch in der dritten Person findet: „Wenn der Tag kommt, an dem der und der zur Rechenschaft gezogen wird, dann Wehe seinen Kindern!" Viertes Kapitel
Äußerungen der Freude A. Ausrufe der Freude Eigentliche freudige Ausrufe scheinen bis auf den unten besprochenen „schönerTag!" zu fehlen. Auch mit der Admirativpartikel „wie!" gebildet gibt es nur ausrufähnliche Wendungen, die sehr bedingt hierher gehören wie diese aus der Geschichte vom Schiffbrüchigen wie freut sich der, welcher erzählt, was er ausgestanden hat. Ebenso steht es mit einer Art Lied(anfang), welches Gabenbringende dem Toten und seiner Frau zurufen Lobpreis im Himmel! Jubel durch die beiden Länder hin! (Amon gebe euch usw.), mit dem singende Männer den aus dem Tempel Kommenden begrüßen Lobpreis im Himmel! Jauchzen in der Sonnenbarke! Jubel durch die beiden Länder hin! oder das Frauen vor dem Verstorbenen singen Lobpreis im Himmel! Jauchzen in der großen Halle! Diese Kurzsätze klingen wie Ausrufe. Ein echter Ausruf der Freude liegt wohl vor in dem Ausdruck „schöner Tag", der als Liedanfang beliebt ist und zwar in Liedern aller Art. Die Erntearbeiter singen Ein schöner Tag! man hat es kühl (die Rinder ziehen
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Anrufe, Ausrufe, Wfinsche und Grüße
usw.) und die Sängerinnen beginnen so ihr Lied an den Grabesherrn Ein schöner Tag! Man gedenkt der Schönheit des Aman (und preist sie bis zur Höhe des Himmels usw.) und der Lautenspieler fangt einen kurzen Gesang an mit Ein schöner Tag! Ein solcher Tag ist auch der, an welchem der neue König den Thron besteigt, und so beginnt das Lied auf ihn Ein schöner Tag! Himmel (und) Erde sind in Freude (weil du der Herr Ägyptens geworden bist). Dieser Liedanfang ist in einem späten Text vom „Obsiegen lassen den Horus über seine Feinde" in besonderer Weise kunstmäßig verwendet worden. Der lange erzählende Text wird eingeleitet mit einem Preis des Horus, den Thoth spricht: Ein schöner Tag! Horas, der Herr dieses Landes, Sohn der Isis an jedem seinem Platz (d. h. wo immer er ist) Ein schöner Tag! an diesem Tage, der eingeteilt ist durch seine (Tages)stunden Ein schöner Tag! in dieser Nacht, die eingeteilt ist durch ihre (Nacht)stunden Ein schöner Tag! in diesem Monat, der eingeteilt ist durch sein Halbmonatsfest (Es folgen noch das Jahr, eingeteilt durch seine Monate, und die Ewigkeit, geteilt in ihre Jahre). B. Anrufe der Freude Solche anredenden Äußerungen haben als erfreuliche Mitteilungen, die man einer anderen Person macht, nicht selten den Beiklang von Grüßen. Als der neuemannte Vizekönig von Nubien, der „Königssohn von Kusch" (das war sein Titel) Hui von der Audienz zurückkehrt, begrüßen ihn seine Leute mit den Worten freue dich! du wirst das deinige Alter als ein schönes verbringen (d. h. wohl: wirst dein Amt lange behalten). Ein Imperativ liegt vielleicht auch in diesem Zuruf froh sei euer Herz! die Angehörigen meines Haushalts; freuet euch! alle meine Verwandten und in dem Ruf Ramses des Dritten an die Vornehmen, denen er von seinen siegreichen Kämpfen gegen die Libyer berichtet freuet euch bis zur Höhe des Himmels! Beliebt sind solche Zurufe, die mit „dein Herz", „euer Herz" gebildet sind. Als der Schiffbrüchige glücklich wieder nach Ägypten gelangt ist, ruft sein Gefolgsmann ihm zu froh sei dein Herz, Fürst (wir haben die Heimat erreicht). Die Frauen, die seine Frau von Drillingen entbunden haben, teilen dem Vater mit froh sei dein Herz, Rawoser (dir sind drei Söhne geboren). Ebenso wird dem Totengott Osiris gemeldet, daß sein Sohn Horus gerecht befunden ist und ihm die Nachfolge auf Erden zugesprochen wurde froh sei dein Herz, Osiris (der Sohn der Isis hat die Krone erlangt). Auch im
Zur Verwendung von Anrufen usw.
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Neuägyptischen ist dieser Anruf noch lebendig: froh sei euer Herz, das ganze Land (es kommt eine gute Zeit). Vor diesen Ausdruck kann auch eine imperativische Verstärkung treten: laßt euer Herz froh werden, und laß dein Herz froh werden, sehr, sehr. Fünftes Kapitel
Lobpreisungen Auch bei den Äußerungen des Preises, der Bewunderung kommen absolute Ausrufe vor und auf bestimmte Personen bezügliche Anrufe. Und auch hier klingt gelegentlich ein Gruß im anredenden Lobpreis mit. A. Preisende
Ausrufe
1. „Preis" selbständig gebraucht Neben dem gewöhnlichen Gebrauch des Wortes i\w „Lobpreis", „Preis" in der unter B besprochenen Verbindung „Preis dir" gibt es auch eine seltene Verwendung als Ausruf. Da er nicht beziehungslos ist, sondern sich unausgesprochen an eine bestimmte Gottheit richtet, könnte, was aber nicht wahrscheinlich ist, eine Verkürzung aus „Preis dir" vorliegen. In einem langen Hymnus auf und an Ptah, in dem die Verbindung „Preis geben" besonders häufig vorkommt, heißt es an einer Stelle, daß die göttlichen Mitarbeiter am Schöpfungswerk des Ptah dir Preis geben und hei! machen bei deinem Aufgehen und Jauchzen bei deinem Untergehen; darauf folgt sie sagen zu dir; Preis! Preis (geöffnet sind dir die Wege von Himmel und Erde usw.). In diesem Preis! Preis! ist gleichsam ausrufend alles zusammengefaßt, was der Hymnus an Jubeln, Heirufen usw. enthält. In demselben Lied wird dieser Ausruf nochmals gebraucht in der Form (sie sagen) Preis! in Frieden! und so auch am Schluß einer Litanei der Ortsgottheiten Ägyptens auf Amon, zu dem sie abschließend sagen: Preis! in Frieden! Amon-Re, Herrscher der Götterschaft! 2. Ausdrücke mit der Admirativpartikel „wie" Von den Ausdrücken mit dem beliebten Anfang preisender Beden „wie . . . " wird hier nur eine Auswahl solcher mitgeteilt, die in der dritten Person von jemand oder etwas sprechen. Die analogen Ausdrücke mit „du" oder „dein" siehe unter B.
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Anrufe, Ausrufe, Wünsche und Grüße
Den Unterschied zwischen einer einfachen Aussage und einer bewundernden zeigt gut eine Stelle aus einem sehr alten Spruch es ist schön, was das Jahr bringt; wie schön ist, was das Jahr bringt! Andere alte Beispiele sind wie schön ist, was Horns getan hat! und wie groß ist, was dein Vater getan hat! Aus jüngerer Sprache stammen die folgenden Ausrufe: wie schön ist der Tag! Von Horas als Regenten sagen die Menschen wie süß ist seine Beliebtheit bei uns!; die Soldaten jubeln über den König bei einem Tempelfest wie wohl ergeht es dem guten Herrscher, nachdem er den Arnon gerudert hat!; die Leute bei der Erntearbeit rufen über ihren Herrn wie freundlich ist er, der Fürst!; der starke Lastträger bewundert sich selbst und seine Kraft wie fest ist es, mein Herz. Andere bewundernde Ausrufe sind wie ähnlich ist es ihm! (nämlich so untadeligen Rufes zu sein) und wie erfreulich ist, was ihm geschieht (nämlich vom König, der den „ihn" für seine Leistungen belohnt). Den Gegensatz spricht ein Gesang des Harfenspielers aus: wie vergänglich sind sie, die Jahre, die der Gott dir zuweist; mögest du sie verbringen, indem du in Gunst bist, gesund bist usw. Die vorstehend besprochene Admirativpartikel schließt sich enklitisch an das Wort an, das durch „wie" gekennzeichnet werden soll. Ein nur neuägyptisch nachweisbarer analoger Ausdruck, der immer am Satzanfang vor einem mit bestimmten Artikel „der" versehenen Substantiv steht, bedeutet auch ein bewunderndes „wie", enthält aber darüber hinaus noch eine Andeutung des Grades oder der Art der Bewunderung, ein „wie herrlich" (oder „schön" oder „erfreulich" und ähnlich). Mit bloßem „wie" kommt man bei diesem Wort hj nicht aus, dessen eigentlicher Bedeutungsgehalt uns nicht erkennbar ist und das daher nicht einheitlich übersetzt werden kann. Der Gebrauch ist beschränkter als der zu allen Zeiten häufige der enklitischen Partikel. Außer dem gelegentlichen Ruf der Soldaten nach einem Siege des Königs Wie herrlich (o. ä.) ist der gute Kämpfer, der das Herz fest macht! und dem ein paarmal belegten Ausruf wie angenehm (o. ä.) wohnt es sich doch (in der und der Stadt) sind es zwei formelhafte Wendungen, in denen das Wort gern gebraucht wird. Die eine besagt etwa „wie gut geht es (dem und dem)" mit folgendem Substantiv: So spricht der König in seiner Bedrängnis in der Schlacht zu Amon Wie gut geht es dem, der Denkmäler nach Theben bringen läßt (d. h. wohl, daß der Gott ihm helfen möge, damit er das ausführen kann oder daß es dem König in Theben bei friedlicher Arbeit für den Gott wohler wäre, als auf dem Schlachtfeld) und der Sohn, der seinen Eltern Opfergaben darbringt Wie wohl geht es dem, der euch opfert. Ebenso heißt es im Hymnus auf Amon wie gut geht es dem, der sich an dich hält (sich auf deine Macht
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verläßt) und so sollen auch die Leute vom König rühmen wie gut geht es dem, der das Herz mit uns füllt (d. h. der sorgend an uns denkt). Die andere Wendung hat etwa den Sinn von „wie wohl gedeiht". Der Verstorbene sagt zur personifizierten Totenstadt wie wohl gedeiht der, welcher in dich eintritt, der, welcher in dir ruht. Ein Mann betet zum vergöttlichten König Amosis wie wohl gedeiht der, welcher dich in sein Herz gegeben hat (du bist nützlicher als tausend Helfer). Atum sagt bei der Beratung über die Titulatur des Königs zu den anderen Göttern wie wohl gedeihen unsere Söhne [d. h. die Könige Ägyptens], wenn sie die Gottheiten von Theben, Heliopolis und Memphis schützen; faßt man das Verbum als „schützen", dann sind „die Gottheiten" das Subjekt, faßt man es als „verehren", „heilighalten", dann sind sie das Objekt! B. Preisende
Anrufe
1. Aurufe der Bildungsweise „Preis dir" Die Bildungsweise ist nahezu einheitlich, insofern auf das nominale „Preis", „Jubel", „Jauchzen" in der Regel ein sogenannter Dativ mit der Präposition n folgt, dem sich zumeist ein Suffix, ein „dir", anschließt, für das aber auch ein Ersatz wie „deiner Person" oder „deinem Namen" für „dir" eintreten kann. Dem „dir" folgt im allgemeinen noch eine das „du" in dem „dir" wieder aufnehmende nominale Anrede. Aber es gibt auch ifälle, in denen solche zweite eigentliche Anrede fehlt: in einem Hymnus auf Amon wird dem Gott gedankt für alles, was er geschaffen hat, so daß ein Preis dir! in aller Munde sei und ebenso ein Jauchzen dir!, weil er sich für seine Geschöpfe abgemüht habe. Und auch das kommt vor, daß ein solcher Zuruf, statt sich an einen „du" oder an mehrere „ihr" zu wenden, unpersönlich gebraucht wird wie in einem Lied an die Abendsonne, in welchem die Geister des Westens den Sonnengott „bei seinem Nahen preisen und rufen" Preis! Preis! du langst an in Frieden; Jauchzen, Jauchzen dem Herrn des Himmels, dem Herrscher des Westlandes; also nicht „Jauchzen dir, dem Herrn des Himmels". Neben dem Wort für „Preis" (vgl. oben Seite 97) als dem häufigsten in diesem Gebrauch „Preis dir" gibt es noch mehrere Wörter für „Jubel", „Jauchzen" in derselben Verwendung, die in Götterhymnen auch wohl zugleich vorkommen. So, als Zurufe an einen Gott, folgen sich in einem Liede in drei kurzen Sätzen Preis dir! . .. Jauchzen dir! .. .die Erde küssen dir! In einem anderen Hymnus auf Amon-Re wird dem Gott in einer Folge von kurzen Strophen zugerufen: Jubel dir (der Herrscher usw.), Jauchzen deiner Person (der Tätige usw.), Preis dir (der Herrscher usw.), die Erde
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Anrufe, Ausrufe, Wünsche und Grüße
küssen dir (der Eine, der usw.). Wie hier, so wendet sich ein solcher Preisruf auch sonst zumeist an eine Gottheit, gleichviel welches Wort dabei verwendet wird, wobei es, wie gesagt, nichts ausmacht, ob auf das preisende Wort ein „dir" folgt oder ein „deinem Leibe", „deiner Person" als vollerer Ausdruck für das bloße „dir". Der Zuruf kann auch an eine Göttin oder an mehrere Götter gerichtet sein Preis euch Herren der Ewigkeit und geht in einem späten Text sogar an die Waffe, mit der Horus das feindliche Tier erlegt hat Jubel deiner Harpune! In kunstmäßiger Verwendung findet sich „Jubel dir" in einer Litanei mit Anrufungen des Sonnengottes in seinen vierundsiebenzig Namen, deren jede (in senkrechten Zeilen nebeneinander geschrieben) so beginnt Jubel dir, Re, erhaben an Macht! Die Verehrung des lebenden Königs durch „Preis dir" ist beschränkt auf den oben Seite 51 schon besprochenen Fall aus dem Alten Reich Preis dir Sahure, auf einen aus dem späteren Neuen Reich Preis deiner Person, der gute Herrscher und auf ziemlich häufiges Vorkommen in Amarna, wo auch die Gemahlin Amenophis' des Vierten so angerufen wird Preis deiner Person, Große KönigsgemaMin des Waenre (vgl. dazu das oben Seite 47 Bemerkte). Tatsächlich hat der Preis des Königs durch diesen Anruf aber gewiß öfters stattgefunden und Beischrifben zu Szenen der Huldigung das Preisgeben dem Herrn der beiden Länder und ähnliche setzen ein gerufenes „Preis dir" eigentlich voraus oder deuten es doch an. 2. Verschiedenes Zu demselben Wortstamm des häufigen „Preis (dir)" gehört auch ein nur im Neuägyptischen gebräuchliches verbales du seiest gepriesen, ein Lobpreis mit dem Nebensinn eines Grußes, der sowohl an eine Gottheit gerichtet wird wie bevorzugt an den König. Die Verwendung an den König etwa als du seiest gepriesen König Ramses oder an eine Gottheit wie du seiest gepriesen in Frieden, Herrin des Westens unterscheidet sich im Inhaltlichen nicht von den Anrufen mit „Preis dir". Daneben kommt der Ausdruck auch selbständig vor, mehr allgemein: in einem Lobgesang an einen Ramses heißt es du seiest gepriesen! sagen alle Götter. Dieser Gebrauch hat zu einem höflichen Gruß „du seiest gepriesen" geführt, den man sich im täglichen Leben entbietet (siehe dazu Seite 114). Dem unpersönlich als Ausruf gebrauchten „wie schön (u. ä.) i s t . . . " (vgl. oben unter A 2) entspricht als Anruf ein wie schön bist du! als preisender Anruf der Mutter an den Erstgeborenen. Als Amon zur Königin eintritt, um mit ihr den künftigen König zu zeugen, begrüßt sie ihn Herr! wie groß ist doch deine Gewaltigkeit! Ähnlich klingt auch die Formel der Machtanerkennung des Königs seitens der unterworfenen Fremden, deren
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Vertreter dem Sieger zurufen (müssen) wie groß ist deine Gewalt! und wie groß ist deine Kraft! Im Gebet wird Chons angefleht: „sei mir gnädig, auf daß ich sagen kann" wie süß ist deine Gnade für die Bürgerin deiner Stadt! Zwei Zurufe an den Atön aus dem großen Amarnahymnus lauten wie zahlreich ist es was du gemacht hast! und toie wohltuend sind sie deine Vorhaben! Auch der jüngere Admirativausdruck „wie wohl gedeiht d e r . . . " ist gelegentlich als Zuruf der Bewunderung so gewendet wie wohl gedeihst du! Sechstes K a p i t e l
Wunsch, Bitte und Dank Wünsche und Bitten stehen einander inhaltlich sehr nahe. So gut sich da« durchführen läßt, werden im folgenden unterschieden „Wünsche", die man zum .besten oder im Interesse Jemandes äußert, von „Bitten", die man an Jemandem richtet, um etwas für sich selbst zu erlangen oder um etwas im eigenen Interesse durchführen zu lassen. Bei den „Wünschen" sind weiter unterschieden Wünsche zum besten einer anderen Person, und Wünsche, die für das eigene Beste ausgesprochen oder gehegt werden. Diese letztgenannten Wünsche sind immer „Ausrufe", insofern sie, mögen sie nun wirklich ausgesprochen oder nur gedacht sein (was für den Ägypter dasselbe ist, da er auch beim Denken „spricht"), sich nicht ausdrücklich an eine bestimmte Person wenden, sondern gleichsam an „Ungenannt": Ach wäre mir Thoth hinter mir am Morgen! ist ein solcher Wunsch im Unterschied zu der Bitte komm zu mir, Thoth! Wünsche und Bitten stehen sich auch sprachlich nahe und werden im Ägyptischen mehrfach in denselben sprachlichen Formen geäußert: mit Partikeln für „ach" eingeleitet oder als bloße Optative oder sogar als Imperative ausgesprochen gibt es sowohl Wünsche als auch Bitten. Und ähnlich wie ein Optativ einen Imperativ oder ein Imperativ einen Optativ verstärken kann, so kann auch ein Imperativ neben einem Optativ stehen, als dringliche Bitte neben einem einfachen Wunsch: In dem Kriegsrat, den Thutmosis der Dritte auf seinem ersten Feldzug vor dem Überschreiten des Gebirges abhält, sagen die Soldaten aus Furcht vor den Gefahren des ihnen vorgeschlagenen Engpasses Ach möge unser starker Herr gehen (wo er wolle), laß uns nicht jenen gefährlichen Weg ziehen! Man beachte, daß Soldaten zum König sprechen und doch ihre Bitte nicht in bescheidene Form kleiden, nicht sagen „er möge uns nicht ziehen lassen" sondern den negierten Imperativ „laß nicht" gebrauchen, also die Form, die bei Verboten üblich ist. In seiner Antwort entscheidet sich der König persönlich für den gefährlichen Engpaß und fährt dann fort Möge wer will von euch auf den
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Anrufe, Ausrufe, Wünsche und Grüße
Wegen ziehen, von denen ihr sprecht (d. h. auf den ungefährdeten Übergängen) möge wer will von euch mitkommen im Gefolge meiner Majestät (d. h. sich mir auf dem gefährlichen Wege anschließen). Nachdem das ganze Heer mit dem König den Engpaß gewählt hat, ergibt sich an dessen Ausgang eine neue ernste Schwierigkeit, welche die Soldaten veranlaßt, den König zu bitten möge unser Herr auf uns hören... möge unser Herr die Nachhut seines Heeres schützen! *E» ist dieselbe grammatische Form des Paradigmas „gib daß er hört", in der das einemal der König auffordernd spricht „möge wer will" . . . , in der andererseits die Soldaten bittend sprechen, „möge unser H e r r . . . " . Solcher Aufforderungen bzw. Bitten in der Form „gib daß er hört" als jüngere Umschreibung des einfachen „er möge hören" gibt es noch einige sonst, in denen der in dem „gib" (oder „gebet") eigentlich enthaltene, an eine bestimmte andere Person gerichtete imperativische Befehl ebenso richtungslos und fast bedeutungslos ist wie in den häufigen Verwendungen der Verbindung „gib daß er hört" als Optativ „er möge hören". Im folgenden ist diese Verbindung wörtlich übersetzt. Die Mahnung des Sinuhe an den Beduinenschech, dem König von Ägypten zu schreiben gib daß er deinen Namen kennenlernt enthält noch eine echte Aufforderung an den Schech; die Worte des Königs in demselben Text an einen seiner Hofherren hebe ihn [den in Proskynese daliegenden Sinuhe] auf, gib, daß er zu mir redet kann man sich noch als Aufforderung an den Hofherrn denken, dem Sinuhe beim Emporhelfen „zuzuflüstern so rede doch zum König, er erlaubt es"; aber die geringschätzige Bemerkung desselben Sinuhe über die Kampflust des ihn bedrohenden Raufbolds „wenn es der Fall ist, daß er zu kämpfen wünscht" gib, daß er sein Herzensanliegen sagt, ist nicht eine Aufforderung an den Schech, mit dem er spricht, zu dem Kerl zu gehen und ihn zu einer Äußerung zu veranlassen, sondern ist nichts anderes, als ein deutsches „bitte schön, so möge er reden". Ebenso richtungslos ist der Ausruf der Stadtbewohner in einer Revolutionszeit, als „die Vornehmen in Trauer sind und die Geringen in Freude" gib, daß wir die Mächtigen unter uns vertreiben im Sinne eines allgemein auffordernden „laßt uns vertreiben!" Ganz ähnlich klingt die Aufforderung im Kriegsrat des Pianchi: die Soldaten sagen gib, daß wir belagern für „laßt uns belagern!" A. Ausrufwünsche
zum eigenen Besten
Es gibt auch Ausrufwünsche allgemeinen Inhalts wie diesen Ach daß es doch ein Aufhören mit den Menschen gäbe (so daß aller Unfriede ein Ende nähme) oder diesen Ach daß doch nicht die Soldaten ihr Herz daran gesetzt hätten, Beute zu machen (statt den Feind zu verfolgen). Aber solche richtungs-
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losen Wünsche sind selten. In der Regel wendet sich ein Wunsch irgendwie an oder für einen Jemand, der auch der Wünschende selbst sein kann. Wünsche dieses Inhalts sind nicht an eine bestimmte Form gebunden, wenn auch die mit „ach daß" eingeleiteten eine besonders zahlreiche Gruppe bilden. In dem Selbstgespräch, in dem der alt gewordene Sinuhe seiner Sehnsucht nach der Heimat Ausdruck gibt, heißt es neben ach möchte mein Körper jung werden! und neben ach möchte sie [die Königin, um derentwegen er geflohen war] zu mir reden, auch schlichter, ohne einleitendes „ach", möge mir der König von Ägypten gnädig werden! So werden auch die Hoffnungen auf ein seliges Leben im Jenseits ausgesprochen in Wünschen wie möchte meine Seele leben! oder möchte ich am Tage aus deY Unterwelt herausgehen (können)! Hierher gehört auch die begehrliche Äußerung der Teilnehmer an einem prunkvollen Begräbnis, von denen jeder sagt möchte mir ebenso geschehen! Stärker wird ein solcher Wunsch betont durch eine einleitende Interjektion, die wir passend mit „Ach daß" wiedergeben. Wenn der von allen geliebte König sich öffentlich zeigen will, dann hegen die Ägypter den Wunsch Ach daß wir ihn sähen! Chacheperreseneb möchte seine Klagen gern in neuer Weise aussprechen und ruft aus Ach daß ich doch wüßte, was die anderen nicht wüßten und die Soldaten, die bei der Königswahl ihren künftigen Herrscher schon, noch unerkannt, unter sich vermuten, klagen Wir kennen ihn nicht; Ach daß wir ihn kennten! Der Liebende wünscht um jeden Preis die Stimme der „Schwester" zu hören und sagt Ach daß ich zum Türhüter eingesetzt würde (des Hauses der „Schwester", so daß sie wenigstens Anlaß bekäme, mit ihm zu zanken). Wird nicht ausgesprochen, was man zu tun wünscht, sondern wird der Gegenstand u. ä. des Wunsches als solcher genannt, so verwendet man die Formel Ach daß mir . . . wäre mit folgendem Substantiv. Ach daß mir unbekannte Reden wären! wünscht sich Chacheperreseneb, dessen Wunsch nach neuem Wissen oben angeführt ist. Der Beamte, der den Bauern seiner Habe berauben möchte, wünscht sich eine uns nicht ganz verständliche Möglichkeit dazu, wenn er sich sagt Ach daß mir irgendein wirksames Götterbild wäre! (auf daß ich die Sachen des Bauern damit raube). Die bettelnden Hungrigen sagen Ach daß uns wäre was wir essen können! Diese in ein paar bezeichnenden Beispielen vorgeführte häufige Wunschformel wird in den neuägyptischen Liebesliedern auch verwendet, indem ein Verbalsatz folgt: Die „Schwester" sehnt den Geliebten herbei Ach daß mir wäre, daß du zur Schwester eilst! Und sie wird auch ohne Angabe des Gewünschten gebraucht. Wen die Königin reich gemacht hat, der hat nicht mehr nötig zu sagen „Ach daß mir wäre! gegenüber irgendeiner Sache! und ebenso braucht der, welcher den König von Amarna und dessen Gott „in 8
Grapow, Anreden
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Anrufe, Ausrufe, Wünsche und Grüße
sein Herz gegeben hat" nicht mehr zu „sagen" Ach daß mir wäre! Er ist wunschlos glücklich. Der fast verzweifelt klingende Ausruf Ramses' des Zweiten, den seine Truppen in der Schlacht im Stich gelassen haben: Ach daß ich in Ägypten wäre wie meine Väter, welche die Syrer nie zu Gesicht bekommen haben ist in einer verderbten Niederschrift desselben Textes als irrealer Bedingungssatz wiedergegeben Wenn ich in Ägyptern wäre!
B. Wünsche zum Besten einer anderen Person Die im folgenden mitgeteilten Wünsche sind durchweg solche, in denen die Person, zu deren besten sie geäußert werden, angeredet ist oder sonst irgendwie ausdrücklich bezeichnet wird. Was hier „Wunsch" genannt wird, ist jede Äußerung zu jemandem, die ihm etwas für ihn Gutes ausspricht. Nur solche Wünsche, in denen der Grußgehalt überwiegt, sind unten bei den Grüßen behandelt. Im übrigen sind diese Wünsche formal nur zum kleinen Teil Optative. Sie können auch die Form einer freundlichen Aufforderung haben, einer Bitte, eine Gabe anzunehmen oder etwas zu tun, was dem Angeredeten nützlich ist. Sie können auch in einer an die Gottheit gerichteten Bitte bestehen, dem Betreffenden Gutes zu erweisen, und auch die Form einer Aussage haben, wie in der Wendung bei der Darreichung „es gehört deiner Person" und als Kurzfassung „deiner Person!" = „dir". Der Wünsche im Sinne dieser Begriffsbestimmung gibt es eine sehr große Zahl von mannigfacher Fassung und mit dem verschiedensten Inhalt. Die Worte des Erzählers im Märchen vom Schiffbrüchigen an den Fürsten, der sich um den Empfang beim König Sorge macht: Höre du mir zu, Fürst! Wasche dich, gib Wasser auf deine Finger. Ach, möchtest du anJtworten, wenn du angeredet wirst. Mögest du zum König sprechen usw. sind solche „Wünsche", wie sie ähnlich hundertfältig in Texten aller Art vorkommen. Auch die Mahnung am Schluß der Bitte des Toten an die Lebenden, ihm das Totengebet zu sprechen gut ist es für euch, wenn ihr es tut ist ebenso ein „Wunsch" wie die andere Mahnung gut ist es, wenn ihr hört und wie die entsprechende Briefformel gut ist es, wenn du hörst, d. h. auf den Inhalt des Briefes achtest. Ebenso steht es, um noch einige Beispiele derartiger „ermahnender Wünsche" anzuführen, mit der Wendung in neuägyptischen Briefen ach möchtest du es wissen im Sinne von „merke dir das" und mit den Mahnungen ach möchtest du dein Gesicht den Büchern zuwenden oder ach möchtest du dein Gesicht dem Schreiberwerden zuwenden und wie sie ähnlich sonst lauten.
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Es ist nicht möglich, alle Wünsche zu berücksichtigen. Zwei häufige Gruppen seien herausgehoben: Wünsche für das Wohlergehen jemandes und die wünschenden Aufforderungen an jemanden, eine Gabe entgegenzunehmen. 1. Wünsche für das Wohlergehen jemandes Soweit es sich bei derartigen Wünschen um wirkliche Äußerungen handelt, worauf es hier ankommt, und nicht um bloße Erwähnungen und dergleichen, sind sie in den uns vorliegenden Texten im wesentlichen auf Briefe beschränkt. Der Wunsch, den die Haremsdamen dem König in ihrer Bitte aussprechen, er wolle dem heimgekehrten Sinuhe Gnade erweisen es möge die Göttin Hathor Leben an deine Nase geben findet sich auch zweimal in dem Brief des Sinuhe an den König, einmal am Schluß in der Form es mögen Re, Horus, Hathor diese deine erhabene Nase lieben, von der Month, der Herr von Theben, will, daß sie einig lebe als Ende des Briefes und das andere Mal im Anschluß an die Anrede an „den guten Gott, den Herrn der beiden Länder, geliebt von Re, gelobt von Month, dem Herrn des thebanischen Gaus, Amon (und noch viele andere namentlich aufgezählte Gottheiten) sie mögen geben Leben und Wohlsein an deine Nase, sie mögen dich versehen mit ihren Gaben usw. Solche Wünsche klingen auch in Privatbriefen nicht anders, insofern auch in ihnen das Gute, das man dem Briefempfänger wünscht, diesem von den Göttern zuteil werden soll. Übrigens finden sich erst in den neuägyptischen Briefen ausdrückliche Wünsche für das Wohlergehen des Adressaten. In den Briefen des Mittleren Reiches steckt der Wunsch in einem indem er lebe, wohlbehalten, gesund sei das der Bezeichnung des Briefempfangers mit mein Herr zu folgen pflegt. Über ein alle Angelegenheiten meines Herrn, indem er lebe, wohlbehalten, gesund sei, sind allerorts in bestem Zustand geht es nicht hinaus. Und dabei bleibt es noch zweifelhaft, ob der beste Zustand nur als Feststellung mitgeteilt wird oder als versteckter Wunsch gemeint ist. Die Wünsche in den neuägyptischen Briefen und in den ihnen nachgebildeten Schultexten pflegen eingeleitet zu werden mit einem „ich sage zu Gott N.", worauf dann in falscher indirekter Rede folgt, was der betreffende Gott für den Briefempfänger tun soll. Von dieser herkömmlichen Form wird nur selten abgewichen, wie etwa in dieser Einleitung eines Glückwunschschreibens Amon bereite Freude in deinem Herzen, er möge dir ein schönes Alter geben, und daß du die Lebenszeit, in Herzensfreude verbringst, bis du zur Ehrumrdigkeit gelangst oder in diesem anderen Glückwunschbrief 8*
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Anrufe, Ausrufe, Wünsche und Größe
als Antwort auf eine Mitteilung, derzufolge der Briefempfänger „ d u " das Amt seines verstorbenen Vaters erhalten hat: „Als dein Brief zu mir kam, freute ich mich sehr" möge Re-Harachte dich ein langes Leben haben lassen, indem du an der Stelle deines Vaters bist. Im Eingang desselben Briefes hat der Gratulant geschrieben Ich sage zu Re-Harachte; erhalte gesund den Pharao, unsern Herrn; möge er Millionen von Jubiläen feiern, indem du täglich in seiner Gunst bist. Derselbe Wunsch, der hier dem Empfänger des Briefes allein zugewendet ist, lautet in einem anderen Schreiben allgemeiner so indem wir täglich in seiner Gunst sind. Der Wunsch „ich sage zu Gott N . " möchtest du täglich gesund sein ist eigentlich eine Bitte an die Gottheit, den „du" in Gesundheit zu erhalten, und sollte korrekt lauten „gib daß er gesund bleibt", aber in dieser Fassung wäre dann der Briefempfänger nicht angeredet. So sind alle diese Wünsche im Grunde, jedenfalls nach unserem Sprachgefühl, schief konstruiert. Das Obige lautet vollständiger möchtest du gesund sein, möchtest du am Leben bleiben und noch ausführlicher möchtest du gesund sein, möchtest du am Leben bleiben, möchte ich dich gesund wiedersehen und dich in die Arme schließen, indem du in der Gunst der Götter und Menschen bist oder ähnlich an eine Frau gerichtet möchtest du gesund sein, möchtest du am Leben bleiben, möchtest du wohlbehalten sein, möchtest du in der Gunst der Isis, der deinigen Gebieterin, sein und ich dich wiedersehen, indem du gesund bist. Auf alle solche Wünsche folgt dann der eigentliche Briefinhalt ebenso wie auf die ganz ähnlich gemeinten Wünsche, in denen nach „ich sage zu Gott N . " anschließendes ägyptisches „gib" nicht Einleitung eines verbalen Optativs ist, sondern eines nominalen Ausdrucks. Wir müssen in diesen Fällen ungenau das „gib" mit „er möge geben" übersetzen mit Rücksicht auf das „dir", zu dem „gib" nicht paßt, das ein „ihm" erfordert. Der Fall liegt ganz ebeno wie bei „möchtest" in den vorstehenden Beispielen falscher indirekter Rede. Die gewöhnliche Fassung solcher nominalen Wünsche ist (ich sage zu Gott N.:) er möge dir geben Leben, Wohlsein, Gesundheit, ein langes Leben, ein hohes Alter, viele Gunstbeweise vor Amonrasonter, dem deinigen Herrn; möchte ich dich wiedersehen, wenn ich lebend heimkehre usw. oder an mehrere Personen gerichtet er möge euch geben usw. Dieser bald ausführlicher, bald kürzer ausgesprochene Wunsch ist einmal so gefaßt, daß „Leben, Wohlsein, Gesundheit" einzeln in drei besonderen Sätzen und in etwas anderer Folge gewünscht werden er möge dir Gesundheit geben, dir Leben geben, dir Wohlsein geben, und geben, daß ich dich gesund wiedersehe (in die Arme schließe usw.). Zu diesen Wünschen kommt dann noch gelegentlich ein mitten im Brief oder an dessen Ende stehendes es ist gut, daß du gesund bist teils im Sinne von „hoffentlich bist du gesund", teils auch wie ein „lebe wohl!"
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Zu diesen Wünschen in Briefen seien noch solche erwähnt, die im Anschluß an die Aufforderung, eine Gabe entgegenzunehmen, geäußert werden. Solcher auf das Wohlergehen des Angesprochenen gerichteten Wünsche, die nicht sehr häufig vorkommen, entstammen Beischriffcen zu Szenen des täglichen Lebens in thebanischen Gräbern des Neuen Reiches, die ja viel lebensvoller und im Ton wärmer sind als die im ganzen nüchternen und mehr sachlichen der älteren Zeit. Und weiter sind derartige Wünsche in der Hauptsache auf eine Formel beschränkt, die insbesondere beim Darreichen des „Blumenstraußes des Amon" gesprochen wird, aber auch beim Darbieten des Sistrums oder eines Trankes. Die Wunschformel lautet er lobe dich, er liebe dich, er gebe dir alle guten reinen Dinge oder so er lobe dich, er liebe dich, er erhalte dich, er beschütze dich, er behüte dich vor allem Bösen und ähnlich, und sie lautet, an den König gerichtet er lobe dich, er liebe dich, er erhalte dich, er überweise dich einer Million von Jahren, indem du bleibst auf dem Horusthron der Lebenden. Den Wünschen geht voraus deiner Person der Blumenstrauß des Amon der ja der „er" ist, der den Wunsch erfüllen soll. Die Darreichungsformel kann auch fehlen, wenn bei den Blumen Bringenden steht das Kommen mit dem Blumenstrauß des Amon oder das Geben des Blumenstraußes des Amon durch N. N. In welcher geheimnisvollen Verbindung diese Wünsche mit dem vom Gott Amon geweihten Blumenstrauß stehen mögen, wissen wir nicht. 2. Wünsche zur Entgegennahme einer Gabe Wünsche an jemanden, eine Gabe entgegenzuenehmen, sind eigentlich Bitten an den Betreffenden oder doch Aufforderungen, die aber im Interesse des Angesprochenen liegen und die deshalb von den unter C behandelten Bitten zu trennen sind. Zu diesen auffordernden, bittenden Wünschen gehören formal sehr zahlreiche mit der Wendung nimm dir. Aber dieser Ausdruck ist in der Sprache des täglichen Lebens nicht mehr gebräuchlich, sondern auf Formeln des Opferrituals und ähnlicher kultischer Texte beschränkt. Schon die Umgangssprache des Alten Reiches spricht Wünsche so nicht mehr aus. Die sehr alten Pyramidentexte kennen daneben noch eine andere Wunschform, die mit dem Imperativ des Verbums „in Empfang nehmen" gebildet ist, in Ausdrücken wie empfange dir dein Brot oder empfange dir dieses dein Brot aus meiner Hand oder sogar empfange dir die Rede des Horus, du wirst zufrieden sein mit ihr also auch auf Geistiges ausgedehnt, was auf einen häufigen und umfänglichen Gebrauch schließen läßt, wenigstens in früher Zeit. Der Umgangssprache des Alten Reiches ist übrigens auch diese Formel fremd, die sich aber bis ins Neue Reich erhalten hat, sogar im täglichen
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Anrufe, Ausrufe, Wünsche und Grüße
Leben. So sagt man beim Darreichen von Wedeln empfange dir den Schmuck der Hathor oder beim Anbieten einer Schale mit Wein empfange, trinke! Aber häufig ist diese Wunschform nie gewesen, die in der zuletzt angeführten Wendung lieber durch das gewöhnliche deiner Person, trinke! ersetzt wird. Wünsche mit empfange dir sind im Neuen Reich beschränkt auf Wünsche an den König, besonders in der häufigen Formel, mit welcher ein Gott dem Herrscher das Schwert überreicht empfange dir das Schwert, starker König. Die übliche Form von Wünschen beim Darreichen einer Gabe ist seit dem Mittleren Reich der Ausdruck deiner Person im Sinne von „gehört dir" (nämlich die Gabe). Der Ausdruck ist offenbar eine Verkürzung aus einem (diese Gabe) „ist deiner Person" — „gehört deiner Person" = „gehört dir". Und so hat man auch im Alten Reich noch gesprochen: ist deiner Person. Wie man in dieser Zeit sagt Dieses ist dem N. N. = gehört ihm, so sagt man auch Dieses ist der Person des N. N. und mit Anrede Dieses ist deiner Person. Daraus ist verkürzend deiner Person geworden, seit dem frühen Mittleren Reich. Die Verwendung dieses Wunsches ist eine sehr mannigfaltige. Man sagt „deiner Person" zu Personen jeden Standes (allerdings nicht zu sozial Tieferstehenden) und Verwandtschaftsgrades, auch zum König oder zu einem Gott. In diesen Fällen ist es üblich, wenn auch nicht geboten, noch eine eigentliche Anrede mit dem Titel oder Namen beizufügen, also zu sagen deiner Person, gnädiger König, guter Gott, Herr der beiden Länder (der Blumenstrauß deines Vaters Amon) oder (diese Speisen, Früchte und Blumen) deiner Person, der gute Herrscher und beim Opfer deiner Person, Osiris, Herrscher der Ewigkeit. Aber ebenso gut kann man auch zum König nur sagen deiner Person der Blumenstrauß deines Vaters und zu einem Götterpaar euerer Person. Bei Wünschen an einen Gott pflegt man freilich den Namen gern auszusprechen. Die Gabe, die gereicht wird, wird entweder vor dem Wunsch genannt oder dahinter. Der ältere Gebrauch der Nennung vor dem Wunsch ist im Neuen Reich selten geworden, ist aber dann in den späten Tempeln bei Opfern an die Götter wieder häufig. Leute, die dem Herrn des Grabes Tiere bringen, sagen die Antilope deiner Person oder das Rind deiner Person. Der Sohn reicht dem Vater Speisen mit den Worten Brot und Bier deiner Person. Wer dem Toten räuchert, spricht dabei Weihrauch deiner Person. Und auch in den späten Tempeln opfert der König etwa dem Horus mit dem Wunsch die Gaben deiner Person, großer Gott oder indem er sagt das Weißbrot deiner Person oder räuchert der Hathor mit den Worten Weihrauch deiner Person. Die den Wunsch betonende Voranstellung der Ansprache „deiner Person (dies und das)" kommt schon im Mittleren Reich auf, zum Beispiel in den
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Worten der Angehörigen an den Verstorbenen deiner Person Gaben und Speisen, ist aber bezeichnend erst für das Neue Reich, besonders in dem häufigen Wunsch beim Darreichen des Blumenstraußes an den Grabesherrn deiner Person der Blumenstrauß des Amon. In dieser Form wünscht man dem Toten auch andere Blumengaben deiner Person das frische Grün deines Gartenteiches oder Speisen deiner Person Brot, Bier, Wein, Milch und noch andere Darreichungen. Häufig wird das Dargebotene gar nicht genannt, es wird gereicht und dabei wird ein „deiner Person" gesprochen. So spricht der Opfernde zum Toten nur deiner Person und zu einem Paar euerer Person, rein, rein oder euerer Person alltäglich und ähnlich sonst, wobei in der Mehrzahl es nicht heißt, „eueren Personen"; das „Person" ist unflektierte grammatische Stütze des Pronomens. So kann man auch zum König sprechen, wie Nebamon, der dem König einen Blumenstrauß mit den Worten darbietet deiner Person, guter Gott oder wie Amon, der dem König Amenophis das Lebenszeichen hinhält deiner Person, König Amenophis. Und so kann man auch zum Gott sprechen, wenn man ihm opfert deiner Person, Amon-Re. Dieser Wunsch ist besonders beliebt gewesen beim Darreichen von Wein, auch bei einem Gelage. Ein Knabe, der dem Toten eine Trinkschale reicht, sagt deiner Person!-, beim Gastmahl bietet eine Dienerin der Hausfrau das Getränk mit dem Wunsch deiner Person! mache dir einen guten Tag oder sie sagt deiner Person! mögest du dir einen guten Tag machen, so lange du auf Erden bist. Diener, welche mehreren Offizieren zu trinken anbieten, sagen dabei euerer Person! diese Offiziere seiner Majestät. Diese Trinksprüche, begleitet von Aufforderungen, vergnügt zu sein und sich zu betrinken („sich einen guten Tag zu machen") wie deiner Person! betrink dich schön und ähnlich, klingen manchmal wie unser „auf dein Wohl!" oder wie „Prosit!" Wie gebräuchlich dieser Wunsch gewesen sein muß, zeigt seine Verkürzung von „deiner Person" zu „deine Person", also mit Umsetzung des „Dativs" in „Nominativ-Akkusativ". Es liegt eine Verkürzung vor wie etwa von „auf dein Wohl!" zu „dein Wohl!" oder von „Prosit" zu „Prost". Sie ist gerade bei Wünschen zu trinken häufig: euere Person! betrinkt euch schön oder deine Person! mach dir einen guten Tag. C. Bitte um etwas Für den Ausdruck einer Bitte an jemand um etwas, das der Sprechende erhalten oder erreichen möchte, gibt es im Ägyptischen keine besondere sprachliche Formulierung. Eine regelmäßig oder häufiger verwendete Einführung nach Art unseres aus „ich bitte" verkürzten „bitte" fehlt. Ebenso bleibt die seine Bitte an den Schiffbrüchigen, nach der Rückkehr seiner
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Anrufe, Ausrufe, Wünsche und Grüße
freundlich zu gedenken, abschließende Bemerkung des Schlangengottes du, das ist mein Anliegen an dich vereinzelt. Wie die Wünsche, so werden auch die Bitten im allgemeinen in einem Optativ oder in einem Imperativ ausgesprochen. Welche von diesen Formen gebraucht wird und wie, ob einfach oder noch durch Partikeln eingeleitet oder verstärkt, das hängt von denselben Einflüssen ab wie etwa im Deutschen die Wahl zwischen „möchtest" du mir geben, „möchtest du mir bitte geben", „gib mir", „gib mir doch" usw. Es gehört zum Wesen der Bitte, daß sie sich eigentlich an eine bestimmte und auch genannte Person wendet. Auf der Grenze zwischen Wunsch und Bitte stehen Äußerungen, die mit „Herz" gebildet sind: „mein Herz [steht danach] zu . . . " (mit folgendem Infinitiv). In neuägyptischen Briefen schreibt man du, mein Herz [steht danach] dich unederzusehen und denn mein Herz [steht danach] von deinem Befinden täglich zu hören. Und so spricht auch der Fürst der Stadt Joppe seinen Bittwunsch aus mein Herz [steht danach] die große Keule des Königs Thutmosis zu sehen. Die schlichte optativische Bitte möchtest du mir meine Sachen geben wird verstärkt durch Einleitungen mit „ach" wie in der Briefformel ach möchtest du mir über dein Befinden schreiben oder mit „ach daß" ach daß ihr diese Gerste geben möchtet (dem und dem) oder mit einem „ach doch" ach es befehle diese deine von Re geliebte Person doch .. . als Bitte an den König, der auch gebeten wird ach es begebe sich deine Majestät doch zum Teich. In dieser Form spricht auch der Sonnengott zu seinen göttlichen Sendboten ach begebt euch doch zu der Reddedet. Eine solche Bitte kann auch, an einen hohen Herrn gerichtet, höflich im unperösnlichen Passiv ausgesprochen werden, wie die des Bauern an den Obergutsverwalter ach daß man veranlasse, daß ich dein Herz erfreue (mit einer Nachricht, zu der ihm Gelegenheit gegeben werden möchte). Aber es ist übertriebene Höflichkeit, wenn der auf die klugen und formvollendeten Reden des Bauern neugierige König seinen Beamten bittet möchtest du ihn hinhalten (daß er noch mehr Beden hält) und weiter sagt ach möchte man uns seine Rede aufgeschrieben bringen (eine abweichende Fassung des Textes hat allerdings dafür damit man bringe). Die andere häufige Form der Bitte ist die im Imperativ. Man sagt möchtest du geneigt sein (das und das zu tun), aber auch neige dein Herz! als Ausdruck für „sei so gut" (das und das zu tun). Auch ein Imperativ kann durch „ach doch" eingeleitet werden. Die Aufforderung halte! erhält dann den freundlicheren Ton der Bitte ach halte doch Dieses. Ganz gewöhnlich sind Bitten, etwas zu geben, im Imperativ gib! statt mögest du geben. Es sei nur an die oben Seite 45 angeführte Bitte um Begnadigung gib uns deine Luft! erinnert, deren Verkürzung zu bloßem Luft! Luft! aber wohl nicht als eine besondere Form der Bitte anzusehen ist. Bevorzugt im Imperativ sind auch
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einladende Bitten gehalten wie homme du zum Gotteshaus oder sieh dir dein Haus an oder komm zu uns und ähnliche. Schließlich seien noch ein paar Beispiele mitgeteilt für Bitten, jemanden bei sich „empfangen" zu wollen, Bitten, die wir aus der Umwelt der Könige, Götter und Toten in die der gewöhnlichen Menschen übersetzen müssen, um uns vorstellen zu können, wie man im täglichen Leben um einen „Empfang" bat (vgl. auch Seite 114). Der „Größte unter den Göttern" wird gebeten empfange dir diesen toten König, d. h. nimm ihn bei dir im Himmel auf, und die Göttin des Westens ähnlich empfange mich in Frieden am Tage meines Sterbens. Die Göttin Amenet bittet den Amon, den König zum Dank für den Tempelbau zu „empfangen": empfange dir deinen lieben Sohn und der König bittet Amon „höre meine Bitte an" empfange meinen Sohn zum König (und setze ihn auf den Thron). D. Dank für
etwas
Als die fremden Damen, die seiner Frau in ihrer schweren Stunde beigestanden haben, dem Rawoser mitteilen „froh sei dein Herz, Rawoser! dir sind drei Söhne geboren" entgegnet dieser meine Damen, was ist das toas ich für euch tun soll? Ach daß ihr dieses Quantum Gerste euerem Gepäckträger geben möchtet (und es mit euch nehmen als Entgelt). — Die von Rawoser mit dem Anbieten eines Quantums Gerste selbst beantwortete Präge „was bin ich Ihnen schuldig?" enthält zugleich den Dank für die Hilfe, welche die Damen seiner Frau zuteil werden ließen. Aber eigens ausgesprochen ist der Dank nicht, und er hätte auch nicht ausgesprochen werden können in einer Wendung, die etwa unserem „haben Sie herzlichen Dank für Ihren Beistand, meine Damen" entsprechen würde. Derartige Äußerungen des Dankes sind dem Ägypter fremd. Der Ägypter konnte nur mittelbar danken, indem er Gott pries zum besten dessen, dem er danken wollte. Sein Dank entspricht also nicht so sehr einem deutschen „ich danke dir" als vielmehr einem „Vergeltsgott" oder arabischem „Gott sei Lob !" oder „Allah mehre dein Gutes !" Wir lesen nun zwar oft genug von solcher Bezeigung des Dankes, wie zum Beispiel in der Geschichte vom Schiffbrüchigen, der selbst erzählt „als ich das Schiff mit allen Geschenken des Schlangengottes beladen hatte, warf ich mich auf meinen Bauch" um Gott für ihn zu preisen; da sagte er zu mir (daß ich in zwei Monaten wieder in der Heimat sein würde) „und als ich dann inÄgypten angekommen war, trat ich vor den König und brachte ihm, was ich auf der Insel erhalten hatte" da pries er Gott für mich (in Anwesenheit der Beamten des ganzen Landes, d. h. er dankte mir). Aber in welcher Form und mit welchen Worten solcher Dank zum Ausdruck kam, das erfahren wir eigentlich nicht.
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Anrufe, Ausrufe, Wünsche und Grüße
Die einzigen Stellen, die etwas ausführlichere Angaben enthalten, sind die folgenden. Nachdem Ameniseneb seinen Auftrag, den Tempel von Abydos reinigen zu lassen, ausgeführt hatte, kam, so erzählt er auf seinem Grabstein „ein hoher Beamter zu mir, da pries er Gott für mich sehr über alle Maßen und sagte: „wie wohl ergeht es dem, der Dieses für seinen Gott getan hat." Da gab er mir (den und den Lohn usw.). Von einem Manne wird berichtet, daß er einer war für den die Guten Gott priesen wegen der Größe seiner Trefflichkeit, dem von allen Leuten „Gesundheit! Leben!" gewünscht wurde. Ob in der zweiten Stelle der Wunsch zugleich den Dank zum Ausdruck bringt, ist zweifelhaft, da es ebenso und ähnlich lautende wünschende Grüße ja auch sonst gibt. So bleibt nur die erste Stelle als sicherer Beleg für Dankesworte in Verbindung mit der Formel „er pries Gott für mich". Sie enthält den Dank in einem unpersönlich gefaßten Ausruf, sagt uns aber über die Form nichts. Die Wendung „Gott preisen für jemand" setzt doch wohl einen Preis mit Worten voraus. Ohne ausdrückliche Angabe der Formel sind in Amarna mehrfach Danksagungen der vom Gottkönig dekorierten oder sonst ausgezeichneten Höflinge belegt. So dankt der zum Hohenpriester des Atön ernannte Merire mit den Worten, die er zum König „sagt", der reich ist an Dingen, der sie zu geben weiß, der Atön bereitet Freude. Was diese Worte besagen sollen, wird aus dem Dank des Huja für einen Orden deutlich der gute Herrscher, stark im Entstehenlassen, wenn er aufgeht! Der Atön [reich an Dingen] der sie zu geben weiß! Der Atön bereitet Freude! Der Pharao, der lebt, wohlbehalten und gesund ist! Der Sohn, von dessen Anblick ich lebe! Der Dank besteht in einer Reihe von preisenden Ausrufen mit der für Amarna ja bezeichnenden Identifizierung des Königs mit Atön, des Sohnes mit dem Vater. Ein anderer Dank desselben Huja, der schon oben Seite 47 angeführt ist, lautet Preis deiner Person, der Waenre, guter Herrscher, der Vornehme macht, der hohe Nil für das ganze Land, die Nahrung für alle Leute! Auch dieser Dank gilt einer Ordensverleihung, was aus den Worten in gar keiner Weise erkennbar ist. Im späteren Neuen Reich ist es sonst Brauch, den Dank für irgendetwas mit einem Wunsch auszudrücken, welcher indirekt eine Gottheit bittet, den, welchem man Dank schuldet, der dabei mit „du" angeredet wird, zu loben. Die „Preis sei Gott f ü r . . ."-Formel wird dabei nicht ausdrücklich erwähnt. Weil der Hohepriester die Einkünfte des Tempels gut verwaltet hat, wird dankend zu ihm gesagt dich lobe Month, dich lobe die Person des Amon! Den Hirten und sonstigen Viehpflegern wird gedankt euch lobe Month; das Vieh des Gottes ist in trefflichem Zustand. Der Vezier dankt seinem Bildhauer dich lobe Ptah, der Bildhauer (als Anrede) und solcher Dankwünsche dieser Fassung gibt es mehr.
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Siebentes Kapitel
Grüße, Willkommen und Abschied Wie alle Grüße, so bestehen auch die ägyptischen entweder in Handlungen (Bewegungen, Gebärden, Zeichen) oder in Worten oder in einer Verbindung von Gebärde und Wort. Von diesen Grußmöglichkeiten kommen im Rahmen dieses Buches nur solche in Betrach, in denen das Wort Träger und Übermittler des Grußes ist. Das Grußwort kann jeweils von einer passenden Gebärde begleitet gewesen oder in einer entsprechenden Haltung geäußert worden sein. Wir kennen es nur in verhältnismäßig wenigen Fällen seinem Wortlaut nach und wir können in anderen nur vermuten, daß ein Grußwort vorliegt. Neben den gesprochenen Begrüßungen hat es gewiß auch solche gegeben, die regelmäßig nur stumme waren, nur in bestimmten Haltungen oder Gebärden bestanden. Davon erzählt Herodot, dem es auffiel, daß die Ägypter sich bei Begegnungen nicht nach griechischer Sitte ansprachen, sondern daß sie sich nur mit einer Art tiefer Verbeugung mit Senken der Hände bis zu den Knien begrüßten. Eine nur stumme Begrüßung war anscheinend auch die des Königs seitens der zur Audienz Befohlenen, von denen immer nur berichtet wird, daß sie sich vor dem Herrscher „auf ihren Bauch gaben" oder sich in ähnlicher Weise zu Boden warfen. Der König seinerseits hat dabei, wenn auch wohl nicht in jedem Falle, ein Wort der Begrüßung gesprochen. Als Sinuhe vor den König geführt wurde, fand er ihn auf dem Thron sitzend, und er berichtet während ich auf meinem, Bauch ausgegestreckt war (und die Besinnung verlor) begrüßte mich dieser Gott freundlich (aber ich war vor Angst gänzlich benommen). Was der König grüßend gesagt hat, erfahren wir nicht. Aber daß er nicht nur eine Gebärde gemacht hat, sondern etwas als Gruß gesprochen hat, ist sicher. Denn das hier verwendete Wort für „begrüßen" bezeichnet ein Begrüßen mit Worten. A. Höflichkeit und Respekt Die Weisungen in der Lehre des Ptahhotep, sich als Gast bescheiden zu benehmen, fordern auch dein Gesicht sei nach unten gerichtet bis er dich begrüßt und sprich (erst) wann er dich begrüßt hat. Wir wissen nicht, wie eine Begrüßung in älterer Zeit gelautet hat und auch nicht, ob sie an feste Ausdrucksformen gebunden war. Die höfliche Begrüßung des Obergutsverwalters jedenfalls, der gerade aus dem Tempel des Gottes Harsaphes tritt, seitens des Bauern Gelobter, dich lobe Harsaphes, aus dessen Hause du ge-
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Anrufe, Ausrufe, Wünsche und Grüße
kommen bist ist gewiß eine durch die Gelegenheit veranlaßte; sonst redet der Bauer den Herrn ohne Grußformel an „Obergutsverwalter, mein Herr". Und die wechselseitigen Begrüßungen des Prinzen und des weisen Dedi im Märchen des Papyrus Westcar sind so umständlich und hochtrabend, daß der öffentliche Erzähler es selbst für angebracht gehalten hat, seinen einfach gebildeten Hörern jedesmal eine Erklärung dazu zu geben; das eine Mal fügt er hinzu das ist das Begrüßen eines Ehrwürdigen und das zweite Mal, nach der Begrüßung des Prinzen durch den Weisen, das ist das Begrüßen eines Königssohnes, zu deutsch „seht mal, so begrüßt man sich unter feinen Leuten". Die Begrüßung des Weisen durch den Prinzen lautet Dein Befinden sei wie das jemandes, der lebt vor dem Altwerden (d. h. es noch vor sich hat?; Dedi ist aber schon 110 Jahre alt!), trotz des Greisenalters, dem Ort des Sterbens, dem Ort des Einsargens, dem Ort des Begrabens, und der schläft bis zum Morgen und frei ist von Krankheit, sogar ohne keuchenden Husten (ich bin gekommen, um dich im Auftrage meines Vaters zu rufen usw.). Die Entgegnungsbegrüßung des Weisen aber lautet In Frieden, in Frieden, Hardedef, Lieblingskönigssohn seines Vaters. Dich lobe dein Vater, König Cheops, er rücke deinen Platz unter den Alten nach vorn, deine Person streite gegen deinen Feind, deine Seele kenne den Weg, der zum Tor des Jenseits führt. In dieser seltsamen „Begrüßung" ist wenigstens der Willkommen „in Frieden" enthalten und als weiterer Gruß vielleicht „dich lobe dein Vater", der anklingt an die Worte des Bauern und an die oben angeführten Wünsche beim Darbringen der Blumenspende. Der Begrüßung durch den Prinzen geht in der Erzählung voraus, daß der Prinz aus seiner Sänfte stieg um den Weisen, der auf einer Matte lag, zu begrüßen mit den dann folgenden Worten „dein Befinden usw." Erst im Neuägyptischen ist uns mehrmals das Grußwort erhalten, mit dem, wie es im Weisheitsbuch des Amenemope heißt, dich jedermann begrüßt (wenn du von den Menschen für gut befunden wirst). Es wird in demselben Weisheitsbuch erwähnt in dem guten R a t : „grüße nicht einen Bekannten unaufrichtigen Herzens", sage nicht zu ihm „du seiest gepriesen/" in unrechtmäßiger Weise, und wird auch in dem anderen Rat genannt: einen, dem gegenüber Zurückhaltung angebracht ist begrüße du ihn mit deinem Munde, sage zu ihm „du seiest gepriesen!" Ähnlich rät Anii seinem Sohn: sei höflich zu einem Beamten, erfülle seine Wünsche, sage zu ihm „du seiest gepriesen!" Mit ebendiesem Gruß empfängt man auch Besuch, der willkommen ist. Daher empfiehlt Anii: gehe nicht unangemeldet zu jemandem ins Haus, sondern du mögest (erst) eintreten, wenn du gemeldet bist, nachdem er gesagt hat „du seiest gepriesen", mit seinem (eigenen) Munde). Wie gebräuchlich diese Begrüßung beim Empfang von Gästen gewesen sein muß, zeigt seine
Zur Verwendung von Anrufen usw.
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Anwendung im Munde der Götter, welche ankommende Tote am Eingang der Halle des Totengerichts so begrüßen du seiest gepriesen. Auch die Götter und auch der König werden mit diesem „du seiest gepriesen" gegrüßt (vgl. Seite 100). Ganz anders lautet der wünschende Gruß, der in einer Biographie erwähnt ist: (ich war stets hochgeehrt beim König bis in mein Alter) man begrüßte mich mit „Gesundheit! Leben!" indem Seine Majestät es aus Liebe zu mir sagte. Ihn enthält wohl auch der schon auf Seite 112 angeführte Dankwunsch Gesundheit! Leben! der jemandem von allen Leuten gewünscht wird und der an Haremheb gerichtete, dessen Achtung bei den Leuten so groß war, daß man ihm „Wohlergehen! Gesundheit!" wünschte. Nach Form und Inhalt berühren sich diese wünschenden Grüße mit den Grußworten im Eingang der Privatbriefe, die gern, wenn auch nicht regelmäßig oder notwendigerweise, mit einem „Leben, Wohlergehen, Gesundheit" nach der Angabe des Absenders oder Empfängers beginnen. Die ältere Fassung liegt in einigen Musterbriefen aus dem Mittleren Reich vor: N. sagt zu N. N.: Leben, Wohlergehen, Gesundheit! in der Gunst des Gottes X. Die Hauptformen des Beginns der neuägyptischen Briefe sind diese: N. sagt zu N. N. oder N. erfreut das Herz des N. N. oder N. grüßt N. N. Auf diese Eingangsformel folgt in der Regel der eigentliche Gruß in Leben, Wohlergehen, Gesundheit dank der Gunst des Amonrasonter (oder eines anderen Gottes). Dann folgt der Brief selbst. In dem Brief, mit welchem Hori seinem Gegner Amenemope guten Stil beibringen will, ist der Anfang so gefaßt: Hori usw. er grüßt Amenemope: du mögest leben, du mögest wohlbehalten sein, du mögest gesund sein. Von solchen Grüßen weiß der Königsbrief als Erlaß oder Befehl des Herrschers nichts und die amtlichen Schreiben der Beamten folgen ihm darin. Die Formel „man bringt dir diesen Befehl" ist aus den Erlassen des Königs, und jeder Brief des Königs ist ein Erlaß, in alle amtlichen Schreiben übernommen worden, und auch in den nachgeordneten Beamtenkreisen schreibt ein Vorgesetzter einem Untergebenen so: „man bringt dir diesen Befehl" oder „man bringt dir dieses Schreiben". B.
Willkommen
Dieser Gruß liegt uns in einer ganzen Anzahl von Bildungen mit zum Teil häufigen Verwendungen vor, so daß wir ihn formal und inhaltlich ziemlich gut kennen, bis auf ein paar Willkommensausrufe, die wir weder übersetzen noch ihrem Sinne nach verstehen können. Abgesehen von diesen, die hier unberücksichtigt bleiben müssen, ohnehin nichts besonderes lehren, und auch abgesehen von der auf Seite 25 schon erwähnten Be-
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Anrufe, Ausrufe, Wünsche und Grüße
grüßung des Neugeborenen mit „Guter"; „Erbe"; „wie gut bist du"; „mein Erbe" bestehen die echten Willkommensgrüße aus Imperativen wie komm in Frieden!, aus den Bildungen wie gekommen! und du bist gekommen! (vgl. dazu Seite 74) sowie aus der präpositionellen Verbindung in Frieden!, die allein gebraucht wird oder als Zusatz zu einem verbalen Ausdruck. Die Verwendung ist nach Zeit und Häufigkeit sehr verschieden: Die Imperative sind im ganzen auf älteste Texte beschränkt; „wie gekommen" wird seit dem Mittleren Reich häufig, sein Synonym „du bist gekommen" seit dem Neuen Reich; die präpositioneile Verbindung „in Frieden", die als Zusatz zu den verbalen Ausdrücken häufig ist, kommt selbständig als Gruß seit den ältesten Texten vor. Von diesen verschieden alten und verschieden geformten Willkommensgrüßen lassen sich nur die beiden mit „kommen" gebildeten und das „in Frieden" in der Umgangssprache des täglichen Lebens nachweisen, wenn auch nicht oft. Zumeist richten sich diese Grüße an den lebenden oder toten König, an Götter oder an die Verstorbenen bei ihrem Eintritt ins Totenreich. Aber es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß Imperative wie „komm in Frieden" und die uns unklaren Willkommensrufe einmal auch täglich verwendetes Sprachgut waren. Der seltene Nachweis der Ausdrücke „wie gekommen!" und „du bist gekommen!" und „in Frieden!" im Munde der gewöhnlichen Ägypter ist bloßer Zufall. Man hat gewiß Tausende von Malen alltäglich diese Willkommensgrüße gebraucht. Dagegen hat man anscheinend kaum das Verbum für jemanden bei sich „empfangen" in der ersten Person „ich empfange dich" im Sinne von „sei mir willkommen" verwendet. Zwar sagt Isis einmal zu ihrem Sohn König Ramses dem Zweiten ich em-pfange dich, meine Arme umfassen dich. Aber der Umgangssprache hat die Wendung nicht angehört. Man bittet zwar jemanden, eine Person bei sich zu empfangen, und man empfangt selbst, wie Rechmere, der eigens nach der Stadt Diospolis reist um Seine Majestät zu empfangen, um dem König einen Blumenstrauß zu geben, und man teilt auch jemandem mit, daß der und der ihn empfangen werde. Aber das zu dem Verbum empfangen gehörende Grußwort ist einer der Ausdrücke mit „kommen": Atum führt den König zu Amon, und Hathor begrüßt den Herrscher, indem sie eine bestimmte Zeremonialhandlung vornimmt und sagt du bist gekommen in Frieden! guter Gott. Dein Vater Amon-Re wird dich empfangen und ähnlich sagt Chons zum König, der zu Amon gehen soll, um das Königsamt zu erhalten Wie gekommen! wie gekommen! der gute Gott! Dein Vater Amon wird dich empfangen.
Zur Verwendung von Anrufen usw.
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1. Die Ausdrücke „wie gekommen" und „du bist gekommen" Bei der Besprechung der Bildungsweisen dieser Ausdrücke auf Seite 74 sind schon einige Beispiele der Verwendung gegeben worden, die noch der Ergänzung bedürfen. In der Sprache des täglichen Lebens sind diese Grüße, wie gesagt, selten wie in der Bemerkung über die Trefflichkeit eines Mannes der sagte „wie gekommen!" zu jedem der kam, der also jeden Willkommen hieß, oder eines anderen, von dem gerühmt wird, daß sein Mund voll war von „wie gekommen! wie gekommen!" als Speise für jedermann, was wohl kaum besagen soll, daß er den Leuten ein freundliches „Willkommen" sagte statt ihnen Speise zu geben, sondern gewiß bedeutet, daß er seine Gaben mit Freundlichkeit spendete. Tatsächlich aber, auch das ist oben schon bemerkt, gehören hierher als Zeugnisse für den Gebrauch dieser Willkommensgrüße auch manche, die in den uns erhaltenen Texten zufallig dem Verstorbenen oder dem König von einer Gottheit und ähnlich ausgesprochen werden, deren Anwendung in diesen Bereichen gewiß erst von der Umgangssprache her erfolgt ist und deren Rückübertragung in den täglichen Sprachgebrauch daher von uns vorgenommen werden darf. Zudem bleibt es besonders in den Texten der thebanischen Gräber oft zweifelhaft, ob eine Aussage noch auf den Lebenden Bezug hat oder schon auf den Verstorbenen. Den Toten empfangen nicht nur die Gottheiten des Jenseits mit den Worten wie gekommen in Frieden! trefflicher Seliger. Auch die schon Verstorbenen heißen den neuen Ankömmling willkommen, indem sie, die Großen im Totenreich, zu ihm sagen wie gekommen! oder wie gekommen in Frieden! oder wie gekommen, wie gekommen! oder wie gekommen ist deine Person! und ähnliches. Man lädt den neuen Mitbewohner der Unterwelt auch wohl zum Mahl der Totengötter ein indem man zu ihm sagt: ,,wie gekommen, wie gekommen!" zu den Speisen der Götter. Der König wird schon bei seiner Geburt als der Benvenuto mit „Willkommen!" begrüßt. Wenn Hathor den neugeborenen Prinzen dem Amon präsentiert, sagt der Gott Wie gekommen, wie gekommen in Frieden! Sohn des Re von dessen Leibe oder zur Prinzessin wie gekommen ist mir, wie gekommen ist mir in Frieden! meine geliebte Tochter meines Leibes! Zugleich gibt der göttliche Vater dem Kinde den Namen (vgl. Seite 25). Und noch bei anderen Anlässen wie beim feierlichen Einzug in den Tempel oder bei der Heimkehr aus dem Feldzug begrüßen die Götter den König mit diesem „Willkommen!" Auch die Untertanen begrüßen so den König. Ramose heißt den König von Amarna, dem er wie alles so auch sein Grab verdankt, an dessen Eingang gleichsam willkommen du bist gekommen!, von der Wahrheit (d. h. der
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Anrufe, Ausrufe, Wünsche und Grüße
neuen wahren Lehre) Lebender, Herr der beiden Länder. Beim Triumphzug begrüßen die Priester und die Großen des Landes den sieggekrönten Herrscher du bist gekommen in Frieden! starker König und ebenso jubelt man dem König auf seinem Zuge durch Ägypten zu du bist gekommen in Frieden! deine Person in Frieden! um die beiden Länder am Leben zu erhalten. Und es sind dieselben Willkommensgrüße, wenn sich die Götter untereinander ansprechen. Viele der Grüße lassen sich, um es nochmals zu betonen, auch in einfachen menschlichen Verhältnissen denken.
2. Der Ausdruck „in Frieden" Der Ausdruck „in Frieden", der sich oft als Begleitgruß bei den unter 1 angeführten Wendungen findet, wird auch selbständig im Sinne von „Willkommen" gebraucht. Ob dieser selbständige Gebrauch, der nicht eben häufig ist, nur als eine Verkürzung aus einem „du bist gekommen („wie gekommen") in Frieden" anzusehen ist oder ob das „in Frieden" eigentlich den Kern jener Ausdrücke bildet, so daß diese umgekehrt Verkürzungen darstellen, das ist nicht sicher auszumachen. Das einfache in Frieden! ist die ältere Wendung, schon in den ältesten Totentexten nachweisbar. So im Munde der Nephthys in Frieden! sagt Nephthys zum toten König und klingt als Gruß der anderen Gottheiten an einen ankommenden es kommt ein Gott: in Frieden! sagen sie. Als einleitender Gruß beginnt so das Schreiben, mit dem Sinuhe dem König den Empfang des Rückberufungsbefehls bestätigt: Sinuhe ist es der spricht „in Frieden!" (es ist sehr schön, daß „man" von meiner Flucht Kenntnis genommen hat usw.). Er findet sich weiter in einem Ritualspruch sei gegrüßt, Osiris, in Frieden im Gau; ich sage zu dir: Osiris „in Frieden!" im Gau wobei hübsch der Sinn des Willkommenheißens zum Ausdruck kommt, und er findet sich auch als besonders deutliches „Willkommen" in der Begrüßung an das neue Jahr: in Frieden! neues Jahr (vgl. auch bei C). Der Doppelgruß „in Frieden, in Frieden" liegt als echter Ausspruch des täglichen Lebens im Märchen des Papyrus Wertcar vor: der weise Dedi leitet seine Erwiderung auf die Ansprache des ihn besuchenden Prinzen ein mit in Frieden! in Frieden! (Hardedef, Königssohn usw.). Auf den Ruf „ihr da, bringt mir die Fähre!" wird geantwortet in Frieden! in Frieden! komme, komme! Wenn der Sonnengott auf seiner Fahrt durch die Unterwelt an deren Schluß zum Tor des Abschnittes der zwölften Stunde gelangt ist, begrüßen ihn die Gottheiten am Tor sie sagen zu Re; in Frieden, in Frieden, Re! in Frieden, in Frieden, viele Mal! (also: „vielmals Willkommen!")
Zur Verwendung von Anrufen usw.
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Neben solchem absoluten Gebrauch kommt der Gruß auch vor mit einem Zusatz in Form einer präpositioneilen Verbindung. So ruft der Cherhebpriester beim Begräbnis dem Verstorbenen zu in Frieden, in Frieden beim großen Gott! oder in Frieden, in Frieden zum schönen Westen! gleich . sam als „Willkommen im Totenreich bei Osiris". C. Abschied Abschiedsgrüße kennen wir im Ägyptischen nur wenige. Und diese wenigen sprechen mehr ein „Lebewohl" aus als ein „auf Wiedersehen!" Dieser uns geläufige und für unser Gefühl wärmere Gruß war dem Ägypter anscheinend fremd. Zwar bringt er oft den Wunsch zum Ausdruck, die Heimat, das Haus und die Seinen wiederzusehen, wenn er in der Fremde ist. Aber dieser Wunsch wird niemals als ein eigentlicher einer Person gegenüber oder mit Bezug auf sie geäußert. Der häufige Wunsch in neuägyptischen Briefen „möchte ich dich gesund wiedersehen" (und ihm ähnliche, vgl. oben Seite 106) steht nicht am Briefschluß, sondern gehört zu den Wünschen, die der Absender zu Beginn ausspricht, ehe er zum Inhalt des Briefes gelangt. Und weiter: dieser Wunsch findet sich außerhalb der Briefe an keiner Stelle. . Soweit überhaupt ein persönliches Grußwort den Brief schließt, lautet es ist gut, daß du gesund bist im Sinne von „möchtest du gesund bleiben". Dieser Wunsch nimmt den manchmal schon am Briefanfang geäußerten „möchte ich dich gesund wiedersehen" wohl wieder auf, aber doch so, daß der Hauptton auf dem gesund bleiben ruht, nicht auf dem wiedersehen. Es ist ein „Lebewohl", wie es ähnlich auch der Schlangengott abschiednehmend zum Schiffbrüchigen sagt, als er ihn in die Heimat entläßt: „als das Schiff für die Bückfahrt ankam, meldete ich es dem Herrn der Insel" erzählt der Seefahrer; da sagte er zu mir: indem, du gesund bist, indem du gesund bist, zu deinem Hause, daß du deine Kinder wiedersehest usw., was doch wohl als eine Ellipse aufzufassen ist, die zu einem „[kehre zurück] indem du gesund bist" zu ergänzen wäre, wennschon keine Parallele für derartiges bekannt ist. Übrigens antwortet der Schiffbrüchige nipht mit einem entsprechenden Gruß; er verabschiedet sich wortlos oder vielmehr damit, daß er kurz vor der Abfahrt Lobpreis gibt auf dem Uferdämm dem Herrn der Insel (und die Besatzung tut desgleichen). Für den Gruß „Lebewohl" haben wir einen hübschen Beleg in dem „Buch vom letzten Tag des Jahres", das so schließt: Lebe, lebe, altes Jahr! in Frieden, in Frieden, neues Jahr! Das alte Jahr wird mit „Lebewohl" verabschiedet, das neue mit „Willkommen!" begrüßt. 9
Grapow, Anreden
Die in den beiden vorhergehenden Abschnitten behandelten Anreden, Anrufe, Ausrufe, Wünsche und Grüße sind insofern bloße Äußerungen, als sie zwar fast ausnahmslos an eine zweite Person gerichtet sind und von dieser auch gehört und beachtet, aber doch nicht ausdrücklich bestätigt werden. Der Widerhall einer Weisung oder Bitte oder Begrüßung im Hörenden kommt tatsächlich oder doch in unseren Testen als Zustimmung, Ablehnung oder Dank sehr oft nicht zum Ausdruck, jedenfalls nicht mit Worten, wenn auch durch stillschweigende Ausführung eines Befehls oder möglicherweise durch eine Geste. In diesem Sinne bleiben solche Äußerungen bloße einseitige Äußerungen im Gegensatz zum eigentlichen Gespräch, dessen einfachste Form eine Äußerung mit Gegenäußerung ist. Ob sich aus dieser Grundform ein längeres Wechselgespräch entwickelt, das hängt davon ab, ob der Gesprächsstoff mit je einer Hin- und Herrede erschöpft wird oder ob er noch weiterer Erörterung bedarf. Der Anstoß zur längeren Ausspinnung eines Kurzgespräches kann durch mancherlei gegeben werden, durch eine Ablehnung, ein Bedenken und dergleichen. Er wird oft gegeben durch eine Frage, wie denn wohl überhaupt die Frage dasjenige Element des Gesprächs ist, das mehr als eine Äußerung anderer Form zur Belebung und Weiterführung desselben beiträgt. Bevor wir uns den Gesprächen zuwenden und der Art, wie man miteinander und voneinander sprach, sollen deshalb im folgenden die Fragen nach ihren Formen und Inhalten betrachtet werden und ebenso die Antworten und soll weiter auf das Verhältnis beider Gesprächselemente zueinander eingegangen werden.
ERSTER TEIL
DIE FRAGEN Erstes Kapitel
Allgemeines Das Wesentliche jeder Frage ist ihr Inhalt als der Zweck, um dessentwillen der Fragende sie stellt. Und dieser Zweck bestimmt die Fassung der Frage, bei der zwei Arten zu unterscheiden sind. Hat der Fragende das Bedürfiiis, zu erfahren, wer? etwas getan hat, oder was? geschehen ist oder weshalb? oder wo? und so fort, dann bedient er sich eines besonderen, jeweils passenden Fragewortes, durch das er auf das hinweist, was ihm unbekannt ist und was der Befragte feststellen, angeben usw. soll, womit er die Kenntnis des Fragestellers ergänzen soll. Jede dieser E r g ä n z u n g s f r a g e n , wie sie bezeichnet werden, enthält zugleich eine Bitte, einen Wunsch, eine Forderung; jede Antwort auf eine solche Frage, soweit sie überhaupt in der verlangten Weise beantwortet und nicht mit einem „ich weiß es nicht" oder mit einer ähnlichen Äußerung abgelehnt wird, enthält die Mitteilung irgendeiner Tatsache, eines Namens und was dergleichen mehr ist. Neben dieser großen Gruppe von Fragen mit einem Fragewort als eigentlichem Träger des Frageninhalts gibt es eine zweite Gruppe von Fragen, in denen nicht nach etwas Unbekanntem gefragt wird, sondern danach, ob der Inhalt des im Frageton gesprochenen Satzes richtig oder falsch ist, ob das in dem Satz Gefragte zutrifft oder nicht und ähnlich. Diese Fragen des Schemas „hast du es getan?", „hast du es nicht getan?", die als Bes t ä t i g u n g s f r a g e n bezeichnet werden, enthalten niemals ein eigentliches Fragewort. Sie sind für uns, die wir den Ton, in dem sie gesprochen wurden, nicht mehr hören können, in ihren uns in einer vokallosen Schrift vorliegenden Abbildungen nicht mehr in jedem Falle mit Sicherheit erkennbar, wenn freilich auch der Zusammenhang oft hilft und insbesondere die am Anfang solcher Fragen beliebte Verwendung bestimmter einleitender und zugleich hervorhebender, den Frageton andeutender Partikeln. Die Antwort auf eine solche Frage lautet „ja", oder „nein" oder, was dasselbe ist „ich habe es getan" oder „ich habe es nicht getan", um bei dem obigen Schema zu bleiben. Außer den „Ergänzungsfragen" als Fragen mit Fragewort und den „Bestätigungsfragen" als solchen ohne Fragewort gibt es ein paar Fragen, die
Die Fragen
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kein Fragewort enthalten und die gleichwohl zu den Ergänzungsfragen gehören. Der Pfortner am Eingang zum Totenreich hat den ankommenden Toten gefragt du bist gesalbt mit was für Salbe? und hat als Antwort erhalten mit bestem Föhrenöl. Dann sagt der Pförtner weiter das Gewand das an dir ist? und der Stab der in deiner Hand ist? Diese Fragen sollen gewiß nicht feststellen, ob der Tote ein Gewand trägt und einen Stab in der Hand hält, sondern sind Fragen nach der Art des Gewandes und des Stabes im Sinne von „welcher Art ist dein Gewand (dein Stab) ?" Demgemäß erhalt er als Antworten ein Nut-Gewand und ein Seti-Stab. Und ganz ähnlich formulierte Fragen erscheinen in einem Zwiegespräch des Toten mit dem Fährmann, der neben anderen Fragen wie „wer ist der und der?" oder „worauf befestige ich dies und das ?" auch einige mit unterdrücktem Fragewort stellt in bezug auf die Fähre ihre Seile? und ihre Segel? und ihre Borde? Er will nicht wissen, ob dem Toten bekannt ist, daß es an der Fähre Seile und Segel und Borde gibt, sondern fragt „(welches sind) ihre Seile ?" oder „(woraus bestehen) ihre Segel?", und er erhält die entsprechenden Antworten vom Toten. Es liegen in diesen Fragen, die sich in sehr alten Jenseitssprüchen finden und deren es noch mehr geben mag, jedenfalls besondere Frageformen vor, möglicherweise Frühformen. Wie man denn überhaupt vermuten könnte, daß solche reinen Tonfragen die ältesten Fragefassungen gewesen sein könnten. Äußerlich betrachtet sind die obigen Fragen Wortfragen, nicht solche in Sätzen, wie es das Gewöhnliche ist. Denn wie der Ägypter im allgemeinen in Sätzen spricht, so fragt und antwortet er auch in der Regel in Sätzen mit Subjekt und Prädikat und mit noch anderen Satzteilen. Aber es gibt im Ägyptischen auch Fragen, die grammatisch^ gesehen nur aus Wörtern bestehen und nicht aus eigentlichen Sätzen. A.
Wortfragen
Solche Fragen können in Einzelwörtern bestehen oder in Wortverbindungen. Sie sind, wie gesagt, ungewöhnlich und selten. Als Einzelwort lautet eine Frage an eine Schlange im Jenseits Schlange! wohin? mit der Fortsetzung der Bede „du sollst nicht weiter kriechen!" Vielleicht klingt in der Frage ein unwilliger Ton, wie auch aus der Frage des Königs in der folgenden Stelle: Die unterworfenen Fürsten sind zu Hofe befohlen, von wo sie in die Heimat zurückkehren möchten. Sie treten vor den König und sie sagten: Wegen was sind wir [noch] hier, Fürst, unser Herr? Da sagte Seine Majestät: Was? Da sagten sie (wir wollen gerne zurückkehren, und der König ließ sie ziehen). Das „Was?", zu dem die
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Wie man fragte und antwortete
Wortverbindung „wie was?" im folgenden zu vergleichen ist, kann sowohl ein bloßes „wie meint ihr das ?" besagen als auch ein entrüstetes „Was fallt euch denn ein?" Li Wortverbindungen lauten solche Kurzfragen wie folgt. Als der Gott Nun seiner Tochter Nut den Auftrag gab, den der Welt überdrüssig gewordenen Re „auf ihren Bücken zu setzen", verwunderte sich die Göttin über diese Zumutung und da sagte Nut: urie was, mein Vater Nun? d. h. „wie soll das geschehen können?"; erst nachdem die Himmelsgöttin sich aus einer Frau in eine Kuh verwandelt hatte, konnte Re auf ihrem Rücken Platz nehmen. Diesem „wie was?" entspricht ein „wegen was?" in einem alten Totenspruch vom Kotessen und Harntrinken in der Unterwelt, das die Götter dort dem Toten anbefehlen, dessen er sich aber unter Angabe besonderer Gründe weigert: Iß! rufen sie mir zu. Ich esse nicht! Wegen was? rufen sie mir zu. Weil (ich dagegen durch Zaubersachen geschützt bin). Als in der Geschichte von Re und Isis der alte Sonnengott auf einem Spaziergang von der vergifteten Nadel gestochen ist, die Isis ihm auf den Weg gelegt hatte, schreit er vor Schmerz auf, so daß die Götter fragen Was denn? Was denn?; diese Kurzfrage steht neben Fragen in Satzform. Besonders merkwürdig ist die Kurzfrage in einem Gespräch, das der Tote mit dem Pfortner am ersten Tor der Unterwelt führt: nach der Frage du bist gereinigt? geht der Text so weiter ich bin gereinigt! Mit was für Wasser? Mit diesem Wasser, mit dem Re sich gereinigt hat! B.
Doppelfragen
Im allgemeinen stellt man vernünftigerweise nur eine Frage zur Zeit, deren Beantwortung abgewartet wird, um, wenn erforderlich, an sie eine weitere Frage anzuschließen. Aber in bestimmten Fällen, mit bestimmter Absicht, werden auch zwei oder gar mehrere Fragen zugleich gestellt. Wiederholt der Fragende dieselbe Frage in unmittelbarem Anschluß an die erste, so will er sie in der Stilform der „Doppelung" besonders eindringlich machen oder er will seine Verwunderung oder eine ähnliche Stimmung zum Ausdruck bringen (vgl. unter 1). Werden zwei Fragen gestellt, die verschiedene Frageziele haben, so gehören beide entweder als echte Doppelfrage, als „ . . . ? u n d . . . ?"-Frage zusammen (siehe unter 2 a) oder sie schließen einander aus als „ . . . ? oder . . . ?"-Frage, wobei nur auf eine der beiden Fragen eine Antwort erwartet wird (siehe unter 2 b). — Für drei und noch mehr Fragen vgl. Abschnitt C.
Die Fragen
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1. Doppelung einer Frage Die Wiederholung derselben Frage macht sie lebhaft und eindringlich. Zu der schon oben erwähnten Frage was denn? ivas denn? der ängstlich besorgten Götter an den verletzten Sonnengott kommt noch die ebenfalls aus Sorge um den kranken Horusknaben gestellte Frage einer Frau was denn? was denn? wer ist gegen den Sohn Horns, (o) Isis? Ahnlich sind die in neuägyptischen Briefen häufigen Fragen nach dem Befinden gemeint du bist wie was? du bist une was? oder ihr seid wie was? ihr seid wie was? ihr seid wie was? ihr seid wie was ? mit Wiederholung der Verdoppelung. Noch dringlicher wird dieselbe Frage in dieser Form gestellt uñe ist dein Befinden? uñe ist dein Befinden? du bist wohlauf? mit ähnlicher Hinzufügung einer neuen Frage wie oben bei der nach dem Zustand des kleinen Horus. Eine Erweiterung der Doppelung zum Zwei-plus-eins-Schema liegt vor in der Frage des Schlangengottes an den Schiffbrüchigen, dessen Erscheinen auf seiner Insel er sich nicht erklären kann: wer hat dich gebracht ? wer hat dich gebracht ? Kleiner! wer hat dich gebracht?; an sie schließt sich die Drohung, ,wenn du zögerst, mir das zu sagen, dann mußt du sterben!' Sehr erregt ist offenbar die Frage des Königs Pianchi an den besiegten und nach seinem Aufstand um so demütiger um Gnade flehenden Nemarut wer leitete dich? wer leitete dich? wer nur leitete dich? wer leitete dich? wohl im Sinne von „wer verführte dich zum Aufstand und wie konntest du dich verführen lassen ?" 2. Eigentliche Doppelfragen Bei der stillschweigenden Koordination ( . . . „und" . . . ?) und Disjunktion ( . . . „oder" . . . ?) durch bloßes Nebeneinanderstellen, das heißt Nacheinandersprechen zweier Fragesätze, ist es für uns nicht in jedem Fall sicher auszumachen, ob ein „und", ob ein „oder" gemeint war. a) „und"-Fragen I m Neuägyptischen verwendet man eine zur Verbindung negierter Aussagesätze beliebte Konjunktion „und" auch in negierten Fragesätzen wie hast du nicht viele Schreiber und hast du nicht viele Diener? Die ältere Sprache läßt die Fragen unverbunden aufeinander folgen: Gewisse Götter werden betreffs des toten Königs gefragt habt ihr gegen ihn gehandelt (und) habt ihr gemeint, er werde sterben? (die Antwort lautet er wird nicht sterben). Es wird gefragt, wer eine bestimmte Sache wieder beschaffen werde wer holt sie (und) wer findet sie? mit der Antwort „ich, ich hole sie; ich, ich finde sie".
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Wie man fragte nnd antwortete
b) „oder"-Fragen Die Frage du bist hier? du bist dort? hat schon wegen des Gegensatzes „hier" und „dort" gewiß den Sinn „bist du hier oder bist du noch dort?" Bei der ähnlich gefaßten Frage du bist nach den hohen Stätten hin, du bist nach den Sethischen Stätten hin? entscheidet die Antwort „die hohen Stätten geben mich an die Sethischen Stätten" den Sinn „bist du nach den hohen Stätten hin oder nach den Sethischen Stätten ?" Als der weise Neferti vor den König geführt ist und dessen Wunsch nach „erlesenen Sprüchen" vernommen hat, fragt er von dem was geschehen ist (oder) von dem was geschehen wird?; der König will nur „von dem was geschehen wird" hören. Eine ebenso klare „oder"-Frage liegt vor in der verwunderten Begrüßung der landenden Ägypter durch die Großen von Punt seid ihr herabgestiegen auf den Wegen des Himmels? (oder) seid ihr gefahren auf dem Wasser, auf dem Lande ? Und deutlich ist auch der Sinn der Doppelfrage des Königs, als ihm gemeldet wird, daß die Fürsten des Delta, die sich erst nicht unterwerfen wollten, nun doch an den Hof gekommen seien da sagte Seine Majestät: kommen sie um zu kämpfen? kommen sie um zu dienen? Die Antwort lautet „sie kommen um zu dienen" und erweist die beiden Fragen als eine „oder"-Frage. C. Gruppenfragen Die Doppelfragen sind insofern eigentlich einfache Fragen, als die „oder"Fragen überhaupt nur auf die eine von beiden eine Antwort erwarten und die „und"-Fragen eine gemeinsame Antwort voraussetzen. Den „und"Fragen des Typus „habt ihr gegen ihn gehandelt und habt ihr gemeint, er werde sterben?" verwandt sind Gruppenfragen, deren Reihen von zwei oder drei unverbunden nacheinander gestellter Fragen inhaltlich doch zusammen gehören, weil auf dasselbe Frageziel gerichtet. Eine solche zweigliedrige Gruppe bildet die Frage der Götter an den Toten du lebst von was in diesem Lande? in das du gekommen bist, um was zu essen?-, eine spätere Fassung desselben Spruches gestaltet die Frage einfacher du lebst von was an diesem Ort an den du gebracht bist? Dreigliedrige Fragen dieser Art sind folgende: Du bist Horns der Sohn desOsiris? du bist der Gott, der Älteste, Sohn der Hathor? du bist der Same des Geb? Diese dreifache Frage fragt jedesmal nach Horus als Sohn des Osiris, als Sohn der Hathor, als Enkel des Geb; die Antwort lautet, daß der Gefragte nicht Horus sei. In einem Gespräch, dessen Anfang uns nicht erhalten ist, fragt die Königin man gedenkt an Dieses wegen wessen? man erzählt diese Sache wegen was? Was (ist) es, das in dein Herz gelangt ist? König
Die Fragen
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Amosis, der „man" und „ d u " der Frage, erwidert, daß er seiner Großmutter gedenke. Wie hier, so ist auch in den folgenden rhetorischen Fragen der Räte an den König im Grunde nur eine Frage gestellt, die nach der unvergleichlichen Kenntnis und Umsicht des Herrschers: was ist hier, indem, du es nicht kennst? Wer vollendet wie du? Welche Stätte (gibt es) indem du sie nicht gesehen hast? Und noch ein Beispiel aus einem neuägyptischen Brief, in dem unter anderem nach entlaufenen Zwangsarbeitern gefragt wird wer fand ihre Spur? welche Wache fand ihre Spar? was für Leute sind hinter ihnen her? In dieser letzten Gruppenfrage ist eigentümlich, daß sie in ihrer dritten Einzelfrage über das in den beiden ersten Sätzen Gefragte hinausgeht: die Verfolgung der Entlaufenen beruht auf der Entdeckung der Spur. Andere solcher Gruppenfragen sprechen im letzten Glied die erwartete Antwort als weitere Frage aus, deuten sie jedenfalls an. Der Beduinenschech richtet an den aus Ägypten geflohenen Sinuhe die Frage du hast Dieses erreicht wegen was? was ist es? ist ein Geschehnis gewesen in der Heimat? Jemand fragt im Brief nach dem Verbleib eines Rindes weißt du nickt, wohin dein Sohn das Bind gebracht hat? hat er es nicht zu N. N. fortgenommen? Man erkundigt sich nach dem Befinden wie ist dein Befinden? du bist wohlauf? Wir würden in diesen Fällen fragen „ist etwa ein Geschehnis in der Heimat gewesen?" und „hat er vielleicht das Rind zu N. N. fortgenommen?" und „du bist doch wohlauf?" Aber ob ein „etwa" oder „vielleicht" oder „doch" in den ägyptischen Fragen enthalten ist, läßt sich nur vermuten. Es gibt natürlich auch derartige Gruppenfragen, die in jeder Einzelfrage nach etwas anderem fragen, wie in der Erkundigung des Türhüters im Jenseits, den der ankommende Tote gebeten hat, ihm zu offen Wer bist du? JFas bist du? Wo bist du entstanden?; die Antwort lautet „ich bin einer der zu euch gehört". Oder wie in den Fragen der Großen von Punt an die landenden Ägypter ihr habt Dieses erreicht wegen was, dieses den Menschen ( = Ägyptern?) unbekannte Land? Seid ihr herabgestiegen auf den Wegen des Himmels? (oder) seid ihr gefahren auf dem Wasser, auf dem Lande? Zweites Kapitel
Ergänzungsfragen Diese Fragen mit Fragewort sind im folgenden gruppenweise nach ihrem Fragegehalt zusammengestellt, nach dem, wonach sie fragen, also als „Wer?" —, „was?" —, „wie?" —, „wo?" — und so weiter Fragen geordnet.
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Wie man fragte und antwortete
Die Ergänzungsfragen werden in Sätzen gestellt, meist in Verbalsätzen „wer hat gesprochen?", „wie ist es geschehen?", „wo bist du gewesen?" und so fort, aber auch in Nominalsätzen oft sehr kurzer Fassung wie beispielsweise du wer? ( = wer bist du?) oder der Himmel wo? (= wo ist der Himmel?) oder was dieses? ( = was ist es?) oder wegen was dieses? ( = weswegen ist es?) und ähnlich mehr. Die ausgewählten Beispiele sind so genau wie möglich übersetzt, wo es irgend anging auch mit Beibehaltung der ägyptischen Wortfolge, um das Besondere der Formulierung dieser Fragen recht deutlich werden zu lassen. A. Wer? wessen? wem? 1. Wer? Die zugleich anredende Frage „wer bist du?" lautet in älterer Sprache du (bist) wer? oder wer denn (bist) du? Im Neuägyptischen lautet dieselbe Frage du (bist) wer denn? Fragen nach der Person, die etwas tut oder getan hat, haben die Fassung wer (ist der) der redet? oder wer (ist der) der auf ihr steht? oder auch wer (ist) er der eintritt? und wer (ist der) der dir dies getan hat? und wer (ist der) der dich gebracht hat? Geht die Frage dahin, wer etwas tun wird, so lautet sie etwa wer (ist) der übrig bleiben wird? oder wer er wird dir Wasser spenden? oder wer er wird ihn holen? oder wer er wird mir sie holen? Fragt man nicht nach einem „er" oder „sie", sondern nach einem bestimmten männlichen oder weiblichen Wesen, so kann man das Gefragte appositioneil der prominalen Frage beifügen: wer denn (ist) sie, die Reddedet? oder wer denn (sind) sie, diese Götter? oder wer (ist) er, dieser Re? Man kann auch unmittelbar fragen wer (ist) der mit dir? und wer (ist) der dem man zujubelt? In denselben Formen fragt man auch nach Nicht-Personen: wer denn (ist) es, dieser Kater?-, wer denn (sind) seine beiden Federn? Nach dem Namen fragt man so wer denn (ist) dein Name? oder wer (ist) der Name deines Vaters? und nach dem Wege wer denn (ist) es, die Straße? und neuägyptisch was (ist) mein Weg? Wir gebrauchen in solchen Fragen ein „welcher?" 2. Wessen ? Es sind neuägyptische Beispiele, in denen es fraglich bleibt, ob das „wer?" im Ägyptischen als echter Genitiv anzusehen ist. Die Frage du bist wohin? wird fortgesetzt mit du bist zu wessen Haus?, was nach dem
Die Fragen
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Zusammenhang meint „zu wessen Haus willst du dich flüchtend wenden?" Die Frage du (bist) der Sohn wessen? lautet genauer auch ein Sohn wessen von den Fürsten (bist du)? 3. Wem? Unserem „wem?" entspricht im Ägyptischen ein „dem wer?" mit der sogenannten Dativpräposition vor „wer?": So fragt der Lebensmüde ich spreche zu dem wer heute? und der Pfortner am Tor des Jenseits ich melde dich dem wer? Auf die Frage man macht Jubel dem wer? lautet die Antwort dem Eje! B. welcher . . .? was für ein . . .? Die Fragen dieses Gehalts werden in der älteren Sprache regelmäßig mit einem Fragewort „was?" gebildet, also mit „was (für e i n . . .)?": ich soll dir bringen welche Fähre? oder du gehst auf welcher Straße? oder du bist nach welchem Ort?, d. h. „nach welchem Ort willst du gehen?" Die Frage an einen Ankömmling gemäß welchem Kommen bist du denn gekommen? wird dahin beantwortet, daß der Ankommende sagt, wie er gegangen sei. Fragen nach Personen lauten so: welcher Gott (ist so) groß wie Ptah? oder welche Wache fand ihre Spur? und welche Leute (sind) hinter ihnen her? Und die Fragen nach „welcher" Sache sind entsprechend: welchen Ort (gibt es) indem du sie nicht gesehen hast? oder du kommst wegen was von Auftrag? oder was (an) Gewicht ist das auf deiner Schulter? mit der Antwort „ein Sack voll Korn". C. Was ? Die Gruppe der „was ?"-Fragen ist die umfangreichste der Ergänzungsfragen hinsichtlich ihres Vorkommens und vor allem inhaltlich. Denn zu ihr gehören auch die Fragen „weshalb?", „womit?" usw., das heißt die auch im Ägyptischen mit einem der Wörter für „was ?" gebildeten präpositioneilen Ausdrücke „wegen was?", „mit was?", „wie was?" usw. Da aber in diesen Fragen, wie ja auch im Deutschen, der Hauptton auf der jeweils verwendeten Präposition liegt, die durch das „was?" erst zur Frage wird, so sind diese Verbindungen unter D und E als formal und inhaltlich besondere Gruppen behandelt. Die einfachen „was ?"-Fragen gliedern sich im wesentlichen in solche, in denen mit dem „was?" wirklich nach etwas nicht bekanntem gefragt wird (z. B. „was sollen wir tun?") und in solche, in denen das „was?" etwa bedeutet „was (soll es heißen), daß du so gehandelt hast?" Dabei ist
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Wie man fragte und antwortete
weder in diesen Fällen noch auch sonst immer eine scharfe Scheidung möglich. Die erstaunte Frage des Königs an den Weisen, den er erst ausdrücklich zu sich laden mußte, um ihn kennenzulernen: Was (ist) es denn, Dedi, daß ich dich (noch) nie gesehen habe? Könnte man sich nach dem Muster der unter D besprochenen Fragen auch so denken „weswegen, Dedi, habe ich dich noch nicht gesehen?" Und die formal nur „was?"-Fragen im Rechenbuch was denn (ist) seine Ackerfläche? oder was denn (ist) das Backverhältnis? sind eigentlich Fragen, „wie groß ist seine Ackerfläche?" oder „welcher Art ist das Backverhältnis?" 1. Fragegehalt „was" (soll ich tun)? Die Fragewörter, die für Fragen dieses Gehalts im Ägyptischen gebräuchlich waren, lassen sich in den Übersetzungen nicht deutlich machen; es steht nur ein deutsches „was?" zur Verfügung. Solche Fragen lauten: ich soll tun was? was (ist) es das getan ist? was denn (ist) es, das ich tun soll? was (ist) das was man tun soll? was denn (ist) es, das mein Herr zu mir sagt? was denn (ist) es, das in dein Herz gelangt ist? (d. h. „woran denkst du?") was denn (ist) es das du da gefunden hast ? was denn ist durch ihn geschehen? du sagtest zu ihr was? was (ist) das wovon sie sprachen? was (ist) das was ihr davon holtet? 2. Fragegehalt „was" (bedeutet es, daß . . . ) ? Fragen dieses Bedeutungsgehalts sind gut belegt im Neuägyptischen, in dem sie entweder mit „was?" oder mit einem entrüsteten „ja, was?" gestellt werden: was (soll) diese große Schändlichkeit? was (bedeutet) dein hinter mir her gehen? (d. h. „warum verfolgst du mich?") ja, was (bedeutet es, daß) du nicht Huldigungsgeschenke bringen läßt? ja, was (soll es, daß) du sagst. . . ? Hierher gehört auch die Frage des Königs an Amon was denn (sind) für dein Herz diese Asiaten? im Sinne von: sie sind ja doch nichtig vor dir! Die ältere Sprache kennt gleichfalls Fragen dieses Gehalts. So fragt der König den an den Hof Befohlenen, nicht freiwillig Gekommenen was (ist) es denn, Dedi, daß ich dich (noch) nie gesehen habe? (wörtlich: „was denn (ist) es, Dedi, das nicht veranlassen, daß ich dich sah?"). So sagt Isis zu den anderen Gottheiten, die mit ihr vom Sonnengott ausgesandt sind, um der Reddedet bei der Geburt der drei Königskinder beizustehen was denn (ist) Dies, das, weswegen wir gekommen sind, ohne zu tun (ein Wunder für die Kinder) ?; sie meint: wie konnte es nur geschehen, daß wir fortgingen, ohne
Die Fragen
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ein Wunder für die Kinder getan zu haben ? Die Frage des weisen Dedi an den König, dessen Gemüt betrübt ist wegen einer schlechten Nachricht was denn (ist) es, dieses Herz? ist eine Frage wie unser „warum diese Stimmung?" Die in einer der Klagereden des beredten Bauern als Redensart „die man sagt" erwähnte rhetorische Frage was (ist) es der welcher gestorben ist? besagt gewiß „was ist denn schon der Tod?" mit der gedachten Antwort: ein Nichts. Hierher gehört auch als entrüstete Frage des Sinnes „was ist los mit euch, ihr Männer ? so beeilt euch doch!" die Rede an die Schnitter was (ist) es doch, Männer? eilt euch sehr! unser Weizen ist tägig (d. h. heute
schnittreif). D. Wegen was ? zu was ? durch (mit) was ?
1. Wegen was? Die soeben angeführte Frage was denn (ist) es dieses Herz? hat ein Analogon in der Frage an eine Frau du machst dieses Herz wegen was? Beide Fragen kommen in derselben Erzählung vor und unterscheiden sich darin, daß in jener allgemeiner gefragt wird „was soll diese Stimmung?", in dieser genauer nach dem besonderen Grunde „weswegen bist du in dieser Stimmung?" In ebenderselben Erzählung finden sich auch zwei bezeichnende negierte Fragen dieses Gehalts: eine an eine Frau gerichtete du ruderst nicht wegen was ? und eine allgemeinere man hat nicht Töpfe gebracht wegen
was ? mit einer eingeschobenen Partikel, welche der Frage den Ton des Unwillens gibt; die unzufriedene Hausfrau fragt die Magd „weswegen hat man denn nicht Töpfe gebracht?" Merkwürdig durch die Voranstellung des Fragewortes sind zwei neuägyptisch belegte Fragen, die sich in ihrer auffallenden Fassung gegenseitig stützen. Ein Brief beginnt (es sagt N. zu N. N.) wegen was das Wegnehmen der Dienerin ? (die man weggeführt hat) und in einem anderen Brief „sagt er zu ihm" wegen was dein Tun in dieser Weise? Sonst wird im Neuägyptischen der Frageausdruck an das Satzende gestellt: du stellst dich töricht an wegen was ? oder du wirst wütend wegen was? oder man erzählt diese Sache wegen was?
2. Zu was ? Dieser Frageausdruck wird in den Satz eingeschoben: es ist ein Schatzhaus zu was? ohne seine Einkünfte d. h. wozu ist es dann nütze. Es sind
denn Fische zu was dem Sobek? d. h. wozu hat denn Sobek Fische ? Von einem, der „Bitten abweist" sagt man es ist denn zu was? daß er sie nicht beachtet. Am Tor des Jenseits wird der Tote gefragt du bist gekommen zu
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Wie man fragte und antwortete
was?, der antwortet, daß er gekommen sei, um sich zu melden. Sie (ist) zu was? meine Stärke (wenn ich sie nicht gebrauche) fragt König Kemose seine Berater vor seinem Feldzug gegen die Hyksos. 3. Durch was ? mit was ? Wir sollen es, sein Ei, zerbrechen mit was? fragen gewisse Götter. Der Fährmann fragt sie [die Fähre] ist mit was? (seil, versehen). Du willst leben von was? fragen die Unterweltlichen den ankommenden Toten. Bei einem ausbrechenden Feuer wird gefragt es wird gelöscht mit was? E.
Wie?
Abgesehen von der Frage in neuägyptischen Briefen nach dem Befinden wie dein Befinden? wird die Frage „wie?" immer durch die Verbindung einer Präposition, die „gleichwie" bedeutet, mit einem der Fragewörter für „was?" ausgedrückt, lautet also eigentlich „gleichwie was?", im folgenden mit „wie was?" wiedergegeben. Die Frage wie was [ergeht es o. ä.] irgendeinem Manne, der seinenBruder tötet? stellt in ungewöhnlicher Weise den Frageausdruck voran, der sonst nicht am Satzanfang steht. Es toird sein jenes Land wie was? ( = wie ergeht es jenem Lande?) Es wird Dieses getan wie was einem Diener? im Sinne einer erstaunten Frage „wie ist es möglich, daß Dieses einem Diener zuteil wird (der es eigentlich durch sein Verhalten nicht verdient hat, so gnädig behandelt zu werden) ?" Auch das Neuägyptische gebraucht solche „wie was" ?-Fragen, mit denen nach dem Ergehen gefragt wird du (bist) wie was ? oder nach der Beschaffenheit einer örtlichkeit (der Libanon) sein Gipfel (ist) wie was? oder (die Jordanfurt) sie wird durchschritten wie was ? Die überlebende Frau fragt in der Totenklage den verstorbenen Gatten mein Fernsein von dir es (ist) wie was11. F. wo? woher? wohin? Das für diese drei Fragegehalte gemeinsam verwendete Wort bedeutet eigentlich „wo?" und wird in der älteren Sprache zugleich für „wo?" und „woher?" und „wohin?" gebrauoht. Erst in der jüngeren Sprache wird durch Vorsetzen der Präposition „nach (wo?)" ein „wohin?" deutlich gemacht. Wir können nicht wie der Ägypter mit demselben Fragewort fragen „wo?" etwas sich befindet, „wo?" (-her) etwas gebracht wird, ,,wo?"-(-hin) etwas gelangt und müssen daher das im Ägyptischen Einheitliche im Deutschen auf drei Fragengruppen verteilen.
Die Fragen
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1. Wo? Solche Fragen sind: du bist wo? es ist N. N. wo? (die gesuchten Dinge) sind wo? du wirst essen wo? du bist entstanden wo? er (ist) wo der deinige Vater? es (ist) wo das Schiff aus Föhrenholz, das dir Smendes gegeben hat? es (ist) tvo die seinige syrische Mannschaft? 2. Woher? Der Fragegehalt „woher?" steckt wohl sicher in dem „wo?" dieser Fragen: du bist gekommen woher? ihr seid gekommen woher? woher (ist) er der herauskommt? 3. Wohin? In der älteren Sprache fragt man, wie schon gesagt, auch nach „wohin ?" mit bloßem „wo?": er geht wohin? ich soll ihn legen wohin? In der jüngeren Sprache ist das „nach wo?" üblich: so ganz vulgär du machst nach wo? im Sinne von „wohin willst du gehen" (analog einem berlinischen „machst du ooch nach Tegel ?") oder gewöhnlich du bist nach wo? (d. h. wohin willst du dich wenden?) oder dein Gesicht ist nach wo? (seil, gerichtet, wenn du nach dem so und so Ort gehst). G. Wie groß? wieviel? Zu den Fragen aus der Fachsprache der Mathematik mit „wie groß ?" = „wieviel?": (der Speicher) er mißt wie groß zu wie groß? und wie groß ist es, um es zu ersetzen? kommen neuägyptische wie er macht wieviel an Meilen? (nach Gaza zu gehen) oder wie wieviel Leute? H. Wie lange Zeit? wann? Die Frage toieviel bis heute? (seit du aus Ägypten abgereist bist) hat den Sinn „wie lange ist es her?" und gehört formal zu den unter 6genannten Fragen. Und die beiden folgenden Zeitfragen sind eigentlich „was ?"-Fragen bis was kommt? — „wie lange noch?", „bis wann?" und es kommt toas? (indem ich hier verweile) im Sinne von „bis wann soll ich hier verweilen?"
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Grapow, Anreden
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Wie man fragte und antwortete
Drittes Kapitel
Bestätigungsfragen A.
Allgemeines
Auf das Bezeichnende dieser zweiten Art von Fragen ist schon oben Seite 124 hingewiesen worden. Es handelt sich um Fragen nach dem Inhalt des im Frageton gesprochenen Satzes, um Fragen der Form „hast du es getan?", „hast du es nicht getan?" Den Frageton pflegen wir im Deutschen im allgemeinen durch die sogenannte Inversion zum Ausdruck zu bringen, durch „hast du es getan?" an Stelle der Aussage „du hast es getan." Wir können aber auch die Wortfolge des Aussagesatzes beibehalten und durch Betonung erreichen, daß der Hörende den Satz als eine Frage auffaßt: „du hast es getan?" oder „du hast es getan?" Das Heben der Stimme ist bei jeder Frage erforderlich und üblich. Auch im Ägyptischen hat es Fragesätze gegeben, die sich nur durch den Ton von entsprechenden Aussagesätzen unterschieden haben. So entspricht der Aussage du (bist) die Persönlichkeit aller Götter die Frage du (bist) Horns? oder der Aussage Feinde (sind) da die Frage Wasser (ist) da? oder der Aussage nicht hörst du die Frage nicht gehst du? Der Satz du unrst gehen kann auch fragen du wirst gehen? Aber allerdings: der alte Ton ist verklungen, und die Abbildung solchen Fragesatzes in der Schrift deutet durch nichts an, daß es sich um einen Fragesatz handelt. Wir können derartige Fragen nur aus dem Zusammenhang als solche erkennen, und auch dabei sind wir mehr auf Vermutung als auf sicheres Verstehen angewiesen. Bezeichnend für die „Sicherheit", mit der wir derartige Fragesätze verstehen können, ist eine Stelle im Märchenbuch des Papyrus Westcar: der früher als Frage aufgefaßte Satz nicht werde befohlen zu tun (so an dem lieben Vieh), also als „wird nicht befohlen zu tun?", wird jetzt als Aussagesatz angesehen, nachdem man erkannt hat, daß mit dem „lieben Vieh" die Menschen gemeint sind. Es ist möglich, daß reine Tonfragen in der Form von Aussagesätzen in der Umgangssprache des täglichen Lebens üblich oder sogar häufig gewesen sind. Uns liegen nur wenige Beispiele für sie vor, soweit wir diese Fragen überhaupt heraus zu „hören" vermögen. Ebenso wie die schon oben angeführte Frage „du (bist) Horas?" sind diese anderen Fragen aus den gleichen sehr alten Texten gebildet: du (bist) ein reiner Westlicher? (d.h. Verstorbener) und ich (bin) dein Gefährte? Ein Verbalsatz liegt vor in der Frage es soll sterben dein Vater? An den neuägyptischen Fragesatz
Die Fragen
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nicht gehst du? schließen sich etwa noch Fragen an wie nicht hat er dich ausgeliefert? oder nicht bist du der welcher ...? oder das ivas ich tat war etwas ohne dich? Solche reinen Tonfragen sind in unserem Textmaterial selten, selbst wenn wir in Betracht ziehen, daß dieser oder jener Fall von uns nicht erkannt sein mag. Ändere derartige Tonfragen enthalten innere Partikeln, die ja überhaupt für Fragesätze kennzeichnend sind; ihre Wiedergabe im Deutschen in den folgenden Beispielen soll vor allem ihre Stellung im ägyptischen Satz andeuten: du bist wohl hier? du bist wohl dort? du bist wirklich in Diesem? du bist doch rein? nicht ja hörst du? du hörst nicht wegen was? Für die weitaus meisten der uns vorliegenden Tonfragen sind äußere, die Sätze einleitende Partikeln gebräuchlich. Es sind nicht eigentliche Fragepartikeln, sondern ursprünglich das erste Wort betonende, hervorhebende Partikeln, die im Laufe der Zeit und infolge ihres bevorzugten Gebrauchs vor Tonfragesätzen zu Fragepartikeln geworden sind. Die eine lautet im Koptischen än bzw. ene, die andere wurde vielleicht äs gesprochen. Eine Wiedergabe im Deutschen ist kaum möglich, da wir außer einem „ob" („ob du hörst?") keine solche Fragen einleitenden Wörter besitzen oder verwenden. Es bleibt bei der Übersetzung dieser Fragesätze nichts anderes übrig, als von der „Inversion" Gebrauch zu machen; ob diese im Ägyptischen der einen oder der anderen Partikel entspricht, läßt sich leider nicht andeuten. Noch weniger als bei den Ergänzungsfragen lassen sich die Bestätigungsfragen, die Tonfragen, in annähernder Vollständigkeit aufführen. Es muß auch darauf verzichtet werden, etwa „unwillige" und „nichtunwillige" Fragen unterscheiden zu wollen, da es klare Formen für solche Fragegehalte nicht gibt; hier entscheidet der Ton des Sprechenden, die Stimmung des Hörenden und anderes. B. AusgetväKUe
Fragefassungen
1. „Bist du N . N . " ? ; „bist du N . N . nicht"? Fragen dieses Inhalts lauten: du (bist) Horns? bist du Horus? bist du etwa ein Gott? bist du ein Mann seines Bauches? (d. h. einer, der das Wohlleben liebt). Und negiert: bin ich denn nicht dein Diener? bin ich nicht deine Mviter? 2. ,,Bist du in diesem Zustand"? Wir haben nebeneinander du bist rein? und bist du rein? oder bist du zufrieden? oder bist du hier allein? und auch ist das Haus wohlversehen? to*
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Wie man fragte und antwortete
Hierher gehört auch diese Frage nach dem Befinden des Briefempfängers geht es dir gut? neben welcher der Briefschreiber sich gleich über seinen eigenen Zustand so äußert mir geht es gut. 3. „Tust du . . . " ? ; „tust du . . . nicht"? Die älteste Sprache stellt diese Frage als seine Tonfrage im Aussagesatz du willst gehen? oder dein Vater stirbt?, verwendet daneben aber auch schon die Hervorhebung (vgl. das oben auf Seite 137 Bemerkte): hat er getötet? bist du gekommen?, die später allein üblich ist: trittst du auf meine Kleider? bist du unwissend? wirst du finden? kennt ihr (dies und das)? soll man geben? usw. Und ebenso negiert: rudert ihr nicht? gibst du nicht? geht nicht Pferd hinter Pferd (durch den Engpaß)? In vulgärer Sprache fragt man statt denkst du nicht (an usw.)? auch wohl tust du nicht gedenken? oder tust du dich nicht freuen? 4. „Gibt e s . . . " ? ; „ist es . . . " ? Man kann solche Frage in die knappe Form fassen Wasser da?, bevorzugt aber vollere Ausdrucksweisen: sind Fische vorhanden? ist ein anderer Starker vorhanden? ist ein Geschehnis gewesen in der Heimat? So sind auch die Fragen gefaßt, mit denen in einem Weisheitsbuch auf die großen Weisen der Vergangenheit hingewiesen wird: gibt es hier [d.h. zu unserer Zeit] (einen) wie Hardedef? gibt es einen anderen wie Imhotep? Andere solcher Fragen sind: ist es Wahrheit? ist es Schlimmes? gibt es eine Dame wie mich? gibt es ein Rind groß wie mein eigenes Rind ? und so fort.
ZWEITER TEIL DIE
ANTWORTEN
Die Frage ist nur eine halbe Rede; sie bedarf grundsätzlich der Ergänzung durch die Antwort. Und entsprechend der Bedeutung von f r a g e und Antwort für das Wechselgespräch soll ihr Verhältnis zueinander im Dritten Teil (Seite 146folg.) noch eingehend besprochen werden. Hier handelt es sich um einige Besonderheiten vor allem formaler Art, welche den echten Antworten auf Fragen gemeinsam sind mit Antworten auf Nicht-Fragen, mit Entgegnungen auf Vorschläge, Behauptungen, Äußerungen des Zweifels und ähnliches und weiter mit Erwiderungen auf Befehle und Weisungen. I m ganzen kennen wir solcher Entgegnungen, „Antworten" allgemeiner Art, nicht eben viele. Die Beispiele, die im folgenden angeführt sind, können aus den Gesprächsproben auf Seite 166 folg. leicht vervollständigt werden. Erstes Kapitel
Satzantworten und Wortantworten A. Satzantworten Antworten werden in der Regel in der Form von Sätzen erteilt. Dabei hat die Antwort auf eine Frage nicht selten eine Fassung, die mit der der Frage weitgehend übereinstimmt, etwa in der Art der Antwort des Königs auf die Äußerung des Zweifels der Hofgesellschaft, ob der seltsam gekleidete und verwildert aussehende Mann wirklich der einst so feine und vornehme Sinuhe sei: auf die Erklärung des Königs hin, Sinuhe wäre zurückgekommen, r u f t man nicht ist er es in Wahrheit! worauf der König (der seine Bestätigung ja auch in anderer Form aussprechen konnte) erwidert er ist es in Wahrheit! I n dieser übereinstimmenden Form spricht man auch außerhalb der Fragen und Antworten gelegentlich wie in der folgenden Stelle aus dem Briefstil: (du hast geschworen) ich Voerde ihn bringen lassen!-, aber, so fährt der Briefschreiber fort, siehe, du hast ihn nicht bringen lassen! Selbstverständlich kann nicht jede Antwort in solcher „konformen" Weise erteilt werden. Den Vorschlag seiner Räte, die Frau, deren duftende Haarlocke man im Wasser gefunden hat, durch Boten suchen und holen zu lassen, beantwortet der König mit den Worten gut über alle Maßen ist das was ihr sagt und Behauptungen kann man, will man nicht alles in ihnen
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Wie man fragte und antwortete
Vorgebrachte wiederholen, kaum anders als in der Form wahr, wahr ist alles ivas ihr sagt für richtig und in dieser falsch ist alles was N. sagt für unrichtig erklären. Es sind Wendungen der Rechtssprache. Entgegnungen auf Weisungen, es sind zumeist den Befehl bestätigende, werden einigemal auch in übereinstimmender Form ausgesprochen. So lautet die Antwort auf rudere sehr! so ich rudere und doch sagt jener Mann: rudere sehr! und auf die Forderung mahle ordentlich! erwidert die mahlende Frau ich mahle bis an meine Kraft! Aber gewöhnlich wird in nicht übereinstimmender Fassung mit einer Form des Verbums für „tun" bestätigt, daß man die Weisung usw. gehört hat und befolgt oder befolgen will. Es sind die Ausdrücke ich tue so daß du lohen wirst oder ich tue sehr ordentlich und wie sie sonst formuliert sind, Ausdrücke, die uns besonders oft in den Beden der Arbeitenden auf den Gräberbildern des Alten Reiches begegnen und die auch später üblich gewesen sind. Jüngere Abwandlungen der daneben weiter gebrauchten alten Wendungen lauten ich tue was du willst oder ich tue was gesagt wird und ähnlich. Neben ihnen kommen auch Antworten vor wie diese auf Weisungen beim Schlachten der Rinder du, ich tue oder ich werde tun alles was du Gutes sagst oder wie diese Antworten auf Zurufe, mit der Arbeit zu eilen: wir tun für den starken König und ich werde ein Übermaß an Arbeit tun. In ähnlicher Weise bestätigen auch zwei fürstliche Personen die in einem Brief des Amon an sie enthaltenen Wünsche des Gottes betreffs der Weiterbeförderung seines Boten nach Syrien: „sie ließen sich den Erlaß vorlesen und sagten" ich tue, ich tue nach dem was Amonrasonter der unserige Herr sagt; jeder der beiden Sprechenden sagt „ich tue" usw. Aus der einfachsten Fassung dieser Satzantworten mit „ich tue", die übrigens so gut wie niemals auf Fragen erteilt werden, sondern gewöhnlich nur auf Anordnungen usw., hat sich im Neuen Reich eine Gruppe von Umschreibungen für „ j a ! " entwickelt, die unten auf Seite 141 behandelt sind. B. Wortantworten Wortantworten kommen selten vor und nur als Entgegnungen auf Fragen. Als Beispiele für ein einzelnes Wort als Antwort sind schon oben Seite 125 die Antworten aus einem Totenbuchspruch angeführt worden: der Verstorbene ist gefragt, welcher Art das Kleid sei, das er an hat, und er antwortet in der kürzesten Form ein nw.t-Gewand. In solcher knappen Weise kann man auch auf die Frage erwidern „wer redet?", indem man nur den Namen nennt, wie der Tote im Gespräch mit dem Pfortner am Tor der Unterwelt seinen Namen angibt der Osiris gewordene Armeeintendant des Königs: Paser, der selige. In dieser Form, mit Weglassung der besonderen Wendungen der Totensprechweise „Osiris gewordener" und „der selige",
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Die Antworten
mag der Lebende oft seinen Namen angegeben haben, wenn wir auch keinen Beleg dafür besitzen. Die sonst üblichen Antworten auf „wer?"Fragen siehe unten Seite 147. Absolute Wortantworten stellen auch die „ja"-Antwort mit tjw dar und ein paar „nein"-Antworten (vgl. das folgende Kapitel). Absolute Antworten in der Form von Wortverbindungen sind beispielsweise diese: auf die Frage „mit was für Wasser bist du gereinigt?" wird geantwortet mit diesem Wasser mit dem Re sich gereinigt hat und auf die Frage „was hast du dort gefunden?" erfolgt als Antwort dieses Szepteramulett aus Feuerstein. Eine Wortverbindung ist auch die Antwort m bj].t für „nein". Zweites Kapitel
Ausdrücke für „Ja" und „Nein" A. Zustimmung
„Ja"
1. Ausdrücke mit „ich tue" Die Zustimmung zu etwas vom Gesprächspartner Gesagten kann so gefaßt werden, daß sie nur auf den jeweiligen einzelnen Fall Bezug nimmt, etwa die Aufforderung „rudere sehr" mit „ich werde sehr rudern" beantwortet oder „mahle tüchtig" mit „ich mahle mit aller Kraft" und so weiter, also so, wie die Seite 140 angeführten Beispiele es zeigen. Die Zustimmung kann aber auch in einer allgemeinen Fassung gehalten sein, eine Zustimmung an sich aussprechen, die für alle möglichen Fälle paßt, wie das oben besprochene „ich tue" („so daß du loben wirst", „sehr ordentlich", „was du willst" usw.). In der Tat beantwortet ein solches „ich tue" mit Zusätzen oder allein gebraucht ebenso eine Weisung, etwas zu reichen oder das Messer zu schärfen oder etwas festzuhalten und dergleichen mehr. Im Neuen Reich hat sich aus dieser Verwendung, die vielfach schon der eines bloßen „ja" oder „jawohl" nahe kommt, ein besonderer Ausdruck der Bejahung entwickelt, für den es hinsichtlich der Bildung bezeichnend ist, daß er mit „du, ich" (im Plural mit „du, wir") verbunden wird. Er tritt in zwei Fassungen auf, als ich tue, du, ich! und als ich tue, du, ich! ich tue, ich tue! Zu beiden Fassungen gibt es auch Pluralformen, wenn mehrere sprechend gedacht sind: wir tun, du, wir! und wir tun, du, wir! wir tun, wir tun! Das einfache „ich tue" ist schon zu matt geworden; es muß durch „du, ich" und sogar durch doppelte Wiederholung des „ich tue" verstärkt werden. Im folgenden werden die etwas langatmigen wörtlichen Über-
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Wie man fragte und antwortete
Setzungen umschreibend wiedergegeben: das ich tue, du, ich! mit „Ja, ich tue es" und das ich tue, du, ich! ich tue, ich tue! mit „Jawohl, ich tue es". Mit diesen starken Bejahungen bestätigt man den Empfang einer Weisung, wie der Junge, den ein alter Mann fortschickt, um eine Erkundigung einzuziehen, im Fortlaufen ruft Ja, ich tue es! oder wie der Gott Thoth, dem die Götterschaft das Abfassen eines Briefes anbefiehlt, sich bereit erklärt Jawohl, ich tue es! oder wie die Feldarbeiter die Aufforderung, sich mit der Bestellung des Ackers zu beeilen, entgegnen Ja, wir tun es! (sei nur ohne Sorge). Auch die Totenfigur, die an Stelle des Verstorbenen im Jenseits arbeiten soll, meldet sich statt mit dem üblichen „ich bin zur Stelle" gelegentlich so Ja, ich tue es! (d. h. ich werde die Ackerarbeiten ausführen). Mit diesen Wendungen erklärt man auch seine Bereitschaft, auf einen Vorschlag eingehen zu wollen: Auf die Vorschläge seines Bruders Seth, sich zu vertragen und sich in dessen Hause einen vergnügten Tag zu machen, erwidert Horas jedesmal Jawohl, ich tue es! Ebenso erklären gewisse Beamte ihr Einverständnis mit einer Kompromißlösung in einem verwickelten Rechtsfall so Jawohl, unr tun es! und fügen hinzu „wir haben die Mitteilung entgegengenommen". Auch die Annahme eines gerichtlich ergangenen Urteils wird seitens des Beklagten so bestätigt Jawohl, ich tue es! Endlich spricht man auch die Gewährung einer Bitte so aus: als Bamses in der Not der Chetaschlacht seinen Soldaten ihre Feigheit vorhält, rühmt er sich ihnen gegenüber seiner stets bewiesenen Güte: „Wer immer bittend kam, zu dem sagte ich jedesmal Ja, ich tue es!" 2. Der Ausdruck tjw „ J a " Er ist seit der Literatur des Mittleren Beiches belegt und auch im Neuägyptischen noch gebräuchlich. Vielleicht ist diese Bejahung tägliches Sprachgut gewesen, wenn sie auch in den uns erhaltenen Texten recht selten vorkommt. Dem Satz „ J a ich tue" steht tjw als Einzelwort gegenüber, etwa als ein Ausruf. Ob die Bedeutung einfach unserem „ j a " entspricht, ist nicht sicher zu sagen; ein „gewiß" könnte auch passen. Jedenfalls in einer Versicherung: „ich habe Stiftungen errichtet" tjw ich bin nicht meinem Vater feindlich gewesen, nicht abweisend gegen meine Mutter usw.; hier scheint tjw ein betontes „gewiß" oder „wahrlich" auszudrücken. Aber solche Übersetzung paßt für die anderen Stellen nicht, an denen man gut mit ja als Gegensatz zu „nein" auskommt. Dieser Gegensatz ist einmal ausdrücklich bezeugt: in den Mahnreden des Ipuwer heißt es in einem Vers „es ist doch so": der Wissende sagt „ja", der Törichte sagt „nein" (eigtl. „im Gegenteil"; vgl. unten Seite 143). Ebenso absolut gebraucht als Zustimmung
Die Antworten
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findet sich das Wort auch im Märchen von den zwei Brüdern: als den Bäten die Sache mit der untreuen Frau des Bata vorgetragen war nebst Vorschlägeu betreffs ihrer Bestrafung da machte man „ja" zu ihnen (d. h. die Bäte billigten die Vorschläge). Als Gegenäußerung auf etwas vorher Gesagtes kommt dies „ja" noch ein paarmal vor: als Aussage im Prozeß ja, es ist wahr, was N. N. sagte; als Antwort auf eine Frage: „ist es Wahrheit, was man sagt, du verstündest einen abgehackten Kopf wieder anzusetzen ?" fragt der König den Weisen der entgegnet ja, ich verstehe (es) König, mein Herr!; als Bestätigung eines erhaltenen Auftrags sagt jemand ja, sehr, sehr! du, ich tue den gesamten Auftrag (zu deutsch: ich erledige den Auftrag vollständig). B. Ablehnung
„Nein"
1. Verschiedenes Eine Ablenkung wird gewöhnlich in Satzform ausgesprochen, und zwar so, daß dabei Bezug genommen wird auf das, was abgelehnt wird. Die Aufforderung „iß!" wird vom Toten mit dem Satz ich esse nicht! zurückgewiesen; die Frage „ist Wasser vorhanden?" wird beantwortet nicht (ist) Wasser da; als Unamun hört, daß der ihm nicht freundlich gesinnte Fürst von Byblos, um den unerwünschten Boten des ägyptischen Königs abzuschrecken, seinem Hausmeister sagt „laß ihn das Grab der früheren Boten sehen" lehnt er ab: laß es mich nicht sehen. Die Ablehnung kann auch in kürzerer Form erfolgen: die Forderung „gib Korn" wird zurückgewiesen mit ist nicht vorhanden, eine andere mit ist nicht da. Aber zu einem eigentlichen „nein" haben diese Kurzablehnungen nicht geführt. Denn auch der Ausdruck, der schon oben als Gegensatz zu „ja" angeführt ist, bedeutet mehr „im Gegenteil" als bloßes „nein", und er ist überdies eine präpositionelle Verbindung nach Art von „in Frieden"; was das der Präposition folgende Substantiv ursprünglich besagt, wissen wir nicht. Der absolute Gebrauch ist selten: in einer Buhmrede sagt einer, der berichtet, wie gut er im Leben gewesen sei „ich reichte meine Hände den Vornehmen und den Geringen, nicht sagte ich zu irgend jemand „im Gegenteil" ( = nein ?, vielleicht als Abweisung einer Bitte). Die vermutete Bedeutung „im Gegenteil" paßt gut für die Fälle, in denen noch ein die Ablehnung erläuternder Satz folgt. In einem Gespräch mit seinem Bruder Horus weist Seth dessen Behauptungen jedesmal in der Weise zurück, daß er sie verneinend wiederholt und die Verneinung durch „im Gregenteil"
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verstärkt. Ein Beispiel: Horas hatte gesagt ich (war) gestern; ich (bin) das heute; ich (werde sein) morgen, das noch nicht gekommen ist; darauf antwortet Seth im Gegenteil; nicht (warst) du gestern; nicht (bist) du das heute; nicht (wirst) du (sein) morgen, das noch nicht gekommen ist (und so mehrmals zu anderen Behauptungen). Ein anderes gutes Beispiel bietet eine gerichtliche Auseinandersetzung, bei der jemand gefragt wird, weshalb er das Erbe seines Gregners gewaltsam an sich reißen wolle; die Antwort lautet: im Gegenteil! man soll ihm sein Erbe überlassen. 2. Einschränkende negierte Antworten Bildungsmäßig unterscheiden sich „einschränkende" Antworten, „nur"Antworten nicht von entsprechenden „nur"-Aussagen, wie etwa dieser: nicht war dem Fürsten geboren worden außer einem weiblichen Kinde. Auf die Frage des mißtrauischen Ehemannes wer hat mit dir gesprochen? antwortet seine Frau nicht hat einer mit mir gesprochen außer deinem kleinen Bruder, d. h. nur dein Bruder hat mit mir gesprochen. Und die Frage was von Kraut (ist) das, was Seth ißt? beantwortet der Gärtner mit nicht ißt er irgendein Kraut hier bei mir außer Lattich, d. h. nur Lattich. In einem Prozeß gegen Leute, welche beschuldigt sind, die thebanischen Gräber beraubt zu haben, sagt ein Beklagter aus ich kenne nicht irgendeine Grabstätte hier unter diesen Grabstätten außer diesem offenen Grabe, d. h. nur dieses leere Grab. Auf die Frage der Hausfrau, ob im Hause alles in Ordnung sei, meldet die Dienerin „das Haus ist wohl versehen mit allen guten Dingen" außer Töpfe, (die) hat man nicht gebracht.
d r i t t e r ; TEIL FRAGEN UND ANTWORTEN IM V E R H Ä L T N I S
ZUEINANDER
Erstes Kapitel
Fragen ohne Antworten und Antworten ohne Fragen Unter den uns vorliegenden ägyptischen Fragen sind viele, zu denen die Antworten fehlen, und in den zahllosen Aussagen und sonstigen Mitteilungen, besonders der Briefe, sind nicht wenige Antworten enthalten auf Fragen, die wir nicht kennen, wenn wir auch gelegentlich eine Frage in einem Brief mit einer Antwort in einem anderen Brief verschiedener Absender und Empfänger zusammenbringen können, wie diese Frage nach dem Befinden geht es dir gut? mit der Äußerung desselben Briefechreibers über sich selbst du, mir geht es gut und mit der Nachricht aus einem anderen Brief „es ist gut, daß du mir schreibst: du, mir geht es gut" (er zitiert die Briefstelle wörtlich); also lautete die Antwort auf die Frage so. Aber nicht immer ist die nicht überlieferte Antwort uns verloren gegangen. Nicht selten ist eine Antwort nie erteilt und auch nicht erwartet worden. Das ist bei den recht häufigen rhetorischen Fragen der Fall und bei solchen Fragen, die nur die Form von Fragesätzen haben, in ihrem Gehalt jedoch aussagende oder bedingende Sätze sind. Wie es auch im Deutschen (und in anderen Sprachen) Fragen gibt, die eigentlich eine Bedingung aussprechen: „fühlst du dich nicht wohl? dann will ich nicht stören" oder eine Aufforderung: „willst du sofort herkommen?!", so sind auch im Ägyptischen die Grenzen zwischen Fragesätzen und Aussagesätzen und zwischen Fragesätzen und Bedingungssätzen unscharfe. An rhetorischen Fragen der Art wie diese Was denn (ist) das was man tun soll? im Sinne von „was soll man nur tun?" (um dem Unglück zu begegnen) ist in den Texten kein Mangel. Solche Fragen nehmen manchmal den Sinn ganz andersartiger Sätze an, etwa eines mahnenden Anrufs, einer verneinten Aussage, eines preisenden Ausrufs, einer versteckten Bitte und was dergleichen mehr ist. Der Lehrer, der den Schüler fragt denkst du nicht an den Untätigen? meint eigentlich „denke doch daran, wie es dem Trägen ergeht!", dessen Los er dann weiter ausmalt. Wenn der Lebensmüde in einem seiner schönen Gedichte immer wieder fragt zu wem spreche ich heute?, so will er im Grunde sagen „ich kann zu keinem anständigen Menschen
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Wie man fragte und antwortete
sprechen, denn die Welt ist so schlecht". Die Frage in der Lehre des Amenemope welcher Gott ist so groß wie Thoth? ist eigentlich ein Ausruf „kein Gott ist so groß wie Thoth!" Mit seiner Frage willst du uns nicht vorbeigehen lassen auf dem Wege? bittet der Bauer den Beamten indirekt „laß uns doch in Frieden unsere Straße ziehen". Die Frage der Mutter am Lager ihres kranken Kindes bist du gekommen um das Kind zu küssen ? setzt gar keine Antwort des Krankheit bringenden Gespenstes voraus, sondern besagt „solltest du etwa gekommen sein, um des Kind zu küssen" ich lasse nicht zu, daß du es küßt. In anderen Fällen wieder läßt der Fragende den Befragten gar nicht zur Antwort kommen, sondern setzt sogleich seine Rede fort. So Rawoser, als die fremden Damen seiner Frau bei der Geburt der drei Kinder beigestanden haben meine Damen, was ist das, was ich für euch tun soll? Ach, möget ihr geben („dieses Quantum Gerste euerem Gepäckträger", nämlich als Honorar für euere Leistung). So Dedi zum König, als dieser sich über die Nachricht von der Geburt künftiger Könige sorgenvolle Gedanken macht was denn [ist) es dieses Herz (d.h. warum diese Stimmung?) „König, mein Herr? Wenn es wegen jener Drillinge ist, so besteht im Augenblick keine Gefahr". So auch die Götter zu Bata bist du hier allein ? (und hast dein Dorf verlassen vor der bösen Frau des Anubis ? Seine Frau ist tot). Solcher Fälle gibt es mehr. Zweites Kapitel
Fragen mit Antworten Der Ägypter kann Fragen in absoluter Form als bloße Wortfragen, also als Nicht-Sätze, stellen und er kann auch in dieser Form Antworten geben. Aber von beiden Möglichkeiten wird in den uns vorliegenden Texten nur selten Gebrauch gemacht. Man antwortet bevorzugt in Sätzen, wobei oft die Frage und die Antwort übereinstimmen, die Antwort der Frage angepaßt ist. Man antwortet auf die Frage „was ist das was da auf dem Wege läuft?" nicht einfach „ein Hund", sondern man spricht einen Satz das ist ein Hund. Man kann auf die Frage „wer bestellt dir die Äcker ?" antworten „die und die Leute", aber man antwortet gern so, wie auf diese Frage des Königs, wer wird mir sie holen? in dieser angepaßten Form der älteste von den drei Kindern, die im Leibe der Reddedet sind, er wird sie dir holen. Dieses Beispiel aus dem ganz im volkstümlichen Ton gehaltenen Märchenbuch ist für die Beurteilung derartiger Antworten lehrreich. Es zeigt einmal, daß auch ein sehr wortreiches Subjekt nicht hindert, den Fragesatz in der Antwort zu wiederholen. Und es entkräftet zum andern den denkbaren Ein-
Fragen und Antworten im Verhältnis zueinander
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wand, daß solche ausführlichen Satzantworten mehr der Schreibe als der Spreche angehören möchten, daß man sich wohl literarisch so ausdrückte, aber nicht im täglichen Leben so redete. Die Märchen des Papyrus Westcar sind in diesem Sinne unliterarisch, ebenso schlicht wie etwa die Beischriften zu den Gräberbildern der Arbeitenden, deren Äußerungen sie gewiß so wiedergeben, wie sie gesprochen sind, nämlich zumeist in Sätzen „es ist gut", „es ist dieser Vogel sehr fett" usw. Verkürzungen zu bloßem „gut", „sehr fett' usw. sind offenbar ungebräuchlich gewesen. Es wäre auch irrig, zu meinen, daß die Höflichkeit dem König gegenüber die obige volle Antwortform bedingt hätte. Die volle Antwortform ist gar nicht besonders höflich oder feierlich: als der Fährmann die fremde Frau gefragt hat was gibst du mir (wenn ich dich übersetze)? erwidert sie ich gebe dir dieses Brot. Also auch bei einer alltäglichen geschäftlichen Vereinbarung sagt man lieber „ich gebe dir dieses Brot" als nur „dieses Brot". In derselben Folge, in der oben die Frageformen besprochen wurden, sind in ausgewählten Beispielen Fragen mit den auf sie erteilten Antworten zusammengestellt, aus denen der Gebrauch der Kurzantworten, Satzantworten usw. sich von selbst ergibt. Die Einführungen wie „sagte er" sind, als für die Fassung der Frage und Antwort unwesentlich, fortgelassen. A. Antworten auf
Ergänzungsfragen
1. Wer? wessen? wem? a) W e r ?
Wer denn (bist) du? Ich bin einer von euch! Wer denn (bist) du, der gekommen ist? Ich (bin) der Zauberer! neuägyptisch: du (bist) wer denn? Ich (bin) Bata! Ihr (seid) wer? Wir (gehören) zum Chetafürsten! Wer denn (ist) er? Osiris ist es! Wer denn (ist) es, dieser große Kater? Re selbst ist es! Wer (ist) der mit dir? Merti ist es! in jüngerer Sprache: Wer denn (ist) sie, die Reddedet? Die Frau des Priesters des Re ist es! Wer (ist) die welche kommt? Isis, die Große, die Gottesmutter ist sie! Wer (ist) der welcher hinter dem Manne läuft? Ein Hund (ist) der! Wer (ist) es der übrigbleiben wird? N. N. (ist) es der übrigbleiben wird! Wer, er urird ihn holen, er wird ihn finden? Ich, ich werde ihn holen; ich, ich werde ihn finden! Wer (ist) der dich geblendet hat? N. N. (ist) der mich geblendet hat! Wer (ist) der die Äcker dir pflügt? Die Alten! Wer (ist) der sie dir bewacht ? Das Königskinderpaar (ist) dahinter! (d. h. bewacht sie: „hinter etwas sein" als Synonym zu „bewachen"). Wer denn (ist) dein Name? „Der im Ölbaum" (ist) mein Name! Auf die Frage Wer (ist) der Name meines Vaters? antwortet die Mutter ausweichend
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Wie man fragte und antwortete
„du siehst diesen Blinden, der neben der Haustür sitzt? der deinige Vater {ist) der; sie nennt also den Namen gar nicht. b) Wessen?
Ein Sohn wessen von den Fürsten? Ein Sohn eines Offiziers! Die Frage der Mitschüler des Sohnes eines Blinden du (bist) der Sohn wessen? wird sogleich von ihnen selbst höhnend beantwortet du hast [ja gar] keinen Vater! c) Wem?
Ich soll dich melden wem? Dem Gott, der Dienst hat! Man jubelt wem zu, mein Junge? Man jubelt dem Eje zu! 2. Welcher . . . ? was für ein . . . ? Ich soll dir bringen welche Fähre? Bringe mir „sie fliegt auf und flattert nieder"! (so ist der Name der Götterfähre). Du gehst auf welcher Straße? Ich gehe auf dieser Straße, auf welcher N. N. zu gehen pflegt! Sie wird gebären zu welcher Zeit? Sie toird gebären am fünfzehnten Tage des Monats Tybi! Du kommst wegen was von Auftrag? Ich komme wegen des Holzes für die Barke des Amon! Was (an) Gewicht (ist) was auf deiner Schulter (liegt)? Weizen drei Scheffd, Gerste zwei Scheffel, zusammen fünf, (ist) das loas auf meiner Schulter (liegt)! 3. Was? Was denn (ist) es das du damit getan hast? Ich habe es begraben! Du gibst mir was? Ich gebe dir dieses Brot! Du sagtest zu ihr was? Ich sagte zu ihr (folgt das Gesagte)! Was denn (ist) es das du da gefunden hast? Dieses Szepteramulett aus Feuerstein! Was denn (ist) es, das sie dir gaben ? Diesen Feuerbrand! Auf die Frage des Königs Was denn (ist) es, daß ich dich noch nicht gesehen habe ? antwortet Dedi der Gerufene (ist) es der kommt! (d. h. ich komme erst, wenn ich gerufen werde). Was (soll) das törichte Reisen das man dich tun läßt? Unrecht: es ist gar kein törichtes Reisen bei dem ich bin! 4. Wegen was? zu was? mit was? („Ich esse nicht!") Wegen was? Weil ich besandalt bin mit den Sandalen des Gottes Seker! Du ruderst nicht wegen was? Es ist (geschehen daß) der Schmuck aus neuem Malachit ins Walser fiel!
Fragen und Antworten im Verhältnis zueinander
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Du bist gekommen zu was? Ich bin hierher gekommen um Meldung zu erstatten! Sie ist (versehen) mit was ? Sie ist (versehen) mit zwei Flügeln! Du lebst von was? Ich lebe von sieben Broten! Es [das Feuer] wird gelöscht mit was? Es wird gelöscht mit Asche! 5. Wie? Es wird sein jenes Land wie was ohne ihn, jenen Gott (d. h. den verstorbenen König) ? Fürwahr, sein Sohn ist in den Palast eingetreten! (d. h. ist sein Nachfolger geworden). 6. Wo? woher? wohin? Du issest wo? Ich esse unter jenem Baum! Du bist hervorgekommen wo? Ich bin hervorgekommen in der Stadt N.! Du kommst woher, der hübsche Junge? Ich bin der Sohn eines Offiziers des Landes Ägypten! Er geht wohin? Dieser N. geht zum Himmel! 7. Wie lange Zeit? Wieviel bis zu diesem Tag seit du gekommen bist von da, wo Amon ist? Fünf voUe Monate bis zu diesem [Tag]! B. Antworten auf
Bestätigungsfragen
Soweit Antworten auf reine Tonfragen dieser Gruppe erhalten sind, zeigen sie wechselnde Fassungen. Zwar auf die Frage Wasser (ist) da? lautet die Antwort nicht (ist) Wasser da! und auf die Frage du bist doch rein? so ich bin rein! Aber die Frage du (bist) ein reiner Verstorbener? wird beantwortet ich komme aus der Falkenstadt; in der Antwort muß liegen, daß er rein ist, weil nur Reine aus dieser Stadt kommen können. In ihrer Antwort ich bin gekommen, daß ich diesen Großen bewahre auf die Frage du bist gekommen, daß du deinen Sohn versteckst? mag Nut absichtlich von „bewahren" statt von „verstecken" der Frage sprechen. Die mit der oben Seite 137 gekennzeichneten Fragepartikel eingeleiteten Fragen werden gern in konformer Weise beantwortet, die zugleich zeigt, wie diese Partikel den ihr folgenden Satz durch betonende Hervorhebung zu einem Fragesatz macht. Lautet die Frage bist du ausgestattet? so lautet
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die Antwort ich bin ausgestattet! Auf fragendes kennst du den Weg, auf dem du gehen mußt? erfolgt als Antwort ich kenne den Weg, auf dem ich gehen muß! Die Frage ist das Haus wohlversehen? wird ganz ebenso beantwortet es ist wohl versehen! Zu diesen Antworten, deren es mehr gibt, gehört auch die Erwiderung des Dedi ja ich verstehe (es)! auf die Erkundigung des Königs ist es Wahrheit das Gerede, daß du verstehst (das und das auszuführen)?; sie nimmt das Wesentliche der Frage „du verstehst?" wieder auf, während das „ja" bestätigt, daß das Gerücht auf Wahrheit beruht. Und ebenso gehört hierher die Antwort sie kommen um zu dienen auf die „oder"-Frage des Königs kommen sie um zu kämpfen? kommen sie um zu dienen? Aber auch bei diesen Fragen bestimmt ihr Inhalt die Form der Antwort, die beispielsweise auf die Erkundigung könnt ihr nicht rudern? lautet die unsrige Führerin schweigt, ohne zu rudern! Die Antwort allerdings, die der Bauer dem schlechten Beamten sowohl auf die vorwurfsvolle Frage trittst du auf meine Kleider? als auch auf diese andere ist dir meine Gerste zum Weg? gibt mein Weg ist gut! (d. h. ich gehe ganz so, wie es sich gehört) ist keine eigentliche Antwort auf die Fragen, sondern mehr eine Rechtfertigung allgemeinerer Art.
Vorbemerkungen Die im Vorstehenden zuletzt behandelten Fragen mit Antworten leiten von den einseitigen Äußerungen zu den wechselseitigen Äußerungen, zu den Gesprächen, hinüber. Jede Frage mit Antwort stellt entweder selbst ein Kurzgespräch dar oder ist Bestandteil eines längeren Gesprächs. Die Unterscheidung zwischen Äußerung und Gespräch ist im Grunde eine künstliche, die sich nicht klar durchführen läßt. Aber ihre Unterscheidung ist geboten, um die verschiedenen Formen und Inhalte der Gespräche zu erkennen. Gewiß ist alles Gesprochene, wie letztlich auch alles Geschriebene, dazu bestimmt, von einem Hörenden oder Lesenden aufgenommen zu werden. Denn die Sprache ist ihrem Wesen nach ein Erzeugnis der Gesellschaft, des Gemeinschaftslebens, ist ein Mittel zur Mitteilung, das der gegenseitigen Verständigung dient. Die Sprache äußert sich nicht in Monologen, sondern wesenmäßig in Dialogen, in Rede und Gegenrede. Aber nur, wenn auch die Gegenrede wirklich erfolgt, kann man im eigentlichen Sinne von einem Dialog, von einer Wechselrede, von einem Gespräch reden. Andererseits aber sprechen auch wir von einem Gespräch, wenn jemand leise oder laut, in Gedanken oder in Worten, sich selbst über irgendetwas klar werden will, im Selbstgespräch, das gerade auch der Ägypter ausdrücklich als ein Mitsich-selbst-Sprechen, als ein echtes Gespräch empfunden hat. Neben dem wirklichen zweiseitigen Gespräch zweier verschiedener Personen steht das einseitige Gespräch als Selbstgespräch und auch als Gebet und dergleichen. Der Betende hört die Antwort der Gottheit nicht, aber er schließt aus der Erfüllung der Bitte, daß sie vernommen und beantwortet wurde. Wir haben viele entsprechende Äußerungen im Ägyptischen wie etwa diese des dankbaren Vaters, dem Amon den mit Krankheit gestraften Sohn wieder genesen ließ: ich werde diesen Denkstein errichten auf deinen Namen hin, so sagte ich zu dir, und du härtest auf mich (und rettetest meinen Sohn). In einer Wechselrede spricht der Ägypter zu einem anderen, im Selbstgespräch spricht er zu seinem Herzen. König Amosis unterhält sich mit seiner Gemahlin, indem einer sprach gegenüber seinem zweiten, und als die Heerführer sich über die Königswahl miteinander beraten da sprach einer zu seinem zweiten unter ihnen und von Leuten, die einander etwas zurufen u*
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Wie man miteinander und voneinander sprach
ruft einer unter ihnen seinem zweiten zu. In einem Selbstgespräch spricht man ebenso zu seinem Herzen wie Chacheperreseneb zu seinem Herzen sagt („komm, mein Herz, daß ich zu dir sprechen kann" usw.) und weiter sagt ich spreche zu dir, mein Herz, daß du mir antwortest. Auf die Gebete und verwandte einseitige Gespräche einzugehen, würde zu weit führen. Die echten Zwiegespräche zweier verschiedener Personen sind, im Ägyptischen jedenfalls, teils solche, die einmal stattgefunden haben oder die doch hätten stattfinden können, also Gespräche, die uns als „historische" überliefert sind, wie etwa die Gespräche zwischen dem König und seinen Militärs in den Annalen Thutmosis' des Dritten, die auf den während der Feldzüge geführten Tagebüchern beruhen, oder Gespräche, die der Märchenerzähler erfunden hat, teils aber auch solche, die niemals gehalten sind oder hätten gehalten werden können, jedenfalls nicht von unserem Standpunkt aus gesehen. Das gilt von den Totengesprächen, den in der Totenliteratur so vielfach vorkommenden Gesprächen, die der Verstorbene im Jenseits mit dessen Gottheiten führt, nach dem Tode zu führen hat. Das Besondere dieser Gespräche ist, daß sie nicht, wie sonst alle tatsächlich stattgehabten oder nur zu literarischen Zwecken erfundenen Gespräche, einmalige sind, sondern daß sie immer wieder in genau demselben Wortlaut gehalten werden. Sie sind für jeden Toten gültig, der ihre Kenntnis besitzt (die er sich kaufen kann in Gestalt eines Totenbuches oder erwerben kann durch Niederschrift in seinem Grabe). Sie sind dadurch merkwürdig, daß schon die Entgegnungen bekannt sind auf das, was der Tote erst sagen wird, und die Ansprachen der Götter, auf die der Tote erwidern muß. Dabei sollen doch alle diese Wechselreden erst im Jenseits gehalten werden! Aber, und das ist für uns das Entscheidende, alle diese Jenseitsgespräche sind in der Sprache, im Aufbau, im Hin und Her der Wechselreden in nichts von den Gesprächen der Menschen im Leben unterschieden, so daß wir sie unbedenklich für unsere Aufgabe verwenden dürfen. Sie sind, abgesehen von der sich auch in späten Niederschriften immer gleich bleibenden altertümlichen Sprache ihrer Abfassungszeit, schlichten menschlichen Gesprächen nachgebildet. Nur so konnten sich die Verstorbenen mit den Göttern des Totenreiches verständigen, in der Sprache und Sprechweise der Menschen, wennschon es einem Toten im späteren Neuen Reich (der im Leben neuägyptisch gesprochen hatte) oder gar in der Ptolemäerzeit (in der Demotisch die Umgangssprache war) nicht leicht gefallen sein mag, die Reden in alter Sprache zu führen und zu verstehen! Es war nicht anders, als wenn ein heutiger Provenzale „Drüben" klassisches Latein sprechen müßte.
Zum Vorkommen von Gesprochenem in den Texten Die Zahl der uns vorliegenden Texte oder Textabschnitte, in denen ein „ich" im Anredeton zu einem „du" oder zu mehreren „ihr" spricht, ist eine große. Da sind die Sprüche der Totentexte, die so gut wie sämtlich dem Verstorbenen als von ihm „zu sagen" in den Mund gelegt sind und in denen die Gottheiten des Jenseits angeredet werden und selbst sprechen. Da sind die biographischen Inschriften der Gräber, in denen der Tote in der ersten Person zur Mit- und Nachwelt spricht. Da sind Briefe, Weisheitslehren und andere Textgruppen noch, mit einer Fülle von Äußerungen im „ich"-Ton und auch mit Äußerungen, die gleichsam als Zitate aus der gesprochenen Sprache angeführt werden nach einem „er sagte" und ähnlich. Zum guten Teil besteht dieses echte Gesprochene freilich nur aus einzelnen zusammenhangslosen Äußerungen, die wir wohl als Stoff für ein „ägyptisches Gesprächsbuch" (vgl. unten Seite 166ff.) gut verwenden können, die «ber selbst keine Gespräche in Wechselrede sind. Wirkliche Gespräche als kürzere oder längere wechselseitige Äußerungen zweier verschiedener Personen sind uns aus allen Zeiten erhalten, aber in ungleicher Menge. Die Quellen sondern sich in die Gruppe der Totentexte und ihnen verwandter Texte religiösen Inhalts und in die Gruppe der von den Lebenden handelnden Texte, der Urkunden aller Art, der Beischriften zu den Bildern in den Gräbern und auf den Wänden der Tempel, der literarischen Werke (Erzählungen, lehrhaften Texte usw.). Im einzelnen ist selbstverständlich die vom Zufall abhängige Erhaltung maßgebend, aber auch anderes. So kennen wir Unterhaltungen der wie auch immer Arbeitenden besonders zahlreich aus den Gräbern des Alten Reiches. Seit dem Mittleren Reich werden sie ganz selten; die Überschrift zu einer Szene in infinitivischer oder ähnlicher Sprachform ersetzt zumeist die lebendige, ihre Arbeit zugleich erklärende Hin- und Herrede der Leute. Aber da, wo ihre Gespräche noch aufgezeichnet sind, sind sie dafür allerdings auch oft länger und ausführlicher als im Alten Reich. Andererseits sind die sogenannten historisch-biographischen Urkunden sehr arm an Gesprächen, was sich aus der Art dieser fast durchweg stark persönlich gehaltenen Berichte erklärt, in denen kaum Platz ist für die Wiedergabe einer Unterhaltung, die der Tote für wichtig genug erachtet, sie der Nachwelt mitzuteilen. Dem-
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Wie man miteinander und voneinander sprach
gegenüber erklärt sich die als besonderer Glücksfall anzusehende Erhaltung des Wortlauts der Besprechungen im Kriegsrat Thutmosis' des Dritten auf seinem ersten syrischen Feldzug gerade aus der für ägyptische historische Berichte ungewöhnlich sachlichen Abfassung dieser Annalen, die auf den Kriegstagebüchern beruhen. Alles in allem ist unser Material aber voll ausreichend, um eine Vorstellung vom Sprechen der Ägypter miteinander und voneinander zu gewinnen, und wir besitzen gute Proben für einige bezeichnende Gesprächstypen.
ERSTER TEIL
VON D E R W I E D E R G A B E D E R
GESPRÄCHE
IN D E N T E X T E N Da wir nicht mehr hören können, wie die Ägypter sprachen, sondern nur noch zu lesen vermögen, da uns das Gesprochene nur in vokalloser schriftlicher Abbildung vorliegt, erscheint es angebracht, uns darüber klar zu werden, wie die Gespräche und im weiteren Sinne alles Gesprochene in den Quellen wiedergegeben werden, das heißt, mit welchen schreibtechnischen oder sprachlichen Mitteln Gesprochenes äußerlich kenntlich gemacht und dadurch vom übrigen Geschriebenen und im umgebenden Text Berichteten abgehoben wird. Das soll im ersten Kapitel geschehen. Im zweiten Kapitel werden ein paar bemerkenswerte Fälle behandelt, in denen uns Berichte über den Inhalt stattgehabter Gespräche und erlassener Anordnungen vorliegen, deren ursprünglicher Wortlaut uns außerdem erhalten ist. Erstes K a p i t e l
Kenntlichmachung und Einführung des Sprechenden A. Ohne Kenntlichmachung durch Worte Die Rufe, Reden, Gespräche usw. der auf den Gräberbildern des Alten Reiches und der Folgezeiten dargestellten Arbeitenden usw. werden nicht mit Worten gleichviel welcher Formulierung (etwa: „der Hirt sagt:" oder „er sagt zu ihm:" oder ähnlich) eingeführt. Die in kurzen senkrechten oder waagerechten Zeilen niedergeschriebenen Äußerungen sind auf den ersten Blick oft nicht von anderen Beischrifben zu unterscheiden, zumal sowohl die Gesprochenes wiedergebenden Schrifbzeichen als auch die nur beschreibenden in gleicher Weise bei einer nach rechts gewendeten Person von rechts her, bei einer nach links gewendeten von link« her zu laufen pflegen. Die Angabe über die dargestellte Tätigkeit das Anfeuchten des Stabes und die Äußerung eines dabei Beschäftigten feuchte diesen Stab an! werden erst beim Lesen als Beschreibung im Infinitiv und als Aufforderung im Imperativ erkannt. Dabei können die beiden Formen des Infinitivs und des Imperativs bei gewissen Verbalstämmen in der Schrift völlig gleich aussehen, so daß beispielsweise ein das Besehen jeglicher Arbeit und die Auf-
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Wie man miteinander und voneinander sprach
forderung besieh dieses Blut hinsichtlich der Verbalformen „besehen" und „besieh" sich im Schriftbild nicht unterscheiden. Die bei einer einseitigen Äußerung je nach der Stellungsrichtung des Sprechenden teils von rechts, teils von linkR her laufenden Schrifitzeichen laufen bei einem Gespräch zweier sich gegenüberstehender oder sitzender Personen aufeinander zu: Auf die Weisung des rechts Befindlichen schlachte! eile! erwidert der links tätige Schlächter ich tue so, daß du loben wirst. Nichteinführung des Gesprochenen durch entsprechende Worte findet sich in alter Zeit und als Altertümlichkeit vereinzelt später noch auch in fortlaufenden Texten, insbesondere aus der Totenliteratur. Und zwar handelt es sich in der Regel um eingestreute Wechselreden mit Frage und Antwort, um Gespräche, bei denen die Äußerungen der beiden Partner nur aus dem Zusammenhang als Spreche zu erkennen sind. Der Zusammenhang spielt naturgemäß eine entscheidende Rolle, besonders dann, wenn die Fragen bloße Tonfragen sind (die, nur geschrieben, ja eben keinen Ton andeuten) wie in diesem Kurzgespräch aus den Pyramidentexten Nut, spreize dich über deinen Sohn, den toten König; versteck ihn vor Seth! Ich werde ihn bewahren. Nut, du bist gekommen, damit du deinen Sohn versteckst? Ich bin gekommen, damit ich diesen Großen bewahre oder wie in diesem Gespräch (das als ein solches zu erkennen Mühe gemacht hat) einer nicht näher bezeichneten Person mit Isis: dein Sohn Horus brennt in der Wüste! Wasser (ist) da ? Nicht (ist) Wasser da! Wasser (ist) in meinem Munde, ein Nil (ist) zwischen meinen Oberschenkeln; ich bin gekommen, um das Feuer zu löschen. Fragen mit eigentlichem Fragewort erleichtern das Verständnis, wie beispielsweise in dieser Unterredung des Toten mit dem Fährmann: bringe mir dieses [d. h. eine Fähre]! ich soll dir bringen welche Fähre? bringe mir (die und die Fähre) oder in dieser anderen: (Fährmann!) fahre mich über zum Gefilde der Binsen! du bist hervorgekommen wo? ich bin hervorgekommen in der Stadt N. und machen in demselben Spruch dann weiterhin auch diese Worte als Frage und Antwort wahrscheinlich: jene vier Geister, die mit dir sind? Hapi, Duamutef, Amset, Kebehsenuf (sind es). In derselben Weise sind öfters Gespräche in dieser Literatur wiedergegeben, ohne Kenntlichmachung der Sprechenden, so, als ob sich die Partner wie auf den Gräberbildern und im Leben gegenüberstünden und miteinander redeten. Bei der bloßen Mitteilung dessen, was gesagt werden muß (vgl. dazu Seite 155), kann die Bezeichnung der Sprecher fehlen, zumal in allen denjenigen Fällen, in denen der im Jenseits die Texte ablesende Tote selbst einer der Gesprächsteilnehmer sein soll. Bei der wörtlichen Wiedergabe einer Unterhaltung in einer Erzählung oder in einem Text ähnlicher Art aber ist die Kenntlichmachung oder die Einführung der Redenden für das Verständnis notwendig.
Von der Wiedergabe der Gespräche in den Texten
B. Kenntlichmachung
und Einführung
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durch Worte
1. Nachgestelltes „sagt er" Die Kenntlichmachung des jeweils Gesprochenen als solches durch ein besonderes „er sagte", „ . . . sagt er" ist erst nach und nach üblich geworden, wie es scheint. Sie beginnt damit, daß die Worte der Sprechenden oder des einen Gesprächspartners zunächst gelegentlich, dann regelmäßiger nach dem Gesagten durch ein „sagt der und der" als Äußerung gekennzeichnet werden. Diese nachgesetzte Kenntlichmachung ist auffälligerweise in der alten Sprache und in der jüngeren sehr unterschiedlich in Gebrauch gewesen. In der alten Sprache ist das „sagt er" so gut wie ausschließlich beschränkt auf die Totentexte (Pyramidentexte, Sargtexte, Totenbuch) und auf die Texte der thebanischen Königsgräber (Amduat, Pfortenbuch und ähnliche Jenseitsbücher). Die ältere Umgangssprache der Urkunden, der erzählenden Literatur usw. kennt das nachgestellte „sagt er" nicht. Sie verwendet das voranstehende „er sagte", „N. sagte" und so fort, das in ältesten Totentexten nur selten gebraucht wird. Im Neuägyptischen aber gehört dies nachgestellte „sagt er", „sagte er" der Sprache des täglichen Lebens an. Ein paar Beispiele für den Gebrauch in der alten Sprache werden deutlich machen, wie das „sagt er", nachgestellt oder auch eingeschoben (hinter den ersten Worten des Gesprochenen), verwendet wird. Der, dessen Rede so gekennzeichnet wird, ist nur ausnahmsweise der Tote selbst, wie in diesem Gespräch: (Stier der Opferspeisen, beuge dein Horn) laß mich vorbeigehen! sagt N. du gehst wohin? ich gehe zum Himmel! Zumeist werden die Worte der mit dem Toten sprechenden Götter durch „sagt" kenntlich gemacht: es geschah dir dieses wie was? sagen sie zu N., sagen die Geister mit ihrem wohl versehenen Munde, (daß) du bist gekommen zu dieser Stätte, die erhaben ist gegenüber jeder (anderen) Stätte? ich bin gekommen zu dieser Stätte, die erhaben ist gegenüber jeder (anderen) Stätte (mit Hilfe der Boote usw.). Bei dem Gebrauch des „sagt" ist keine Regelmäßigkeit festzustellen. Es scheint, daß solche Kenntlichmachung nur oder doch bevorzugt dann erfolgt, wenn die Deutlichkeit es erfordert, die auch verlangen kann, daß „sagt" mehrmals nacheinander verwendet wird wie in einem Gespräch des Toten im Jenseits mit den dortigen Göttern über seine Ernährung, in dem es an einer Stelle so heißt: iß! sagen sie zu mir; nicht esse ich! wegen was? sagen sie zu mir; wegen der Tatsache, daß ich usw. iß! sagen sie zu mir nicht esse ich! wegen was? sagen sie zu mir; wegen der Tatsache, daß ich usw. Es folgt noch einmal dieselbe Hin- und Herrede, in der die Worte des Toten nicht besonders kenntlich gemacht sind, wie in anderen Teilen desselben
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Wie man miteinander und voneinander sprach
Gespräches übrigens auch die Worte der Götter nicht. Als letztes Beispiel sei noch ein Stück aus dem Schlußgespräch des Totenbuchspruches vom Gericht im Jenseits angeführt, einer Unterhaltung zwischen dem Einlaß begehrenden Toten und den Torgöttern über seine Person und über seine Wanderung zum Tor des Totenreiches: (nachdem der Tote erzählt hat, daß er eine lange Wanderung hinter sich habe) möge er [der Ankömmling, man erwartet „mögest du"] kommen! sagen sie zu mir; wer denn (bist) du? sagen sie zu mir; wer denn (ist) dein Name? sagen sie zu mir; „der im Ölbaum" (ist) mein Name! du bist vorbeigegangen bei was? sagen sie zu mir; ich bin vorbeigegangen bei der Stadt nördlich vom Busch; was denn (ist) es das du da gesehen hast? Schienbein und Wade; was denn (ist) es? usw. Nur die ersten Fragen der Götter sind durch „sagen sie zu mir" gekennzeichnet; späterhin entbehren diese Fragen des Nachsatzes. Aber in dem Gespräch, das die Teile der Pforte ins Jenseits mit dem Toten führen, ist jedes Mal die eingeschobene Kenntlichmachung des jeweils sprechenden Türteiles wiederholt; das Schema ist so: nicht lasse ich dich eintreten durch mich sagt der Türbalken dieser Pforte; du hast noch nicht meinen Namen gesagt; „ Wagegefäß des Wahren" ist dein Name! Die Antworten des Toten, für den der g a n z e Spruch ja als Spreche bestimmt ist, sind in keinem Fall durch ein „sage ich" herausgehoben; bei den Teilen der Tür ist es jedes Mal geschehen aus Gründen der Deutlichkeit. Im übrigen müßte nach unserem Sprachgefühl in allen diesen Fällen eigentlich „wird" er sagen („werden" sie sagen) übersetzt werden (was grammatisch möglich wäre), weil die Gespräche doch erst statthaben sollen; aber das wäre wohl nicht im Sinne des Ägypters gedacht, für den die Gespräche in seiner Gegenwart als Verstorbener gehalten werden. Im Neuägyptischen ist der Gebrauch dieser nachgestellten „sagte er", „sagte sie" usw. insofern ein anderer, als die durch diese Zusätze kenntlich gemachten Reden in der Regel schon zu deren Beginn durch ein „er sagte" eingeführt sind. Es handelt sich hier im Neuägyptischen nicht eigentlich um eine Kennzeichnung der vor dem „sagte er" stehenden Worte als direkte Rede, sondern vielmehr um eine unterstreichende vulgäre Wiederholung der vorher schon erfolgten Einführung durch „er sagte". Das „sagte er" kann auch zu „sagte er zu mir" oder zu „sagte er, indem er sagte" erweitert werden. Die häufigeren Formeln (das Gesagte ist durch . . . angedeutet) sind folgende; sie sollen unter Vernachlässigung des „du" oder „er" oder „sie" nur den Gebrauch aufzeigen: er sagte . . . sagte er; er sagte zu ihm ... sagte er zu ihm; er sagte zu mir wie folgt sagend ... sagte er zu mir; da sagte er zu ihr ... sagte er, indem er zu ihr sagte; und im Brief: du schriebst wie folgt sagend . .. sagtest du; das Schreiben das du tatest wie folgt sagend . . . sagtest
Von der Wiedergabe der Gespräche in den Texten
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du, indem du mir schriebst. Gelegentlich ist das einführende „er sagte" auch nur zu ergänzen: ich hörte nicht auf ihn [sondern s a g t e ] . . . sagte ich, indem ich zu ihm sagte. Auch mit unpersönlichem „man" kommt die Wendung vor: man sagte zu uns ... sagte man; man ließ ihn weggehen wie folgt sagend . .. sagte man zu ihm. In lebhafter Rede wird das „sagt er" auch wohl zweimal nach je einem Abschnitt des Gesagten ausgesprochen: ich sagte zu ihr .. . sagte ich zu ihr ... sagte ich zu ihr. 2. Vorangestelltes „er sagt" Die Einführung des Gesprochenen in der Erzählung erfolgt zu allen Zeiten durch eine Form von „sagen", mag diese nun im einzelnen Fall lauten wie immer, ob er sagt oder er sagte oder da sagte er oder mit Angabe der angeredeten Person er sagte zu mir oder er sagte ihm gegenüber und so weiter. Die Verwendung von „sagen" als Einleitung direkter Rede hat im Ablauf der Sprachgeschichte immer noch zugenommen, indem im steigenden Maße ein beim sagen oder wie folgt sagend anderen Verben des Sprechens (dann auch des Erkennens, Hörens, Sehens und ähnlich) vor dem Gesprochenen als dessen Einführung beigefügt wird bis zur koptischen Partikel dache hin, dem Abkömmling des ägyptischen wie folgt sagend, das früh den Sinn von „mit den Worten" erhalten hat. Schon in der Sprache des Mittleren Reiches ist es ungewöhnlich, daß eine Äußerung in der Erzählung ohne einen Ausdruck für „er sagte" eingeführt wird, wie es in der Geschichte des Sinuhe von den Haremsdamen berichtet wird, die ihre Musikinstrumente herbeigeholt hatten und sie Seiner Majestät darboten: Deine Hände nach dem Schönen hin, Gnädiger König, also ohne „wie folgt sagend" vor der Rede an den König, in derselben Geschichte, in der Sinuhe seine Freude über den Brief des Königs so schildert ich lief umher in meinem Lagerplatz jubelnd, wie folgt sagend: es wird Dieses getan wie was? (einem Diener wie ich es bin usw.). Das „jubeln" allein genügt nicht, um seine Äußerung einzuleiten. Sogar „antworten", das im Sinuhe und im Lebensmüden noch unmittelbar vor den Worten der Antwort genügt, bedarf in der Geschichte vom Schiffbrüchigen schon eines beigefügten „sagte": da beantwortete ich es ihm, indem meine Arme vor ihm gebeugt waren, ich sagte ihm (ich usw.). Weder das pronominale Objekt bei „antworten" („ich beantwortete es") noch auch der Zusatz über die Haltung können das „ich sagte ihm" erforderlich gemacht haben. Auch in der neuägyptischen Erzählung von der Reise des Unamun heißt es an zwei Stellen er antwortete, er sagte zu mir. Im übrigen ist die Verwendung von Verben wie „antworten" und von anderen ähnlicher Bedeutung in Erzählungen als Einführung des Ge-
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Wie man miteinander und voneinander sprach
sprochenen eigentlich ungewöhnlich. Denn in der Regel wird auf solche Feinheiten wie „antwortete", „schrieb", „rief" verzichtet: alles oder doch das meiste wird mit einem „sagen" von indifferenter Bedeutung ausgedrückt. Auch vor einer Frage wird „sagen" gebraucht, also für „fragen", und vor einer Antwort für „antworten" und vor einer schriftlichen Mitteilung für „schreiben" und ähnlich. Liest man unter diesem Gesichtspunkt die Erzählungen, besonders solche mit vielen und verschiedenartigen Wechselreden, einmal durch, so erschrickt man fast über das Einerlei der Gesprächseinführung mit „sagen". Sie kommt, um ein Beispiel zu nennen, im Westcarmärchen über siebzig Mal vor; allein in dem Gespräch zwischen dem König ynd dem weisen Dedi folgen sich fünfzehnmal aufeinander da sagte Dedi und da sagte Seine Majestät. Auch das kann vorkommen, daß mehrere „er sagte" kurz aufeinander folgen wie in einer Stelle der neuägyptischen Erzählung von Horus und Seth: Re sagte zu ihm: du hast ihr was gesagt? da sagte Seth zu ihm: ich habe ihr gesagt (das und das). Gewiß handelt es sich hier um ungekünstelt in volkstümlichem Ton erzählte Geschichten. Aber „sagen" ist auch in höher stilisierten Erzählungen als Einführung des Gesprochenen sehr gebräuchlich. In einigen der älteren Erzählungstexte ist gelegentlich das bloße „er sagte", „da sagte er" usw. durch Beifügung eines zweiten Verbums des Sprechens von spezieller Bedeutung etwas modifiziert, aber eben doch nicht beseitigt. So in der Wendung zu Anfang der einzelnen Erzählungen im Westcar aufstehen war es was Prinz N. N. machte um zu reden; er sagte: oder in der Einleitung zu den Klagereden des Bauern da kam dieser Bauer um zum Obergutsverwalter zu flehen; er sagte. Und so auch in den folgenden Stellen mit „antworten": ich sagte ihm, ich antwortete ihm; das was N. sagte, indem er der Majestät antwortete; da sagten diese Freunde des Königs, sie antworteten ihrem Herrn. Für die neuägyptischen Erzählungen kann man hinsichtlich der Einführung des Gesprochenen geradezu die Regel aufstellen: enthält der einleitende Satz nicht schon an sich eine Form von „sagen", sondern ein Verbum wie „bitten", „schwören", „rufen" und dergleichen, so muß zusätzlich unmittelbar vor der direkten Rede ein „er sagte" stehen oder eine der beiden Verbindungen „beim sagen" oder „wie folgt sagend" im Sinne von „mit den Worten". Bei dem „sagen" wird kein Unterschied gemacht, ob der König spricht oder ein Gott oder Menschen oder Tiere: sie alle „sagen", wenn sie berichtend, fragend, antwortend, rufend sprechen. Die bei den anderen Verben des Sprechens erforderlichen Ergänzungen mit „sagen" wechseln nicht selten bei derselben Wendung in derselben Geschichte, wie beispielsweise da rief Seth ihr zu wie folgt sagend neben da rief Isis ihm zu beim sagen neben er rief ihr zu, er sagte zu ihr.
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Zweites Kapitel
Berichtende Wiedergabe von Gesprochenem Genauer bezeichnet geht es um berichtende Wiedergabe von Gesprochenem das daneben auch im Wortlaut erhalten ist. Denn bloße Berichte jiber Gespräche liegen uns in ziemlicher Anzahl vor. Sehr viele der Unterhaltungen des Toten mit den Gottheiten im Jenseits sind ja im Grunde derartige Berichte: der Tote ist der eine Sprecher, der uns mitteilt, was der Partner zu ihm sagt oder sagen wird. Oben Seite 158 sind Proben solcher Gespräche mitgeteilt, zu denen auch die Unterhaltungen im Sinuhe, im Schiffbrüchigen, im Unamun und in anderen Ich-Erzählungen gehören und auch Stellen wie die folgende aus einem Brief als wir ihm sagten: melde uns die Namen
listenmäßig,
damit sie [die L e u t e ] geholt werden! ich
werde sie euch nicht melden, sagte er.
Interessanter sind Fälle, in denen dasselbe von zwei verschiedenen Personen in verschiedener Situation gesagt wird wie zum Beispiel bei dieser Befehlsübermittlung aus der Prinzengeschichte: als der König erfahren hat, wen der fremde Jüngling zu sein vorgibt, in den sich seine Tochter verliebt hat, da sagte er: „soll ich meine Tochter dem ägyptischen Flüchtling Er möge sich zurückbegeben!"
Man
kam, um ihm zu sagen: „Ach,
du dich dahin begeben, von wo du gekommen bist!"
geben? mächtest
U m ihn aufzuheitern, so
erzählt Unamun, „ließ der Fürst von Byblos eine Sängerin zu mir bringen" und sagen: „singe ihm! sein Herz möge sich keine Sorgen machen!" [sie] zu mir wie folgt sagend: „iß, trink!
Er sandte
möge dein Herz sich keine
Sorgen
machen!" Aber es gibt auch nur umschreibende und stark verkürzte Wiedergaben von Anordnungen: sobald der königliche Vater von der Freude des Prinzen Amenophis an Pferden gehört hat, befiehlt er seiner Umgebung laßt ihm eine sehr schöne Stute aus dem Stall Meiner
Majestät
in
Memphis
geben und saget ihm: „hüte sie, laß sie stark werden, laß sie traben, pflege sie sorglich!
[sows